O.R. Schatz & Carry Hauser Im Zeitalter Der Extreme
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Wien, Jänner 2016 O.R. SCHATZ & CARRY HAUSER IM ZEITALTER DER EXTREME Pressegespräch: Mittwoch, 27. Jänner 2016, 10 Uhr Eröffnung: Mittwoch, 27. Jänner 2016, 18.30 Uhr Ausstellungsort: Wien Museum Karlsplatz, 1040 Wien Ausstellungsdauer: 28. Jänner bis 16. Mai 2016 Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und Feiertag, 10 bis 18 Uhr Pressefotos: www.wienmuseum.at/de /presse Mit Otto Rudolf Schatz (1900–1961) und Carry Hauser (1895–1985) sind zwei bedeutende österreichische Maler zu entdecken, die lange im Schatten von berühmten Zeitgenossen wie Egon Schiele und Oskar Kokoschka standen. Vorrangig im Bereich der Grafik tätig, wurden sie international wenig ausgestellt. Kriege, Exil und politische Systemwechsel prägten ihre Biografien. Die einzige Konstante bildete der permanente Neuanfang. Im Dialog zwischen Schatz und Hauser erschließt sich das breite Spektrum künstler- ischer Ausdrucksformen vom Expressionismus und Kubismus über die Neue Sachlich- keit bis hin zum Realismus nach 1945. Bestimmende Themen sind die menschliche Existenz in einem Zeitalter der Extreme und die Großstadt in all ihren Facetten – von pulsierendem Leben bis zu Elend und Isolation. Das Wien Museum verfügt über die größte öffentliche Sammlung von Werken beider Künstler. In der Ausstellung werden sie durch hochkarätige Leihgaben ergänzt (u.a. von institutionellen Leihgebern wie Leopold Museum, Belvedere und Museum Neuer Kunst Sammlung Wörlen Passau sowie von zahlreichen privaten Leihgebern). Insgesamt wer- 1/5 den rund 300 Werke ausgestellt, darunter auch Raritäten wie die eigenhändig gefer- tigten Künstlerbücher und bislang unbekannte Entwürfe zur Kunst am Bau. Zur Aus- stellung erscheint im Residenz Verlag ein Katalog mit Aufsätzen von Christoph Bertsch, Cornelia Cabuk, Ausstellungskurator Ralph Gleis und Wolfgang Kos. Die Ausstellung wurde von Robert Rüf gestaltet, für die Grafik zeichnete Manuel Radde verantwortlich. ANFÄNGE IM SCHATTEN DES WELTKRIEGES Sowohl Carry Hauser als auch der fünf Jahre jüngere Otto Rudolf Schatz stammten aus bürgerlichen Verhältnissen, studierten an der fortschrittlichen k. k. Kunstgewerbeschule (der heutigen Universität für angewandte Kunst), beide absolvierten die allgemeine Formenlehre bei Oskar Strnad, das Aktstudium bei Anton von Kenner und die ornamentale Formenlehre bei Franz Cizek. Die Ausbildung vermittelte eine Vielfalt an grafischen und malerischen Techniken, die den Weg von Schatz und Hauser maßgeblich bestimmte. In ihrem jeweiligen Œuvre wechselten sie später mühelos zwischen Gemälden, Holzschnitt, Buchkunst, Typografie, Werbegrafik, Plakatentwürfen und Mosaiken, bis hin zu Entwürfen für Bühnenbilder und Kirchen-fenster. Die künstlerischen Anfänge von Otto Rudolf Schatz und Carry Hauser waren vom Ersten Weltkrieg überschattet. Beide hatten sich in den unstabilen Nachkriegsver- hältnissen erstmals als Künstler in Wien zu behaupten und fanden in Arthur Roessler einen einflussreichen Unterstützer. Roessler war eine der zentralen Gestalten der Wiener Kunstszene jener Jahre. Der Kunsthistoriker arbeitete als Journalist, Kritiker und Experte für die führenden Galerien Miethke und Pisko und leitete ab 1919 das Haus der jungen Künstlerschaft (wo Hauser 1919 seine erste Einzelausstellung hatte) sowie den von ihm mitbegründeten bibliophilen Avalun-Verlag, in dem Anfang der 1920er-Jahre Bücher mit Holzschnitten und Illustrationen von Schatz sowie Carry Hausers Mappenwerk „Die Insel“ erschienen. Seinen Nachruhm erwarb Roessler zwar als Förderer von Egon Schiele, doch er setzte sich ebenso vehement für Hauser und Schatz ein. Roesslers Nachlass in der Sammlung des Wien Museums bildet den um- fangreichen Grundstock für diese Ausstellung. Bereits im Frühwerk spiegelt sich die für Schatz und Hauser so typische Reaktion auf aktuelle Kunstströmungen. Hauser ist vom sozialkritischen Expressionismus eines George Grosz und Otto Dix inspiriert, während die Landschaften und Stadtansichten von Schatz deutlich von Egon Schiele geprägt sind. Dennoch entwickelt Schatz bald einen eigenständigen Stil, nicht zuletzt in seinen dunklen, kraftvollen Holzschnitten, die auf Anregung Roesslers mittelalterliche und christliche Motivik aufnehmen. Verbindend in den frühen expressionistischen Werken beider Künstler sind dynamische, überzeich- nete Menschenbilder als Ausdruck innerer Empfindungen. 2/5 Ebenso typisch für die künstlerischen Strömungen dieser Zeit ist das omnipräsente Thema Großstadt. Die Metropole wurde zum Inbegriff der Gegensätze, die nicht nur in politischer Hinsicht ungebremst aufeinanderprallten: Auf der einen Seite städtische Vergnügungen wie Jazz, Varieté und Bordell, auf der anderen Seite Gewalt, Verbrech- en, Elend und die ausgebeutete Arbeiterschaft in den Fabriken. Zwei Künstlerbücher können hier stellvertretend genannt werden. Carry Hauser kombinierte in seinem 1921 erschienen „Buch von der Stadt“ geometrische Bildelemente und Figuren mit selbst ge- schriebenen poetischen Texten zur Seelenlage des Menschen im Moloch Großstadt. Dieser ist ein „betonener Kerker“, die Straßen sind „Schlunde, umengt von himmelauf- wärtsstrebenden Wänden“, am Ende stehen „Blut, Qualm und Staub“ sowie „Gottes Gericht!“. Deutlich optimistischer ist Otto Rudolf Schatz Künstlerbuch „Die neue Stadt“ nach einem Text des sozialdemokratischen Volksbildners Josef Luitpold Stern. Schatz schnitt dafür alle 74 Seiten – und zwar sowohl Text als auch Bild – in Holz. Der sozi- alistische Fortschrittsglaube des „Roten Wien“ mischt sich in dem Buch mit wuchtiger Typografie, die Bilder selbst tendieren bereits zur Neuen Sachlichkeit. Eindeutig letzterem zuzuordnen sind die bekanntesten Werke von Schatz und Hauser – Gemälde wie „Jazzband“ von Hauser (1927) oder „Ballonverkäufer“ von Schatz (1929). Vorder- gründiges Thema sind städtische Vergnügungen, doch es dominieren Kühle, Regungs- losigkeit und reduzierte Farbigkeit. Gegen Ende der 1920er Jahre ist Schatz auch als gefragter Illustrator tätig, in Gemälden und Aquarellen widmet er sich außerdem moti- visch der Industrie und den Fabrikshallen. Es kommt zu zahlreichen Auftragsarbeiten für die Sozialdemokratie, u. a. entstehen Flyer, Plakate und Drucksachen für Republik- und Maifeiern. Wirtschaftskrise und „Ständestaat“ als Zäsur Spätestens mit der „ständestaatlichen“ Diktatur führten die Wege von Schatz und Hauser in deutlich unterschiedliche Richtungen. Für Schatz bedeutete die Ausschaltung der Sozialdemokratie nicht nur das Wegbrechen vieler Auftraggeber, sondern eine Bedrohung seines Freundeskreises, aus dem viele ins Ausland fliehen mussten. Der Künstler entging der politisch drastisch veränderten Situation auf Weltreisen, die ihm durch die Heirat mit einer wohlhabenden Unternehmertochter aus Brünn möglich wurden. Das Resultat findet sich in zahlreichen New Yorker Bildern und einigen Paris- Ansichten. Schatz Kunst ist zu dieser Zeit deutlich unpolitischer als zuvor. Hauser, der angesichts der Wirtschaftskrise 1932 die „Notgemeinschaft für Kunst und Schrifttum“ mitbegründet hatte, engagierte sich auch in der Kulturorganisation „Neues Leben“ der Vaterländischen Front. Christliche Heilsikonografie, die schon von Anbeginn Teil seines künstlerischen Schaffens gewesen waren, prägten Hausers Œuvre dieser 3/5 Jahre nun vorrangig. In seinem neuen Atelier, welches er 1934 in Döbling bezieht, bot er von ihm gemalte Madonnenbilder, Weihnachtskrippen und Flügelaltäre zum Kauf an. Hauser pflegte eine enge Bekanntschaft mit Kardinal Theodor Innitzer, unter dem Ein- druck einer drohenden Machtübernahme durch die Nationalsozialisten übernahm er die Funktion des Treuhänders im Referat für bildende Kunst der Vaterländischen Front. „Anschluss“, Exil und Verfolgung Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden Schatz und Hauser aus po- litischen wie aus „rassischen“ Gründen verfolgt, da ihre Frauen aus jüdischen Familien stammen. Schatz floh über Brünn nach Prag ins Exil, Hauser wählte – getrennt von der Familie – die Schweiz als Aufenthaltsort. Trotz aller Einschränkungen und unter Umgehung des Berufsverbots betätigten sich beide im Exil künstlerisch. Schatz setzte auf harmlose kommerzielle Nischenprodukte und finanzierte sich durch Miniaturen in altmeisterlicher Manier sowie Künstlerbücher, vielfach mit erotischen Inhalten. Bemerkenswert unbeschwert erscheinen Bildserien zum Wiener Prater sowie zum „goldenen Prag“. Schatz und seine Frau wurden 1944 verhaftet und überlebten die Verschleppung in verschiedene Zwangsarbeitslager sowie letztlich ins Konzentrationslager nur knapp. Hauser verlegte seine kreative Betätigung vor allem ins Schriftstellerische, um nicht gegen das auferlegte Berufsverbot zu ver- stoßen, dennoch entstanden auch einzelne Zeichnungen und Aquarelle als Reaktion auf den Krieg. Nach 1945: Kunst am Bau Schatz kehrte unmittelbar nach dem Krieg im November 1945 nach Wien zurück, Hauser im Jahr 1947, unterstützt durch seinen Freund, den Schriftsteller Franz Theodor Csokor. Die Heimkehr kam in vielerlei Hinsicht einem neuerlichen Anfang gleich. Künst- lerisch wurde der Anschluss an die Nachkriegsmoderne gesucht und ein neuer Realis- mus erprobt. Die wirtschaftliche Lage war allerdings katastrophal, private Aufträge gab es so gut wie keine. Zum „Retter in der Not“ für Schatz wie für Hauser wurde der legen- däre kommunistische Kulturstadtrat Viktor Matejka, der die Künstler nicht nur dazu aufrief, sich aktiv am Wiederaufbau zu beteiligen, sondern diese auch mit öffentlichen Aufträgen versorgte und ihnen damit in vielen Fällen das existenzielle Überleben sich- erte. Ab den späten 1940er-Jahren kam es zu zahlreichen