Medien und Gewalt – ist Gewalt (v)erlernbar? 6

Niedersächsisches Landesinstitut für Fortbildung und Weiterbildung im Schulwesen und Medienpädagogik (NLI)

Niedersächsische Landesmedienanstalt für privaten Rundfunk (NLM)

Jens Wiemken Hardliner – Zeit für Helden

Ein Modell zum pädagogischen Umgang mit Bildschirmspielen in und außerhalb der Schule NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6

Inhalt

Vorwort 3

1. Theorie 4

1.1 Pädagogik und Bildschirmspiele 4 1.2 „Breaking the Rules“ als pädagogische Herausforderung 5 1.2.1 Roboterspiel 6 1.2.2 Pacman 7 1.3 Gewalt in Bildschirmspielen 9 1.3.1 DOOM/QUAKE – 3D-Ego-Shooter 10 1.3.2 COMMAND & CONQUER 13 1.3.3 Warum spielen Kinder und Jugendliche Bildschirmspiele mit Gewaltinhalten? – Fünf Thesen 14 1.4 „Hardliners“ – Zeit der Helden 17 1.4.1 Vorbemerkung 17 1.4.2 Hardliner-Konzept 18 1.4.3 Arbeitsziel Empathie 21 1.5 Literaturverzeichnis 23

2. Praxis 27

2.1 Geländespiel mit zwei 7. Klassen 27 2.2 Schulspiel mit einer Orientierungsstufen-Klasse 34 2.3 Geländespiel in der außerschulischen Jugendarbeit 41

3. Anhang 47

a) Spielbeispiele 47 i) Aktionsreiche Gruppenspiele 47 ii) Wahrnehmungsspiele 47 b) Grundkonzepte für Schul- und Geländespiele 48 i) Breaking the Rules 48 ii) Hardliner 48 c) Fragebogen Bildschirmkenntnisse 53 d) Beispiel für Arbeitsvertrag 54 e) Beispiele für Kriegsverträge 54 f) Selbstdarstellung der Jugendbildungsarbeit des Landkreises Vechta 55

2 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden

Vorwort

Wenn Gewalt zum Gegenstand der Diskussion wird, Zu unterschiedlichen Teilaspekten von „Medien und kommen auch immer die Medien zur Sprache. Die Gewalt“ sind im Rahmen des Projektes solche Medienpädagogik wehrt sich zunehmend gegen ihre Materialienpakete entwickelt worden. Sie enthalten Instrumentalisierung in dieser Diskussion. Alle Unter- suchungen zum Thema „Gewalt in den Medien“ ha- • Basisinformationen und Literatur zu spezifischen ben gezeigt, dass der Einfluss der Massenmedien auf Aspekten des jeweiligen Themas Einstellungen und Verhalten nicht exakt zu messen ist. Richtung und Stärke dieses Einflusses ergeben sich • Eine methodische Handreichung für die schulische, erst aus dem Zusammenspiel mit Erfahrungen und zum Teil auch außerschulische Bildungsarbeit Einflüssen aus Sozialisations- und Alltagskontexten. • Medien zu den einzelnen Themenaspekten (Dias, Daraus lässt sich jedoch nicht folgern, dass Medien- Folien, Filmbeispiele, Arbeitsblätter) mit konkreten nutzung völlig wirkungslos bleibt. Sie kann vorhande- didaktischen und methodischen Anleitungen. ne Einstellungen verstärken, und dies gerade bei Kin- dern und Jugendlichen, die im Rahmen ihrer Persön- Je nach Thema sind die Materialpakete in unter- lichkeitsbildung noch über kein ausgeprägtes Werte- schiedlichen Schulformen und Altersstufen einsetz- system verfügen. bar, vom Primarbereich bis zur Sekundarstufe II.

Zwar hat Bildungsarbeit, sei sie schulisch oder außer- Die Materialpakete im einzelnen: schulisch, nur einen begrenzten Einfluss auf Einstel- lungen, die vorwiegend in der Familie ausgeprägt 1. Wolfgang Schill: Kleine Helden in Aktion – werden. Dies gilt auch für den Bereich der Medien. Es Materialien zum Thema „Action-Helden im Fern- wäre jedoch falsch, aus diesem Grund auf pädagogi- sehen“ für das 3./4. Schuljahr sches Handeln in diesem Feld zu verzichten. Die vor- liegenden Forschungsergebnisse stützen die Annah- 2. Matthias Günther: Fersehalltag und Medien- me, dass Medieninhalte erst dann verhaltenswirksam ängste von Kindern. Unterrichtsvorschläge für werden, wenn aus ihnen Modelle abgeleitet und die- Lehrkräfte an Fachschulen für Sozialpädagogik se über Sprache und Vorstellungen im Gedächtnis abgebildet bzw. Medieninhalte in vorhandene verhal- 3. Holger Salomo: Sportidole – Medienhelden – tensleitende Modelle integriert werden. Dieser Pro- Fußballgötter. Ein medienpädagogisches Projekt zess ist ein aktiver und selektiver Vorgang und damit für Schüler(innen) an der Grundschule und Orien- von außen – gerade über die pädagogische Arbeit – tierungsstufe beeinflussbar. 4. Karin Stipp-Hagmann: Wie werden Helden ge- Ziel des Projektes ist, Materialien zu erstellen, in die macht? Filmanalyse in der Sekundarstufe II sich Pädagoginnen und Pädagogen schnell einarbei- ten können, die konkrete didaktische und methodi- 5. Wolf-Rüdiger Wagner: Bilder von Tod und Krieg. sche Hilfestellungen bieten und damit die Eigeninitia- Kriegsberichterstattung in den Medien. Anregun- tive von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren zur gen für den Unterricht in der Sekundarstufe II. Umsetzung des Themas in und außerhalb von Schule fördern. 6. Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden. Ein Modell zum pädagogischen Umgang mit Bildschirmspielen in und außerhalb von Schule.

Matthias Günther

3 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6

1 Theorie

1.1 Pädagogik und Bildschirmspiele

Ohne Rücksicht auf die pädagogischen Einwände er- neben Spielen an. Analog zu diesen Befunden oberten sich Kinder und Jugendliche Computer und stieg der Anteil der Spieleabstinenzler auf 14 Pro- Spielkonsolen als neue virtuelle Räume des Auspro- zent. Die meisten Kinder nutzen den PC sowohl bierens und des Erlebens. Mittlerweile gehören die zum Spielen als auch zum Lernen, Programmieren, elektronischen Spiele, die unter dem Begriff Bild- Malen, Rechnen und Schreiben (54 %). schirmspiele subsumiert werden, zum selbstverständ- • Bei der Stichprobe von Friedemann Schindler und lichen Medienalltag von Kindern und Jugendlichen. mir, die 1996 von 226 Kindern und Jugendlichen Untersuchungen zu der Frage, wozu Kinder und Ju- im Alter von 6 bis 22 Jahren in Vechta und Bremen gendliche in ihrer Freizeit den Computer benutzen, durch einen standardisierten Fragebogen Auskünf- ergeben teilweise unterschiedliche Ergebnisse, wie te zur Computerbenutzung einholte, lag das Item folgende drei Studien exemplarisch belegen. „häufig oder manchmal zum Spielen“ an erster • Schindler kam 1992 aufgrund seiner Befragung in Stelle.1 (s.a. Abbildung 1) Bremen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass Kinder und Jugendliche den Computer in erster Linie als Auch die Spiele-Kenntnisse der Kinder und Jugendli- Spielemaschine nutzen (Schindler 1993). Über 90 chen in den im Praxisbeispiel angeführten Klassen Prozent der Befragten spielten damals manchmal verweist auf eine häufige Beschäftigung mit Bild- mit einem Rechner, fast die Hälfte von ihnen tat schirmspielen. Eltern und Pädagogen ignorieren die- dies sogar häufig. Nur jeder sechste PC-Besitzer be- sen Bestandteil der Alltagswirklichkeit der nachfol- nutzte häufig Anwenderprogramme, und nur je- genden Generation. Es existiert „ein Abgrund von der zwanzigste beschäftigte sich intensiv damit, Nicht-Wissen und Nicht-Kennen zwischen den Gene- seinen Rechner zu programmieren. rationen“ (Bergmann 1996.48). Wie auch an anderer • Weilers (Weiler 1997) Analyse der Computer- Stelle schon dargelegt (Schindler/Wiemken 1996, nutzung nach rein spielerischer Tätigkeit einerseits 245ff.), besteht ein dringender Bedarf an praktischer und kreativerer Nutzung des PCs andererseits er- pädagogischer Auseinandersetzung mit Computer- gab, dass der Anteil der Kinder, die nur spielen, spielen, welche die Interessen von bildschirmspielen- von 1993 auf 1995 stark abgenommen hat. Be- den Kindern und Jugendlichen aufgreift und nutzt. kannten sich noch 1993 nahezu die Hälfte aller Die Pädagogik verkennt die Möglichkeiten, die Bild- Kinder (48 %) als reine Spieler, erwiesen sich 1995 schirmspiele bieten, um Beziehungen zu Kindern und nur noch ein Drittel der Sechs- bis 13jährigen als Jugendlichen aufzubauen und Bildschirmspielerleb- Spielefreaks. Nur noch jeder fünfte Zwölf- bis nisse z.B. als Gesprächsanlässe zu Themen wie Gewalt 13jährige gab 1995 keine weiteren PC-Tätigkeiten zu nutzen.

Abb. 1: Ergebnisse der Befragung 1996 in Vechta und Bremen

4 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden

1.2 „Breaking the Rules“ als pädagogische werkszeug, wie es beispielsweise die Spielpädagogik Herausforderung bietet. Solch einfache, aber immer noch wichtige Mit- tel wie ein Dreieckstuch vermögen die Spieldynamik Sacher merkte 1994 hinsichtlich der Übertragung von eines zuvor als fest angesehenen Spielprinzips aufzu- Gewalt in Bildschirmspielen in die Realität durch Spie- brechen und zu erweitern. ler an, dass „Computerspiele wie alle Medien nur die Realität widerspiegeln (dabei vielleicht manches ver- Vor der Einbringung, Loslösung und Verfremdung viel- größern oder verzerren), sie aber nicht schaffen.“ leicht anders einzusetzender Elemente steht die inten- (Sacher 1994). Die ernstere pädagogische Herausforde- sive Auseinandersetzung mit Bildschirmspielen und de- rung läge darin, dass Kinder und Jugendlichen in einer ren Analyse. Im Sinne der Medienpädagogik geschieht Umwelt leben, in welcher Aggression, Egoismus, Neid an dieser Stelle ein wichtiger Schritt der von Baacke und Konkurrenzdruck ganz alltäglich sind. Bloße (z.B. Baacke 1997) u. a. geforderten Medienkompe- Medienpädagogik greift da zu kurz. Der von mir ent- tenz. Die Kinder und Jugendlichen beschäftigen sich wickelte „Breaking the Rules“-Ansatz versucht hand- aus der Distanz heraus mit dem Medium Bildschirm- lungs- und prozessorientiert das Interesse der jungen spiel und entdecken die spielbestimmenden Elemente, Bildschirmspieler als Impuls für eine bedürfnis- die das „Gameplay“ ausmachen. Eine solche Heran- orientierte Jugendbildungsarbeit zu nutzen. gehensweise von Seiten der Medien- oder Spielpäda- gogen bot aus meiner Sicht eine Alternative von Die Anfänge dieses Ansatzes lagen in der Beobachtung vielen zur allzu häufigen Flucht in die bewahrpädago- von offenen Spieletreffs in Jugendzentren oder ande- gische Strategie, zum erhobenen „pädagogischen Zei- ren Institutionen, welche Kindern und Jugendlichen gefinger“. Gelegenheit bieten, sich untereinander auszutauschen. Die Bildung von sogenannten „informellen Zellen“ un- Hinter dem von mir entwickelten „Breaking the ter Computerspielern2 gilt als hinlänglich bekannt und Rules“-Ansatz6 stand somit die Absicht, Bildschirm- nachgewiesen. Durch das Austauschen von Schummel- spiele zu reflektieren und zu analysieren, sie dann „er- tricks, sogenannten „Cheats“, umschiffen routinierte lebbar“ zu gestalten und zudem für gruppendyna- Spieler ohne langes Studieren der Spielanleitung rasch mische Zwecke zu „missbrauchen“. Diese Absichten ein vorzeitiges Spielende.3 Fehler und Lücken in gliederten sich eher erlebnispädagogischen Ansätzen Computerspielen bieten immer wieder Gelegenheit, einer außerschulischen Jugendarbeit als schulpädago- die vorgegebenen starren Regeln zu durchbrechen gischen Ansätzen7 unter, obwohl die meisten Ansätze, und Raum für eigensinnige Spielstrategien zu schaf- Computerspiele erfahrbar und erlebbar zu machen, fen.4 Kinder bearbeiten so ihrerseits schon lange bisher zumeist im schulischen Rahmen abliefen. Das Computerspiele. Sie brechen wie selbstverständlich wohl bekannteste Beispiel ist die Umsetzung des be- vorgegebene Regeln. Maaß erwähnt beispielsweise, kannten SUPER-MARIO-LAND, eines Jump’n Run-Spiels, dass es Kinder und Jugendliche gibt, „die z.B. alle vier im Rahmen des Sportunterrichts von Wagner (Wagner Rollen im Adventure alleine spielen“ (Maaß 1994.18). 1992). Auch Fritz versucht Lehrer zu ermutigen, Com- Es ist die von Fromme angesprochene „gehörige Porti- puterspiele in Szene umzusetzen (Fritz 1995). Seiner on Eigensinn“, die Kinder als „aktive Personen“ in das Meinung nach gehören Computerspiele zum legitimen Spiel einbringen (Fromme 1995.48). Unterrichtsgegenstand. Über das bloße Darstellungs-

Anhand solcher Eingriffe von Jugendlichen in die Spiel- struktur und auch meinen Erfahrungen zufolge verliert die vorgegebene Programmstruktur von Bildschirm- spielen an Starrheit. Pädagogen beklagten im Zu- sammenhang mit diesen Spielen immer wieder eine vermeintliche „Diktatur der Maschine“, die den An- wender zu bestimmten Handlungen und Spielweisen zwingt. Computerspielregeln als Gesetzmäßigkeiten lassen sich aber gezielt aufbrechen und missachten, wie viele Spieler und die zahlreichen Schummeltricks in diversen Spielemagazinen beweisen. Der Pädagoge, der Eingriffsmöglichkeiten und Zugänge in die von der Industrie gesetzten elektronischen Spielwelten sucht, sieht sich durch die „Medienkompetenz“ der Kinder und Jugendlichen nun seinerseits ermutigt, pädagogi- schen „Sinn“ einzubringen. Dies setzt keineswegs Pro- grammierkenntnisse voraus5, sondern lediglich die Rückbesinnung auf altbekanntes pädagogisches Hand- Abb. 2: Tödliches Gemetzel der Mörderspinnen

5 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6 spiel (Rollenspiele wie „mitten im schönsten Compu- • Die Kinder spielen zu zweit das Spiel gemäß Spiel- terspiel kommt Besuch“) schildert er auch die Umset- anleitung. In dem Fotobeispiel (s.a. Abbildung 3) zung des Denkspiels8 LEMMINGS in die Realität. Kleine spielt die Gruppe zwar das Geschicklichkeitsspiel Schülergruppen entwerfen Lemming-Szenarien und TETRIS, ich favorisiere immer noch das kleine MS- präsentieren diese vor anderen Klassen. DOS-Freeware-Spiel DAS TÖDLICHE GEMETZEL DER MÖRDERSPINNEN (s.a. Abbildung 2 und beiliegen- Der Ansatz „Breaking the Rules“ setzt ebenso bei der des Video). Entgegen dem blutrünstigem Titel steu- Selbsterzeugung von Szenen und Handlungsräumen ern die beiden Spieler an einer Tastatur gleichzeitig durch bildschirmspielbegeisterte Kinder und Jugend- zwei Spinnen, eine blaue und eine gelbe. Diese be- liche an wie bei der Einmischung des Medienpädago- finden sich in einem Spieleraster, in dem rote Punk- gen, der mit den herausgelösten Computerspielele- te auftauchen. Es gilt nun diese Punkte abzuschie- menten frei experimentiert, um neue „Erlebnisräume“ ßen, also schneller in Schußreichweite zu gelangen für sein Klientel zu schaffen. Medienpädagogik sollte als die andere Spinne. Bei sieben abgeschossenen meines Erachtens neben der Vermittlung von Medien- Punkten gibt es einen Spielpunkt. Diesen erhält der kompetenz auch für Vermittlung von sozialer Kompe- Spieler aber auch für das sofortige Abschießen der tenz sorgen. Der Medienpädagoge hat Räume zu ge- gegnerischen Spinne. Gewinner ist, wer zuerst fünf stalten, „die nicht nur das praktische Umgehen mit Spielpunkte erkämpft. Dieses einfache Spiel führt den medialen Möglichkeiten, sondern auch soziale In- oft zu einer hektischen Verfolgungsjagd über den teraktion erlauben“ (Theunert 1996). Bildschirm. Schon in dieser Phase lasse ich die Teil- nehmer die Partner tauschen. Denn schnell stellt Die Beispiele des „Roboterspiels“ und des Geschick- sich heraus, dass einer der beiden Spieler besser ist. lichkeitsspiele-Klassikers PACMAN verdeutlichen im fol- So werden Gewinner neben Gewinner und Verlierer genden kurz, wie sich der „Breaking the Rules“-Ansatz neben Verlierer gesetzt, „um eine bessere Chance von der Idee zur Methode entwickelte. zu haben“. Positiver Nebeneffekt der Umsetz-Akti- on ist das Auseinanderreißen der Cliquen. Die Teil- nehmer kommen oft in Zweier-Grüppchen zu sol- 1.2.1 Roboterspiel chen außerschulischen und schulischen Angeboten („Ich habe mich angemeldet, weil meine Freundin/ Den ersten Schritt unternahm ich während eines ein- mein Freund sich angemeldet hat.“). wöchigen Computercamps anlässlich einer Camp- • Die neu entstandenen Zweiergruppen erhalten ein Olympiade, um endlich die allseits bekannte Compu- Dreieckstuch, was zunächst einem Partner vor die ter-Rallye (Wechsel von Spiel zu Spiel und Punkte Augen gebunden wird (s.a. Abbildung 4a). Der se- sammeln) abzulösen. Im Laufe der Jahre verfeinerte hende Partner erhält einen Zettel, auf dem ein Ort ich das Verfahren, so dass es jetzt als ein fester Be- steht, zu dem er seinen „blinden“ Partner mit Wor- standteil der Kennenlernphase eingebaut ist. Compu- ten geleiten muss, ohne ihn zu berühren. An dem ter, ein kleines und schnell zu verstehendes Zwei-Per- Ort angekommen, tauschen beide die Rollen und es sonen-Bildschirmspiel und Anleihen von bekannten geht wieder zurück. Vertrauensspielen, wie Dreieckstücher9 zum Verbinden • Dieses Vertrauensspiel wird jetzt mit dem zuvor trai- der Augen, reichen aus. Das Roboterspiel selbst unter- niertem Computerspiel verbunden. Der „Steuer- teilt sich in vier Phasen: mann“ sitzt mit dem Rücken zum Computer, während

Abb. 3: Phase 1/Gemeinsames Erlernen des Spiels Abb. 4a: Phase 2/Führung des Blinden

6 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden

ner in den meisten Fällen nicht, sondern liefen voraus, ohne sich um den Partner zu kümmern oder ihn zu warnen. Im Gegenteil, aufgrund ihrer Ungeduld for- derten sie den Nichtsehenden teilweise sogar zum Lau- fen auf. So kommt es in den Jungengruppen während dieser Phase immer wieder zu Stürzen. Auf den Um- stand der fehlenden Empathie, besonders bei Jungen, werde ich später noch eingehen.

1.2.2 PACMAN

Das vollständige Herauslösen eines Computerspiels aus dem Monitor und die Übersetzung in die „Wirk- lichkeit“ mit all seinen Regeln stellt auch für die au- Abb. 4b: Phase 3/Training ßerschulische Jugendarbeit eine besondere Heraus- forderung dar. Dieser Prozess erfordert von Seiten der Spielgestalter und der Mitspieler Kreativität und Einfühlungsvermögen. Die Umsetzung von PACMAN nahmen meine Kolleginnen, meine Kollegen und ich zum ersten Mal anlässlich eines „Computer für Mäd- chen“-Seminars Ostern 1995 im Rahmen der Jugend- bildungsarbeit des Landkreises Vechta vor. Als umzu- setzendes Spiel wählten wir PACMAN. Dieses Spiel aus dem Jahre 1982 ist bei den wenigsten der Bild- schirmspieler noch bekannt. So mussten die Teilneh- mer auch, wie beim vorherigen Beispiel, dieses Spiel erst einmal spielen lernen. Bei der gemeinsamen Ana- lyse ergaben sich folgende Spielelemente10: Pacman: die Spielfigur, die in dem Spiel blind ist und von außen gesteuert werden muss; Spieler: steuert Pacman; Abb. 4c: Phase 4/Wettbewerb Mehrere Monster: verfolgen Pacman und versuchen ihn zu „fressen“; der „Navigator“ ihn mit kurzen Kommandos über den Spielfeld: ein Labyrinth; Bildschirm führt (s. a. Abbildung 4b). Beide tauschen Aufzusammelnde Punkte: liegen im Spielfeld und die Rollen und müssen jeweils die linke wie auch die müssen von Pacman „gefressen“ werden; rechte Tastatur-Steuerung trainieren. Vier Powerpoints: verleihen Pacman für einen kurzen • Nach einer Trainingsphase geben sich die Gruppen Zeitraum Spezialkräfte, damit er seinerseits die Mon- Namen, dann kämpfen die Teams gegeneinander an ster fressen kann; einem Computer. Ein Paar lenkt zusammen die gelbe Spinne, das andere die blaue. Dabei stehen die Navi- gatoren seitlich neben den Steuermännern und ge- ben ihnen Anweisungen (s. a. Abbildung 4c).

Das Reizvolle am „Roboterspiel“: durch den Wegfall des Augensinnes fehlt plötzlich bei den Spielern der für das Bildschirmspiel wichtigste Sinn. Die normale Verbindung Auge-Hand reißt ab. Die Konzentration des Steuermanns gilt voll und ganz dem Navigator. Ei- nes fiel grundsätzlich auf: Während der zweiten Phase unterschieden sich Jungengruppen immer wieder deutlich von Mädchengruppen. Die Mädchen liefen immer neben der anvertrauten „blinden“ Partnerin her, beschrieben ihr während der ganzen Zeit die Um- gebung und machten sie schon einige Zeit vorher auf Abb. 5: Pacman mit Original-Raster eine Treppe oder ein anderes Hindernis aufmerksam. Jungen hingegen begleiteten ihren anvertrauten Part-

7 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6

Die Kirsche: taucht sporadisch im laufenden Spiel auf mente aus der Spielpädagogik, um die „Monster“ wie und kann die Punktzahl erhöhen. auch „Pacman“ zu behindern. Im Computerspiel er- blickt nur der außenstehende, sich nicht selbst im Nach der Analyse der Spielelemente beschränkten Spielraster befindliche und Joystick-haltende Steuer- sich die Gruppen auf einen Level. Als Baumaterial mann die Spielsituation. Um dies auch in der Umset- standen ca. 30 Besenstile zur Verfügung, welche mit zung zu gewährleisten, verbanden wir allen am Spiel- Verkehrsband zu verbinden waren. Die Teilnehmer verlauf Beteiligten, die sich im Spielraster aufhielten, bekamen als Auftrag, einen Level mit dieser begrenz- also den „Monstern“ und „Pacman“, die Augen. Um ten Anzahl an Besenstilen zu konstruieren.11 Im an- den „Pacman“ von außen so steuern zu können, dass schließenden „Architekturwettbewerb“ entschied die „Monster“ nicht gleich wussten, wo er sich be- sich die Gruppe für einen Vorschlag. Den Level baute fand, setzten wir zwei Walkie-Talkies ein, über die die Gruppe auf einem Rasenstück auf. Dabei teilte sie der Steuermann seiner Spielfigur Befehle erteilen sich in drei Kleingruppen auf: Architekten, Besenstil- konnte. „Pacmans“ Behinderung resultierte zusätzlich Gruppe und Verkehrsband-Gruppe. durch ein um das Bein gebundene Glöckchenband, das den „Monstern“ einen akustischen Anhaltspunkt seines aktuellen Standorts gab. Vor jedem Start wur- den die „Monster“ von uns Spielleitern im Raster ver- teilt. Im Spiel selbst durften die „Monster“ durch zu- rufen miteinander kooperieren, was sie jedoch nie taten. „Pacman“ war solange auf der Flucht, bis er ei- nen „Power-Point“ berührte. Ab da zählte der „Po- wer-Point“ von 20 an laut rückwärts. In dieser Zeit konnte „Pacman“ auf die Jagd gehen. Erwischte er ein „Monster“, bekam er 100 Punkte. Wir Spielleiter zogen das berührte „Monster“ aus dem Raster und setzten es erst nach einer Weile wieder ein. Zwischen- durch stellten wir immer wieder die „Kirsche“ ins Spielfeld. Sie verkündete dies durch laute „Ich-bin- die-Kirsche“-Rufe. Für ein Berühren der „Kirsche“ er- Abb. 6: von Teilnehmern selbsterstelltes Pacman-Labyrinth gaben sich für „Pacman“ nochmals 100 Punkte. Wir hatten vor dem Spiel vereinbart, dass die Spielleiter die Zeit für jeden „Pacman“ stoppten und es für jede Die zwölf Kurs-Teilnehmer übernahmen während des Sekunde Überleben 10 Punkte gab. Während des Spiels im Wechsel folgende Funktionen: Vier Teilneh- Spiels tauschten die Kinder ständig die Rollen. Uns mer übernahmen die Rolle der „Powerpoints“, die in überraschte, dass die von uns eigentlich als Lückenbü- den vier Ecken plaziert wurden und bei einer Berüh- ßer übernommene „Kirsche“ eine der begehrtesten rung durch „Pacman“ laut von 20 bis 0 herunter- Rollen war. Das Spiel entwickelte rasch eine eigene zählen mussten, so dass jeder im Labyrinth wusste, Dynamik. Am Ende interessierte sich keiner der Teil- dass nun die Monster gefressen werden konnten. nehmer mehr dafür, wer denn nun gewonnen hatte. Fünf „Monster“ jagten „Pacman“. Ein Teilnehmer war die „Kirsche“. Jeweils zwei Teilnehmer gehörten Auch in diesem Spiel fiel uns das unterschiedliche zu einem Pacman-Team. Wir waren bei unserem er- Spielverhalten der Mädchen- und Jungengruppen sten Versuch zu keinem Entschluss gekommen, wie auf. Bei Pacman-Mädchen-Teams lobte der Steuer- wir das „Punkte-Fressen“ des eigentlichen Pacman- mann in regelmäßigen Abständen seinen „Pacman“, Spiels simulieren sollten, deshalb ließen wir sie weg um ihn zu motivieren. In den Jungen-Teams schnauz- und gestalteten das Spiel zu einem Fang-Spiel um.12 te der Steuermann seinen „Pacman“ an, wenn dieser Auch hier dienten uns wie schon zuvor bekannte Ele- gefährlich in die Nähe der Feinde kam.

8 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden

1.3 Gewalt in Bildschirmspielen gefunden hatten, kamen in einer neuen Studie zu dem Ergebnis, „[...] dass aggressive Zwei-Personen- Die dargestellte und ausgeübte Gewaltdarstellung und Videospiele, unabhängig davon, ob sie kooperativ –verherrlichung in Bildschirmspielen galt in der medi- oder kompetitiv angelegt sind, zu einem Abbau von enpädagogischen Diskussion Mitte der 80er Jahre als aggressivem Verhalten führen“ (Greenfield 1987.97). Grund, Bildschirmspiele als nicht kind- und jugendge- Die Ergebnisse der verschiedenen empirischen Studi- recht einzustufen. Auch heute noch, Ende der 90er, en ordnen sich in vier theoretische Richtungen ein: herrscht das damals geprägte Vorurteil „Computer- • Die Simulationstheorie geht davon aus, dass spiele machen aggressiv“ in den Köpfen der meisten Spieler von Computer- und Bildschirmspielen mit Pädagogen vor. Die Medienwirkungsforschung wider- aggressiven Inhalten sich das auf dem Monitor spricht sich in ihren Ergebnissen immer wieder selbst, dargestellte Verhalten aneignen, also die Aggres- so dass sich hinsichtlich der Aggressivitäts-These keine sionsbereitschaft gefördert wird. endgültigen Aussagen machen lassen. Selbst wenn ein- • Die Inhibitionstheorie13 sagt, dass Gewaltdarstel- zelne Ergebnisse zeigen, dass Kinder nach dem Spielen lungen in Bildschirmspielen Angst erzeugen und so von Computerspielen vermehrt aggressives Verhalten die Bereitschaft zur eigenen Gewaltausübung ge- zeigen, so ist noch nicht belegt worden, dass sich diese hemmt wird. Aggressionsbereitschaft als festes Merkmal bei den be- • Die Habituationstheorie14 schreibt den Gewaltin- treffenden Personen etabliert. Sacher zufolge weisen szenierungen eine den Spieler abstumpfende Wir- von insgesamt 26 empirischen Untersuchungen, die kung zu. Damit wird eine Gewöhnung des Indivi- weltweit ermittelt werden konnten, nur sieben duums an Gewalt verursacht. Aggressionssteigerungen von Computerspielern nach • Die Katharsistheorie15 schließlich schreibt den ag- (Sacher 1994). Beachtung verdienen zudem noch zwei gressiven Inhalten von Computerspielen eine den Umstände: Spieler entspannende Wirkung zu. Spannungen • Gerade in den methodisch besonders sorgfältigen werden abgebaut, die Bereitschaft zu aggressivem Untersuchungen konnten keine aggressionsför- Verhalten wird gemindert. dernden Wirkungen nachgewiesen werden. Es hat den Anschein, dass aggressive Bildschirmspiele vor Der gesetzliche Jugendschutz in Form prüfender Insti- allem bei sehr jungen Kindern zu problematischen tutionen wie der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK)16 Effekten führen. oder der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende • Die manchmal geäußerte Vermutung, dass aggres- Schriften (BPjS) versuchen der Gewalt in Bildschirm- sive Bildschirmspiele in noch stärkerem Maße Ag- spielen durch Prädikate oder Indizierung entgegen zu gressionen erzeugen und bekräftigen als aggressi- treten. Eine Indizierung eines Programmes führt er- ve Videos, bestätigte sich nicht. Man könnte fahrungsgemäß aber bei Kindern und Jugendlichen annehmen, dass der Spieler sich wesentlich stärker leider auch zum gegenteiligen Effekt, da dieser Vor- mit aggressiven Figuren identifiziert als der Be- gang der Tabuisierung ein Programm oft erst richtig trachter von Videos, da er ja deren Part aktiv über- interessant macht. Der Charakter des Verruchten nimmt und gestaltet. In drei amerikanischen Un- trägt dazu bei, dass Jugendliche derartige Machwer- tersuchungen fand man aber heraus, dass es ke als kostbaren Besitz empfinden und als Statussym- keinen Unterschied macht, ob Probanden selbst bol betrachten. Das Beschaffen und Verteilen von in- spielen oder nur dem Spiel anderer zuschauen dizierten Bildschirmspielen gilt als Herausforderung, (was am ehesten mit der Situation des Video- die den Reiz des Verbotenen mit sich bringt. Der In- rezipienten vergleichbar ist). Auch darf man nicht dex der BPjS gilt unter Jugendlichen als „geheime Hit- übersehen, dass viele traditionelle Spiele wie liste“, alles was dort enthalten ist, muss in den Augen „Mensch ärgere-dich-nicht“ oder „Fang-den-Hut“ der Jugendlichen gut sein. Lediglich die Industrie aggressiv sind und Aggressionen provozieren kön- zieht Konsequenzen aus der Indizierung ihrer Produk- nen. So fand der Amerikaner Favaro in einer Un- te, da der wirtschaftliche Erfolg eines Computerspiels tersuchung aggressiver traditioneller Spiele und am deutschen Markt nach einer Indizierung rasch ge- aggressiver Computerspiele die höchste Aggres- gen Null sinkt (Gorman/Lober 1999.82). Entweder er- sionssteigerung bei einer aggressiven Variante von scheint das Spiel gar nicht erst in Deutschland oder „Darts“ Auch mäßig aggressives Fernsehen oder die Hersteller präsentieren spezielle deutsche Versio- aggressive Videos steigerten die Aggressionen nen ihrer Spiele, in denen in der Spielbeschreibung noch stärker als hochgradig aggressive Computer- menschliche Soldaten durch Roboter ersetzt werden, spiele. (Sacher 1994) die beispielsweise im Verlauf eines Kampfes nicht mehr schreien und „schwarzes Öl“ bluten. Diese „pro- Nach Greenfield sind die Auswirkungen von Gewalt phylaktische Wirkung“ der BPjS auf den Hersteller17 in Bildschirmspielen komplizierter als angenommen. umgehen die jugendlichen Bildschirmspieler, die sol- Dieselben Forscher, die Anfang der 80er Jahre negati- che entschärften Versionen ablehnen. Sie besorgen ve Auswirkungen bei Ein-Personen-Computerspielen sich das Original-Spiel im Ausland18, laden sich aus

9 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6 dem Internet einen sogenannten Patch herunter, wel- Medien Gewalt vermittelt wird. Nahezu alle Kinder cher die entschärfte deutsche Version in die interna- erleben in ihrem unmittelbaren Erfahrungsbereich tionale verwandelt, oder holen sich das Spiel als verschiedenste Formen von Gewalt. In diesem Sinne Raubkopie von einem ausländischen Server. Kurz: sehe ich im „Hardliner“-Ansatz die Beschäftigung von Verbote schrecken nicht vor Gebrauch und Weiterga- Kindern und Jugendlichen mit Gewaltspielen nicht als be von Computerspielen ab. eine Ursache von Aggression und Gewalt an, sondern eher als ein Symptom – als einen Versuch, Probleme Indizierung als bewahrpädagogische Maßnahme mit mit und Fragestellungen zu Gewalt in unserer Gesell- Blick auf die Kinder und Jugendlichen unter 18 Jah- schaft zu bearbeiten. ren dient zumeist als „Alibifunktion“, etwas Pädago- gisches getan zu haben. Bewahrt werden, realistisch In zwei folgenden Kapiteln werden exemplarisch die gesehen, in so einem Fall allerdings nicht die Kinder indizierten 3D-Ego-Shooter DOOM und QUAKE19 und oder Jugendlichen, sondern lediglich die eigenen das Echtzeitstrategiespiel COMMAND & CONQUER, pädagogischen Anschauungen. Die Alternative zur In- drei unter Jugendlichen sehr bekannte Computer- dizierung, jegliche Programme freizugeben und sich spiele20, vorgestellt. Alle drei thematisieren Gewalt als Pädagoge nicht mehr darum zu kümmern, er- oder Krieg, die Spielziele sind auf den ersten Blick de- scheint allerdings auch nicht verlockend. Stattdessen struktiv: Der oder die Gegner müssen besiegt, ver- sehe ich gerade hinsichtlich der Spiele mit Gewalt- nichtet oder umgebracht werden, um zu gewinnen. inhalten eine aktive, medienpädagogische Jugendar- Die Wege und Mittel zur Erreichung des Ziels sind ge- beit als eine Art beziehungsaufbauenden, erzieheri- walttätig: Gegner müssen mit der Axt attackiert, mit schen und „aktiven“ Jugendschutz angebracht. einem Maschinengewehr zerlöchert, Gebiete müssen Pädagogen, die sich mit den Alltagsmedien der Kin- erobert, feindliche Einheiten vernichtet, eigene Ar- der und Jugendlichen beschäftigen, erhalten nicht meen aufgebaut und in den Kampf geführt werden. nur Einblick in deren Alltagswirklichkeit, sondern be- merken vielleicht auch die latenten Kommunikations- bedürfnisse und –themen, die die Beschäftigung mit 1.3.1 DOOM/ QUAKE – 3D-Ego-Shooter indizierten Gewaltspielen verzeichnen. Wagenhäuser zufolge zeigen Untersuchungen, „[...] dass gerade so- Am 10.Dezember 1993 bot die texanische Software- zial benachteiligte Jugendliche, die unter leichter firma id-Soft die erste Sharewareversion des von ih- Beeinflussbarkeit und Leistungsschwächen leiden, nen entwickelten Spiels DOOM im Internet auf den gewaltverherrlichende Computerspiele benutzen.“ Rechnern der Universität von Wiscontin zum kosten- (Wagenhäuser 1996.27) losen Herunterladen an. Das System der Universität brach kurz darauf zweimal wegen der großen Nach- Realistisch gesehen erscheint eine völlige Gewalt- frage zusammen.21 Bislang mehr als 15millionenmal freiheit am Bildschirm (nach dem Motto: „Aktion sau- wurde es vom id-Server heruntergeladen (Gorman/ berer Bildschirm“) als kaum denkbar (Wagenhäuser Lober 1999.87). 1996.26). Pädagogen, die Kinder und Jugendliche gänzlich in einem gewaltfreien Schonraum mit aus- Das Computerspiel DOOM hält sich – wie viele andere schließlich positiven Verhaltensweisen sehen möch- Action- und Ballerspiele auch – nicht mit einer großen ten, übersehen die Tatsache, dass nicht nur durch die Hintergrundstory auf. Die Spielfigur, ein auf dem

Abb. 7: DOOM – allein gegen die Monster Abb. 8: Shot Gun in DOOM

10 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden

Mars stationierter Space Marine, landet mit einigen besucher im Science-Fiction-Film „Alien“ erlebten. Je- Kameraden auf dem Mond Phobos, wo verantwor- der Raum barg neue Schockeffekte für die Zuschauer/ tungslose Wissenschaftler mit Dimensionstoren her- Spieler, die auf der Flucht aus dem erlebnisarmen All- umexperimentieren. Während der Held draußen die tag im Film die nötige „Angstlust“ suchten. Lage sondiert und die anderen die Station erkunden, erscheinen plötzlich Monster aus der Hölle. Die Be- Ins Spielfenster eingeblendet ist jeweils die verfügba- gleiter werden getötet, der Held – nun auf sich allei- re Waffe. Zu Beginn dienen nur eine Pistole und der ne gestellt – versucht das Dimensionstor zu erreichen, Handkantenschlag der Verteidigung, bessere Waffen um den Mond zu verlassen. Er muss sich dabei durch wie Schrotflinte, Maschinengewehr und verschiedene Horden von Monstern und mutierten, „umgedreh- Arten von Kanonen müssen erst im Labyrinth gefun- ten“ Kameraden schießen. den werden. DOOM unterscheidet sich dabei von Vor- läufer-Spielen durch die Illusion des „direkteren Ein wesentlicher Grund für die Faszinationskraft von Tötens“: es suggeriert dem Spieler, den Abzug einer DOOM liegt in der perfektionierten, „subjektiven Ka- Waffe „wirklich“ durchzuziehen. „DOOM ist ein meraeinstellung“ – der „Ich-Perspektive“. Der Spieler Actionfilm zum Mitspielen.“ (Schindler/Wiemken schlüpft in die Rolle des Helden und betrachtet aus 1997). seinen Augen die Szenerie. Er bewegt sich dabei wie in realer Umgebung: er läuft vorwärts, dreht sich und DOOM war ein so großer Erfolg, dass es in den fol- weicht nach links oder rechts aus. Die spektakuläre genden Monaten und Jahren auf zahlreichen 3D-Grafik wird dabei in Echtzeit berechnet.22 Die Gra- Internetseiten und in Diskussionsforen zum beherr- fik, basierend auf der sogenannten „Grafik-Engine“ schenden Thema wurde. Jeder konnte sich das Spiel war zur damaligen Zeit sehr schnell. Selbst bei schnel- aus dem Internet oder von Mailboxen herunterladen. len 360 Grad-Drehungen ruckelten die Computer- Bald nach seinem Erscheinen fand DOOM seinen bilder nicht mehr. Der Spieler bekam so ohne zusätzli- Nachfolger in DOOM II (Erscheinungsdatum 10. Okto- chen Hardware-Aufwand (z.B. 3D-Brille) den Eindruck ber 1994). Danach folgten im August 1996 QUAKE einer Bewegung, die mit der „realen“ vergleichbar und QUAKE II. ist. Der Stereosound unterstütze dieses Gefühl, sich in einer virtuellen Welt aufzuhalten. Die Klänge erzeug- QUAKE unterscheidet sich im wesentlichen von ten nicht nur eine dichte Atmosphäre, sondern infor- DOOM durch eine noch aufwendigere und höher auf- mierten auch über die Anwesenheit versteckter Mon- lösende Grafik und bessere Netzwerkfähigkeiten. Die ster und trugen damit zum Spannungsaufbau bei. feindlichen Monster werden nicht mehr als Pixelgra- fiken dargestellt, sondern als Vektorgrafiken berech- Der Levelaufbau von DOOM zwingt den Spieler im- net. Dies bewirkt eine realistischere Darstellung der mer wieder in dunkle Räume, in denen zunächst Computergegner und der „menschlichen“ Gegner im Lichtschalter gefunden und angeschaltet werden Netzwerkspiel. QUAKE führte dazu, „[...] dass die Be- müssen, um vernünftig agieren zu können. Doch geisterung für First-Person-Shooter einen neuen Hö- gerade an solchen Plätzen positionierten die Pro- hepunkt erreichte. Es gab 50000 Vorbestellungen, grammierer mit Vorliebe angreifende Monster. Sie er- noch bevor das Spiel oder auch nur eine Seite Wer- zeugten damit eine ähnliche klaustrophobische bung geschaltet war.“ (Gorman/Lober 1999.87) Atmosphäre, wie sie Ende der 70er Jahre viele Kino- Zu Beginn von QUAKE hat der Spieler die Möglich- keit, zwischen Singleplayer- und Multiplayer-Modus zu wählen. Im Singleplayer-Modus spielt er alleine ge- gen den Computer, der gegnerische Monster gene- riert und steuert. Der Multiplayer-Modus bietet die Möglichkeit, über eine direkte Modemverbindung, eine serielle Verbindung zwischen zwei Computern, eine LAN-Verbindung23 oder das Internet gegen ent- fernt sitzende Spielpartner zu spielen. Die Anbindung an das Internet direkt aus dem Spiel heraus hebt QUAKE vom oben genannten DOOM ab. Überall auf der Welt gibt es an das Internet angebundene soge- nannte „QUAKE-Server“, über die sich der Spieler in laufende Spiele auf entfernten Rechnern „einloggen“ kann, um gegen Spielpartner auf der ganzen Welt, die sich ebenfalls in das laufende Spiel „eingeloggt“ Abb. 9: Eingangshalle in QUAKE (linker Eingang – leicht, haben, zu spielen. rechter Eingang – schwer)

11 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6

Nach der Wahl des Spielmodus befindet sich der Spie- Eine Variante des Teamplays heißt „Capture-The–Flag ler zunächst in einer Halle, in der er den Schwierig- (CTF)“, das in Grundzügen an das aus der Spiel- und keitsgrad („skill-level“) des Spiels („easy skill“, „nor- Erlebnispädagogik bekannte „Wimpelspiel“ erinnert. mal skill“, „hard skill“) bestimmen kann, indem er Dabei spielen zwei Teams (rot/blau) nach bekannter einen der drei Zugänge wählt, welcher wiederum in „Räuber und Gendarm“-Manier in eigens für diese eine entsprechende weitere Halle führt. Schon beim Spielform gestalteten Level gegeneinander. Als pri- Zugang erfährt der Spieler den Schwierigkeitsgrad: märes Ziel innerhalb des Spiels gilt, die gegnerische Der linke, „easy“ Zugang ist normal zu durchlaufen, Fahne zu erobern und die eigene zu verteidigen. Da- während beim rechten „harten“ ein Feuerfluß über- bei stürmen die Spieler gegnerische Festungen oder sprungen werden muss und an der Wand Gestalten Räume und „stehlen“ sich die Flagge. Diese Flagge aufgehängt sind (s. a. Abbildung 9). In der Halle gibt muss in den eigenen Bereich gebracht und auf dem es vier weitere Durchgänge, in denen der Zugang zu eigenen Flaggenbereich abgesetzt werden, um Punk- verschiedenen Episoden von QUAKE zu finden ist te für das eigene Team zu erlangen. Das umfangrei- (1. „Dimension of the DOOMed“, 2. „The realms of che Zählsystem von „CTF“ wertet die Anzahl der ge- black magic“, 3. „The Netherworld“, 4. „The Elder stohlenen Flaggen, die getöteten Gegner, die world“). getöteten Teammitglieder, die Effizienz der Attacken (abgegebene Schüsse/Treffer) usw. Zunächst stehen dem Spieler zwei Waffen zu Verfü- gung: eine Axt und eine „shot gun“. Im Laufe des Die Möglichkeit, das Spiel auch über das Internet ge- Spiels werden dann noch weitere Waffen dazu- geneinander spielen zu können, machte QUAKE zum gesammelt: „Double-Berrelt-Shot gun“, „Nailgun“, ersten erfolgreichen kommerziellen Online-Spiel. In- „Supernailgun“, „granade launcher“, „rocket teressant erscheinen hier die Folgen dieser Öffnung launcher“ und „thunderbold“, mit deren Hilfe, je zum Internet. Zum einen entstanden im Internet so- nach Schlagkraft, die Gegner erschossen, zerfetzt genannte QUAKE-Clans. Diese Gruppierungen treten oder mit Elektroschocks verbrannt werden können über das Internet zu „Clanmatches“ gegeneinander bzw. müssen, um sich zum Ausgang des Gebäudes an. Ein „Clan“ ist eine feste Gruppe von Spielern mit durchzukämpfen. eigener Satzung. Ihre Figuren im Spiel tragen eine einheitliche eigene Uniform. Gemeinsam versucht Auf dem Weg zum Ausgang ist der Spieler – abhän- man gegnerische Stellungen „auszuhebeln“ und muss gig vom gewählten Schwierigkeitsgrad und dem eige- die Schwächen mit den Stärken des eigenen Teams nen Können – immer wieder darauf angewiesen, so- ausgleichen. Neben vielen Männer-Clans existieren genannte „Medikits“ einzusammeln, um seinen auch reine Frauen-Clans.25 „Gesundheitszustand“, der durch Treffer der feindli- chen Monster immer geringer wird, „aufzubessern“. Seit 1997 finden in Amerika Meisterschaften statt: Zudem muss der Spieler sich laufend mit neuer Muni- tion versorgen und kann seine Panzerung durch das Dennis Fong, im Internet besser unter seinem Künst- Aufsammeln von „Amor“-Punkten verstärken. Eine lernamen Thresh bekannt, verdankt seinen ersten abschaltbare Anzeige am unteren Bildschirmrand Ferrari einem besonderen Talent: Kürzlich holte er weist auf den aktuellen Zustand der Gesundheit, der sich den begehrten Titel des inoffiziellen QUAKE- Panzerung und der verfügbaren Munition hin. Weltmeisters. Der Ausrichter des Netzwerk-Cham- pionats, die „Professional Gamer League“ (PGL), hat Besonders im Multiplayer-Modus bietet QUAKE um- fangreiche Möglichkeiten. Bei einem Multiplayer-Spiel werden in der Regel die feindlichen computergesteu- erten Monster abgeschaltet. Dafür befinden sich dann die „elektronischen Stellvertreter“ von anderen Spie- lern in der ausgewählten Welt. In LANs und über das Internet erlaubt QUAKE das Spiel von bis zu 16 Spie- lern gleichzeitig in den Spielmodi „Deathmatch“ oder „Cooperative“ gegeneinander oder miteinander.24 Im „Deathmatch“–Modus spielen alle teilnehmenden Spieler in einer Art Showdown gegeneinander. Der „Cooperative“-Modus bietet zwei Spielvarianten: Mit „Teamplay“, dabei versuchen alle Mitglieder des Teams sich gemeinsam durch das Level „zu schlagen“, und ohne „Teamplay“, so dass die „menschlichen“ Gegner wie die Monster als feindliche Gegner wahr- genommen und bekämpft werden. Abb. 10: Angriff auf die Basis

12 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden ehrgeizige Pläne. Nach dem Vorbild des US-Basket- ein Menü zur Befehlseingabe für die verschiedenen ball-Verbands (NBA) will man eine Profiliga ins Leben Bauoptionen. Ein kleines Radarfenster verschafft rufen. Bis dahin ist es möglicherweise noch ein langer Übersicht über das bereits erkundete Spielfeld. Die Weg. Noch liegen die Preisgelder, die die PGL in ih- Spielfiguren sind relativ klein, ermöglichen jedoch ein rem Gründungsjahr 1997 auslobte, unterhalb des problemloses Agieren. Auf die Befehlseingabe, sich Monatssalärs eines mäßig begabten NBA-Profis; rund an einen bestimmten Punkt zu bewegen oder ein be- 250 000 US-Dollar waren es bisher. Doch der Anfang stimmtes Ziel anzugreifen, bekommt der Spieler von ist gemacht und Computerspielereien gelten nicht den Soldaten ein akustisches Feedback („Schon in Ar- länger als brotlose Kunst. (Lober 1998.146) beit!“ usw.). Die grafisch einfach gehaltenen Spiel- landschaften variieren zwischen Bergen, Wäldern, Die Herausforderungen der 3D-Ego-Shooter liegen in Flüssen und Dörfern. unterschiedlichen Bereichen. Zunächst muss der Spie- ler die Kämpfe mit den Gegnern bestehen. Er muss Das Verschieben des Kartenausschnitts und das Bewe- sich als der Schnellere und Bessere erweisen. Aufge- gen der Spielfiguren geschieht flüssig über die Maus. sammelte Zusatzobjekte helfen die Kämpfe besser zu Obwohl die Maussteuerung für ein Spiel ausreicht, bestehen. Diese beiden Handlungstypen: „kämpfen können zusätzlich einige Funktionen über die Tasta- und sammeln“ bewirken während des gesamten tur aufgerufen werden. Gespielt wird in Echtzeit, d.h. Spiels permanente Spannung, denn überall lauern ge- das Programm setzt alle Befehle unmittelbar spiel- fährliche Monster und befinden sich wichtige Objek- beeinflussend um. Die Levelstruktur führt die Spieler te. Schließlich gilt es noch, den Ausgang aus dem La- langsam an die Komplexität des Spiels heran und byrinth zu finden. Dazu ist räumliche Orientierung macht sie so mit den verschiedenen Einheiten und ih- zwingend notwendig. Der Spieler muss wissen, wo er ren Möglichkeiten vertraut. sich befindet und wohin er gehen will. Die Spielfigur in DOOM will wieder „nach Hause“ geführt werden. Es gibt eine Auswahl von unterschiedlichen, modernen Musikstücken, die auf die jeweilige Spielhandlung ab- gestimmt sind und nach Wunsch auch abgeschaltet 1.3.2 COMMAND & CONQUER werden können. Die Klang-Effekte unterstützen wir- kungsvoll das Geschehen auf dem Bildschirm, z.B. mit Ein klarer Trend zum Genre der Echtzeitstrategie- Schieß- und Explosionsgeräuschen und Kommando- spiele lässt sich seit der Veröffentlichung von COM- bestätigungen. Während in der internationalen und in MAND&CONQUER bei den jugendlichen Bildschirm- Deutschland nicht unter 18 Jahren freigegebenen Ver- spielern erkennen. Alle weiteren Nachfolger sion von COMMAND␣ &␣ CONQUER 2 die Soldaten beim verfahren nach demselben Spielprinzip: Zwei globale Sterben schreien und rotes Blut bluten, ersetzte der Mächtegruppen stehen sich gegenüber und bekämp- Hersteller in der dt. Version die Soldaten durch Robo- fen sich mit allen zur Verfügung stehenden militäri- ter (lt. Anleitung), die schwarzes Öl „bluten“.26 schen Mitteln bis zur Vernichtung, um in der Welt die Vormachtstellung zu erringen. Der Spieler wählt eine Das Spiel bietet verschiedene Spieloptionen. Im Ein- dieser beiden Seiten und muss im Einzelspiel verschie- Personen-Spiel, dem Missionsspiel, entscheidet sich dene „Missionen“ steigenden Schwierigkeitsgrades der Spieler zunächst für eine Seite, die „gute“ oder ausführen. Zwischen den einzelnen Levels werden die „böse“. Dabei wird im Vorfeld dargestellt, welche filmartige Sequenzen gezeigt, welche die Rahmen- die gute Seite und welche die böse Seite ist. Galt es in handlung bilden und den Spieler im „Spielbann“ hal- ten sollen. Diese Sequenzen ähneln in einigen Fällen tagesaktuellen Kriegsberichterstattungen, wie sie in Fernsehnachrichten und politischen Magazinen üblich sind. Des weiteren benutzt das Spiel Filmelemente, die aus einschlägigen Kriegsfilmen bekannt sind, z.B. die Einsatzbesprechung vor der militärischen Aktion, das sogenannte „Briefing“.

Im eigentlichen Spiel sieht der Spieler auf dem Moni- tor nur einen mit der Maus verschiebbaren Ausschnitt des Spielfeldes, auf das von schräg oben herabge- blickt wird. Der Rest der Landkarte erscheint zunächst auch als schwarz, da die Einheiten des Spielers erst vorrücken und das Gelände erkunden müssen. Die Lage der gegnerischen Basis ist somit zu Spielbeginn unbekannt. Am rechten Rand des Bildschirms dient Abb. 11: Das Erntefahrzeug (unten links) wird gut bewacht.

13 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6

COMMAND&CONQUER, die Welt auf der Seite der „Das funktioniert technisch hervorragend, ist gut ver- „Global Defensive-Initative“ (GDI) der Vereinten Na- ständlich, die Handhabung übersichtlich. Die Spiel- tionen gegen die „böse“ Bruderschaft von Nod zu anforderungen steigen von Mission zu Mission. Der verteidigen, hieß der Aggressor in COMMAND & Umfang der Handlungsmöglichkeiten (Bau von Ge- CONQUER 2 Russland, gegen den sich die Alliierten bäuden und militärischen Einheiten; Bewegen der zur Wehr setzten. Die beiden Seiten unterscheiden Einheiten und Einleiten von Kampfsequenzen) ist op- sich jeweils nur hinsichtlich der verschiedenen Waffen timal auf das Spiel abgestimmt. Durch den Missions- und Kampfeinheiten, nicht in ihren Zielen. Charakter bleibt das Spiel bis zum Ende spannend und abwechslungsreich. Die Missionen ähneln sich zumeist. Mit einer zunächst kleinen Gruppe militärischer Einheiten (z.␣ B. Infanterie, Grafik und Sound, also die äußeren Merkmale des Panzer und Baufahrzeug) gilt es, eine Basis Spiels, erreichen ein ähnlich hohes Qualitätsniveau. aufzubauen und sie gegen gegnerische Angriffe zu Zur „Auflockerung“ des militärischen Geschehens verteidigen. Dies bietet die Grundlage für eigene gibt es die Einheit „Commandobot“ mit „coolen“ Expansionen und Angriffe gegen die feindliche Basis, Sprüchen, die aus der Waschküche einer Militär- die erobert oder zerstört werden muss.27 Durch eigene klamotte stammen könnten.“ (Fehr/Fritz 1997a) Finanzmittel werden Waffeneinheiten und Gebäude produziert, die für den Ausgang der Kämpfe entschei- Das Leid der Zivilbevölkerung wird in COMMAND & dend sind. Das Finanzbudget vermehrt sich durch Ab- CONQUER ausgeblendet. Zwar gibt es im ersten Teil bau eines Rohstoffes, der auf der Landkarte verteilt einige „böse“ Nod-Missionen, in denen Dörfer mit ih- wächst.28 Da auch die feindliche Partei versucht, den ren Bewohnern vernichtet werden sollen, doch be- geldbringenden Rohstoff abzuernten, um die eigenen schränkt sich der Bildschirmkrieg auf eigenes Aufrü- Möglichkeiten zu vergrößern, begleitet die militärische sten und Ausschalten der Gegner. Schmerzen und Auseinandersetzung auch immer ein Kampf um die Verletzungen der Soldaten kommen wie die Schäden Rohstoffe. Nach der Reduktion des Spielprinzips ähnelt an Panzern und Gebäuden nur in funktionaler Weise dies dem „kämpfen und sammeln“-Prinzip der oben zum Ausdruck. Jede Einheit verfügt über einen besprochenen 3D-Ego-Shooter. „Lebensbalken“, der von grün über gelb zu rot die verbleibende Lebenskraft anzeigt. Der vom Computer gesteuerte Gegner versucht von Anfang an, die Einheiten der Spieler zu vernichten. Dieser Bedrohung kann prinzipiell nur aggressiv entge- 1.3.3 Warum spielen Kinder und Jugendliche gengewirkt werden: Die Angreifer müssen vernichtet Bildschirmspiele mit Gewaltinhalten? – werden. Das bedeutet, dass der Spieler bereit sein Fünf Thesen muss, sich auf eine kriegerisch-aggressive Auseinander- setzung einzustellen. Eine friedliche Konfliktlösung Die beiden genannten Gewalt-Spiele erfreuen sich sieht COMMAND&CONQUER nicht vor. Es gibt zwar im unter Kindern und Jugendlichen einer hohen Beliebt- Netzspiel-Modus29 die Möglichkeit, sich mit einer ande- heit. Bevor Pädagogen jetzt aber zu der schon oben ren Partei zu verbünden. Die Bündnisse nutzen die erwähnten Bewahrpädagogik greifen und Kinder und Spieler aber nur, um in Ruhe eine große Basis aufbau- Jugendliche im Sinne des gesetzlichen Jugendschut- en zu können und so eine bessere Position für den zes daran hindern, sich mit solchen Spielen zu be- Endkampf zu haben, oder um zunächst alle anderen schäftigen, sollte meiner Ansicht nach zunächst erst Gegner zu besiegen und dann allein um den Endsieg einmal betrachtet werden, woher die Faszination von spielen zu können. Strategisches und taktisches Den- Kindern für diese Bildschirmspielgewalt rührt. Im Lau- ken sind hier im Gegensatz zu den 3D-Ego-Shootern fe der Jahre sammelte ich verschiedene Thesen zu unverzichtbar. Es drängt sich der Vergleich zum dem Thema, deren Inhalte bei der Entwicklung des Schach-Spiel auf, aber hier vollzieht sich dieses Denken „Hardliner“-Ansatzes Berücksichtigung fanden. Im im Rahmen einer Hightech-Mentalität. Nach einer kur- folgenden werden diese kurz dargestellt und tragen zen Zeit spielen einfache „Fußsoldaten“ (Infanterie) vielleicht zum Verständnis bei.30 im Grunde keine Rolle mehr. Es kommt vielmehr dar- auf an, neues und wirkungsvolleres Kriegsgerät wie Panzer, Flugzeuge, Kreuzer oder Atom-Raketen zu Undurchschaubare Vermischung ablehnender und an- entwickeln und gezielt einzusetzen. nehmender Impulse

Die Spielerfaszination entsteht durch verschiedene Eltern und Erzieher versichern den Kindern ihre Liebe, Faktoren, zu denen auch die spielerische Qualität ge- während sie so handeln, als hassten sie diese (aus hört, die nicht unwesentlich zur Spielmotivation bei- Sicht des Kindes). Vermischung der Interessen der El- trägt. Fehr und Fritz beurteilten die spielerische Qua- tern mit den Interessen und Lebensbedürfnissen der lität wie folgt: Kinder irritiert die Kinder. Haake führt zur Verdeutli-

14 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden chung einer solchen Situation einen Dialog zwischen Annahme und Imitation der Erwachsenenwelt einer Mutter und ihrem Sohn Andreas an: Die alltägliche Politik ist nicht nur in der Phantasie Mutter: Weißt du, Andreas, das ist so, wenn man dich ständig mit Krieg beschäftigt. Gerade zur Zeit des zuviel lobt, dann nützt dir das auch nichts, dann Kosovo-Konflikts, in der dieser Text niedergeschrie- machst du es immer schlechter, dann, oder? ben wird, zeigt das Lernmodell der Erwachsenen, wie Na, na, na Andreas, ich hab’ dich schon oft gelobt, Krieg geführt wird. Die Reaktionen der erziehenden und das hat dir auch nichts genützt. Wenn ich aber so Erwachsenen beweist, wie „normal“ Krieg selbst auf richtig schimpfe einmal wieder, dann reißt du dich dem eigenen Kontinent ist. Die schrecklichen Bilder schon zusammen, gell. Stimmt das nicht? des Kosovo-Konflikts werden täglich in die Wohn- und Kinderzimmer übertragen, „aber sie bleiben ste- Andreas: Bei dem winzigen Lob, was du ... ril verpackt hinter dem Bildschirm.“ (Struck 1999) Für viele Kinder haben sie den Charakter eines gewalt- Mutter: Na, na, na. Schau Andreas, ich meine nur das reichen Videospiels, zumal wenn ihr sonstiger Alltag bloß gut. Ich sag’ dann oft, schau, wenn du möchtest, in den eingefahrenen Bahnen bleibt, wenn sich Be- dann könntest du es noch besser. Du bemühst dich troffenheit bei vertrauten Bezugspersonen nur sekun- manchmal zu wenig. denlang breitmacht, um dann wieder in geschäftige Routine überzugehen. Für den „normalen“ Krieg be- Andreas: Was, noch besser? Als gut? Noch besser als durfte es jedoch nicht erst der Kosovo-Krise. Auch da- gut?« (Haake 1987) vor war die gesamte Zivilisation mit Kriegssymbolik durchsetzt, die Sprache transportierte die Symbole Dem Wunsch der Kinder und Jugendlichen nach Ein- kriegerischer Auseinandersetzungen, die Kriegskultur deutigkeit kommen Bildschirmspiele mit Gewalt- prägte Trends und Moden.33 Dies kann von Seiten der inhalten in besonderem Maße entgegen. QUAKE ist Kinder und Jugendlichen als Anzeichen dafür gewer- nach einem klaren „Schwarz/Weiß-Prinzip“ aufgebaut, tet werden, dass Krieg nicht nur etwas ist, das verhin- in dem es gilt, die „Bösen“, also die gegnerischen dert werden soll, sondern eine gewisse Attraktivität Monster, unter Einsatz aller verfügbaren Waffen zu beinhaltet, die auch auf Erwachsene wirkt. Kurz: Die vernichten, nicht zuletzt um nicht selber getötet zu Kriegskultur wird nicht von Kindern, sondern von Er- werden. Hier steht fest, wer der Feind ist, hier steht wachsenen geschaffen, wie auch alle Kriegsspiel- fest, mit welchen Mitteln in dieser Beziehung zurück- zeuge, -filme und -bildschirmspiele. Kriegsspiel geschlagen werden darf, und hier steht auch fest, dass „wegzupädagogisieren“, was in Deutschland späte- der Spieler selbst eindeutig „gut“ ist. Die Gegner bie- stens seit dem 2. Weltkrieg geschah, schafft nicht den ten keine Möglichkeit zur Kommunikation und zum Krieg ab. Zudem wäre die Abrüstung im Kinderzim- Aushandeln einer befriedeten Situation, von der beide mer allein nur moralische Doppelzüngigkeit in einem Seiten profitieren. Der Spieler greift nicht zuerst an31, Land, welches weltweit dritter Rüstungsexporteur ist. sondern er wird angegriffen. Zudem wird er von meh- reren Gegnern gleichzeitig angegriffen, und somit be- findet er sich in einer Notwehrsituation, in der einzig Beziehungslosigkeit „legitimen“ Situation, in der Aggressionstabus jeden- falls in der Volksmeinung aufgehoben sind.32 Das virtu- Wenn die Erwachsenenwelt zunehmend von Gewalt, elle Ausüben von Gewalt hat auch nicht die Konse- Aggression, Unverständnis und Rücksichtslosigkeit quenz, dass das trotz aller Ambivalenzen geliebte gerade auch gegenüber Kindern und Jugendlichen Objekt, etwa die Eltern, wirklich zerstört wird. Von geprägt ist, dreht sich die Rüstungsspirale im Kinder- dieser These ausgehend wären vielleicht auch andere zimmer immer schneller. Die vom Kinder- und Jugend- gesellschaftliche Systeme mit einem Erziehungsauf- schutz mit bewahrpädagogischen Absichten errichte- trag, wie beispielsweise die Schule mit ihrer Kontrolle ten Mauern zwischen Kinder- und Erwachsenenwelt der Lernmotivation durch Belohnung und Bestrafung, sind spätestens im Zeitalter des Kabel- und Satelliten- auf solche Ambivalenzen hin zu untersuchen. Die Aus- fernsehens zusammengebrochen. Die Medien schaffen sage von Kindern und Jugendlichen: „Wenn ich von Brücken zwischen der behüteten und abgeschirmten der Schule komme, muss ich mir erst eines von den Welt der Kinder und der Welt der Erwachsenen, wel- Ballerspielen reinknallen. Ich brauch das einfach“ che unter anderem auch von Krieg, Folter und Verge- (Sacher 1994) weist meines Erachtens auf ein Schul- waltigung geprägt ist. Die Kinder und Jugendlichen, prinzip hin, welchem die oben erwähnte Eindeutigkeit die solche Fetzen der Erwachsenenwelt durch die Me- abhanden gekommen ist. dien erfahren, haben Verständnisprobleme und Fragen zu diesen Themen.

„Ich meine – die ganze Welt scheint im Moment ein bißchen merkwürdig. Ihr seht doch auch, was im

15 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6

Fernsehen los ist, oder nicht? Wie kann man zu den 1996.182) So lässt sich beispielsweise auch aus der Guten gehören, wenn man anderen Menschen Bom- Sicht des Videospiel-Herstellers Nintendo der erste ben direkt in die Schornsteine wirft? Und massenhaft große Erfolg 1981 mit dem Spiel DONKEY KONG da- Leute in die Luft jagt, nur weil sie sich von einem Ver- durch erklären, dass der Programmierer Shigeru rückten tyrannisieren lassen?“ (Johnny zu seinen Miyamoto erkannte, dass sich beliebte Märchen, My- Freunden in Pratchett 1996) then und literarische Stoffe auch für Videospiele eig- nen. „Und er sah, dass die Spieler weniger Super- Die Erwachsenen, die oft selbst keine Antwort auf die helden verlangen, sondern Figuren, mit denen sich Ohnmacht in ihrem Alltag wissen, verweigern sich jeder identifizieren kann. So entstanden Charaktere dem Gespräch mit den Kindern. In ihrer Verzweiflung wie Super Mario.“ (Nintendo 1994) In dem „Fundus wenden sich Kinder aufgrund der Verweigerung der der menschlichen Geistesgeschichte als Rumpelkam- Erwachsenen gegenüber ihren Fragen und Ängsten mer“ (Bergmann 1996.182) übernimmt das „Böse“ im wieder den Medien zu, auch als öffentliche Ansprech- Bildschirmspiel und der Kampf des Spielers als „Gu- partner. Eine Redakteurin der Kindernachrichten- ter“ die gleichen Funktionen wie im Märchen (nach sendung „logo“ vom Zweiten Deutschen Fernsehen Seeßlen 1993): erklärte zu einer nach dem Golfkrieg herausgegebe- • Verteidigung des ICH gegen die Kräfte des ÜBER- nen Sammlung von Kinderzuschriften: „Das hat uns ICH und ES; am meisten erschreckt: dass viele Kinder schrieben • Darstellung des Verborgenen und Verdrängten in >vielen Dank, dass ich euch schreiben darf – das tut der Alltagswelt; mir gut, denn sonst hört mir keiner zu<“ (Schultz • direktes Ausleben der eigenen „bösen“ Impulse, 1992.182 ). In Bosnien spielten auffällig viele Kinder von denen man durch ein vorher genau festgeleg- während und nach der Katastrophe Krieg, nicht weil tes Statement weiß, dass sie nicht „wirklich“ sind; sie Krieg für gut und nachahmenswert hielten, son- • der Versuch, das Böse zu beseitigen, sich ihm ge- dern weil das Durchlittene ein zum Verstehen führen- genüber als das Stärkere zu erweisen; des Gespräch benötigt, das sie aber kaum unter sich • Ablösung von Eltern und Kindern (und Müttern?), führen konnten und das die Erwachsenen ihnen aus die schon im Märchen angelegt ist und viele Pro- falsch verstandener Fürsorge oder aus eigener Hilflo- dukte der Jugendkultur durchzieht. sigkeit und Überforderung vorenthalten haben. „Was bleibt, ist das Spiel“ (Struck 1999) oder Gewalt als Die Aufgabe des Helden ist in zahlreichen Spiel- Verarbeitung. Schulleiter berichten, dass seit Kosovo konstruktionen von „heiliger Notwendigkeit“ und oft die Gewalt unter Kindern und Jugendlichen wieder geht es um die Rettung der Welt durch „Erlösung“ zunimmt. „Der schleswig-holsteinische Innenminister von üblen Monstern und magischen Bedrohungen Wienholtz behauptet gar, jeder dritte Hamburger (Ströter-Bender 1997). Schüler trage derzeit eine Waffe bei sich.“ (Struck 1999) Die Kämpfe Gut gegen Böse sind blutig und gewalt- tätig, wie sie es in der Literatur auch schon immer wa- Wahrscheinlich werden sich Kinder und Jugendliche ren. Die jugendlichen Bildschirmspieler stellen sich erst von Bildschirmspielen mit Gewaltinhalten zu an- deshalb vielleicht berechtigt die Frage, warum denn deren Themen hinwenden, wenn es den Pädagogen nun gerade ihr Medium und nicht auch andere Medi- und Erwachsenen gelingt, tragfähige Beziehungen en mit Gewaltinhalten indiziert werden. herzustellen, in denen sie sich auch den Fragen und Problemen von Kindern und Jugendlichen stellen und „Vielleicht spiele ich ja deswegen gerne alle mögli- „Reibung“ zulassen. chen 3D-Shooter, weil ich sowas in der Schule lesen musste: „Da wieder traf des Peritoos Sohn, der starke Polypoites, / Mit dem Speer den Damasos durch den Bildschirmspiele als Überlieferung von Mythen Helm, den erzwangigen. / Und nicht hielt der eherne Helm ihn zurück, sondern durch und durch / Zerbrach „Kinder brauchen Märchen“ so der Buchtitel eines die eherne Spitze den Knochen, und das Gehirn / bekannten Werkes von Bettelheim. Märchen entspre- Wurde drinnen ganz mit Blut vermengt, und er be- chen zum Teil den Bedürfnissen der Kinder. Märchen zwang ihn im Ansturm. / Und darauf erschlug er den zeigen ihnen, dass schreckliche Dinge im Leben verän- Phylon und den Ormenos.“ Oh Gott – indiziert die derbar sind, d.h. „dass unheile Welten auch wieder Illias von Homer.“ (Leserbrief in GAME STAR 98.145) heilen, was die Grundlage unserer Hoffnung dar- stellt“ (Bleyer/Löschenkohl 1996). Programmierer und Designer übernehmen tradierte Mythen und Inhalte Ausleben männlicher Prinzipien in Bildschirmspiele. „Das ästhetische Reservoir dieser animierten Figuren stammt direkt aus dem tiefsten Das klassische Männerbild erlebte durch die feministi- Grund der Menschheitsgeschichte.“ (Bergmann sche Bewegung Anfang der 80er Jahre eine Demonta-

16 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden ge. Die drei Funktionen des Mannes als Beschützer, 1.4 „Hardliners“ – Zeit der Helden Erzeuger und Ernährer werden heutzutage auch von Frauen oder von staatlicher Seite übernommen. Unse- 1.4.1 Vorbemerkung re Gesellschaft im ausgehenden 20. Jahrhundert bie- tet nicht nur kein taugliches Männerbild für Jungen, Als Fazit aus den eben genannten Thesen ziehe ich sondern auch einem Stadtjungen keine Jagden, we- den Schluss, dass Pädagoginnen und Pädagogen bei der symbolische noch andere. Aber der Antrieb zu ja- der Problemstellung „Gewalt in Bildschirmspielen“ gen und zu töten, so die These einer Männer- nicht mit Kindern und Jugendlichen arbeiten müssen, bewegung, welche als „mythopoetisch“ (Winter sondern mit Jungen. Folgende Punkte lassen diese 1997.151) bezeichnet wird, lebt in den genetischen Schlussfolgerung nachvollziehen: Impulsen weiter. • Mädchen lehnen Bildschirmspiele mit Gewalt- inhalten ab. In der Befragung von 1996 wurden Der Wettkampf auf den Autostrassen um Über- und „Ballerspiele“ von 82,4␣ % und Wirtschafts- und Unterordnung, Jagd und Gejagtwerden, Triumph und Kriegssimulationen sogar von je 94,1␣ % der weibli- Demütigung in der imaginären Überwältigung durch chen Befragten abgelehnt. Jungen kannten mit das Überholen, zeigt die missliche Seite des atavisti- insgesamt 136 Bildschirmspieltiteln mit Gewalt- schen Beute-Urverhaltens. Was in den Frühzeiten der inhalten dreimal so viele wie die Mädchen. Davon Menschheit überlebensnotwendig war, läuft heute wurden von den Jungen 64,7␣ % als positiv bewer- weitgehend leer aus. Trotzdem ist dieser Trieb nicht tet und nur 18,4␣ % abgelehnt. erloschen. (Benesch 1992.117) • Echtzeitstrategiespiele mit kriegerischem Inhalt interessieren Mädchen nicht. Die Auswertung des Unsere westliche Gesellschaft bietet für die „jungen Fragebogens (s. a. Fragebogen zu „Bildschirmspiel- Krieger“ keinen Raum. „Wo kein Raum für junge kenntnisse“ im Anhang) der Klassen im Praxis- Krieger existiert, schaffen sie sich einen“ (Elwert beispiel ergab, dass fast alle Jungen Echtzeit- 1998.51) oder sie kaufen sich einen in Form von Bild- strategiespiele wie Z, COMMAND&CONQUER und schirmspielwelten. Die Kompromisslosigkeit, mit der AGE OF EMPIRES kannten. Den Mädchen waren die kleine Jungen von Kampf, Wettkampf und Macht fas- Titel unbekannt.34 Fritz/Fehr kommen in ihrer Be- ziniert sind, findet in ihren Kriegsspielen und -spiel- sprechung des Spiels COMMAND&CONQUER zum zeugen ihren klassischen Ausdruck. Einen Beweis für Ergebnis, dass das Spiel insbesondere auf männliche die nicht enden wollende Begeisterung kleiner Jun- Spieler ab etwa 14 Jahren sehr große Faszinations- gen für das „Totschießen“ kann man in dem unge- kraft ausübt. „Das lag u.a. daran, dass mit dem heuren Erfolg sehen, den Produzenten haben, die Spiel der Ehrgeiz angestachelt wird, von Level zu den Kampf auf der Mattscheibe in Szene setzen und Level voranzuschreiten.“ Volker Wertich, Spiel- das Muster „kämpfen und sammeln“ aufnehmen. entwickler der deutschen Firma Blue Byte, beobach- „[...] the games replicate a major myth of human tete Frauen, die das Echtzeitstrategiespiel DIE SIED- nature, namely, that we as a species are `man the LER spielten. Frauen bauen zunächst gemäß der hunter´. In the games, you literally cannot survive Spielanleitung die Infrastruktur im Spiel auf, „fan- without killing.“ (Gailey 1996.17) Das Bild des Be- gen allerdings sofort eine neue Partie an, sobald schützers und Versorgers lebt in dem kleinen Jungen der Computerspieler sie angreift.“ (Deppe 1998.29) fort und sucht sich in Kampfspielen und Macht- symbolen seine Ventile. Andere erreichbare und le- bendige Männervorbilder fehlen. Lediglich die Medi- en bieten ihm Vorbilder wie die Figur des Rambo, jedoch „Was Rambo vormacht, darf niemand nach- machen.“ (Elwert s.o.) Vielleicht aber virtuell...

Abb. 12: DIE SIEDLER – Frauen bauen nur auf, kämpfen aber nicht

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• Das Grundmuster von DOOM – ein Einzelkämpfer größere Rolle spielen als bei Mädchen (Paus-Haase besiegt mit magischer und technischer Hilfe das 1998.172). Bildschirmspiele wirken damit als Sozi- Böse –, gibt es in unterschiedlichsten Variationen alisationsagenten, indem sie Identifikationsangebote auch in anderen Bildschirmspielen (und natürlich machen, die von Jungen auch dazu benutzt werden auch in anderen Medien), aber selten in der Per- können, ihre Geschlechtsrollen-Identität zu entwik- fektion, mit der die Idealfigur des „einsamen Wol- keln. Die elektronischen Spiele liefern damit nicht nur fes“ in DOOM in Szene gesetzt wird (Schindler/ die Inhalte der Abenteuer. Sie übernehmen in der Wiemken 1997). Der „einsame Wolf“35 ist ein ty- adoleszenten Phase die Funktion des Helfers. Für Päd- pisch männliches Konzept, das vor allem Jungen agogen gibt es meines Erachtens mit Blick auf den anspricht, die gerne groß, stark und mächtig sein Heldenmythos zwei Möglichkeiten, Jungen zu helfen. wollen.36 Entweder sprengen sie den Abenteuermythos auf und holen die Jungen aus der Entwicklungsspirale38 • Die Spiele werden größtenteils von Männern pro- oder sie versuchen die Helferfunktion zu überneh- grammiert, die wiederum ihre Themen transpor- men. tieren. 90 % aller Bildschirmspiele weisen daher nur männlichen Helden und Gegnern eine aktive Rolle zu (Ströter-Bender 1997.209). Frauen erschei- 1.4.2 Hardliner-Konzept nen in den Spielen entweder wie die erwähnte Figur Lara Croft als gestählte Jungfrau und Ama- Der von mir entwickelte „Hardliner“-Ansatz eignet zonin, als helfende Mutter oder als zarte und vom sich für die Arbeit zum Thema Gewaltprävention mit Spieler zu befreiende Prinzessin. Das Thema „Va- außerschulischen Gruppen und als Idee für Projekt- terlosigkeit“ taucht in den letzten Jahren immer wochen und Bildungsfahrten für Schulklassen. Im Ge- öfter als Spielinhalt auf. Entweder muss direkt der gensatz zu den Umsetzungen des oben geschilderten tote Vater gerächt, ein Heilmittel für den verletz- „Breaking the Rules“-Schemas sollte er nicht von un- ten oder erkrankten Vater besorgt oder der ent- geschulten Lehrern und Pädagogen durchgeführt führte Vater befreit werden. Indirekt geschieht werden.39 Der „Hardliner“-Ansatz kommt Rölls Forde- dies über symbolische Stellvertreter wie getötete rung an die Medienpädagogik entgegen , „[...] Bedin- Staatsoberhäupter, Könige usw. gungen zur Verfügung zu stellen (Räumlichkeiten, Projektzusammenhänge, aber auch Navigations- • In der Mediendiskussion Mitte der 80iger Jahre ent- hilfen) sowie Bezüge zwischen den mythischen und stand der Mythos vom „Computerkid“, das verein- symbolischen Kontexten der Medien und den aktu- samt Nächte vor dem Computer verbringt und ellen gesellschaftlichen Lern- und Problemzusammen- Computerspiele spielt. Natürlich ist dieser Mythos hängen herzustellen.“ (Röll 1998.418) Die Konzen- überzogen, findet aber in dem sogenannten tration liegt im Gegensatz zum „Breaking the „Männlichkeitsdilemma“ Übereinstimmungen. Rules“-Ansatz auf der Umsetzung von gewaltver- Böhnisch und Winter identifizieren acht Prinzipien herrlichenden Bildschirmspielen. Dabei werden die für die Bewältigungsmuster von Mannsein. oben genannten fünf Thesen für die Gründe des (Böhnisch/Winter 1993.S.128ff). Neben der „Zurich- Spiels von Bildschirmspielen mit Gewaltinhalten kon- tung auf männliche Außenorientierung“ lauten die sequent mit einbezogen: Prinzipien Gewalt, Benutzung, Stummheit, Allein- sein, Körperferne, Rationalität und Kontrolle. Jun- • Eindeutigkeit: Die kurzzeitpädagogischen „Hard- gen, die unter diesem Dilemma zu leiden haben, so liner“-Angebote richten sich immer an Gruppen. meine These, entsprechen dem Mythos des Gesprächsrunden und gemeinsames Arbeiten gehö- „Computerkids“. Für sie stellt der Computer das ren zu den tragenden Elementen in der Gruppenar- ideale Werkzeug dar, um das Dilemma auszuleben. beit. Notwendigerweise sprechen wir40 mit den Teil- In den elektronischen Abenteuern versuchen sie im- nehmern zu Beginn einer Maßnahme die Regeln mer wieder, erneut Herr der Lage zu werden und ab, die einerseits für die Gruppenarbeit unerlässlich den endgültigen Sieg, den „Schatz“, zu finden: sind (z.B. „In Gesprächsrunden redet nur einer, und Er dachte an CD-ROMs, die er im Waisenhaus er- die anderen hören zu.“) und andererseits vom Haus kundet hatte: Spukschlösser, auf monströse Weise vorgegeben sind (z.B. Nachtruhezeiten). Diese Re- verseuchte, aufgegebene Raumfahrzeuge im Orbit geln werden in einem Arbeitsvertrag festgehalten ... Hier anklicken. Da anklicken. Und irgendwie (s. a. den Vertrag im Anhang) und von den Teilneh- hatte er immer das Gefühl gehabt, dass er nie das mern und den Kursleitern unterschrieben. Zu der zentrale Wunder fand, jenes Etwas, dessentwegen These Undurchschaubare Vermischung ablehnen- sich die Jagd gelohnt hätte. (Gibson 1999.262) der und annehmender Impulse kommt es unseres Erachtens, weil die Kinder und Jugendlichen in ihrer Männerbilder als „Vorbilder“ nehmen sich die Jungen Alltagswelt oft gegen unausgesprochene und nicht aus Medien, die in ihrem Lebensalltag eine wesentlich definierte Regeln verstoßen. Klare Verhältnisse

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schafft beispielsweise das Erstellen eines gemein- wie Waffen, Blut oder Soldaten oder die brutalen samen Vertrags zwischen Pädagogen und Kindern Merkmale (explodieren, erschießen usw.) werden bzw. Jugendlichen, der sich in Rechte und Pflichten benannt und auf ihre Umsetzbarkeit in die Wirk- aufgliedert. Nach den Rechten und Pflichten spre- lichkeit hin überprüft. Bald finden Teilnehmer her- chen wir mit den Teilnehmern die Konsequenzen aus, dass DOOM und QUAKE in ihrer Dynamik ei- bei einer Regelverletzung durch. Dabei wird mit nem „Räuber-und-Gendarm-Spiel“ gleichen. Der Mahnungen, mit körperlichen Erinnerungen und Reiz liegt darin, einen Spielpartner zu suchen, ihn materiellem Verlust gearbeitet.41 Die Arbeitsbedin- zu jagen und ihn überraschend zu stellen. Dieses gungen sind vorher für jeden Teilnehmer klar „Spielmuster“ durchzieht sehr viele bekannte Kin- durchschaubar. Der Arbeitsvertrag bietet den Teil- derspiele und Bewegungsspiele. nehmern Sicherheit und sorgt für Eindeutigkeit hin- sichtlich unserer Position ihnen gegenüber. Sie sind • Beziehungen aufbauen: Der oben erwähnten Be- selbst verantwortlich für ihr Tun. Die Ermahnungen ziehungslosigkeit treten wir mit Arbeitsmethoden unsererseits helfen ihnen bei ihrer Selbstwahr- aus der außerschulischen Jugendarbeit entgegen. nehmung. Der wichtigste Aspekt dabei ist, dass die Teilneh- mer von uns ernst genommen werden. Dies stellt • Kriegsspiel: Aufgrund der Kenntnisse über den eine Grundbedingung dafür da, dass sie auch uns Stand der Kinder und Jugendlichen erscheint es ernst nehmen. Dabei versuchen wir jederzeit jedes uns als paradox, so zu tun, als ob es Krieg und Thema, welches uns von Seiten der Teilnehmer zu- Kampf nicht gibt. Die Akzeptanz der Tatsache, getragen wird, aufzunehmen. Dass lediglich Ge- dass Kinder und Jugendliche, und hier besonders spräche über Bildschirmspiele zwischen Pädagogen Jungen, Bildschirmspiele mit Gewaltinhalten auf- und Kindern bzw. Jugendlichen andere Beziehun- grund der Annahme und Imitation der Erwachse- gen schaffen, ist schon an anderer Stelle dargelegt nenwelt spielen, ermöglicht ein anderes Gespräch worden.42 Sich für die Interessen für Kinder und Ju- mit ihnen über solche Spiele. Anstatt den bewahr- gendliche zu interessieren, ist bei der Hardliner- pädagogischen Zeigefinger zu heben, reden wir Thematik um so wichtiger, weil wir mit den Teil- mit ihnen über die Gewaltspiele, die sie spielen. nehmern auch über ihre Ängste sprechen wollen Aufgrund ihrer Spielvorlieben werden sie nicht und müssen. Ferner dienen Gedanken wie folgen- „kriminalisiert“ oder etikettiert. Das Problem für de aus dem Profil der erfolgreichen Jugendbil- die in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen Tä- dungsarbeit des Jugendamtes des Landkreises tigen besteht in dem Fall der gewaltverherrlichen- Vechta43 als Hintergrund für die Arbeit mit Grup- den PC-Spiele darin, dass es aufgrund der Indizie- pen in den „Hardliner“-Angeboten: rung durch die BPjS nicht erlaubt ist, diese Jugendarbeit und -bildung hat unter anderem die gemeinsam mit Jugendlichen unter 18 Jahren zu Aufgabe, jungen Menschen die zur Förderung ih- spielen. Da wie oben geschildert der Index jedoch rer Entwicklung notwendigen jugendgemäßen An- bei den Jugendlichen als „geheime Hitliste“ ge- gebote zur Verfügung zu stellen. Sie soll an den handelt wird, trafen wir bei keinem Seminar auf Interessen und Bedürfnissen der Jugendlichen an- Teilnehmer, die kein gewaltverherrlichendes Spiel knüpfen und von ihnen mitbestimmt/ mitgestaltet gespielt hatten. Dies ergaben auch die Befragun- werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen, zu gen der Gruppen und Klassen im Vorfeld durch ei- gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozia- nen Fragebogen (s.a. Fragebogen zu „Bildschirm- lem Engagement anregen und hinführen. Die In- spielkenntnisse“ im Anhang). Die Berücksichtigung halte der Bildungsmaßnahmen richten sich nach der Spielvorlieben und damit eine Annäherung an den jeweiligen Interessen und Bedürfnissen der Ju- die Alltagswelt der Jugendlichen befolgt unseres gendlichen und den gesellschaftlichen Notwendig- Erachtens die wichtige pädagogische Leitprämisse keiten. Die einzelnen Kurse sind inhaltlich weitge- „Kinder und Jugendliche dort abzuholen, wo sie hend eigenständig. Die Grobplanung erfolgt durch sich befinden.“ die Kursleiter. In der Durchführung wird viel Wert Ein fester Programmpunkt im Hardliner-Angebot gelegt auf eine Mitplanung der Gruppe, so dass ist das gemeinsame Spiel am Computer und an das Detailprogramm von den Leitern und der Konsolen. Zumindest einen Vormittag lang spielt Gruppe zusammen erstellt wird. Dabei muss es die Gruppe oder Klasse von uns ausgesuchte Spiele möglich sein, Programme auch schnell zu ändern (s. a. „Exemplarische Bildschirmspielauswahl im und den jeweiligen Gruppensituationen anzupas- Anhang“). Dabei spielen wir auch Spiele, die sen. Es wird in den Kursen nie vergessen, dass alles gewaltverherrlichend sind, aber nicht auf dem In- überragend bei den Kindern und Jugendlichen der dex stehen. Aufgrund ihrer Kenntnisse und des ge- Spaß im Vordergrund steht. Dieser Spaß ist voll- meinschaftlichen Spiels analysieren wir gemeinsam kommen legitim und auch für uns sehr wichtig. mit den Teilnehmern Spiele wie DOOM oder COM- Die Gruppenleiter tragen unsere Idee der „sozia- MAND&CONQUER. Die einzelnen Spielelemente len Bildung“ dadurch mit, dass sie sich als Person

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den Kindern und Jugendlichen stellen. Als Person, nen solche Grundmuster wie „kämpfen und sam- die Vorbild ist, an der man sich reiben kann und meln“ als existentiell gelten. Besondere Bedeu- die Grenzen setzt. Als Person, die andere ernst tung bekommen Erwachsene dadurch, dass sie nimmt und bereit ist, eine Beziehung aufzuneh- Raum (in unserem Fall Schulen oder Gelände) men. (Bröer 1998) schaffen und nach außen absichern können. Dieser Raum wird von den Kindern und Jugendlichen als • Geschichten/ Mythen ausleben: Der Kampf „gut ungestört begehbarer und erfahrbarer „Mythen- gegen böse“, die Bildschirmspiele als Überliefe- Raum“ benötigt. Er stellt eine Zwischenstufe zwi- rung von Mythen und die Umsetzung gesellschaft- schen dem alltäglich erlebten realen und dem im licher Grundmuster sind Themen, welches wir in Bildschirmspiel gelebten virtuellen Raum dar. In- Kriegsspiele umsetzen. Hinter dem oben erwähn- nerhalb dieses Raumes ist Platz für Heldentaten, ten Spielmuster „kämpfen und sammeln“ aus Mutproben und Extreme, welche von den Teilneh- DOOM, QUAKE und COMMAND & CONQUER las- mern nicht gleich als lebensbedrohlich empfunden sen sich Handlungsmuster vermuten, die zum werden. Wie ich schon während des „Breaking the Grundbestand menschlichen Verhaltens gehören, Rules“-Ansatzes gemerkt hatte, verursacht bei- und die bei unseren menschlichen Vorfahren zum spielsweise eine einfache Sinnesdeprivation wie Überleben notwendig waren und in Form von My- das Verbinden der Augen eine Unsicherheit und then weitergegeben worden sind. Zwar jagen und Spannung bei den Teilnehmern. Extrem-Situatio- sammeln wir nicht mehr wie unsere Vorfahren, nen wie Hunger, Kälte oder Dunkelheit öffnen die gleichwohl bestimmt dieses Muster zahlreiche Ver- Teilnehmer für neue Erfahrungen und für Gefühle. haltensweisen in unserer Gesellschaft. Im Mittel- Diese Spielbedingungen werden von uns gemein- punkt von Echtzeitstrategiespielen wie COMMAND sam mit den Teilnehmern durchgesprochen und & CONQUER stehen neben der „Erledigung“ (der schriftlich in einem Kriegsvertrag festgehalten (s.a. zahlreichen Feinde) die „Verbreiterung“ (des eige- „Kriegsvertrag“ im Anhang). Teilnehmer beschlie- nen Macht- und Herrschaftsbereichs), die „Berei- ßen z. B., dass es in „ihrem“ Krieg erlaubt ist, cherung“ (mit Wirtschaftsgütern und Geldmitteln) nachts anderen, „feindlichen“ Gruppen Feuerholz und die „Armierung“ (also die Verstärkung der mi- oder das mitgebrachte Essen zu stehlen. litärischen Machtmittel in Hinblick auf Anzahl und Wirksamkeit). Eingebunden sind diese Muster in • Kämpfen: Wir nehmen das „gegeneinander kämp- eine generelle Bewährungssituation, die angeord- fen“ als ein für Jungen wichtiges Ausleben männli- neten Missionen erfolgreich zu absolvieren. Nur cher Prinzipien in unser Spielkonzept mit auf und durch die „Bewährung“ erfolgen Belobigungen, versuchen auch hier, dies in einem vorher abgespro- Beförderungen und neue, noch schwerer zu erfül- chenen, geschützten Raum stattfinden zu lassen. lende Aufträge. Die Spieldynamik „bildet Grund- strukturen und Muster gesellschaftlichen Handelns Wichtiger Bestandteil eines Hardliner-Angebotes ist ab“ (Fehr/Fritz. o.J.). Davon ausgehend erstellen die Gegenüberstellung von virtuellem und realem wir als Spielleiter eine Grundstory (s. a. „Grund- Kampf. Dazu wird ein „Beat’em Up“-Wettbewerb konzepte für Schul- und Geländespiele“ im An- veranstaltet. Eine Klasse oder eine Gruppe spielt ge- hang). Wir konstruieren Extrem-Situationen, in de- geneinander ein Konsolen-„Prügelspiel“ nach dem

Abb. 13: 3, ein Beat’em Up, in dem zwei Spieler Abb. 14: Realer Kampf nach Regeln virtuell gegeneinander kämpfen

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K.O.-Verfahren so lange gegeneinander aus, bis die gebrauchten Pistolen. Die Luftpumpen schießen besten zwei übrig bleiben. Diese bekommen nun an- wesentlich ungenauer und sind daher nicht auf geboten, real gegeneinander zu kämpfen. Dazu Entfernung – wie die „Gotcha“-Waffen – zu ge- verlässt die Gruppe den Raum des „virtuellen Kamp- brauchen. Dies bedeutet, dass man näher an den fes“. Der reale Kampf findet in einem mit Matratzen „Feind“ heran muss. Außerdem tun sie nicht so ausgelegten Raum statt. Nach klarer Regelvorgabe „weh“, wie einige Teilnehmer, welche schon über (Schlagen, Treten, Würgen, Schwitzkasten sind nicht „Gotcha“-Erfahrung verfügten, uns mitteilten. Die erlaubt, ein klares Stopp-Zeichen wird vereinbart) Augen, werden durch eine Schutzbrille geschützt. werden die beiden Kämpfer gefragt, ob sie gegen- Bevor wir mit der Gruppe an den Platz des Spielge- einander kämpfen. Wenn nicht, darf sich jeder einen schehens aufbrechen, werden die Teilnehmer von Gegner aus der Gruppe aussuchen. Willigt dieser ein, uns je einmal von vorn und von hinten mit einer knien sie sich, den Rücken zugewandt und die Fuß- Luftpumpe abgeschossen, damit sie merken, wie sohlen aneinandergelegt, auf die Matratzen. Auf ein sich ein Korkentreffer anfühlt und nicht mehr so Start-Zeichen hin beginnt der Ring-Kampf. Nach ein viel Angst davor haben müssen. Als zweite Mög- paar Ringkämpfen machen wir die Teilnehmer dar- lichkeit neben den Luftpumpen ist der Nahkampf auf aufmerksam, dass sie beim Kämpfen lachen. Da möglich. Auch hier sprechen und testen wir mit Kampf und Gewalt, so erzählen wir, aber nicht lustig den Teilnehmern gemeinsam ab, was erlaubt ist. seien, verschärfen wir die Situation. Ein Teilnehmer, Kommt beispielsweise der Wunsch auf, dass Schla- der sich auf die Frage „Wer ist der Stärkste und Mu- gen erlaubt sein soll, geben wir die Frage in die tigste?“ gemeldet hat, setzt sich in die Mitte der Ma- Runde. Sobald einer der Teilnehmer Angst davor tratzen und bekommt von uns die Augen verbun- äußert geschlagen zu werden, verbieten wir das den. Ihm wird mitgeteilt, dass er gleich angegriffen Schlagen in dem Spiel. Durch solche Runden, die wird, allerdings weiß er nicht woher, wann und von sehr intensiv durchgeführt werden, bauen Teilneh- wem. Wenn es im Raum leise geworden ist, werden mer ihre Ängste vor dem Spiel ab. Dennoch ma- ein oder mehrere Teilnehmer mit Handzeichen dazu chen wir es nicht zur Pflicht, dass alle Teilnehmer aufgefordert anzugreifen. Der Angegriffene wird mitspielen müssen. Sehen sich Teilnehmer aus ge- durch den Angriff überrascht, der einem wirklichen sundheitlichen oder anderen Gründen nicht dazu Angriff eher gleicht als der vorherige Kampf. Danach in der Lage, erhalten sie die Gelegenheit, an einem wird der Teilnehmer über seine Eindrücke beim attraktiven Alternativ-Programm teilzunehmen. Kampf befragt. Diese Herangehensweise erlaubt es den Teilneh- mern, ohne Angst vor Schmerzen an dem Spiel Bei der Vorbereitung und dem Erstellen des und an Kämpfen teilzunehmen. Kriegsvertrages für das Schul- oder Geländespiel versuchen wir in Gesprächsrunden den Teilneh- mern die Ängste vor Auseinandersetzungen zu 1.4.3 Arbeitsziel Empathie nehmen. Die Waffen, welche die Teilnehmer be- nutzen, sind abgesägte Luftpumpen mit Korken. Mit dem Hardliner-Konzept versuchen wir die bei Diese „Schusswaffen“ eignen sich mehr für unser Bildschirmspielern begrenzten sinnlichen Erfahrungen Spiel als die in den sogenannten „Gotcha“-Spielen durch authentische Erlebnisse auszugleichen, die das Spielen mit dem Computer begleiten. Da die maschi- nenbasierte Interaktion mit dem Computerspiel nicht auf subjektive Bedeutungen, Wertungen und erfahr- ungsbezogene Orientierungen eingeht und da auf Seiten des Computers dem Spiel mit computergesteu- erten Mit- oder Gegenspielern auch keine Bedürfnis- se, Motive oder Wertungen zugrunde liegen, kann dies nach Dittler/Mandl „beim Spieler zu einer fal- schen Vorstellung von Realität und unangemessenem sozialem Verhalten führen“. (Dittler/Mandl 1994).

Fritz/Fehr bemängelten, dass Bildschirmspiele mit Gewaltinhalten eines nicht vermitteln können: Empathie: Das „Gegenüber“ im Computerspiel fordert nicht zum Mitgefühl heraus, sondern zum taktischen Kal- kül, zum strategischen Denken, zum reaktionsschnel- Abb. 15: Mit Luftpumpen muss man näher heran len und angemessenen Handeln. Computergegner kennen keine Gefühle, sie besitzen keine Empathie.

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Ihr Handeln folgt ausschließlich programmierten Im Hardliner-Konzept versuchen wir zunächst über die Algorhythmen. Computerspieler müssen sich darauf Beschäftigung mit gewalthaltigen Bildschirmspielen, einstellen, wenn sie gewinnen wollen. Und sie tun es Kinder und Jugendliche zu erreichen. Im Laufe der Maß- auch, denn ihr „gutes Gefühl“, das sie im Spiel und nahme versuchen wir über den Transfer verschiedener danach haben wollen, hängt davon ab, keine Empa- Methoden der Jugendarbeit mit den Teilnehmern thie zu entwickeln. Sie müssen lernen, dass Gefühle prozessorientiert an diesen Instanzen zu arbeiten. und Empathie in der virtuellen Welt nichts zu suchen • Die oben erwähnten Arbeitsverträge, die wir mit den haben. Und je „gewalttätiger“ und „brutaler“ die Kindern abschließen, beziehen die drei Stufen mit Spiele sind, umso deutlicher wird dies. (Fehr/Fritz ein. Um beispielsweise ruhig in einer Gesprächsrunde 1997.39) sein zu können und sich damit an die Vertragsregel „Es spricht immer nur einer und die anderen hören Dabei sind aber Lernfelder für die Ausbildung von Em- zu“ zu halten, muss der Teilnehmer Selbstverantwor- pathie unverzichtbar. Empathie ist nur in der realen tung für sich und Verantwortung für die anderen Welt des menschlichen Miteinanders erlernbar und übernehmen, empathisch für die Situation sein. Wir nicht in der virtuellen Welt des Computerspiels. Die bemerken immer wieder bei unserer Arbeit, wie die Entwicklung von empathischen Fähigkeiten ist not- Kinder und Jugendlichen in den Gesprächsrunden wendig für das menschliche Zusammenleben. Empa- während der kurzzeitpädagogischen Maßnahmen thie ist die Fähigkeit sich in das Erleben einer anderen eine bemerkenswerte Arbeitsdisziplin entwickeln, so Person hineinzuversetzen44, also das Vermögen, an sei- dass am dritten Tag auch Gesprächsergebnisse mit nen eigenen Gedanken und Emotionen nachzuempfin- Gruppen von bis zu 54 Kindern möglich sind. den, wie einem anderen Menschen zumute ist. Gole- • Kampfeinheiten wie oben erwähnt, Gruppenspiele man sieht Empathie als einen wichtigen Bestandteil und –übungen unterstützen die Entwicklung von der „emotionalen Intelligenz“ an (Goleman 1997.379). Selbst- und Fremdverantwortung sowie Empathie. Als ein wichtiges Element sehen wir die Körperkon- Anknüpfend an Golemans Modell wird Empathie im taktaufnahme der Kinder und Jugendlichen unter- Hardliner-Konzept als ein Ergebnis von zwei zu er- einander, besonders der Jungen.45 Deshalb beenden werbenden Instanzen angesehen (s. a. Abbildung 16). wir unsere Kampfeinheiten immer auf spielerische Als erste Stufe auf dem Weg zur Empathie dient die Weise mit Partner- und Massageübungen (s. a. im Selbstwahrnehmung und damit verbunden die Selbst- Anhang „Japanisch Ching Chang Chong“). verantwortung. Erst, wenn ich mich selbst, meine Ge- • Das gemeinsame Spiel am Computer und an den fühle, meine Ängste und Verletzungen wahrnehme, Konsolen erlaubt den Teilnehmern, eigene Spiel- erlaube ich auch anderen ähnliche Gefühle und Äng- interessen wahrzunehmen und auszuleben. Fremd- ste zu besitzen. Die Fremdwahrnehmung des verletz- wahrnehmung entsteht dadurch, dass zum einen im- baren Anderen wird bei Ausprägung von der Sorge mer zwei Teilnehmer an einem Gerät sitzen. So gilt um den Anderen begleitet, aus der sich Verantwor- hier, neben den eigenen Interessen auch die Spiel- tung für den Jüngeren, den Ängstlicheren usw. ent- interessen anderer zuzulassen und die Spielfähig- wickelt. Nach dem Durchlaufen dieser beiden Instan- keiten und -kenntnisse anderer kennen zu lernen. zen, wobei der erste Schritt die Selbstwahrnehmung Zum anderen versuchen wir die Anordnung der und der zweite die Fremdwahrnehmung darstellt, Computer- und Konsolenarbeitsplätze so in Kreis- wird als Ziel Empathie erreicht. form einzurichten, dass sich die verschiedenen Zwei- er-Gruppen gegenübersitzen und Augen- bzw. Face- to-Face-Kontakt möglich ist. Wichtig wird dadurch nicht nur das Geschehen auf dem Bildschirm, son- dern auch die Freude oder der Ärger der anderen Gruppen an ihrem Spiel. • Das von uns inszenierte und mit den Teilnehmern gemeinsam vorbereitete Kriegsspiel, das entweder in der Schule oder draußen auf einem Gelände stattfin- det, bietet viele Gelegenheiten, sich selbst oder an- dere kennenzulernen. Die Teilnehmer gehen bis an ihre Grenzen, Ängste werden offenbar. Die auferleg- ten Missionen, die im Spiel abzuarbeiten sind, enden nur erfolgreich, wenn die Kleingruppen zusammen- arbeiten. Dazu müssen die Teilnehmer innerhalb von kürzester Zeit in ihrer Gruppe eine Struktur aufbau- Abb. 16: Arbeitsmodell „Unterstützung von Empathie“ en. In dieser allen Teilnehmern fremden Umgebung nehmen viele sich selbst neu wahr und lernen die Fä- higkeiten der anderen kennen. Für die anschließen-

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de Reflexion des Spiels nehmen wir uns viel Zeit, 1.5 Literaturverzeichnis denn die Teilnehmer sind nach ihren Erlebnissen of- fener als zuvor, selbst die Jungen verlieren einen Baacke, Dieter. 1997. Die Forderung von Medien- Moment lang Teile ihres Schutzpanzers.46 Einige Teil- kompetenz als medienpädagogische Aufgabe. In: nehmer verbalisieren zum ersten Mal deutlich unter- Aktion Kinder- und Jugendschutz Landesarbeits- einander ihre Ängste und Wünsche. An diesen Stel- stelle Brandenbrug e.V. ed. Medien Total. Doku- len beginnt oft mit offenen Gesprächen die mentation der Fachtagung am 5. 11. 1997 in situationsorientierte Arbeit, die den Teilnehmern in Frankfurt/Oder ihrer speziellen Alltagswirklichkeit und ihrem tägli- Benesch, Hellmuth. 1992. Automatenspiele. Heidelberg chen Umgang mit Gewalt hilfreich sein kann. Bergmann, Wolfgang. 1996. Computerkids. Zürich Bleyer, Michaela/Löschenkohl, Erich. 1996. Zanthias Wir Pädagogen können in diesen letzten Gesprächen Zauberei in Kyrandia II im Vergleich mit Märchen, mit den Teilnehmern keine vollständigen Lösungen für anderen Computerspielen und einem Zeichentrick- deren alltäglichen Gewalt-Konflikt anbieten, sondern film. In: Jürgen Maaß. Ed. Computerspiele – Markt erklären uns oft nur solidarisch mit ihnen. Denn auch und Pädagogik. München/Wien. S. 155 - 173 wir als Erwachsene erleben unsere Ohnmacht gegen- Böhnisch, L./Winter, R. 1993. Männliche Sozialisation. über Gewalt im Alltag, lehnen diese ab, können sie aber Weinheim auch nicht immer verhindern. Zumindest befanden wir Breucker-Rubin, Annette/Gerwin, Uwe/Schüssler, Pe- Erwachsene uns, vielleicht für einen Moment nur, auf ter. 1989. Kinder-Spielekartei. Münster. der Ebene der Kinder und Jugendlichen und sie sich auf Bröer, Rudolf. 1998. Jugendbildungsarbeit und prä- unserer. ventiver Jugendschutz des Landkreises Vechta. Veröffentlichung des Jugendamtes des Landkreises Bergmann schrieb im Hinblick auf Bildschirmspieler: Vechta „Keine Wahrnehmung, nicht Augen noch Ohren noch Büttner, Christian. 1988. Gewalt im Spiel, in: Jürgen Intelligenz zwingen dazu, die inneren Bilder von Macht Fritz. Ed. Programmiert zum Kriegsspielen. Bonn und Allmacht an einer anderen als der immanenten Campbell, Joseph. 1978. Der Heros in tausend Gestal- Spielwirklichkeit zu überprüfen.“ (Bergmann 1996.184) ten. Frankfurt Mit Jungen versuchen wir diese tradierten omnipoten- Deppe, Martin. 1998. Die Siedler 3. In: GAME STAR. ten Männlichkeits- und Größenbilder, wie sie von Bild- Die ganze Welt der PC-Spiele. Heft 7. München. schirmspielen und anderen Medien vermittelt werden, S. 24 - 30 aufzuspüren und aufzubrechen. Wir wissen nicht, ob Dittler, Ulrich/ Mandl, Heinz. 1990. Computerspiele uns das immer gelingt. Wenn die Jungen die kurzzeit- unter pädagogisch-psychologischer Perspektive. In: pädagogische Maßnahme nach ein paar Tagen verlas- J. Petersen /G.-B. Reinert. Ed. Lehren und Lernen sen, rüttelte die störende Wirklichkeit an ihren elektro- im Umfeld der neuen Technologien – Reflexionen nisch gesättigten Bildern. Und sie kennen zumindest vor Ort. Frankfurt. S. 95 - 126 erwachsene Männer, die sich ebenso wie sie vor Schmer- Elwert, Georg. 1998. Kein Platz für junge Wilde. In: zen und Niederlagen ängstigen. Unverwundbarkeit Die Zeit. Nr. 14 vom 26. März 1998 macht keinen Spaß. Fehr, Wolfgang/Fritz, Jürgen. 1997a. Computerspiele zwischen Faszination und Gewalt. In: Bundeszen- trale für politische Bildung. Ed. Computerspiele auf dem Prüfstand. Staffel 8 Fehr, W./Fritz, J. o.J. Zur Erprobung der Videospiele in Jugendeinrichtungen. In: Fachhochschule Köln, Fachbereich Sozialpädagogik/Jugendamt Köln. Ed. Pädagogische Beurteilungen von ausgewähl- ten Videospielen. Köln Fehr, W./Fritz, J. 1997b. Zum Problem virtueller Ge- walt. In: medien praktisch. Heft 2. S. 39 - 41 Fritz, Jürgen (Hrsg.); 1988; Programmiert zum Krieg- spielen: Bilderwelten und Weltbilder im Video- spiel; Frankfurt/Main; New York: Campus Verlag Fritz, Jürgen. 1995. „Rettet die Lemminge“. in: Fried- rich Jahresheft, S. 65 - 67 Fromme, Johannes. 1995. Computerspiele und Kinder- kultur. In: merz. 1/95. 44 - 49

Abb. 17: Gemeinsames Bildschirmspiel mit Möglichkeit zum Face-to-Face-Kontakt

23 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6

Fromme, Johannes/Gelcius, Melanie. 1997. Geschlechts- Schindler, Friedemann/Wiemken, Jens. 1997. „DOOM rollen in Video- und Computerspielen. In: Jürgen is invading my dreams“ – Warum ein Gewaltspiel Fritz/Wolfgang Fehr. Ed., Handbuch Medien: Kultstatus erlangte. In: Jürgen Fritz/Wolfgang Computerspiele, Bonn Fehr. Ed., Handbuch Medien: Computerspiele, GAME STAR. Die ganze Welt der PC-Spiele. 1998. Le- Bonn serbrief von Alexandros Giourgas. Schultz, Magdalena. 1992. Vom Umgang mit Bedro- Gailey, Christine Ward. 1996. Mediated Messages: hung und Angst. Ein Vergleich von Zeichnungen Gender, Class and Cosmos in Home Video Games. deutscher und israelischer Kinder während des In: Patricia M. Greenfield and Rodney R. Cocking. Golfkrieges. In: Christian Büttner, Donata Elschen- Ed. Interacting with Video. Norwood, New Jersey broich und Aurel Ende. Ed. Kinderkulturen – Neue Gaylin, Willard. 1993. Die Helden sind müde. Düsseldorf Freizeit und alte Muster. Jahrbuch der Kindheit. Gibson, William. 1999. Idoru. München Band 9. Weinheim und Basel. S. 180 - 209 Goleman, Daniel. 1997. Emotionale Intelligenz. Mün- Seeßlen, Georg. 1993. Aufstand im Ghetto. In: Jürgen chen Maaß. Ed. Computerspiele – (Un)heile Welt der Ju- Gorman, Greg/ Lober, Andreas. 1999. Gewalt im Spiel gendlichen. München/Wien – Indizierung und Beschlagnahmung von Software. Stiller, Heiner. 1992. Rückkehr nach Hyrule. In: ASM In: c’t. Magazin für Computer und Technik. Heft (Aktueller Software Markt). 7 Jgg. Nr. 8. Eschwege 11. Hannover. S. 82 - 89 Streibl, Ralf E. 1997. Krieg im Computerspiel. Greenfield, Patricia Marks. 1987. Kinder und neue Auf: Bundeszentrale für politische Bildung. Medien: Die Wirkungen von Fernsehen, Video- Ed. SEARCH&PLAY. Bonn spielen und Computern. München;Weinheim. Ströter-Bender, Jutta. 1997. „Flotte Grafik“ und „Oh- Haake, R. 1987 Kinder Kinder – Wie »trifft« man Fern- renschmaus“. Zur ästhetischen Wirkung von sehzuschauer? in: Ch. Büttner/A. Ende. Ed. Geför- Bildschirmspielen auf Heranwachsende. In: Wolf- dert und mißhandelt. Kinderleben zwischen 1740 gang Zacharias. Ed. Interaktiv – Im Labyrinth der und heute. Jahrbuch der Kindheit. Bd. 4. Weinheim Möglichkeiten. Remscheid. S. 203 - 211 Langer, Jörg. 1998. Banned in Germany. Indizierung – Struck, Peter. 1999. Krieg und Kinderpsyche. In: Die was Ihnen die Gesetze vorenthalten. In: GAME Welt. 14.5.1999 STAR. Die ganze Welt der PC-Spiele. Heft 3. Mün- Theunert, Helga. 1993. Ed. „Einsame Wölfe“ und chen. S. 222 - 227 „Schöne Bräute“ – Was Mädchen und Jungen in Lober, Andreas. 1998. Spiel ohne Grenzen – Multi- Cartoons finden. München User-Spiele für LANs, Modems und Internet. In: c’t. Theunert, Helga. 1996. Multi-Medienpädagogik. In: Magazin für Computer und Technik. Heft 5. Han- merz (Medien&Erziehung). 1/96. S. 29 nover. S. 146 - 152 Wagenhäuser, Rainer. 1996. Gewalt und Konfliktlö- Maaß, Jürgen. 1994. Exkurs: Unsere Gesellschaft – die sung bei PC-Spielen. In: Jürgen Maaß. Ed. „Technologische Formation“. In: ACOS Linz. 12 - 20 Computerspiele – Markt und Pädagogik. München/ Maaß, Jürgen. 1995. Spielen am Computer – Lernen Wien. S. 26 - 30 für das Leben? Unveröffentlichter Vortrag. Linz. Wagner, Bruni. 1992. Wir spielen Super Mario Land in Meyer, Peter/Wiemken, Jens. 1998. Computerspiele – der Sporthalle. In: Praxis Spiel + Gruppe. Heft 4. spielersiche und kreative Anwendungen für Kinder S. 190ff und Jugendliche (Endbericht). Bremen Warner, Marina. 1996. Monster, Wilde, Unschuldsen- Nintendo. 1994. Mit Donkey Kong fing alles an. Pres- gel. Mythen, mit denen wir leben. Hamburg se-Information. Frankfurt Weiler, Stefan. 1997. Computernutzung und Fernseh- Pratchett, Terry. 1994. Nur Du kannst die Menschheit konsum von Kindern. Ergebnisse qualitativ-empiri- retten. München scher Studien 1993 und 1995. In: Media Perspekti- Röll, Franz Josef. 1998. Mythen und Symbole in popu- ven. Heft 1. S. 43 - 53 lären Medien. Frankfurt/Main Winter, Reinhard. 1997. Jungenarbeit ist keine Zaube- Sacher, Werner. 1994. Gefährlich oder nicht? In: Me- rei. In: Kurt Möller. Ed. Nur Macher und Macho? dien + Schulpraxis. Februar. S. 6ff Weinheim und München. S. 147 - 164 Schindler, Friedemann. 1993. Computerspiele in der Hand von Kindern und Jugendlichen. In: Bundes- zentrale für politische Bildung. Ed. Computer- spiele. Bunte Welt im grauen Alltag. Bonn. S.105ff. Schindler, Friedemann/Wiemken, Jens. 1996. Wer hat Angst vor Super-Mario? – Computerspiele und päd- agogische Praxis. In: Werner Faulstich/ Gerhard Lip- pert. Ed. Medien in der Schule. Paderborn. S. 245 - 262

24 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden

Anmerkungen

1 Zahlen und Auswertungsergebnisse aus Meyer/Wiemken 1998. 16 Welche z.Zt. der Niederschrift wohl in naher Zukunft die Aufga- 2 Und eben nicht die so oft angeführte soziale Isolation und die be der Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle (USK) übernimmt, Kontaktarmut, welche lange Zeit als negative Begleiterschei- heißt die Alterfreigabe und Prädikatisierung von Bildschirm- nungen von Computerspielen herhalten mussten, und die we- spielen. sentlich zum pädagogischen Feindbild und Mythos des 17 Aussage von Eike Monssen-Engberding, Leiterin der BPjS zum „Computerkids“ beitrugen. Thema Softwareindizierung. (Gorman/Lober 1999.85) 3 So gibt es beispielsweise bei der Simulation SIMCITY 2000 einen 18 Im Zeitalter des Internet stellt eine Bestellung in Amerika für Geldtrick, der das ökonomische Spiel und damit den vom einen 13jährigen kein Problem mehr dar. Hersteller erdachten Spielinhalt überflüssig macht. 19 Gerade im Fall QUAKE erscheint die Indizierung als schwierig, da 4 Folgendes Beispiel aus einem Spieleforum des Hobbynetzes deutsche Computerzeitschriften QUAKE immer noch als FIDO verdeutlicht dies. Der Tipp bezieht sich auf die Wirtschafts- Referenzanwendung für die Leistungsbestimmungen von neu- simulation TRANSPORT TYCOON, in der es gegen Computer- en Computerkomponenten wie Prozessoren und Grafikkarten gegner ein Transportunternehmen logistisch geschickt aufzu- heranziehen. (z.B. „Neue Pixelkünstler“, Test von Grafikkarten bauen gilt: in der c’t (c’t 11/99.166) „Wenn Euer Gegner irgendwo eine Straße mit Lkws drauf hat, 20 Gerade DOOM und QUAKE haben trotz ihrer Indizierung einen baut Ihr einen kleinen Kreis aus Schienen über die Straße. Dann sehr hohen Bekantheitsgrad. setzt Ihr eine SCHNELLE Lokomotive drauf (vorzugsweise die 21 Devaux , „DOOMHistory“, Internet schnellste :-) und laßt sie abfahren. Dann kommt alle paar 22 Die Welten und die Räume gestalteten Chefprogrammierer Minuten die Meldung: „Car crashed. 36 Passengers die in John Carmarck und sein id-Team in 3D-Grafik, die 1993 absolut Flames“ :-))) spektakulär war. Auch vorher gab es schon 3D-Spiele, die auf Das BESTE aber ist: DER ZUG BLEIBT GANZ und die Autos des der „Ich-Perspektive“ basierten. Schon Anfang der 80er Jahre Gegners EBEN NICHT!!!“ erschienen Spiele mit einfacher Vektorgrafik wie die Weltraum- 5 Die „klassischen“ Spielpädagogen schauen auf Computerspiele Handelssimulation ELITE, das Panzerspiel 3D-TANK oder das herab und weisen darauf hin, dass Computerspiele programm- Actionspiel ROBOCOP III. Aber erst WOLFENSTEIN 3D (Vorläufer bestimmt sind. Computerspiel bedeutet in ihren Augen auch von DOOM aus dem Hause id-Soft) schaffte die Illusion von immer Unterwerfung unter klar definierte Regeln. Maaß faßt wirklicher Bewegung im virtuellen Raum. Der deutlichste Unter- die Meinungen der Experten passend zusammen: „... nur inner- schied von DOOM zu seinen Vorgängern: Es bot nicht nur glatte halb der vom Programm vorgegebenen Möglichkeiten kann Oberflächen mit 90 Grad Winkeln, sondern schaffte es durch gehandelt und damit auch sehr wenig Kreativität entfaltet fraktale Geometrie die extreme Künstlichkeit geometrisch kon- werden.“ (Maaß 1995.4) Nach Frommes Meinung kann Soft- struierter Objekte aufzuheben. Texturen wie Steinoberflächen, ware zwar so programmiert werden, dass unterschiedliche Licht- und Schatteneffekte verpassten den DOOM-Räumen den Spieloptionen bestehen, „... gänzlich umgestalten würde je- Charakter einer quasi-virtuellen Realität. Die detailliert gezeich- doch umprogrammieren heißen, was dem normalen Benutzer nete, flüssig animierte Umgebung sorgte so für eine glaubwür- nicht möglich ist, schon gar nicht bei reinen Spielkonsolen“ dige Spielillusion. (Fromme 1995.45). 23 Local area network: lokales Netzwerk 6 Näheres zur Vorgeschichte und zur Entwicklung des Ansatzes in 24 In QUAKE II bis zu 255 Spieler über das Internet Jens Wiemken, Breaking the Rules – zum kreativen Umgang mit 25 Auf die Frauen-Clans kann an dieser Stelle nicht näher einge- Computerspielen in der außerschulischen Jugendarbeit, in: Jür- gangen werden. Gegenüber den Männer-Clans gibt es nur gen Maaß, Computerspiele: Markt und Pädagogik, München/ wenige Frauen-Clans, so dass ich QUAKE im weiteren als Wien 1996 Männer-Spiel auffasse. 7 Die meisten Schulen zielen m. E. mit ihrer Leistungsorientiertheit 26 Durch einen kleinen über das Internet kostenlos herunterzu- eher dahin, Gruppen zu verhindern und sie gegeneinander ladenden Patch kann der Spieler die deutsche Version in die auszuspielen, als sie zu fördern. internationale zurückverwandeln. Die internationale Version ist 8 Bei dem Spiel „Lemmings“ geraten Spieleklassifizierer aneinan- in Deutschland indiziert. „Bei der deutschen Version von der. Die einen ordnen es den Denkspielen zu, die anderen den Command&Conquer hören Sie kein Geschrei mehr, wenn ein Strategiespielen. Ganz „Böse“ ordnen es den Wirtschafts- Infanterist überfahren wird, sondern ein Mülleimer-Geräusch. simulationen unter. Den Spielern ist aber nach wie vor klar, dass sie da Menschen 9 Dieses einfache Hilfsmittel des Sinnesentzugs macht so man- überfahren.“, so das Spielemagazins GameStar zu einem Inter- ches Spiel, wie beispielsweise den „Fessellauf“ (vgl. Breucker- view mit Frau Monssen-Engberding zur Indizierungsproblematik. Rubin u.a. 1992.L6), als wichtiges spieltragendes Beiwerk aus. Diese entgegnete: „Für die Nicht-Indizierung von Com- 10 In diesem Zusammenhang verweise ich auf Greenfields Analyse mand␣ &␣ Conquer war ausschlaggebend, dass es nicht in erster von PACMAN, die das komplexe und parallel-ablaufende Spiel- Linie darum geht, Menschen zu töten. Es handelt sich im geschehen transparent macht (Greenfield 1987.101-106). wesentlichen um eine Wirtschaftssimulation.“ (Langer 1998.225) 11 Hätten wir uns nicht beschränkt und das Pacman-Original- Der Leser mag sich sein eigenes Urteil bilden, um was es in Raster verwendet, hätten wir über 100 Besenstile gebraucht COMMAND & CONQUER geht, und ob es sich um ein Kriegs- und mindestens zwei Tage zum Aufbauen. spiel oder eine Wirtschaftssimulation handelt. 12 In späteren Spielen galt es für das Pacman-Team 5 bis 10 27 Ein sich oft wiederholender Auftrag in diesen Spielen lautet: Tennisbälle einzusammeln. „Fege den Gegner von der Landkarte.“ 13 Inhibition (lat.) = Einhalt, gerichtliches Verbot, einstweilige 28 In COMMAND & CONQUER dreht es sich um einen Rohstoff Verfügung („Tiberium“), während Nachfolger wie beispielsweise AGE OF 14 Habituation (lat.) = Gewöhnung EMPIRES bis zu vier abzubauende Rohstoffe (Holz, Nahrung, 15 Katharsis (gr.) = das Sichbefreien von seelischen u. inneren Steine und Gold) beinhalten, welche spielentscheidend sein Spannungen durch emotionale Abreaktion können.

25 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6

29 Der Netzwerkmodus erlaubt das Spiel von vier (COM- 43 s.a. Auszüge aus der Selbstdarstellung der Arbeit des Jugend- MAND␣ &␣ CONQUER) bzw. acht (COMMAND & CONQUER 2) amtes des Landkreises Vechta im Anhang menschlichen Gegnern gegeneinander. 44 vgl. Humboldt Psychologie-Lexikon, 1990, S. 88 30 Diese Thesen sind aus Ansätzen von Büttner (Büttner 1988), 45 Zärtlicher männlicher Körperkontakt wird in unserer Kultur und Streibl (Streibl 1997) und Gaylin (Gaylin 1993) formuliert wor- von den Jungen untereinander immer noch als „schwul sein“ den. aufgefasst. Jungen haben Angst vor dem „schwul sein“, denn es 31 Erst im späteren Verlauf, nach einer Lernphase obsiegt die gibt keine verletzendere Bezeichnung für einen Jungen in der Verteidigungsstrategie „Angriff ist die beste Verteidigung“. Pubertät, und so verschiebt sich die Möglichkeit des Körper- 32 Wird beispielsweise einer Mutter im Park ihr Kind entrissen, so kontaktes auf sich raufen und prügeln. darf sie sich und ihr Kind mit allen möglichen und ihr zur 46 Gerade für die Reflexion mit Jungen ist es allerdings wichtig, als Verfügung stehenden Mitteln verteidigen. Natürlich unterschei- Leiter während des ganzen Spiels unterwegs zu sein. Nach det sich die Volksmeinung von der Meinung des Gesetzgebers. bestimmten Geschehnissen wie einer kleinen Prügelei, die här- Dieser sieht Notwehr im Notwehrparagraphen wesentlich diffe- ter ablief als abgesprochen, muss sofort mit den Jungen darüber renzierter. reflektiert werden. Minuten später schließt sich bei den meisten 33 Kurz nach Ausbruch der Bosnien-Krise tauchte in den Boutiquen leider schon wieder der Panzer „cool sein“. der Städte an den Drehständern vor der Tür Erwachsenen- und Kinderbekleidung im „Tarn-Look“ auf. Die militaristisch wirken- de Kleidung läuft auch aktuell zur Kosovo-Krise noch unter der Mode-Bezeichnung „Camouflage“. 34 Bei ihnen war das Spiel SUPER MARIO WORLD am bekannte- sten, welches allerdings auch alle Jungen kannten. 35 Helga Theunert beschreibt die Figur des „Einsamen Wolfes“ – bezogen auf Cartoons – folgendermaßen: „Er ist der Typ des Einzelgängers, der sich allein durch das Leben schlagen muss. Mit Hilfe seiner Waffen, magischer Kräfte, technischer Hilfs- und Fortbewegungsmittel und seiner Stärke setzt er sich durch. Mögen auch andere mit ihm zusammen kämpfen, so steht er doch, wenn es darauf ankommt, alleine da und muss mit seiner Kraft, seinen Fertigkeiten und seinen Waffen zurechtkommen.“ (Theunert 1993). 36 Frauen werden von der Düsternis und Bedrohlichkeit der DOOM- Welt meistens abgestoßen. Sie empfinden die „Welt der Ver- dammnis“ als eine Verdoppelung ihrer Realität, in der sie sich häufig von Männern bedroht oder belästigt fühlen. Davon abweichend gibt es aber auch Berichte von Frauen, die DOOM mit Begeisterung gespielt haben und die dieses Spiel als eine Art Chance empfinden, den Spieß einmal umzudrehen: auch im Dunkeln dominant zu sein und in der „Hell on Earth“ ungefähr- det auf die Jagd nach männlichen Wesen zu gehen. “My girl friend doesn’t actually enjoy the game side of DOOM: She enjoys the killing in it. She only likes playing with invulnerability on and full ammo so she could hack the guts out of the monsters. Scary, isn’t it? I think that girls are more violent than guys, they just need better opportunity to show it.“ (Jean- Francois, in: alt/games/DOOM, 9.3.1994) 37 vgl. Fromme/Gelcius 1997 38 Dies bedeutet aber, dass sie ihnen einen anderen Weg anbieten müssen. Dies zumindest entspricht einem weiteren pädagogi- schen Grundsatz „Wenn Du jemandem etwas wegnimmst, musst Du ihm auch was dafür geben.“ 39 Sollte der Wunsch nach Fortbildung in dem Rahmen bestehen, wenden Sie sich bitte an das NLI oder direkt an den Autoren. Auch Klassen- und Bildungsfahrten sowie Projektwochen kön- nen in der Gruppenstärke von bis zu zwei Klassen material- und personalmäßig von mir durchgeführt werden. Natürlich bin ich auch immer dazu bereit, eine solche Maßnahme (bitte die o. a. „Warnung“ beachten) zu begleiten. 40 Wenn ich im folgenden von „wir“ spreche, ist damit mein Team gemeint. 41 Die Idee mit dem Vertrag und seinen Konsequenzen übernahm ich von Albert Krüger und Götz Haindorff („forschungsgruppe jungenarbeit“, Göttingen), deren Seminar „Sich durchs Leben boxen“ ich begleiten durfte. Ich modifizierte die Vertragsidee, die seitdem ein fester Bestandteil meiner Arbeit mit Jugend- gruppen und Schulklassen ist. 42 vgl. Meyer/Wiemken 1998

26 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden

2. Praxis

2.1. Geländespiel mit zwei 7. Klassen

Der Text beschreibt den Ablauf einer Klassenfahrt nen Namen auf ein Stück Kreppband, welches er an von zwei 7. Parallelklassen einer Hauptschule aus seine Kleidung klebt. Wir erklären den Teilnehmern, Münster zum Thema „Gewalt in Bildschirmspielen“. dass die Namen für uns wichtig sind, weil wir die Die Fahrt dauerte vier Tage und wurde von zwei Leh- Schüler ernst nehmen und sie mit ihrem Namen an- rerinnen begleitet. Drei männliche und ein weiblicher sprechen wollen. Danach stellt jeder kurz seinen per- Teamer betreuten die Gruppe pädagogisch. Das ge- sönlichen Gegenstand, den er mitgebracht hat, vor. samte Material wurde von unserem pädagogischen Die Gegenstände werden von den Teamern aufge- Dienstleistungsbetrieb gestellt. listet.

Sechs Monate vorher: Kontaktaufnahme 13.45 Uhr Treffen (Regeln und Vertrag) Eine Lehrerin aus Münster nimmt aufgrund der Emp- Im großen Kreis stellen wir die Rechte und Pflichten fehlung einer ihr befreundeten Lehrerin Kontakt zu des Arbeitsvertrags vor, den wir mit den Schülern ab- unserem pädagogischen Dienstleistungsbetrieb auf. schließen wollen. Wir erklären, dass Regeln wichtig Sie möchte eine „etwas andere“ Klassenfahrt ma- seien, weil es sonst in der Gemeinschaft, besonders in chen, mit Aspekten zu den Themen Gewaltprävention einer so großen Runde, Schwierigkeiten gebe. Der und Gewalt in den Medien. Vertrag gilt bindend, sobald er von den Teamern und den Schülern unterzeichnet ist. Bei dieser länger dau- Vier Wochen vorher: Besuch der Klasse ernden Runde werden die Schüler zwischendurch sehr Zwei Teamer fahren mit einem Fragebogen zum unruhig, so dass wir zwei kleine Pausen einlegen. Von Überprüfen des Kenntnisstandes hinsichtlich PC- und Seiten der Schüler gibt es keine Rückfragen und keine Bildschirmspielerfahrungen zu der ca. 200 km ent- Ergänzungen. Als wir auf die Konsequenzen der fernten Schule. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Regelverletzungen eingehen, werden die Schüler le- Direktor stellen sie sich während einer Doppelstunde bendiger. Zunächst lachen sie (bei mündlicher Ermah- den Fragen der Schüler hinsichtlich der geplanten nung und Liegestütz), dann kommt bei dem Punkt Klassenfahrt. Es ist die erste gemeinsame Klassenfahrt „Verlust des persönlichen Gegenstands“ heftiger Pro- der Parallelklassen. Die Kinder und Jugendlichen wol- test. Dazu erklären wir, dass es ja nicht gesagt sei, len etwas über die Freizeitmöglichkeiten und über dass irgend jemand irgendeinen Gegenstand zerstö- die Bildschirmspiele wissen. Bevor sie gehen, bitten ren müsse. Die Schüler brauchten sich nur an die un- die Teamer die Schüler um das Mitbringen eines per- terzeichneten Regeln zu halten. Mit der Vertrags- sönlichen Gegenstandes und versuchen zu erklären, unterzeichnung erhalten sie vier Chancen, die Regeln worin der Unterschied zwischen einem persönlichem einzuhalten. Wer den Vertrag nicht unterzeichnen und einem „normalen“ Gegenstand besteht. Nach will, verliert das Recht, an unseren ausgearbeiteten zwei Tagen erhalten die Klassen eine Packliste von Angeboten teilzunehmen und nimmt an einem den Teamern zugeschickt. Alternativangebot teil. Das Alternativangebot wird noch genauer besprochen, für den Fall, dass sich eine solche Gruppe findet. Im Anschluss daran werden die 1. Tag, Montag persönlichen Gegenstände angesprochen, die den Teamern als nicht persönlich genug erscheinen. Nach 10.00 Uhr Ankunft der Klassen dem Vorlesen des abgesprochenen Vertrages unter- Die Klassen kommen an und beziehen ihre Zimmer. zeichnen alle Schüler. Dann stellen die Teamer kurz Vom Heimleiter erhalten sie eine kurze Einführung in die beiden Angebote für Mittwoch dar. Dabei han- das Haus. Vor dem Mittagessen trifft sich das Team delt es sich um mit den beiden Lehrerinnen. Ihnen wird kurz der • ein etwas anstrengenderes Waldspiel, Wochenplan, dann ausführlich der Tagesplan erklärt, • ein nicht so anstrengendes, aber dennoch attrakti- und sie bekommen eindeutige Arbeitsaufträge. ves Outdoor-Angebot..

12.00 Uhr Mittagessen Die Teilnehmer werden aufgefordert, sich bis Diens- tagabend um 19.30 Uhr zu entscheiden, damit die 13.00 Uhr Treffen (Vorstellung) Teamer der Küche im Haus entsprechende Anweisun- Beim ersten Treffen mit der Gesamtgruppe (54 Schü- gen geben können. ler) werden diese zunächst in drei Kleingruppen auf- geteilt, welche mit je einem Teamer in einen Raum gehen. Dort stellt sich jeder kurz vor und schreibt sei-

27 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6

16.15 Uhr Treffen; „Chaos-Spiel“ (s. Anhang) anderen Schüler zwar angefeuert, aber auch gelacht. Die Mädchen kämpfen genauso intensiv wie die Jun- 18.00 Uhr Abendbrot gen. Nach den zwei Kämpfen fragen wir, wer sich als Stärkster fühlt. Der Junge, der von den Schülern wie 19.30 Uhr Treffen auch von den Lehrerinnen als der stärkste und schlag- In der ersten Runde erzählt ein Mädchen, dass sie in kräftigste bezeichnet wurde, meldet sich nicht. Schließ- den Dümmer geworfen worden sei. Dabei seien ihre lich erklärt sich ein Junge bereit. Wir sagen der Gruppe Kamera und ihr Portemonnaie ins Wasser gefallen. an, dass wir nun etwas mehr Ernst in die Kämpfe brin- Auf die Frage, wer dies getan habe, meldet sich kei- gen wollen. Der Junge wird aufgefordert, sich in die ner der anderen Schüler. Das Thema wird auf Diens- Mitte zu knien, dann werden ihm von uns die Augen tag vertagt bzw. dem Schüler, der es getan hat, das verbunden. Wir teilen ihm mit, dass er gleich von ir- Angebot gemacht, dass er oder sie sich bei uns in der gendwoher von irgendjemandem angegriffen werde. Pause melden kann. Über Handzeichen fordern wir zwei Schülerinnen und einen Schüler lautlos auf, ihn anzugreifen. Der Junge (virtueller und realer Kampf) wehrt sich gut gegen seine drei Angreifer, die sich Die Gruppe wird in drei Kleingruppen aufgeteilt, die nicht absprechen und deshalb auch nicht gemeinsam verschiedene Räume aufsuchen, in denen wir je eine angreifen. Im Nachhinein bitten wir den Jungen zu ra- Spielekonsole aufgebaut haben. Dort spielen sie ein ten, wer ihn angegriffen hat. Er benennt drei Jungen. sogenanntes Beat’em-Up-Spiel nach dem K.O.-Verfah- Er staunt, als wir ihm erzählen, dass auch zwei Mäd- ren. In den drei Gruppen werden jeweils die zwei be- chen angegriffen haben. Er gibt zu, dass er den Kampf sten Spieler herausgefunden. Bei dem Spiel feuern sich auf Dauer nicht hätte gewinnen können. die Schüler untereinander an und geben sich Ratschlä- ge, welcher Kämpfer die besten und stärksten Tritte Nach ein paar weiteren Kämpfen räumen wir die und Schläge beherrscht. In zwei der drei Gruppen sind Matratzen beiseite und spielen „Japanisches Ching- jeweils von drei Schülern zwei Mädchen die besten. Chang-Chong“ (s. a. Anhang „Spielbeispiele – Wahr- Dann kommt die Gruppe wieder zusammen und legt nehmungsspiele“). Wir teilen die Klassen in zwei Grup- mehrere Matratzen in den Raum. Die jeweils besten pen auf, die sich gegenüber stehen. Wir spielen drei pro Kleingruppe werden gefragt, ob sie gegeneinan- Runden, in denen immer dieselbe Gruppe gewinnt. Es der kämpfen wollen. Die Mädchen wollen zunächst zeigt sich, dass viele Schüler Probleme haben, den an- grundsätzlich nicht gegen einen Jungen kämpfen. Wir deren bei der Massage nicht zu hart anzufassen oder geben die Regeln des Kampfes bekannt: ihn oder sie überhaupt zu berühren. Danach geben wir Es wird nicht im Stehen, sondern im Knien gekämpft; der Gruppe bis zur Nachtruhe Freizeit. vor dem Kampf muss gefragt werden, ob der Aufge- forderte überhaupt kämpfen möchte. Keiner muss kämpfen; 2. Tag, Dienstag die Kämpfer beginnen kniend, den Rücken zueinan- der gewandt und die Füße aneinander gelegt; 9.00 Uhr Gemeinsames Bildschirmspiel verboten sind: Wir teilen die Klassen auf. Die eine Klasse geht an • schlagen; den Dümmer (ein Binnensee) und macht mit hausei- • treten; genen Booten ein kleines Wasserspiel. Die andere • Haare ziehen; Klasse unterteilt sich in drei Gruppen, die im Rota- • kneifen; tionsverfahren alle drei Bildschirmspielstationen • kratzen; durchlaufen müssen. Der jeweiligen Klassenlehrerin • beißen, empfehlen wir, mit den Kindern mitzuspielen. An Sta- • Judo- oder andere Kampfgriffe genauso wie tionen bauten wir am Vorabend auf: Schwitzkasten; • sobald ein Kämpfer mit seiner Hand zweimal auf Station 1: Fünf miteinander vernetzte Computer, auf die Matratze klopft, wird der Kampf abgebrochen; denen das Echtzeitstrategiespiel COMMAND & CON- • der Kampf wird ebenfalls abgebrochen, wenn die QUER 2 oder AGE OF EMPIRES am Einzelgerät oder Teamer ihn stoppen; gegeneinander gespielt werden kann. Wer keines der • die gesamte Gruppe muss während des Kampfes beiden Spiele kennt, spielt auf unser Anraten hin den um die Matratzen sitzen und diese mit den Füßen Kampagnen-Modus von AGE OF EMPIRES, welcher zusammendrücken. Dabei ist die Aufmerksamkeit das Spiel spielerisch erklärt und sich daher für Ein- aller auf die Mitte, heißt auf die Kämpfenden ge- steiger eignet. richtet. Station 2: Vier miteinander vernetzte Computer, auf denen das Ballerspiel-Spiel GRAND THEFT AUTO läuft. Zwei der Jungen kämpfen gegeneinander, ebenso Auch dieses Spiel kann gegeneinander oder von den zwei Mädchen. Während der zwei Kämpfe haben die Schülern im Einzelspiel-Modus gespielt werden.

28 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden

Station 3: Fünf aktuelle Spielekonsolen (Sony Play- spielen vom Vortag sollen sie Begriffe finden, die mit station, Nintendo 64 und Sega Saturn) mit je zwei dem Thema Krieg zu tun haben und diese jeweils auf Spielen zur Auswahl. ein Stück Papier schreiben. In dieser Brainstorming- Phase beobachten wir, dass die Gruppen, in denen 12.00 Uhr Mittagessen nur Jungen zusammensitzen, die Köpfe zusammen- stecken, während die Gruppen, in denen auch Mäd- 14.30 Uhr Wechsel chen sind, gerade auf den Stühlen sitzen bleiben. Im Während nun die andere Klasse rudern geht, läuft die Plenum sammeln wir die Begriffe und kleben sie an Klasse, die vormittags auf dem Dümmer war, durch eine Wand. Folgende Begriffe kamen von den Grup- die drei Spielstationen. pen:

19.30 Uhr Treffen Gruppe 1 (Jungen und Mädchen) Spion Eigentlich wollen wir mit der Gruppe das „Funzel- Soldaten spiel“ (s. a. Anhang „Spielbeispiele – Aktionsreiche Bunker Gruppenspiele“) spielen, aber da der Vorfall mit dem Schlachtfeld Mädchen, das am Vortag in den Dümmer gestoßen Tote wurde, noch nicht geklärt wurde, gehen wir mit der ganzen Gruppe darauf ein. Nach zwei Stunden finden wir den Knackpunkt. Die Schüler der einen Klasse Gruppe 2 (Jungen und Mädchen) misstrauen einander. Wir legen dies den Schülern dar Mut und erklären ihnen, wie wichtig der Faktor Vertrauen Giftspritze in einer Gruppe ist. Den materiellen Verlust des Mäd- Atombombe chens lösen wir, indem ein Teamer dem Mädchen 100 Angriff DM gibt und die anderen Schüler dazu auffordert, Luft-/ Abwehr ihm jeweils zwei DM zu spenden. Die Gruppe be- kommt bis zur Nachtruhe Freizeit. Die Gesprächs- Gruppe3 (nur Jungen) runde wird mit den beiden Lehrerinnen anschließend Maschinen noch einmal analysiert. Dabei berichtet die Klassen- Tarnung lehrerin von einem Vorfall, der einige Wochen zu- Völkermord rückliegt und auf das Vertrauensproblem zurückzu- Lager führen ist. Waffenstillstand Waffen

3. Tag, Mittwoch Gruppe 4 (Jungen und Mädchen) Kampf 9.00 Uhr Ausarbeiten des Kriegsvertrages Gewalt Die Gruppe wird in zwei Gruppen geteilt. Diejenigen, Sieg die sich für die nicht so anstrengende Outdoor-Aktion Taktik entschieden haben, verlassen mit einer Lehrerin und Geiseln einem Teamer den Raum. Sie bereiten in einem klei- neren Raum die Nachtaktion vor, draußen in einer Gruppe 5 (Jungen und Mädchen) Hütte zu schlafen, und überlegen sich, was sie sonst Gesetze noch unternehmen können. Sie entscheiden sich für Gegner folgendes Programm: Folter • Mittwoch Vormittag: Konsolenspiele; Verbünden • Mittwoch Nachmittag: rudern; Teamwork • Mittwoch Abend: ein Lagerfeuer machen, Spiele spielen, in einer Hütte schlafen; Gruppe 6 (nur Jungen) • Donnerstag Vormittag: Rückkehr. Gaskammer Helm Der größere Teil der Gruppe, die sich aus Schülern Mord beider Klassen zusammensetzt, bereitet das Kriegs- Bodentruppen spiel mit dem Erstellen des Kriegsvertrages vor. Flüchtlinge Belagerung 1) Begriffe sammeln zum Thema Krieg Fünf Kleingruppen setzten sich zusammen. Ausge- hend von den Gewaltdarstellungen in den Bildschirm-

29 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6

2) Überprüfung der Begriffe auf Umsetzbarkeit und Gruppierung: Ausarbeiten der Regeln Flüchtlinge, Spion, Gegner, Tote, Geiseln, Soldaten, Ein Junge aus Gruppe 3 gibt als Begriff an: „Schutzan- Bodentruppen zug, in dem der Soldat sich nicht verletzten kann“. Unsere Frage, ob er so etwas schon einmal gesehen Bei Gefangenen: „Selbstmord ist besser“, meint ein habe, verneint er, und wir streichen den Begriff. Teamer. Die Gruppe entgegnet: „Aber Gefangene Die Gruppen sollen sich nun überlegen, welche Be- sind doch besser!“ Antwort aus der Gruppe: „Ja, aber griffe umgesetzt werden können. Sie kommen zu auf die muss man aufpassen!“ Zu den „Geiseln“: Hier dem Ergebnis, dass lediglich die Begriffe „Maschinen“ ist das Ergebnis eindeutig ‚nein’, „weil man sich bes- und „Gaskammer“ nicht umzusetzen seien. Wir ha- ser erschießen kann als gefangen zu werden.“ Da das ken nun bei den einzelnen Gruppen hinsichtlich der ganze Spiel auf einem abgeschlossenen Gelände Umsetzung nach. Ausführlicher hier zum Beispiel stattfindet, wird auch der Begriff „Flüchtlinge“ aus- beim Begriff „Bunker“: geschlossen.

Der Schüler meint, man müsse doch nur ein Loch aus- Gruppierung: graben. Auf unsere Frage, wie tief es sein müsse, Tarnung, Lager, Schlachtfeld meint der Schüler: „Einen Meter.“ Wir rechnen ihm vor, dass mehrere m3 ausgeschachtet werden müssen Ist nach Meinung der Gruppe alles umsetzbar und ge- und fragen in die Runde, ob die Schüler dies schaffen hört dazu. würden. Viele bejahen das. Wir geben zu bedenken, dass ein kleiner Bagger für diesen Bunker wohl zwei Gruppierung: Stunden brauchte und zwei Bauarbeiter acht Stun- Taktik, Angriff, Gesetze (die machen wir gerade, so den. Die Schüler erkennen, dass der Bunkerbau in die- ein Schüler), Sieg (ist klar, ohne Sieg keinen Krieg), sem Spiel nicht umzusetzen ist. Es ist doch ein Unter- Verbünden (kann man sich im richtigen Krieg, aber in schied, ob der Computer eben schnell einmal bei unserem Spiel macht das keinen Sinn, denn wenn die COMMAND&CONQUER einen Bunker baut oder die- anderen verbündet und alle übrigen tot sind, kann ser eigenhändig mit einer Schaufel auszuheben ist, man in unserem Krieg nicht gewinnen; in unserem zumal er ja am nächsten Tag wieder zugeschüttet Krieg gibt es eine Mission, im Laufe der Mission gibt werden muss. es Gegner, welche die Mission stören. Deswegen gibt es nur Tote.) Zum Waffenstillstand sagen alle Schüler Im folgenden nun kurz die Entscheidungen der Schü- „Nein!“. Weil jede Gruppe auch ein Lager hat, gibt es ler zu den einzelnen Begriffen: Belagerung, also auch Abwehr (keine Luftabwehr). Spion: ja, verstecken und beobachten >ja< Abwehr hat nur Sinn, so ein Teamer, wenn es etwas Tote: ja, es kommt auch die Idee, die Waffen umzu- zu verteidigen gibt, wie z.B. Feuer, Feuerholz, Essen bauen, so dass der Getroffene liegen bleibt. Ein ande- usw. Wir fragen die Gruppe nach den Folgen eines rer aus der Gruppe des Getroffenen kommt dann und Lagerangriffs: holt ihn ab. Zudem soll es „Minutentote“ geben. Wir „Darf Essen aus einem anderen Lager geklaut wer- erklären, dass wir mit Lebensbändern spielen, die von den?“ >nein< uns verteilt werden. Die Toten erhalten nach unserem „Darf Essen zerstört werden?“ >nein< Ermessen Lebensbänder. „Darf Feuer ausgemacht werden?“ >ja< Schlachtfeld: ja, da, wo die Leute erschossen werden „Darf Feuerholz auseinander getreten werden?“ >ja< >nein< Soldaten: „Das sind wir.“ >ja< „Darf Feuerholz geklaut werden?“ >ja< Taktik: vorher muss sie in der Gruppe besprochen „Darf das Lager, das aufgebaut wurde, zerstört wer- werden, dann versammeln sich alle um ein feindliches den? Dazu gehören auch Rucksäcke, Schlafsäcke.“ Lager, einer gibt dann das Kommando zum Kampf >nein< >ja< „Darf Plane vom feindlichen Lager mitgenommen Kampf: die Teamer weisen darauf hin, dass dies spä- werden?“ >nein< ter gesondert besprochen wird Gewalt: auch hier wollen die Teamer dies erst einmal später ausprobieren Gruppierung: Geiseln: >nein< Giftspritze, Atombombe, Völkermord, Folter Zur Giftspritze bemerkt ein Junge, dass eine normale Nach einer kurzen Pause gruppieren wir die Begriffe Spritze mit Wasser reicht. Auf unsere Frage, wie viele an der Wand neu: Wasserspritzen sie denn dabei haben, sagt ein Mäd- chen: „Alle Jungs!“ Daraufhin lachen alle. Ein Teamer fragt das Mädchen: „Wäre das o.k., wenn du ange-

30 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden pinkelt wirst?“ Alle verneinen erschrocken. Ein Schü- „Wer hat Angst davor, dass ihm das Lebensband ab- ler bemerkt: „Wenn es sowieso regnet, ist es vielleicht gerissen wird?“ Keiner >ja< ganz gut, wenn wir alle trocken bleiben.“ Giftspritze „Wer hat Angst, auf dem Boden zu ringen?“ Keiner >nein< >ja< Zum Begriff Atombombe fallen den Schülern Wasser- bomben ein. Ein Schüler sagt: „Nicht gut, weil alle Der Teamer führt die Regel ein: Wer beim Ringen nicht nass werden!“ Protest von den anderen, weil man die mehr kann, muss eindeutig „Stopp“ sagen! Nun müs- Hose ja auch am Feuer trocknen kann. Ein Teamer sen alle Schüler in der Runde „Stopp“ sagen. Einige lä- gibt zu bedenken, dass die Gruppe nur Trinkwasser cheln dabei und sagen es nach Meinung des Teamers habe. In einer Abstimmung entscheiden sich die Mei- nicht ernst genug. Sie müssen „Stopp“ wiederholen. sten gegen Wasserbomben. Atombomben >nein< Völkermord ist umsetzbar, denn, so ein Schüler, man „Ist von hinten anspringen o.k.?“ einige sagen >ja< kann ja eine ganze Gruppe überfallen und „abknal- „Wer hat Angst davor?“ Einige haben Angst, also len“. >ja< >nein< Beim Begriff Folter hat ein Schüler die Idee, jeman- „Ist wegrennen o.k.?“ >ja< den anzubinden, mit Matsch zu bewerfen, auszu- „Festhalten?“ >ja< kitzeln oder mit kleinen Tieren zu bewerfen. Ein „Ist treten o.k.?“ >nein< Mädchen wendet ein: „Wir haben keine Geiseln, „Bewerfen mit Gegenständen?“ >nein< dann kann es auch keine Folter geben.“ Ein Junge, T., „An den Haaren ziehen?“ >nein< will das trotzdem. Ein Teamer fragt ihn, ob es für ihn eine Ausnahmeregelung geben soll. T.: „Ja.“ Er soll Ein Junge fragt, ob man die Luftpumpen als Schwer- sich nun für Auskitzeln oder Matsch entscheiden. ter benutzen darf. Die Teamer verneinen, weil die Doch nun möchte er doch nicht mehr als einziger ge- Verletzungsgefahr zu groß sei. Das gleiche gelte für foltert werden. Folter >nein< Stöcker. Ein anderer Junge fragt, ob Würge- oder Spezialgriffe Gruppierung: in Ordnung seien. Er wird von den Teamern gebeten, Waffen, Munition sie vorzuführen. Nachdem die anderen dies gesehen Die Teamer erklären, dass als Waffen Luftpumpen haben, sagen alle >nein<. Das gleiche gilt für den Po- eingesetzt werden sollen. Zur Munition fragt der lizeigriff (Arm umdrehen). Teamer, ob die Erschossenen alle Korken abgeben müssen. Eine Schülerin meint, es wäre besser, wenn Es wird beschlossen, dass der daraus resultierende nur zwei Korken abgegeben werden sollten. Die Kriegsvertrag von einer Teamerin aufgesetzt und am Gruppe stimmt daraufhin ab und entscheidet sich da- Nachmittag von allen unterschrieben werden soll. für, dass Tote nur zwei Korken abgeben müssen. Danach werden an die Schüler verschiedene Aufga- Neuer Begriff: ben verteilt. Sie müssen folgendes besorgen: fünf Fair Zeltplanen, Kiste mit Tauen und eine Rolle Stroh- Ein Teamer erklärt den Schülern, dass sie fair handeln band, schwarzer und Pfefferminz-Tee, fünf Beutel müssen. „Wenn ihr tot bzw. abgeschossen seid, bleibt Zucker, fünf Wasserkanister, Grillanzünder, Papier ehrlich. Weil es sonst Stress gibt und Ihr anfangt, Euch und fünf Rollen Toilettenpapier. gegenseitig zu durchsuchen. Alle haben ihre Intim- sphäre, deswegen gibt es die Regel: Keiner wird 12.00 Uhr Mittagessen durchsucht! Während der Mittagspause räumen die Schüler ihre Ihr müsst auch beim Abtreffen ehrlich sein. Ihr habt Zimmer und packen ihre Sachen für die Nacht zusam- unendlich viele Leben. Insofern sagt lieber einmal men. Zwei Teamer fahren zu dem ca. 12 km entfern- mehr, dass Ihr tot seit, als dass Ihr Stress macht. Ihr ten Spielgelände und bereiten das Spiel vor. Sie stel- macht sonst das Spiel kaputt.“ len für jedes der aufzubauenden Lager einen Wasserkanister als Markierung auf. Zum Thema Nahkampf Dazu stellt der Teamer Fragen, und die Teilnehmer 15.00 Uhr Treffen müssen schnell abstimmen. Die Antwortmehrheit ent- Alle Schüler unterzeichnen den am morgen gemein- scheidet: sam ausgearbeiteten Kriegsvertrag. Danach stellen „Kneifen. Wer ist dafür?“ Keiner >nein< die Teamer für die Gruppen, welche noch nicht einge- „Hinschmeißen?“ alle sagen „Ja“ >ja< teilt sind, Plastiksäcke mit deren Ausrüstung zusam- „Wer hat Angst hingeworfen zu werden?“ einige sa- men. Jede Gruppe erhält: gen, sie hätten Angst >nein< • einen Topf „Wer hat Angst geschubst zu werden?“ einige sagen, • Tee sie hätten Angst >nein< • Zucker

31 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6

• Toilettenpapier b) 1. Auftrag (finden von sieben CD-Roms, um Waffen • eine Mülltüte zu erhalten) • Strohband Für viele Schüler scheint es schwierig zu sein, die von • ein Tau den Teamern auf dem Gelände versteckten CDs zu • ein Feuerzeug finden. Nachdem eine Gruppe sieben CD-Roms und • ein Messer damit ihre Luftpumpen gefunden hat, suchen die an- • Schutzbrillen deren immer lustloser weiter. Den Motivationsabfall • eine Auftragsbeschreibung fangen die Teamer durch unterstützende Gespräche • eine Plane auf. Die Zahl der zu findenden CDs wird gesenkt. Dennoch tun sich immer noch zwei Gruppen schwer. Vor der Abfahrt werden die Schüler von den Teamern Es zeichnet sich ab, dass es dort keinen Zusammenhalt mit einer Luftpumpe einmal abgeschossen, um ihnen und keine Zusammenarbeit gibt. Einzelne laufen über die Angst vor einem Korkentreffer zu nehmen. Dann das Gelände, ohne zu wissen, wo der Rest von ihren steigen die Schüler in einen Bus, der sie zum Gelände Leuten ist. bringt. c) Aufträge erfüllen Von den Gruppen, bei denen die Zusammenarbeit 3. - 4. Tag, Mittwoch/Donnerstag nicht klappt und die deshalb noch keine Luftpumpen haben, laufen einige ohne Lebensband herum. Die 16.00 Uhr Abfahrt zum NABU-Gelände Teamer, denen sie begegnen, fordern sie auf, sich ein Die Schüler steigen vor dem Gelände aus. Die Lehre- Lebensband zu holen. Weiteres Zeichen für die feh- rinnen haben am Vormittag vier Gruppen zusammen- lende Gruppenkoordination sind Probleme beim Ent- gestellt. Dabei achteten sie darauf, dass die Gruppen fachen und Betreuen des Feuers. Die betreffenden geschlechts- und klassengemischt sind. Auch durften Gruppen fallen in mehrere Kleingruppen auseinan- in einer Gruppe keine Clique oder „beste“ Freunde der. Einige wollen „Action machen“ und die Missions- oder Freundinnen sein. Nach der Liste werden die ein- aufträge erfüllen, andere kennen gar nicht den Auf- zelnen Gruppen aufgerufen. Ihnen werden die Augen trag, weil der Aufgabenzettel nicht weitergegeben verbunden, damit sie bei der Fahrt über das Gelände wurde. Die Teamer versuchen zu intervenieren, zie- nicht sofort das ganze Gelände sehen. Zwei Autos hen die Gruppe im Lager zusammen und gehen mit bringen sie zu ihrer Lagermarkierung. allen erneut die dementsprechenden Aufgaben durch. Die Gruppen versuchen nun, zusammen an Erfüllung der Missionsaufträge und zum Spielablauf den Missionen zu arbeiten. Es finden auch einige Lagerangriffe statt. In zwei Fällen treten die Angrei- a) Lager bauen fer das Feuer aus. Es wird aber entgegen unseren an- Dies gibt keine großen Probleme. Die Schüler bauen fänglichen Befürchtungen nichts beschädigt. gemeinsam die Lager und die Feuerstellen auf und suchen schon Holz für das Lagerfeuer. Die Teamer Bei Eintreten der Dunkelheit wird es schwieriger die nehmen die Lager ab. Nach der Lagerabnahme gehen Korken wieder zu finden. Teilwiese verschießen eini- wir mit den einzelnen Gruppen in ihrem Lager die ge Schüler immer noch Korken nur zum Spaß und Missionsbeschreibung und die einzelnen Aufträge merken zu spät, dass sie diese im dunklen Wald nicht durch. wiederfinden.

Abb. 18: Lagerabnahme und Missionsbesprechung mit einem Abb. 19: Auf der Suche Teamer

32 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden

Während der Nacht schlafen die wenigsten der Schü- würden gleich laut. Die Teamer erklären den Mäd- ler. Es finden aber keine Angriffe oder Suchaktionen chen, dass den Jungen die Erfüllung der Aufgaben mehr statt. Die einzelnen Gruppen pendeln zwischen wichtig sei und sie deshalb etwas unter Stress stün- den Lagern, vermischen sich, sitzen gemeinsam am den. Die Jungen brauchten aber die Mädchen, um zu Feuer und unterhalten sich. Die Teamer gehen gegen gewinnen. Nach langem her und hin löst sich das 3.00 Uhr noch einmal die Lager ab und fordern die Mädchenlager auf, und die Gruppen sind wieder voll- Schüler auf, sich in der Mitte des Geländes in ihren zählig. In der späteren Nacht besuchen sich die Mäd- Schlafsäcken schlafen zu legen. Falls etwas vorfalle chen gegenseitig in den Lagern und werden jeweils oder jemand ein neues Lebensband brauche, könne von Jungen durch die Dunkelheit geleitet. er einen der Teamer jederzeit wecken. e) die Lehrerin Morgens gegen Die Lehrerin begleitet die Teamer und ist keiner Schü- 7.00 Uhr kom- ler-Gruppe zugeteilt. Sie sitzt eine Weile am Teamer- men die ersten, Lager in der Mitte des Geländes und verteilt die um sich wieder Lebensbänder. Dabei unterhält sie sich mit ihren Lebensbänder Schülern, die ihr von dem Spiel und ihren Erfahrun- zu holen. Die gen berichten. Interessiert hört die Lehrerin zu. Sie Frühaufsteher sucht auch später immer wieder die Gespräche, geht sind diejenigen, dafür auch alleine die Lager ab und hält sich länger die nach einiger mit den Gruppen an deren Lagerfeuer auf. Zeit auch die meisten Korken besitzen, da die- Abbauen und Rückfahrt se nun auf dem Nach dem Ende des Spiels räumen die Gruppen die La- Gelände wieder ger auf. Die Teamer nehmen die Lager einzeln ab und Abb. 20: Auf der Flucht leichter zu fin- weisen die Schüler auf Müllreste hin. Dann kommt der den sind. Es Bus und bringt die Gruppe wieder zurück zum Haus. kommt aber kaum noch zu Kampfhandlungen. Die Gruppen kon- gegen 10.30 Uhr Eintreffen beim Haus zentrierten sich nach dem „Anschieben“ durch die Die Schüler berichten der anderen Gruppe (Alterna- Teamer wieder auf ihre Aufträge. Da aber die Koordi- tivangebot), die schon auf deren Ankunft wartete, nation immer noch Probleme bereitet, schaffen es von dem Spiel. Die Teamer lösen die Gesprächsrunden alle vier Gruppen bis 9.00 Uhr nicht, die Aufträge zu nach einiger Zeit auf und weisen die Jugendlichen erfüllen. Ein Beispiel für die fehlende Zusammenar- darauf hin, dass sie jetzt Gelegenheit zum Duschen beit: Eine Gruppe muss einen Gullydeckel öffnen, um und Umziehen hätten. Es wird vereinbart, dass sich an den nächsten Auftrag zu gelangen. Sie können die Gruppe gegen 11.30 Uhr zu einer Reflexion trifft. den Deckel aber nicht mit den Händen öffnen. Sie su- chen einen Hebel. Vier von ihnen rennen los, um eine 11.30 Reflexion Eisenstange oder ähnliches zu suchen. Allerdings alle Für die erste Reflexionsrunde fordern die Teamer die in dieselbe Richtung. Die anderen drei stehen am Gruppe auf, sich in ihre aus dem Spiel bekannten Gullydeckel und machen gar nichts. „Kampfgruppen“ aufzuteilen. Die Gruppen werden räumlich getrennt, so dass zwei Teamer mit jeweils d) die Mädchen zwei Gruppen das Spiel reflektieren. In der ersten Gegen 23.00 Uhr finden sich fast alle Mädchen in ei- Runde geht es um die Zusammenarbeit in den Grup- nem Lager zu einem „Kaffee-Klatsch“ ein. Die Jungen pen. Die Teamer fragen in jeder einzelnen Gruppe kommen zu den Teamern und sind frustriert, dass die nach der Selbsteinschätzung der einzelnen Teilneh- Mädchen ihnen beim Erfüllen der Missionen nicht mer, ob sie mit ihrem „Kampf“ und Einsatz zufrieden helfen. Sie wollen das Spiel abbrechen, „die Mädchen sind. Danach werden die Schüler aufgefordert, die sind blöd“. Ein Junge sagt: „Ist doch völlig klar: die Rollenverteilung in ihrer Gruppe zu erklären. Wer Jungs wollen lieber mit den Jungs etwas unterneh- war Anführer und wer war Soldat? Es ergibt sich men, die Mädchen lieber etwas mit den Mädchen. So durchgängig folgendes Bild: Jede Gruppe hatte wäh- ein Spiel kann gar nicht funktionieren!“ rend des Spiels mindestens einen inoffiziellen Anfüh- rer, der von fast allen anerkannt war. Teilweise sind Die Teamer suchen das Mädchenlager auf und versu- die Genannten erstaunt über diese Zuschreibung, chen, die Mädchen zum Weitermachen zu motivieren. weil sie sich selbst als „Soldat“ und Befehlsempfänger Diese entgegnen, dass die Jungen sie nicht in ihre einschätzen. Andererseits gibt es in jeder Gruppe Überlegungen, die Missionen zu erfüllen, mit einbe- zwei oder drei, die keine Befehle von ihnen anneh- zögen. Entweder sagten die Jungen gar nichts oder men würden. Die Schüler erkennen die Situation in

33 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6 der eigenen und den anderen Gruppen. Sie geben zu Nach einer erneuten kurzen Pause trifft sich die ge- verstehen, dass sie sich nun vorstellen könnten, war- samte Gruppe noch einmal zu einem letzten Ge- um keine Gruppe die Mission erfüllt habe. Die spräch. Einige Jungen schlafen im Sitzen auf ihren Teamer beschließen diese erste Runde mit der Bemer- Stühlen ein. Die Teamer sprechen dies an. Die Schüler kung, dass eine so klare Gruppenhierarchie, wie sie überschätzten sich während des Spiels. Sie machten das Spiel erfordert habe, keine Standardsituation in die Nacht durch und verbrauchten ihre Kräfte, so dass dem Alltagsleben der Schüler sei und sie deshalb auch sie am nächsten Morgen zu müde waren, um die Mis- Probleme mit der Gruppenstrukturierung hätten. sion zu erfüllen. Die Jungen sind nicht Rambo, der in seinen Filmen keinen Schlaf braucht, und sind auch Nach einer kurzen Pause leiten die Teamer die zweite nicht übermenschlich. Die Schüler haben, so schließen Reflexionsrunde ein. Es soll auf die Mädchen-Jungen- die Teamer, gemeinsam erfahren, dass jeder von ih- Problematik eingegangen werden. Die Gruppe wird nen Grenzen hat. Das Wissen um diese Grenzen stellt in Jungen und Mädchen geteilt. Die Mädchenrunde, eine wichtige Ressource dar, die man nutzen kann. räumlich von der Jungenrunde getrennt, wird von zwei Teamerinnen geleitet, während die Teamer mit Nach der Reflexion bereitet ein Teamer mit den Schü- den Jungen über die Mädchen sprechen. Die Jungen lern das Grillen von Würstchen vor, während sich die beginnen schnell, sich über die Mädchen zu beschwe- anderen Teamer mit den Lehrerinnen zusammen set- ren. „Die wollen ja nur labern“, so der allgemeine Te- zen. Den Lehrerinnen hat die Woche gut gefallen. Sie nor. Die Teamer versuchen den Jungen verständlich haben aufgrund ihrer Begleiterrolle die Gelegenheit zu machen, dass „gegeneinander kämpfen“ Jungen- gehabt, ihren Schülern ganz anders zu begegnen. So sache sei und Mädchen sich mehr für „miteinander lernten sie die Schüler neu kennen und sehen jetzt reden“ interessierten. Beides sei aber wichtig und ma- gewisse Problemlagen in den Klassen anders als vor- che Spaß. Während die Mädchen vielleicht mehr ler- her. Die Teamer weisen die Lehrerinnen noch auf ein- nen müssten, wie man gegeneinander kämpfe, sei es zelne Schüler und deren möglichen Problemlagen für die Jungen wichtig zu lernen, miteinander zu re- hin. Nach diesem Gespräch schließen sie sich den den. Die Teamer schließen an die erste Reflexion an Schülern zum Essen an. und geben zu bedenken, dass die Gruppen wohl we- sentlich weiter gekommen wären, wenn die Schüler ca. 15.30 Uhr Abfahrt der Klassen (Ende der Maßnah- mehr miteinander geredet hätten. me) Zwei Wochen später erfolgt durch den Leiter der Die Mädchen titulieren das Spiel in ihrer Reflexion als Maßnahme ein Anruf bei einer der beteiligten Lehre- ein „Jungen-Spiel“, in dem sie nicht mithalten könn- rin. Er fragt nach den jetzigen Meinungen der Schüler ten. Nach ein paar schnellen Fragerunden wird ihnen zu der Fahrt und zu dem Spiel, nach möglichen Ver- klar, dass sie auch eigene Fähigkeiten und Fertigkei- änderungen im Verhalten der Schüler untereinander ten in das Spiel hätten einbringen können. Die Mäd- und in der Lehrer-Schüler-Interaktion. chen beschweren sich, dass die Jungen immer alles hätten bestimmen wollten, und sie sich nicht befähigt gefühlt hätten, dagegen zu wirken. Erst nach wieder- 2.2. Schulspiel mit einer OS-Klasse holten Nachfragen erzählt ein Mädchen, dass es auch Angst gehabt habe. Auch andere Mädchen sagen, Der folgende Bericht beschreibt das Spiel mit Gewalt- dass sie am Mittwochvormittag in der Vorbespre- spielelementen aus Bildschirmspielen, das mit der chung erst gemerkt hätten, was das eigentlich für ein Klasse einer Orientierungsstufe (6. Klasse) durchge- Spiel sei, auf das sie sich da eingelassen hätten. Es führt wurde. Die Freizeit lief über vier Tage (Montag habe ihnen Angst gemacht, da sie befürchteten, dass mittags bis Donnerstag früh). Beachtenswert ist hier- es mit den Jungen zu gewalttätig werden könnte. bei, dass das Spiel in der eigenen Schule gespielt wur- Aber sie hätten ja nicht mehr zurück gekonnt, da sie de und die Maßnahme situationsorientiert endet. sich ja nun entschieden hätten. Die Klassenlehrerin bekommt Kontakt zu unserem Letztendlich fanden sie das Spiel aber gar nicht so ge- pädagogischen Dienstleistungsbetrieb über den walttätig. Die Teamerin weist noch einmal darauf hin, Jugendschutzbeauftragten des Jugendamtes des dass die Mädchen am Mittwoch bei dem gemeinsa- Landkreises Vechta. Sie berichtet dort über Gewalt- men Ausarbeiten des Kriegsvertrags nichts gesagt probleme in der Klasse und fragt über Möglichkeiten hätten, obwohl es ausreichend Gelegenheit dazu gab. der Arbeit zum Thema Gewalt nach. Der Jugend- Die Mädchen, so schließt sie diese Runde, müssten ler- schutzbeauftragte setzt sich in Kontakt mit uns und nen, sich zu wehren und zu sagen, wenn sie Angst kündigt die Kontaktaufnahme der Lehrerin an. Die hätten bzw. sich weigern, wenn die Jungen etwas Lehrerin kontaktiert uns, und es wird eine Woche im von ihnen verlangten, was sie nicht wollten. Februar (als Klassenfahrt) zu dem Thema „Gewalt in Bildschirmspielen“ vereinbart.

34 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden

Vorplanung Drei Wochen vor der Fahrt besuchen die pädagogi- Nach der Pause unterschreiben alle Schüler den Ver- schen Leiter der Maßnahme die Klasse in ihrer Schule trag. Die Leiter bitten die Schüler, sich eine Jacke und während einer Unterrichtsstunde. Sie beantworten Schuhe anzuziehen für eine Spielaktion, die draußen die Fragen der Schüler zu dem anstehenden Aufent- stattfindet. Dort werden die Schüler in vier Gruppen halt in dem Haus. Die Schüler beantworten ihrerseits aufgeteilt und es wird eine Variante des „Chaos- einen Fragenbogen zu Bildschirmspielkenntnissen (s. spiels“ gespielt (s. a. Anhang unter „Aktionsreiche a. Anhang „Fragebogen zu Bildschirmspielkennt- Gruppenspiele – Chaosspiel“). nissen“). Die Kontaktaufnahme mit der Klasse ver- schafft den Leitern subjektive Eindrücke über die Nach dem Abendessen trifft sich die Klasse in einem Klassenatmosphäre, auffallende Einzelpersonen im abgedunkelten Raum. Dort spielt sie nach dem K.O.- Klassenverband, das Schüler-Lehrer – Verhalten und Prinzip über einen Wallbeamer auf Großbildleinwand das soziale Verhalten der Schüler untereinander. Die ein Beat’em Up-Spiel.1 Der Wettbewerb läuft mit gro- Leiter verabschieden sich aus dieser Stunde mit dem ßer Hingabe und Teilnahme der Schüler. Sie tauschen Hinweis, dass die Schüler einen persönlichen Gegen- untereinander Tipps aus und beklatschen einander. stand zu dem Aufenthalt mitbringen sollen. Besonders bei den Mädchen wird besonders laut ge- klatscht, wenn sie gewinnen.

1. Tag, Montag Nach dem virtuellen Kampf führen die Leiter die Schüler in einen anderen Raum, den sie mit Matrat- Die Klasse trifft pünktlich im Haus ein und wird von zen ausgelegt haben. Alle setzen sich um die Matrat- dem Heimleiter begrüßt. Sie erhält von ihm eine kur- zen und drücken diese mit ihren Schuhen zusammen. ze Einführungsansprache zu den Möglichkeiten und Die Sieger werden aufgefordert, gegeneinander zu Regeln des Hauses. Danach beziehen alle ihre Zim- kämpfen. Die um die Matratzen sitzenden Schüler mer. Ein erstes Treffen von Seiten der Leiter wird mit müssen sich auf den in der Mitte ablaufenden Kampf den Schülern nach dem Mittagessen und einer kurzen konzentrieren und aufpassen, dass die Kämpfer nicht Freizeit gegen 14.00 Uhr vereinbart. auf den harten Boden fallen, sondern auf dem wei- chen Untergrund bleiben. Die Leiter sprechen mit den Um 14.00 Uhr trifft sich die Gruppe. Die Schüler stel- Kämpfern die Regeln ab (kein Schlagen, keine len sich auf Bitte der Leiter einzeln vor und zeigen ih- Schwitzgriffe, nicht an den Haaren ziehen, nicht knei- ren persönlichen Gegenstand, den sie von zu Hause fen, kniend kämpfen). Als die Schüler bei diesem mitgebracht haben. Im Gespräch stellt sich einige Kampf sehen, wie geregelt er abläuft, zeigen sich Male durch Nachfragen der Leiter heraus, dass eini- noch mehr bereit, gegeneinander zu kämpfen. Auch gen Kindern andere Gegenstände wichtiger sind als die Mädchen kämpfen gegeneinander, doch nicht ge- die vorgestellten. Die Leiter akzeptieren die letztlich gen die Jungen. Die Leiter weisen schließlich darauf Wichtigsten und notieren diese zu den Namen. Bei hin, dass die Schüler bei ihren bisher gezeigten Kämp- dieser Runde zeigt sich rasch, dass es den Schülern fen lachten. Sie kündigen an, mehr Ernst in das Spiel schwer fällt, sich zu konzentrieren. Die Leiter weisen zu bringen und fordern den Mutigsten auf, sich in die darauf hin, dass die Schüler selbst bestimmen können, Mitte zu setzen. Dort werden ihm die Augen verbun- wann eine Pause eingelegt wird. Nur durch diese den. Zwei Mädchen werden aufgefordert, ihn anzu- selbstbestimmende Arbeitsform ist es möglich, über greifen. Der Junge setzt sich so gut zur Wehr, dass seine eigene Aufmerksamkeit zu walten. noch ein Mädchen in den Kampf geschickt wird. Dann wird der Kampf abgebrochen, der Angegriffene muss Nach einer kurzen Pause stellen die Leiter den Schü- die Augen verbunden lassen, die Angreifer setzen lern den vorbereiteten Arbeitsvertrag für die kom- sich auf ihren Platz. Dann erst nimmt der Angegriffe- menden Tage vor (s. a. Anhang „Beispiel für Arbeits- ne das Tuch ab. Die Leiter bitten ihn zu sagen, wie vertrag“). Es folgt eine Vorstellung der Rechte und viele ihn angegriffen haben und wer. Der Junge sagt Pflichten für die Schüler. Auf die Nachfrage, welche zwar die Anzahl richtig, kann aber nicht genau sagen, Rechte und Pflichten zusätzlich aufgenommen wer- wer ihn angegriffen hat. Auf die Nachfrage, ob er den sollen, kommt keine Antwort. Die Leiter stellen auch gegen vier hätte kämpfen können, schüttelt er die Konsequenzen für Regelverletzungen vor. Die den Kopf, nein, vier wären zuviel gewesen. Im Schüler sind aufgebracht, beruhigen sich doch wieder Anschluss daran finden mit den verbundenen Augen schnell. Die Leiter beharren trotzdem auf einer Pause, noch einige Kämpfe statt, aber es melden sich nun die die Schüler zum Nachdenken nutzen sollen. Wer längst nicht mehr so viele Schüler. den Vertrag nicht unterschreibt, bekommt die Mög- lichkeit, an einem ebenso attraktiven Alternativpro- Dann räumen die Schüler mit den Leitern rasch die gramm teilzunehmen, das jedoch nichts mit dem The- Matratzen zur Seite. Jeder Schüler wird nun aufgefor- ma Bildschirmspiele zu tun hat. dert, sich einen gleichstarken und gleichgroßen Part-

35 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6 ner zu suchen. Es folgen mehrere Partnerübungen, in auch umgekehrt bei den Spielen helfen. Einige Schü- denen Körperlichkeit und Sensibilität miteinander ler, die eine höhere Frequenz beim Spielwechsel ge- verbunden werden. Im Anschluss daran spielt die wohnt sind, haben Probleme damit, dass sie 20 Minu- Klasse noch „japanisch Ching-Chang-Chong“ (s. a. An- ten vor einem Spiel sitzen müssen. Sie überschreiten hang unter „Wahrnehmungsspiele“). hierbei ihre Toleranzgrenze und müssen von ihrem Spielpartner und von den Leitern immer wieder gebe- ten werden, sich noch weiter mit dem Spiel zu be- 2. Tag, Dienstag schäftigen. Die Mädchen erhalten durch dieses Bildschirmspiel im Klassenverband sehr viel Respekt Nach dem Frühstück trifft sich die Klasse. Dieser Tag von den Jungen, weil sie auch Spiele kennen und sie steht im Zeichen des gemeinsamen Bildschirmspiels. den Jungen sogar erklären können. Die Leiter bauten am Vortag 13 durchnummerierte Stationen mit Computer- und Videospielen auf. Dabei Nach dem Abendbrot erweitert die Klasse die Liste gibt es pro Konsole zwei Spiele und für jede PC-Stati- der Gewaltbegriffe an der Tafel. Im Anschluss daran on je ein Spiel. Vier PCs sind miteinander vernetzt. spielt sie unter Anweisung der Leiter das „Kerzen- Auf ihnen laufen das Actionspiel GTA und das Echt- spiel“ (s. a. im Anhang „Kerzenspiel“). Dieses Spiel zeitstrategiespiel AGE OF EMPIRES, die gegeneinan- nimmt sie sehr gut an. Die ansonsten laute Gruppe der gespielt werden können. Als Ausweichstation, wird sehr leise und konzentriert sich auf das Spiel. Da- falls ein Team gar nicht mit dem Spiel auf der Station nach spielt die Gruppe draußen das „Funzelspiel“ (s. zurecht kommt, gibt es einen „Joker“. Dort müssen a. im Anhang „Funzelspiel“). Die Leiter brechen das die beiden Schüler dann ein Bild von einem Bild- Spiel nach einer kurzen Zeit ab, denn die Schüler hal- schirmspielhelden malen. ten sich nicht an die vorab verabredeten Spielregeln. Die Schüler bilden Zweiergruppen und überlegen sich Es kommt zu etlichen Auseinandersetzungen zwi- Teamnamen. Dann losen die Leiter aus, welches Team schen den Schülern, auch in der eigenen Gruppe. Die bei welcher Spielstation beginnt. An den Stationen Leiter versammeln die Klasse sofort in einem Raum spielen die Teams jeweils 20 Minuten, dann müssen und fragen, warum das Spiel ihrer Meinung nach sie zur nächsten Station wechseln. So spielen alle nicht gut gelaufen ist. Einige Schüler melden sich und Teams bis zum Abend alle 13 Stationen durch. Ein beschuldigen andere, unfair gespielt zu haben. Die krankgemeldeter Schüler trifft im Laufe des Vormit- Leiter zeigen den Schülern auf, warum das Spiel aus tags ein. Er bildet mit der Lehrerin ein eigenes Team. ihrer Sicht als Beobachter scheiterte. Sie weisen die Diese spielt freudig mit und lässt sich von dem Schüler Schüler darauf hin, dass Spielregeln wichtig und ein- bereitwillig die Spiele erklären. zuhalten seien. Dies sei besonders bedeutsam für das Schulspiel am nächsten Tag. Danach spielen die Schü- Nach dem Mittagessen und einer Freizeit für die ler in der Runde, wie sie gerade sitzen, unter Anwei- Schüler sammelt die Klasse zusammen mit den Leitern sung der Leiter „Kartensitzen“. Dieses Spiel klappt an einer Tafel die Möglichkeiten von Gewalt, die in sehr gut und die Schüler haben Spaß daran, so dass es den Spielen bisher aufgefallen sind. Danach geht es mehrere Durchläufe gibt. Bevor die Leiter die Klasse in die Fortsetzung der Spielrunden. Bei diesen beob- in die anschließende Freizeit schicken, erzählen sie achten die Leiter, wie die Jungen den Mädchen und den Schülern, dass sie doch zusammen spielen und auch gemeinsam an einem Spiel Spaß haben könnten, wie das letzte Spiel bewiesen habe.

3. Tag, Mittwoch

Nach dem Frühstück trifft sich die Gruppe in einem Raum und die Leiter erklären, dass es heute morgen sehr wichtig sei, sich zu konzentrieren und aufzupas- sen. Zunächst sollen sich die Schüler die gestern an der Tafel gesammelten Gewaltbegriffe noch einmal anschauen. An der Tafel stehen folgende Begriffe: schlagen, ver- brennen, catchen, raufspringen, treten, überfahren, schießen, angreifen, umbringen, sprengen und kämp- fen. Der moderierende Leiter fragt die Schüler, ob ihnen etwas an den Begriffen auffällt. Da sich keiner mel- Abb. 21: Bildschirmspiel mit der Lehrerin det, erklärt er ihnen, dass dies alles Angriffs- und kei-

36 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden ne Abwehr- oder Verteidigungsbegriffe seien. Dann Der Genitalbereich kommt erst sehr spät in die Run- fordert er die Schüler auf, Begriffe zu nennen, die et- de. Da den Kindern noch nicht ganz klar ist, was es was mit Kämpfen zu tun haben. Die Kinder nennen bedeutet, in der Dunkelheit geschlagen zu werden, folgende: schlagen, treten, raufspringen, Abwehr, stellt der Leiter an einem Schüler den Begriff schla- Genick brechen, wehren, angreifen, verteidigen, auf gen dar. Der Schüler wird aufgefordert, sich vor ihm den Boden werfen, töten, zertrümmern, erdrosseln, hinzustellen. Der Leiter holt etwas mit der Hand aus Wut. und der Schüler weicht zurück. Einige Schüler bekom- Dann sammelt die Klasse Begriffe zum Thema Krieg: men aufgrund der Demonstration jetzt Angst und schießen, töten, bombardieren, sprengen, angreifen, entschließen sich, das Wort nicht in den Kriegsvertrag erhängen, quälen, kämpfen, abstechen, zerstören, aufzunehmen. gefangen nehmen, überfallen, Strategie, anzünden, Gewalt, verteidigen. Nahkampf: Der Leiter fragt, ob Nahkampf stattfinden soll, unter den Voraussetzungen wie bei dem Spiel am Montag. Den Kinder ist bei dem Gedanken, dass sie nicht wissen, von welcher Seite sie angegriffen werden würden, nicht ganz wohl. Daraufhin fragt der Leiter, vor wem sie am meisten Angst in der Klasse hätten. Bei einer schnellen Runde fallen fast immer die gleichen Namen. Der Leiter fragt die Benannten, ob sie wissen, warum die anderen Angst vor ihnen habe könnten. Die Befragten finden die Angst der Mitschüler unberechtigt. Von einem Jungen, der ge- nannt worden ist, wird gesagt, dass er die anderen immer gegen den Kopf schlägt. Der Leiter fragt ihn, ob er das auch in ihrem Kriegsspiel machen wird. Er verneint, er könne es für die Dauer des Spiels einstel- len.

Catchen: Z. B. um ein Lebensband kämpfen. Einige Abb. 22: Begriffe an der Tafel sammeln Schüler schlagen vor, diesen Begriff mit aufzuneh- men. Es muss ein Zeichen erfolgen, ob man kämpfen, Ausgehend von den Begriffen, die an der Tafel ste- ringen oder catchen will. Vom Gegner kann natürlich hen, sollen die Schüler nun entscheiden, welche der ebenso ein Zeichen kommen, z. B., dass man sein Begriffe sie in ihrem „Krieg“ haben wollen. Es blei- Lebensband selber abnimmt oder laut „Stopp“ ruft. ben: schießen, überfallen, kämpfen, gefangen neh- Der Leiter weist darauf hin, dass das Wort „Stopp“ men, töten, Gewalt, quälen, Strategie, angreifen, ver- aber so gerufen werden müsse, dass der Gegner wirk- teidigen, zerstören. lich den Kampf einstellt und weiß, das er nun das Die Kinder finden heraus, dass alle Begriffe in Krie- Lebensband des anderen erhält. Alle müssen jetzt gen etwas mit Gewalt zu tun haben, auch Strategie. laut und ernst „Stopp“ rufen, damit jeder weiß, was Nun nimmt sich der moderierende Leiter mit Hilfe der mit „laut und deutlich „Stopp“ rufen“ gemeint ist. Es Schüler jeden einzelnen Begriff vor und versucht, ge- wird auch vereinbart, dass die Kämpfer jederzeit die nauer zu definieren. Zur Klarstellung und für das all- Möglichkeit haben sollen, laut „Stopp“ rufen zu kön- gemeine Verständnis der einzelnen Worte, stellen Lei- nen, d. h. es darf nicht der Mund zugehalten werden. ter und Schüler teilweise Begriffe bildlich dar und testen Situationen durch. Die Begriffe, die von allen Auf den Boden werfen: Alle außer zwei Jungen sind Schülern als akzeptiert gelten, kommen mit in den dagegen, dass dieser Begriff mit aufgenommen wird. Kriegsvertrag hinein. Der Leiter fordert einen der beiden auf, sich in die Mitte zu stellen. Er erklärt dem Jungen, dass er gleich Beispiele: von dem Leiter auf den Boden geworfen werde. Bei- Schlagen: „nicht doll schlagen“ (Aussage einer Schü- de gehen in die Knie und schlagen mit der Hand auf lerin). Da keiner jedoch weiß, was „doll schlagen“ ist, den Boden. Der Leiter weist darauf hin, dass der Bo- demonstriert ein Mädchen bei einem Jungen, was es den hier wohl genau so hart sei wie in der Schule. für sie bedeutet. Es wird nicht deutlich, denn die bei- Dann stehen beide auf und der Leiter wirft den Jun- den schubsen sich lediglich etwas. Die Schüler haben gen mit einem Judowurf hin. Dabei hält er den Jun- Angst, sich zu schlagen. Der Leiter fragt die Schüler, gen und bremst seinen Fall ab. Der andere Schüler wohin es erlaubt sein soll zu schlagen. Bei der schnel- wird von einem starken Jungen mit dem Judogriff ge- len Runde kommt heraus, dass die Kinder nicht im worfen. Auf Nachfrage des Leiters, wie es denn gewe- Kopf- und Bauchbereich geschlagen werden wollen. sen sei, zuckt er nur die Achsel. Der Leiter meint, er

37 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6 hätte den Aufschlag wohl gehört, und fragt den Jun- melt sich wieder die ganze Klasse. Die Leiter sammeln gen, wie er denn aufgekommen wäre. Der Junge die Korken ein und ein Leiter beginnt, die Grundstory zeigt auf sein Knie. Auf die Frage, ob das denn ange- für das Schulspiel vorzulesen (s. a. im Anhang nehm gewesen wäre, verneint der Junge. Nach dieser „Grundkonzepte für Schulspiele“). Den Schülern wer- Verdeutlichung bestehen auch die beiden Jungen den die Augen verbunden, und sie werden in zwei darauf, dass dieser Begriff besser gestrichen wird. Gruppen zur Schule gefahren. Gegen 18.30 Uhr wer- den die Schüler von den Leiter einzeln in die Schule Die Leiter erklären den Schülern, dass es als wichtig in geführt. Dort können sie das Tuch abnehmen. Sie er- diesen Runden gilt herauszufinden, ob einer von ih- halten ein Lebensband (Wolle), ein Codewort und ein nen noch Angst hat. Lässt sich diese nicht ausräumen, weiteres Wort. Die Schüler müssen nun zunächst ein- wird der Begriff gestrichen und nicht mit in den zeln in die dunkle Schule und auf ihre Mitstreiter Kriegsvertrag aufgenommen. Zum Schluss stellt der warten. Durch das Codewort erkennen sie die Mit- Leiter den Kindern die Frage, ob nun alle Begriffe glieder ihrer Gruppe. Die einzelnen Wörter der jewei- verstanden seien. Nachdem die Teilnehmer dies beja- ligen Gruppe ergeben einen Satz, der den Ort be- hen, bekommen sie die Aufgabe, innerhalb von 15 schreibt, an dem ihre Munition, ihr Auftrag und eine Minuten alleine oder gemeinsam ihren persönlichen Taschenlampe liegen. Die Lehrerin teilte vorher die Kriegsvertrag auszuarbeiten. In der großen Runde Gruppen. Dabei sollte sie darauf achten, dass die liest ein Leiter einen Kriegsvertrag laut vor und bittet Schüler in einer Gruppe zusammen spielen müssen, die Schüler, diesen mit ihrem zu vergleichen und die sich weniger leiden können, und dass in jeder wenn nötig zu ergänzen. Im nachhinein stellen die Gruppe Mädchen sind. Leiter im Gespräch mit der Lehrerin fest, dass der ge- samte Vormittag sehr diszipliniert ablief und die Zunächst halten sich die Schüler nur im Eingangsbe- Schüler sich überraschend konzentriert zeigten. reich auf, weil sie mit der Umgebung und der Aufga- benstellung nicht zurecht kommen. Dies ändert sich Nach dem Mittagessen bekommen die Schüler Frei- schnell, als alle in der Schule sind. Sie finden zwar zeit und die Aufgabe, ihr Zimmer schon einmal vorzu- schnell zu ihren Gruppen, Probleme bereitet zunächst säubern. Die Leiter fahren in die Schule und bereiten aber der richtig anzuordnende Hinweis auf die Muni- das Spiel vor. Nach deren Rückkehr trifft sich die Klas- tion und den Auftrag. Kurze Zeit später findet eine se. Die Schüler erhalten Luftpumpen, Schutzbrillen Gruppe per Zufall Munition, leider zwei Säcke, so dass und jeweils einen Korken. Eine viertel Stunde lang eine Gruppe weder Taschenlampe, Munition noch üben sie mit den Pumpen und den Korken. Dabei Auftrag hat. Die Gruppe sammelt die abgeschossenen nehmen einige Schüler anderen den Korken weg, an- Korken der Gegnermannschaft vom Boden auf und dere schießen ihren auf das Dach des Hauses. Auf die findet den Auftrag recht schnell heraus. Der Auftrag Anfrage, ob sie noch einen Korken bekommen kön- lautet, Karten zu zeigen. Die Schüler suchen das Ge- nen, antworten die Leiter, dass sie die Verantwortung bäude nach den von den Leitern versteckten Spielkar- für ihren Korken tragen. Sie dürften ihn eben nicht ten ab und melden sich bei jeder neu gefundenen einfach so wegschießen, sondern müssten auf ihre Sa- Karte bei den Leitern. Doch erst ein vorgezeigter chen aufpassen. Nach den Schießübungen versam- Zwilling (was die Schüler nicht wissen) bringt die Gruppe weiter. Zwischendurch finden immer wieder Kämpfe statt, jedoch überhaupt kein Nahkampf. Ge- gen 21.15 Uhr sind beide Gruppen mit dem nächsten Auftrag, eine Batterie zu suchen, unterwegs. Nach- dem einige Kinder auffallend oft abgeschossen wer- den und im Totenreich erscheinen, haben die Leiter den Eindruck, dass sie nicht gewillt sind, mit ihrem Team zusammen zu arbeiten. Besonders ein Junge ist sehr oft bei den Leitern im Totenbereich, weil er nicht mit in seinen Team kämpft, sondern als Einzelkämp- fer herumzieht. Das macht den restlichen Gruppen- mitgliedern anscheinend anfangs nicht viel aus. Nur wenn alle aus dem Team tot sind und die Leiter sie ein bisschen länger im Totenreich lassen, geben sie ihm gemeinsam zu verstehen, dass sie seine Aktionen „scheiße“ finden. Das Totenreich wird von den Lei- tern im Anschluss weniger attraktiv gestaltet, indem die Schüler, die sich dort aufhalten, gymnastische Abb. 23: Tut werfen weh? Übungen machen müssen. Schon bald ist das Toten- reich unter den Schülern verpönt und sie geben sich

38 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden mehr Mühe, in ihrer Gruppe mitzuarbeiten und nicht 4. Frage: Was war am Spiel nicht gut? (keine vorge- als Einzelkämpfer in den Krieg zu ziehen. gebenen Antworten) • Dass eine Person sich nicht an die Totenregel ge- Alle Schüler im Totenreich setzen sich kurz auch zu ihrer halten hat; Lehrerin, die sich dort ebenfalls aufhält. Sie erzählen • Dass zwischendurch einige nicht mehr richtig ge- von ihren Kämpfen, wen sie noch „abknallen“ müssen spielt und im Totenreich herumgehangen haben; und wo sich jemand versteckt hat. Die Schüler entwik- • Dass man selbst abgeschossen wurde; keln eigene Strategien. Gegen 22.30 Uhr findet die erste • Dass eine Gruppe ihr Päckchen mit der Munition Gruppe die Batterien und erhält über das Diktiergerät, nicht gefunden hat. das nun mit der gefundenen Batterie läuft, die letzte Mission. Nach kurzer Zeit erfüllt die Gruppe auch diesen 5. Frage: Was war am Ende des Spieles nicht in Ord- Auftrag und findet die gesuchte „Megawaffe“. nung? (keine vorgegebene Antworten) • Dass alle gestritten haben; Nach dem Spiel verzehrt die Klasse die mitgebrachten • Dass mehrere müde waren und keine Lust mehr Lunchpakete in der Schule, und ein Leiter befragt hatten; schnell und zwischendurch die Schüler zu dem Spiel. • Dass zum Schluss die Spannung fehlte. Die Kinder geben folgende Eindrücke von sich: • fand ich gut, das Abknallen 6. Frage: Worum ging es in diesem Streit? (keine vor- • doof, dass ein Mädchen geschummelt hat und gegebene Antworten) nicht ins Totenreich gegangen ist, wenn sie getrof- Dass jemand den anderen falsche Informationen über fen war die Megawaffe gegeben hat. • es war wie Krieg • im Team zu arbeiten ist besser 7. Frage: Ist das Spiel insgesamt gut gelaufen? (ja/ • Aufgabenstellung war einfach nein) • einige aus der Gruppe waren zu laut Nur wenige antworten mit „nein“. • das Beste war das Abknallen • ein Mädchen fand es blöd, dass sie im Spiel be- 8. Frage: Woran kann es gelegen haben, dass das schimpft worden ist Spiel nicht so gut gelaufen ist? (keine vorgegebene • soll nicht im wahren Leben so sein. Antworten) • Die Lebensbänder wurden von einigen Getroffe- Nach dem Aufräumen der Schule fährt die Gruppe nen nicht abgegeben. wieder ins Haus. • Einige gaben überhaupt nicht zu, dass sie getrof- fen worden sind; • Ein Päckchen wurde gestohlen 4. Tag, Donnerstag 9. Frage: Wer von euch hat die Regeln nicht eingehal- Die Schüler reisen gegen 10.30 Uhr ab. Aufgrund des- ten? (keine vorgegebene Antworten) sen entschieden sich die Leiter im Vorfeld für eine Nur wenige geben nach einigem Zögern zu, dass sie zweigeteilte Reflexion. Eine kurze, die noch am Vor- die Regeln nicht ganz 100␣ %ig befolgt haben. mittag ablaufen soll, und eine am nächsten Tag in der Schule im Klassenraum. Die kurze Reflexion des Spiels 10. Frage: Wie gut habt ihr gekämpft? Schätzt euch vom Vortag beginnt mit dem den Schülern nun schon selbst ein. (keine vorgegebene Antworten) bekannten Prinzip der „Schnellen Runde“2, das auch Den meisten Schülern fällt es schwer, sich selbst ein- in der Fragerunde immer wieder aufgegriffen wird. zuschätzen3, nur einige sagen, dass sie anfangs gut, Ansonsten versucht der moderierende Leiter aus den aber dann nicht mehr so gut gekämpft hätten. Schülerantworten neue Fragen zu formulieren. 11. Frage: In einem Krieg gibt es zumindest zwei ver- 1. Frage: Wie fühlt ihr euch? (gut/schlecht) schiedene Typen, den Soldaten und den Anführer. Drei Schüler antworten „schlecht“, sonst alle „gut“. Welche Rolle hast du in dem Krieg übernommen? (Soldat/Anführer) 2. Frage: Wie fandet ihr das Spiel? (gut/schlecht) Für die Beantwortung dieser Frage weisen die Leiter Einhellige Meinung, alle fanden das Spiel „gut“. an, dass sich die Schüler in den beiden Gruppen von gestern Abend zusammensetzen sollen. Es stellt sich 3. Frage: Was hat euch besonders gefallen? (keine heraus, dass bei einer Gruppe kein Anführer vorhan- vorgegebene Antworten) den war und sich somit diese Leute auch oft im An erster Stelle steht „abschießen“, gefolgt von „ver- Totenreich aufhielten. Der Anführer der anderen stecken“, danach kommt „Aufträge erfüllen“. Gruppe war der amtierende Klassensprecher der Klas- se. Für die Schüler ziehen die Leiter das Fazit, dass

39 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6 ohne Anführer oder eine gut durchdachte Strategie Da Schubsen der Ausgang für eine körperliche Aus- innerhalb eines Teams kein gutes Spiel für die einzel- einandersetzung in ihrer Schule ist, teilen sie bei- ne Gruppe möglich sei. spielsweise die Klasse in zwei Gruppen auf und stellen diese an zwei Seiten des Klassenraumes auf. Beide 12. Frage: Haben Nahkämpfe stattgefunden? (keine Gruppen, so die Vorgabe, wollen schnell zusammen vorgegebene Antwort) an die jeweils gegenüberliegende Seite. Die Schüler Aus den Antworten der Kinder schließen die Leiter, laufen los und durch die andere Gruppe hindurch. dass die Schüler zuviel Munition hatten. Der Gegner Dies wiederholen die Leiter einige Male, mit immer konnte abgeschossen werden, es musste kein Nah- schneller werdenden Gruppen, bis Schubsereien und kampf stattfinden. Andererseits stellen die Leiter darauffolgendes Anmachen der Schüler untereinan- auch eine Unlust bei den Schülern gegen Nahkampf der auftreten. Die Leiter fragen die Schüler, als diese fest. sich gesetzt haben, was da gerade passiert sei. Die Klasse weiß keine Antwort und hat nichts beobach- 13. Frage: Bist schon mal verprügelt worden oder tet, weil die Rempeleien und Schubsereien zu ihrem hast selbst geprügelt? (ja/nein) Alltag gehören. Ein Leiter stellt dies bildlich noch ein- Beide Möglichkeiten beantworten die Schüler mit mal mit einem Schüler dar, indem beide aufeinander „ja“. zugehen und der Leiter den Schüler kräftig schubst. Der Schüler reagiert gleich aggressiv und schubst zu- 14. Frage: Wie fängt denn so eine Prügelei bei euch rück. Nun sind die Schüler auf das Schubsen aufmerk- an? (keine vorgegebenen Antworten) sam geworden. Ein Leiter verdeutlicht durch das Die Schüler erzählen, dass oft durch leichtes und nicht Bildschirmspiel GRAND THEFT AUTO4, was es bedeu- gewolltes Schubsen auf dem Schulhof schon eine tet, jemanden zu schubsen. Die Kinder reagieren auf Schlägerei entsteht. das ihnen bekannte Bild und auf das Thema „schub- sen“. Sie finden es gemein, wenn sie von jemandem 15. Frage: Wie kann man so etwas umgehen? (keine aus einer höheren Klasse geschubst werden. Darauf- vorgegebenen Antworten) hin schubsten sie dann auch schon einmal zurück, er- Von den Schülern kommt keine Antwort. Sie haben zählen einige. Das ginge dann so weiter, bis jemand anscheinend keine Handlungsstrategien für den Fall den ersten Schlag setze. Die Leiter erzählen von ihren des Schulhofschubsens. Beim ersten Besuch fiel den Beobachtungen in der Pause und weisen die Schüler Leitern auch auf, wie wenig Platz für die Schüler der darauf hin, dass es an der Schule sehr eng sei und Schule zur Verfügung steht, um sich zu bewegen. Das dass Schubsen und Rempeln auch mal achtlos und Geschubse an der Schule ist somit aufgrund des Platz- ohne böse Absicht an solchen Orten vorkommen mangels unvermeidlich. könnten. Vielleicht sei es dann nicht angemessen, jede Schubserei gleich als Angriff aufzufassen. Ein Lei- Nach dieser Fragerunde verabschieden sich die Leiter ter bietet durch ein weiteres kleines Rollenspiel den von den Schülern und kündigen sich für den nächsten Schülern ein Alternativ-Verhalten für den Fall an, dass Tag in der zweiten Schulstunde an. man geschubst wird. Er schubst einen Schüler, dreht sich zu ihm um und entschuldigt sich freundlich. Die Schüler brauchen zwei Wiederholungen, um zu ver- Nachbereitung, Freitag stehen, dass dies eine ernst gemeinte Handlungs- alternative für sie darstellen könnte. Der Leiter sagt Nach dem Eintreffen der Leiter stellen diese eine ähn- dazu noch, dass es oft ratsamer sei, einfach weiter zu liche Unruhe fest, wie sie auch beim ersten Besuch in gehen, wenn man geschubst worden sei, oder, wenn der Klasse herrschte. Sie bitten die Schüler, die vor- man selber mal jemanden geschubst habe, sich sofort handene Sitzordnung aufzuheben, die Tische an den dafür zu entschuldigen. Die Leiter bitten die Schüler Rand zu stellen und einen großen Stuhlkreis zu bil- in der großen Runde, ganz ernst „Entschuldigung“ zu den. Als die Schüler im Stuhlkreis sitzen, kehrt schnell sagen. die im Haus während der letzten vier Tage gemein- sam erarbeitete Ruhe ein. Ein moderierender Leiter Im Anschluss daran schaut sich die Klasse noch das Vi- beginnt wieder mit schnellen Runden, um die Schüler deo an, das die Leiter während der Woche mit den in eine Aufmerksamkeitshaltung zu bringen. Die Aktivitäten der Klasse erstellten. Schüler arbeiten konzentriert mit, denn auch diese Arbeitsweise haben sie als produktiv kennengelernt. Im Anschluss inszenieren die Leiter einige kleine Rol- lenspiele, um den Schülern die Gewaltspirale zu ver- deutlichen, in der sie sich befinden.

40 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden

2.3 Geländespiel in der außerschulischen gen mit „ihrem“ Arbeitsgerät vertraut und hilft ihnen Jungenarbeit bei der Ablösung von zu Hause.

Die folgende Beschreibung der außerschulischen Nach dem Aufbau der Computer spielen Leiter und Maßnahme „Hardliners“ findet regelmäßig seit drei Teilnehmer das Kriegs-Echtzeitstrategiespiel Jahren im Rahmen der Jugendbildungsarbeit des Ju- COMMAND&CONQUER gegeneinander. Dabei spielen gendamtes des Landkreises Vechta statt. Als Beispiel in der erste Runde alle gemischt gegeneinander, wäh- dient eine Jungengruppe, die Ostern 1999 an dem rend in der zweiten Runde einige Jungen vorschla- Angebot teilnahm. In dem Angebot kündigen wir an, gen, dass diejenigen, die das Spiel schon besser ken- dass wir draußen schlafen wollen. Somit wissen die nen, den anderen, den „Neulingen“, das Spiel Jungen, was auf sie zukommt und können sich dem- beibringen und erklären. Die zweite Runde geht bis entsprechend vorbereiten. Mit der Ausschreibung (s. zum Abendbrot. a. Abbildung Ausschreibung „Hardliner“) sprechen wir gezielt Jungen an, die regelmäßig Bildschirm- Nach dem Abendbrot wird die Gruppe mit 15 Jungen spiele spielen. in fünf Kleingruppen zu je drei Jungen aufgeteilt. Die Gruppen bekommen zehn Minuten Zeit, in der Klein- gruppe alle Begriffe, die ihnen zu dem Begriff „Krieg“ einfallen, auf ein Blatt Papier zu schreiben. Im Plenum werden die Begriffe der einzelnen Grup- pen an der Tafel gesammelt.

Begriffe (ungeordnet): Napalm, Panzer, Tote, schie- ßen, Gemetzel, Nahkampf, gewinnen, Verletzte, Mu- nition, Waffen, Flugzeuge, A-Bombe, Allianz, Hitler, Stalin, Allianz, Nato, Bürgerkrieg, Ausrüstung, Fall- schirm, Soldaten, Kapitulation, Tarnung, Überleben- de, Front, essen/trinken, kämpfen, Saddam, Drogen, Kosovo, Blut, Vergewaltigung, Strategie, Steinfeld/ Lohne, Gold, Sowjets, Hungersnot, Flüchtlinge, Marschflugkörper, Vietnam, Milosevic, Churchill, Roosevelt, Hiroshima, Tarnkappenbomber, Mord, Ma- schinengewehr, Luftangriffe, Terror, Vergasung, Ver- krüppelte, Minen, Geiseln. (Die Begriffe stammen grob eingeteilt aus zwei Berei- chen: dem 2. Weltkrieg, der den Jungen aus Kriegsfil- men und -spielen bekannt ist, und dem gegenwärti- gen Krieg im Kosovo, der den Jungen aus der Berichterstattung bekannt ist.)

Danach ordnet die Gruppe diese Begriffe nach Kate- gorien. Die Jungen finden eigenständig folgende Ka- tegorien: • Waffen (Napalm, Panzer, Munition, Waffen, Flug- zeuge, A-Bombe, Soldaten (!), Strategie, Marsch- flugkörper, Tarnkappenbomber, Maschinenge- Abb. 24: Ausschreibung „Hardliner“ wehr, Minen) • Tätigkeiten (schießen, Gemetzel, gewinnen, Nah- 1. Tag, Montag kampf, essen/trinken, kämpfen, Vergewaltigung, Luftangriffe, Terror, Vergasung) Die Leiter entwerfen mit den Jungen nach ihrem Ein- • Folgen (Tote, Verletzte, Kapitulation, Überleben- treffen und dem Mittagessen einen gemeinsamen Ar- de, Blut, Hungersnot, Flüchtlinge, Verkrüppelte, beitsvertrag. Darin führen sie alle Rechte und Pflich- Geiseln) ten der Teilnehmer während der Woche auf. • Orte (Front, Kosovo, Steinfeld/Lohne, Hiroshima) Insbesondere gehen sie auf die Konsequenzen bei ei- ner Regelverletzung ein (s. a. Beispiel des Arbeitsver- (Auf die Nachfrage der Leiter, was Kosovo und Lohne/ trages im Anhang). Als Einstieg in die Arbeit dient das Steinfeld denn für Gemeinsamkeiten hätten, berich- gemeinsame Aufbauen der zehn Computer, die mit- ten die Jungen von Prügeleien zwischen Jugend- einander vernetzt sind. Dieses „Ritual“ macht die Jun- banden aus Steinfeld und Lohne. Einige Jungen kom-

41 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6 men aus Steinfeld und scheinen betroffen und invol- Sie sollen sich zudem Gedanken darüber machen, wie viert zu sein. Es wird zwar einerseits ihr Unmut über diese Spiele in die Wirklichkeit zu übersetzen seien. diese Wochenend-Vorfälle deutlich, andererseits aber Die Ergebnisse werden an der Tafel zusammengetra- auch ihre Unfähigkeit, diesen Konflikt zu beenden. gen. Im einzelnen: „Da bin ich mal verprügelt worden und da ist mir ge- holfen worden. Wenn ein anderer verprügelt wird, • Basis: Hier werden zunächst Fahnen ins Gespräch muss ich auch hin und helfen.“ Die Leiter erhalten an gebracht, was zeigt, dass die Jungen schon Erfah- dieser Stelle schon einen Einblick in den alltäglichen rungen mit Wimpelspielen haben. Die Leiter wie- Krieg der Jungen.) geln dies aber ab und erklären der Gruppe, dass sie nicht vorhätten, mit ihnen ein Wimpelspiel zu • Anführer (Hitler, Stalin, Saddam, Churchill, spielen. Eine Basis für jede Gruppe muss es aber Roosevelt, Milosevic) geben. • Gebäude: Das Lager der Jungen muss selbst aufge- Nach dieser Runde leiten die Leiter das „Wochen- baut werden. Die Jungen werden eine Plane und Mörderspiel“ ein. Die Gruppe wird hinaus geschickt. Band bekommen, aus dem sie sich ein Lager bzw. Nacheinander werden die Jungen einzeln in den einen Unterstand bauen können. Raum gerufen. Dort bekommen sie dann ihren • Rohstoffe/ Energie/ Aufbau: Bei diesen drei Begrif- „Mordauftrag“, einen bestimmten der anderen Jun- fen zeigt es sich, dass die Jungen das Spielprinzip gen bis Freitag-Mittag zu „ermorden“. „kämpfen und sammeln“ erkannt haben. Bei bei- den Spielen dreht es sich um Aufbauspiele. So wird Beispielanweisung: auch im wirklichen Spiel keine Gruppe von vorn- Töte X. Bedingungen: 1. Sei allein mit ihm im herein ihre vollkommene Ausrüstung bekommen, Tischtennisraum. 2. Trage keine Socken 3. Singe laut sondern sich ihre Waffen und Munition erarbeiten „Alle meine Entchen“. Sind alle Bedingungen erfüllt, bzw. „ersammeln“ müssen. Dabei wird dann auch zeige ihm den Zettel und er ist tot. die Zeit als zusätzlicher Stressfaktor die Gruppen belasten. Anschließend spielen die Jungen noch ca. eine drei- •schießen/ töten: Hierbei bringt einer der Jungen, viertel Stunde ein Spiel im Netzwerk. der eine ähnliche Maßnahme schon vor einem hal- ben Jahr mitgemacht hatte, die ihm schon bekann- ten Luftpumpen ins Spiel. Er erklärt den anderen 2. Tag, Dienstag zudem das Prinzip des Getroffenwerdens und der Lebensbänder. Hier entfacht sich eine Diskussion Am Vormittag geht die Gruppe noch einmal auf das um die Frage, was man denn nun tun soll, wenn Tafelbild mit den gesammelten Begriffen zum Krieg einer getroffen wird und das nicht zugibt. Die Lei- ein. Dabei wird unter anderem der Begriff „Vergewal- ter beenden diese Diskussion mit dem Hinweis auf tigung“ aus der Kategorie „Tätigkeit“ in die Kategorie den folgenden Vormittag, an dem ein gemeinsa- „Folgen“ verschoben. Da, wie die Jungen meinen, Ver- mer Kriegsvertrag ausgearbeitet werden soll. gewaltigen im Vergleich zu Schießen keine „normale“ • Mission: Die Leiter arbeiten die Missionen der Soldatentätigkeit sei, sondern eine brutale Begleiter- Gruppen aus. Diese Missionen dauern im Gegen- scheinung. Die Soldaten würden das Schießen üben satz zu einem Wimpelspiel länger und gelten über und deshalb mit einem Gewehr in den Krieg ziehen. den ganzen „Krieg“. Ein Penis sei aber nach Aussage der Jungen keine „ty- • Angriffs- und Verteidigungsstrategien: Diese lie- pische“ Soldatenausrüstung und würde von daher gen in den Händen der einzelnen Gruppen. Jede nicht „normalerweise automatisch“ im Krieg ge- Gruppe muss eine Organisationsstruktur finden. braucht. Die Verantwortung dafür obliegt nur ihr. • Geiseln/ Fallen/ Gefangene: Auch hier verweisen Danach spielt die Gruppe im Netzwerk gegeneinan- die Leiter auf den noch vor der Gruppe liegenden der das Echtzeitstrategiespiel AGE OF EMPIRES. Kriegsvertrag. Einer der Teilnehmer meint (zwar In der Mittagspause fahren die Leiter zu dem für das unter Lachen), dass man ja angespitzte Stöcke in Spiel vorgesehene Gelände. Es handelt sich um das den Boden hauen könne, um das Lager zu verteidi- Nabu (Naturschutzbund)-Gelände in einer benachbar- gen. Andere bringen Fallgruben und Fallstricke ins ten Stadt. Die Leiter gehen das Gelände ab, welches Gespräch. Die Leiter lassen dies zunächst einmal umzäunt ist und ca. 900 x 300 m misst. zu. • Soldaten/ Bodentruppen: Hier ist den Jungen klar, Am Nachmittag wird die Gruppe in drei Kleingruppen dass sie die Soldaten in diesem Krieg sein werden. unterteilt. Diese haben 15 Minuten Zeit, Elemente aus den Spielen COMMAND&CONQUER und AGE OF Die Leiter knüpfen an den letzten Punkt an und ver- EMPIRES zu suchen, die typisch für diese Spiele sind. teilen an jeden Teilnehmer drei rote und drei gelbe

42 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden

Zettel. Die Jungen sollen jeder auf die roten Zettel und nehmen die Lager ab. Eine Gruppe (hier als A be- drei positive Eigenschaften von Soldaten schreiben zeichnet) besteht nur aus acht Jungen und hat damit und auf die gelben drei negative. Danach werden die ein Mitglied weniger als die gegnerische Gruppe. Sie Zettel in die Mitte des Stuhlkreises gelegt. Die Teil- fühlt sich benachteiligt, die Jungen meinen, dass sie nehmer versuchen zunächst, diese Zettelsammlung zu sowieso mit so wenig Leuten den Auftrag nicht schaf- ordnen, was ihnen nur grob gelingt. Dann bitten die fen können. Dies entpuppt sich im nachhinein aber Leiter jeden Jungen, sich einen der dort liegenden ro- als Fehleinschätzung, da sich diese Gruppe aufgrund ten Zettel zu suchen und sich somit eine positive ihrer vermeintlichen Benachteiligung besonders an- Soldateneigenschaft auszusuchen, die er in dem strengt, sich zuerst als Gruppe findet und schließlich Kriegsspiel als Soldat erfüllen will. Die Jungen schrei- den Auftrag schafft. ben auf die Rückseite ihren Namen, dann werden die Zettel mit der Eigenschaft nach vorne an die Wand In der zweiten Gruppe (im folgenden als B bezeich- geheftet. net) findet rasch eine Cliquenwirtschaft statt. Vier Jungen aus einer Kleinstadt dominieren das Gesche- Nach einer kurzen Pause spielt die Gruppe noch bis hen, ohne aber damit zur Gruppenfindung beizutra- zum Abendbrot an den Computern. gen. Sie ziehen als Kleingruppe los, während die an-

3. Tag, Mittwoch

Während des Frühstücks haben die Jungen ausrei- chend Gelegenheit, sich Lunchpakete für abends, morgens und den nächsten Mittag zu erstellen. Nach dem Frühstück treffen die Leiter sich mit den Jungen, die den am Vortag ausgearbeiteten Kriegsvertrag un- terzeichnen. Eine Liste mit Utensilien wird erstellt, und die Jungen bekommen den Auftrag, bis zum Mit- tagessen alle Utensilien im Raum zu sammeln. Die Lei- ter verlassen die Gruppe und fahren zum Gelände, um das Spiel vorzubereiten.

Gegen 14.00 Uhr versammelt sich die Gruppe. Die Lei- ter inspizieren die gesammelten Materialien. Die Jungen haben auch zwei Schaufeln besorgt, „um Fall- gruben auszuheben“. Die Leiter erstellen drei Materi- alhaufen. Zu jedem Haufen gehören ein Taschenmes- ser, zwei Planen, Tau und Band, Tee, Zucker und ein Topf. Die Jungen erhalten die Luftpumpen und die Schutzbrillen, jedoch noch keine Munition. Dann ver- binden die Leiter den Jungen die Augen. Sie wählen eine Gruppe aus, indem sie herumgehen und einzel- nen Jungen ihre Hand auf die Schulter legen. Die Gruppe wird mit verbundenen Augen in einen ande- ren Raum geführt. Die zweite Gruppe erhält nun eine Karte, auf der das Lager eingezeichnet ist und be- kommt Fahrräder. Ihre Ausrüstung wird auf die Fahr- räder gepackt, und die Gruppe verlässt das Haus. Nach zehn Minuten erhält auch die andere Gruppe Fahrräder und eine Karte. Die Leiter verlassen kurz nach ihnen das Haus und fahren zum Gelände.

Auf dem Gelände steht in der Nähe der aufzubauen- den Lager je ein Wasserkanister als Lagermarkierung. An diesem klebt ein Umschlag mit dem zu erfüllen- den Auftrag und den Zwischenmissionen. Zunächst müssen die Jungen ein Lager aufbauen und im Gelän- de verteilte CD-ROMs finden, um Munition zu erhal- ten. Die Leiter gehen während dieser Phase umher Abb. 25: Jagen, Angriff, Action

43 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6 deren damit beauftragt werden, das Lager aufzubau- 4. Tag, Donnerstag en. Die Clique ist anscheinend handgreifliche Ausein- andersetzungen gewohnt und steigt sehr schnell in In der Nacht finden noch einige kleinere Lagerangriffe den Nahkampf ein. In der gegnerischen Gruppe be- statt, die aber weder in ihrer Organisation noch in ih- finden sich auch zwei Jungen aus dieser Clique, so rem Erfolg eine der beiden Gruppen voran bringen. dass diese die Gelegenheit zum Kämpfen nutzen. Die Was hier zählt, ist der Kitzel, nachts unerkannt durch raufenden Jungen beachten die gemeinsam aufge- den Wald zu schleichen und möglichst dicht an das La- stellten Regeln und fügen im Kampf noch weitere ger der Gegner heranzuschleichen. Gegen 2.30 Uhr ge- (anscheinend interne) Regeln hinzu. Die anderen Jun- hen die Leiter noch einmal die Lager ab und teilen den gen bleiben bei diesen Nahkämpfen zunächst außen Jungen mit, dass sie sich nun hinlegten und wo sie zu vor und konzentrieren sich auf den Lageraufbau und finden seien, falls irgendwelche Probleme sein sollten auf die Erfüllung der ersten Mission. Schnell be- bzw. Lebensbänder benötigt würden. kommt Gruppe A die ersten Korken, was vorerst ei- nen Abbruch der Nahkämpfe bedeutet. Die Gruppe B Gegen 7.00 Uhr geht der Kampf zwischen den beiden hat Schwierigkeiten, sich abzusprechen. Ein körper- Gruppen weiter. Beide Gruppen verfügen nun wieder lich starker und älterer Junge hebt sich als Anführer über mehr Munition, da die Korken, die in der Dun- hervor und wird sofort von den jüngeren akzeptiert. kelheit verschossen wurden, nun klar sichtbar sind Er kann jedoch nicht mit der Verantwortung umge- und schnell eingesammelt werden können. Gruppe A hen und nutzt seinen Status, um sich selbst Vorteile tritt nun noch geschlossener und zielgerichteter auf zu verschaffen. So wählt er die Jungen aus, die mit als am Vortag. In der Nacht bei den Besprechungen ihm losziehen sollen und verschwindet immer wieder zeigten sich anscheinend drei Jungen in den Augen im Gelände, um mit Gruppe A zu kämpfen. Diese der anderen als besonders „hell“. Neu gefundene konzentriert sich aber inzwischen auf die Missionen Hinweise auf das Auftragsziel werden nun zu den und sucht in zwei Kleingruppen, die immer auf Ruf- drei Jungen gebracht, dann wird beratschlagt. Grup- weite operieren, das Gelände ab. Angriffe und Stö- pe B sucht nun in ihrer Zersplittertheit noch offener rungen von Seiten der Gruppe B lösen diese somit zu- den Kampf gegen die Gruppe A. Die zwei kleineren sammen rasch auf. Jungen der Gruppe überschätzten ihre Kraft, schlie- fen in der Nacht nicht und laufen jetzt nur noch ne- Als es dunkel wird, liegt Gruppe A im Erfüllen der benher. Der ursprüngliche Anführer aus der Clique Aufträge klar vorne. Die Gruppenmitglieder treffen betreibt nur noch Einzelkampf und fordert immer sich immer wieder an ihrem Lagerfeuer und berat- wieder einen ebenso starken Jungen aus seiner Cli- schlagen gemeinsam die nächsten Schritte. In Gruppe que, der aber der feindlichen Gruppe angehört, zum B entbrennt inzwischen ein Kampf um die Führer- Kampf heraus. Dass dies alles cliquenintern passiert, schaft. Während die Clique immer noch zu ihrem An- zeigt ein Kampf, bei dem eben die starken Jungen führer hält, versucht ein Junge, wenigstens die ande- wie in einem Western aufeinander zugehen und ihre ren drei Jungen um sich zu sammeln und damit Luftpumpen zur Seite werfen. Obwohl die Gruppe A gemeinsam das Missionsziel zu erfüllen. Nur ein Jun- in ihrer Geschlossenheit zugegen ist, weist der Junge ge geht mit ihm. Zwei Jüngere haben sich zu dem aus der Gruppe die anderen an, bei diesem Kampf Zeitpunkt aus dem Geschehen ausgeklinkt und schei- nicht einzugreifen. Die beiden Jungen ringen mitein- nen sich vor der Dunkelheit zu ängstigen. Die beiden ander, bis der Junge aus Gruppe A für einen Moment Jungen der Gruppe B schaffen es in der Nacht, sich in ausruhen muss. Da geht der Angreifer aus Gruppe B das Lager der Gruppe A zu schleichen. Dort liegt einer auf einen anderen, körperlich schwächeren Jungen der beiden fast zwei Stunden und versucht, die ande- aus Gruppe A los. Dieser bittet, am Boden liegend, ren zu belauschen. Erst als er es vor Kälte nicht mehr den Jungen aus Gruppe A, der sich nun ausgeruht hat aushält, gibt er sich zähneklappernd zu erkennen. Aber anstatt ihn abzuschießen und ihm das Lebens- band abzunehmen, loben ihn die Jungen der Gruppe A und laden ihn ans Feuer ein, um sich aufzuwärmen. Stolz bricht der Junge zu seinem Lager wieder auf. Er trifft auf seinem Weg die Leiter und erzählt ihnen, „was er tolles gemacht hat.“ Die Leiter hören ihm zu und fragen ihn dann, was er denn nun herausbekom- men hätte. Eigentlich nichts, erwidert der Junge und geht in sein Lager. Diese Aktion ist beispielhaft für die Bemühungen der Gruppe B, die zumeist nur in Einzelaktionen enden und die Gruppe bei der Erfül- lung ihrer Ziele nicht voran bringen. Abb. 26: Morgens im Lager

44 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden und wieder auf den Beinen ist, ihm zu helfen. Zur nen alle den körperlich starken Jungen, der sich auf Überraschung der Leiter, die alles mitbekommen, un- dem Gelände als Einzelkämpfer erwiesen hat. Dieser ternimmt dieser nichts und lässt den Gegner bei die- will die Rolle nicht annehmen, aber sich auch nicht sem Zweikampf gewinnen. Nicht nur der Junge ist unterordnen, als ein anderer Anführer ins Spiel sauer, sondern auch die Leiter weisen den Jungen aus kommt. Die Leiter weisen ihn darauf hin, dass die Gruppe A darauf hin, dass er eben eine Fehlentschei- Gruppe ihn gebraucht hätte, als Anführer oder Solda- dung getroffen hat und seinem Gruppenmitglied hät- ten. In der anderen Gruppe A zeigen sich die drei te helfen sollen. Er bejaht dies zwar, aber die Leiter „Köpfe“, die Pläne ausarbeiteten, als eindeutige An- merken, dass in diesem Fall das Cliquen-Gefühl, wel- führer, die sich untereinander absprachen und auch ches sonst bei ihm gilt, zu stark war und ihn daran von den anderen anerkannt wurden. hinderte, zu helfen. Die Leiter machen ihn darauf aufmerksam und versuchen ihm dies mehrere Male zu Die Leiter nehmen nun die vor zwei Tagen angekleb- erklären. Der Junge entschuldigt sich bei dem im Stich ten Zettel mit den Eigenschaften von der Wand und gelassenen Jungen und beide trotten ab. fragen jeden einzelnen Jungen, der auf die Rückseite seinen Namen geschrieben hatte, ob er denn nun sei- Beim letzten Endkampf schafft es auch die Gruppe B, nen Erwartungen entsprochen hätte. Teilweise liegen geschlossen aufzutreten, doch sie unterliegt, weil geäußerter Anspruch und Selbsteinschätzung sowie Gruppe A inzwischen schon um die Fähigkeiten des die erlebte Realität weit auseinander. Ein Junge bei- einzelnen weiß und sich dementsprechend aufstellt. spielsweise, der auf seinen Zettel „Killer“ geschrieben Nachdem Gruppe A den Auftrag erfüllt hat, räumen hatte, gehörte zu denen, die am häufigsten abge- die Jungen die Lager. Das Material wird in das Auto schossen worden waren. Die Leiter machten ihn dar- gepackt, und die Jungen treten nun gemeinsam auf auf aufmerksam, dass es vielleicht doch besser gewe- den Rädern die Rückkehr zum Haus an. sen wäre, mit den anderen zusammenzuarbeiten. Zudem verhielt er sich für einen Killer, sagen sie aus Um 15.30 Uhr erreichen die Jungen das Haus. Sie be- ihren Beobachtungen heraus, reichlich unerfahren kommen Freizeit, duschen und setzen sich zu den ande- und dumm, denn wer an das Lagerfeuers des Gegners ren Kindern und Jugendlichen und erzählen von ihren tritt, an dem fünf Gegner sitzen, und nur einen „Heldentaten“. Nach dem Abendbrot trifft sich die Schuss in seiner Luftpumpe hat, würde ja Selbstmord Gruppe noch einmal und spielt ein Netzwerkspiel. begehen.

Nach der Selbsteinschätzungsrunde weisen die Leiter 5. Tag, Freitag die Jungen noch einmal darauf hin, dass nichts in die- sem Raum Gesagtes hinaus getragen werden darf. Nach dem Frühstück trifft sich die Gruppe zur Reflexi- Dann fragen sie die Jungen, ob und wann sie in die- on. Die Jungen sitzen im Stuhlkreis und werden zu- ser Nacht Angst gehabt hätten. Nahezu alle Jungen nächst aufgefordert, sich so hinzusetzen, dass die äußerten ihre Angst vor dem Getroffenwerden und Gruppen wieder zusammen sind. Dann stellen die Lei- einige auch vor der Dunkelheit. Nur einer der jünge- ter noch einmal fest, welche Gruppe gewonnen hat. ren zeigt Probleme, seine Angst zu nennen. Ein Leiter Sie fragen beide Gruppen, welche Gründe es für den geht auf ihn besonders ein und fragt nach. Der Junge Sieg geben könnte. Die Gewinnergruppe kommt sehr weigert sich, seine Angst zu benennen. Die anderen schnell mit der Antwort: Teamwork. Die andere Grup- Jungen mischen sich in das Gespräch ein und erklären pe beschimpft sich untereinander. Schnell greifen die dem Jungen, dass er ruhig seine Angst nennen könne Leiter ein und versuchen zu ordnen. Was ist bei den und dass es jetzt albern wäre, so zu tun, als ob er kei- Verlierern passiert, bzw. wieso kam es bei ihnen aus ne Angst gehabt hätte. Dies alles geschieht ohne be- ihrer eigenen Einschätzung nicht zu einer Zusammen- leidigenden oder herabschätzenden Unterton. Fast arbeit, lauten die Fragen der Leiter. Die Clique aus schon den Tränen nahe gibt der Junge (der aus Leiter- Gruppe B gibt zu, dass sie habe kämpfen wollen und sicht unter einer hohen Versagensangst steht) nun zu, teilweise auch den Auftrag vergessen hätte. Die Lei- vor allem vor dem Getroffenwerden Angst gehabt zu ter erklären den Jungen, dass es während so einer haben. Die anderen Junge zeigen sich zufrieden. Die Mission und auch im Krieg zwei Positionen gibt, die Leiter beenden die Runde. besetzt sein müssen – Anführer und Soldat. Der beste Anführer taugt nichts ohne Befehlsempfänger, genau Nach dem Mittagessen trifft sich die Gruppe um 3.00 so wie Soldaten ohne Anführer versagen. Die Leiter Uhr, um zum letzten Mal eine Spielrunde mit den ver- fragen jeden einzelnen aus der Gruppe, welche der netzten Rechnern zu starten. Nach zwei Stunden bre- beiden Rollen er wohl eingenommen habe. In der chen die Leiter diese gemeinsame Runde ab. Nach Verlierergruppe B meint jeder Junge, dass er Soldat dem Abendbrot findet die Abschlussfete mit allen an- gewesen sei. Die Leiter fragen die Jungen weiter, wer deren Gruppen statt. denn Anführer hätte sein können. Die Jungen nen-

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6. Tag, Sonnabend

Am Morgen räumen die Jungen die Zimmer. Nach dem Frühstück räumt die Gruppe gemeinsam die Gruppenräume und führt eine kurze Abschlussrunde durch. Um 10.30 Uhr ist die Maßnahme zu Ende, und die Jungen werden von ihren Eltern abgeholt.

46 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden

3) Anhang a) Spielbeispiele i) Aktionsreiche Gruppenspiele Spielleiter und nennen es ihm. Das Spiel ist zu Ende, wenn das richtige Wort ermittelt worden ist. (1) „Chaosspiel“ Schwere Variante – Fragen, Aufgaben, z.B.: Es werden zwei Mannschaften gewählt. Für diese bei- • Holt die Zahnbürsten und putzt dem anderen die den Mannschaften werden im Vorfeld zwei Worte ge- Zähne mit seiner Zahnbürste. sucht, die so abgestimmt sind, dass jeder der Teilneh- • Schlafzimmer im Heim zählen, ohne die Zimmer zu mer eine Zahl für den jeweiligen Buchstaben des betreten. Wortes zugewiesen bekommen kann (z.B. eine Mann- • Das teuerste Souvenir im Heim aufschreiben. schaft mit zwölf Personen, das Wort lautet dann z.B. • Baut eine Pyramide mit Eurer Gruppe. „Mörderspinne“). Jetzt sucht man sich einen Buchsta- • Stellt Euch an den Eingang und singt einen Kanon, ben für jede Mannschaft (z.B. A und B) und für jeden so laut, dass wir es hören. Buchstaben aus dem ausgewählten Wort eine Zahlen- • Schätzt, wie viele Konsolen und Computer im kombination. Hinter jedem Buchstaben des Wortes, Gruppenraum stehen. hier: „Mörderspinne“ steht jetzt der Buchstabe und • Nennt 10 Superhelden (es muss sie im Fernsehen eine beliebige Zahlenkombination (für den Buchsta- oder als Comic geben). ben M z.B. A 910673). Die Kinder bekommen jetzt je- • Rechnet 12 mal 12 geteilt durch 2 plus 17 plus 138 der einen Zettel mit dem Buchstaben A oder B und mal 5 geteilt durch 5). eine Zahlenkombination auf den Rücken geklebt. Die • Zählt die Zelte auf dem Zeltplatz. Spielteilnehmer müssen jetzt herausfinden, wer zu ih- rer Mannschaft gehört (A, B) und was für eine – Für die Fragen/Aufgaben braucht man einen Wür- Zahlenkombination auf den Rücken der einzelnen fel. Personen der Gegnermannschaft klebt. Wenn sie eine Zahlenreihe mittels der Taschenlampe herausgefun- Spielverlauf: den haben, kommen sie zu dem Spielleiter und nen- Die Gruppe wird in Mannschaften eingeteilt, so dass nen sie ihm. Der streicht den jeweiligen Buchstaben ca. 4 – 5 Personen in einer Mannschaft sind. Die des Wortes. Das Spiel ist zu Ende, wenn alle Buchsta- Mannschaften würfeln, die Augenanzahl ergibt die ben ermittelt worden sind. dazugehörige Aufgabe/Frage. Diese muss gelöst wer- den. Die Mannschaft, die alle Fragen/Aufgaben zu erst gelöst hat, ist die Siegermannschaft. ii) Wahrnehmungsspiele

(1) Massage (Japan. Ching Chang Chong) (2) „Funzelspiel“ Diese Variante des bei fast allen Kindern und Jugend- Voraussetzung für das Spiel ist Dunkelheit lichen bekannten Spiels beinhaltet einen Gewinn. Der Gewinner muss vom Verlierer massiert werden. Dies Benötigte Materialien: muss so zärtlich und angenehm geschehen, dass der • Taschenlampen (für jeden Spieler) Gewinner sich auch als Gewinner fühlt. • DIN A4 Papier Es werden zu Anfang zwei zahlenmäßig gleich starke • Filzstifte Gruppen gebildet. Dann zieht sich jede Gruppe in • Klebeband eine Ecke zurück und überlegt sich ein Symbol (Stein, Papier oder Schere). Die Gruppen stellen sich nun ge- Spielverlauf: genüber. Jeder hat einen klar zugewiesenen Gegner. Leichte Variante Der Spielleiter und die Gruppen rufen: „Ching, Es werden zwei Mannschaften gewählt. Für diese bei- Chang, Chong.“ Die Gruppen bilden nun mit den den Mannschaften werden im Vorfeld zwei Worte ge- Händen die Symbole. Die Gewinner setzen sich nun sucht, so dass jedem Teilnehmer ein Buchstabe zuge- auf Stühle und die Verlierer stellen sich dahinter auf. ordnet werden kann. Die Gruppen bekommen nun Unter Anweisung und mit dem Blick auf den Leiter die Buchstaben auf den Rücken geklebt. Die Gruppen gerichtet, beginnen sie die Massage, die 10 Minuten müssen nun das Wort der jeweils gegnerischen Grup- nicht überschreiten sollte. pe herausfinden, ohne die Zettel abzureißen. Wenn sie glauben, das Wort zu wissen, kommen sie zum

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(2) Kerzenspiel gegenseitige Abschießen der Spielfiguren heraus zu lö- sen. Das Spiel sollte in einem größeren Raum stattfinden, In dem Spielfeld werden nun den zwei Spielfiguren die der abdunkelbar ist. Augen verbunden, und jeder nimmt zu seinem Steuer- mann Kontakt auf. Unterschiedliche Funkkanäle sor- Benötigte Materialien: gen dafür, dass die Spielparteien sich nicht gegenseitig • eine Kerze „abhören“ können. Beide Spielfiguren bekommen nun • Dreieckstücher für alle eine leere Wasserspritze. Auf dem Spielgelände stehen • Stühle für alle zwei Wassereimer, zu denen sie per Funk geleitet wer- den müssen. Dort angekommen, können sie die Spielverlauf: Wasserspritzen auffüllen und versuchen, jeweils die Die Gruppe sitzt bis auf einen Teilnehmer mit verbunde- andere Spielfigur nass zu spritzen. Die Spieler entschei- nen Augen auf Stühlen im Raum verteilt. Eine Kerze den selber, wann sie genug haben, oder die Spielleiter wird an das eine Ende des Raumes gestellt und ange- brechen das Spiel irgendwann ab, um auch anderen zündet. Der „sehende“ Teilnehmer muss nun versuchen, die Möglichkeit zu geben, Mörderspinne zu sein. sich an den Teilnehmern mit verbundenen Augen vor- bei zu schleichen und die Kerze auszublasen. Die Teil- Eine Variante ist, Gegenstände auf dem Spielfeld zu nehmer auf den Stühlen müssen im Sitzen versuchen, verteilen, die von den Spielern einzusammeln und an die schleichende Person mit den Händen zu berühren. einer bestimmten Stelle zu hinterlegen sind. Das Was- Dabei halten sie während der ganzen Zeit zunächst die ser dient in diesem Fall als Störung. Hände auf dem Rücken verschränkt. Sie haben nur eine Möglichkeit zuzupacken. Wenn der Schleichende dann nicht in ihrer Nähe war bzw. nicht von ihnen berührt wird, müssen sie die Augenbinde abnehmen und dürfen nichts sagen. Wenn der Schleicher berührt wird, ist das Spiel zu Ende, und er hat verloren. b) Grundkonzepte für Schul- und Gelände- spiele i) Breaking the Rules

(1) Mörderspinnen

Als Material für das Spiel wird benötigt: • ein Computer (mindesten 286) und das Spiel (auf Abb. 27: „Abballern“ der dem Materialpaket beiliegenden CD-ROM SEARCH & PLAY enthalten), um das Spielprinzip ii) Hardliner nahe zu bringen; • Dreieckstücher (zum Augen verbinden); (1) Schulspiel • ein Labyrinth bzw. ein abgesperrter Spielbereich (es bietet sich an, das Spiel an die Umsetzung und An Material für das Spiel wird benötigt: Durchführung von PACMAN zu koppeln (s. a. im • Dreieckstücher (zum Augen verbinden) theoretischen Teil im Kapitel „Breaking the Rules“ • abgesägte Luftpumpen als pädagogische Herausforderung und dort 1.2.2 • Schutzbrillen Pacman); • Korken • zwei paar Walkie Talkies, welche über unterschied- • Lebensbänder (Wollbänder) liche Kanäle verfügen; • z.B. Aufzeichnungsgeräte, als Medium zum Mittei- • zwei Blumenspritzen; len der Mission • zwei Eimer mit Wasser. • Missionsauftrage, z.B. Karten etc.

Spielverlauf: Als Ort sollte eine leere Schule gewählt werden. Bei Das im Kapitel „Breaking the Rules“ als pädagogische einer Schulklasse sollte es nach Möglichkeit die eige- Herausforderung und unter 1.2.1 als Roboterspiel be- ne Schule sein, um eine Verknüpfung zum sonst er- schriebene Spiel DAS TÖDLICHE GEMETZEL DER lebten Lern- und Leistungsraum herzustellen. Die MÖRDERSPINNEN muss mit einer Kinder- oder Jugend- Schüler erleben so die Schule auch als Spiel- und Le- gruppe analysiert werden. Als Spielprinzip reicht es, das bensraum.

48 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden

Zeitlich sollte der Spielanfang am späten Abend lie- Spielverlauf: gen. Die Schüler bzw. die Teilnehmer sollen keine 1) Die Spieler erhalten ein Lebensband, ein Codewort Möglichkeit haben, sich an den Raum zu gewöhnen. für ihre Gruppe und ein Wort. 2) Die Spieler müssen durch die Codewörter ihre Als Personal werden zumindest zwei Spielleiter benö- Gruppe finden. tigt. Einer befindet sich ständig im Totenreich, um 3) Die Gruppen müssen aus den erhaltenen Wörtern neue Lebensbänder zu verteilen, während der andere versuchen das Versteck der Munition und des wei- durch die Schule geht, um das Spielgeschehen zu teren Auftrags zu finden. überwachen. 4) Der nächste Auftrag lautet: „Zeigt Karten“. Die Gruppen müssen nun die von den Leitern versteck- Während der Kriegsvertrag und weitere Spielregeln ten Spielkarten finden und sie den Leitern zeigen. gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen er- Was sie nicht wissen: Erst bei einer bestimmten stellt werden, müssen Spielstory und –missionen von Kartenkombination erhalten sie den nächsten Auf- den Leitern vorbereitet werden. Im folgenden eine trag. typische Spielstory, die den Gruppen zu Beginn vorge- 5) Die Gruppen müssen eine versteckte Batterie (ver- lesen wird: stecktes Stromkabel) finden, um ein Diktiergerät (ein Videogerät) benutzen zu können, das eine weitere Mitteilung enthält. Die Suche nach der Megawaffe 6) Die Gruppen müssen aus zwei Microcassetten (Videocassetten) eine wählen. Sie bekommen vor- Im Jahre 2048 greifen Außerirdische die Erde an. her mitgeteilt, dass nur auf einem Band der richti- Nach vergeblichen versuchen, die Aliens zu besiegen, ge Tipp ist. ergibt sich die Erdbevölkerung und wird von den 7) Sie suchen den Ort, auf den der Hinweis deutet. Aliens versklavt. Lediglich einige Untergrund-Spezial- 8) Ist dieser Hinweis richtig, haben sie die Megawaffe Kampftruppen versuchen noch Herr der Lage zu wer- gefunden und den Auftrag gelöst. den. Die vier Hauptgruppen in Deutschland bekämp- 9) Ist dieser Hinweis falsch, müssen sie eine Zwischen- fen sich auch untereinander. Hinzu kommt die aufgabe erfüllen (Zeigt 5 Lebensbänder der ande- Legende der Mega-Kampfwaffe, mit der die Aliens ren Gruppe), bevor sie das Band mit dem richtigen besiegt werden können. Alle vier Gruppen suchen Tipp erhalten und nun die Megawaffe finden. händeringend nach dieser Waffe, von der keiner weiß, wie sie aussieht und wie sie funktioniert, ge- schweige den, woher sie kommt. Da melden sich Ver- Codewort + Teil eines Satzes, räter aus den Reihen der Aliens, die anscheinend wis- wo die Munition ist sen, wo die Waffe versteckt ist. An alle vier Gruppen ergeht die Nachricht , dass das Versteck irgendwo in einem Bunker in Norddeutschland nahe Osnabrück 1. Auftrag: Zeige Karten (Zwilling) ist. Die Alien-Verräter stellen jedoch vier Bedingun- gen: 2. Auftrag: Suche • Die vier Gruppen dringen nicht geschlossen in den Batterie für’s Bunker ein, sondern einzeln. Durch Codewörter Diktiergerät können sich die einzelnen Mitglieder im Bunker wieder zu einer Truppe zusammenschließen. 3. Auftrag: Kassette Auswählen und dort • Keiner bringt Munition mit. In dem Bunker soll Megawaffe suchen. ausreichende Menge an Munition für die einzel- nen Truppen versteckt sein. Gefunden. Mission • Sollten sich zwei Gruppen verbünden, wird den beendet anderen Gruppen automatisch das Versteck der Megawaffe mitgeteilt. Die Mega-Waffe soll im Nicht gefunden. 4. Auftrag: Zehn ehrlichen Kampf gefunden werden. Abschüsse ab- • Der Strom im Bunker darf nicht angeschaltet wer- liefern. den. Sollte es dennoch dazu kommen, dann geht Zweite Kassette ab - im gleichen Moment die Bunkeranlage in die Luft hören und dort suchen. und niemand bekommt die Megawaffe. Das wür- de bedeuten, dass die Menschen weiter versklavt sein würden. Abb. 28: Spielaufträge im Schulspiel

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(2) Geländespiel eines Bürokratiefehlers von der Universität Konstanz ausgeschlossen wird, begeht er Selbstmord. Zuvor 1. Variante: jedoch demontiert er vollständig seine Erfindung, ge- An Material für das Spiel wird benötigt: nannt „Termination-Engine“, und versteckt die Ein- • abgesägte Luftpumpen zelteile in einem unwegsamen Gelände. Die Vereinig- • Schutzbrillen te Regierung der Erde will diese Maschine möglichst • Korken (zwei Munitionsvorräte für eine Gruppe schnell zusammenzubauen. Die Feinde der Regierung, (Seals), die auf dem Gelände versteckt sind) die Rebellen, wollen diese Maschine zerstören. Sie • Lebensbänder (Wollbänder) wissen, wer die Termination-Engine besitzt, hat die • Planen, Band und ein Taschenmesser, um ein Lager absolute Macht. zu errichten • Papier und Streichhölzer, um ein Feuer zu entzünden Anweisung für die Regierungstruppen (Seals): • Grundausstattung zum Teekochen: Topf, Tee, Was- Zwei gut organisierte Spezialkampfeinheiten der Re- ser und Zucker gierung wurden in der letzten Zeit von • Missionsaufträge den Rebellen beseitigt. Eine letzte Spezialeinheit un- • versteckte Maschinenteile (im Beispiel wurden ternimmt einen Landungsversuch im Westen. Auf- zwei Computerplatinen, bunte Küchenschwämme trag: Bis Samstag gegen 9.00 Uhr die Teile der und große Büroklammern zum „Entmagnetisie- Termination-Engine finden und zusammenbauen. ren“ benutzt). Dabei ist darauf zu achten, dass al- Sollte der Versuch scheitern, hat die Vereinte Regie- les doppelt vorhanden ist, so dass jede Gruppe die rung beschlossen, gegen 9.05 Uhr eine Atom-Bombe Chance hat, eine Maschine zusammenzubauen. abzuwerfen. Die Spezialeinheit hat in ihrer Ausrü- stung schon zwei der Energieblöcke, von denen meh- Das Spiel findet von nachmittags bis zum frühen Mor- rere für den Betrieb der Termination-Engine benötigt gen auf einem Gelände statt, welches wenig frequen- werden. Sie wissen auch, dass die vorherigen Spezial- tiert ist und von den Leitern vorher ausgekundschaf- einheiten zwei Munitionsvorräte auf dem Gelände tet werden muss. Er sollte gewährleistet sein, dass das hatten. Spiel ohne Zuschauer und ohne Störungen von außer- halb stattfinden kann. • Erster Auftrag: Sucht die Munitionsvorräte. • Zweiter Auftrag: Sucht die Teile der Termination- An Personal werden zumindest zwei Spielleiter benö- Engine. tigt. Einer befindet sich ständig im Totenreich, um • Dritter Auftrag: Baut die Maschine nach dem Plan neue Lebensbänder zu verteilen, während der andere zusammen. durch das Gelände geht, um das Spielgeschehen zu überwachen. Aufgrund der Außenlage und der Größe Die Spezialeinheit erfährt Unterstützung durch „White des Geländes sollten beide Leiter mit Funkgeräten Angel“. Diese versorgen sie um 22.30 Uhr mit Verpfle- und zumindest einem Handy ausgerüstet sein. gung aus dem Geländefahrzeug. Die Rebellen wissen nichts von diesen Terminen, könnten aber durch die Während der Kriegsvertrag und weitere Spielregeln Geräusche mitbekommen, dass jetzt eine leichte Mög- gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen er- lichkeiten besteht, die Spezialeinheit zu beseitigen. stellt werden, müssen auch hier Spielstory und – missionen von den Leitern vorbereitet werden. Im fol- Anweisungen für die Rebellen: genden eine typische Spielstory, die den beiden Zwei gut organisierte Spezialkampfeinheiten der Re- getrennten Gruppen zu Beginn vorgelesen wird. Der gierung wurden in der letzten Zeit von den Rebellen, Anfang stimmt bei beiden überein. Die unterschiedli- die ihr Lager im Osten haben, beseitigt. Die Rebellen chen Anweisungen werden hier jeweils für beide wissen, dass eine dritte Gruppe kommen wird. Sie Gruppen (Seals und Rebellen) gekennzeichnet: wissen, dass sich auf dem Gelände gelbe, grüne, blaue und rote Energie-Blöcke befinden, die für den Betrieb der Termination-Engine benötigt werden. The Termination-Engine-Strike Ihre Aufgabe ist es zunächst, diese Energieblöcke zu finden und durch eine den Regierungstruppen unbe- Im Jahre 2045 nehmen Außerirdische Kontakt mit den kannte Technik funktionsunfähig zu machen. Sie Menschen des Planeten Erde auf. Jeglicher Funk- brauchen nur eine entmagnetisierende Metallklam- spruch der Erde scheitert. Lediglich dem verrückten mer in den Block zu stecken. Sie entfernen die Blöcke Wissenschaftler Prof. Dr. Wilfried Konster gelingt es, aber nicht, sondern lassen sie als Lockmittel und fal- eine Maschine zu bauen, die es ermöglicht, mit den sche Fährte für die Regierungstruppen liegen, denn Außerirdischen, die menschenähnliche Gestalt haben diese wissen nicht, dass die von ihnen gefundenen und sich selbst als „White Angel“ bezeichnen, Kon- Blöcke unbrauchbar sind, solange die Metallklam- takt aufzunehmen. Nachdem Prof. Dr. Konster wegen mern darin stecken/ darauf kleben.

50 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden

• 1. Auftrag: Lager bauen 9) Nachts laufen einige Lagerangriffe. • 2. Auftrag: Lager einrichten (für die kalte Nacht 10) Gegen Morgen haben die Seals schon eine Maschi- vorsorgen) ne zusammengebaut, die aber nicht läuft, da eini- • 3. Auftrag: Blöcke finden ge Energieblöcke durch die Rebellentechnik un- • 4. Auftrag: Blöcke unbrauchbar machen brauchbar sind. • 5. Auftrag: Blöcke als Fallen wieder verstecken 11)Während die Seals überlegen, arbeiten die Rebel- len gegen die Zeit, um ihrerseits eine Maschine zu Die Rebellen erfahren Unterstützung durch „White bauen. Angel“. Diese versorgen sie um 22.00 Uhr mit Verpfle- 12) Um Punkt 9.00 Uhr endet das Spiel. gung aus einem Geländefahrzeug. Das Seal-Team 13) Die Gruppen räumen die Lager und fahren zum weiß nichts von diesen Terminen, könnte aber durch Haus zurück. die Geräusche mitbekommen, dass jetzt eine leichte Möglichkeiten besteht, die Rebellen aufzureiben. Im Laufe des Spiels bekommen die Rebellen folgende 2. Variante: Nachricht mit dem Bauplan der Maschine über den Im Gegensatz zur vorherigen Variante spielen hier „Geheimdienst“ zugespielt (s. Abb. 12) sechs Gruppierungen gegeneinander. Die 2. Variante wurde von uns konzipiert, um auch Gruppen bis zu 50 Teilnehmern am Spiel teilnehmen zu lassen. In diesem Spiel werden die Gruppen nach dem Lageraufbau auf eine Art Fotorallye geschickt. Sie erhalten nach dem Finden von einigen Gegenständen (hier CD-ROMs) ein Foto und einen Hinweis. An der beschriebenen Stelle finden sie erneut einen Foto-Hinweis. Die Wege der Gruppen zu den einzelnen Fotos kreuzen sich immer wieder, so dass Zusammenstöße und Kämpfe unver- meidlich sind.

Als Material für das Spiel wird benötigt: • abgesägte Luftpumpen • Schutzbrillen • Korken (mehrere Munitionsvorräte) Hallo Rebels! Auch Ihr müsst nun die Maschine zusammen- • Lebensbänder (Wollbänder) bauen, deren Plan wir oben aus dem Seal-Hauptquartier • Planen, Band und ein Taschenmesser, um ein Lager erbeuten konnten. Wir brauchen die Maschine, um mit den zu errichten Aliens kommunizieren zu können. Bitte beeilt Euch, denn sollte morgen früh um 9.00 Uhr die Maschine nicht in • Papier und Streichhölzer, um ein Feuer zu entzün- unseren Händen sein, werden wir alle sterben!!!!! den • Grundausstattung zum Teekochen: Topf, Tee, Was- Abb. 29: Nachricht an die Rebellen ser und Zucker • Missionsaufträge Normaler Spielverlauf: • versteckte CD-ROMs. Dabei ist darauf zu achten, 1) Die Gruppen werden im Haus voneinander ge- dass alles doppelt vorhanden ist, so dass jede trennt und einzeln zum Gelände gefahren. Gruppe die Chance hat, genügend CD-ROMs zu 2) Die Aufträge werden vorgelesen. finden. 3) Die Gruppen bauen die Lager auf. • eine Fotospur, die im Vorfeld gelegt werden muss. 4) Die Leiter nehmen die Lager ab. Erst wenn sie als Bei uns bewährte sich eine digitale Fotokamera, in Ordnung befunden werden, bekommt die Grup- mit der schnell Bilder gemacht und auf dem PC pe Munition. entwickelt und entfremdet werden können. 5) Erfahrungsgemäß berauben sich die Gruppen nun erst einmal gegenseitig. Das Spiel basiert auf folgender grundsätzlicher Auf- 6) Während die Seals gemäß ihrem Auftrag die Teile tragsbeschreibung (hier das Beispiel für eine Gruppe, der Maschine suchen, spüren die Rebellen diese die zum Schluss des Spiels auf eine bestimmte andere auf und machen sie unbrauchbar. Gruppe „gehetzt“ wird): 7) Die Gruppen kommen in der Nacht zu einem Treff- punkt, an dem sie einen Teil ihres Lunchpaketes erhalten. Scheibners Ölgewinnungsmaschine 8) Die Rebellen erhalten den Bauplan und müssen nun ihrerseits wieder die versteckten Bauteile su- Sechs Regierungen streiten sich um die Macht auf der chen und unkenntlich machen. Erde in den Zeiten nach den letzten Ölkriegen. Die

51 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6

Österreicher erfinden dank ausgeklügelter Technik 1. Auftrag: Ein Lager im Umkreis von 15 m um den eine Maschine, die aus Pflanzen Öl zieht. Die anderen Markierungsblock errichten. fünf Weltregierungen, Polen, die Skandinavische Alli- 2. Auftrag: Lasse das Lager von den unparteiischen anz, Reststaaten der USA, Griechenland und Südafri- Grönländern, welche als Schiedsmacht auf dem Ge- ka zerstören in einem gemeinsamen Blitzstreich lände anwesend sind, abnehmen. Empfange dann die Österreich. Der österreichische Topagent Scheibner Waffen von den Grönländern. entwischt aber im letzten Moment der Vernichtung 4. Auftrag: Finde Datenträger mit den Plänen und die mitsamt den Plänen der Ölgewinnungsmaschine (auf Verschlüsselungsspangen. (Unkundige meinen, dass einem Datenträger) und den Verschlüsselungs- diese wie zu große Büroklammern aussehen.) spangen. Zwei Tage darauf begeht er in Paris Selbst- 5. Auftrag: Eliminiert alle afrikanischen Einheiten. mord. Der Datenträger und die Verschlüsselungs- spannen bleiben verschwunden. Die Regierungen Normaler Spielverlauf: wissen nun, dass derjenige, der in Besitz der Pläne ist, 1. Die Gruppen werden im Haus voneinander ge- die Macht über die Erde bekommt. Zwei Wochen spä- trennt und einzeln zum Gelände gefahren. ter gesteht Scheibners Mutter unter der arabischen 2. Die Aufträge werden vorgelesen. Folter, dass ihr Sohn Spuren hinterlassen hat, die zum 3. Die Gruppen bauen die Lager auf. Versteck des Datenträgers mit den Plänen führen. Die 4. Die Leiter (hier: die Grönländer) nehmen die Lager Regierungen schicken jeweils eine gut ausgebildete ab. Erst wenn sie als in Ordnung befunden wer- Eliteeinheit in das Gebiet, um den Datenträger mit den, bekommt die Gruppe die Luftpumpen und den Plänen und die Verschlüsselungsspannen zu fin- den Auftrag, sieben CD-ROMs zu suchen. den. 5. Nachdem die Gruppe die CD-ROMs gefunden hat, bekommt sie die Korken und ein Foto mit einem Als die Truppe in einem kleinen Waldstück ankommt, Hinweis. erfährt sie, dass auch andere Truppen in der Nähe ge- 6. Während der Fotorallye laufen einige Lageran- landet sind. Der Geheimdienst fing eine brasilianische griffe. Internet-Email mit Hinweisen auf Datenträger (CD- 7. Gegen Morgen geht die Fotorallye ihrem Ende ROM?) ab, die vielleicht näheres zu den Plänen ent- entgegen. halten. Kann das vielleicht schon die erste Spur sein? 8. Um Punkt 9.00 Uhr endet das Spiel. 9. Die Gruppen räumen die Lager und fahren zum Die Regierung beschließt, dass der Sondereinheit bis Haus zurück. zum nächsten Tag um 9.00 Uhr Zeit gegeben wird, den Datenträger und die Verschlüsselungsspangen zu finden. Aus Angst, dass die anderen Regierungen die c) Fragebogen Bildschirmspielkenntnisse Pläne finden können, wird um 9.01 Uhr eine Atom- bombe über dem Gelände abgeworfen, wenn die Der Fragebogen unterliegt im Teil 6 immer wieder Sondereinheit nicht ihre Aufgaben erfüllt hat. Änderungen, um stets aktuelle Spielkenntnisse abzu- fragen. Bewusst sind indizierte Spiele mit aufgenom- men worden, damit die Alltagsrealität der Befragten widergespiegelt wird. Das Spiel „KZ-Manager“ war zu C-64-Zeiten ein Spiel, welches von rechtsradikalen Gruppierungen verbreitet worden ist. Es dient ledig- lich als Überprüfung, inwiefern die Thematik „Nazi- spiele“ noch zu behandeln ist.

52 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden

(Beantworte die Fragen bitte ehrlich und vollständig. Die Informationen von Euch helfen uns, die Tage am Dümmer zu planen.) 1) Wie alt bist Du? ___ Jahre

2) Dein Geschlecht? weiblich männlich

3) Besitzt Du einen Computer bzw. hast ja nein Du Zugang zu einem? Wenn ja, was für einen?

4) Kennst Du WINDOWS95? ja nein

5) Hast Du eine oder mehrere ja nein Spielekonsolen? N64 Playstation 6) Welche? GameBoy andere

7) Welche Computer- oder Videospiele spielst Du am liebsten? (Nenne Deine 1) drei Favoriten.)

2)

3)

8) Kreuze unten die Computer/Videospiele an, die Du kennst und schon gespielt hast!

- Super Mario World - Diddy Kong Racing - Lands of Lore - Tetris - Tomb Raider - Ultima - Duke Nukem 3D - Crash Bandicoot - Test Drive - Lemmings - Streetfighter - - Pacman - Sega Rally - Zelda - Command&Conquer 1 - Jedi Knights - Warioland (oder 2) - Anno 1602 - Kings Quest - Donkey Kong Country - Tekken - Age of Empires - Sonic - Simcity 2000 - Final Fantasy VII - Z - Indiana Jones - X-Wing - Worms - Resident Evil - Wolfenstein 3D - The Secret of Monkey - KZ-Manager - Wintergames Island - FIFA Soccer - Total NBA - Warcraft - Giana Sisters - Sailor Moon - Space Invaders - Mortal Kombat - Abe’s Odysee - F1 Grand Prix - Nights - Mega Man - Might&Magic 6 - Need for Speed - Destruction Derby - Banjo Kazooie - Unreal - Micro Machines - DOOM - Gran Turismo - Earthworm Jim - Pandemonium - Commandos - Cool Boarders - Civilization - Der Industriegigant

Abb. 30: Fragebogen Bildschirmspielkenntnisse

53 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6 d) Beispiel für Arbeitsvertrag

Mit der Unterzeichnung dieses Vertrages hat der Un- Mit der Unterzeichnung dieses Vertrages treten um- terzeichnende folgende Rechte: gehend alle Rechte und Pflichten in Kraft. Der Unter- • Teilnahme zeichnende übernimmt für alle Verletzungen der • Interessen/ Anliegen/ Probleme obengenannten Pflichten seinerseits die volle Verant- • alles offen sagen wortung und erklärt sich mit den Konsequenzen ein- • Kritik verstanden. • Konflikte austragen • freie Meinungsäußerung Konsequenzen • menschenwürdige Behandlung 1. Regelverletzung: mündliche Ermahnung 2. Regelverletzung: mündliche Ermahnung + 5 Liege- Mit der Unterzeichnung dieses Vertrages geht der un- stützen oder Kniebeugen terzeichnende Teilnehmer folgende Pflichten ein: 3. Regelverletzung: mündliche Ermahnung + 10 Lie- • pünktliches Erscheinen gestützen oder Kniebeugen • Achtsamkeit in Gruppengesprächen (nur einer re- 4. Regelverletzung: Verlieren des persönlichen Ge- det) genstandes (den Gegenstand selbst zerstören) • keine Gewalt 5. Regelverletzung: Nach Hause fahren • fremdes Eigentum (Geräte, Einrichtungen usw.) pfleglich behandeln • Meinungen anderer tolerieren Ort, Datum • anderen helfen • Essen achten und schätzen • keinen Alkohol, keine Drogen und nicht rauchen • andere Gruppen nicht stören • Nachtruhe von 22.00 bis 7.00 einhalten Unterschrift Teilnehmer Unterschrift Kursleiter e) Beispiele für Kriegsverträge Geländespiel Version 1:

Schulspiel: 1. Es ist Pflicht, die Schutzbrille während des gesam- ten Krieges zu tragen! Nicht erlaubt sind: treten, schlagen, schubsen, auf den Boden werfen, Munition stehlen (nur wenn sie auf 2. Es ist Pflicht, dass man 2 Korken abgeben muss, dem Boden liegt), Quälen, keine eigenen Taschen- wenn man sein Lebensband verloren hat! lampen, keine eigenen Waffen, etwas absichtlich ka- putt machen. Wenn man kämpft und „Stopp“ rufen 3. Es ist verboten hört, muss man den Kampf beenden. Wenn man selbst • Essen zu klauen und/oder zu zerstören; „Stopp“ ruft, muss man ins Totenreich, ebenfalls wenn • Lager zu zerstören; man getroffen worden ist. Nicht die Brille abnehmen, • zu schlagen; keine Luftpumpen klauen. Fair kämpfen, d. h. wenn • zu treten; man getroffen worden ist, nicht lange diskutieren, • zu kneifen/ an den Haaren zu ziehen; sondern ins Totenreich gehen. Sich mit anderen Grup- • zu schubsen; pen zu verbünden, ist verboten. • jemanden von hinten anzuspringen; • zu foltern; Falls diese Regeln nicht eingehalten werden, werden • jemanden hinzuwerfen; folgende Dinge geschehen: • jemanden mit Gegenständen zu bewerfen; • das Spiel wird unterbrochen; • Luftpumpen als Schwerter oder Schlagstöcke zu • derjenige wird ermahnt; benutzen; • muss beim zweiten Regelverstoß eine halbe Stun- • Stöcke als Schwerter oder Schlagstöcke zu benut- de ins Totenreich; zen; • beim dritten Regelverstoß muss derjenige seinen • Spezial- oder Würgegriffe anzuwenden; persönlichen Gegenstand zerstören. • das Feuerholz eines Gegners auseinander zu tre- ten! Der Kriegsvertrag erlischt bei Rückkehr ins Aufenthaltshaus. 4. Es ist Pflicht, fair zu sein!

54 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden

Geländespiel Version 2: f) Selbstdarstellung der Jugendbildungs- arbeit des Landkreises Vechta5 Mit der Unterzeichung dieses Vertrages erkläre ich mich zu folgenden Kriegsvereinbarungen bereit: Zielvorstellungen: Der § 11 (Jugendarbeit) des Kinder- und Jugendhilfe- Nicht erlaubt ist/sind: gesetzes fordert vom Jugendamt Angebote der Ju- • Kleidung mutwillig zu zerstören; gendarbeit, die an den Interessen junger Menschen • Brillen und Uhren mutwillig zu zerstören; anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitge- • Kopf in den Schlamm stecken; staltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen • Folter; und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu • Feuerzeuge stehlen; sozialem Engagement anregen und hinführen. Der • Lager zerstören; § 14 (erzieherischer Kinder- und Jugendschutz) er- • Lichtquellen außer das eigene Lagerfeuer; gänzt dies mit der Forderung nach Maßnahmen, die • Überzulaufen; junge Menschen befähigen, sich vor gefährdenden • weiße Fahne; Einflüssen zu schützen und sie zur Kritikfähigkeit, • schlagen und treten; Entscheidungsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit • an Baum binden. sowie zur Verantwortung gegenüber ihren Mitmen- schen führen. Erlaubt ist/sind: • physische Gewalt (Ringen, Catchen); Alle diese Forderungen entstammen dem Selbstver- • Korken stehlen; ständnis der Jugendarbeit, Jugendschutzarbeit, min- • ausrauben (Essen/ Trinken/ Feuerholz); destens zurückblickend bis zum Kriegsende. Dies gilt • Feuer ausmachen; bis heute auch für die Jugendbildungsarbeit des • Stolperfallen. Landkreises Vechta.

Mit der Unterzeichung bestätige ich folgende Regeln: Wir sehen als Bildungsaspekt in unserer Arbeit keine • ehrlich zu kämpfen; Schul- oder Berufsbildung, keine Ausbildung zum • andere nicht mutwillig mit Absicht zu verletzen; Fotofachmann oder Videoexperten, sondern soziale • alle Regeln einzuhalten; Bildung. Wir wollen Kindern und Jugendlichen die • bei meinem „Tod“ unverzüglich ins Totenreich zu Möglichkeit geben, ihre Kreativität, ihre Vorlieben, wechseln und auf eine Wiedergeburt zu hoffen. ihre Ziele und Grenzen, letztlich sich selbst bewusst zu entdecken. Vereinsamung, Leistungsdruck in der Mit meiner Unterschrift erkläre ich mich bereit, bei ei- Schule, Ausbildungsplatzmangel, Zukunftsängste, nem Regelbruch meinerseits sofort aus dem Kampf neue Armut fordern den Kindern viele Selbstbehaup- auszuscheiden, entwaffnet zu werden und unehren- tungsfähigkeiten ab. Auf der anderen Seite bieten haft zur Basis zurückgebracht zu werden. ihre Erfahrungen mit der Konsumwelt, die auf vorge- fertigten Entscheidungen beruhten, oder mit der Bürokratiewelt, die wenig Gestaltungsmöglichkeiten zulässt, kaum geeignete Handlungsmodelle für eine erfolgreiche Lebensbewältigung. Gerade in der heuti- gen Zeit ist es für sie wichtig, sich in einer Gruppe von Gleichaltrigen zu erleben, dort ihren Platz zu finden und so etwas wie Solidarität und Toleranz zu erfah- ren. Dadurch lernen sie, andere und auch sich selbst zu achten, bekommen die Gewissheit, nicht alleine zu sein und gemeinsam etwas bewirken zu können. Sie lernen gemeinsam ein selbst gestecktes Ziel mit viel Mühe zu erreichen oder auch einen möglichen Miss- erfolg zu verkraften. Das ist das Wichtigste, was ih- nen als Startkapital für ein eigenständiges und gefe- stigtes Leben mitgegeben werden kann.

Mitarbeiterinnen und MItarbeiter Die Gesamtleitung einer Maßnahme hat der Kreis- jugendpfleger oder ein anderer Vertreter des Jugend- amtes. Die Leiter/innen der einzelnen Jugendbil- dungsmaßnahmen des Landkreises sind fast alle „ehrenamtlich“ tätig. Sie sind nicht Angestellte des

55 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6

Landkreises und erhalten auch kein Honorar. Sie müs- nem Kind nicht immer richtig umgehen. Weil sie sich sen aber für ihre Tätigkeit auch kein Geld mitbringen; als Menschen mit Fehlern und Stärken zeigen, sehen eine kleine Aufwandsentschädigung deckt ihre Unko- die Kinder es den Leiterinnen und Leitern meist nach. sten ab. Sie sind so aber nicht nur „billig“, sondern sie Fehler erleben die Teilnehmer dann nicht als etwas, sind ein wichtiger inhaltlicher Bestandteil des Kon- für das man sich schämen muss, sondern als etwas, zu zeptes. dem man stehen kann, aus dem man lernen kann. Dieses Fehlerrisiko ist gewollt und Bestandteil des Manche dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Konzeptes. Diese Fehler werden in den Supervisionen gerade dem Jugendalter entwachsen, andere haben und Besprechungen reflektiert und aufgearbeitet. schon Frau und Kinder; sie arbeiten in den verschie- densten Berufen, sind Schüler oder Studenten oder Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind noch in der Ausbildung. Auf jeden Fall tragen sie Die Jugendbildung ist kein Angebot für Massen. unsere Idee der sozialen Bildung dadurch mit, dass sie Schließlich ist besonders die Schule für die Vermitt- sich als Person den Kindern und Jugendlichen stellen, lung von Bildung da. Für manche Jugendliche ist das als Person, die Vorbild ist, an der man sich reiben Angebot schon zu viel, für andere auch zu wenig, die kann und die Grenzen setzt, als Person, die einen Jugendlichen sind die Teilnehmer der Jugendbil- ernst nimmt und bereit ist, eine Beziehung aufzuneh- dungsmaßnahmen. Es sind Jugendliche, die mehr men. Diese Beziehungen können ein Wochenende, wollen als ihnen woanders geboten wird, die beson- eine Seminarwoche oder auch noch länger andauern. dere Interessen haben, die etwas ausprobieren möch- Manchmal entwickelt sich bei mehrmaliger Teilnahme ten, die persönlichen Einsatz und den Willen zeigen, sogar ein über das Jugend- und Freizeitzentrum am mit anderen zusammen etwas Besonderes zu tun, Dümmer andauernder freundschaftlicher Umgang. eben Jugendliche, die ihren Erfolg selbst in die Hand nehmen wollen. Davon gibt es mehr als viele anneh- Organisiert sind diese Mitarbeiter im Leitungsteam. men, dabei kommt die Nachfrage aus allen Schichten Dem Leitungsteam steht der Kreisjugendpfleger vor. der Bevölkerung. Das Interesse an diesen Bildungsan- In diesem Leitungsteam werden grundsätzliche in- geboten zeigt dies deutlich. Die Jugendlichen neh- haltliche und organisatorische Dinge festgelegt. Es men aber auch teil, weil sie ihre Freizeit mit Freundin- trifft sich zum Anfang eines Jahres für ein gemeinsa- nen und Freunden verbringen wollen, Interessantes mes Wochenende. Über das Jahr hin laufen telefoni- (von Fotoentwicklung über Videoproduktionen, sche Kontakte untereinander und mit dem Jugend- Computerarbeit bis zu Gestaltungstechniken) kennen- pfleger. Weitere allgemeine Treffen sind wegen der lernen und mit vielen Leuten etwas erleben wollen. großen Entfernung der Wohn-/Studienorte nicht Alles überragend steht bei ihnen der Spaß im Vorder- möglich. Der Jugendpfleger sorgt für eine überwie- grund. Dieser Spaß ist vollkommen legitim und auch gend telefonische persönliche Betreuung, stellt ein wichtiger Bestandteil unseres Konzeptes. Lernen in Heimatgefühl her, ist ständiger Ansprechpartner. der Jugendbildung muss Spaß machen dürfen.

Die eigentliche Planungs- und Vorbereitungsarbeit Teilnehmen können alle Jugendlichen aus dem Land- findet in Kleingruppen, den sogenannten „Familien“ kreis Vechta. In besonderen Fällen (Nachbarschaften, statt. Sie werden durch Sprecher organisiert und ver- Freundschaften usw.) können auch andere Jugendli- treten. Diese „Familien“ decken jeweils einen Fachbe- che teilnehmen. Die Jugendlichen melden sich direkt reich ab. Hier entstehen in Zusammenarbeit mit dem beim Jugendamt an. Informationen erhalten Sie aus Kreisjugendpfleger Ideen und Konzepte für einzelne dem halbjährlich erscheinenden Seminarprogramm, Seminare oder Seminarstränge (Reihen). Auch die dem „Jugend-Echo“, von anderen erfahreneren Teil- Weiterentwicklung von bestehenden Seminar- nehmern oder aus der Zeitung. strängen geschieht hier. Für jedes Seminar wird dann ein Team zusammengestellt, das die Feinkonzeption, Viele durchlaufen eine Seminarkarriere. Sie nehmen Ausschreibung und konkrete Vorbereitung und Lei- an einem Kurs zum „Schnuppern“ teil, probieren eini- tung übernimmt. Feinkonzept und Ausschreibung ge interessante Kurse aus und legen sich dann auf ihr werden mit dem Kreisjugendpfleger abgesprochen Interessengebiet fest. Diese Karrieren laufen über und ins Programm übernommen. Die verantwortliche mehrere Jahre, sind unterschiedlich intensiv und en- Leitung des Seminars hat der Teamleiter(-sprecher). den meist mit dem Herauswachsen aus der Alters- Während des Seminars wird mindestens eine Super- struktur. Nur sehr wenige sind einmalige Teilnehmer. vision mit dem Kreisjugendpfleger durchgeführt, So nehmen an jedem Veranstaltungstermin ca. 1/3 nach dem Seminar ein Schlussgespräch. neue und 2/3 mehr oder weniger erfahrene Teil- nehmer teil. Dies ist wichtig für das Konzept. Diese Da die meisten Ehrenamtlichen keine pädagogischen Bildungsangebote verstehen sich nicht als Einzelaktio- Profis sind, wird es immer wieder einmal passieren, nen, sondern mehr als eine kontinuierliche „Jugend- dass sie Situationen falsch einschätzen oder mit ei- bewegung“, mit der sich die Jugendlichen sehr

56 Jens Wiemken: Hardliner – Zeit für Helden schnell identifizieren. Ideen, Gefühle, Normen und programm von den Leitern und den Gruppen zusam- Wertvorstellungen werden kontinuierlich an die men erstellt wird. Dabei muss es möglich sein, Pro- „Neuen“ weitergegeben. Dies wird von den Jugend- gramme auch schnell zu ändern und den jeweiligen lichen auch so gewollt. Sie unterscheiden deutlich Gruppensituationen anzupassen. Für alle Gruppen ei- zwischen den einzelnen Seminarinhalten und dem ner Maßnahme gibt es einen Gesamtrahmen. Dazu gefühlsmäßigen Hintergrund, den sie „Dümmerheim- gehören Hausordnungsregeln, gemeinsame Mahlzei- feeling“ nennen. Für dieses Feeling fühlen sich die Ju- ten, gemeinsame Freizeitblocks und gemeinsame Frei- gendlichen auch selbst verantwortlich. Entsprechend zeitangebote. Diese Bereiche werden in Absprache hart arbeiten sie an der Weiterentwicklung dieses mit den einzelnen Gruppen für alle festgelegt (siehe Feelings mit. Ähnlich verfahren sie auch bei der Mit- auch Teilnehmer und Rahmenstruktur). bestimmung. Eine formelle Mitbestimmung ist bei Einige Maßnahmen werden auch mit Übernachtun- dieser Organisationsform kaum möglich. Die Erfahre- gen im Freien durchgeführt. neren halten die Seminare schon für „Ihre“ Seminare. Sie sind es gewohnt und gewillt, sie während des Ver- Örtlichkeiten: laufs mit- und notfalls auch umzugestalten. Auch die Der Landkreis (Jugendamt) betreibt am Dümmer in Weiterentwicklung von Seminarideen erfolgt über 49401 Damme ein Jugend- und Freizeitzentrum mit die Auseinandersetzung mit den Leitern im Seminar. 120 Plätzen als Beleghaus. Diese Einrichtung wird So schwer fassbar diese Selbstbestimmung ist, so er- auch für die vom Jugendamt angebotenen Jugend- folgreich ist sie auch. Leiter, die nicht kooperations- bildungsmaßnahmen genutzt. Sie finden in der Regel bereit sind, bekommen erst Druck und später ihre Se- an Wochenenden (Freitag bis Sonntag) oder in den minare nicht mehr voll. Die Eigenverantwortlichkeit Ferien (Montag bis Samstag) statt. An diesen Maß- zeigt sich auch daran, dass Diebstähle oder Sachbe- nahmen nehmen in 6 bis 8 Seminaren jeweils bis zu schädigungen kaum vorkommen, obwohl Gerätschaf- 110 Kinder und Jugendliche teil. ten und Materialien frei zugänglich sind. Öffentlichkeit: Inhalte: Veröffentlicht werden diese Angebote in einer Infor- Die Inhalte der Bildungsmaßnahmen richten sich nach mationsschrift für Jugendliche, die halbjährlich er- den jeweiligen Interessen und Bedürfnissen der Ju- scheint: das „Jugend-Echo“. Darüber hinaus werden gendlichen und den gesellschaftlichen Notwendigkei- Plakate in den Schulen und Jugendeinrichtungen des ten. Landkreises ausgehängt. Die lokale Presse berichtet Organisatorisch teilen sich die inhaltlichen Angebote über aktuelle Angebote und über deren Verlauf. in verschiedene Stränge auf, um die sich jeweils Klein- Selbstverständlich zielen die Inhalte der Ausschrei- gruppen, „Familien“, kümmern. Diese Stränge sind bungen auf die Interessen der Jugendlichen. Jeder zur Zeit: Geruch von penetranter Pädagogik wird vermieden. • Gruppenleiterausbildung Dass das Jugendamt und die Leiter auch andere Ziel- • Geschlechtsspezifische Arbeit (Mädchenarbeit, vorstellungen haben, wird den Jugendlichen erst im Jungenarbeit) Verlauf des Seminars erklärt. Wenn die Leiter erst ein- • Erlebnispädagogische Maßnahmen mal als kompetent und ehrlich erlebt worden sind, ist • Video und Computer (Jugendschutz im Medien- dies auch kein Problem mehr. Vielmehr ist dies ein bereich) Einstieg in die Hintergründe der Jugend- • Kulturelle Bildung bildungsarbeit. „Warum machen die Leiter diese Se- a. Werken, Basteln minare mit uns, wenn sie dabei nichts verdienen?“, b. Malen, Zeichnen, Gestalten dies ist meistens die Einstiegsfrage. c. Fotografie Die verschiedenen inhaltlichen Stränge Auf die Inhalte der einzelnen Stränge wird am Schluss Eine Aufteilung der einzelnen Seminare nach Fachbe- noch eingegangen. reichen, hier Strängen, muss zwangsläufig unbefriedi- gend bleiben. Ein Computerseminar für Mädchen ist Struktur: gleichzeitig Mädchenarbeit und Medienarbeit, ein Je nach Inhalt nehmen an den Seminaren 10 bis 20 Ju- Computerseminar für Mädchen mit dem Thema: „Ge- gendliche und 1 bis 3 Leiter teil, so dass im Rahmen waltverherrlichung in Computerspielen“ ist zusätzlich einer Gesamtmaßnahme ca. 7 bis 9 Kurse stattfinden. noch Jugendschutzarbeit. So ist es hier notwendig, Die einzelnen Kurse sind inhaltlich weitgehend eigen- viele Seminare nach persönlicher Gewichtung einem ständig. Die Grobplanung erfolgt durch das Seminar- Strang zuzuordnen, ohne das die Einflüsse aus ande- team (siehe „Mitarbeiter“) in Zusammenarbeit mit ren Strängen geleugnet werden können. dem Kreisjugendpfleger als Vertreter des Jugendam- tes. In der Durchführung wird viel Wert gelegt auf eine Mitplanung der Gruppe, so dass das Detail-

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Geschlechtsspezifische Jugendarbeit reichen des täglichen Lebens festgestellt, auch den Bereichen, in den ein Ausweichen oder Abwehren Mädchenarbeit nicht möglich ist: in der Schule, in der Familie, in der Im Rahmen der allgemeinen Entwicklung der Mäd- Clique. Sie wird, wenn auch in unterschiedlichen For- chenarbeit bot der Landkreis im Herbst 1992 versuchs- men, von Männern und Frauen ausgeübt. Offene weise ein Seminar mit dem Titel „Selbstverteidigung Abwehr war hier nicht so wichtig; Selbstbehaup- für Mädchen“ an. Als Leiterinnen standen zwei Päda- tungstechniken, Selbstsicherheit, Mut usw. sind hier gogikstudentinnen zur Verfügung, die über eine angemessener. Übungsleiterlizenz in „Teak wan do“ verfügten und schon in Sportvereinen zu diesem Thema gearbeitet Seit 1996 hat sich dieser Trend weiterentwickelt. Die hatten. Beide waren außerdem schon einige Jahre Teilnehmerinnen wollen über die bisherigen Seminar- Mitarbeiterinnen in unserem Mitarbeiterstamm. inhalte hinaus mehr tun. Sie drängen einerseits zu- nehmend in Bereiche, die bisher weitgehend von Jun- Das Programm war so geplant, dass die Mädchen gen besetzt waren (Computerspiele, Kampfspiele, nicht nur Abwehr- und Angriffstechniken aus dem harte Abenteuer), andererseits suchen sie wieder Ge- Wan-Dan (Selbstverteidigung) lernen und Kondition meinsamkeiten mit Jungen. Dies wird von den Mäd- bekommen sollten, sondern auch an Hand von Yoga, chen aber keinesfalls als Selbstaufgabe gesehen. Es ist Taiji, Meditation und Massagen ihren eigenen Körper für sie klar, dass es Sachen gibt, die sie nur mit Mäd- erfahren sollten. Zwischen den einzelnen sportlichen chen zusammen machen wollen und in die sich Jun- Aktivitäten sollten immer wieder ruhige Phasen mit gen nicht einzumischen haben. Auch wollen sie bei einfließen, in denen sich die Mädchen ausruhen und gemeinsamen Aktivitäten die Regeln und Bedingun- ihren Körper spüren konnten. Ein wichtiger Punkt gen deutlich mitbestimmen. sollte auch die Theorie sein, in der mit den Mädchen über die Abwehr von körperlich stärkeren Männern Ausprobiert wurden bisher Einladungen von Jungen- gesprochen werden sollte (Ausnutzung empfindlicher gruppen zu bestimmten Themen. Die Ergebnisse wa- Körperteile). Die ganze Thematik ist durch Rollenspie- ren noch nicht zufriedenstellend. Dies liegt wohl dar- le unterstützt worden. an, dass die Entwicklung in unserer Jungenarbeit noch nicht so weit ist. Entgegen unseren Erwartungen wurde dieses Semi- nar sehr gut angenommen. Es gab ein Vielfaches Probiert wurden im 1. Halbjahr 1997 zwei Seminare mehr an Interessentinnen als Plätze vorhanden wa- mit gleichem Themenbereich, Fightgames für Mäd- ren. Auch vom Konzept her lief dies Seminar von An- chen und Fightgames für Jungen. Beide haben am fang an gut. Deshalb wurden weiterhin Wochenend- gleichen Wochenende in räumlicher Nähe außerhalb und Wochenseminare mit diesem Titel und dem Kon- des Jugend- und Freizeitzentrums stattgefunden. So zept angeboten. war die Möglichkeit gegeben, eigene und gemeinsame Aktionen kurzfristig nach Wunsch der Teilnehmer/in- Ab 1994 veränderte sich die Interessenlage der teil- nen durchzuführen. Diese Aktion hatte nicht den ge- nehmenden Mädchen. Im Vordergrund stand nun wünschten Erfolg. Die Auseinandersetzung mit Gewalt nicht mehr so sehr der Kampf-Abwehr-Aspekt gegen- (Kampf) verläuft bei Jungen und Mädchen vollkom- über Männern (Jungen). Wichtiger wurde das Ich- men anders. Beide Gruppe haben also wieder weitge- Bewusstsein, „was bedeutet es für mich, Frau (Mäd- hend ein eigenständiges Programm gemacht. Als Folge chen) zu sein, was bin ich als Frau (Mädchen) wert, ich gab es im zweiten Halbjahr 1997 das Seminar „Rache“, bin in der Lage, etwas für mich zu verändern.“ Im das aus einer Mädchengruppe und einer Jungen- Konzept wurden die Selbsterfahrungsanteile entspre- gruppe bestand. Thema war der Umgang der Ge- chend erweitert und auch Projekte angeregt, in de- schlechter miteinander, besonders im Bereich Einsatz nen die Teilnehmerinnen beweisen konnten, zu was von Gewalt. Gleichgeschlechtliche und gemischt- sie (ohne männliche Hilfe/Einmischung) fähig sind. geschlechtliche Arbeitseinheiten wechselten sich ab. Aus dem Titel: „Selbstverteidigung für Mädchen“ Auch hier wurden wieder Unterschiede im Umgang wurde der Titel: „Mädchen-Power-Mädchen“. Die mit Gewalt deutlich. Mädchen und Jungen erleben Ge- Kampfsportanteile blieben weiter wichtig, änderten walt anders, bewerten verschiedene Gewaltakte an- sich jedoch in der Zielrichtung. Nicht mehr die Ab- ders, setzen Gewalt anders ein und nutzen selbst un- wehr von Gefahren, sondern die Stärkung der eige- terschiedliche Gewaltformen. Im Seminar prallten nen Fähigkeiten stand nun im Vordergrund. In den diese Unterschiede für die Teilnehmer deutlich sichtbar Gesprächsteilen und Rollenspielen über Gefahren-, aufeinander. „Lösungen“ im klassischen Sinne gab es Angstsituationen, die weiterhin im Konzept blieben, nicht. Die Teilnehmer waren aber sehr zufrieden mit zeigte sich, dass die „Bedrohung“ sich nicht mehr so dieser Auseinandersetzung. Beide Geschlechter gaben sehr alleine auf männliche Personen bezog. Gewalt getrennt an, die anderen nicht zu verstehen, fanden es wird in physischer und psychischer Form in vielen Be- aber wichtig, die Unterschiede jetzt zu kennen.

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Ab Frühjahr 1994 begann eine zweite Schiene der zusammensetzen und darüber reden!“ geht bei Jun- Mädchenarbeit, die am Computer. „Selbstbehauptung gen anscheinend nicht. Zum zweiten scheint der am Computer“ war noch auf die Schaffung von Sach- Kampf in jeglicher Form bis hin zum Überlebens- kompetenz am Computer ausgerichtet. Ab Frühjahr kampf ein sehr wichtiger Bestandteil ihres Selbst- 1996 war dann mit „Dreammachine“ der Sprung zu wertes und Selbstwertmaßstabes zu sein. Dabei geht mädchenspezifischen Anwendungen und Programmen es aber nicht um die Heroisierung des Kampfes. Wich- vollzogen; näheres dazu im Strang Medienarbeit. tiger als das Siegen sind das Verlieren, die Verantwor- tung für das eigene Tun, sind die Regeln, die Kampf- Jungenarbeit vermeidung usw. Die erfolgreiche Mädchenarbeit zeigte bald auch Schatten. Die Jungen (zumindest in unserer Bildungs- Ähnliche Erfahrungen wurden etwa zeitgleich in un- arbeit) konnten mit dieser Entwicklung schlecht um- seren Seminaren zu Computerspielen gemacht. Das gehen. Sie waren verunsichert, sie wurden in den Se- Seminar „Computerspiele in der Wirklichkeit“ war da- minaren häufig von den selbstbewusster werdenden mit ein zweiter Einstieg in die Jungenarbeit; siehe Mädchen an die Wand gespielt. Sie reagierten mit Strang Medienarbeit. Machogehabe oder Rückzug. Die Teilnehmerzahl der Jungen sank kräftig ab. Video und Computer (Jugendschutz im Medienbereich) Aus dieser Entwicklung entstand unserer Ansatz der Der Bereich Video und Computer entwickelte sich aus Jungenarbeit. Im Herbst 1993 wurde das erste Semi- der klassischen Arbeit mit den 16mm-Filmen. Neben nar mit dem Titel: „Abenteuerwochenende für Jun- der Faszination der Bildmedien bei Jugendlichen gen“ angeboten. Als Medium zum Zugang zu den spielte hier immer ein starker „Jugendschutzge- Jungen dienten Ideen der Abenteuerpädagogik. Ver- danke“ mit, besonders wertvolle Filme werden geför- antwortlich für die Jungenarbeit fühlten sich ein Di- dert usw. Schmalfilmarbeit gab es beim Landkreis bis plompsychologe und ein Sozialpädagoge aus unse- 1985. Die erste Welle der Gewaltvideos schwappte ab rem Team. Die Nachfrage nach diesem Seminar war Ende 1983 über den Landkreis Vechta. Neben Infor- gerade ausreichend. Die Abenteuerteile liefen recht mationsveranstaltungen für Eltern und Pädagogen, gut. Ein Zugang zu den Gefühlen und innersten Wün- die der Landkreis zahlreich durchgeführt hat, wurde schen der Jungen konnte jedoch nicht geschaffen auch der Ruf nach Video-Projekten in der Jugendar- werden. Nach einem weiteren Versuch mit ähnlich beit laut. In dieser Arbeit sollten das Medium Video schlechten Ergebnissen versuchten wir es mit der entzaubert und positive Nutzungsmöglichkeiten auf- Idee: „Jungen sind etwas besonderes“. Das Seminar gezeigt werden. „Jungen-Power“ wurde entwickelt. Es lehnte sich in- haltlich stark an die Selbstserfahrungsarbeit der Ab 1985 stand für die Jugendarbeit, Jugendschutz- Mädchenseminare an. Selbsterfahrung war den Jun- arbeit eine funktionsfähige Video-Kamera-Anlage zur gen aber unheimlich, nicht nur die Leiter, sondern Verfügung. Ähnlich wie Filmvorführscheine, sollten auch die Teilnehmer waren mit den Ergebnissen un- Videoscheine eine Berechtigung zum Ausleih und zur zufrieden. Ein Zugang zur Welt der Jungen war nicht Nutzung dieser Anlage darstellen. Die ersten Semina- gefunden. Bis Anfang 1995 wurde mit den gleichen re über je zwei Wochenenden wurden für Mitarbeiter Seminaren weiter experimentiert. in der Jugendarbeit angeboten. Sie bestanden aus ei- nem technischen Teil, der damals noch recht aufwen- Aus den Ergebnissen entstand im Herbst 1995 das Se- dig war, und einem gestalterischen, dramaturgischem minar „Fightgames“. Medium war ein zweitägiges Teil. Die fertigen Teilnehmer sollten dann in ihren Abenteuerspiel, in dem es um Kämpfe der verschie- Gruppen eigene Video-Projekte durchführen. Von densten Form gegen Außenstehende und gegen die dieser Möglichkeit wurde allerdings nur wenig Ge- Partnergruppe ging. Bei den Kämpfen wurden je brauch gemacht. Meist ersetzte die Videokamera nur nach Situation unterschiedliche Fähigkeiten abgeru- den Fotoapparat für Erinnerungsbilder. Daher wur- fen. Stärke, Schnelligkeit, Geschicklichkeit, Cleverness, den ab 1987 auch Seminare für Jugendliche angebo- Wissen, Organisationsgeschick war je nach Spiel- ten. Diese Seminare waren überwiegend erlebnis- situation gefragt. Die Spielgruppen mussten entschei- orientiert. Die Technik war nun auch nicht mehr neu den, wer von ihnen die besten Voraussetzungen zum und hatte ihren Reiz weitgehend verloren. Ziel war es Sieg hatte und entsprechende Herangehensstrategien vielmehr den Jugendlichen zu zeigen, wie in Jugend- entwickeln. Die Spielregeln wurden von den Leitern gruppen Video-Projekte durchgeführt werden kön- festgesetzt. Dieses Seminar öffnete den Leitern einen nen. Die Angst vor eigenen Videoprojekten sollte ab- Zugang zum Innersten der Jungen. Zwei Aspekte wa- gebaut werden. Diese Seminare waren erfolgreicher; ren dabei entscheidend. Erstens muss man mit Jungen viele Projekte, die die Handschrift unserer Seminare sofort und dort über wichtige Dinge reden, wann und trugen, wurden in dieser Zeit bekannt. Inzwischen wo sie passieren. Ein „Lass uns uns später noch mal stand auch mehr und bessere Technik zur Verfügung.

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Ab 1989 wurden die ersten erschwinglichen Cam- werden, die mit sehr wenig Technik auskommen. corder verkauft und eingeführt. Die Technik wurde „Video-Werbung“ ist hier das erste Versuchsseminar. dadurch soweit vereinfacht, dass die Kurse zum Er- werb eines Video-Scheins nicht mehr nachgefragt Jugendarbeit mit Computern versuchte der Landkreis wurden. erstmalig 1990 mit einer Seminarreihe. Geleitet wur- de sie von einem Computerfachmann der Universität In der Seminararbeit bekam die Videotechnik einen Osnabrück, der schon bei uns in der Jugendarbeit tä- neuen Stellenwert. Sie wurde Katalysator für aktive tig war. Die praktische Arbeit mit den Rechnern Jugendarbeit. Wenn eine Kamera lief, war alles das musste noch außerhalb des Jugend- und Freizeitzen- erlaubt, was ohne Kamera albern, kindisch und blöd trums in einer Dammer Schule stattfinden. Eigene Ge- war. So war eine neue Legitimation für Abenteuer- räte waren nicht zu finanzieren. Ziel der Seminare projekte geschaffen, die Projekte wurden dann halt war es, die Jugendlichen an die noch neue Technik zum Film. Der fertige Film wiederum legitimierte die- heranzuführen und ihnen Hilfen zu geben für einen se Projekte nach außen und war für die Teilnehmer aktiven Umgang mit ihren eigenen Rechnern. Kaum Beleg ihres Selbstwertes. Die Technik (inzwischen war ein Jugendlicher konnte mit seinem Heimcomputer mit Hilfe der Kreisbildstelle fast professioneller (in der Regel C64) mehr als nur Spiele ablaufen lassen. Schnitt möglich) war fast nebensächlich. Wichtig wa- Im Seminar lernten sie Grundbegriffe zur Software-In- ren das gemeinsame Projekt, der Spaß beim gemein- stallation, Datenverwaltung und Kurzprogrammier- samen Tun und der fertige Film, der aussagte: „Wir ung. So sollte aus der Spielmaschine C64 ein konstruk- können was!“. tives Arbeitsgerät werden. Diese Seminare liefen in kaum veränderter Form bis Ende 1991. Die Fortschrit- Ab 1993 wurde der technische Teil wieder wichtiger. te in der Computertechnik (PC und Windows) und die Inzwischen stand der erste transportable Schnittplatz voranschreitende Entzauberung dieser Technik berei- vor Ort zur Verfügung und die interessierten Teilneh- teten diesen Seminaren das Ende. mer konnten weitgehend selbstständig schneiden. Für alle waren Rohaufnahmen und Schnitte ständig Ende 1992 begann der zweite Versuch. Das Konzept präsent. So konnten sie die Dramaturgie des Films wurde grundlegend geändert. Der Standort in der besser verstehen und selbst steuern. Der Schwerpunkt Schule wurde aufgegeben. Computertechnik wurde des Interesses hat sich entsprechend verschoben. Etwa für den Einsatz vor Ort im Jugend- und Freizeitzen- ein Drittel ist mehr an Technik interessiert, zwei Drit- trum entliehen. Die Arbeitsform ging von der Wis- tel mehr an der Darstellung. sensvermittlung ins Ausprobieren und selber Gestal- ten über. Vom Medienthema her wurde Musik Inhaltlich geht es fast immer um die Themen Gewalt, gewählt, weil hier das größte Interesse bei Jugendli- eigene Ängste, Macht und Ohnmacht. Diese Themen chen vermutet wurde. Als verantwortlichen Leiter geben im Seminar reichlich Ansatzpunkte für Aufar- konnten wir einen Diplompädagogen verpflichten, beitungsversuche. Gewalt, Angst usw. kann darge- der seine Examensarbeit über Computerspiele ge- stellt, besprochen und gefühlsmäßig ausgedrückt schrieben hatte und an verschiedenen Projekten mit werden. Es ist notwendig, sich mit der Täterrolle, der Jugendlichen mitgearbeitet hatte. „Computer und Opferrolle und der Zuschauerrolle intensiv zu be- Musik – Midi heißt das Zauberwort“ war der erste Ti- schäftigen. tel. Diese Seminare liefen inhaltlich sehr gut. Die Er- gebnisse und die Zufriedenheit der Jugendlichen In den Jahren 1994 bis 1996 wurden diese gewalt- konnten sich sehen lassen. Leider wurde mit dieser bearbeitenden Filme teilweise von Filmen abgelöst, Ausschreibung nur ein kleiner Teilnehmerkreis ange- die angenehme Gruppengefühle darstellten: Zusam- sprochen. menarbeit, Kameradschaft, Hilfsbereitschaft, aber auch Abgrenzung nach außen und Festlegung einer Anfang 1994 wurde das Angebot erweitert. Die Gruppenintimität. Arbeitsform wurde auf das Seminar: „Pacman & Co – Computerspiele einmal anders“ übertragen. Experi- Durch die Einführung der Computerschnittechnik im mentiert wurde neben Computerspielen mit verschie- Frühjahr 1997 und durch die ersten Multimedia-Pro- denen Anwendungen wie Schreib- und DTP-Program- jekte im Computerbereich werden hier in Zukunft men. Trotz des Einsatzes von PC’s und Windows wohl Gemeinschaftsprojekte zwischen Video- und mussten die Teilnehmer auch noch Grundkenntnisse Computerkursen entstehen. über die Rechnerbedienung lernen. Das recht lernauf- wendige DOS beherrschte den Computer noch als Be- Die hohe Technisierung bei Video führt dazu, dass die triebssystem, vor allem für Spiele und Shareware. Par- Jugendlichen ihre Video-Erlebnisse zu Hause nicht allel dazu wurde das erste Seminar für Mädchen, mehr „nachspielen“, da ihnen die Technik fehlt. Des- „Selbstbehauptung am Computer“ angeboten. Mäd- halb sollen in 1998 auch Videoseminare angeboten chen hatten zu dieser Zeit häufig Angst vor dem

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Rechner. Der Familienrechner war fest in der Hand von Realität zu übertragen. Pac-Man und Doom waren Vater und Bruder. Mädchen durften ihn nur manchmal die ersten Spiele, die wir umgesetzt haben. Diese Idee und unter deren Aufsicht benutzen. Zudem interessier- war ein Durchbruch in der Computerarbeit mit Ju- ten sich Mädchen nur wenig für Computerspiele. Be- gendlichen. Inzwischen ist sie durch verschiedene Ver- sonders Spiele mit Gewaltdarstellungen lehnten sie ab. öffentlichungen und Fachtagungen als „Breaking the So war es schwer, geeignete Gründe für die Beschäfti- Rules“ bundesweit bekannt. Über das eigene Erleben gung mit dem Rechner zu finden. DTP Programme, mit von Gewalt im realen Spiel gab es endlich einen funk- denen Kalender, Einladungen, Tischkarten und so wei- tionierenden sprachlichen Zugang zu den Jugendli- ter gemacht werden konnten, blieben neben Mal- chen. Verhalten von Computerfiguren konnte nach- programmen lange technischer Hauptinhalt. Pädago- empfunden werden, konnte beschrieben und gisch ging es überwiegend um Angstabbau und dies beurteilt werden. Neben den „Games Inc...“ Semina- lief auch recht erfolgreich (weiteres siehe geschlechts- ren entstand daraus die Seminarreihe „Computer- spezifische Jugendarbeit). spiele in der Wirklichkeit“, die zu einem wichtigen Standbein unserer Jugendarbeit wurde. Ende 1995 ging es mit beiden Seminarreihen in dieser Form zu Ende. Das Verhalten von Mädchen im Um- Aus „Selbstbehauptung am Computer für Mädchen“ gang mit dem Computer hatte sich verändert und die wurde „Dream-Machine“. Praktisch werden hier alle Jungen glaubten in diesem Bereich schon alles zu wis- möglichen Programme daraufhin getestet, ob sie für sen und Seminare nicht mehr nötig zu haben. Beson- Mädchen nützlich sind und helfen, die eigenen Träu- ders die Computerfreaks erreichten wir nicht mehr. me zu verwirklichen. Im pädagogischen Bereich sollen Ein neues Konzept musste her, es musste die Teilneh- die Mädchen begreifen, dass der Computer ein Werk- mer nicht mehr als Schüler, sondern als Partner an- zeug ist, mit dem sie ihre Ziele verwirklichen können. sprechen. Mit der Seminarreihe: „Games Inc. for Sie sollen auch die Ehrfurcht vor fertigen Program- Youngster, ...for Veterans, ... for Girls“ waren wir wie- men verlieren. Viele Programme lassen sich mit etwas der im Rennen. Vom inhaltlichen Thema her ging es Fantasie auch für fremde, ihnen nützliche Sachen ver- um das Testen von neuen Computerspielen. wenden. Mädchen sollen ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse im Umgang mit Computern erkennen ler- Der verantwortliche Leiter war inzwischen hauptbe- nen. Diese Seminare werden stark weiter nachge- ruflich bei der Landesbildstelle Bremen als Leiter des fragt, obwohl das Interesse der Mädchen auch bei Projektes: „Computerspiele in der Schule“ tätig. „Multimedia-Seminaren“ groß ist. Spiel-, Arbeitsmaterial und Erkenntnisse flossen wech- selseitig in beide Arbeitsbereiche. Weiter war die Etwas im Schatten dieser Entwicklung blieb für uns Bundeszentrale für politische Bildung an der Kon- das Weiterschreiten der Computertechnologie. „Mul- zeptionsentwicklung beteiligt. Pädagogisch war das timedia“ war zum Zauberwort der neuen Computer- Thema weiterhin Gewalt und Spielsucht, diesmal auch zeit geworden (das Wort des Jahres 1995 lautete Mul- für Mädchen, von denen inzwischen viele den Jungen timedia). Beim Jugendamt entstanden erst Ende 1996 im „daddeln“ nichts mehr nachstanden. Schwierig Ideen für die Umsetzung in Seminare für Jugendliche. war es, das Thema „Gewalt“ von den Computer- Seit Ende 1997 sind die technischen Voraussetzungen spielen ins eigene Erleben der Jugendlichen zu be- dafür vorhanden. Die ersten Erfahrungen damit sind kommen. So entstand die Idee, Computerspiele in die gesammelt worden.

61 NLI: „Gewalt in den Medien – ist Gewalt (v)erlernbar?“ 6

Anmerkungen

1 Hier wählten die Leiter das bei den Schülern unbekannte Spiel SAMURAI SHOWDOWN 3 aus, welches auf der Spielkonsole Sega Saturn läuft, welche keiner der Schüler in seinem Besitz hat. Dies ergab die Befragung über Bildschirmspielkenntnisse. 2 Es wird eine Frage gestellt mit drei möglichen Antworten. Diese Methode setzen wir immer wieder auch zum Aufwärmen von Gruppen an, weil jeder einen Beitrag liefert. 3 Woher sollen sie es auch können, wenn sie es seit der 1. Klasse gewohnt sind, von Lehrern oder anderen Erwachsenen einge- schätzt zu werden. 4 In dem Spiel bewegt sich die Spielfigur mit einem Auto oder zu Fuß durch eine Stadt mit dem Auftrag möglichst viel Verbreche- risches zu tun. Rempelt die Spielfigur eine andere an, rempelt die irgendwann zurück und schlägt auch schließlich. 5 Es handelt sich hier um eine gekürzte Version der offiziellen Selbstdarstellung der Jugendbildungsarbeit des Jugendamtes des Landkreises Vechta, deren Verfasser der Kreisjugendpfleger Rudolf Bröer ist. Der Teil Rahmenstruktur ist gekürzt im theore- tischen Teil dieser Arbeit zu lesen. Auch Die verschiedenen inhaltlichen Stränge beschreiben hier nur die geschlechtsspezi- fische und die medientechnische Arbeit. Die komplette Darstel- lung kann direkt beim Landkreis Vechta, Jugendamt, Herr Rudolf Bröer, Ravensberger Str. 20, 49377 Vechta angefordert werden.

62 Medien und Gewalt – ist Gewalt (v)erlernbar? 6

Niedersächsisches Landesinstitut für Fortbildung und Weiterbildung im Schulwesen und Medienpädagogik (NLI)

Niedersächsische Landesmedienanstalt für privaten Rundfunk (NLM)

Jens Wiemken Hardliner – Zeit für Helden

Ein Modell zum pädagogischen Umgang mit Bildschirmspielen in und außerhalb der Schule Herausgeber:

Niedersächsisches Landesinstitut für Fortbildung und Weiterbildung im Schulwesen und Medienpädagogik (NLI) Keßlerstraße 52 · 31134 Hildesheim

Niedersächsische Landesmedienanstalt für privaten Rundfunk (NLM)

Redaktion: Matthias Günther

Fotos/Grafiken: Jens Wiemken

Gestaltung: infobüro Klaus-Peter Thiele

Druck: Fischer Druck, Peine

1. Auflage (1000) September 2000