SWR2 Tandem - Manuskriptdienst

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SWR2 Tandem - Manuskriptdienst 2 SWR2 Tandem - Manuskriptdienst Canon Rock Oder: Guitar Heroes im Bett Autor: Lutz Neitzert Redaktion: Felicitas Ott Sendung in SWR2 Dschungel: Montag, 25.01.10 um 19.20 Uhr in SWR2 Wiederholung in SWR2 Tandem: Freitag, 01.08.12 um 19.20 Uhr in SWR2 __________________________________________________________________ Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte der Sendungen SWR2 Tandem auf CD können wir Ihnen zum größten Teil anbieten. In jedem Fall von den Vormittagssendungen. Bitte wenden Sie sich an den SWR Mitschnittdienst. Die CDs kosten derzeit 12,50 Euro pro Stück. Bestellmöglichkeiten: 07221/929-26030. Einfacher und kostenlos können Sie die Sendungen im Internet nachhören und als Podcast abonnieren: SWR2 Tandem können Sie ab sofort auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/tandem.xml Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de ___________________________________________________________________ 1 MANUSKRIPT Musik: "Canon Rock" FunTwo-Version Sprecher: Links ein ungemachtes Bett, rechts ein PC, die Sonne scheint durchs Fenster - auf eine schwarzgoldene E-Gitarre der Marke ESP Alfee Custom und einen schmächtigen Jungen in einem türkisblauen T-Shirt. Eine beigefarbene Baseballkappe verdeckt sein Gesicht während er spielt - ganz versunken und konzentriert - ein Stück klassischer Musik - einen Kanon aus dem späten 17. Jahrhundert. Musik: "Canon Rock" FunTwo-Version Übergang zum zweiten, virtuoseren Part Interview mit FunTwo: FunTwo: Some of my friends in New Zealand, they actually know the truth. Moderator: And what do they think? FunTwo: They think like: „Mmmh, how can you be a kind of star? You're not even handsome“, or something like that. Übersetzung: FunTwo: Einige meiner neuseeländischen Freunde, wissen Bescheid, Sie sagen: „Du kannst doch kein Star sein, so wie Du aussiehst!“ Kommentare zu FunTwo: Moderator: Take a listen to this man play Pachelbel's famous canon. This composition is originally written for three violins and this gentleman with his stratocaster plays all the parts. And watch him as he really gets cranking here. Self taught! Self taught! Moderatorin: Is this the one who said, he didn't want to show his face because he said: „I'm not that handsome?“ That's very cute in my opinion, deeply cute!" Übersetzung: Moderator: Hören Sie einmal diesem Mann zu, wie er den berühmten Kanon von Pachelbel spielt. Die Komposition ist für drei Violinen geschrieben und dieser Gentleman spielt alles ganz allein. Und das als Autodidakt! Moderatorin: Ist das nicht der Junge, der sein Gesicht nicht zeigen möchte, weil er meint, er sei nicht hübsch genug? Ich finde das so süß, richtig süß!" FunTwo: Drei Wochen hatte ich das Stück geübt, ganz für mich allein, und dann wollte ich endlich mal ein bisschen Feedback haben. Sprecher: Unter dem Usernamen FunTwo hatte er das 5 Minuten 23 Sekunden lange Video "Canon Rock" ins Internet gestellt - trotz eher lausiger Tonqualität und dilettantisch geschnitten - erregte es sofort Aufsehen und sorgte für heftige Diskussionen in Guestbooks, Chatrooms und Newsgroups: Zitate: (Reaktionen aus Guestbooks, Chatrooms und Newsgroups, nachgesprochen) - Damn he's good! - A new comment every 10 minutes?! That's totally crazy! - Thumbs up! 2 - Absolut perfekt! - O my God - this is awesome! - Vraiment super! - This is too good to be played in a room! You deserve much more man! - Von mir gibt's jedenfalls 5 Sterne! - Good job! - The deal is that he is a genius! - Einfach nur geil! - 64.174.941 views! Wow! - If every video in Youtube would be gone except for this, I would still be happy! - I also love that guy - but that's because I'm a homosexual! - So rock on brother! Sprecher: Er konnte also durchaus zufrieden sein mit den ersten Reaktionen. Aber natürlich gab es auch die unvermeidlichen Neider, Nörgler, Korinthenkacker und Fachsimpel: Zitate: (Reaktionen aus Guestbooks, Chatrooms und Newsgroups, nachgesprochen) - By the way - he did a mistake! Check between 2:12 and 2:16 and you will hear it. - Und hier, bei 2:41, hat er auch danebengehauen! Und die Modulation bei 3:50 ist ebenfalls verkehrt! - And I think I just heard yet another terrible tone - wait - let me listen again! Oh yeah, it’s at 3:33! (Musikbeispiele) Sprecher: Zudem argwöhnten Einige, misstrauisch gemacht durch eine winzige Asynchronität zwischen Bild- und Tonspur, das Ganze sei vielleicht ein Fake. Er habe die Musik im Computer generiert und dann bloß die Finger dazu bewegt. Auch ein Schnitt in der Mitte des Films wurde bemerkt und abschätzig kommentiert. Zitat: (Reaktion aus Guestbooks, Chatrooms oder Newsgroups, nachgesprochen) Das Ding scheint ja aus zwei Teilen zu bestehen. Ich vermute, weil er nicht in der Lage ist, das gesamte Stück einmal fehlerfrei durchzuspielen!" FunTwo: Übersetzung Ich hatte Bild- und Tonspur getrennt aufgenommen und dann wohl nicht so ganz exakt zusammengefügt und, ja, ich habe das Stück tatsächlich in zwei Teilen eingespielt! Sprecher: Aber auch Grundsätzlicheres wurde kritisiert. Vor allem Klassikpuristen meldeten sich empört zu Wort. Zitate: (Reaktionen aus Guestbooks, Chatrooms und Newsgroups, nachgesprochen) - Ich hatte die Originalfassung des Pachelbel-Kanons als Hochzeitsmusik - und die ist so viel besser als das hier! - Well, that's just another way to ruin classical music - thanks! 3 Sprecher: Die meisten aber waren völlig begeistert und etwas später wurde man dann auch in den alten Medien auf den erstaunlichen Hype um ein so kurzes Stückchen Instrumentalmusik aufmerksam. Die Zeitung "The Independent" titelte: Zitator: The Axeman cometh! Pachelbel makeover makes a web superstar! Sprecher: ...und schrieb: Zitator: Asiens neues Gitarrenwunder nennt sich selbst FunTwo und sein Video auf Youtube wurde bereits millionenfach angeklickt. Alles was von seinem Gesicht zu sehen ist, ist sein Kinn, während er die komplizierten Arpeggien eines alten Barockmeisterwerks spielt. Dieses völlige Fehlen von Mimik kontrastiert faszinierend mit der aberwitzigen Fingerfertigkeit und das einströmende Sonnenlicht gibt dem Ganzen dazu noch etwas irgendwie Traumhaftes. Dieser Clip erlangte eine Online- Prominenz wie sonst vielleicht höchstens noch ein Paris Hilton-Sexvideo! Sprecher: Aber wer verbarg sich hinter dem Pseudonym und der Baseballkappe? Eine investigative Journalistin der New York Times enthüllte am 27. August 2006 schließlich FunTwo's Inkognito: Journalistin: (Zitatorin) Web Guitar Wizard revealed at last! Internet Gitarren-Hexer enttarnt! Vor acht Monaten tauchte jenes mysteriöse Musikvideo auf, das in einem schwarz- weißen Vorspann einen gewissen FunTwo als Interpreten nennt. Es erreichte schnell eine Publicity, vergleichbar nur mit Promisex oder einer Marienerscheinung. Auf Gitarren-Portalen, MySpace-Seiten und Videoplattformen wurden unzählige Links plaziert, provozierte Bewunderung, Kritik, Skepsis oder Missgunst. Und immer wieder tauchte die Frage auf: „Wer zum Teufel ist das?“ Sprecher: Ein Gitarrist aus Malaysia behauptete fälschlicherweise, jener FunTwo zu sein, ebenso ein zwölfjähriger Amerikaner. Aber die entscheidende Fährte, die hatte er selbst gelegt. Im Intro zu seinem Clip hatte er korrekterweise auch den Namen des Arrangeurs jener rockigen Pachelbel-Coverversion genannt - ein gewisser JerryC, alias Jerry Chang, ein semiprofessioneller Musiker aus Taipeh, der Hauptstadt von Taiwan, auf dessen Homepage die Urfassung zu finden war. JerryC hatte den Kanon für die Onlinepräsenz seiner eigenen Heavy Metal-Band eingespielt. Er kannte den Titel aus dem elterlichen Plattenschrank, machte daraus ein hochvirtuoses Übungsstück und, wie gesagt, eine etwas schräge Promo für seine C-Band. Und auch er saß dabei ganz allein in seinem Schlafzimmer. Musik: "Canon Rock" JerryC-Version 4 Sprecher: FunTwo jedenfalls hatte sich die von JerryC zum Download angebotenen Noten und das Playback heruntergeladen, Grüße zurückgelassen - und dabei offenbar digitale Spuren gelegt, denen die New Yorker Journalistin dann detektivisch nachging. Journalistin: (übersetzt) Indem ich bestimmten Hinweisen und Verbindungsdaten auf JerryC's Messageboard folgte, stieß ich schließlich auf den 23-jährigen Südkoreaner Lim Jeong-Hyun aus Seoul. Es bestand kein Zweifel daran, dass er FunTwo war! Sprecher: Sie nahm also Kontakt auf: Journalistin: (übersetzt) In einer E-Mail erklärte er mir, wie es zum Canon Rock gekommen ist! FunTwo: (übersetzt) Als ich JerryC's Video zum ersten Mal sah, war ich tief beeindruckt .. Musik: "Canon Rock" JerryC-Version FunTwo: (übersetzt) Das wollte ich auch spielen können! Ich übte und übte und schließlich postete ich meine eigene Version in einem koreanischen Musikportal namens Mule. Und dann hat es - ohne mein Wissen - irgendein Unbekannter, der sich Guitar 90 nennt, am 23. Oktober 2005 auf Youtube eingestellt. Sprecher: Mit dem ebenso kurzen wie prägnanten Hinweis "This guy iz great!" und unter dem noch kürzeren und noch prägnanteren Titel "Guitar" - was sicher auch dazu geführt hat, dass fast jeder
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