© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V. http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de ISSN 0941-0627

BERICHTE DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT DER OBERLAUSITZ

Band 18

Berichte der Naturforschenden Gesellschaft der Oberlausitz 18: 43–48 (Görlitz 2010)

ISSN 0941-0627 Manuskriptannahme am 9. 9. 2010 Erschienen am 9. 10. 2010

Vortrag zur 20. Jahrestagung der Naturforschenden Gesellschaft der Oberlausitz am 20. März 2010 in Šluknov/CZ (erweiterte Fassung)

Offenlandrelikte im Oberlausitzer Bergland und im angrenzenden Nordböhmen

Von WERNER H E M P E L

Mit 2 Abbildungen

Zusammenfassung Ausgehend von der Analyse und Definition der zugehörigen Florenelemente befasst sich der Autor mit den Kaltzeitrelikten der Felsstandorte des Oberlausitzer Berglandes. Zu ihnen rechnet der Autor die in der pflanzengeographischen Literatur aufgeführten „altaiisch-alpinen Arten“; ihre Wertung in der Literatur wird diskutiert. Die Pflanzen sind vor allem im nord-böhmischen Oberlausitzer Bergland auf Basalt- und Phonolithbergen vorhanden; sie fehlen bis auf wenige Ausnahmen auf sächsischer Seite.

Abstract Relicts of prehistoric open landscape in the Lusatian mountains and adjacent Northern The author analysed and defined glacial relicts on rocky habitats in the Lusatian mountains. According to the author, these relicts also comprise Altaic-alpine species, but their significance has been discussed in the literature. The glacial relicts are mainly distributed in north Bohemian part of the Lusatian mountains on basalt and phonolite rocks, but are nearly absent from the Saxonian part. Keywords: Glacial period, glacial relict, rocky habitats, altaic-alpine species.

1 Problemstellung Zu den pflanzengeographisch interessantesten Arten der mitteleuropäischen Flora gehören die Pflanzen, die als Offenlandelemente Bestandteile der späteiszeit- und vorwärmezeitlichen unbewaldeten Fels- und Schotterfluren waren und die heute zu den großen Seltenheiten mit nur wenigen Vorkommen und disjunkter Verbreitung in Mitteleuropa zählen. Ihre Fundorte liegen fast ausnahmslos in/an Felsrevieren der Mittelgebirge (z. B. Iser-, Riesengebirge, Thüringer Schiefergebirge, , Oberlausitzer Bergland, Böhmisches Mittelgebirge) und der mittleren Höhenlagen der Alpen. Diese Standorte sind im Verlaufe der nacheiszeitlichen Wiederbewal- dung Mitteleuropas lichtoffen geblieben und haben damit den Charakter von Primärstandorten bewahrt. Die folgenden Ausführungen sollen in erster Linie an diese, z. T. vergessenen Kostbarkeiten der Oberlausitz und Nordböhmens erinnern. Zur pflanzengeographischen Charak-

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terisierung sind jedoch Bezüge zu anderen Landschaften Mitteleuropas notwendig. Ihre interessante Verbreitung und Ökologie war in der Vergangenheit Anlass für viele Publikationen, z. B. DRUDE 1901, SCHULZ 1906, MEUSEL 1939, 1943. Die Flora des eisfreien Offenlandes der Trockenstandorte während und nach den Glazial- perioden war offensichtlich viel artenreicher, als gemeinhin angenommen wird (WALTER 1970 und die dort angeführte Literatur, HEMPEL 2009). Durch Offenland- oder Gebüschformationen sind über alle Eiszeiten hinweg die Gebiete ausgezeichnet, die nicht vereist waren. Dies betrifft in unserem näheren Raum böhmisches Becken und Mittelgebirge, wo zumindest zum be- ginnenden Eisrückzug eine Tundren- und Lößsteppenvegetation bestand (WALTER 1970, KAHLKE 1981). In diesem eisfreien Raum, der sich bis Zentralasien erstreckte, konnte sich über viele Jahrtausende (wohl mindestens 60 000 Jahre) eine Kältesteppenflora entwickeln, deren letzte Zeugen als Relikte heute noch zu sehen sind. Es ist das Verdienst von OSCAR DRUDE in Auswertung der grundlegenden Arbeit ENGLERs (1879, Kap. 14), die florenhistorische Bedeu- tung dieser Pflanzengruppe erstmals erkannt und analysiert zu haben (DRUDE 1894, 1901, 1906). Es handelt sich dabei um echte Glazialrelikte, die auf Grund ihrer Bindung an Trockenstandorte nicht fossil nachgewiesen werden können und in der floristischen Literatur meist einem „arktisch-alpinen“, „altaiisch-alpinen“ oder „dealpinen“ Florenelement zugeordnet werden. Da es sich im hier betrachteten Umfang um mindestens 2 Artengruppen mit vergleichbarer Ökologie und wohl vergleichbarer Geschichte, aber unterschiedlicher pflanzengeographischer Stellung handelt, sei zuerst auf die Problematik „Florenelemente“ für diese Arten eingegangen.

2 Florenelemente und Areale Für den schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts geprägten Begriff „Florenelement“ fordert erstmals WANGERIN (1932) eine klare Definition als Kurzfassung der Beschreibung des Areals einer Art. Die konsequente Anwendung dieses Aspektes führt bei MEUSEL et al. (1965, 1978, 1992) zu exakten Arealdiagnosen, die aber für Lokalfloren oder für den Tagesgebrauch für Freizeitbotaniker recht unhandlich sind. Eine sehr angenehme, exakte Nomenklatur der Floren- elemente liefert OBERDORFER (1979), deren Informationsdichte für Florenwerke vollständig aus- reichend ist und deren Prinzipien und Kürzel auch der hier vorliegenden Betrachtung zugrunde liegen. In allen Charakterisierungen spielt aber immer die Chorologie die dominierende Rolle, im Falle der hier betrachteten Arten gehen bei den verschiedenen Autoren noch Aspekte der Herkunft bzw. des nacheiszeitlichen Einwanderungsgeschehens in Mitteleuropa oder gar Bezüge zu – oft angenommenen – Entwicklungszentren in den Begriff „Florenelement“ ein. In Florenwerken werden die hier aufgeführten Offenlandarten unter den verschiedensten Florenelement-Bezeichnungen geführt: Arktisch-alpin, altaiisch-alpin, dealpin, adalpin, prae- alpin, perialpin, eurasisch-kontinental, circumpolar. Dies erfordert eine diesbezügliche Begriffs- analyse. Darüber hinaus werden die o. g. Begriffe durchaus nicht einheitlich hinsichtlich der Deutung ihrer Areale gebraucht. So basieren die mit „alpin“ kombinierten Begriffe auf ganz verschiedenen Grundlagen:

- Arktisch-alpin (arct-alp): Verbreitung jenseits der polaren Baumgrenze und in der alpinen Stufe der Hochgebirge (Europas) - Altaiisch-alpin (alt-alp): Verbreitung in der alpinen Stufe (vorwiegend) der zentral- asiatischen und europäischen Hochgebirge

Beide Begriffspaare reihen sich in die beschreibende chorologische Charakterisierung von Pflanzenarten ein; sie werden meist mit großflächigen Arealbegriffen, z. B. circumpolar (circpol) oder eurasisch-kontinental (euras-kont) kombiniert, wenn ihre Verbreitung sich nicht nur auf die Gebirgszüge beschränkt. Korrekterweise müssten sich die auf „–in“ endenden Begriffe auf eine Höhenstufe beziehen, während auf „–isch“ endende Bezeichnungen Lokalitäten angeben (z. B. alpisch-alpin, karpatisch-alpin; altaiisch-alpin würde sich bei korrektem Gebrauch auf Pflanzen der alpinen Stufe zentralasiatischer Hochgebirge beziehen).

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Die folgenden Begriffe beziehen sich nur auf Mitteleuropa: - Präalpin (pralp): Von GRADMANN nach THORN (1957) geprägter Begriff, aber schon von DRUDE (1894) eingeführter Terminus für Pflanzen der Felsformationen in niederer Lagen, aber mit alpinen Arten; nach OBERDORFER (1979) bezogen auf (europäische) Mittelgebirge im Umkreis der Hochgebirge; bei THORN (1957) und MEUSEL et al. (1965) zwecks Vermeidung von Verwechslungen mit Bezeichnungen für Alpenvorland oder niedere Alpen als „perialpin“ (perialp) für „niedere Gebirgsstufen“. Der Autor schließt sich dieser Auffassung an. Zu dieser Gruppe werden die Arten gerechnet, die als Eiszeitrelikte disjunkt in den höheren Lagen der Mittelgebirge in Zentraleuropa vorkommen, ihre ver- wandten Arten gehören zur Flora der alpinen Stufe. Die Zugehörigkeit zur spätglazialen Offenlandflora ist augenscheinlich. - Dealpin (dealp): Von DOMIN (1922) und SCHUSTLER (1923, cit. in THORN 1957) geprägter Begriff für alpine Sippen, die von ihrem Hauptareal in den Alpen mit Areal- zungen nach Mitteleuropa „einstrahlen", eine Verbindung zum Hauptareal ist z. T. noch gegeben. Diese Pflanzen haben am glazialen Florenaustausch nicht teilgenommen und sind daher frühestens zum Ende des Spätglazials zugewandert. - Adalpin (adalp – nicht bei OBERDORFER 1979): Außeralpine, meist thermophile Sippen mit Verwandten im Mediterrangebiet, die mit einem Teil des Areals oder einzelnen Sippen niederen systematischen Ranges in die subalpine/alpine Stufe der Gebirge vordringen oder vorgedrungen sind (SCHÖNFELDER 1968). Sie gehören damit zur nacheiszeitlichen Offen- landflora und – da sie in der Arktis fehlen – nahmen nicht am glazialen Florenaustausch teil. Ihre Zuwanderung oder Ausbreitung in Mitteleuropa dürfte erst zur Zeit der Zuwanderung der dealpinen Sippen erfolgt sein. Dieses Florenelement taucht in keiner Lokalflora auf, wahrscheinlich wegen des Bezuges zur Sippendifferenzierung.

Infolge der Umständlichkeit chorologisch exakter Floren- bzw. Geoelement-Bezeichnungen werden hier kurzgefasste symbolhafte Begriffe verwendet . Dabei symbolisieren die ersten Begriffe die Hauptverbreitung, die letzten das Verhalten in Mitteleuropa. Die vorgeschlagenen Florenelement-Begriffe widerspiegeln im groben das Gesamtareal und – durch „+“ getrennt – das Verhalten in Zentraleuropa. Der symbolhafte Begriff „altaiisch“ umfasst dabei auch andere zentralasiatische Hochgebirge in der temperaten und submeridionalen Zone.

3 Artengruppen im Oberlausitzer Bergland und in Nordböhmen 3.1 Altaiisch-montane und (zentraleurop.) perialpine Arten Hierbei handelt es sich um merkmalskonstante Arten der Felsfloren der Montanstufe mittel- europäischer Mittelgebirge (z. B. Harz, Thüringer Schiefergebirge, Böhmerwald, Oberlausitzer und Nordböhmisches Bergland) mit unterschiedlicher Arealausbildung im arktischen oder eurasisch-kontinentalem Bereich. Zu ihnen gehören:

Woodsia ilvensis (L.) R. BRAUN – Südlicher Wimperfarn (arct-alp + euras-kont + perialp- mont disj) Aster alpinus L. – Alpenaster (euras-kont + perialp-mont disj) Allium strictum SCHRAD. – Steifer Lauch (euras-kont + perialp-mont disj) Diese in der Pflanzengeographie als „altaiisch-alpin“ behandelte Gruppe wurde erstmals von DRUDE (1901, 1906) hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Geschichte der hercynischen Flora analysiert. Ihre Verbreitung im nordböhmischen Bergland ist seit langem bekannt (z. B. HANTSCHEL 1890, DOSTÁL 1950, KUBÁT 2002); alle Fundorte liegen auf Basalt- und Phonolithkuppen südlich der letzten Gletscherzungen der Weichseleiszeit bzw. südlich der Linie der maximalen Vereisung; sie waren damit immer Bestandteile glazialer Felsfluren und dürfen damit wie manche Quellmoor-Arten als echte Eiszeitrelikte angesehen werden. Es ist für einen mitteleuropäischen Botaniker schon ein Erlebnis, die ersten beiden Pflanzen der o. g. Gruppe im Gobi-Altai gesehen zu haben.

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Abb. 1 Südlicher Wimperfarn, Abb. 2 Alpenaster, Foto Werner Hempel Foto Werner Hempel

Alle 3 Arten kommen am Kleis (Klíć) bei Haida/Novy Bor vor (KÖLBING nach WÜNSCHE 1872). Woodsia ilvensis kam auch auf deutscher Seite vor: Hochwald (NEUBERT in WÜNSCHE 1872, Beleg LEHMANN 1883 in OTTO 2004), Lausche (ASCHERSON in BARBER 1898, WÜNSCHE 1899), hier wahrscheinlich durch den Bau der Lauschebaude vernichtet (vgl. MIESSLER 1942, ULBRICHT & HEMPEL1964). Mehrere Funde sind noch im nordböhmischen Bergland vorhanden (z. B. Irigtberg bei Doubice, Nolde bei Ćeská Kamenice). Die Art wurde für das Lausitzer Berg- land erstmals von KÖLBING (1828) am Tollenstein (Tolštejn) nachgewiesen. Aster alpinus wurde ebenfalls von KÖLBING (1828) vom Kleis bekannt; weitere Fundorte gibt HANTSCHEL 1890 (Roll, Bösige, Geltsch) erstmals an. Letzterer benennt erstmals vom Kleis, Roll und den Bösigen Allium strictum. Anzuschließen ist hier Allium schoenoprasum L. – Schnittlauch (euras-kont + alp-dealp) subsp. alpinum (DC.) ĆELAK. – reliktisch im Riesengebirge subsp. schoenoprasum – Flußschotterpflanze von der Elbaue bis Mittelasien var. alvarense HYL. – Ökomorphose auf Öland Der Schnittlauch stellt bei uns eine Flussschotterpflanze (Elbtal) mit weiter Verbreitung in Zentralasien (beobachtet vom Autor am Ili und im Alataugebirge) dar. Offensichtlich erfolgte eine spätglaziale Differenzierung; so kommt die subsp. alpinum reliktisch in einigen Karen („Gruben“) des Riesengebirges und am Kleis (HANTSCHEL 1890) vor.

3.2 Skandinavisch + (zentraleurop.) perialpine Arten Diese zur vorhergehenden Gruppe vermittelnde Garnitur umfasst Arten europäischer Sippen- komplexe, die spätglazial mit den altaiisch-alpinen Elementen zum Sippenbestand der extra- alpinen Felsflora Zentraleuropas gehörten (soweit dies aus ihrer aktuellen Verbreitung ersichtlich ist) und die frühwärmezeitlioch nach Abschmelzen des Eises noch ein Teilareal in Skandinavien aufgebaut haben. Hierzu gehören: Hieracium caesium (FR.) FR. (scand-alp-pralp) Hieracium bifidum KIT. (scand-alp-pralp) Hieracium bifidum wurde bisher wohl nur von den Bösigen (Bezdz) außerhalb des Lausitzer Berglandes und vom Böhmischen Mittelgebirge bekannt; Hieracium caesium gilt als Zwischenart von H. bifidum und H. lachenalii (u. a. KUBÁT et al. 2002) und ist nach S. BRÄUTIGAM (mdl.) selten im Böhmischen Mittelgebirge (Ćeské stedohory) und im Kummer- gebirge (Hradćanske stny).

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3.3 Submediterran-perialpine Arten Zu dieser Gruppe gehört im Gebiet nur Cotoneaster integerrimus MEDIK. – Gewöhnliche Zwergmispel als thermophile Felspflanze der niederen Basalt- und Phonolithberge. Ihre Bevorzugung süd- oder sonnenexponierter Lagen, ihr Vorkommen in S-Skandinavien und ihr Fehlen im arktischen Europa weisen sie als frühwärmezeitlichen Zuwanderer im noch waldfreien Zentraleuropa aus. Die Art ist im Böhmischen Mittelgebirge noch relativ weit verbreitet, wurde aber auch vom Kleis und dem Irigtberg (HANTSCHEL 1890) bekannt. Von den 3 Fundorten in der sächsischen Ober- lausitz (Schönauer Hutberg, Landeskrone, Rotstein) existiert nur noch der vom Rotstein (ein kleiner Strauch an den Klunsen, 2007 HEMPEL). Dieser Artengruppe sind aus ökologischen Gründen vielleicht anzuschließen Helianthemum nummularium (L.) MILL. – Gewöhnliches Sonnenröschen Anthemis tinctoria L. – Färbe-Hundskamille Beide Arten sind vor allem im Böhmischen Mittelgebirge verbreitet, im Oberlausitzer Berg- land beiderseits der Grenze aber selten bis fehlend (Helianthemum n.). Anthemis tinctoria kam oder kommt in der sächsischen Oberlausitz an Primärstandorten im Zittauer Raum mehrfach vor (OTTO 2004), das letzte Vorkommen befindet sich wohl am Rotstein (2007 HEMPEL). Von Helianthemum nummularium wurden aus der sächsischen Oberlausitz mindestens 10 Fundorte (meist Felsen) bekannt (BARBER 1911); das letzte Vorkommen am Guttauer Eisenberg erlosch vor 3 Jahren.

4 Chorologisch verwandte Artengruppen angrenzender Gebiete 4.1 Arktisch-alpine + perialpine Arten Zu dieser Gruppe gehören Arten des Böhmischen Mittelgebirges und der Durchbruchstäler im Harz, Vogtland und in Bayern, die generell im Oberlausitzer Bergland fehlen:

Myosotis stenophylla KNAF. – Fels-Vergißmeinnicht (europ-alp + perialp) Saxifraga decipiens EHRH. – Rasen-Steinbrech (arct + alp-perialp) Jede Art stellt ein Glied eines viele Sippen umfassenden Verwandtschaftskreises dar, der je- weils sowohl arktisch-circumpolar verbreitete Arten als auch Elemente der eurosibirischen Hochgebirge (vorzugsweise Alpen) umfasst. Ihre Fundorte liegen an Felsstandorten kolliner Bereiche.

4.2 Zentraleuropäisch-dealpine und -adalpine Arten Vertreter beider Florenelemente kommen im Umfang der hier gegebenen Definition nicht im Oberlausitzer Bergland beiderseits der Grenze vor. Zu dealpinen Arten werden Erica carnea und Polygala chamaebuxus aus dem Vogtland (und dem Südabfall des Erzgebirges), deren Areale über Kaiserwald und Böhmerwald mit dem Alpen noch verbunden sind, gerechnet. Adalpine Arten sind im sächsischen und böhmischen Elbhügelland reliktär vorhanden, jedoch große Seltenheiten. Zu ihnen zählen Biscutella laevigata und Dianthus gratianopolitanus. Anzuschließen ist hier Hieracium schmidtii TAUSCH (= H. pallidum BV.). Die perialpin- boreoatlantische Art wurde von Fundorten von Woodsia ilvensis im nordböhmischen Lausitzer Bergland bekannt; aus der sächsischen Oberlausitz liegt kein Nachweis vor.

5 Literatur

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Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Werner Hempel Im Eiskeller 13 D-02692 Großpostwitz

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