Friedrich Wolf— Der „Rote General“? —

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Friedrich Wolf— Der „Rote General“? — ’ Biklhkimatmtimthir 'MONATSBElLAGE DES REMSCHEIDER GENERAL-ANZ—EIGERS Nr. 11 / 55. Jahrgang , Mitteilungsblatt des Bergischen Geschichtsverelnl — Abteilung Remscheid November 1988 Friedrich Wolf — der „Rote General“? — Anläßlich des 100. Geburtstages ein Beitrag zur biografischen Forschung von Wolfgang Fey 1933 floh Friedrich Wolf mit seiner Familie vor der bevorstehenden Verhaftung über Vor fast genau 100 Jahren, am 23. Dezember 1888, wurde Friedrich Wolf in Österreich und die Schweiz nach Frankreich Neuwied in eine bürgerlich-liberale Familie hineingeboren. Während der Gym- und schließlich Ende des Jahres in die Sowjet- nasialzeit fand er Anschluß an die gerade aufblühende Jugendbewegung. Ein union. Mittlerweile war er so populär, daß er Kunststudium brach er ab, entschied sich für die Medizin und studierte in in den USA als „Hitlers Feind Nr. ]“ begrüßt wurde, wo er 1935 an einem Schriftstellerkon- Tübingen, Bonn und Berlin. Seit 1914 war er mit Käthe Gumpold, einer Innenar- greß teilnahm. Im gleichen Jahr wurden er chitektin und Gymnastiklehrerin, verheiratet und hatte mit ihr zwei Kinder; und Else, auch ihre beiden Söhne Konrad und Durch seine Erlebnisse als Militärarzt wiihrend des Weltkriegs wurde er zum Markus, aus Deutschland ausgebürgert. 1938 entschiedenen Kriegsgegner. Seine ersten schriftstellerischen Werke hatten die wollte er sich am Kampf gegen Franco-Spa- Hoffnung auf eine Erneuerung der bürgerlichen Gesellschaft aus dem Geist der nien beteiligen, kam aber nur bis Frankreich, weil die Internationalen Brigaden sich bereits Jugendbewegung zum Inhalt: Brüderlichkeit, Pazifismus, Naturnähe. Nach aus Spanien zurückgezogen hatten. Er wurde dem Krieg: kurze Tätigkeit als Lazarettarzt in Langebriick bei Dresden, dann interniert, wie zahlreiche andere Antifaschi- als Stadtarzt in Remscheid von Februar 1920 bis Juni 1921, einige Monate in der sten. Da er die sowjetische Staatsbürgerschaft Gemeinschaftssiedlung Heinrich Vogelers, dem „Barkenhoff“, in Worpswede, zuerkannt bekam, wurde er nicht nach bevor er sich in Hechingen als Arzt niederließ. Seit 1922 war er mit der Rem- Deutschland deportiert, sondern konnte in die Sowjetunion zurückkehren. Nach dem deut- scheiderin Else Dreibholz verheiratet, mit der er ebenfalls zwei Kinder hatte. schen Überfall auf seine neue Heimat gab er Schriftstellerische Arbeit und ein weitverbreitetes medizinisches Handbuch die schriftstellerische Arbeit fast ganz zugun- machten ihn außerordentlich bekannt. Ab 1928 war er Mitglied der KPD. Er sten politisch-propagandistischer Tätigkeit prägte das Wort von der „Kunst als Waffe im Klassenkampf“, das er durch seine auf : durch Radioansprachen, Flugblätter und am häufigsten genannten Werke illustrierte, die in den folgenden Jahren ent- Ansprachen in Kriegsgefangenenlagern ver— standen: „Cyankali“, „Die Matrosen von Cattaro‘f, „Professor Mamlock“. suchte er, die deutschen Soldaten für den anti— iaschistischen Widerstand zu gewinnen. Nach 1945 lebte er in der SBZ/DDR. Sein kul— re Frau, Else Dreibholz, hier war er als junger turpolitischer Einsatz wurde mehrfach gewür— Wenn in den nächsten Wochen durch Publika- digt. Er war der erste Botschafter seines Lan- tionen, Gedenkveranstaltungen, Theaterauf- Stadtarzt am Aufbau einer modernen Gesund- heitsvorsorge beteiligt. Als beliebter Dozent des in Polen. 1953 starb er in Lehnitz bei Ora- führungen in der Bundesrepublik und der nienburg. Sein Bekanntheitsgrad in der DDR DDR, vielleicht auch in Polen und der an der Volkshochschule nahm er an ihrem er- UdSSR‚ an Friedrich Wolf erinnert wird, dann sten großen Volksfest auf dem Spelsberg teil war nur mit dem seines Schriftstellerkollegen und in seinen Kursen konnte man seine eige- Bertolt Brecht vergleichbar, während er bei wird immer auch Remscheid miterwähnt, wo uns fast vergessen wurde, Nachwirkung der er zwar nur kurze Zeit lebte, aber wichtige nen Dichtungen und dramatischen Werke Verbrennung seiner Bücher und des Antikom— Anregungen erfuhr und einige Spuren hinter— kennenlernen. ließ. Hier traf Friedrich Wolf 1920 seine späte- Diese Aspekte seines Remscheider Aufent- munismus. halts sind in Bildern, Anekdoten und Erinne- rungen vor allem bei den älteren Remschei- dern lebendig, die damals, Anfang der 20er Jahre, zur Jugendbewegung gehörten und Friedrich Wolf bewunderten, weil er sich durch sein Amt als Stadtarzt in seiner Lebens- weise nicht korrumpieren ließ. Auch als Arzt . trat er nicht im Anzug und mit Krawatte auf, sondern trug weiterhin die weite offene Klei- dung der Jugendbewegung und seine Sa’nda- 1en. Erstaunlicherweise verschwimmen in der bis- herigen Wolf-Forschung die medizinisch-sog zialhygienischen und pädagogischen Aspekte seines Remscheider Wirkens, die in Rem- scheid selbst in den Erinnerungen dominie- ren, hinter einem Bild, das wesentlich spekta- kulärer ist: es zeigt Friedrich Wolf als politi— schen und militärischen Führer der Remschei4 der Arbeiter, als „Roten General“, im Kampf gegen demokratiefeindliche Freikorpstruppen während des Kapp—Putsches im März 1920. So heißt es z. B. in einer in diesem Jahr erschiene— nen Arbeit von Henning Müller, einem Berli- ner Theaterwissenschaftler, über Friedrich Wolf : „1920: Stadtarzt in Remscheid. Politi- scher und militärischer Führer irn Ruhrkampf gegen den Kapp-Putsch.“ 1) und an einer ande- , ren Stelle dieses Buches: „Als im März 1920 die Kapp, Lüttwitz & Co. gegen die junge Wei- Friedrich Wolf in Wustraw, 1920. Fortsetzung nächste Seite kenntnis war“. Wolfs ideologische Unklarheit Friedrich Wolf - „roter General“? verschwinde mit seinem Beitritt zur KPD; bei seinen frühen Veröffentlichungen sei außer- dem in Betracht zu ziehen, daß sie „für bürger- Fortsetzung von vorheriger Seite brachte er jeden Abend bei ihnen, bewunderte liche und sozialdemokratische Zeitungen be- Wolfs dramatische Werke und erzählte über stimmt waren, was dem Autor Zurückhaltung marer Republik putschten, befand sich Frie- Rußland, das er nach der Revolution 1917 ver- ' drich Wolf als stadtarzt in Remscheid. Als lassen hatte. Von einer Beteiligung Friedrich auferlegte“. „) Und an anderer stelle: Mitglied der USPD nahm er an der Verteidi- Wolfs an den Kämpfenswar ihm nichts be- „Er handelte als ein sozialist — er war es in gung der Republik teil . .“ 2) Henning Müller, . kannt. 7)-Hatte Wolfs ihm gegenüber geschwie- seinem Bewußtsein nochnicht . ..Es soll- der Autor des Buches, stellt Wolfs Verbindun- gen, weil er wußte, daß sein jugendlicher ten noch Jahre vergehen, bevor er ganz gen mit Neuwied, seiner Geburtsstadt, inden begriff, was er Remscheid erlebt hatte Freund keinerlei sympathien für die sozialisti- « 1 Vordergrund; Remscheid kommt nur am Ran- sehe Bewegung aufbrachteT Wladimir Linden- de vor. Aber auch inbiografischen Arbeiten, berg— sah. im sozialismus vor allem Unord·v Das Konstruiertedieser Ansicht ist offenkun- die die Remscheider Zeit genauer behandeln, nung, Chaos und Ku1turzerstörung, die Leug- dig und macht die Widersprüche erst recht findet man das gleiche Bild. Werner Jehser, nung des Individuums, die völlige Unkenntnis deutlich. Sie liegen nicht auf der Ebene geäu- Hochschullehrer in der DDR, schreibt über der Entwicklungsgesetze des menschlichen Berter Überzeugungen und Haltungem son- Friedrich Wolf und Remscheid: ' Geistes. ') Wie war es dann aber möglich, daß dern zerreißen vielmehr die politische Identi- „Es gelang ihm, im Februar 1920 in der sich zwei· Menschen mit so grundverschiedes tät Friedrich Wolfs wesentlich tiefer: Erkennt— rheinischen Industriestadt Remscheid die nen Ansichten und Haltungen, mit- so unter- nis und Handeln scheinen unvereinbar ge- Stelle des stadtarztes zu erhalten« In der schiedlichen Überzeugungen begegneten und trennt voneinander. Daneben ist Penal— stark linksgerichteten Arbeiterstadt anfreundeten? schecks Erklärungsversuch aber noch mehr, brachte man. dem sozialistischen Arzt Der Widerspruch scheint sich zu lösen, wenn - nämlich die Behauptung. Friedrich Wolfs Le- und seinen Maßnahmen viel Vertrauen “man die Schriften Friedrich Wolfs aus«-»dem ben sei bis zumKPD-Beitrin lediglich als Ent- entgegen. Wolf richtete Mütterberatungs- Jahre 1920 liest und sie als authentische Auße— wicklung zur eigentlich erst dann reifen Ben stellen ein, er sorgte sich besonders um rungen seiner damaligen Überzeugungen erst sönlichkeit zu sehen, mit einer Ausnahemzsei; die schuljugend und die Kleinstkinden nimmt. In einem Brief an seine Mutter vom nem Einsatz als „Roter General“. Durch sein Handeln als militärischer Organisator beweist Durch seine soziale Tätigkeit vertiefte 13. März 1920 freute er sichan das für den« sich die Verbindung zu den Genossen der Wolf in der Diktion Poilatschecks, daß er 1920 sommer geplante Volkshochschulfest: im Kern schon der ist, der er später erst wer- USPD. Als am 14. März die Aktionen des „Wundervoli ist dieser Plan,: die Jugend vereinten Proletariats gegen den reaktio- den soll: der kompromißlose Kämpfer für die einmal auf neutralem Boden zu vereini- KPD, die ja auch-»hei. ihrer Gründung noch nären Kapp—Putseh begannen, stand Wolf gen, gänzlich unpolitisch, vor allem hier!" in vorderster Reihe . Das Freikorps 9 . längst keine marxiStisch-leninistische Partei Lützow hatte Remscheid besetzt, es kam (war), sie ist es erst in jahrelangcm schwerem Und in einemkkurzen Aufsatz über die Beerdi- Ringen geworden“. 1‘) . zu schweren Kämpfen. Wolf geriet in die gung der bei den Kämpfen in Remscheid getö- Hände der weißen Truppen, wurde aber Die Geschichte der KPD und die Entwicklung teten Arbeiter schrieb er, es werde Friedrich Wolfs: Man sieht, daß
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