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„Halte Tora Bora Oder Stirb“

„Halte Tora Bora Oder Stirb“

JIM HOLLANDER / DPA JIM HOLLANDER US-Marines auf dem provisorischen Wüstenstützpunkt „Camp Rhino“ bei Kandahar, -Führer Mullah Omar (Fernsehbild): „Der Einsatz für

AFGHANISTAN „Halte Tora Bora oder stirb“ Während in Bonn die -Konferenz sich auf die Grundlagen eines Friedensprozesses zu verständigen suchte, steigern die USA ihren Militäreinsatz am Hindukusch: Die Taliban und Osama Bin Ladens Terroristen sollen in den Bergfesten gestellt werden – mit allen Mitteln.

er Schmutz heißt im GI-Jargon In „Camp Rhino“, so der Name des Kampfhelikopter schwärmen zur Siche- „Gorilla Rotz“. Pioniere der U. S. ersten US-Stützpunkts auf afghanischem rung aus. Und aus den gewaltigen Rümp- DNavy, die „Seabees“, sprühen den Boden, soll das nicht passieren. Seit am fen von C-17-Transportjets rollen schwere Schmadder derzeit auf die Piste eines klei- letzten Montag Stoßtrupps der 15. Marine Waffen und Baumaschinen. nen Feldflugplatzes 120 Kilometer süd- Expeditionary Unit (MEU) die einst für Bis zum Wochenende war Camp Rhino westlich der letzten Taliban-Zitadelle den Jagdurlaub arabischer Prinzen ange- zur vorläufigen Heimatbasis für mehr als Kandahar. legte Landebahn in der Wüste besetzt ha- 1000 Ledernacken ausgebaut worden. Die Die klebrige Flüssigkeit bindet den all- ben, starten und landen dort in rascher massive Präsenz von US-Bodentruppen gegenwärtigen Wüstenstaub zu einer be- Folge Luftfahrzeuge aller Art: Transport- tief im Süden Afghanistans signalisierte tonharten Schicht. So soll eine Wiederho- hubschrauber fliegen Verstärkungen ein, eine neue Phase in Amerikas Krieg gegen lung jenes Debakels verhindert den Terror: Nun wird es wirk- werden, bei dem 1980 die Be- US-Bombentreffer in Kandahar: Lokale Verbündete demoralisiert lich ernst mit der Jagd auf den freiung amerikanischer Geiseln gesuchten Terrorchef Osama in Teheran misslang: Bin Laden und seine Taliban- Hubschraubermotoren hat- Kumpane. ten sich an aufgewirbeltem Die standen nach acht Bom- Staub verschluckt und festge- benwochen und der Flucht aus laufen. Bei einer Kollision star- im Endkampf um ihre ben acht Soldaten der Ge- spirituelle Kapitale Kandahar heimtruppe Delta Force. Zwei im Herzland der Paschtunen. Maschinen mussten aufgege- „Kein Fußbreit Boden“ dürfe ben werden, die Kommandos mehr preisgegeben werden, unverrichteter Dinge das Wei- forderte ihr geistliches Ober-

te suchen. / REUTERS MIAN KHURSHEED haupt Mullah Omar in Rund- 170 Ausland

Immerhin: Die Nordallianz, in Bonn ver- treten durch ihren Innenminister Yunus Qanuni, gab den anfänglichen Widerstand gegen die Stationierung einer internatio- nalen Schutztruppe auf, wollte die Präsenz solch eines multinationalen Kontingents für ein späteres Stadium nun nicht mehr generell ausschließen. Dabei sollen dann vorwiegend Soldaten aus islamischen Län- dern eingesetzt werden, obwohl dafür im- mer wieder auch der Name Deutschland fällt, das bei den Afghanen traditionell einen gut Ruf genießt. Die neuen Regenten in Kabul geben sich aufreizend selbstbewusst. Sie wissen dabei offenkundig die Amerikaner als ihre Pro- tektoren im Rücken. „Wir haben die Lage voll unter Kontrolle“, verkünden Sprecher der Nordallianz und ihres „Präsidenten“ Burhanuddin Rabbani. Doch solche Aussa- gen sind euphemistische Heuchelei: Gut Mullah Omar richtet apokalyptische Drohungen gegen die westliche Supermacht. den Islam ist die beste Gelegenheit, zum Märtyrer zu werden“ 10000 Taliban und etwa 5000 islamistische funkansprachen seine Gotteskrieger zum in Kabul regierenden Nordallianz und des Brigadisten, die bei den Afghanen so ver- Kampf „bis zum letzten Blutstropfen“ auf. Ex-Königs Zahir Schah im römischen Exil – hassten „Araber“ aus Bin Ladens al-Qai- Es gehe hier nicht um „Stammesfragen, auf einen historischen Durchbruch zuzu- da-Söldnertruppe, kämpfen nach wie vor sondern um den Islam: Der Einsatz dafür steuern. Nach einer Woche atmosphärischer in den südöstlichen Bergprovinzen zwischen ist die beste Gelegenheit, zum Märtyrer Wechselbäder galt eine Einigung auf die Kandahar und . In weiten Teilen zu werden“. Grundlagen einer umfassenden Friedens- des Landes herrschen Anarchie, Banditen- Gerüchte, der einäugige Schwiegersohn lösung als greifbar (siehe Seite 194). tum oder die Willkür regionaler Warlords. Bin Ladens habe selber den Glaubenstod in Allerdings steckte auch bei diesen müh- Opfer eines Raubmords wurde im nord- dieser finalen Mission gefunden wie Hun- samen Verhandlungen, so Berlins Sonder- afghanischen Taloqan der schwedische Ka- derte seiner Gefolgsleute bei Masar-i-Scha- botschafter Hans-Joachim Daerr, „der Teu- meramann Ulf Strömberg. Es war der ach- rif und Kunduz, bestätigten sich zunächst fel im Detail“, war nach dem Stand te Journalistenmord in drei Wochen. Aus nicht. Stattdessen wartete der Vormann des von Freitagabend „sowohl ein großer Er- Protest gegen die unzulänglichen Sicher- untergehenden Fundi-Regimes nochmals folg wie auch das völlige Scheitern denk- heitsmaßnahmen der Nordallianz verließen mit apokalyptischen Drohungen gegen die bar“. Die angepeilte Vereinbarung sah die 80 Medienleute die Region um Kunduz und westliche Supermacht auf: Die Amerikaner Bildung einer 25-köpfigen Übergangs- setzten sich ab über den Amu-Darja nach könnten sich „auf einige Überraschungen regierung sowie die Schaffung eines par- Tadschikistan. gefasst machen“. lamentsähnlichen Interimsrates mit 200 De- Dem usbekischen Regionalfürsten Ra- Überraschungen deuteten sich auch an putierten vor. Doch zur personellen Be- schid Dostam kam der Journalistenexodus der diplomatischen Front an. Bei der Af- stückung dieser beiden Übergangsgremien durchaus zupass. Der General, als Drauf- ghanistan-Konferenz unter Uno-Obhut auf gab es ein nicht enden wollendes Gemau- gänger und Blutsäufer verschrien, stand im dem Petersberg bei Bonn schienen die Emis- schel. Wütend trat einer der wichtigsten Verdacht, an der Inszenierung eines Mas- säre von vier Gruppen – darunter der nun Paschtunen-Führer, Gouverneur Hadji Ab- sakers beteiligt gewesen zu sein, dem in dul Qadir aus Jalalabad, vorzeitig die seinem Fort bei Masar-i-Scharif mehrere Heimreise an. hundert gefangene Taliban zum Opfer fie-

Kunduz Masar-i-Scharif Letzte Zuflucht „Schwarzer Staub“? Bergfestung Tora Bora Jalalabad Bin Ladens Bunker an der pakistanischen Grenze („Schwarzer Staub“) in den achtziger Jahren von Herat KABUL Jalalabad den Mudschahidin angelegt, KABUL Platz für 2000 Kämpfer, Kämpfe in den vor Luftangriffen geschützt N I S T A N Vororten Kandahars G H A A F N P A K I S T A Peschawar US-Truppenstütz- 120km punkt Camp Rhino 240 km

der spiegel 49/2001 171 Kommentar Große Knüppel, kleine Geister RUDOLF AUGSTEIN

in Gespenst geht um in Deutsch- nische Soldaten protestierten angeblich Bush lässt sich mit seinem Säbelrasseln land: der Anti-Amerikanismus. Als hilflos gegen die Gräuel. gegen Saddam Hussein, wie Bin Laden Eanti-amerikanisch wird hier zu Lan- Ist ein Anti-Amerikaner, wer das an- einst Verbündeter der USA, auf ein ge- de schon denunziert, wer die Frage stellt, prangert? Undankbar trotz der Care- fährliches Spiel ein. Schon haben die ob die US-Militärs noch die Verhältnis- pakete nach dem Zweiten Weltkrieg und Israelis wissen lassen, sie rechneten in mäßigkeit der Mittel wahren, wenn sie alles anderen Guten, was wir Deutschen spätestens drei Monaten mit einem US- international umstrittene Streubomben den USA verdanken? Angriff auf Bagdad. Und sie forderten auf Afghanistan regnen lassen. Wenn sie Mit dem Wort von der „uneinge- Angriffe auf ein weiteres Ziel. Um den Waffen wie die „Daisy Cutter“ einsetzen, schränkten Solidarität“ zu den Vereinig- islamistischen Terror auszurotten, müss- die „Gänseblümchen-Abmäher“, die im ten Staaten hat sich Kanzler Schröder ten die USA unbedingt die Ausbildungs- Umkreis von fast 400 Metern alles Leben nach dem 11. September eine Falle ge- lager der Hisbollah im libanesischen vernichten. Wenn sie die im Bomben- stellt. Wie gefährlich diese ist, zeigt sich Bekaa-Tal bombardieren. Beirut ist nicht inferno umgekommenen Zivilisten ach- jetzt, da in Washington schon Pläne für in der Lage, diese zu schließen. selzuckend als unvermeidliche Kollate- die „Phase II“ des Anti-Terror-Kriegs dis- Die Hisbollah steht nach den Anschlä- ralschäden abbuchen. kutiert werden: mögliche Angriffe gegen gen vom 11. September auf der US-Liste Die Befürworter eines flächendecken- den Irak und Somalia. Präsident Bush der Terrororganisationen – in den Augen den Kriegs triumphieren: Seht her, wir nennt inzwischen als Ziele alle Staaten, der meisten Nachbarn Israels aber führt haben schon immer gesagt, brachiale Ge- die „Massenvernichtungswaffen entwi- sie als „Befreiungsorganisation“ um die walt kann das Böse besiegen. Sie haben ckeln, um sie für terroristische Zwecke von Israel besetzten Gebiete einen ge- ihre Argumente. Wen hat es nicht mit zu gebrauchen“ – ein erweitertes Bedro- rechten Kampf. Freude erfüllt, dass die schrecklichen Ta- hungsszenario, da früher nur von den Nicht nur arabische Staatschefs laufen liban aus Kabul und anderen afghani- „Terroristen beherbergenden“ Staaten gegen eine nahöstliche Ausweitung des schen Großstädten vertrieben wurden. die Rede war. Afghanistan-Kriegs Sturm. Die Franzo- Wen könnten die Bilder von lachenden, Offensichtlich fühlt sich Washington sen machten klar, dass ein solcher Schritt tanzenden, glücklich entschleierten Men- dabei durch eine Entscheidung der Nato das Ende der Anti-Terror-Koalition be- schen kalt lassen. Und doch wird man sa- ermutigt, die durch die Anschläge in New deuten würde. Selbst der sonst so Ame- gen dürfen: Die eigentlichen Kriegsziele rika-hörige, fast messianisch auftretende wurden bis jetzt auch nicht annähernd Sollen wir, falls Herr Bush britische Premier – „Vorwärts, christli- erreicht. cher Soldat“, überschrieb das US-Maga- Der Ausgang des Afghanistan-Aben- es wünscht, auch einen Krieg zin „Newsweek“ kürzlich sein Blair-Por- teuers: ungewiss. Die moralische Über- trät – mahnte zur Vorsicht. legenheit, basierend auf unserem Ver- gegen den „Schurkenstaat“ Und, siehe da, auch die deutsche Re- ständnis von Menschenrechten: dabei, gierung zeigt sich plötzlich nur noch kri- verspielt zu werden. Kuba unterstützen? tisch solidarisch. Im Nahen Osten „könn- Viele Taliban haben sich in die Berge te uns mehr um die Ohren fliegen, als je- zurückgezogen und gruppieren sich zum York und Washington auf amerikanischen der von uns zu tragen in der Lage ist“, Guerrillakrieg, gefährlich für westliche Druck hin den Bündnisfall festgestellt hat, sagte ein nachdenklicher Kanzler im Bodentruppen. Der fatalerweise zum mit für alle Mitglieder bindenden Maß- Bundestag. Sprachlich keine Offenba- „Weltfeind“ hochstilisierte Osama Bin La- nahmen. Einen „Blankoscheck der eu- rung, inhaltlich schon. den ist noch nicht gefunden. Und einige ropäischen Alliierten für Washington“ Möglich, dass sich ein euphorischer unserer Neu-Verbündeten der Vereinigten nennt der amerikanische Militärexperte Bush bei einem optimalen Kriegsverlauf Front entpuppen sich unter den Augen Daniel Benjamin diesen Beschluss im US- in Afghanistan von der Irak-Bombar- der Amerikaner als das, was sie wohl Magazin „Time“ – auch das ein von der dierungsfraktion um den Vizeverteidi- schon immer waren: als in ihrer Brutalität leichtgläubigen Regierung Schröder mit- gungsminister Wolfowitz überzeugen lie- und Skrupellosigkeit den Taliban durch- getragener Fehler? ße. Wahrscheinlicher allerdings ist dann aus ebenbürtige Schlächter. Bush verlangt jetzt vom irakischen Dik- doch, dass der besonnenere Außenminis- Vieles spricht dafür, dass die Truppen tator, wieder Uno-Rüstungsinspekteure ter Powell auf die Bremse tritt. Für die des usbekischen Generals Dostam in Ma- ins Land zu lassen. Und was passiert, „Phase II“ fehlt die für Washington sar-i-Scharif ein Massaker begingen. „Wir wenn Saddam sich nicht fügt? „Das wird unerlässliche Koalition. Noch. Aber Mi- mussten sie töten“, sagt Dostam, der er herausfinden“, sagte der US-Präsident litärs sind allzeit bereit. Große Knüppel, gleichzeitig auf ein hohes Regierungsamt vor Journalisten kryptisch. Mit Hilfe der kleine Geister. in Kabul pocht. In Takhteh Pol nahe Europäer – und Moskaus – setzte Wa- Wer könnte amerikanische Ideale eher Kandahar richteten vorletzte Woche shington in der vergangenen Woche eine gefährden als die Amerikaner selbst – und paschtunische Verbündete des Westens sechsmonatige Verlängerung der Uno- zwar mit ihrer Politik im eigenen Land? 160 Kriegsgefangene hin; nicht nur für Sanktionen gegen Bagdad durch; die sind Militärgerichte mit Schnellurteilen, die Menschenrechtsorganisation Human nun schon elf Jahre in Kraft und haben Massenverhöre von 5000 männlichen, Rights Watch ein „Kriegsverbrechen“. weniger der irakischen Führungsclique überwiegend legal in den USA residie- Bei den Übergriffen anwesende amerika- als den Ärmsten im Land geschadet. renden Ausländern aus dem Nahen

172 der spiegel 49/2001 Osten: Die Einschränkung bürgerlicher Freiheiten nach dem 11. September, ver- ordnet vom Präsidenten und seinem scharfmacherischen Justizminister Ash- croft, machte in den USA zunächst kaum Schlagzeilen. Noch weniger Beachtung fand in der Öffentlichkeit ein Votum der Vereinten Nationen vom vergangenen Dienstag. Es passt so gar nicht zu Washingtons Welt- bild, gerade jetzt, da die US-Regierung – nach Jahren der Nichtbeachtung – die Nützlichkeit der Uno erkannt hat und Beschlüsse des Sicherheitsrats zur Be- kämpfung des Taliban-Terrors als Kriegs- legitimation heranzieht. Die Uno-Voll- versammlung hat zwei Tage vor ihrem Irak-Beschluss das amerikanische Han- delsembargo gegen Havanna verurteilt. Es besteht seit 1962, verhängt nach dem Sieg der Revolution auf der Zuckerinsel. Neunmal schon hat die Uno eine ähn-

liche Resolution verabschiedet; alle diese / LAIF HILL Beschlüsse wurden von Washington igno- Gefangene Taliban bei Kunduz: Inszenierung eines Massakers? riert, diesmal wird es nicht anders sein. Die Champions der freien Welt (und len, darunter ausländische Söldner mit ge- Amnesty International sowie andere Men- Chefpropagandisten des freien Güterver- fesselten Händen (siehe Seite 182). schenrechtsorganisationen verlangten von kehrs) lassen die Weltgemeinschaft links Die blutige Niederschlagung des angeb- Amerikanern und Briten Aufklärung über liegen, wenn es ihnen passt. lichen Gefangenenaufstands, an der CIA- dieses Gemetzel. Vor allem Londons Pre- Sie handeln damit nach Ansicht von Agenten, britische Kommandosoldaten mier Tony Blair, der Cheftrommler für Kuba-Experten auch gegen ihre eigenen und US-Bomber beteiligt waren, löste in- westliche Werte und Menschenrechte im Interessen: Die ungerechte Behandlung ternationale Empörung aus. Die Uno-Men- globalen Feldzug gegen den Terroris- durch Washington ist der Kitt, mit dem schenrechtsbeauftragte Mary Robinson, mus, sah sich in der britischen Presse, de- Fidel Castro sein bankrottes Regime noch ren Reporter schaurige Augenzeugenbe- zusammenhält – das Embargo und der richte beisteuerten, bohrenden Fragen aus- Hass auf die arroganten Gringos gelten als gesetzt. ausschlaggebend dafür, dass der ewig- Die blutigen Bilder aus der Lehmfestung gestrige Verfechter des Machismo-Leni- waren Gift für das Image der Nordallianz, nismo bis heute neun amerikanische Prä- der noch die Gräueltaten und Zehn- sidenten im Amt überlebt hat. Er sitzt tausende Tote aus den Bürgerkriegswir- weiter fest im Sattel. ren ihrer vierjährigen Kabuler Herrschaft Das Armenhaus Kuba steht rätselhaf- anhängen. Noch lagen die Toten im Staub terweise ebenfalls auf der amerikanischen der Wüstenfestung, da bemühte sich der Liste der Schurkenstaaten – sollen wir, Nordallianz-Führer Rabbani um Scha- falls Herr Bush es wünscht, auch einen densbegrenzung – in den Vereinigten Krieg gegen Havanna unterstützen? Arabischen Emiraten, einem der drei Staa- 167 Länder stimmten jetzt in der Voll- ten, die noch bis vor kurzem diplomati-

versammlung für ein Ende des US-Han- DPA sche Beziehungen mit den Taliban unter- delsembargos gegen Kuba. Bei einigen Bin Laden vor Guerrilla-Camp hielten. Enthaltungen sprachen sich ganze drei 100 Millionen Dollar fürs Quartier „Wir Afghanen hassen doch keine Ara- Mitglieder gegen die Resolution aus: die ber“, verteidigte sich der Theologieprofes- Vereinigten Staaten selbst, ihr Ex-Pro- sor in einer Rede in Dubai: „Jedes Mal, tektorat Marshall Islands, ihr ewiger Vogelfrei? wenn wir hören, dass ein Araber oder ein Schützling Israel. Auch Berlin bezog in „Sollten die USA ... Pakistaner oder ein Tschetschene bei uns dieser Frage Stellung gegen Washington, Gesamt getötet wurde, bricht es mir das Herz.“ ... vor ein West Ost und mit den Deutschen taten das alle ordentliches Wunderbare muslimische Bruderhilfe EU-Mitglieder. Anti-Amerikaner, so weit Gericht stellen?“ 59 58 62 hätten diese jungen Männer einst beim das Auge reicht. Kampf gegen die „gottlosen Sowjetinvaso- Sollte sich George W. Bush wirklich zu ... vor ein ren“ geleistet, dann aber seien sie von den einer Ausweitung des so genannten Anti- nichtöffentliches 12 12 11 Taliban irregeleitet worden. „Sie sind kei- Terror-Kriegs mit Bomben gegen den Irak Militärgericht stellen?“ ne Terroristen, sie haben nichts mit al-Qai- entschließen, er stünde verlassen von sei- da zu tun“, versicherte Rabbani seinen ara- ... ohne Gefangen- nen europäischen und arabischen Ver- nahme töten?“ 22 23 18 bischen Gastgebern: „Wir müssen ein Land bündeten da, unbequem platziert: zwi- finden, das sie als Flüchtlinge aufnimmt schen allen Stühlen. NFO-Infratest-Umfrage für den SPIEGEL vom 27. bis 29. November; und akzeptiert.“ rund 1000 Befragte in Deutschland; Angaben in Prozent; an 100 fehlende Prozent: „weiß nicht“/ Gleichzeitig nutzte der Nordallianz-Prä- „egal“/keine Angabe sident die Möglichkeit, sich von den Ent-

der spiegel 49/2001 173 Ausland scheidungen auf dem Bonner Petersberg zu distanzieren und im Spiel um die Macht eigene Optionen offen zu halten. Viele der Konferenzteilnehmer hät- ten doch nichts mehr mit Af- ghanistan zu tun und das Land jahrelang nicht mehr betreten, wetterte Rabbani. Er war bezeichnenderweise mit einem früheren Vertrauten des afghanischen Fundamenta- listenführers Gulbuddin Hek- matjar nach Dubai gereist – ei- nes Ur-Mudschahid, der als af- ghanischer Regierungschef einst mit seinen Milizen Kabul in Schutt und Asche gelegt und jetzt bewusst keine Einladung nach Bonn erhalten hatte.

Der einstige Taliban-Förderer GRABKA THOMAS , durch die Entwicklung Russische Spezialeinheit in Kabul: Die Amerikaner staunten im Nachbarland in den letzten Wochen arg ins Hintertreffen geraten, sieht die Stellung von Mullah Omars Gottes- gen im Süden des Landes festzusetzen und sich durch Rabbani ermutigt und wieder kriegern in und um Kandahar. Auch psy- damit das Land faktisch zu teilen. besser im afghanischen Spiel. Auf mehre- chologisch war die Bombardierung ohne Gelingt es Osama Bin Laden und Mullah ren Ebenen ließ Islamabad vorige Woche Zweifel erfolgreich: Sie demoralisierte die Omar tatsächlich, den harten Kern ihrer Abgesandte zur Nordallianz ausschwär- lokalen Verbündeten der Taliban und er- Truppen in die Schlupfwinkel des wilden men. Die gab ihrerseits letzten Mittwoch in mutigte Paschtunen-Führer zum Fronten- Berglandes zurückzuziehen, wird die Such- Jalalabad 49 pakistanische Taliban-Mit- wechsel in letzter Stunde. Aus Glaubens- aufgabe für die Amerikaner und die mitt- kämpfer frei und ließ sie zurückziehen kriegern wurden über Nacht Kämpfer ei- lerweile von ihnen verpflichteten afghani- über die Grenze nach Pakistan. ner befreiten Paschtunen-Region. schen Jagdhelfer noch schwieriger. Ver- Emissäre des pakistanischen Militärge- Zu den spät Gewendeten zählten auch gangene Woche verwies General Tommy heimdienstes ISI telefonierten ausführ- mehrere Minister der Taliban. Erstmals Franks, Oberbefehlshaber für Afghanistan, lich mit General Dostam und dem wichti- schilderte mit dem Vize-Innenminister Mo- deswegen auf zwei Regionen, „die wir sehr, gen Gouverneur von hammed Khaksar ein Regierungsmitglied sehr genau beobachten“. Herat, Ismail Khan. der Taliban das enge Verhältnis der Got- Die eine ist der Raum um Kandahar, in Auch Rabbani selbst teskrieger zu Osama Bin Laden. Die uner- dem nun über 1000 Marines aktiv die Su- verhandelte hinter schütterliche Treue zu ihrem „heiligen che nach den Terroristen aufnehmen sol- den Kulissen in Dubai Gast“ beruhte danach auf dem gleichen len. Vor allem nach dem Fall der Taliban- mit pakistanischen Of- extremen Islam-Verständnis, aber auch auf Hochburg sollen die Ledernacken mit allen fiziellen, eine Einla- Geld, viel Geld. Mitteln verhindern, dass sich die Führung dung nach Islamabad „Er hatte stets Geld in der Tasche“, er- und womöglich große Teile ihres Militärs in nahm er bereits an. innert sich der Überläufer. Die Barbeträge, die schützenden Berge zurückziehen. Seine wichtigste Be- mit denen der „Scheich“ um sich warf, be- Jetzt gehe es darum, „die Truppen von dingung für das Tref- liefen sich mitunter auf 50000 oder 100000 ihren Führern zu trennen“, erläuterte fen hat der pakistani- Dollar. Planten die Taliban einen neuen Pentagon-Sprecher Konteradmiral John sche Staatschef Mu- Angriff auf die Nordallianz, besorgte Bin Stufflebeem die Strategie. Führungslos sei- sharraf bereits formu- Laden ihnen 50 nagelneue Pickup-Trucks, en die Taliban eher zur Aufgabe bereit. liert: In Kabul müsse um die Truppen an die Front zu fahren. Fällt Kandahar, bleibt aber noch immer

THOMAS GRABKA THOMAS auch künftig eine Re- Seit 1996 bezahlte der al-Qaida-Chef ins- Problemzone Nummer zwei: die Bergfes- Allianz-Präsident gierung sitzen, die Pa- gesamt rund 100 Millionen Dollar Quar- tung Tora Bora, ein schwer befestigter un- Rabbani kistan freundlich ge- tierkosten. Dafür genoss er völlige Hand- terirdischer Komplex 60 Kilometer süd- „Es bricht mir das sinnt ist. lungsfreiheit. „Niemand hatte irgendeine westlich von Jalalabad, der jahrelang allen Herz“ Auch Moskau sucht Kontrolle über ihn“, sagt Khaksar, „er tat, Angriffen der Sowjets widerstanden hat. seine Interessen in Af- was immer er wollte.“ Zugänglich nur über schmale Bergpfade ghanistan zu sichern. Die Russen, zehn Trotz ihres militärischen Erfolgs plagt und aus der Luft praktisch nicht zu erken- Jahre lang Okkupationsmacht am Hindu- Washingtons Strategen eine Sorge: Im nen, bietet die Feste „Schwarzer Staub“ kusch, schickten am vorigen Montag zwölf Schutze des Winters könne es kampfstar- Raum für Tausende Bewohner. „Wie ein Transportmaschinen vom Typ Iljuschin-76 ken Einheiten der Taliban und von al-Qai- Hotel“ sei die Anlage eingerichtet, er- nach Kabul – mit Hilfsgütern, aber auch 90 da gelingen, sich in vorbereiteten Stellun- zählen die wenigen Besucher. Soldaten zur Absicherung der guten Wer- Nach der kampflosen Übergabe Jalala- ke und des Wiederaufbaus der Botschaft. Die neuen Regenten bads sollen sich 2000 „Araber“ und al-Qai- Die Amerikaner und Briten staunten über da-Söldner in die Höhlen-Unterwelt mit diesen Coup, in mehreren Städten kam es in Kabul eigener Strom- und Wasserversorgung zu wütenden Protesten gegen die neuerli- zurückgezogen haben. „Sie sind bewaff- che Anwesenheit der einstigen Besatzer. geben sich aufreizend net, erfahren, diszipliniert und todesver- Tagelang zermürbten die Amerikaner achtend. Sie werden bis zum letzten Bluts- mit einem unaufhörlichen Bombenhagel selbstbewusst. tropfen kämpfen“, warnte Hazrat Ali, der

174 der spiegel 49/2001 Ausland neue Sicherheitschef der empfahl bereits dem Prä- Region, jeden Angreifer. sidenten, als Nächstes den Ihr Motto laute: „Halte Irak anzugreifen. Und Tora Bora oder stirb.“ Rumsfelds Mitarbeiter Ri- Es sind wohl solche chard Perle streut schon – Aussichten, die Washing- möglicherweise etwas vor- ton bewogen haben, den laut –, dass der Einsatz Militäreinsatz noch einmal „beschlossene Sache“ sei. zu steigern. Weitere Stütz- Die Falken im Pentagon, punkte in Afghanistan die den irakischen Herr- werden derzeit ausge- scher schon immer stürzen kundschaftet, mehr Bo- wollten, weisen darauf hin, dentruppen stehen bereit. dass Saddams Sündenka- Oder sie sind, etwa in Ma- talog erheblich an Umfang sar-i-Scharif, bereits im zugenommen hat: Einsatz. Zusätzlich sollen • Schon 1995 gab der Irak Dutzende Kampfflugzeuge zu, 29526 Liter biologi- in der Region stationiert scher Waffen produziert werden, darunter auch zu haben, auch An- erstmals französische „Mi- thrax. Uno-Inspektoren rage“-Bomber auf einem entdeckten Sprühvor- Stützpunkt in Kirgisien. richtungen, die zur Ver- Der verstärkte militäri- teilung solcher Gifte sche Druck, zusammen mit dienen könnten. den offenen Drohungen • Im September leitete Washingtons, sollen aber die CIA dem Kongress auch eines verhindern: dass einen Bericht zu, der es den Gesuchten gelingt, irakische Arbeiten an sich anderswo eine neue einem unbemannten Basis aufzubauen. Flugkörper schilderte, Bei einer Rede vor der ebenfalls zum Trans- Rechtsanwälten in Wa- port und zur Verteilung

shington konnte sich US- / AFP / DPA ROMEO GACAD biologischer oder che- Präsident George W. Bush Taliban-Flüchtlinge an pakistanischer Grenze: „In heller Panik“ mischer Waffen geeig- am vorigen Donnerstag net sei. ein breites Grinsen nicht verkneifen, als er Ihr Chef Bush wurde noch deutlicher: Las- • Mit den Erlösen seiner Ölverkäufe hat verkündete, dass sich die Taliban „auf wil- se Bagdad die 1998 des Landes verwiese- Saddam in mindestens 20 Ländern ver- der Flucht“, die Mitglieder von al-Qaida nen Uno-Kontrolleure nicht wieder hinein, sucht, Teile von Produktionsanlagen zu „in heller Panik“ befänden. Aber solch müsse er „die Konsequenzen tragen“. erwerben, die auch für die Herstellung verhaltenem Triumphalismus folgt stets die Das ließ die Alarmglocken bei Amerikas neuer Massenvernichtungswaffen ge- Mahnung auf dem Fuße, Afghanistan sei Verbündeten schrillen. Die Europäer traten braucht werden könnten. schließlich nur die „erste Front“ im Kampf bei dieser Art von Zielbestimmung hart • Anfang des Jahres berichteten Experten gegen den weltweiten Terrorismus. auf die Bremse. Da solle man lieber „sehr des BND, dass es Saddam innerhalb von Und wo liegt dann die zweite? zurückhaltend“ sein, empfahl Bundes- drei Jahren gelingen könnte, sich Nu- In Washington scheint ein nationaler und kanzler Gerhard Schröder während der klearwaffen zuzulegen. internationaler Wettstreit begonnen zu ha- Haushaltsdebatte im Bundestag, „da könn- • Gerade in jüngster Zeit berichteten ira- ben, gerade den eigenen Lieblingsfeind te uns mehr um die Ohren fliegen, als je- kische Überläufer, dass in irakischen Trai- dem Präsidenten für die Phase II seines der von uns zu tragen in der Lage ist“. ningslagern auch Freiwillige aus anderen Auch Britanniens Premier Tony Blair arabischen Ländern militärisch ausgebil- „Osama Bin Laden tat und Frankreichs Präsident Jacques Chirac det werden (siehe SPIEGEL 47/2001). machten ihre Vorbehalte deutlich und mi- Für die Amerikaner reicht ein solches immer, was er wollte. litärische Einsätze gegen den Irak abhängig Sündenregister, das in seinen einzelnen von „unumstößlichen Beweisen“ für des- Punkten sicher zu diskutieren wäre, um Niemand hatte irgendeine sen Verstrickung in die Terroranschläge darauf hinzuweisen, dass von dem Iraker vom 11. September. Muslimische Nationen eine mindestens ebenso große Gefahr aus- Kontrolle über ihn.“ kündigten ihren Austritt an aus der Allianz geht wie vom al-Qaida-Chef. Bezeichnend gegen den Terror, sollte die Supermacht ist, dass Präsident Bush inzwischen auch Anti-Terror-Kriegs zu empfehlen. Rechte ihrer Drohung einen Angriff auf das Bru- Saddam als „den Bösen“ bezeichnet. Republikaner und wichtige Mitarbeiter im derland folgen lassen. Bislang habe der Präsident mit ver- Verteidigungsministerium drängen Bush, Noch versucht Außenminister Colin Po- gleichsweise offenen Karten gespielt, endlich den Diktator von Bagdad auf die well, die aufgescheuchten Verbündeten zu glaubt der stellvertretende Außenminister Zielliste zu setzen. Unbestritten ist, dass beruhigen und versichert, dass alle Gerüch- Richard Armitage, ein enger Freund von Saddam Hussein im Nahen Osten Terroris- te über einen unmittelbar bevorstehenden Powell. Er empfiehlt deshalb, Bush genau ten unterstützt, unklar bleibt, ob auch al- Angriff gegen den Irak „jeder spezifischen zu beobachten: „Er hat die Taliban vor Qaida zu den Begünstigten gehört. Grundlage entbehren“. Dennoch schließen eine Alternative gestellt und ihnen eine be- Der Despot von Bagdad arbeite nicht sich immer mehr Washingtoner Politiker stimmte Frist gesetzt.“ Armitage glaubt, nur mit Terroristen zusammen, sondern der Meinung an, Saddam dürfe nicht län- „dass darin eine gute Lektion“ für die Zu- auch an Massenvernichtungswaffen, warn- ger ungestört ein neues Waffenarsenal auf- kunft liegt. Hans Hoyng, Olaf Ihlau, te Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice. bauen. Verteidigungsminister Rumsfeld Siegesmund von Ilsemann, Christian Neef

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