Buchensee 1 82323 Tutzlng Talefon 08158/256·0 Fax 08156/256·14+51 lnternet : http : //www apb·tutzlng . de E-maii : B.BachmannOapb·tutzlng.de Berliner Perspektiven

Wird am neuen Ort auch neue Politik ge­ macht? Der Umzug von Regierung und Par­ lament aus dem beschaulichen Bonn in die Metropole Berlin löste ein hitziges Für und Wider dieser Frage aus. Ging eine Epoche zuende und bricht eine neue ha der Politik in Deutschland an? Was sind die Aufgaben und Herausforderungen in einem vom Kom­ munismus befteiten Europa, denen sich deut­ sche Politik im neuen Jahrhundert zu stellen hat? In Zusammenarbeit mit dem Bayeri­ schen Rundfunk lud die Akademie Wissen­ schaftler, politische Akteure und Journalisten aus dem In- und Ausland ein, die •.Berliner Perspektiven" zu ergründen. Seite 7

Foto: Reichstsgskuppel von Oliver Traxe/ (Internet: http://www.trsxef.de) Europas Christdemokraten Wege aus der in der Krise · Globallsierungsfalle Sind Europas Christdemokraten zukunftsfähig? Diese Fra­ Die Globalisienmg der Wirtschaft sorgt national und in­ ge stellt sich nicht nur vor dem Hintergrund der aktuellen ternational für kontroverse Diskussionen. Wenn staatli­ Krise in der CDU Deutschlands. Auch in anderen Staaten che Grenzen für wirtschaftliches Handeln keine Rolle Europas mit Ausnahme Spaniens scheint das Zeitalter der mehr spielen und das Internet in Sekundenschnelle Infor­ christlich-demokratischen und konservativen Parteien von mationen um den Globus trägt, stellt sich die Frage nach einem sozialdemokratischen Zeitalter abgelöst zu werden. den verbliebenen Einflussmöglichkeiten der Politik. Wer Deutsche und ausländische Wissenschaftler, Politiker und steuert die Prozesse, die die ökonomischen und sozialen Journalisten analysierten sowohl die deutsche wie auch die Rahmenbedingungen gestalten? Bedeutet Globalisierung europäische Situation der christlich-demokratischen Parteien gar das Ende von Demokratie und Politik? Wissenschaft­ und diskutierten über deren Zukunft. Seite 3 ler suchten nach Antworten. Seite 5

Fundgrube Internet Das Internet wird immer mehr zum Massenmedium und Akademie im Internet: hat seinen Weg längst in die Schulen und in die politische http://www.apb-tutzing.de Bildung gefunden. Wir haben empfehlenswerte Tipps für Aktuelle Themen und Termine, die neuesten Pro­ erfolgreiches Navigieren im Netz zusammengestellt. Bookmark-verdächtige Links zu;den Themenbereichen gramme und Informationen zur Akademiearbeit Politik und politische -Bildung auf Seite 15 Und onllne anmelden! Inhaltsverzeichnis Direktor der Akademie: Prof. Dr. Heinrich Oberrauter Vorsitzender des Kuratoriums: Seite Prof. Dr. Hans Maler Vorsitzender des Beirats: Siegtried Kett Christdemokraten in Eurapa: Kollegium: Dr. Horst DenDr, Dozent Keine Patentrezepte für den Weg Grundsatzfragen von Staat und Politik, aus der Krise 3 Internat. Politik Gebhard Dlemer, M.A., Dozent Politische Bildung einmal anders 4 Internat. Politik, Pol. Ideengeschichte I Klaus Grosch Internat Pollb1t, Landeskunde, Sozial­ Wege aus der Globalisierungsfalle 5 politik und -arbeit, Erwachsenenbildung Dr. Pater Hampe, Dozent Berliner Perspektiven: Wirtachaf'IB- und Sozialpolitik. Politische BHdung Neue Politik am neuen Ort? 7 Jürgen Maruhn, Dipl. Volkswirt Wlrtschaf'IBordnung, Extremismus, Sicherheitspolitik Der Kosovo-Krieg ln den Medien 9 Dr. Michael Plazolo, Dozent Europapolitlk, Staats- und Verfassungsrecht Offene Grenzen - Rechtspolitik Gefahr für die innere Sicherheit? 10 Dr. Michael Schrödar, Dozent Medien, Komrnunikatlonspolltlk, Öffentllchkeitaarbelt Politik an der Leine der Verwaltung? 11 Dr. Jürgen Weber, Dozent Polltlkwissanschaft, ZeltgeschichtB AkademiegeMJräch im Landtag: Kari-Heinz Willenborg Rußland ohne Jelzin 12 Gesellschaft. und Umwelt, Sozialpolitik und -arbelt

Medien und Politik: Organisationsreferat: Von Abgeordneten und Agenten 13 Elke Leisehing Dlpi.-Betriebswirtin (VWA) Fundgrube Internet 15 1989: Die Überwindung Akademle.. Report der SED·Diktatur 16 Herausgeber:

Akademie für Politische Bildung Buchen•• 1 82323 Tutzlng Tal. 081581256-4 Fu 081581256-14 Internat: http://www.apb·tutzlng.da Zeitungsecho - Medienstimmen - E·Mall: [email protected] Pressesplitter 18 Redaktion: Prof. Dr. Dr.hc. Heinrich Obarreuter (verantw.) Themen- Tagungen- Termine 22 Dr. Michaal Sehröder (Redaktion und Gestaltung) Rezensionen - Neuerscheinungen­ Mitarbeit I Layout: Karln Slttkua Druck: Publikationen 27 Offsetdruck Schwarz GmbH Rohraua111traßa 70 81477 MOnehen Namen und Nachrichten I Anmeldeformular 28 Logo: KR·Team Kartn Rappanglüek, Pöcklng Der Akademi&-Report wird kostenlos abgegeben

2 Akademie-Report 2/2000 Christdemokraten in Europa: Keine Patentrezepte für den Weg aus der Krise Reinheit der Werte bringt noch keine Mehrheiten

Sind Europas Christdemokraten zukunftsfihiK? Diese Frage stellt des Begriffs .,christliche Demokratie". sich nieht nur vor dem HintefiJ1lnd der airtueDen Krise ln der CDU Wichtig ist nach Maier weiterbin der Deutschlands. Auch in anderen Staaten Europas mit Ausnahme Umstand, ,.daß die Stellung der ein­ Spaniens scheint das Zeitalter der christlich-demokratischen und zelnen Parteien im jeweiligen Regie­ rungssystem und iDnerhalb der jewei­ konservativen Parteien von einem sozialdemokratisehen Zeitalter ligen nationalen Politik höchst unter­ abgelöst zu werden. Anlaß genug fdr die Akademie, deutsche und schiedlich war, was zu einer verschie­ auslindisehe Wissenschaftler, Politiker und Journal1sten einzula­ denen Entwicklung der Programme den, um sowohl die deutsehe als auch die europiüsehe Situation der und Tätigkeiten und gelegentlich zu christlieh-demokratisehen Parteien zu analysieren und über ihre Widersprüchen zwischen Idee und Zukunft zu diskutieren. Dabei sollte auch geklärt werden, ob es sich Realität der christlichen Demolcratie bei der Entwicklung der Christdemokraten um einen gesamteuro­ führte". In seinem Ausblick zeigte pliseben Trend handelt oder ob die erkennbaren Ähnlichkeiten nur Maier auf, dass die christlieb-demo­ zufilllig sind. kratischen Parteien nur dann eine Zu­ kunft haben. wenn sie ihre alten Struk­ T Tber die europäischen Wuneln der .,großen Drei", die ,,Democrazia Cri­ turen - das Erbe der Konfessionspar­ U christlichen Demokratie referier­ stiana" (DC) in Italien, die .,Republi­ tei - den neuen Erfordernissen einer te Prof. Dr. Hans Maier von der Uni­ kanische Volksbewegung" (M.R.P.) in pluralistischen Gesellschaft anpassen. versit!t München. Ihre maßgebliche Frankreich sowie die CDU/CSU in Damit meinte er vor allem mehr Prag­ Bedeutung hätten Parteien mit diesem Deutschland mit ihrem politischen matismus im Denken. Einfluss die Nachkriegspolitik in Eu­ ropa spürbar bestimmt. Daneben grün• Optimismus tro~ deten sich nach dem Krieg vor allem Schwieriegkeiten in Belgien, Holland. Luxemburg und Österreich kleinere christliche Partei­ Unter dem Thema .,CDU und CSU im en mit zum Teil alter Tradition neu. Abstieg?" folgten Impulsreferate und In seinem Vortrag verschwieg Maier eine Podiumsdiskussion. Teilnehmer nicht, dass auch in Osteuropa in den ersten Nachkriegsjahren zahlreiche Gründungen von christlich-demokra­ tischen Parteien zu beobachten waren. Diese wurden jedoch alsbald entwe­ der verboten oder in das Blocksystem der jeweiligen Länder eingebunden und damit neutralisiert.

im Denken gefordert Anpassung an Namen nach dem Zweiten Weltkrieg pluralistische Gesellschaft emmgen. In den ersten Nachkriegs­ wahlen gewannen sie unter anderem Dass sich die großen Erfolge der er­ in Italien, Belgien und Frankreich eine sten Nachkriegsjahre für die christli­ führende Stellung und übernahmen che Demokratie in Buropa nicht wie­ auch in einigen anderen Ländern die derholten, liegt nach Maier daran, dass Regierungsverantwortung. Von be­ vor allem in Frankreich und Italien die sonderer Bedeutung sei auch ihr maß• christlich-demokratischen Parteien geblicher Einfluß aufdie europäischen inzwischen bis auf kleine Reste ver­ der Universität Göttingen Geschicke in der Folgezeit. Maier schwunden sind Dazu kommt die un­ Fotos: Heine stellte fest, daß "bis heute ( ... ) die befriedigende europäische Zusam­ christliche Demokratie trotz massiver menarbeit zwischen den einzelnen na­ waren Dr. Pranz Walter von der Uni­ Rückschläge ( ... ) eine maßgebliche tionalen Parteiorganisationen. Maier versität Göttingen, Prof. Dr. Hans.Joa­ Kraft in der europäischen Politik ge­ sieht den Hauptgnmd hierfilr in der chim Veen von der Komad-Adenau­ blieben (ist)". Laut Mai er haben die geringen programmatischen Schärfe er-Stiftung, Dr. Gerhard Hirseher von

Akademie-Report 2/2000 3 der Hanns--Seidel-Stiftung und Prof. Sonderfall Spanien Westeuropas, in dem eine konservati­ Dr. Heimich Oberreuter, Tagungslei­ ve Partei die Regierung stellt, und das ter und Tutzinger Akademiedirektor. Den Sonderfall innerhalb Europas er­ sogar mit absoluter Mehrheit. Fraga Bei der Diskussion zeigte sich die läuterte Luis Fraga Egusquiaguirre, gab während seiner Ausführungen zu, Schwierigkeit einer Prognose der wei­ Senator des Partido Popular (PP) aus dass der Sieg des PP auch für die Par­ teren Entwicklung. Alle Referenten Madrid. Spanien ist der einzige Staat tei selbst eine Überraschung war. Für hatten einerseits Argumente, die opti­ ihn waren vier Faktoren letztendlich mistisch für die Zukunft stimmten. wahlentscheidend: Andererseits präsentierten sie Fakten, • klare politische Führung, die die momenUIIlen enormen Schwie­ • gute Parteiorganisation, rigkeiten vor allem der CDU in ihrer eigenen programmatischen Ausrich­ • Unabhängigkeit gegenüber verschie­ tung deutlich belegten. Das kam auch denen Lobbys und vor allem gegen­ in zum Teil unterschiedlichen Hand­ über politischem Druck aus der Bas­ lungsvorschlägen an die Adresse der kenregion CDU zum Ausdruck. In seiner Zusam­ • und ein glaubhaftes Programm für menfassung stellte Obeneuter heraus, das Land, v.-elches der spanischen Rea­ dass die Herausforderung beider lität entspricht. christlicher Parteien in Deutschland Fraga betonte in seinem Vortrag, dass in der Verbindung von Bewahrung der Erfolg des PP kein Erfolg der so­ elementarer Wertvorstellungen einer­ genannten Rechten sei, sondern ein seits und der Offenheit gegenüber fort­ Erfolg der Mitte. schrittlichen Entwicklungen anderer­ seits läge. Mit der Reinheit der ideo­ XUl~CJI~f:~fi;(N~~~okmt Die Ursachen der eher marginalen logischen W~ allein, so Oberreuter, Luis Fraga Egusquiaguirre: Füh• Bedeutung der christlich-demokrati:. würde keine Partei mehr eine Wahl ge­ rung, Programm und gute Organi­ sehen Parteien in Mittel-osteuropa er­ winnen. sation wahlentscheidend läuterte Prof. Mik16s Tomka von der Universität Budapest. Sie liegen nach seiner Erkenntnis zum einen in der hohen Säkularisierung dieser Länder und zum anderen in der mehrheitlich Politische Bildung einmal anders rein liberalen Ausrichtung der vorhan­ denen Oppositionsparteien. Politische Bildung einmal anders: Im Kein Patentrezept Rahmen eines In der Abschlussdiskussion wurden Fortbildungsseminars noch einmal die Schwierigkeiten bei für bsyerische Hauptschullehrkräfte der Definition des Begriffs ,.christlich­ demokratisch" deutlich, vor allem in unter Leitung von Peter Hampe wurden Abgrenzung zum reinen Konservatis­ die Möglichkelten von mus. Es bestanden unterschiedliche Projektarbeit in den Auffassungen darüber, wie die Mehr­ Fächernder heitsfähigkeit christlich-demokrati­ scher Parteien wieder erreicht werden politischen Bildung kann. Fazit der Tagung war, dass es ausgelotet. Die Präsentation der kein Patentrezept gibt und deshalb die Ergebnisse durch die innerparteiliche Diskussion in den Teilnehmererfolgte christlich-demokratischen Parteien auch in Form einer umso notwendiger ist. Klar wurde aber szenischen Darstellung auch, dass nur eine Partei, die breite Wählerschichten anspricht, in Zukunft mehrheitsflihig ist. Der Spielraum zur Abgrenzung zwischen potentiell mehrbeitsflihigen Parteien ist geringer als je zuvor. • RonnyHeine (siehe aucb Presseschau Seite 21) Foto: Braun

4 Akademie-Report 2/2000 Wege aus der Globalisierungsfalle Multinationale Wirtschaftsaktivitäten müssen nicht das Ende von Demokratie und Politik bedeuten

Kein anderes Thema sorgt über Ländergrenzen hinweg für soviel erbracht, die ein Teil der Staatengo­ Diskussionsstoff wie die Globallslerung und ihre Folgen. In einer meinschaft waren. Im Zeitalter der Zeit, in der staatliche Grenzen für wirtschaftliche Akteure keine Rolle Globalisierung können jedoch nach mehr spielen, das Internet Informationen in Sekundenschnelle rund Ansicht von Zürn die Staaten diese um den Globus trausportiert und zuginglieh macht, stellt sich die Ziele in Eigenregie nicht mehr erfül• len, da Staatlichkeil im herkömmli• Frage: hat die Politik noch Einfluss auf diese Prozesse? Früher hat chen Sinn immer mehr "zerfasert''. der Nationalstaat die ökonomischen und sozialen Rahmenbedingun­ Denmach bedarf es internationaler In­ gen geschaffen und ausgestaltet. Immer mehr Li.nder sind dazu nicht stitutionen, um die bestehenden Pro­ in der Lage. Wer steuert stattdessen diese Prozesse? Bedeutet Glo­ bleme zu lösen. Für Züm bedeutet ballsierung nun das Ende von PoHtlk und Demokratie? Wissenschaft­ Globalisierung deshalb Denationali­ ler suchten auf einer Akademietagung nach Antworten. sierung, die in der Tendenz in eine transnationale Zivilgesellschaft mün• den könnte. ass Globalisierung nicht nur auf holländische Erfolgsmodell an. Hier Dökonomischem Gebiet sondern sei es gelungen, trotz sehr hoher Ex­ vielmehr auch auf der kultwellen Ebe­ portabhängigkeit einen Ausweg aus ne stattfmdet, hielt Prof. Dr. Edgar der wirtschaftlichen Krise der 80er Gtande von der Technischen Univer­ Jahre zu finden. Für die Bundesrepu­ sität München fest. Für ihn ist die Glo­ blik konstatierte Grande, dass es ihr balisierung ein Faktum und hat ein­ besonders schwer fällt, innovativ zu schneidende Auswirkungen auf die sein und politische Reformen auf den Weg zu bringen. Gerade das sei aber nötig, um der Globalisierung begeg­ nen zu können. Die Konsequenz für die Bundesrepublik müsse, so Gran­ de, die Umwandlung von einem all­ umfassenden Fürsorgestaat in einen Daseinsfiirsorgestaat sein. Stsatlichksit zer­ Krise der Politik fassrt immer mehr

Prof. Dr. Michael Züm referierte über Mit der Globalisierung als Regionali­ die Möglichkeiten des Regierens im sierung beschäftigte sich Prof. Dr. Zeitalter der Denationalisierung. Das Wemer Link von der Universität zu Regieren zielt für ihn aufvier wesent­ Köln. Globalisienmg ist nach Links Hand­ liche Ziele ab: auf die innere und äu• Aussagen im Kern eine ökonomische lungsmöglichkeiten bleiben den ßere Sicherheit, auf die Durchsetzung Regionalisierung. Das heutige Welt­ Nationalstaaten 7 Fotos: Heine und institutionelle Absicherung der wirtschaftssystem ist durch eine Tri­ Rechtssicherheit, auf die Gewährlei• polarität gekennzeichnet. Die Pole bil­ stung politischer Partizipation und auf den dabei Nordamerika, die Europäi• Handlungsfähigkeiten von National­ ein Minimum von sozialer Wohlfahrt. sche Union und Südostasien mit Japan. staaten. Seine Kernfrage war, welche Diese vier Ziele sind einerseits ,,nor­ Link machte auf die Tatsache auf­ Handlungsmöglichkeiten unter wel­ mative Güter", da sie von den meisten merksam, dass 50 Prozent des Handels chen Bedingungen den Nationalstaa­ Menschen als wertvoll und wün• in diesen Regionen i:ntraregional ab­ ten verbleiben. Da es offensichtlich schenswert angesehen werden, sie gewickelt wird. Als Erklärung dieser Staaten gibt, die einen Ausweg aus der sind aber auch gleichzeitig "fUnktio­ Entwicklung führte Link an, dass die sogenannten Globalisienmgsfalle ge­ nale Güter'', da die dauerhafte Nicht­ Globalisierung einen offenen Regio­ funden haben, folgerte Grande, dass erreichung eines oder mehrerer Ziele nalismus ohne Marktabschonung be­ es auch auf nationalstaatlicher Ebene die Krise der Politik anzeigen würde. günstigt, denn nur durch politische noch erheblichen Handlungsspielraum Diese Ziele wurden in der Vergangen­ Zusammenarbeit gebe es eine Chan­ geben muß. Als Beispiel führte er das heit durch mächtige Nationalstaaten ce, in einer globalisierten Welt zu be-

Akademie-Report 2/2000 s stehen. Demnach ist die Regionalisie­ Netzwerken müssen sowohl die staat­ rung die weltweite Antwort auf die lichen, die zivilgesellschaftlichen als Globalisierung. Die Schrittmacher der auch die privaten und kommerziellen Regionalisienmg sind für Link die gro­ Akteure vertreten sein. Reinicke weist ßen Mächte der jeweiligen Region. den Netzwerken fünf Funktionen zu: Der Hauptimpuls ging jedoch von den • Thematisierung globaler Probleme, USA als Antwort auf den europäischen • Erstellung von Normen und interna­ Binnenmarkt aus. Damit sei das Ziel tionalen Standards, regionaler Zusammenschlüsse nach außen klar erkennbar, nämlich die • Sammlung und Verbreitung von In­ Ausbalancieruns anderer Machtzen­ formationen und Wissen weltweiter tren. Für die Zukunft erwartet Link ein Ordnungspolitik, stärkeres Gewicht der Europäischen • Erschließung neuer und Vertiefung Union innerhalb der Triade und kon­ vorhandener Märkte sowie statiert eine bewegliche Ordnung in w ... ,,.",~, Link: • Implementation. der Welt. deutet ökonomische Regionali­ sierung Netzwerke müssen darüber binaus auf praktische, greifbare Ergebnisse ausge­ richtet sein. Daneben haben Netzwer­ Weltrepublik als Antwort ke den positiven Effekt, dass sie der Für eine Weltdemokratie, sprich eine Vertrauensbildung und Kommunikati­ Weltrepublik, als Antwort auf die Glo­ on dienen, was nach Reinicke ein we­ balisierung plädierte in seinem Refe­ sentlicher Gesichtspunkt ist. Bezug­ rat der Tübinger Philosoph Prof. Dr. nehmend auf die gegenwärtigen Otfried Höffe. Zwar ließen sich viele Schwächen von Netzwerken sieht es Aufgaben immer noch einzelstaatlich Reinicke als ein Manko an, dass die lösen, aber eine Weitrepublik könnte Entwicklungslilnder zum größten Teil einen helfenden (subsidiären) und er­ nicht an Netzwerken beteiligt sind so- gänzenden (komplementären) Rang einnehmen. Höffe hegt als Konse­ Henning quenz seiner Gedanken die Hoffnung, nicht unmöglich dass der Mensch in Zukunft eine drei­ schlechte erschwert fache Bürgerschaft besitzt: "Primär ist man Deutscher, Franzose oder Italie­ Als Vertreter des Institutes für Welt­ ner, sekundär Buropabürger (oder Bür• wirtschs.ft in Kiel hob Prof. Dr. Hen­ ger Lateinamerikas, Afrikas... ) und ning Kloth die Vorteile der Globali­ tertiär Weltbürger: Bürger einer sub­ sierung hervor. Ein Kernpunkt seiner sidiären und föderalen Weltrepublik''. Ausführungen war die Aussage, dass 'Ober gegenwärtig praktizierbare Ant­ die Globalisierung zwar ,,schlechte" worten auf die Herausforderungen der Politik erschwert, "gute" Politik aber Globalisierung sprach zum Abschluss nicht unmöglich macht. Nach Klodts Dr. Wolfgang Reinicke von der Welt­ Meinung werden in Zukunft alle Uln- bank in Washington. Für ihn war be- Wolfgang R:'l;;i;;i~n--··­ trale Netzwerlee sind nötig "Primär Ist man Deutscher, Franzose oder Italiener, sekundär Europabürger und tertiär wie den Widerstand einzelner Regie­ Weltbürger: Bürger einer subsidiären und rungen. Erfolgreich agierende Netz­ föderalen Weltrepublik" werke müssten auf einen kleinen Aus­ schnitt von globalen Problemen be­ Offried HöfTe grenzt sein und bedürften einer zeitli­ der, die an der Globalisierung betei­ sonders die Unterscheidung Z\\oischen chen Begrenzung. ligt sind, davon auch langfristig pro­ Globalisierung und Interdependenz Akademiedirektor Heinrich Oberreuter fitieren. Als ein Problem für die Zu­ wichtig. Interdependenz bezieht sich zog als Fazit, dass die Globalisierung kunft siebt er jedoch die anhaltende danach auf die staatliche, Globalisie­ keineswegs das Ende von Politik und Lohndifferenzierung zwischen hoch rung auf die gesellschaftliche Ebene. Demokratie bedeuten müsse, wenn alle qualifizierter und einfacher Arbeit an. Um Lösungen für die Probleme der Akteure flexibler im Internationalismus Hier sei es die Aufgabe der Politik, im Globalisierung finden zu können, sind agieren und neue Wege beschritten Rahmen der realen Möglichkeiten ent­ nach Ansicht von Reinicke offene, de­ würden. Zumindest einige davon wur­ sprechende Lösungen zu finden. zentrale Netzwerke nötig. In diesen den auf der Tagung aufgezeigt. • Ronny Heine

6 Akademie-Report 2/2000 Berliner Perspektiven: Neue Politik am neuen Ort? Wissenschaftler und Journalisten aus dem ln- und Ausland über deutsche und europäische Politik nach dem Umzug vom Rhein an die Spree

"Kleider machen Leute" so lautet ein bekanntes Sprichwort, gilt der "Vertiefung" der EU und der dar­ deshalb auch: "Macht die Stadt die Politik?" Der Umzug von Regie­ aus resultierenden stärkeren Einbin­ rung und Parlament aus dem beschaulichen Bonn in die Großstadt dung Deutschlands in die europäi• Berlin löste ein hitziges Für und Wider dieser Frage in der öffentli• schen Strukturen auch als ein Aus­ gleich :für die Vereinigung zu verste­ chen Diskussion aus. Manch einer sah mit dem Umzug vom Rhein hen. Die Aussöhnung zwischen den an die Spree eine Epoche zuende gehen und eine neue politische beiden Ländern ist nach Martens Ein­ Ära Deutschlands anbrechen. Steht nun Kontinuität versus Um­ sclllitzung zu einem gelungenem Ab­ bruch, Schwerpunktverlagerung von West nach Ost? Was sind die schluss gelangt: Nach einem Genera­ Aufgaben und Herausforderungen in einem vom Soziallsmus be­ tionenwechsel in der politischen freiten Europa, denen sieh Deutschland im neuen Jahrhundert Führung beider Nationen und gesell­ zu stellen hat? In Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rund­ schaftspolitischen Veränderungen funk lud die Tutzinger Akademie Wissenschaftler, politische dit::sseits und jenseits des Rheins sei Akteure und Journalisten aus dem In- und Ausland dazu ein, die nun die Phase der "post-r6conciliati.­ ~erliner Perspektiven" zu ergründen. on" angebrochen. Im zehnten Jahr nach der Wiedervereinigung könne enseits von Emotionen und Sym­ Westdeutschland gedient hätten, lau­ man sagen, dass Deutschland mit sei­ Jbolen untersuchte Akademiedirek­ tete nach dem Fall der Mauer die ent­ nen neuen Grenzen "nicht weniger tor Heinrich Obeneuter die Bedeutung scheidende Gretchenfrage Frank­ europäisch geworden ist, sondern nur des Regierungsumzugs nach Berlin reichs: "Welches Deutschland soll es auf eine andere, weniger deutsch-fran­ unter den Aspekten verfassungspoli­ sein?u Die deutsche Wiedervereini­ zösische Art". tische Grundentscheidungen und eu­ gung bedeute :für Frankreich eine ,,im- ropäische Integration der Bundesrepu­ Gleichberechtigte blik. Nachdem er zu dem Schluss kam, Partner dass sich auch eine Politik an der Spree dem Grundgesetz und der Westbin­ Bei dem Thema ,,Deutschlands neue dung Deutschlands verpflichtet wüs• Verantwortung für den Osten" warf ste und somit die drei Orte ,,Bonn - W6ycicki die Frage auf, ob Deutsch­ Berlin - Brüssel" nicht gegeneinander land Polen in Zukunft als Partner in auszuspielen, sondern vielmehr im der Ost-Politik anerkennen wird. Im Kontext eines kontinuierlichen Pro­ Gegensatz zu Deutschland. das seine zesses zu begreifen seien. referierten Ost-Beziehungen fast ausschließlich Dr. Stephan Martens von der Univer­ auf Moakau beschränke, seien :für Po­ site Michel de Montaigne in Bordeaux len die Kontakte zu den N a.cbbarn und Kazimierz W6ycicki aus Krakau Ukraine und Weißrußland von großer über die politische Verantwortung Bedeutung. W6ycicki warnte davor, Deutschlands aus der Sicht seiner die europlisehe Ostpolitik aufRußland Nachbarn Frankreich und Polen. zu beschrinkcn und Polen bei ihrer Gestaltung außen vor zu lassen. Auch Immerwährende Stepnan Martens: von im Hinblick auf die deutsch-polnische Herausforderung Maastrlcht als Ausgleich für die Geschichte und ihre heutige Kulturbe­ deutsche Einheit ziehung sprach W6ycicki den Wunsch Die Umwälzungen in Osteuropa Ende merwährende geopolitische Heraus­ aus, Deutschland möge seinem östli• der 80er Jahre hätten - so Martens - forderung", denn sie habe die Befürch• chen Nachbarn nicht nur mit Sympa­ eine reale wie auch wahrgenommene tung geweckt, das europäische K.räf• thie begegnen, sondern ihm den glei­ Verschiebung derpolitischen Gewich­ teverhältrus könne sich aufgrund der chen Respekt entgegenbringen wie te in Europanach sich gezogen. Nach­ hohen Bevölken.mgszahl, der zentra­ seinen anderen Nachbarn. Wenn sich dem das europäische Gleichgewicht len Lage in Buropa und seinem direk­ Polen und Deutschland in ZUkunft als und Sicherheitssystem auf der Teilung ten Zugang zu den neuen Märkten im gleichberechtigte Partner verstehen Deutschlands basierten und diese auch Osten einseitig zugunsten Deutsch­ wollen, hätte jedoch auch Polen V cr­ als Grundlage für den Prozess der Aus­ lands verschieben. So sei der Vertrag antwortung flir seinen Nachbarn zu söhnung zwischen Fra.n.kreich und von Maastricht mit seinem Konzept übernehmen.

Akademie-Report 2/2000 7 Rußland als mann jedoch, dass fiir eine solche Si­ nach Hacke die Demokratien der at­ NATO-Partner cherheitspolitik Rußland ein unab­ lantischen Zivilisation. dingbarer Partner sei. Auch in ihrer Zu unterschiedlichen Beurteilungen Funktion als verbindendes Element der Westbindung Deutschlands und zwischen den USA und Europa käme seiner Außenpolitik gelangten Gene­ der NATO eine herausragende Bedeu­ ral a.D. Klaus Naumann und Prof. Dr. tung zu, auch wenn Nanmann die eu­ Christian Hacke von der Universität ropäischen Länder vor der Aufgabe der Bundeswehr in Hamburg auf der sah, zu einer eigenständigen sicher­ einen und Prof. Dr. Emst-Otto Czem­ heitspolitischen und militärischen piel von der Hessischen Stiftung fiir Handlungsfähigkeit zu gelangen. Friedens- und Konfliktforschung auf der anderen Seite. Mit den nationalen Interessen und der Das Bündnis der Westmächte, das Außenpolitik Deutschlands setzte sich nach Nll11Dl1Ulll auf einer gemeinsamen Hacke auseinander. Dabei definierte Wertorientierung basiere und Antwort er Außenpolitik als einen Dreiklang gewesen sei auf die Bedrohung durch von Ideen, Werten und Interessen. Im Gegensatz zu anderen westlichen De­ mokratien wie Frankreich, Großbritan• ~=~~Hr!a~ck~e~:Außenpolitik als nien oder den VSA sei es dem westli­ Dreiklang von Ideen, Werten und chen Teil Deutschlands erstnach 1949 Interessen Fotos: Braun gelungen, diese drei Elemente in Ba­ lance zu bringen. Für die Gestaltung einer Weltpolitik, in der .,ein Neben­ "Marshall-Plan" einander und Gegeneinander von di­ für den Balkan vergierenden Kräften kooperierend, aber auch konfliktmäßig wirkt", sei Dagegen vertrat Czempiel von der der "moderne, integrationspolitisch Hessischen Stiftung für Friedens- und offene Nationalstaat" weiterhin der Konfliktforschung die Position, dass entscheidende Akteur. Als zentrale die westlichen Nationen nicht auf die außenpolitische Interessen Deutsch­ grundlegende Veränderung der Welt lands nannte Hacke die Freiheit, Si­ seit 1989/90 reagiert hätten, sondern cherheit und Wohlfahrt der Bürger, die an ihrer Außenpolitik aus der Zeit des Integration mit anderen europäischen Kalten Krieges festhalten würden. Der Klaus Naumann: ,.Die NATO hat Staaten in die EU, das transatlantische gesamte Westen hätte seine alten Stra­ nichts von ihrer Dringlichkeit und Bündnis, die Ostpolitik und die Ach­ tegien wieder aktiviert und der Einsatz. Daseinsberechtigung eingebüßt. • tung von Völker- und Menschenrech­ von Streitkräften werde als .,optima ten. Um diese Interessen verfolgen zu ratio regis" gehandelt Czempielstelltc die Sowjetunion, hätte nach 1949 können, zählten Dialog, Kooperation, die These auf: dass die Gesellschafts- Kriege in Europa und zwischen den welt des neuen Jahrhun­ NATO-Mitgliedsstaaten verhindert. derts zwar noch in Staaten Die Probleme der Gegenwart und Zu­ ,.Dia neu geordnete Welt organisiert sei, innerhalb kunft seien zwar andere geworden, verlangt nach einer dieser Staatenjedoch nicht Dazu zählten der Umgang mit der mehr die Regierungen, Schwäche Rußlands, das Kriegs- und radikal veränderten sondern die Gesellschaften Krisengebiet Südosteuropa. die Insta­ Außenpolitik." selbst die entscheidende bilität von Ländern wie Marokko und Rolle~mmcnhärtea Irak, fundamentalistische Strömungen Ernst-Otto Czempiel Seit dem Ende des Kalten und die realistische Möglichkeit, dass Krieges hätte sich eine Buropa in zehn Jahren im Raketenbe­ große Interdependenz ent­ reich vieler anderer Länder liegen Verteidigungsbereitschaft und Multi­ wickelt, wie sie nun zwischen den wird. Trotzdem hätte die NATO nichts lateralismus zu den wesentlichen Ele­ Staaten der EU, aber auch zwischen von ihrer Dringlicblceit und Daseins­ menten deutscher Außenpolitik. Die der EU und Rußland existieren. Als berechtigung eingebüßt. Nur sie kön• zentrale Frage der Zulrunft werde sein, Folge dieser Interdependenz seien die ne den militärischen Handlungsspiel­ .,wieviel Autonomie Deutschland den beiden großen K.riegsursachen, näm• raum und die Sicherheitsvorsorge ge­ multilateralen Organisationen übertra• lich "die Ungewissheit durch Koope­ währen, damit die westlichen Natio­ gen will bzw. wieviel Außenpolitik ration und Integration, die Diktaturen nen auch in Zukunft den Krisen und national interessenorientiert bleiben durch Demokratien" abgelöst worden. Gefahren einer unruhigen Welt begeg­ soll." Den Bezugsrahmen fiir Deutsch­ Eine so neu geordnete Welt verlange nen können. Deutlich betonte Nau- lands nationale Interessen bildeten nach einer radikal veränderten Außen-

8 Akademie-Report 2/2000 politik. Czempiel forderte eine Inte­ Meinung Claus Detjens eher kenn­ Der Kosovo-Krieg grations- und Kooperationspolitik mit zeichne, sei das Nebeneinander von Osteuropa und Rußland, wobei die zwei Gesellschaften in Ost und West. ln den Medien NATO mit dem Krieg in Serbien ge­ Auch Themas K.ielinger, der als Pu­ nau das Gegenteil bewirkt hätte. Der blizist in London lebt, kam zu dem a in unserer multimedialen Schluss, dass die momentanen Pro­ DWelt internationale PoUtik bleme Deutschlands keine außenpoli• nicht nur über Inhalte, sondern tischen seien. Zum Thema Buropa auch durch Medienpräsenz und warnte Detjen vor der Gefahr politi­ Medienwirksamkeit begriffen scher Instabilität, die dann eintreten wird, wurde diese Thematik an­ könne, wenn Politiker die Bürger nicht lässlich einer Tagung in Zusam­ ausreichend über die Folgen politi­ menarbeit mit der Europäischen scher Entscheidungen, wie sie z.B. die Akademie Bayern zur Situation EU-Osterweiterung nach sich ziehen auf dem Balkan behandelt. würde, informieren. Vor der Aufnah­ Dr. Franz Stark, Chetkorrespon­ me weiterer Flächenländer sollten dent des Bayerischen Rundfunks nach Kielinger die Mitgliedsstaaten für Osteuropa, referierte und in Brüssel erst einmal über ihre eige­ dilkutierte mit den Teßnehmern nen Hausaufgaben, wie die Agrarpo­ über Wahrnehmungs- und Ver­ litik, nachdenken. Wenn jedoch die mlttlungsprobleme in den Bal­ Voraussetzungen für die Osterweite­ kankrisen. rung gegeben seien, könne Deutsch­ Stark, der sich von Mai bis August Emst-Otto Czempiel: wjCl>_czrn.,R~nM land hier eine Vorreiterrolle überneh• 1999 im Balkangebiet aufhielt, ging halten an der Außenpolitik des men. Die Ambivalenz, die Deutsch- zuerst auf die regionale Mediensitua­ Kalten Krieges fest tion ein. Die größten Fernseh- und Radiosender sowie Zeitungen in Ser­ südliche Balkan bedürfe eines Mars­ bien sind fest in den Händen des Re­ hall-Plans. Nicht das Konzept der gimes, wohingegen im Kosovo nur "Vertiefung und Erweiterung Euro­ albanische Medien vertreten sind. pas", sondern nur ,.ein Buropa der zwei Montenegro versucht sich durch eini­ Geschwindigkeiten" werde den neu­ ge eigene Fernsehsender, etwas abzu­ en Anforderungen genügen. Dann schirmen. Der Bürger hat jedoch die werden die Grenzen Europas jedoch Möglichkeit, durch oppositionelle nicht nur bis Warschau, sondern bis Medien und Satellitenschüsseln plura­ Wladiwostok reichen. le und auch Informationen von außen zu erhalten. Ausländische Journalisten haben nach Erhalt eines Visums, was Instabilität durch sich teilweise schwierig gestaltet, we­ Osterweiterung nig Probleme, frei zu arbeiten. Sie stel­ len keine ernsthafte Gefahr für die Den Abschluss der Veranstaltung bil­ Kazimierz W6ycick/: Die euro­ Machtstrukturen dar und werden im dete die Podiumsdiskussion ,,Berliner päische Ostpolitik nicht auf Ruß• Wesentlichen ignoriert. Was die Teil­ land beschränken Perspektiven" mit einer Journalisten­ nehmer vor allem interessierte, war die riege aus dem In- und Ausland. In der Frage nach Tendenzen bei der Bericht­ Frage, ob der Umzug nach Berlin ei­ land bei seinen Nachbarn hervorrufe, erstattung, da sich ja nach dem Krieg nen Kurswechsel in der deutschen mit der vielleicht auch der eine oder viele Zahlen als falsch erwiesen hat­ Außenpolitik nach sich gezogen hät• andere den Regierungsumzug beob­ ten. Stark wies diese Vermutungen te, herrschte auf dem Podium eine achtet habe, liege in der deutschen zurück, wenngleich er zugab, dass recht einheitliche Meinung. Paul Vergangenheit begründet. Ernsthafte auch seriösen Medien Fehler unterlau­ Schulmeister, Korrespondent des ORF Sorgen, so Schulmeister, mache er sich fen. Ein Problem ist jedoch die Häu• in Berlin, sah die Kontinuität der Po­ jedoch keine um Deutschland, denn figkeit der Berichterstattung und das litik gegenüber den Veränderungen, seine Menschen hielten trotz aller V«­ verstärkte Augenmerk auf Horrors­ die auch der Generationenwechsel in­ änderungen und Umbrüche an ihrer zenarien, was beim Zuschauer zu ver­ nerhalb der Regierung mit sich ge­ Fähigkeit und Bereitschaft, sich zu fälschten Eindrlicken führen kann. bracht hätte, überwiegen. Eine ähnli• erinnern, fest • Lediglich Tendenzen verschiedener che Einschätzung vertrat Brie Gujer Bernadette Braun Länder zeichnen sich nach Stark ab, von der Neuen Zürcher Zeitung, Ber­ so komme beispielsweise Frankreich lin, für den das Festhalten am Grund­ (1iebe auch Presseschau Seite 20) Serbien in der Berichterstattung mehr gesetz die Kontinuität deutscher Poli­ entgegen als die USA. • tik verbürge. Was Deutschland nach Marialrl

Akademie-Report 2/2000 9 Offene Grenzen - Gefahr für die innere Sicherheit ? Internationale Tagung stellt Schleierfahndung auf den Prüfstand

Nach dem WegfaD der Kontrollen an den EU-Blnnengrenzen führ• mio vom Bundesministerium für In­ te der Freistaat Bayern 1995 zur Bekämpfung der grenzüberschrei• neres in Wien vor. tenden Kriminalität die sogenannte Schleierfahndung ein. FünfJah­ Zwei V ertteter des kroatischen Innen­ re nach Einführung dieses polizeirechtlichen Instruments veranstal­ ministeriums legten die Situation in tete die Akademie in Zusammenarbeit mit der Deutschen Polizei­ ihrem Land dar. gewerkschaft (DPolG) Bayern und ihrem Vorsitzenden Derend Jochem eine Tagung zu diesem Thema unter der Leitung von Dr. Sicherheit der Bürger Jürgen Weber. Zunächst ging es dabei um eine Bestandsaufnahme im Vordergrund der bisher gemachten praktischen Erfahrungen sowie ihrer verfas­ sungsrechtlichen und politüchen Bewertung. Wissenschaftler und Im V er lauf der Tagung wurde deut­ lich, dass es sich die Polizei bei der PoHtiker sowie die anwesenden Polizeibeamten diskutierten die mit Praktizierung der Schleierfahndung der Schleierfahndung verbundenen praktischen Fragen und recht­ lichen Probleme.

urfte die Polizei bisher nur ver Der Landesvorsitzende von Bündnis kehrsbezogene Überprüfungen 90/Die Grünen in Bayem, Jerzy Mon­ durchführen. dürfenjetzt insbesonde­ tag, sparte jedoch nicht mit kritischen re auf Bahnhöfen, in Zügen, auf Au­ Anmerkungen. Über Zahlen und Fak­ tobahnen und anderen Durchgangs­ ten der Zuwanderung in die Bundes­ straßen des internationalen Verkehrs republik informierte der Experte für weitergehende Kontrollen von Perso­ Migrationsforschung von der Univer­ nen unabhängig von Verdacht und sität Bamberg, Diplomsoziologe Ha­ Anlass vorgenommen werden. Die rald Lederer. Die verfassungsrechtli­ Schleierfahndung wird mittlerweile che Analyse nahm Prof. D:r. Hans-Im­ auch in anderen Ländern im In- und rieb Gallwas von der Universität Mün• (890/Grüne): kriti­ Ausland praktiziert, ist aber auch auf chen vor. sche Anmerkungen zur Praxis Kritik gestoßen. trotz großer Erfolge bei der Verbre­ chensbekämpfung keineswegs leicht macht. Vielmehr wird jede Aktion bezüglich der Verhältnismäßigkeit bewußt hinterfragt, da letztendlich nicht die Kontrolle der Bürger im Vor­ dergrund steht, sondern deren Sicher­ heit. • Ronny Beine

Bayerns Innen-staatssekretär Hermann Regensburger (CSU, links) und der SPD-Landtagsabgeordnete Peter Paul Gantzer äußerten sich zufrieden mit der Praxis der Schleierfahndung Fotos: Heine

Als Vertreter der Politik äußerten sich Einen Einblick in die Praxis boten der zufrieden mit den Ergebnissen der Oberstaatsanwalt Dr. Hans-Jürgen Staatssekretär im Bayerischen Staats­ Grasemann aus Braunschweig und der ministeriumdes Innem, Hermann Re· Leiter der Polizeidirektion Ulm, Kri­ gensburger (CSIJ) und Prof. Dr. Peter minaldirektor Gerhard Brendel. Eine Gantzer von der Landtagsfraktion der Bewertung der Schleierfahndung aus bayerischen SPD. der Sicht Osterreichs nahm Julius To-

10 Akademie-Report 2/2000 Politik an der Leine der Verwaltung? Unterschiedliche Rollen im politischen Prozess

as Zusammenspiel der politischen Führung StaatJkanzlef) und Minbterlald.irfgent Dr. Fried­ und der Verwaltung als ein Element eines op­ ricb Wilhelm Rothenpieler (Grundsatzabteilung timalen Politikmanagements war das zentrale der Staatskanzlel). Aus den neuen Lindern: Thema eines Verwaltunpseminars. Zum ersten Regierungsdirektor Peter Steen (Staatskanzlel Mal war im Februar 2000 der Bayerische Lehr­ Mecklenburg-Vorpommern, früher Büroleiter gang für Verwaltungsführung zur ElitenausbU­ von Ministerpräsident Seite) und Ministerialdirl­ dun& zu Gast in der Tutzlnger Akademie. gentln Annemarfe Wiemer (Vertretung des Frei­ Moderiert durch Prof. Dr. Klaus König von der staats Sachsen beim Bund}. Von der Bundesver­ Verwaltungsbocbscbule Speyer ließen sieb die waltung: Ministerlaidirektor Ernst Hüper (Leiter Referenten durch die FragesteDung der Tagung Abteilung 1 im Bundeskanzleramt) und Ministe­ provozieren: Aus Bayern Ministerialdirigent rialdirigent Dr. Reinhard Timmer (Grundsatzab­ Slegfrled Müller (Pianungsabteßung des Kultus... teßung Bundesministerium des Innern). ministeriums, früher Grundsatzabteilung der

Übereinstimmend wurden die unter­ schiedlichen Rollen von politischer Rollenperzeption: Führung und politischer Verwaltung Exekutivpolitiker/Spitzenbeamte (Bund) gesehen. Politiker schauen auf Wäh• von Prof: Dr. Klaus König ler und deren Stimmungen. auf Par­ tei, Fraktion, Öffentlichkeit und Inter­ Administrative Elite: essenlagen und sind an ihrer Wieder­ wahl interessiert. Sie kalkulieren kurz­ • "politische Bürokraten" => grenzen sich in ihrem Funktionsver­ fristig und taktisch. Die Verwaltung ständnis von den Politikern ab, zeigen sich aber mit den politi­ dagegen sollte sich an der Sache und schen Aspekten ihrer Arbeit zu 78,5 % zufrieden (1987) politischen Vorgaben orientieren. Sie • Sensibilität gegenüber politischen Rahmenbedingungen und Macht­ hat systematisch, auch langfristig und fragen ihrer Regierungsgeschäfte strategisch zu denken. => 80 % lehnen Handeln gegen das Regierungsprogramm grundsätzlich ab Unterschiedliche =* 82 % würden zunächst mit Vorgesetzten über Einwände Karrieremuster gegen ein Programm sprechen, es dann aber dennoch aus­ führen Auch die Karrieremuster sind unter­ Selbstverständnis als "Experte", Programminitiator und Programm­ schiedlich (siehe dazu auch die • ausführer Schlußfolgerungen von Prof. König aus empirischen Erhebungen). Kon­ • Akzeptanz von politischen Fertigkeiten als Qualitätsmerkmale sens bestand auch darüber, dass Poli­ Reihenfolge: - professionelle und intellektuelle Fertigkeiten tik formuliert wird im Zusammenspiel - Führungsfähigkeiten mit und im Konsens zwischen einer - soziale Kompetenzen Vielfalt politischer Akteure, im Bund - Durchsetzungsfähigkeit noch mehr als in den Ländern. Trotz - Beratungsqualität der unterschiedlichen Rollen muss - politische Sensibilität aber jeder der Akteure in Politik und Verwaltung auf den anderen zugehen. Leitende Beamte Im Vergleich zu Exekutfvpolltikern: Politik macht Fehler, wenn sie nicht auf die Sachkunde, das Gedächtnis • schätzen substantielle Politik und Sachlichlceit höher als Macht­ und die Koordinationsleistung der orientierung Verwaltung zurückgreift. Verwaltung • bewerten fachliche Qualifikation, Expertenwissen, professionelle begibt sich ihrer Wirkungsmöglichkei• Fertigkeiten und berufliche Erfahrungen höher ten, wenn sie nicht die politischen Konsequenzen und die Öffentlich• Maßgebliches Differenzierungsmerkmal: keitswirkung und - mobilisierung mit­ Auseinanderlaufen der politischen Karriere: nur selten Mobilität zwischen denkt. politischen und administrativen Spitzenpositionen.

Akademie-Report 2/2000 11 Unterschiede gegenüber Bayern zeig­ ten sich in den fünf neu dazugekom­ menen Bundesländern. Zumindest in den Anfangsjahren mit einer schlan­ ken Verwalnmg und einer nicht im­ mer professionellen politischen Füh• rung war dies so. Dort wurde und musste oft schneller entschieden wer­ den. Informelle Strukturen entstanden neben den formellen und häufiger wurden Alternativen für die politische Führung entwickelt. Insgesamt war der politische Prozess offener, schneller, aber auch fehleranfälliger. Im Bund fällt gegenüber den Ländern auf, dass die politische Verwaltung tie­ fer in die Hierarchien der Ministerien. reicht. Insgesamt muss don doch er­ Referenten der Länder. v. links: Friedrich W. Rothenpieler, Tagungs­ heblich politischer gedacht werden leiter Horst Denzer, Annsmarie Wlemsr, Peter Steen, Sisgfried Müller, (auch mangels nachgeordneter "Sacb­ Klaus König Fotos: Braun verwaltungen"). Der regelmäßige, Für die Teilnehmer des Lehrgangs war Es wurde ihnen deutlich, dass nicht nur auch persönliche Kontakt zu der Viel­ es gleichCIIIlaßen schwierig wie not­ im Bereich der politischen, sondern falt politischer Akteure ist nötiger und wendig, die politischen und auch par­ auch der "Sach"-Verwaltung die Be­ wird intensiver gepflegt, z.B. durch re­ teipolitiscben lmplikationen ihres Ver­ rücksichtigung der politischen Bedin­ gelmäßige Teilnahme von Abteilungs­ waltungshandeins mitzudenken, weil gungen fiir den Erfolg der Verwal­ leitern an Fraktions- und Arbeitskreis­ ein Teil bisher noch nicht im Bereich tungsentscheidungen mitverantwort­ sitzungen). der politischen Verwaltung tätig war. lich ist. • Horst Denzer

Akademiegespräch im Landtag: Leonhard hoffte noch auf eine Stich­ wahl (zu der es nicht kam), weil er Rußland ohne -.Jelzin meinte, ein Triumph Putins würde die autoritären Tendenzen. zu sehr stärken. 1 war sicher ein gewagte1 Unterfangen: fünf Wochen vor der Präsiden- Was wird von ihm als Präsident zu owahl in Rußland einen Vortrag über "Rußland ohne Jelzin" zu hal­ erwarten sein? Putin sei ein Hardliner ten, wo doch alle Zuhörer Prognoaen erwarteten, Der Senattaaal im Münch• mit einem guten Ohr für die Stimmung ner Muimillaneum war überfüllt, daa aktuelle Thema und der hochkari­ in der Bevölkerung. Er werde wohl dge Referent waren die Unache: Prof. Wolfgane Leonhard, Historiker und Tschetschen.ien teilen in einen. nördli• Publizist, Zeitzeuge und hocbgeachätzter "Kremlologe" entzündete denn chen, russisch kontrollierten Teil und auch ein rhetoriaches Feuerwerk, bel dem er in Gestik und Ml.mik man­ einen selbständigen südlichen und chen politischen Führer Rußlands lebendig vor den Augen und Ohren des könne sich so als Friedensstifter ge­ PubH.kums encbelnen UeD. ben. Putin, der keine wirtschaftlichen Kenntnisse und Erfahrungen habe, Lieber hätte er über "Rußland nach bewiesen, dass tschetschenische Ex­ werde unter dem Dach eines nationa­ Jel.zin" gesprochen, denn schließlich tremisten für diesen Terror verant­ listisch-autoritären Regimes Wirt­ sei der ehemalige Präsident noch am wortlich seien. Mehrere Ursachen be­ schaftsreformen durchführen. In der Leben und sein Clan verfüge noch nannte Leonhard fiir den. Krieg: Außenpolitik werde er versuchen, die über wichtige Zugänge zur Macht. • Ablenkung von der eigenen desola­ russische Großmachttradition wieder­ Schnell kam er aber auf den neuen ten wirtschaftlichen und sozialen Si­ zubeleben. Er habe den Anspruch, starken Mann Rußlands zu sprechen, tuation und der Korruption (vor allem anerlcannt, respektiert und konsultiert Wladimir Putin. Zum Zeitpunkt des durch den Jelzin-Clan) zu werden. Die zukünftigen Entwick­ Vortrags t"rbergangspräsident und aus­ • Rache für die Niederlage im ersten lungen würden nicht einfach verlau­ sichtsreichster Kandidat für die Wah­ Tschetschenien-Krieg vom September fen. Rußland sei gehemmt und könne len Ende März, die er ja bekanntlich 1996 sich nur schrittweise an Demokratie im ersten Wahlgang gewonnen hat. und Marktwirtschaft annähern. Die Untrennbar mit Putins Aufstieg sei die • eine russische Machtdemonstration im Kaukasus Deutschen und anderen Europäer hät• Eskalation des Kriegs in Tschetsche­ ten die Verpflichtung, in bezug auf nien und der Bombenterror gegen • Präsenz am Kaspischen Meer wegen Rußland in Jahrzehnten zu denken. Wohnhäuser in russischen Großstäd• der Erdölvorkommen und Kontrolle ten verbunden. Es sei bis heute nicht über die Pipelines. • ms (siehe aucb Presseschau SeJte 19)

12 Akademie-Repott 2/2000 Medien und Politik: aa 50-Jihrige Beatehen Ddes Bundestags im Jahr Von Abgeordneten und Agenten 1999 war für die Akademie Selektive Parlamentsberichte Im Fernsehen und die Deutsche Vereinigung von Dietm.ar Schiller, Berlin für Parlamentsfragen Alllus, Ergebnisse der Parlamenta­ Das Kernstück der Parlamentsbericht­ de um Einzelheiten der sogenannten rismusforschung dea letzten erstattung in den Fernsehnachrichten ,,Mauss- Affäre", über die der Zustän• Jahrfünfts zu prlsentteren. besteht aus Korrespondentenberich­ dige Staatsminister im Bundeskanzler­ Dabei wurden nicht nur be­ ten, die von einem Moderator bzw. amt, Schmidbauer, Auskunft zu geben reits abgeschlossene- und z. T. einer Moderatorin angekündigt wer­ hatte. Um Geiseln aus Kolumbien zu mit dem Wiasenschaftspreis den. Grundlage dieser von einem Kor­ befreien, hatte Schmidbauer mehrfach des Deutschen Bundestages respondenten .,vor Ort" realisierten auf unkonventionelle Mittel zurück• prämierte -Projekte vorge­ Filmberichte ist aktuelles Bildmateri­ gegriffen und unter anderem den Pri­ stellt, sondern auch Einblick al aus den Debatten selbst, das durch vatdetektiv Werner Mauss eingeschal­ in die Wissenachaftswerkltatt Statements, illustrierende Grafiken hrt. Zuvor musste Scbmidbauer bereits gewihrt. oder Filmausschnitte ergänzt wird. im Auswärtigen Ausschuss Rede und So stellte Dtetmar Schiller au11 Antwort stehen. Da diese Ausschuss­ sitzung nicht-öffentlich war, bestand Berlln seine kurz vor dem in der Fragestunde eine herausragen­ Abschluss stehende Studie de Möglichkeit, (femseh)-öffentlich über die Darstellung des Par­ Licht in die außenpolitischen Prakti­ laments in Großbritannien ken Schmidbauers zu bringen und der und Deutschland vor. Wir Bundesregierung einen Punktsieg ab­ dokumentieren die Analyse zuringen. Durch eine Reihe von Zu­ Schlllers zur Berichterstat­ satzfnlgen verschiedener Abgeordne­ tung i1ber die "Mauu-Aftlre" ten ergab sich somit ein durchaus le­ im Dezember 1996. bendiges Frage- und AntwortspieI, das ein differenziertes Bild parlamentari­ scher Praxis bot. lieh Bilder der Fragestunde/Aktuellen Dramaturgisches Stunde im Plenarsaal verwenden, grei­ fen SATl und RTL zu einem großen Korsett Teil auf Motive außerhalb des Plenar­ Dietmsr Schiller snslysiette die saals zuriick, um die Story in ein dra­ Bundestagsberichte im Fernsehen Bin besonderes Augenmerk soll auf maturgisches Korsett zu passen. Die die Verteilung der Soundbites gerich­ Tabelle skizziert die 3toryboards aller tet werden. Während Schmidbauer mit vier Korrespondentenberichte. Diese Korrespondentenberichte sor­ Ausnahme von RTL in allen Berich­ gen für Kontinuität in der Parlaments­ ten die dominante Figur einnimmt, berichterstattung, wenngleich sie sich sind die beiden oppositionellen Frage­ Agententhriller durchweg an den Nachrichtenwertkri­ steller ( und Günther Ver­ Trotz offenkundiger Unterschiede in terien Aktualität, Personalisierung beugen; beide SPD) relativ schwach (Prominenz), Konflikt und Skandal der Dramaturgie spielen alle vier Be­ präsent. VolkerBeck von Bündnis 90/ richte mehr oder weniger subtil mit orientieren. Live-Schaltungen, (Stu­ Die Grünen, der die Fragestunde er­ dio)-Interviews und Kommentare er­ öffnet, wird weder erwähnt noch ge­ dem Sujet des Agententhrillers, wenn­ gänzen - ganz nach Stellenwert des gleich "heute" bemüht ist, duroh eine zeigt. Stellt man in Rechnung, dass in Ereignisses - die Palette journalisti­ Collage konventioneller Aufuahmen der Fragestunde neben Schmidbauer, aus dem Plenarsaal und einer getrage­ scher Formen in der Nachrichtenbe­ dem Parlamentarischen Staatssekretär nen Schnittfrequenz Distanz zu be­ richterstattung über den parlamenta­ Lindner (Innenministerium) und dem rischen Betrieb. Vizepräsidenten Klose zwanzig wei­ wahren. Während beispielsweise in dem "Tagesschau"-Bericht ein Motiv Das Beispiel: Fragestunde/Aktuelle tere Abgeordnete zu Wort kommen Stunde sogenannten ,,Mauss­ gewählt wird. in dem die Kamera von zur und in der Aktuellen Stunde insgesamt Affiire" am 4. Dezember 1996. einer Pressetribüne aus durch eine dreizehn, so wird unmittelbar deutlich, ,,Lochscheibe" auf Schmidbauer ge­ An diesem Tag standen drei Tages­ wie selektiv die Berichterstattung in ordnungspunkte auf der Bundestags­ richtet ist und der Staatsminister all­ den Fernsehnachrichten ist. agenda. Nach der routinemäßigen mählich - zunächst verschwommen - Befragung der Bundesregierung ging Während die "Tagesschau" (ARD) zu erkennen ist, werden bei SATl und es in der' darauf folgenden Fragestun- und ,,heute" (ZDF) nahezu ausschließ- RTL Bilder eingeschnitten, die das

Akademie-Report 2/2000 13 Ehepaar Mauss und die Entführten hier ein ambivalentes Image des Bun­ rede fernsehdramaturgisch visualisiert Gorges und Schmidt zeigen. Bei bei· destages. Denn nur durch die Skandal­ wird, bleibt die (leider nur) rhetorische den privaten Sendem wird jeweils in trächtigkeit dieses Ereignisses wurde Frage, ob dadurch ein realistischeres einer Eingangssequenz Scbmidbauer über die Fragestunde/Aktuelle Stunde Bild des Bundestages vermittelt wird. auf dem Weg zum Sitzungssaal des berichtet, und nicht, weil das Institut Trotz dieser Ambivalenz tragen der­ Auswärtigen Ausschusses gezeigt, der der Fragestunde/Aktuellen Stunde an artige Berichte aber gleichwohl zu ei- für die wartenden Journalisten ver­ schlossen bleibt. Der SA Tl-Bericht endet mit zwei kur.zen Einstellungen, die Sohnlidbauer jeweils im Halbdun­ kel mit Kohl und Kinkel zeigen und den Eindruck vermitteln, hier werden möglicherweise irgendwelche gehei· men Absprachen getroffen. Undurchsichtiges Spiel

Insbesondere die Privaten betten die Fragestunde/Aktuelle Stunde in eine Agentenposse ein, in der ein wendi­ ger Staatsminister und ein abgetakel­ ter ,,Privatagent" ein undurchsichtiges Spiel getrieben haben und dabei er­ wischt WW'den. Der Plenarsaal fungiert aus: Das Parlament als Kulisse für dieses halbseidene Spiel, in dem - analog zu einem ge­ sich bereits berichtenswert ist. Wenn­ nem differenzierten Parlamentsbild richtlichen Kreuzverhör- der wendi­ gleich ein Abbild des Bundestages bei. Es wird gezeigt, dass es Aus­ ge Staatsminister gezwungen werden konstruiert wird, das jenseits der typi­ scbusssitzungen und andere parlamen­ soll, die Wahrheit zu sagen. schen Motive (Redner am Rednerpult, tarische Foren als die Pienardehatte Obwohl bei ARD und ZDF der Ple­ Schwenk über Sitzreiben etc.) Bilder gibt. • narsaal ganz im Mittelpunkt der Be­ präsentiert, in denen das Ritual von (siehe auc:h Pres1e1c:bau Seite 18) richterstattung steht, ergibt sich auch Frage und Antwort, Rede und Wider-

- - ÄRD -- - -ZDF- - - - SAT1 - -· - - RTL - - Beginn • Schmldbauer • Schmldbauer • Statement von • Schmldbauer - batritt den batritt den Schmidbauer geht ln den Plenarsaal Plenarsaal • Spalier von Me- Sitzungsraum • Totale des • Sitzungsvorstand dienvertretem; .Auswlrtlger Plenums des Bundestages TClr mit Aufschrift Ausschuss· ,.Auswärtiger • Blick ln den Ausschuss" Sltzungsraum; • Kurzes Portrlt TCJrwlrd von Maues mit geschlossen Lebenagef8hrtin • Journalisten warten vor dem Raum Mittelteil • Statements von • Statements von • Statements von • Schmidbauer in Schmidbauer mit Schmidbauar mit Schmldbauer mit dar Regierungs- Off-Kommentar Off-Kommentar Off-Kommentar bank (ein Stete- und einem und einem und einem ment) mit Off- Statement von Statement von Statement von Kommentar Schlly Schily Schlly • Kurzes Portrat (Plenarsaal) (Plenarsaal) (Plenarsaal} von Maues und seiner Lebens- gefährtin • Statements von Verheugen Im Plenarsaal Schluss • KorTeapondent • Schwenk/Zoom • Schmldbauer und • Sitzreihen der Im Regleraum mit auf Sitzreihen dar Kohl in einem SPD-Fraktlon, Monitoren SPD-Fraktlon Sitzungsraum Schmidbauar • Schmldbauer und • Totale des Kinkai ln einem Plenarsaals Sitzungsraum

14 Akademie-Report 2/2000 Armin Fingerhut, Student an der Uni­ Fundgrube Internet: versität Heidelberg, betreibt eine um­ fangreiche Linksammlung verschiede­ • Bookmarks und Links ner Wissenschaftsdisziplinen, u.a. mit interessanten Adressen für Politik- und • Politische Bildung Im Internet Sozialwissenschaftler: http://www.ftngerhut.delgellteswia­ • Empfehlenswerte Surftipps senschaftenlpolitiksoziologle.htm Das Internet wird immer mehr zum Massenmedium und hat Der Sozialkundelehrer Reiner Wadel llngst seinen Weg in die Schulen und ln die poUtilclle Blldung aus Gross-Gerau unterhält eine priva­ gefunden. Damit der Interessierte Nutzer nicht bei einschlägigen te Homepage zur politischen Bildung und mittlerwelle bekannten Adressen wie "www.bundes­ in der Schule mit hilfreichen Verwei­ tag.de"oder "www.bundesregterung.de"stehenbleibt, haben wir sen und Einsprungadressen: empfehlenswerte Tipps für erfolgreiches Navigieren im Netz http://home.t-onllne.de/home/wa­ zusammengestellt. Wir übernehmen keine Garantie fllr die dau­ dellkunlvU.html erhafte Richtigkeit der Ad.relsen und keine Verantwortung für Inhalte, die beim Weitenurfen durch die angebotenen Links auf­ "politik-links" nennt der Politikstudent tauchen. Dirk. Schumacher an der Universität Oldenburg seine aktuell gepflegte Wenn Sie selbat auf interessante Angebote stoßen: Text- und Linksammlung vorwiegend Geben Sie uns Nacllricht perE-Mail Wu werden diese Tipp-Reihe in lok­ zu deutschen Politikthemen wie Wah­ kercr Folge fortsetzen 'IDld Ihre Hinweise auf unsere Linbammlung im len, Parteien, Medien etc.: Internet stellen: www.apbootutzlng.de. http://www.heh.uni-oldenbutg.de/ Zusammenstellung: -dlrkalpolldk.htm Michael Schröder, E-Mail; [email protected] Die .,Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet (ZUM)" bietet auf ihrem Server viele flicherspezifische Unter­ p richtsmaterialien nicht nur zur politi­ schen Bildung (einschl. hilfreicher Die Politikwissenschaftler der Univer­ Der auf Themen des Rechtsextremis­ Suchmaschlnel) Eigene Materialien sität Mainz halten eine interessante mus spezialisierte Journalist Burkhard können eingestellt werden. Eine ge­ Linksammlung mit nationalen und in­ Sehröder bietet die wohl umfangreich­ lungeneTauschbörse : ternationalen Adressen aus Politik und ste Sammlung von Internetadressen zu http://www.zum.de/tabelle.html Wissenschaft bereit: allen Arten des nationalen und inter­ http://www.polltlk.uni-malnz.de/ nationalen Rechtsextremismus und Ein Klassiker: die Bundeszentnie für Servicelallgemel.htm Neonazismus. Abgründe tun sich aufl politische Bildung mit aktuellen The­ Vorsicht bei der Nutzung im Schul­ men, Hintergrundinformationen und Der Marburger Politikwissenschaftler unterricht! Links einschließlich des Online-Auf­ Rainer Rilling hält gleich drei sehr http://www.burks.de/nazls.html tritts der PZ: gute websites zum Thema ,,Politik: und http://www.bpb.de/ und http:// Netze" bereit. Hier findet der Interes­ Spiegel-online bietet eine sehr um­ www.pz-net.de/ sierte viele Texte und Linksammlun­ fangreiche Linksammlung internatio­ gen über die Perspektiven der elektro­ naler und nationaler Adressen aus den ,,Politikdaten Deutschland aktuell" ist nischen Demokratie. On the left side Bereichen Politik, Medien, Behörden eine private, gut sortierte Themen- und ofthewebl und Bildung: Linksammlung zu klassischen The­ bttp://1taff-www.unl-marburg.de/ http://www.spiegeLdelllnksl mender Sozialkunde: Wahlen, Verfas.. -rlWngr/net/netdem.htm sungsorgane, Parteien .... http:/1212.21. 76.136/bfbllothek/ Richard Kimbers unter Politikwissen­ http://www.andreu-steidle.delpolit­ Rllling17.htm schaftlern mittlexweile schon legendä• dat/ http://staff-www.unl-marburg.de/ re Homepage. Hier gibt es nichts, was -riiHDgrlhome.html es nicht gibt Parteien, Wahlen, Regie­ Der Gießener Politologe Christoph rungen, Verfassungen. Medien, Archi­ Bieber und sein Team bieten eine ta­ Eine gut gepflegte Linksammlung zu ve, Internationale Beziehungen, Poli­ gesaktuell gepflegte Homepage mit verschiedenen Politikbereichen, Insti­ tische Theorie ....Leider nur auf eng­ Texten und Links .nmd wn die digita­ tuten und Zeitschriften bietet die Uni­ lisch: le Politik und die elektronische Demo­ versität Karlsruhe: http://www.psr.keele.ac.ukl kratie: http://www.rz.unt-karluube.de/Ou· http://www.politik..eflgital.de/ terspace/VirtuaiLlbrary/30 l.htm

Akademie-Report 2/2000 15 1989: Die Oberwindung d erSED-Diktatur Politiker und Historiker beschreiben innere und äußere Faktoren des Niedergangs der DDR

1989: eine Jahreszahl mit Signalwirkung führte Akteure, zeitzeu­ len. Die SED-Führung konnte nur gen, Publizisten und Wissenschaftler zur bisweHen streitigen Dis­ durch die Sowjetarmee aus ihrer Nie­ kussion um die Gründe des Niedergangs des einstmals gerade im derlageherausgeholt werden. Von nun Westen für unbezwingbar gehaltenen Sowjetblocks zusammen. Mil­ an war sie noch abhängiger von den lionen von Menschen hatten diese über halb Europa ausgebreitete Sowjets als zuvor, was sich zunächst Macht als Verheißung empfunden. Aber ein Vielfaches dieser Mil­ auch im unverblümten Umgangsstil der Sowjetvertreter gegenüber Ul­ lionen hatte sich der Gewalt nur widerstrebend gebeugt. Diese Mehr­ bricht und seinem Politbüro nieder­ heit, die seit den Aufstinden der fünfziger Jahre Stück um Stück schlug. Der Beweis war erbracht, dass und Jahrzehnt um Jahrzehnt an Selbstbewusstsem gewann, wenn das SED-Regime als entscheidendes auch in Wellen und abgewechselt von Gegenwellen der Niederlage Bauelement der DDRnicht ohne frem­ und Resignation, ist letzten Endes der Grund für die Sensation von de Hilfe lebens:tlhig war. Selbst Miel­ 1989. kes aufwendiger Staatssicherheits­ dienst konnte den sowjetischen Schirm icht mehr zu zählen sind die Dis­ Weg ins abtrünnige Jugoslawien mit nicht vollständig ersetzen. Und als sidenten, ja die kommunistischen den antistalinistischen Führern Tito N Gorbatschow diesen Schirm zuklapp­ Funktionäre selbst, die dem Kommu­ wd Djilas gemacht, um einige Jahre te, war es um das Machtmonopol der nismus zwischen den fiinfziger Jahren später in die Bundesrepublik zu gelan­ SED geschehen. und 1989 den Rücken kehrten und gen. Nun zeichnete er noch einmal die nicht selten hohe Strafen riskierten und von ihm selbst mitgestaltete Entste­ erlitten. Einer der Begabtesten unter hungsgeschichte der DDR nach. den ganz Jungen der unmittelbaren Nachkriegszeit, Wolfgang Leonhard, DDR vom ersten Tag schon früh als "Nachfolger" gehan­ an abgelehnt delt, Angehöriger der "Gruppe Ul­ bricht", die von Berlin aus die kom­ Als ,,Homunculus Sovieticus" wurde munistische Infrastruktur der späteren die DDR ab dem Tag ihrer Gründung DDR zimmerte, wagte bereits 1949, von der Bevölkerung abgelehnt. Der

Arno/d Vastz: Blick stärker auf Außenfaktoren

Das sahen drei ehemalige DDR-Bür• gerrechtler, Stephan Hilsberg (beute SPD-MdB), Arnold Vaatz (heute CDU-MdB) und Ehrhart 'Seubert {heute Wissenschaftler bei der Gauck­ Behörde) zwar ganz ähnlich. aber sie gewichteten die inneren und äußeren Faktoren je nach Temperament und persönlicher Erfahrung unterschied­ Stephan Hllsberg (1.) und Ehrhart Neubert (r.): Gewichtung der inneren lich. So betont Hilsberg stärker als und äußeren Faktoren unterschiedlich Fotos: Braun Vaatz die aktive Rolle eines im Ver­ laufdes Jahres 1989 wachsenden Teils als Stalin noch fit und seine Verfol­ Aufstand des 17. Juni 1953, den Wolf­ der DDR-Bevölkerung, während gungsapparate über Ländergrenzen gang Leonhard bereits als westlicher Vaatz den Blick stärker aufAußenfak• hinaus voll funktionsflih.ig waren, den Beobachter verfolgen konnte, richte­ toren wie Sowjetunion, östliche und ,.Sprung aus dem Zug". Bei Nacht und te sich klar gegen die SED-Führung; südliche Nachbarländer der DDR. so­ Nebel hatte er sich zunächst auf den die Arbeiterschaft forderte freie Wah- wie den Westen richtet.

16 Akademie-Report 2/2000 Doch hieran entzündete sich kein neuen ungarischen Regierung des Moderiert wurde das Hom-Vogel-G~ Grundsatzstreit Es ging um unter­ Sommers 1989. Daher war es nicht spräch vom Direktor des Dresdner schiedliche Abentuierungen bei dem verwunderlich, dass der ehemalige Hannah-Arendt-lnstituts für Totalita­ höchst komplizierten Versuch, die Außenminister dieser Regierung, Gyu­ rismusforschung, dem Zeithistoriker Komplexität der inneren und vielfäl• la Horn, im Hörsaal der Akademie mit Klaus-Dietmar Henke, der die Offen­ tigen äußeren Faktoren aufihren Wir­ besonderem Beifall bedacht wurde. heit beider Politiker zu Nachfragen bis kungsanteil hin zu untersuchen. Die Die bewegende nachträgliche Dankes­ weit zurück in deren frühe Jugend Freude darüber, dass die neuere deut­ rede eines jüngeren ehemaligen DDR­ nutzte. So rundeten sich die Bilder: sche Geschichte seit 1989 eine gelun- Flüchtlings, dem sich im September einerseits der Wandel des Teenagers 1989 zusammen mit Zehntausenden Hans-Jochen Vogel vom Hitlerjungen der Weg von Ungarn in den Westen zum Demokraten des Neubeginns geö:ffilet hatte, unterstrich diesen Bei­ nach 1945, und andererseits des einst­ fall. mals linientreuen Jungkommunisten Gyula Hom, der als Außenpolitiker Demokratie ist des KP-Apparats der "Ansteckung" ansteckend der Demolcratie ausgesetzt war, was dazu führte, dass er an fllhrenden Po­ Rom beschrieb seinerseits die Wech­ sitionen, zuletzt als Ministerpräsident selwirkung von Faktoren, die erst viel (1994- 98), zur Ausbreitung der De­ später auf das Ende des Kommunis­ mokratie und der NATO in Buropa mus zuliefen: entscheidend beigetragen hat. · • die Entspannungspolitik der NATO ab den sechziger Jahren, Auch nach dieser Tagung lässt sich • westdeutsche Ostpolitik ab den sieb­ nicht entscheiden, welche der Fakto­ ziger Jahren, ren des Niedergangs des Kommunis­ mus und der SED-Herrschaft wichti­ • viele Begegnungen Horns mit west­ ger oder Wlwichtigcr waren. Jede er­ lichen Politikern, die seine früher er­ Mit Belfall bedacht: Gyu/a Horn folgreiche Revolution hatte günstige lernten Klischees ad absurdum führ• Rahmenbedingungen. Dass das SEn­ ten. gene demokratische Revolution vor­ Regime erkennbar morsch war, Das entsprach durchaus dem von weisen kann, ging in dieser Tagung schmälert nicht die Leistung der Hans-Jochen Vogel im Podiumsge­ jedenfalls nicht so weit, dass sie einen Selbstbefreiung des Volkes, sondem spräch mit Horn unterbreiteten Hin­ innerdeutschen Historikerstreit über hat sie animiert. Je stärker sich die weis, wonach der Ostpolitik Willy die Definition von Revolution hätte ganze deutsche Gesellschaft mit die- provozieren können. Bin anderer Streit wird darüber ge­ führt, ob es so etwas wie eine vom Regime nicht direkt aufgenötigte, doch von den Lebensumständen her­ beigeführte DDR-Identität gegeben habe oder noch gibt. Da mag etwas dran sein- auffil.lligcr erscheint aller­ dings eine ,.DDR-Identität in letzter Minute", nämlich die mehrheitliche Obereinstimmung im Willen zur Ab­ schaffung der DDR. Der Sturz des Regimes der Monopolpartei hatte die dcutschc Teilung überflüssig gemacht. K/aus-D1etmar Henke Keinen Widerspruch erhielt die Mei­ fragen bis weit zurück in die frühe Jugend genutzt nung, wonach 1989 eine mittelosteu­ ropäische Revolution stattgefunden Brandts und der Helsinki-Konferenz ser Aktion der DDR-Bevölkerung hat. Demnach ist nicht die Revolution von 1975 die Überzeugung zugrunde identifiziert und stolz darauf ist - auch eine deutsche Besonderheit, wohl aber lag, dass sich bei zunehmender Inten­ das wurde in einigen Diskussionsbei­ die Teilung und Vereinigung. sität des Austauschs und der wechsel­ trägen deutlich - desto nichtiger wird seitigen Beziehungen nicht der Kom­ die Propaganda der Gestrigen, wonach Europäisch ist die Revolution auch munismus, sondern umgekehrt die der ehemaligen DDR das westdeut­ deshalb, weil empfindliche Schläge Demokratie als ansteckend erweisen sche "System" übergestülpt worden gegen das morsch gewordene SED­ würde. sei. • Regime von außen kamen. So von der Jürgen Maruhn

Akademie-Report 2/2000 17 er r-< adernie-Arbeit und Veranstaltu gen 1m Spieg .. der 1\1 d1en

Michael Wendel in ,,DIE RHETh"'PFALZ" vom 17. Januar 2000: Wieviel Arbeitslosigkeit verträgt die Demokratie? Auf Antwortsuchein der Tutzlnger Akademie

... Seit dem dramatischen Untergang Verhaltensweisen - aus seiner Sicht schlug der Bielefelder Wirtschaftshi­ der ersten deutschen Demokratie, der eine Erklärung, warum die von der storiker Werner Abelshauser, einer der' Weimarer Republik, herrscht landläu• Weltwirtschaftskrise gleichermaßen Co-Autoren der in Arbeit befindlieben fig die Ansicht vor, dass die verhee­ heimgesuchten angloamerikanischen BASF-Unternehmensgeschichte. Das rende Massenarbeitslosigkeit, die um Demokratien nicht in Diktaturen um­ erfolgreiche Modell einer "unterneh­ die Jahreswende 1932/33 ihren Höhe• geschlagen waren. mensk:oordinierten sozialen Markt­ punkt erreichte, den rasanten Aufstieg Für diesen Umschlag in Deutschland wirtschaft", dessen Wurzeln bis weit der Nazi-Partei zu einer zur Macht­ haben wohl die Arbeitslosigkeit, nicht ins 19. Jahrhundert reichten, stehe an übernahme fähigen Größe begünstigt aber die Arbeitslosen den Boden be­ der Jahrtausendwende in einem ,,Kul­ habe. Dieses "Trauma" unterflitterte reitet, erläuterte der MaiDzer Politik­ turkampf" mit der liberalen Marktwirt­ auch die Thesen der Wirtschaftshisto­ wissenschaftler Jürgen Falter anband schaft nach US-Muster. Das aufLang­ riker, die sich aus der rückwärts ge­ einer Fülle von Wahldaten. Die Ar­ fristigkeit und Kooperation angelegte wandten Perspektive der Leitfrage beitslosen hätten sich weit mehr den deutsche ,,Produktionsregime" habe näherten. Am positiven Kontrastbild Kommunisten zugewandt. Die NS­ dadurch einen WettbewerbsvorteiL zu entfaltete der Bamberger Partei profitierte dagegen von der Ein Herausbrechen einzelner, stark Sozialökonom Manfred Oroser seine Angst der (meist angestellten) Aibeits­ verzahnter Elemente aus diesem über Ansicht, dass Wohlstand und soziale platzinhaber vor sozialem Abstieg, Jahrzehnte aufgebauten Regelwerk Sicherheit Stabilitätsanker für moder­ von dem Schreck der Mittelschichten wt1rde die Gesellschaft einer ,,lerreiß• ne Demokratien sind. Allerdings ver­ vor den KPD-Erfolgen - .,lUld von den probe" aussetzen, warnte Abelshauser. weigerte er sich krude mechanisti­ Zweifeln an der Problemlösungsfähig• In die gleiche Kerbe hieb der Ökonom schen Folgerungen nach dem Muster keit des politischen Systems". und Kurzzeit-Staatssekretär Heiner "Je größer der Wohlstand, desto grö• ,.Kulturkampf" mit den USA Flassbeck, der im übrigen Lohnzu­ ßer die Chance, die Demokratie zu rückhaltung und die Aufweichung von erhalten". Groser verwies vielmehr auf Den Bogen aus der jüngeren Vergan­ Flächentarifen nicht als taugliche Mit­ außerökonomische Faktoren wie genheit in die sozialökonomische Rea­ tel betrachtete, um mehr Arbeitslose Rechtsnormen, Einstellungen und lität der Bundesrepublik (und zurück) in Lohn und Brot zu bringen....

Sabine Lemke-Müller in ,,DAS PARLAMENT" vom 11. Februar 2000: Mehr sachliche Informationen gefragt

... Fragen um die mediale Politikver­ über dem Politischen begünstigt, die ist der Bundestag in Nachrichtensen­ mittlung standen im Zentrum einer nur allzu leicht in diffuses Missfallen dungen der öffentlich-rechtlichen und dreitägigen Parlamentarismus-Fach­ umschlägt. privaten Sender durchaus präsent; der konferenz, die die Deutsche Vereini­ Der .,Strukturwandel der Öffentlich• Ereignis- und Dokumentationskanal gung für Parlamentsfragen gemein­ keit" (Habermas) verursacht eine all­ Phönix sowie die Printmedien tun ein sam mit der Akademie für Polit:iBche gemeine Marginalisierung und Boule­ Übriges, den in seinen Strukturen und Bildung in Tutzing durchführte. Das vardisienmg der Politik. Das senkt den Funktionsweisen meist "unbekannten ist kein Zufall, denn tatsächlich ist und Marktwert der oft nachrichtenun­ Star" (Mayntz) im Rampenlicht der bleibt die gute Kommunikation poli­ freundlichen Tätigkeit des Parlaments: Öffentlichkeit zu halten. Konkrete tischer Entscheidungen und Ereignis­ Marathonsitzungen wechseln mit lan­ Beispiele demonstrierten die gaDZ an­ se eine notwendige Bedingung der gen sitzungsfreien Phasen, viele Fach­ dere Medienpräsenz des englischen Demokratie. Funktioniert sie nicht debatten interessieren nur ein begrenz­ Parlaments, in dem ein direktes Ge­ oder nur unzureichend, wird in der tes Publikum oder finden nichtöffent• genüber von Regierung und Opposi­ Bevölkerung eine Abstinenz gegen- lich in den Ausschüssen statt. Dennoch tion fllr Lebhaftigkeit sorgt ...

18 Akademie-Report 212000 Cbristian Mayer in "SÜDDEUTSCHE ZEITUNG" vom 9. Februar 2000: Die große Politik wird nur simuliert

... Bereits zum fiinften Mal treffen sich Treffen der wichtigsten Industrienatio­ gesprochen. Eine Gruppe aus Frank­ am Stamberger See junge Leute aus nen. Jeder der 47 Studenten schlüpft reich ist regelmäßig dabei, auch aus ganz Europa, aus Israel und den USA in die Rolle des Diplomaten einer an­ Israel kommen Teilnehmer. Besonders Organisiert wird die einwöchige Kon­ deren Nation. Voraussetzung für das die Studenten aus Osteuropa, für die ferenz vom .,Munich European Fo­ Projekt ist, erst einmal die eigene Iden­ Buropa weniger mit Bürokratie und rum", einem Verein, der Studenten die tität zu vergessen. In den Gremien geht Gleichmacherei, sondern mit Freiheit Spielregeln der Diplomatie nahe brin­ es dann zu wie im richtigen Leben: Es und Wohlstand verbunden ist, sehen gen will. "Unser Ziel ist es, die inter­ wird gestritten, an Resolutionen gefeilt in Tutzing eine Chance, die EU bes­ nationale Politik besser zu verstehen", und am Ende stehen dann Entschei­ ser zu verstehen. Viele Teilnehmer sagt dieVereinsvorsitzende Nike Ditt­ dungen. Sprachbarrieren gibt es kei­ wollen selbst einmal im diplomati­ mar. Die Politikstudentin hat sich er­ ne, diskutiert wird auf Englisch - und schen Dienst arbeiten. Schade findet folgreich um Sponsoren fiir ihre Idee das so lebhaft und manchmal auch Nike Dittmar nur, dass drei Studenten bemüht: Den Hauptteil der Kosten chaotisch, wie man es sich im Haupt­ aus Ghana die Einreise verweigert übernehmen das Auswärtige Amt in seminar einer deutschen Uni gerne wurde - aber so international wie die Berlin und der Deutsche Akademische wünschen würde .... Studenten in Tutzing denken eben nur Austauschdienst (DAAD). ... Inzwischen hat sich auch bei aus­ wenige deutsche Politiker und Beam­ Dieses Mal simulieren die Teilnehmer ländischen Universitäten die Idee des te . ... den EU-Rat, die NATO oder das G-8- ,,Munich International Forum" herum-

Friedrich H. Hettler über den Vortrag von Prof. Wolfgang Leonhard im Bayerischen Landtag in "MAXIMILIANEUM" Nr. 2/2000: Ein letzter unüberhörbarer weltpolitischer Paukenschlag

... Die letzten fünf Monate der russi­ Immunität bis zu dessen Lebensende schen Geschichte sind nach Leonhards zu, was es laut Leonhard in der russi­ Worten von .,dramatischen und wider­ schen Rechtsgeschichte bisher noch sprüchlichen Ereignissen" geprägt. nie gegeben hat. Überrascht zeigte sich Dazu zählte er den Krieg in Tschet­ der Referent auch von dem Umstand, schenien, die Wahlen zum russischen dass diese Total-Immunität kaum Auf­ Parlament, der Duma, und den voraus­ merksamkeit fand bzw. kritisiert wur­ gegangenen einseitigen, "diskreditie­ de. renden" und "schändlichen" Wahl­ InPutinsehen viele den ersehnten star­ kampf sowie Jetzins Rücktritt ken Mann, der kompromisslose Härte Leonhard vertritt die Auffassung, dass verkörpert (Hardliner im Tschetsche­ Jelzin mit seinem Rücktritt, der ver­ nienkrieg), aber auch daran interessiert "Diktatur der Gesetze". Fernertrete er fassungsmäßig legitim war, den Prä• ist, Brücken zu bauen und der ein "gu­ für eine neue Ideologie aufder Grund­ sidentenwahltermin vom Juli vorzie­ tes Ohr für die Stimmungen" in der lage des Patriotismus ein und betreibe hen wollte, um einerseits die immer Bevölkerung hat, wie es Leonhard die Wiedereinführung der staatlichen noch vorhandene Stimmung Pro­ ausdrückte. Putin sieht nach Auffas­ Regulierung - keine Rückverstaatli• Tschetschenienkrieg zu nutzen und sung des Referenten Russland als star­ chung, wie Wolfgang Leonhard aus­ andererseits Wladimir Putin zu stär• ken unabhängigen Staat im Rahmen drücklich betonte-, zwar nicht auf al­ ken. Ministerpräsident Putin sicherte der Gesetze. Deshalb spreche der In­ len Feldern, aber in Schlüsselberei­ Jelzin bei der Machtübergabe totale terimspräsident auch gern von der chen. ...

Akademie-Report 2/2000 19 zei ungs e pli er A.kad nie ..... ,.h ·• u Ve1 n tu ~ , ir Spiegel e e >n

Peter Stamme in der ,,NÜRNBERGER ZEITUNG" vom 2. März 2000 Balkan und an Hilfe für Russland, über die Tagung ,,Berliner Perspektiven· Deutschland vor dem 21. Jahrhundert": wenn man die Fehler bei der Auflö• sung Jugoslawiens nicht wiederholen Friedenssehnsucht versus Realpolitik wollte ...... Christian Hacke riet dem Kollegen, ... Mit Idealismus und großer Selbst­ Westen nicht. ,.Und die Erstarrung etwas mehr die Torheit des begrenzt gewissheit verneinte Czempiel die geht rot-grün weiter. Den Gedanken lernflhigen Menschen zu berücksich• Frage, ob Deutschland für seine neu­ an die 'Zivilgesellschaft' bat mm im tigen. Politiker müssten handeln und en Aufgaben gerüstet sei. Bis heute Serbien-Konflikt erschöpft aufgege­ für ihre Fehler einstehen, Wissen­ habe das ,,Kalte-Krieg-Denken der ben ebenso wie die Idee einer Welt­ schaftler bitten es leichter. In seinem sechzehn Kohl-Jahre" eine Diskussi­ Innenpolitik." Dabei habe sich doch Referat untersuchte Hacke, wie on über gegenseitige Abhängigkeit die Realpolitik als erfolglos und ver­ Deutschland sieb seiner außenpoliti• und Globalisierung verhindert. Die altet erwiesen. schen Vcrantwortu.ng stellen könne. Arbeit an der Wiedervereinigung habe Der Kosovo-Krieg habe acht Milliar­ Bis 1945 habe Deutschland im Gegen­ den Blick aufdie weltpolitischen V er­ den Mark gekostet, für den Wieder­ satz zu den westlichen Demokratien lnderungen verstellt. Im Osten habe aufbau gebe es 125 Millionen Mark. keine zivilisatorische Leitidee für sei­ ein Elitenwechsel stattgefunden, im Es fehle ein Marshall-Plan für den ne Außenbeziehungen besessen....

Michael Meyen in •.FERNSEH-INFORMATIONEN" 212000 Dieter Wild, der beim Spiegel für die über die Tagung "Zeitenwende- Wendezeiten- Weltenende": SO Folgen der Jahrhundert-Serie zu~ ständig war, sprach vom größten Un­ Millenium .. Nachtrag ternehmen in der Geschichte des Hau­ ses, das von der Idee bis zum Serien­ start dennoch nicht einmal ein Jahr ... Bemd Sösemann, Historiker und von geschlossenen Epochen gebe es brauchte. Hingegen batte Fernsehjour­ Kommunikationswissenschaftler an erst seit 1700. Und der 2000er Rum­ nalist Henric L. Wuermeling vom der Freien Universität Berlin, wandte mel? Der Jenaer Historiker Frank Bayerischen Rundfunk das Konzept sich gegen eine Konzentration auf die Möller meinte, dass es durch das Com­ fi1r die 20 Tage im 20. Jahrhundert runden Daten. Ein Jahrhundertwech­ puterproblem etwas Greifbares gege­ schon Anfang der 90er Jahre auf dem sel sei nicht per se eine Zeitenwende. ben habe, etwas, warübet man habe Tisch. Seinen Münchener Hörfunk• Die Menschen würden sich nicht auf diskutieren können. Kollegen ist allerdings ein richtiger Jahrhunderte beziehen, sondern auf Schatz entgangen: Die Radio-Revue das, was sie selbst überblicken kön• Vehikel für die auf Bayern 2 hatte zum Jahreswech­ nen, auf das eigene Leben. Ein Krieg Medienmaschine sel1979/80 eine ganze Reihe von Ex­ oder auch der Tod eines Kindes seien perten um Prognosen für das Jahr 2000 da viel eher Wendepunkte. Der Mainzer Kommunikationswissen­ gebeten. Wo hätte man einen besse­ Wenn Historiker zusammensitzen, schaftler Jürgen Wilke wies dagegen renRückblickfinden können? Franz wird immer auch über Quellen gestrit­ in der Diskussion auf die Verändenm• J. Bautz, der damals für die Serie zu­ ten (so plädierte Sösemann für die gen des journalistischen Apparates ständig war, stellte dazu in Tutzing Presse und hier vor allem für die Un­ hin. Das Jahr 2000 sei von der Medi­ fest, dass die Verlinderungen des Me­ terhaltungsblätter, um zu erfahren, wie enmaschine als Vehikel genutzt wor­ diensyS'tems vor 20 Jahren bekannt die ,.einfachen Leute" das Thema ver­ den, um Aufinerksam.keit zu erz:eugen. gewesen seien. Man habe um die On­ arbeitet bitten), und natürlich wurde Dazu kämen der Wandel in Richtung line-Zukunft ebenso gewusst wie um in l'utzing über Wilhelm II. gelästen, Dienstleistungsgesellschaft und die den Anpassungsdruck auf die öffent• der die Jahrhundertwende einfach per Verdatung des menschlichen Lebens. lich-rechtlichen Rundfunkanstalten Marginalverordnung auf den 1. Janu­ Wil.ke lag damit auf der gleichen Li­ durch kommerzielle Anbieterund um ar 1900 legte. Bernd Sösemann mein­ nie wie der Münchener PR-Experte die Flut trivialer Unterhaltungssendun­ te, dass erst diese Wende in Westeu­ Horst Avenarius, der von einem V er­ gen. An das Ende der Sowjetunion ropa richtig intensiv wahrgenommen marktungserfolg für die Medien aber und an Aids habe niemand ge­ worden sei. 1600 habe man zwar sprach. Die gewieftesten PR-Leute dacht. Auch Genmanipulationen sei­ schon gefeiert, aber die Vorstellung seien die Journalisten gewesen .... en kein Thema gewesen. ...

20 Akademie-Report 2/2000 - I ech 1\~ adernt• Ar at n V n rd Me

Comelia Wohlhüter in ,,PASSAUER NEUE PRESSE" vom 25. März 2000: Dietmar Süß in ,.KATHOLISCHE NACHRICHTENAGENTUR" Wie zukunftsfähig sind Europas vom 21. März 2000: Christdemokraten? Union auf Sinnsuche .. Nicht nur in Deutschland stecken die Das ist noch harmlos. Von einem gna­ ... Umstritten bleibt, ob sich die Uni~ Christdemokraten in der Krise. In Ita~ denlosen Kampf der Linken gegen die on weiter für das eine Drittel der deut­ Iien ist der Parteiname von der Bild~ Konservativen in Italien sprach der schen Bevölkerung öffnen soll, das fläche verschwunden, in Österreich Historiker Paolo Possenti aus Rom. konfessionslos ist. Hans Maier, ehe­ hat die ÖVP gerade noch 27 Prozent Die Christdemokraten hätten sich das maliger bayerisoher Kultusminister bekommen, in Frankreich droht 2001 eigene Grab geschaufelt, weil sie nach und Politikwissenschaftler an der ein Wahl~Debakel. Nur Spanien hat dem ,.kleinen Bürgerkrieg" (Possenti Ludwig-Maximilians-Universität, gegen den Trend bürgerlich gewählt. sprach von Entführung, Mord, Bespit­ wünscht sich trotz der wachsenden Der These, wonach die Spendenaffä• zelung in den Jahren 69 bis 80) zu Distanz zwischen Kirchen und christ­ re genutzt werde, um die Verdienste gutmütig waren und eine Amnestie für lichen Parteien einen intensiveren Helmut Kohls herab zu würdigen, Kommunistenführer verkündeten. Dialog zwischen beiden einst eng ver­ wurde nicht widersprochen. So sei es Alle Verbrechen, so Possenti blieben zahnten Institutionen. Zwar kann nach allen Kanzlern der CDU ergangen; als ungesühnt. Zum Dank griff die Linke Einschätzung Ma.iers die christliche Lichtgestalten der Geschichte blieben dann bei erster Gelegenheit die Christ­ Soziallehre denkomplexen Problemen schließlich nur die SPD-Kanzler Wil­ demokraten an. ... der Globalisierung und gesellschaftli­ ly Brandt und Helmut Schmidt übrig. chen Differenzierung kaum mehr ge­ nügCilt doch hält er die seelsorgliche Erhard d'Angelo in: ,.STRAUBINGER TAGBLATT" vom 23. März 2000: Begleitung von Politikern für dringen­ der denn je geboten. Besonders junge Europa: Bürgerliches Lager christliche Politiker hätten sich oftmals eine .,gewissenlose Handhabe" politi­ muss sich erneuern scher Macht angeeignet, so Maier. Die .,öffentlichen Minimaltugenden" ... Nahezu alle Referenten dieser Ta­ konservativen mit den Neoliberalen in einzufordern, sei moralische Pflicht gung sehen die Zukunft der Christde­ der bürgerlichen Gruppierung unter der Kirchen. Sie könnten auf diesem mokraten und ihrer Verbündeten auf einen Hut zu bringen seien. ... Das Wege .,pädagogisch auf die christli­ dem Platz der ,,rechten Mitte". Rechts Europa-Spektrum der Christdemokra­ chen Politiker einwirken" und so davon würden keine relevanten Kräf• ten schillert zur Zeit in allen Farben. verhindern, dass es in der Union zu te mehr entstehen. Die SPD habe den Während in Spanien die Volkspartei Machtmissbrauch und Korruption Platz der ,.linken Mitte", die sie neue mit ihrem christdemokratischen Kern komme. Von den Politikern der C­ Mitte nenne, mit einigem Erfolg be­ erstmals nach zehn Jahren die Sozia­ Parteien forderte Maier, sich mehr als setzt. Die FDP könne den Begriff listen besiegte, liegt die einstmals so bisher öffentlich zu ihrem Glauben zu liberal nicht mehr alleine besetzen. mächtige italienische Schwesterpartei bekennen und ,.a.rtikulationsfähig zu Denn alle Parteien in Deutschland wie­ hoffhungslos am Boden. So konnte der werden" sen liberale Tendenzen auf. Eindeutig italienische Gastredner aufder Tutzin­ gehe die Tendenz hin zu den großen ger Tagung nur ein trauriges Bild die­ Volksparteien. Das Bedürfnis nach ser Gruppierung zeichnen, die sich Maß und Mäßigung sei groß. Der Ab­ aufgespalten hat. Der Historiker Prof. stieg der Konservativen in ganz Euro­ Dr. Paolo Possenti, Rom, vermochte pa habe auch damit zu tun, dass sie so letztlich nur die Hoffnung auszuspre­ lange Zeit regiert hatten. ...Immer wie­ chen, dass die rechten Gruppierungen der tauchte in allen Referaten die Fra­ um die Macht (Berlusconi etc.) inRom ge nach der Modemisierung der Par­ ebenfalls bald dem steten Wechsel teien auf. So stelle sich für die Union zum Opfer fallen werde wie andere das Hauptproblem in der Weise, wie Vorgänger seit dem katastrophalen europaweit - und darum ging es we­ Abstmz der skandalumwitterten DCI. sentlich auf dieser Tagung - die Alt-

Akademie~Report 2/2000 21 T

FQr die mit einem * gekennzeichneten Tagungen gibt n bereits einen fasten Tellnehmet'krela. Zuaitzllche Anmel· dungan alnd nur in Ausnahmeflllen und nach ROc:kapracha mit dem Tagungaleltar möglich. Wir bitten um Ihr Veratlndnlal

Juni

22·3 2. -4. 6. Mansch • Recht • Staat Neujustierung politischer Konstellationen in der internationalen Politik? Leitung: Dlemer/Piazolo Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50

23·1* 5. -9. 6. Politik Im Netz Neue Medien und Politik Lehrerfortbildung mit der Akademie Dillingen Leitung: Schröder/Galser Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50

24·2 16 .• 18. 6. Moral und Politik • Im Widerspruch? Aufgaben und Probleme Im politischen Wandel Leitung: Dlemer Sekretariat: Renate Helnz Tel. 08158/256-50

24·3 13. -15. 6. Dia Bundesrepublik Im Umbruch • Chancen und Probleme ln Zusammenarbeit mit der DAG Leitung: Dlemer Sekretariat: Nadja Rlewendt Tel. 08158/256-53

25-1 21 .• 23. 6. Ein Jahrzehnt wiedervereinigtes Deutschland ln Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit und dem Forschungsverbund SED-Staat Freie Universität Bertin. Tagungsort: Berlin Leitung: Oberreuter/März/Staadt Sekretariat: Nadja Rlewendt Tel . 08158/256-53

25·2 23.-24. 6. Ruf nach dem Staat • Nachruf auf den Staat? Leitung: Plazolo/Weber Sekretariat: Helke Bäuerle Tel. 08158/256-46

Vertiert der Staat an Einfluss auf die Gesellschaft? setzten Rechts, die Abgabe staatlicher Kompetenzen Oder erlaubt er sich im Gegenteil zu viele Eingriffe auf supranationale Einrichtungen, der Einfluss von in das Leben der Bürger? Welche Steuerungs­ Banken und internationalen Konzernen auf die Hand­ leistungen kann der Staat angesichts einer lungsfähigkeit der Nationalstaaten sowie ganz allge­ globallsierten Wirtschaft überhaupt noch erbringen? mein die Frage nach deren Zukunft als Akteure in Wer bestimmt den staatlichen Handlungsrahmen - der internationalen Politik. die Wirtschaft oder die politische Verfassung? Mit Die Tagung ist interdisziplinär angelegt und soll Stim­ diesen Fragen sind einige Entwicklungstendenzen men aus der politischen Theorie, der Wirtschaftswis­ angesprochen, die im Rahmen der Tagung beleuch­ senschaft, des Staatsrechts und der Lehre von der tet und diskutiert werden sollen: unter anderem die internationalen Politik zusammenführen, wobei kon­ Anpassung des Staates an weltökonomische Bedin­ krete Erfahrungen aus der praktischen Politik mit ein­ gungen, die Auflösung der Autorität staatlicher ln­ bezogen werden. stanzen, die schwindende Bedeutung politisch ge-

22 Akademie-Report 2/2000 T T • e

Für die mit einem • gekennzeichneten Tagungen gibt es bereit• einen festen Tellnehmerkrela. Zusätzliche Anmel· dungen alnd nur ln Auanahmeflllen und nach ROcksprache mit dem Tagungsleiter möglich. Wir bitten um Ihr Veratändnlal

26·1 26.-28. 6. Erziehungsgehalt und seine Bedeutung für die erwerbstätige Frau Chance für Eltern oder Risiko für Frauen? Leitung: Diemer Sekretariat: Renate Helnz Tel. 08158/256--50

29.6. -1.7. Populismus ln Europa: Zwischen Extremismus und Demokratie? Leitung: Maruhn Sekretariat: Heike Bäuerle Tel. 08158/256-46

.Jur

27·1 3. -7. 7 Deutschland Im Wandel dar europäischen und atlantlachen Gemeinschaft Lehrerfortbildung mit der Akademie Dillingen Leitung: Weber/Münchenbach Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50

27·2* 3. - 10.7 Today Politische Landeskunde für nordamerikanische Lehrer Leitung: Grosch Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50

28·1* 10.- 14. 7. "Dia Vernunft der Nationen": Die Außenpolitik des modernen Staates Im Wandel Seminar mit Studenten der Universität Passau Leitung: Oberreuter/Sebaldt Sekretariat: Nadja Riewendt Tel. 08158/256-53

28-3 14.- 16. 7. Kleiner, feiner, weiblicher? Effizienz und Gesicht der künftigen deutschen Streitkräfte Leitung: Maruhn Sekretariat: Heike Säuerte Tel. 08158/256-46

28-5 16. 7 Zukunft braucht Erinnerung Tetralog Im Rahmen der Europäischen Wochen Passau mit Lea Rabln, Wladyslaw Bartoszewski, Michel Cullln, Leitung: Oberreuter Sekretariat: Oagmar Hoerstke Tel. 08158/256-47

E-Mall-Adresaen der Sekretariate: H.Baeuerle@ap~tutzlng.de [email protected] [email protected] [email protected]

Die Akademie im Internet: www.apb-tutzlng.de

Akademie-Report 2/2000 23 T rne Ta

Für die mit einem • gekennzelchnet.n Tagungen gibt e& bereb einen fasten Tellnehmertcrala. Zusllzllche Anmel· dungen sind nur ln Ausnahmefällen und nach Rücksprache mit dem Tagungalebr möglich. Wir bitten um Ihr Verstlndnlal

29·1 17.-21. 7. Medianrecht und Gartchtsbarichteratattung Joumallstensemlnar in Zusammenarbeit mit dem Institut für Journalistenausbildung und Kommunikationsforschung an der Universität Passau Leitung: Sehröder Sekretariat: Helke Säuerte Tel. 08158/256-46

29·2 17 - 19. 7. KonfllktbewiHigung • aber wie? Europa und die NATO nach dem Kosovo-Krieg Leitung: Grosch Sekretariat: Nadja Riewendt Tel. 08158/256-53

August

31·1 31 . 7.- 3.8. Fragen zur Zeltgeschichte • Probleme der Gegenwart Ferienseminar 1 für Geschichts- und Sozialkundelehrerlinnen Leitung: Weber Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50

35·1 29. 8. -1. 9. Populismus, Extremismus, Demokratie Zur Aktualität und Geschichte Ferienseminar 2 für Sozlalj(unde- und Geschiehtsiehrar/Innen Leitung: Maruhn Sekretariat Renate Helnz Tel. 08158/256-50

35·2 29. 8. -1. 9. Aktuelle Herausforderungen der nationalen und Internationalen Politik Ferienseminar 3 Leitung: Piazolo Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50

E-Maß·Adretsen der Sekretariate: [email protected] [email protected] [email protected] [email protected]

Die Akademie Im Internet: www .apb-tutzlna-de

24 Akademie-Report 2/2000 T T e Te •

Für die mit einem * gekennzeichneten Tagungen gibt es bereits einen festen Tellnehmerkrels. Zusätzliche Anmel· dungen sind nur ln Ausnahmeflllen und nach Rückapnlche mit dem Tagungsleiter möglich. Wir bitten um Ihr Verständnis!

Septembe ---

35·3 1. - 3. 9. Schuld und Verantwortung • die Rolle der Ethik ln der Zeitgeschichte Leitung: Diemer Sekretariat: Renate Helnz Tel. 08158/256~50

36-1 4. -7. 9. Die Entwicklung Europas • Konsequenzen und Umstellungen ln Zusammenarbeit mit dem Verband des Landwirtschaftlich-technischen Dienstes in Bayern e.V. Leitung: Diemer Sekretariat: Renate Helnz Tel. 08158/256-50

36-4 8. -10. 9. 10 Jahre Deutsche Einheit Kulturelle, soziale und politische Aspekte Leitung: Maruhn Sekretariat: Nadja Riewendt Tel. 08158/256-53

37·1* 13. 9. Berufskonsuln ln Bayern zu Gast Leitung: Oberreuter/Denzer Sekretariat: Dagmar Hoerstke Tel. 08158/256-47

37-2 15.- 16. 9. Deutschland· einig Medianfand? ln Zusammenarbeit mit dem Münchner Arbeitskreis öffentlicher Rundfunk (MAR) Leitung: Schröder/Hömberg Sekretariat: Helke Säuerte Tel. 08158/256-46

Die friedliche Revolution in der DDR 1989 und der • Wie haben sich die Märide für Presse und Rund­ beginnende Prozess der deutschen Einheit 1990 funk entwickelt? veränderte auch die Medienlandschaft in Ost­ • Wie unterscheiden sich die Inhalte der Medien deutschland: Die gelenkte Monopolpresse der SED und die Gewohnheiten der Nutzer? und der Blockparteien wurde privatisiert und größ• • Was ist Obrig geblieben von originären ostdeut­ tenteils an westdeutsche Vertage verkauft. Aus dem schen Entwicklungen und Modellen der Wende­ entwickelte sich im Übergang der DDR~Fernsehen jahre? Deutsche Fernsehfunk mit neuen Ideen und Expe­ rimentierfeldern. Seit dem 3. Oktober 1990 wurde • Welche Rolle spielen heute die Journalisten, die •abgewickelt• und die öffentlich-rechtlichen Rund­ Ihr Handwerkszeug unter DDR-Bedingungen ge­ funkanstalten der neuen Bundesländer entstanden. lernt haben? Kommerzielle regionale Hörfunkenbieter gingen auf • Haben die Medien ihre Aufgabe bei der deutsch­ Sendung. deutschen Integration und dem Zusammenwach­ sen erfüllt? Zehn Jahre später wollen wir mit unserer Tagung eine Zwischenbilanz ziehen: Mt Journalisten, Medienforschern und Pädagogen wollen wir diese Fragen diskutieren und laden Sie herzlich zum Gedankenaustausch ein.

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FOr die mit einem • gekennzeichneten Tagungen gibt ea bereit. einen fasten Tellnehmerkrela. Zualtzllche Anmel­ dungen elnd nur ln Ausnahmaflllen und nach Rücksprache mtt dem Tagungsleiter möglich. Wir bitten um Ihr Veretindnlsl

38-1 18. -19. 9. Blick Ober den Zaun Zuwanderung und Integrationskonzepte in Europa Leitung: Grosch Sekretariat: Helke Bäuar1e Tel. 08158/256-46

38-3* 19.-21. 9. Grenzenlose Märkte - und wo bleibt der Mensch? Leitung: Diamer/Waber Sekretariat: Nadja Rlewendt Tel. 08158/256-53

38-4 21.-22. 9. Deutschland - TOrkel: Zerrbilder Im Spiegel dar Medien? Leitung: Schrödar/Quandt Sekretariat: Renata Heinz Tal. 08158/256-50

39·1 25.-29. 9. Multimedia, Internet und virtuelle Walten Kunst und politische Bildung Lehrerfortbildung mit der Akademie Dillingan Leitung: Schröder/Büchner Sekretariat: Ranate Heinz Tel. 08158/256-50

25. -26. 9. Demokratietraditionen ln Deutschland Leitung: Danzer Sekretariat: Halke Bäuerle Tel. 08158/256-46

39-3 27. -29. 9. Sensation Südafrika Geschichte- Gesellschaft- Politik Leitung: Grosch Sekretariat: Renate Heinz Tel. 08158/256-50

39-5 29.9. - 1.10. Schlussstrich - Sinn oder Widersinn? Die Gegenwart des Yargangenen ln Kooperation mit Gagen Vergessen für Demokratie e.V. Leitung: Maruhn Sekretariat: Helke Bäuerle Tel. 08158/256-46

E-Maß..Adressen der Sekretariate: [email protected] [email protected] [email protected] [email protected]

Die Akademie im Internet: www.apb-tutzlng.de

26 Akademie-Report 2/2000 Peter Hampe, JOrgen Weber (Hrsg.): JOfrJen Weber, Michael Piazolo {Hrsg.): 50 Jahte Soziale Mark(t)wlrtschaft Justiz Im Zwielicht Eine Erfolgsstory vor dem Ende? lhte Rolle ln Dllcteturen und die Antwort 0/zog Verlag GmbH, München, 1999, des Rechtsstaats 192 S., DM 19,80 Ganter 0/zog Verlag, MOnehen 1998, 358 S., DM 44,--

1\ ß"it den gesammelten Weisheiten illustrer Teilneh- er Band enthält die überarb~iteten R~f~rate 1 Vl.mer jener unzähligen Tagungen, zwanglos zwi­ Deiner Tagung an der Akademie für Polttische schen zwei Buchdeckel gepresst, ist das gewöhnlich Bildung Tutzing... . 20 Juristen und Historiker ana­ so eine Sache. Üblicherweise kommt der wenig ge-­ lysieren in fünf Kapiteln die Rolle der Justiz im Na­ neigte Leser schnell zu dem Urteil: Schade um die tionalsozialismus, im Faschismus (Italien, Spanien, Bäume für's Papier. Dieses Bändchen allerdings bil­ Portugal), in den kommunistischen Diktaturen der det eine löbliche Ausnahme. Es versammelt die Bei­ (l) UdSSR, Polens und der DDR. Ausflibrlich werden träge nicht gerade wenig namhafter Autoren, von de­ Möglichkeiten und Grenzen, besonders die Versäum• c: nen alle bis auf zwei auf einer Tagung der Politischen nisse bei der Ahndung von Justizverbrechen durch 0 Akademie Tutzing anlässlich des 50jiibrigen Jubilä• den Rechtsstaat artikuliert. Mit umfänglichen ums der Wirtschafts- und Währungsunion teilgenom­ Quellenhinweisen und weiterführenden Anmerkun~ men haben. Zwar sind wir vor der Millenniumswende genwerden die mitunter brisanten und schockieren­ ausgiebig traktiert worden mit Jahrhundert-Rückblik• den Aussagen belegt. ... kenjeglicher Art, aber es kann auch im Jahre eins des Fazit: In allen Diktaturen war die Justiz (willfähri• neuen Jahrhunderts durchaus nicht schaden, sich noch ger) Handlanger der Politik und keineswegs unab­ einmal der Grundlagen unseres heutigen wirtschaftli­ hängig. Die juristische Ahndung dabei begangener chen Daseins zu vergewissern .... Verbrechen blieb in allen Fällen unbefriedigend. Da kratzt zum Beispiel in bewährter Art der MaiDzer Noch mehr: Unrecht wurde nachträglich mit rechts­ Wissenschaftler und Erhard-Biograph Volker Hen­ positivistischen Begründungen in Recht uminterpre­ schel an der Legende des Vaters der ,.Sozialen Markt­ tiert. Darunter muss das Vertauen in den Rechtsstaat wirtschaft", der, ,,kein in der Wolle gefärbter Libera­ leiden. ler", den Begriff "sozial" nicht als Programm, son­ Deutschland-Archiv 212000, S. 310 ff. dern eher als schmückendes Beiwerk verstanden habe. Auch der vortreftliche Mannheimer Wirtschaftshisto­ riker Christoph Buchheim räumtmit bundesdeutschen "l'l Trrd die DDR, die nach einem Wort von Ro­ Selbstgefälligkeiten aufund spricht vom ,.Glück, dass VV man Herzog ein Unrechtsstaat war, dank Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg von höchstrichterlicher Entscheidungen heute post ·- den Amerikanern besetzt und weitgehend entmündigt festurn zum Rechtsstaat verklärt? Wer die Beiträge worden war." ... von Christoph Schaefgen, Günter Spendel und Ru­ Christian von Weizsäcker obliegt es in diesem Band, dolfWassermann gelesen hat, den überkommen sol­ den Reformbedarf des bundesdeutschen Sozialstaats che Zweifel. Leider. Die Kritik an der Judikatur des anzumahnen: "Ich möchte die These aufstellen, dass Bundesgerichtshofes, zumal des 5. Senats, in der Sozialstaat, so wie er sich bei uns entwickelt bat, Rechtsbeugungsverfahren gegen ehemalige DDR· eine massive Hypothek für die Schaffimg von Arbeits­ Staatsanwälte und -Richter, speziell die Einengung plätzen darstellt" ... der Strafbarkeit auf ,,schwere Menschenrechtsver­ Für den großen Spannungsbogen in diesem Band sor­ letzungen", stimmt nachdenklich. Als Generalstaats­ gen die beiden unverdrossensten Keynesianer der anwalt bei der Staatsanwaltschaft II beim Landge­ Republik, der Bremer Ökonom RudolfHickel und der richt Berlin, als renommierter Strafrechtslehrer im ehemalige Lafontaine-Berater Heiner Flassbeck, die Ruhestand, als Oberlandesgerichtspräsident a.D. beharrlich die Sozialpartnerschaft verteidigen und die nehmen die drei Autoren zwar aus sehr verschiede­ neoklassische Angebotspolitik von links kritisieren ner Perspektive wahr, wie schwer sich die rechts­ und der Nachfragetheorie eine Gasse bahnen möch• staatliche Justiz heute im Umgang mit dem staatli­ ten. ... chen Unrecht der DDR tut, aber im Ergebnis ihrer 0 Wer Orientierungshilfe in Zeiten des Umbruchs sucht, Kritik stimmen sie überein. "Unvertretbare Gesetzes­ ist mit diesen leserfreundlichen Beiträgen über die ·-U) auslegung'', ,.unerträgliches Mißverhältnis zwischen Ursprünge eines alles in allem erfolgreichen Modells Tat und Strafe" - das sind die Stichworte .... Deutschland gut bedient. Fazit: Solide Information, faktengesättigte Analyse, Q) Dagmar Deckstein kritischer Kommentar. Nicht nur Juristen erwartet Süddeutsche Zeitung vom 4. April 2000 eme Lektüre, die sich lohnt. Kar/ Wilhelm Pricke Gegen Vergessen Nr. 2111999

Akademie-Report 2/2000 27 Akademie für Politische Bildung Postfach 220, 82323 Tutzlng Pressesendung DPAG .Entgelt bezahlr, B 42656

amen und achrichten aus der A

DIREKTOR KOLLEGIUM

Prof. Dr. Beinrtdt Oberrenter war zu Vorträgen, Klaut Grosch hielt bei der Deutschen Stiftung filr Hearings und Diskussionsveranstaltungen u.a. in Ber­ Internationale Entwicklung in Zschortau (bei Leipzig) lin, Dresden, München, Wildbad Krcuth und im Stift einen Vortrag vor Stipendiaten aus Dritte-Welt-Län• Tepl (CS) bei den Marlenbader Gesprächen. dern über die Deutsche Vereinigung und deren Fol­ Der SFB sendete einen Vortrag über ,,Die Inszenie­ gen. rung der Politik in den Medien". Dr. Peter Hampe hält im Sommersemester 2000 an der Münchner Hochschule fl1r Politik eine Lehrveran­ staltung zum Thema: Die Wirtschaftsordnung der KURATORIUM Bundesrepublik Deutschland. Zusammen mit Klaus Grosch hielt er an der Deut­ Prof. Ur1uJa Minnle ist seit April d.J. Mitglied des schen Stiftung für Entwicklungsländer vor Expenen Bayerischen Landtags. aus Armenien, Tadschikistan und Usbekistan einen Vortrag über die Vereinigung Deutschlands und die BEIRAT bisherigen Transfonnationserfahrungen.

Als Nachfolger von Herlbert Nehyba ist Dr. Wulf Dr. Uwe Kranenpobl, Persönlicher Referent des Di­ Treiber für den Bayerischen Bauernverband in den rektors, ist zum 31 . 3. 2000 ausgeschieden und an die Beirat berufen worden. Universität Passau zurückgekehrt. Wir danken Herrn Nehyba für seine langjäbrige en­ gagierte Mitarbeit.

Akademie im Internet http://www.apb-tutzing.de Aktuelle Themen und Tennlne, die neuasten Programme und Informationen zur Akademiearbeit Und online anmelden!

Ich lntere.. lare mich für folgende Seminan und bitte um Zu•andung der ausführlichen Tagungaprogramma: (aus organisatorischen Gründen bitte maximal fünf Seminamummern angeben)

Etwa 4 - 6 Wochen vor Seminarbeginn erhalten Sie von uns die Unterlagen fOr Ihre verbindliche Anmeldung. Name...... Vomame ......

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Mit dieser ROckmeldung erkläre Ich mein Einverständnis zur Verwendung meiner persönlichen Daten im Rahmen der tagung&­ bezogenen Datenverarbeitung der Akademie für Politische Bildung Tutzing

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