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Das Innviertel und seine Ortsnamen Spuren der Landschafts- und Siedlungsgeschichte Michael Hohla

Sanft liegt es heute vor uns mit seinen Gegenreformatorisch der Ansatz, Land- Hügeln, Wäldern, Äckern und Wiesen. schaft sei ein Organismus, in dem Aber das Innviertel hat nicht immer so alle Teile füreinander zweckmäßig ausgesehen. Landschaft ist nirgends geordnet seien. Die Schönheit der auf der Welt eine Konstante. Ihr Er- Landschaft liege in deren Vollkom- scheinungsbild hängt von vielen Fak- menheit. toren ab, Veränderungen erfolgen lau- fend, zu erkennen sind diese jedoch meist nur mit Abstand. Orts- und Flur- Entstehungsgeschichte namen geben dabei wichtige Informa- Was führt zur Bildung einer Land- Das Innviertel: starke Landschaft, … aber tionen, um die Geschichte einer Land- schaft wie etwa jener des Innviertels? wo geht es hin? schaft lesen und nacherzählen zu kön- Grob könnte man diese Faktoren in nen. In diesem Beitrag versuche ich, unbelebte (abiotische) und belebte des Menschen hat schon lange globale den Leserinnen und Lesern ein Fens- (biotische) Faktoren trennen. Zu den Auswirkungen! ter zu öffnen für einen Blick zurück in unbelebten Ursachen gehören vor al- die Vergangenheit. lem die großen Prozesse der erdge- Spurensuche Der Begriff „Landschaft“ ist zutiefst schichtlichen Entwicklung, die Ver- Woher weiß man, wie unsere Land- subjektiv. Allein schon die Frage, ob schiebung der Kontinentalplatten, das schaft früher ausgesehen hat? Hier be- Landschaft dann schön sei, wenn sie Ausgangsgestein, Meteoriteneinschlä- darf es der Zusammenarbeit verschie- sich ordentlich (zusammengeräumt?) ge, Vulkanausbrüche, Feuer durch denster Disziplinen: Geologen und präsentiert oder in einem naturnahen Blitzschläge, klimatische Vorgänge Bodenwissenschafter stellen ihr Wis- (chaotisch wirkenden?) Zustand, wird wie etwa die Eiszeiten, die Höhenla- sen durch Erforschung der Gesteins- die Geister scheiden. Blumenwiese ge, Niederschläge, Stürme … Zu den und Bodenschichten zur Verfügung. contra Rasen, extensiv bewirtschafte- biotischen Faktoren zählen die Aus- Paläo- und Archäobotaniker und ihre ter Wald mit viel Totholz contra aufge- wirkungen von Tieren, Pflanzen, Pil- Kollegen auf der Seite der Zoologen räumten Wirtschaftswald, Unkraut zen, Bakterien. So konnten etwa die suchen gemeinsam mit Archäologen ums Haus contra fugenreines Pflaster großen Weidetiere der Nacheiszeit das nach im Boden schlummernden Fossi- … Vermutlich wirken hier auch noch Bild der Wälder maßgeblich verän- lien, Pflanzen- und Tierresten. Bei den archaische Ängste herein, wenn Natur dern, aber auch eindringende neue Ausgrabungen werden ehemalige nämlich dann als schön empfunden Baumarten oder auftretende Pflanzen- Siedlungen, Feuer- und Abfallstellen, wird, wenn keine Gefahr mehr von ihr krankheiten, wie etwa das aktuelle Gräber, Brunnenschächte, Bergstollen, ausgeht, also gebändigte, kultivierte Eschensterben. Ebenfalls zur Gruppe Höhlen, Torfschichten usw. nach Natur. Eine schöne Landschaft geht der biotischen Faktoren zählen auch Pflanzenresten wie Fasern, Samen, dann einher mit dem guten Gefühl der die massiven Eingriffe des Menschen: Früchten oder Holz untersucht. Durch Naturbeherrschung. Diese Denkweise das Ausrotten von Pflanzen und Tie- den in den organischen Fundstücken wird etwa bei so manchen Reflexen ren, die massiven Rodungen bzw. das enthaltenen Kohlenstoff oder das Vor- der Bevölkerung bei einwandernden Abbrennen von Wäldern, das Tro- handensein anderer datierbarer Fund- Wölfen, Luchsen oder Bären deutlich. ckenlegen von Mooren, die Anpflan- stücke ist es möglich, deren Alter zu Dabei ist jedes entgegenkommende zung von fremden Bäumen, Intensiv- bestimmen. Bei Holzfunden sind es Auto auf der Straße gefährlicher! Um landwirtschaft, Monokulturen, Nähr- auch die Abstände der Jahresringe, die Natur als ästhetisch schöne Landschaft stoff- und Schadstoffemissionen, hilfreich bei den Altersbestimmungen empfinden zu können, bedarf es nach wachsende Städte, Überbevölkerung, sind (Dendrochronologie). Durch Piechocki (2010) einer zweifachen Be- Müll, Eingriffe in die Erbsubstanz oder Bohrungen in Mooren erhält man freiung des Menschen: der Befreiung in den Hormonhaushalt u. a. Manch- überdies wertvolle Informationen in von den Fesseln der Natur und der mal sind abiotische und biotische Vor- Form von Pollen und Sporen, die Befreiung von den gesellschaftlichen gänge allerdings nicht mehr klar zu während der Jahrtausende aus der Fesseln der Unterdrückung. Im Sinne trennen. Die verschiedenen Faktoren Umgebung in die Moore geweht wur- der Aufklärung bedeutet Landschaft greifen sehr eng ineinander und ste- ein ästhetisches Konstrukt in Form ei- hen in komplizierter Wechselwirkung, ner subjektiv erfahrenen Ganzheit. eines ist jedoch sicher: Der Einfluss 171 ©Stadtamt Ried im Innkreis; download www.zobodat.at

den und durch den Luftabschluss in den Moorböden erhalten blieben. In den verschiedenen Schichten der Bohrkerne kann man den Anteil der jeweils umgebenden Bäume, Sträu- cher, Gräser usw. nach Epochen und deren Abfolge gut verfolgen (Palyno- logie). Darin sind zum Beispiel auch die ersten Getreidepollen und damit der Beginn der menschlichen Sied- lungstätigkeit gut zu erkennen. Moore sind somit ein wichtiges Archiv der Vegetationsgeschichte, ihre von Ge- Schärding um 1850, Ansichtskarte nach einer Lithographie von Beda Weinmann biet zu Gebiet mehr oder weniger un- terschiedlichen Daten reichen bis et- wa 10.000 Jahre zurück in die Vergan- genheit und enden am Grunde unse- 2009). Unter den weiteren Künstlern, 18. und dann vor allem im 19. Jahr- rer Moore, etwa am wasserstauenden denen wir Stiche und Lithographien hundert, erschienen zahlreiche natur- blauen Seeton im Gebiet des Ibmer mit Motiven aus dem Innviertel ver- wissenschaftliche Veröffentlichungen. Moores (Gams 1947, Krisai 1961, Kohl danken, sind Alexander Hochwimmer, Es wurde damals auch der Grundstein 2000). Franz Ferdinand Schrötter, Beda Wein- für viele große naturkundliche Samm- mann oder der in Ried im Innkreis lungen gelegt. Die Ursprünge etwa Urbare, Lithographien und aufgewachsene, später in Haag am des Herbariums des Biologiezentrums Herbare Hausruck ansässig gewesene Heinrich Linz (Landesmuseum) gehen auf die Claudi (Schoberleitner 2006) zu nen- Gründung des Oberösterreichischen Bis ins Mittelalter gab es so gut wie nen. Dabei bilden jedoch weniger die Musealvereins im Jahr 1833 zurück keine Aufzeichnungen von Wild- oder Landschaften das Hauptmotiv, als viel- (Speta 1983). In dieser Zeit entstanden Nutzpflanzen in Mitteleuropa. Erst mehr Burgen, Schlösser, Klöster oder auch zahlreiche Kartenwerke, etwa durch die Wirtschaftsbücher unserer Städte mit der jeweils umgebenden der „Franziszeische Kataster“ Klöster kommt heute etwas Licht ins Landschaft als Hintergrund. Im Zeital- (1817–1844), welcher das Gebiet des Dunkel. Durch sie weiß man, welche ter der Aufklärung, also im Lauf des Kaisertums Österreich detailgenau ab- Pflanzen in unserer Gegend im Mittel- bildete (www.doris.ooe.gv.at). alter kultiviert oder bezogen wurden. Ab Beginn der Neuzeit entstanden ge- häuft Landschaftsbilder. Zu den frühen Naturalismus Abbildungen von Innviertler Land- In der Romantik wurden Begriffe wie schaften zählen etwa die in der Re- Landschaft und Heimat thematisiert. naissancezeit angefertigten Wandma- So gelangte in der Epoche des Bieder- lereien von Hans Donauer dem Älte- meier die Landschaftsmalerei zu ihrer ren (um 1540–1596), die Kupferstiche Blüte. Zu deren wichtigsten Protago- von Georg Matthäus Vischer nisten zählten Künstler wie Ferdinand (1628–1696), einem österreichischen Georg Waldmüller, Jakob Alt, Friedrich Topographen und Geistlichen, die Gauermann und Adalbert Stifter. Im Kupferstiche von Michael Wening 20. Jahrhundert schufen Künstler wie (1645–1718), einem aus Nürnberg Franz Xaver Weidinger, Hugo von stammenden Künstler und die Land- Preen, Margret Bilger, Martin Stachl, schaftsansichten von Carl August Leb- Anton Filzmoser, Emmy Woitsch, Max schée (1800–1877, vgl. Buchinger Hirschenauer, Lothar Rudolf Meilinger Burg Krämpelstein um 1850, Ansichtskarte nach einer Lithographie von Beda Wein- u. a. Bilder von Innviertler Landschaf- 172 mann ten. Mit der Entwicklung der Fotogra- ©Stadtamt Ried im Innkreis; download www.zobodat.at

-formen (Hart, Wiesing, Schacher, Maierhof, Feldmühl, Hareth), Gelän- deeigenheiten (Leiten, Thal, Grub, Breitenau, Scheiben, Furkern, Schief- eck, Höhnhart), Herrschaftszugehörig- keiten (Besitznamen wie Ranshofen, Leben der Kelten eine große Rolle Schärding, , Pfaffing, Pal- (Schlinke 1987). Der wurde von ting), Gewässernamen (Pram, Antie- den Römern „Ainos“ oder „Aenus“ ge- senhofen, , Gurten), Kir- nannt, abgeleitet von den keltischen chen oder Kapellen (Zell, , Wörtern „en“ sowie „enios“, die frei Ibmer Moor, Ölgemälde, Anton Filzmoser Mauerkirchen, Kirchheim, Taufkir- 1897–1969, Museum Innviertler Volkskun- übersetzt „Wasser“ bedeuten (Reitzen- dehaus Ried im Innkreis chen), Heilige (St. Martin, St. Georgen, stein 2006). Der Name der Pram dürf- St. Florian, St. Roman, St. Willibald), te jedoch vom bairisch-mittelhoch- Rohstoffe (Pechdobl, Kohlbrenner, deutschen Wort Prame (für Dorn- fie kamen gegen Ende des 19. Jahr- Ziegelberg, Hollstraße und Haraberg, strauch) stammen und sich auf die hunderts Landschaftsaufnahmen in von Salz), Nutz- oder Wildtiere (Otter- dort häufigen Auen-Brombeergebü- Mode, allerdings nicht um der Land- bach, Wolfsedt, Rabenberg, Froschau, sche (Rubus caesius) beziehen (vgl. schaft selbst willen, sondern meist in Roßbach, Berndorf, Hirschlag, Scher- Grims 2008, Hohla 2014). Zu den äl- Form von Ansichtskarten, darunter haufen) usw. zurückgehen. testen Siedlungen im Innviertel gehö- auch mehr und mehr Flugaufnahmen. ren jene mit der Endung „ing“ wie et- Nicht selten bilden jedoch auch Pflan- Kaum jemand konnte und wollte da- wa Mining, Polling, , zen oder Lebensräume den Ausgangs- mals teures Fotomaterial für private Simling, , Franking, Munder- punkt von Ortsnamen. Dabei kann es Landschaftsaufnahmen verschwen- fing, , Kubing, Jeging, … der Bezug auf eine ehemals kultivierte den. Es war auch nicht abzusehen, Oft handelt es sich dabei um alte Be- Pflanze sein (Weinberg, Leinberg, welche Veränderungen unsere Land- sitznamen, so etwa bei Schärding („bei Hopfersbach, Baumgarten), aber auch schaft nur einige Jahrzehnte später er- den Leuten des Scardo“). Im nördli- der Hinweis auf die Zusammenset- fahren sollte. Heute stellen die alten chen Alpenvorland gibt es eine deutli- zung einstiger Wälder (Tannberg, Ortsansichten wichtige Dokumente che Konzentration solcher echten Buchberg, Eichberg, Lindetwald) oder unserer Landschaftsgeschichte dar. „ing“-Orte. Diese Namen gehen zu- die Existenz eines auffälligen alten rück auf die Zeit der „bajuwarischen Baumes (Heiligenbaum, Breitenaich, Mehr als nur Schall und Rauch Landnahme“ zwischen dem 7. und Königsaich, Großenaich, Maria Aich, Hilfreich bei der Frage nach dem frü- dem 9. Jahrhundert. Die ersten Nen- Kreuzlinden, Lindstock, Sachsen- heren Aussehen unserer Landschaft nungen von Ortschaften in Urkunden, buch). Dass relativ viele unserer Orts- kann das Studium von Orts- und Flur- Urbaren und Grundbüchern geben in namen auf Bäume zurückgehen, zeugt namen (Etymologie) sein. Bei der Ent- der Regel jedoch nicht den Zeitpunkt von ihrer großen kulturgeschichtli- stehung dieser Namen 1 gibt es viele der Gründung wieder, sondern deren chen Bedeutung. „Kein anderes Ge- Möglichkeiten. So können diese etwa zufällige Erwähnung in Schriftstücken. schöpf ist mit dem Geschick der auf alte Straßen (Langstrass, Straß), Meistens sind diese Namen noch um Menschheit so vielfältig, so eng ver- Grenzen und Zäune (Zaun, Gattern, einiges älter. knüpft wie der Baum“, heißt es in De- Hag, Hagenau, Wildhag, Hundsha- mandt (2014). Diesem Umstand werde gen), Bewirtschaftungsweisen und ich auch in diesem Beitrag gerecht, in- Ohne Moos und Ried! dem Bäume hierin den Schwerpunkt Manche Ortsnamen kehren immer bilden. Die Verehrung von Bäumen wieder, so etwa Moos oder Ried, wel- reicht weit in die Zeit unserer kelti- che auf moorige, sumpfige Gegenden schen Vorfahren zurück. Im Mittelalter verweisen. Ortschaften mit „Moos“ versuchte die Kirche diese alten vor- gibt es gehäuft im ehemals verglet- christlichen Bräuche entweder zu ver- schert gewesenen südwestlichen Inn- bieten oder zu ihrem Nutzen umzu- viertel, etwa , Hehermoos, deuten (Demandt 2014). Filzmoos, Maxlmoos, Vormoos, Moos- dorf, sie existieren aber auch in ande- Keltischen Ursprungs, also vorrö- ren Regionen des Innviertels: Moos- misch, sind manche Flussnamen, wie bach, Moosham, Moosedt, Langwied- etwa jener der Antiesen oder der Mat- Frühling, um 1930/35, Gouache, Emmy Woitsch, Museum Innviertler Volkskunde- tig, aber auch jene der Ortschaften haus Ried im Innkreis Oichten und Ibm. Die Natur spielte im 173 ©Stadtamt Ried im Innkreis; download www.zobodat.at

Hausrucks, wie sie Vierhapper noch che Orte. Schrattenbruck in Lohnsburg anführt sind Vergangenheit, die Ort- am Kobernaußerwald verdankt seinen schaft Moos in Eberschwang gibt es Namen dem Waldteufel, dem Wald- zwar noch immer, aber so gut wie oh- schratt. ne die typischen Pflanzen feuchter Le- moos, Schwarzmoos, Moosböck, bensräume. So berichtet Vierhapper Gelat und Leit’n Möslwimm, Ochsenmoos, … Im Fall etwa über die Wollgräser (Eriophorum Sumpfige Wälder, Bachufer und Bach - von Moos bei St. Peter am Hart gab es latifolium): „Bei Ried, … bei Tumelts- auen sind die Heimat der Schwarz-Er- noch vor wenigen Jahrzehnten eine ham, Aurolzmünster, … massenhaft le (Alnus glutinosa). Diese Baumart wunderbare Moorlandschaft, die je- auf den Wiesen am Hausruck bei Ma- 2 wird schon lange als Brennholz ge- doch leider inzwischen zerstört wurde rienkirchen, Eberschwang u. s. w.“. nutzt und in Form von Niederholzwäl- (R. Krisai u. F. Grims, mdl.). Ein Kurio- Heute sind die Wollgrasvorkommen in dern bewirtschaftet, das heißt, dass sum stellt das Gemeindewappen von und um Ried zerstört und am Haus- die Stämme alle 10 bis 20 Jahre abge- Moosbach dar: Stolz prangt darauf ei- ruck bis auf einen kleinen Rest in Bru- nau/Geboltskirchen verschwunden. schnitten werden und das Holz von ne goldene Trollblume mit goldenem selber durch Stockausschlag wieder Stiel und zwei goldenen Blättern. Johanna Samhaber (mdl.) kann sich an kein Wollgras mehr in ihrer Hei- nachwächst. In sehr nassen Wäldern Doch in den dortigen feuchten Wie- bildet sich der sogenannte Erlen- sen entlang des Moosbaches wurde matgemeinde St. Marienkirchen am Hausruck erinnern. Bruchwald. Streuwiesen, die nicht diese Art als Wildpflanze schon vor mehr gemäht werden, gehen im Lauf Jahrzehnten ausgerottet. Die Sumpf- der Zeit auch in Bruchwälder über. Teufel und Waldschratt landschaft, die der Stadt Ried im Inn- Gelegentlich kommt die Erle in den kreis ihren Namen gab, existiert schon Moore und sumpfige Wälder waren Ortsnamen des Innviertels vor: Erledt, lange nicht mehr. Noch von Vierhap- lange Zeit unheimliche, sagenumwo- Erlet, Erlach, Hohenerlach und Orlin- per (1885–1889) werden zahlreiche bene Orte, die mystische Welt der Irr- ger. Kleine Laubholzwäldchen werden Sumpf- und Feuchtwiesenpflanzen lichter und Moorleichen, die nur wi- aus der unmittelbaren Umgebung von derwillig betreten wurde. Der Name Ried im Innkreis angegeben Teuflau, ein ehemaliges Moorgebiet (Eschlried, Renetsham, Fritzging, Go- bei , spricht eine deutliche netsreith, Stöcklgras). Heute gibt es Sprache. Furchteinflößend dürften un- dort nur mehr spärliche Reste davon, sere Vorfahren auch schroffe Felsen zum Beispiel, wenn ein Drainagerohr oder dunkle Bachschluchten empfun- verstopft oder gebrochen ist. Ähnlich den haben, etwa der Teufelsstein und ist die Situation in , - der Teufelsbach bei . Ein ried (Pattigham), Altenried (Aurolz- Teufeltal gibt es auch am Westrand münster), Breitenried (Taiskirchen), des Kobernaußerwaldes bei Munder- Hansried (Feldkirchen b. M.), Ried fing. Schwarzgröben, Schwarzgrub (Aspach) und Ried (St. Roman). Auch und Schwarzmoos waren vermutlich Moorbirken-Ensemble im die vielen Feuchtwiesen am Rand des ebenfalls ziemlich dunkle, ungemütli- „Pfeiferanger“ im Ibmer Moor

Hügellandschaft bei Weilbach, Blick von der „Wolfau“ Richtung Blick auf den Hausruckwald bei Fleischhacken/Eberschwang ©Stadtamt Ried im Innkreis; download www.zobodat.at

Erlenbruchwald im Enknachmoos bei Auerbach Vom Eis geformte weitläufige Landschaft des Ibmer Moores mit Wollgräsern von der Bevölkerung in der Mundart Bevölkerung geläufig ist, oder als „Ge- (Arnica montana), Karthäuser-Nelke als „Gelat“ bezeichnet, abgeleitet vom gend mit dünnem Graswuchs“ (ähn- (Dianthus carthusianorum) oder das Wort „Geerlet“. Entlang der Bäche und lich Mundart „Schmöjan“) zu verste- Zittergras (Briza media). „Schuaster- kleineren Flüsse ist die Schwarz-Erle hen ist, wie Bertol-Raffin & Wiesinger nagerl“, „Anika“, „Stoanagerl“, „Fie- auch gerne mit der Esche (Fraxinus (1989) berichten, wird vermutlich berl“ & Co haben so gut wie keine excelsior) vergesellschaftet, die in den nicht mehr mit Sicherheit feststellbar Chance mehr bei uns! Hier liegt auch Hangwäldern („Leiten“) wiederum sein. das Dilemma des Naturschutzes: Die häufig in Begleitung von Berg-Ahorn, Zeit der mageren Landschaft ist in un- Vogel-Kirsche und Berg-Ulmen Unsere Ortsnamen geben auch viele serem Land vorüber, damit aber auch wächst. Die Esche ist vor allem durch Hinweise auf frühere Gebüsche, die Zeit von Hunger und Entbehrun- ihr hartes Holz bekannt, sie stiftete ih- Dornsträucher, Wildrosen in unserem gen! ren Namen den Orten Aschenberg, Gebiet: Loy (von Gebüsch, Busch- wald, Niederwald), Hundsbaumedt Aspach, Eschlried, Aschbach und Wald und Weide Aschau. (von Dornstrauch, Dorngestrüpp), (von Dornstrauch, bair.-mhd. Vor allem die Wälder wurden im aus- Prame), Spraid (von Strauch, Busch), gehenden Mittelalter und in der frü- Haid und Öde Rosenleiten (von wilde Rose, Hecken- hen Neuzeit sehr stark genutzt. Man Verbreitet sind im Innviertel Orte mit rose), Bauschenberg, Buchsberg (von trieb etwa die Schweine zur Eichel- den Endungen „edt“, „öd“ seltener Busch, Gesträuch), Rosenleiten, Zei- mast hinein, Ziegen und andere Wei- „heid/haid“. Zu dieser Kategorie gehö- lach … Mit Sicherheit sind gebüschrei- detiere verbissen die jungen Gehölze ren etwa Ortsnamen wie Hackledt, che Waldränder, Hecken und lückige und durch Laubstreurechen, das He- Schützenedt, Schickedt, Voredt, Reiser - Vorhölzer heute aufgrund zahlreicher runterschlagen von jungen Zweigen edt, Steinberg, Vogelhaid, Altenhaid. „Flurbereinigungen“ bedeutend weni- und Blättern (Schneiteln) und durch Solche Namen sind Hinweise auf ehe- ger anzutreffen, als es in unserer ehe- die besonders starke Holzentnahme mals besonders arme, karge, oft steini- maligen Weidelandschaft der Fall war. aufgrund der wachsenden Bevölke- ge Orte, auf denen nur wenig gedieh. Gerade im Schutz solcher Dorn- rung und der zunehmenden Industria- Auch der Ortsname „Kranawitten“ strauchgebüsche konnten sich früher lisierung waren die Wälder bis zum oder „Kronawitten“ weist auf eine kar- junge Eichen geschützt vor den hung- ge Landschaft hin, in der Tiere weide- rigen Mäulern von Weide- oder Wild- ten. Diese ließen stachelige, dornige, tieren zu mächtigen Bäumen entwi- giftige oder besonders zähe Pflanzen, ckeln. Nun sind auch diese einst kar- wie den Wacholder stehen. Derartige gen Orte üppig grün und landwirt- Weiderelikte, wie der Wacholder (Ju- schaftlich voll produktiv, ein Resultat niperus communis), die Silber-Distel unserer allgegenwärtigen Nährstoffe (Cirsium acaule), der Bürstling (Nar- in Form von Kunstdünger, Gülle und dus stricta) oder die verschiedenen dem Eintrag über die Luft (Strauch Ginsterarten, sind heute großteils ver- 2011, Schröck 2014). Gerade Pflanzen schwunden oder auf die wenigen ma- von mageren Wuchsorten sind heute geren Waldränder beschränkt. Ob Ma- am stärksten vom Verschwinden ge- Abb. 1: Mauerkirchen, Bleistiftzeichnung mit Pinsel laviert, 1868, von Carl August ria Schmolln vom „schmalen Berg“ ab- fährdet, man denke etwa an den Früh- Lebschée nach einer Vorlage von Hans Do- zuleiten ist, wie es unter der dortigen lings-Enzian (Gentiana verna), Arnika nauer d. Ä. aus 1590 ©Stadtamt Ried im Innkreis; download www.zobodat.at

Abb. 3: Gletschertor des Goldbergkees süd- Abb. 4: Tundrenlandschaft auf Spitzbergen östlich des Hohen Sonnblicks in den Ho- hen Tauern

noch mit einigen alten Stämmen von men von Birken und Kiefern aus den Buchen und Fichten vermischet aber einst eisfreien Gegenden Europas ein- Abb. 2: um 1674, Kupfer- auch von denen besten Stämmen be- getragen, die ersten Kiefernwälder stich, Georg Matthäus Vischer raubt und ruinirt.“ 3 entstanden. In den lichten Kiefernwäl- dern konnte sich später die Hasel ra- Ziehen der Notbremse in Form der Kalt und ungemütlich sant verbreiten und vor etwa 9.000 Maria-Theresianischen-Waldordnung Jahren sogar dominante Wälder bil- 1767 in einem besonders schlechten Machen wir einen Sprung weit zurück den. Es ist anzunehmen, dass die Zustand (Sandgruber 2005). Die ver- in unsere Vergangenheit: Am Ende der energiereichen Früchte die Speisezet- heerende Situation der damaligen letzten Eiszeit war der südwestlichste tel unserer Vorfahren der Mittleren Wälder ist gerade auf den alten An- Teil des heutigen Innviertels von Aus- Steinzeit bereicherten (Küster 1998). sichten von Wening, Vischer und Leb- läufern des „Salzachgletschers“ be- Ob der Mensch die damalige massive schée (Abbildungen 1 und 2) gut zu deckt. Die Eismassen reichten aus den Zunahme der Haselnuss sogar förder- erkennen. Viele der heute dicht be- Alpen bis etwa zur gedachten Linie te, ist möglich, aber nicht bewiesen. waldeten Hügel sind auf diesen Bil- zwischen Hochburg-Ach und Feldkir- dern beinahe kahl, die Wälder abge- chen bei Mattighofen (Kohl 2000). In In der folgenden Mittleren Wärmezeit holzt. Vor allem angesichts des dro- der Nähe des Eises herrschte ein be- (Atlantikum) vor ca. 10.000 bis 6.000 henden Besitzerwechsels wurde im sonders kaltes Klima. Die nicht vereis- Jahren verdrängten Eichen, Ulmen Innviertel noch ordentlich geplündert. te Fläche war eine weite, baumlose und Linden die bisherigen Baumarten. Unmittelbar nachdem das Innviertel Kältesteppe (Abbildungen 3 und 4). Hinweise auf das Vorhandensein 1779 zu Österreich gekommen war, Vor ca. 17.000 Jahren begann das Eis- warmgetönter Lindenwälder im Mittel- schickte Kaiser Joseph II. Oberst von stromnetz im Alpenvorland durch das alter geben unsere Ortsnamen Lim- Seeger aus, um das neu hinzugekom- sich erwärmende Klima zu zerfallen. bach, Lindach, Linden, Lind, Lindl, mene Gebiet zu untersuchen. In sei- Gigantische Schmelzwassermassen Linpoint, Lindlau, Lindenedt, Linn, nem „Generalstabsbericht“ heißt es et- bahnten sich ihre Wege durch die Linneck, Lindetwald, Lindenberg, wa über das Gebiet des heutigen Weil- Landschaft und hinterließen Flusstäler Himmellindach … Die Verbreitung hartforstes: „Dieser ansehnliche Kays: und frischen Schotter. Bunte Blumen- dieser Orte deckt sich interessanter- Königl: Forst von Buchen, Fichten und wiesen mit Gräsern, Beifußarten, Son- weise großteils auch mit den wärme- Tannen Holz ist dermaßen, und im nenröschen, Moosfarn u. a. breiteten heurigen Früh Jahr noch vor der Über- sich im Alpenvorland aus und für gaabe also mitgenommen worden, pflanzenfressende Tiere wie Rentier, daß ihme gleich siehet, als wann man Elch, Mammut und Wollhaarnashorn den garaus zu machen gedroht hätte. gab es reichlich Nahrung (Küster Man findet der Menge ausgehauene 1998, Kohl 2000). Erst allmählich vor Flecke, und in denen meisten Refieren 15.000 bis 13.000 Jahren ging die Käl- wenig Brenn- aber noch seltsamer testeppe in eine Strauchlandschaft mit Sanddorn (Hippophae rhamnoides), Bau-Holz, nur gegen Rothenbuch, wo Wacholder (Juniperus communis), diese Waldung noch etwas mehr ge- Kriech-Weide (Salix repens), Zwerg- schonet worden, ist das junge Holz Birke (Betula nana – Abbildung 5) Abb. 5: Die Zwerg-Birke wuchs nach dem Rückzug des Eises auch im Ibmer-Moor-Ge- und Latsche (Pinus mugo) über. Au- biet, heute in Oberösterreich jedoch ausge- 176 ßerdem wurden durch die Winde Sa- storben ©Stadtamt Ried im Innkreis; download www.zobodat.at

eindimensional vorstellen, also dass Baumart nach Baumart „brav“ ins Ge- biet einwanderte und blieb, sondern dass es sich um verschiedene, regio- nal und zonal unterschiedlich ablau- fende Prozesse handelte. Außerdem ist anzumerken, dass sich die Zusam- mensetzung unserer Wälder über die Jahrtausende hinweg sukzessive ver- änderte, ausgelöst durch die ständige Abfolge von Warm- und Kaltperioden, aber auch durch die immer stärker werdenden Eingriffe des Menschen. Abb. 6: Urwüchsige Kiefern – Relikte in den Felsen der Schlögener Schlinge

Alt und noch älter begünstigten Gebieten des mittelalter- lung. Buchen und Tannen wanderten lichen Weinbaus im heutigen Innvier- vor ca. 6.000 bis 7.000 Jahren von Faszinierend, wenn man sich vorstellt, tel (Pockberger 1967). Die Kiefern Südosteuropa kommend in die Ei- dass unsere Vorfahren, die steinzeitli- wurden im Atlantikum auf Sand- oder chenwälder ein (Poschlod 2015). In chen Jäger und Sammler, noch durch Felsstandorte und Moore abgedrängt der Eisenzeit vor etwa 3.000 Jahren eine Landschaft ohne Bäume streiften (Abbildung 6). Ahorne und Eschen verdrängte schließlich die Buche (Fa- (Abbildung 4) und dass die wärmelie- bereicherten die Eichenmischwälder. gus sylvatica – Abbildungen 7 u. 8), benden Gehölze wie Eiche, Buche, Auwälder mit Weiden und Pappeln auch Rot-Buche genannt, die Eiche Ulme, Hainbuche usw. erst nach und entstanden entlang der Flüsse, Erlen- auf den meisten Standorten. Die Ei- nach ins Gebiet einwanderten und wälder bildeten sich an sumpfigen Or- chen wurden von der Buche förmlich sich die ersten Siedler vor ca. 7.000 ten und Fichten besiedelten höher lie- „ausgedunkelt“. Seither ist die Buche Jahren hier, etwa im Inntal, niederlie- gende Regionen. Die Fichte dürfte die unter natürlichen Bedingungen ßen (Mahler 2014). Bäume werden oft sich vom Südostrand der Alpen Rich- dominierende Baumart des nördlichen Hunderte von Jahren alt. Bei der Linde tung Westen ausgebreitet haben. Nicht Alpenvorlandes. Erst in dieser Zeit sagt man: „300 Jahre im Werden, 300 nur der Wind, sondern auch zahlrei- weitete auch die Hainbuche, aus Süd- Jahre im Stehen und 300 Jahre im Ver- che Vögel, wie Eichelhäher und Klei- osteuropa kommend, ihr Verbrei- gehen.“ Obwohl etliche der „1.000- ber, sowie auch Eichhörnchen sorgten tungsgebiet in Richtung Mitteleuropa jährigen“ Linden oder Eichen dieses bereits damals für die Ausbreitung der aus (Küster 1999, Krisai 1974). Die Be- Alter in Wirklichkeit nicht erreicht ha- Wälder. In der späteren Wärmezeit siedelungsgeschichte unserer Wälder ben oder hatten, gibt es doch einige kam es zu einer neuerlichen Abküh- darf man sich jedoch nicht simpel und Bäume, die tatsächlich über tausend

Abb. 7: Leuchtende Buchenwälder im Herbst – Rothenbuch bei Abb. 8: Prachtvolle alte Buche an einer Leite nahe Pramet ©Stadtamt Ried im Innkreis; download www.zobodat.at

rath, Pyret, Bierberg, Bierged, Piret, Piereth, Pühret, Birieck, Pyrawang und Hochpireth deuten auf das ver- breitete Vorkommen dieser Baumart im Mittelalter hin. Dies ist angesichts der zahlreichen Rodungsflächen die- ser Epoche gut vorstellbar. Vom Wind verwehte Birkensamen landen auch heute noch rasch auf den Schlagflä- chen in unseren Wäldern (Hohla 2007). Durch ihre geringe Lebensdau- er und die rasch nachlassende Wüch- sigkeit wird die Birke mit fortschrei- tendem Alter von den anderen Baum- arten schließlich überwachsen.

Geschichte unserer Fichte Eine der spannenden Fragen unserer Abb. 9: Altehrwürdig: Die 1000-jährige Linde in Andiesen/St. Marienkirchen bei Schärding Vegetationsgeschichte ist jene, ob und wie häufig die Fichte (Picea abies) im Alpenvorland vorkam, bevor Jahre alt sind oder es waren (Abbil- wurden im Lauf der Zeit immer der Mensch eingriff. Die natürlichen dung 9). Eiben können sogar mehr als schlechtere Böden unter Kultur ge- Schwerpunktvorkommen liegen heute 2.000 Jahre alt werden. Die Eibe war nommen und auch die Randbereiche eindeutig in den montanen bis subal- jedoch im Mittelalter zum Bau von des Sauwaldes, des Hausrucks und pinen Wäldern der Alpen und der hö- Waffen (Pfeilbögen und Armbruste) Kobernaußerwaldes besiedelt. In die- heren Mittelgebirge. Es ist jedoch an- heiß begehrt und wurde daher hierzu- ser Zeit entstand die Kulturlandschaft zunehmen, dass kleinere, zerstreute lande als Waldbaum nahezu völlig in jener Form, wie wir sie bis heute Vorkommen der Fichte – vielleicht als ausgerottet (Scheeder 1994). Mit Ein- kennen. Nie mehr seither war die Relikte aus einer kälteren Periode – in burg und Einbach gibt es im Innviertel Waldfläche so gering wie in der ersten Moorgebieten und in höheren Lagen sogar noch Ortsnamen, welche auf die Hälfte des 14. Jahrhunderts. Fast alle des Innviertels existierten. Keinesfalls Eibe zurückgehen. Vergleicht man die Orte und Ortschaften des Landes wa- jedoch handelte es sich dabei um bescheidene Lebensspanne der Men- ren zu dieser Zeit bereits vorhanden großflächige Fichtenwälder. Krisai schen mit jener der Bäume, ergibt sich (Sandgruber 2009). Wälder beließ (1974) nennt für die Zeit vor etwa mit Blick auf unsere heutigen Wälder man vor allem dort, wo es zu steil, zu 5.000 Jahren für das südwestliche Inn- eine bemerkenswerte Erkenntnis: nass oder die Böden zu schlecht für viertel folgende Zahlen: 40–60 % Bu- Nimmt man die durchschnittliche na- die Landwirtschaft waren. Viele unse- che, 10 % Tanne und 20–30 % Fichte. türliche Lebensdauer zum Beispiel der rer heutigen Orts- und Flurnamen, ge- Durch die Nachfrage nach geraden Eiche von 700 bis 800 Jahren (Laudert hen auf diese Zeit zurück: Schwand, Stämmen wurde diese Baumart in der 1998) als Maßstab, so ergeben sich le- Gschwendt, Reith, Asang, Seng, Seng- Neuzeit gefördert und gezielt ge- diglich etwa zehn Lebenszyklen seit thal, Hofseng, Steinrödt, Brandt, Kreit, pflanzt. Pollen der Fichte konnten in deren Einwanderung nach der letzten Reiting, Raad, Röth, Röd, Rödham, den Bohrproben im Ibmer Moor Eiszeit. Allerdings werden unseren Roiding, Brenning, Schlag, Hacken- (Gams 1947) und im Filzmoos bei Wäldern heute nur mehr relativ kurze buch, Ameisler, Ameisberg („Ameiz“, „Umtriebszeiten“ gegönnt. Rodung), Spieglern (Wald auslichten), Neisting (bei den Leuten, die in einer Landnahme frisch gerodeten Gegend wohnen). Auch so manche Familien- oder Haus- Die großen Rodungen setzten bei uns namen stammen aus dieser Zeit, wie erst gegen Ende des ersten Jahrtau- z. B. Schwendinger, Schacherreiter, sends ein und zogen sich bis zur Mitte Reiter, Roitner, Roider, Roitinger, Röd- des 14. Jahrhunderts hin. Ausgehend hamer, Gschwandtner, Gschwendtner, von den Gunstlagen an den Flüssen … Zu den typischen Pioniergehölzen auf Waldschlägen gehören die Birken Abb. 10: Abgestorbene Fichte („Käferholz“) 178 (Betula pendula). Orte wie Pirat, Pi- in St. Marienkirchen bei Schärding ©Stadtamt Ried im Innkreis; download www.zobodat.at

Tarsdorf (Krisai 1961) gefunden wer- den, außerdem existieren Ortsnamen, die auf das ursprüngliche Vorhanden- sein der Fichte hinweisen, etwa Feicht, Feichtet, Feichta, Vicht, Vich- tenstein oder Hochfeichten. Warum in dem gibt es so gut wie keinen Total- unseren Mooren auch heute noch Re- schaden, der aus ökologischer Sicht ja likte aus der Kältezeit wachsen, wie lediglich eine Korrekturmaßnahme etwa die Latsche (Pinus mugo), auch der Natur gegenüber einem unnatürli- Leg-Föhre genannt, oder die äußerst Immer seltener werdend – knorrige Kopf- chen Zustand darstellt. Diese Schäden seltene Strickwurzel-Segge (Carex weiden an unseren Bächen in Fichtenforsten bedeuten deswegen chordorrhiza) und die nicht minder auch keine Nachteile für andere Pflan- seltene Strauch-Birke (Betula humi- stellen (Matulla 2009), könnte der zen, Pilze und Tiere, die Verluste sind lis), begründet Gams (1947) folgen- Spruch Realität werden: „Willst du ei- finanzieller Natur. In gut strukturierten dermaßen: „… wogegen auf den gro- nen Wald vernichten, dann pflanze Mischwäldern mit Bäumen verschie- ßen Moorflächen viel länger Kaltluft- nichts als lauter Fichten!“ Ein Anstieg denster Altersklassen und mosaikarti- massen lagern und daher die Winter- der Temperatur im Mittel von etwa gen Auflichtungen gibt es übrigens und Frühlingstemperaturen und auch 2–3 Grad würde das Bild unserer Wäl- wegen des besseren Nahrungsange- im Sommer die nächtlichen Minima der im Alpenvorland komplett verän- bots auch so gut wie keine Wildschä- erheblich tiefer liegen, was zur Folge dern! Waldbauern, die heute noch jun- den (Hofmann & Cornelius 1999). hat, daß an den Moorrändern außer- ge Fichten in den wärmeren Regionen halb der Seen und auch auf den nied- des Alpenvorlandes anpflanzen, sind Wie schnell sich in unseren Wäldern rigen Hügeln im Moor nahezu bu- meiner Ansicht nach Spekulanten. Ob etwas ändern kann, zeigt das Beispiel 4 chenfreier Fichtenwald herrscht“. ihre Enkel oder Urenkel einmal davon der Ulmen. In den letzten Jahrzehnten profitieren können oder ob sie vor ab- sind so gut wie alle alten Berg-Ulmen Willst du einen Wald vernichten … gestorbenen Wäldern stehen werden, („Rüster“, Ulmus glabra) bei uns durch Heute ist die Fichte der allgegenwärti- ist mehr als ungewiss. Wälder sind vor eine vom Ulmen-Splintkäfer übertra- ge „Brotbaum“ der österreichischen allem dann anfällig für Krankheiten gene Pilzerkrankung abgestorben. Waldwirtschaft. Gerade die Fichten- oder Schädlinge, wenn es sich um Heute gibt es wieder viele reichlich monokulturen sind jedoch mit zuneh- Monokulturen handelt. Stirbt in gut blühende und fruchtende Jungbäume. menden Problemen konfrontiert: strukturierten Mischwäldern eine Diese Welle dürfte nun überstanden Windwurf, Borkenkäfer, Schneebruch, Baumart ab, können die umstehenden … (Abbildung 10). Sollte sich die Kli- Bäume den Platz besser nutzen und maerwärmung wie prognostiziert ein- eine Kompensierung tritt ein. Außer-

Abb. 12: Tausendjährige Eiche bei Obern- berg am Inn, ca. 1900

Abb. 11: Esche am Holzöstersee mit beginnendem Eschentriebsterben 179 ©Stadtamt Ried im Innkreis; download www.zobodat.at

Waldboden und fördern den krautigen re (Pinus sylvestris), etwa in Gferat, Unterwuchs im Wald. Durch ihre tie- Fartham oder Gferetleiten, dürften auf fen Wurzeln holen sie wichtige Basen Bestände zurückgehen, die einst zur aus dem Untergrund. Dies ist heute Harzgewinnung („Pech“) oder zur Ver- wichtiger denn je wegen der enormen wendung als Bauholz kultiviert wor- sein. Nicht so bei den Eschen (Fraxi- Versauerung der Waldböden durch den sind. Nach Sandgruber (2005) nus excelsior – Abbildung 11). Hier den massenhaften Anbau der Fichte. nahm die Föhre im Jahr 1000 lediglich vertrocknen seit einigen Jahren viele Die Tanne schien in den 1970er- und 4 % der österreichischen Waldfläche Bäume oder sie sind durch das Abster- 1980er-Jahren keine Zukunft mehr zu ein, während sie im Jahr 1990 bedingt ben ganzer Äste stark geschwächt. haben. Viele Tannen starben damals – durch Anpflanzungen 18 % ausmach- Verursacher ist die vermutlich aus vermutlich bedingt durch den sauren te. Forste mit höherem Föhrenanteil Asien stammende Pilzart „Falsches Regen – ab, und es gab kaum Jung- findet man im Innviertel heute in Weißes Stengelbecherchen“ (Hyme- wuchs (Grims 2008). Heute finden wir schottrigen, flachgründigen Gegen- noscyphus pseudalbidus). Seit Anfang wieder viele Jungbäume in unseren den, wie etwa im Weilhartforst oder der 1990er-Jahre ist bereits ein be- Wäldern, als Zeichen der aufkeimen- im Kobernaußerwald. trächtlicher Teil unseres Eschenbe- den Hoffnung … Die Hainbuche (Carpinus betulus – standes betroffen bzw. dieser Erkran- Abbildung 13) war – ähnlich der Erle kung zum Opfer gefallen (Citron & al. Hoa(n)buachane und andere und Esche – ein beliebter Baum für 2014). Gewisse Baumarten scheinen in unse- die Niederholzbewirtschaftung. Es ist ren Ortsnamen nicht oder nur kaum möglich, dass sich einige der „Buch“- Oachn und Dennan auf. So vermisst man bei den Innviert- Namen auf die Hainbuche, auch Etliche unserer Ortsnamen gehen auf ler Namen etwa die Hainbuche, die Weiß-Buche genannt, beziehen und die Eiche (Quercus robur – Abbildung Berg-Ulme, den Berg-Ahorn, die Vo- nicht auf die Buche. Durch diese Be- 12) zurück. Dies rührt zum einen aus gel-Kirsche, die Grau-Erle, die wirtschaftungsform wurde die Hain- der Tatsache, dass Eichenmischwälder Schwarz-Pappel, die Zitter-Pappel, buche in der Vergangenheit in den in der warmen Phase des Mittelalters vereinzelt enthalten sind die Trauben- kleinen Bauernwäldern entsprechend verbreitet waren und andererseits aus kirsche (Elexlochen), die Walnuss gefördert, während andere Baumarten der Verehrung dieses Baumes, der (Nussbaum) und die Birne (Eisenbirn, wie etwa die Buche dieses regelmäßi- schon von den Kelten als göttlicher harte, holzige Birne), relativ selten ge Zurückschneiden („auf den Stock Baum angesehen wurde. Im Mittelal- auch die Weiden (Sallaberg, Salling, setzen“) nicht vertragen und die Bu- ter hieß es: „Auf den Eichen wachsen Weiredt, Weiteder, Felm). Einige weni- che deshalb heute an diesen Orten die besten Schinken!“ Das Fleisch von ge Erwähnungen der Kiefer bzw. Föh- nicht mehr wächst. Gerade an den Schweinen, die zur Eichelmast in die Terrassenböschungen in den Tälern Wälder getrieben wurden, schmeckte des Inn und am Unterlauf seiner Ne- besser als jenes der Schweine aus der benflüsse finden wir noch bemerkens- Buchenmast (Laudert 1998). werte, jedoch stets kleinflächige Ei- chen-Hainbuchen-Wälder, typische Ortsnamen mit „Tann-“, „Thann-“, Bauernwälder. Besonders zähe, un- aber auch „Dann-“ und „Dam-“ bezie- beugsame Menschen werden im Inn- hen sich auf die Tanne (Tannberg, viertel noch heute als „Hoabuachane“ Dann, Danner, Thann, Damberg, bezeichnet. Dambach). Tannen waren im Mittelal- ter wesentlich zahlreicher als heute. Sie waren einst die häufigsten Nadel- bäume Mitteleuropas. Nach Sandgru- ber (2005) machten Tannen um das Jahr 1000 noch etwa 28 % der Waldflä- che Österreichs aus, während sie 1990 nur mehr 5 % bildeten. Heute kommt die Tanne eingemischt in den sub- montanen Buchenwäldern oder in Fichten-Tannen-Buchenwäldern vor. Tannen sind sehr wichtig für den

Abb. 13: Eindrucksvoll gewundene Hainbu- Mostbirnbäume prägen noch immer das 180 chen in den Kellergröppen in Raab Bild der Innviertler Landschaft. ©Stadtamt Ried im Innkreis; download www.zobodat.at

Auf Baumnamen beruhende Ortsnamen im Innviertel ©Stadtamt Ried im Innkreis; download www.zobodat.at

Quo vadis – Innviertel? Angesichts der vielen Eingriffe ins Na- tur- und Landschaftsbild durch Bewirt- schaftung oder Besiedelung ist es mir ein Herzenswunsch, noch folgende Gedanken anzuschließen: Landschaft gehört nicht einzelnen einflussreichen Personen oder Gruppierungen, son- dern uns allen! Und es gilt in Anleh- nung an Tarek Leitner (2012) auch für unsere Landschaft: Stopp der Ver- schandelung und etwas mehr Mut zur Ehemalige Schliergrube („Mödl gruabm“, Mergelgrube) nahe Geiersberg natürlichen Schönheit und Wildheit!

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