Protokoll-Nr. 18/92

18. Wahlperiode Ausschuss für Wirtschaft und Energie

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Wortprotokoll der 92. Sitzung

Ausschuss für Wirtschaft und Energie Berlin, den 19. Oktober 2016, 11:00 Uhr 10557 Berlin, Konrad-Adenauer-Str. 1 Paul-Löbe-Haus, Europasaal 4.900

Vorsitz: Dr. , MdB

Tagesordnung - Öffentliche Anhörung

Einziger Tagesordnungspunkt Seite 4

Antrag der Abgeordneten , Bär- Federführend: Ausschuss für Wirtschaft und Energie bel Höhn, Dr. Julia Verlinden, weiterer Abgeordne- Mitberatend: ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Weichen für die ökologische Modernisierung der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi- Wirtschaft stellen - Chancen des Klimaschutzes cherheit nutzen BT-Drucksache 18/8877

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Mitglieder des Ausschusses1

Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder CDU/CSU Bareiß, Thomas Dött, Marie-Luise Durz, Hansjörg Fuchs, Dr. Michael Grotelüschen, Astrid Funk, Alexander Gundelach, Dr. Herlind Gerig, Alois Hauptmann, Mark Grundmann, Oliver Heider, Dr. Matthias Holmeier, Karl Jung, Andreas Huber, Charles M. Knoerig, Axel Jarzombek, Thomas Koeppen, Jens Kanitz, Steffen Lämmel, Andreas G. Körber, Carsten Lanzinger, Barbara Kruse, Rüdiger Lenz, Dr. Andreas Michelbach, Dr. h.c. Hans Liebing, Ingbert Middelberg, Dr. Mathias Metzler, Jan Müller (Braunschweig), Carsten Nowak, Helmut Nüßlein, Dr. Georg Pfeiffer, Dr. Joachim Oellers, Wilfried Ramsauer, Dr. Peter Petzold, Ulrich Riesenhuber, Dr. Heinz Scheuer, Andreas Schröder (Wiesbaden), Dr. Kristina Stetten, Freiherr Christian von Stein, Peter Vries, Kees de Strothmann, Lena Wegner, Kai Willsch, Klaus-Peter Weiler, Dr. h.c. Albert SPD Barthel, Klaus Annen, Niels Freese, Ulrich Dörmann, Martin Hampel, Ulrich Ehrmann, Siegmund Held, Marcus Flisek, Christian Ilgen, Matthias Heil (Peine), Hubertus Katzmarek, Gabriele Jurk, Thomas Poschmann, Sabine Kapschack, Ralf Post, Florian Malecha-Nissen, Dr. Birgit Saathoff, Johann Raabe, Dr. Sascha Schabedoth, Dr. Hans-Joachim Rützel, Bernd Scheer, Dr. Nina Schwabe, Frank Westphal, Bernd Schwarz, Andreas Wicklein, Andrea Stadler, Svenja Wiese, Dirk Thews, Michael DIE LINKE. Bulling-Schröter, Eva Claus, Roland Ernst, Klaus Dehm, Dr. Diether Lutze, Thomas Lenkert, Ralph Nord, Thomas Petzold (Havelland), Harald Schlecht, Michael Wagenknecht, Dr. Sahra

1 Die Anwesenheitslisten sind diesem Protokoll angefügt.

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Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder BÜNDNIS 90/DIE Baerbock, Annalena Andreae, Kerstin GRÜNEN Dröge, Katharina Krischer, Oliver Gambke, Dr. Thomas Özdemir, Cem Janecek, Dieter Rößner, Tabea Verlinden, Dr. Julia Trittin, Jürgen

Sachverständige:

Esther Chrischilles Institut der deutschen Wirtschaft e.V. (IW Köln)

Dr. Carsten Rolle Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI)

Prof. Dr. Justus Haucap Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE)

Hubert Weiger Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)

Prof. Dr. Holger Rogall Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin)

Dr. Harry Lehmann Umweltbundesamt

Sabine Nallinger Stiftung 2° - Deutsche Unternehmer für Klimaschutz

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Einziger Tagesordnungspunkt die Antwort. Ich bitte auch die Damen und Her- ren Sachverständigen zu berücksichtigen: Manche Antrag der Abgeordneten Annalena Baerbock, Fragen gehen an zwei, möglicherweise drei Sach- Bärbel Höhn, Dr. Julia Verlinden, weiterer Abge- verständige, dass Sie dann auch der oder dem, ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der nach Ihnen kommt, innerhalb der fünf Minu- NEN ten noch ein wenig Redezeit übrig lassen, sonst Weichen für die ökologische Modernisierung der springt es über in die nächste Runde, und mög- Wirtschaft stellen - Chancen des Klimaschutzes licherweise kippt es dann ganz weg. Dann habe nutzen ich die Bitte an die Kolleginnen und Kollegen, die Mitglieder des Ausschusses, zu Beginn der Frage BT-Drucksache 18/8877 die oder den Sachverständige(n) zu nennen. Und ich selbst rufe dann die oder den Sachverstän- Der Vorsitzende: Meine sehr geehrten Damen und dige(n) auch namentlich auf. Das erleichtert näm- Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich be- lich die Protokollführung. Dies gesagt habend, be- grüße Sie recht herzlich zu der heutigen öffentli- ginne ich mit der Befragung in der ersten Runde. chen Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Hier hat für die CDU/CSU–Fraktion der Kollege Energie zum Antrag zur ökologischen Modernisie- Jung das Wort. rung der Wirtschaft. Ich möchte mich für die Ver- zögerung entschuldigen, die vom Tagesordnungs- Abg. (CDU/CSU): Ja, Herr Vorsit- punkt CETA herrührt, der deutlich mehr Zeit in zender. Sehr geehrte Damen und Herren Sachver- Anspruch nahm als ursprünglich geplant. Aber es ständige! Ich habe eine Frage, sie richtet sich an diente ja einem offenen Dialog. Dieser Anhörung Frau Chrischilles und an Herrn Dr. Rolle. Aus liegt zugrunde: Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS Sicht der Wirtschaft und Industrie hat Klima- 90/DIE GRÜNEN mit dem Titel „Weichen für die schutz ja zum einen die Bedeutung, dass mit In- ökologische Modernisierung der Wirtschaft stel- novationen, mit neuen Technologien auch neue len – Chancen des Klimaschutzes nutzen“ auf Märkte und Geschäftsfelder für die deutsche Wirt- Ausschussdrucksache 18/8877. Ich begrüße ganz schaft erschlossen werden können. Andererseits herzlich die Sachverständigen, die Kolleginnen gibt es die Sorge, dass eine zu starke Regulierung und Kollegen dieses und anderer Bundestagsaus- zu Wettbewerbsnachteilen führen könnte. In die- schüsse, für die Bundesregierung Frau PStSn sem Kontext ist meine Frage: Welche Erwartun- Zypries, die Vertreter der Länder und der Medien gen haben Sie an den Klimaschutzplan, der der- und nicht zuletzt die Zuschauer, die uns über das zeit erarbeitet wird? Parlamentsfernsehen beziehungsweise das Inter- net verfolgen können. Ich möchte zum Ablauf der Der Vorsitzende: Zunächst Frau Chrischilles. heutigen Sitzung folgendes erläutern: Wir haben uns darauf verständigt, die Anhörung nicht in SVe Esther Chrischilles (IW Köln): Vielen Dank. einzelne Themenblöcke aufzugliedern, sondern in In der Tat, die Frage „Zukunftsmärkte und Inno- Einem zu befragen. Wir werden diese Befragungs- vationsfähigkeit für den Standort Deutschland“ runden unter Berücksichtigung der Stärkeverhält- ist eine, die uns auch umtreibt. Und langfristige nisse der Fraktionen durchführen. Aber um der Rahmenbedingungen, wie sie in dem Antrag auch Opposition entgegen zu kommen, wurde für die gefordert werden, sind eine sinnvolle Sache und erste Fragerunde der Schlüssel 2:2:1:1 und für die dafür unerlässlich. Wir glauben allerdings, dass zweite Runde der Schlüssel, entsprechend pro- für langfristige Rahmenbedingungen und Innova- portional der Stärkeverhältnisse, 5:3:1:1 und dann tionsfähigkeit tatsächlich auch der Innovations- in der dritten Runde wieder der Schlüssel 2:2:1:1 raum nicht eingeschränkt werden darf. Im Grunde verabredet. Ich weise darauf hin, dass pro Frage genommen weiß niemand, was die Zukunfts- und Antwort insgesamt fünf Minuten zur Verfü- märkte von morgen sind und diejenigen, die im- gung stehen, das heißt, je kürzer gefragt wird, mer wieder zitiert werden, sind im Grunde ge- desto länger können Sie als Sachverständige gege- nommen solche, die stark subventioniert sind. benenfalls antworten und umgekehrt. Je länger Diejenigen Märkte, die im Grunde genommen eine Frage ausfällt, desto weniger Zeit bleibt für

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stark darunter leiden, durch steigende Energie- Potenziale technisch und wirtschaftlich hebbar kosten beispielsweise, sind nicht nur, aber auch sind, das auch zu unterstützen, aber eben nicht energieintensive Industrien, die in der Gesamtheit im Detail festzuschreiben. Ich glaube, das ist ein eben einen starken Motor der Wirtschaft darstel- ganz wesentlicher Punkt. Einen zweiten Punkt, len und in industriellen Wertschöpfungsketten den ich gern noch machen möchte, liegt in der verankert sind. Insofern befürchten wir, dass Konsistenz der klimapolitischen Maßnahmen. durch einen Klimaschutzplan, der auf Mikroregu- Wir sehen mit dem Klimaschutzplan einen sehr lierung zielt und tatsächlich den Innovationsraum umfassenden und einen sehr langfristig angeleg- einschränkt, indem er einzelne Vorgaben, Verbote ten Plan, der aus unserer Sicht noch zu wenig un- und Technologieoptionen vorgibt, eher zu einer terscheidet zwischen dem, was national zu regeln Verunsicherung in der Industrie insgesamt führt, ist und was sich auf europäischer, internationaler weil doch der Befund ganz klar ist, dass je stärker Ebene schon tut und was da bereits an Verabre- die Wahrscheinlichkeit von kurzfristigen und dungen besteht. Was wir sehen, ist, dass wir euro- auch diskretionären klimapolitischen Eingriffen päisch sehr klare Verabredungen haben für die steigt, auch das Investitionsverhalten entspre- Dinge, die innerhalb des europäischen Emissions- chend unsicher und zurückhaltend ist. handels geregelt sind. Ungefähr die Hälfte der Emissionen, die da sehr präzise und, jetzt auch in Der Vorsitzende: Herr Dr. Rolle. einer Reform befindlich, für die nächsten Jahre sehr ambitionierten Zielen unterworfen sind. SV Dr. Carsten Rolle (BDI): Herzlichen Dank Herr Auch da sind die Ziele noch einmal um ein Drit- Vorsitzender. Ich kann da eigentlich nahtlos an- tel jetzt verschärft worden. Ab 2020 werden wir knüpfen. In der Tat hat die deutsche Industrie also uns eine -2,2 Prozent - CO2–Reduktion Jahr durchaus Chancen, auch die im Bereich der für Jahr vornehmen. Und daneben gibt es den Be- Klimapolitik und mit der Klimapolitik verbunden reich, der davon nicht abgedeckt ist, der dann na- sind. Rund ein Sechstel bis ein Achtel, je nach tional geregelt werden muss. Ich glaube, diese Abgrenzung, umfasst ungefähr der deutsche Unterscheidung ist sehr wichtig, dass man wirk- Marktanteil an Energie- und Umwelttechnologien lich unterscheidet, was ist europäisch geregelt, weltweit. Und mit der Entwicklung dieser wo ist Platz für nationale Regulierung. Und da- Märkte, auf denen wir, glaube ich, sehr gut positi- rauf sollte sich der Klimaplan konzentrieren. Vie- oniert sind, sind auch Chancen verbunden. Es len Dank. gibt aber in der Tat auch eine ganze Reihe von Ge- fahren. Und das Thema Technologieoffenheit, Der Vorsitzende: Dankeschön. Jetzt fragt Kollege was Frau Chrischilles angesprochen hat, ist ein Westphal. ganz zentrales, was wir im Klimaschutzplan aus unserer Sicht nicht ausreichend wiederfinden. Es Abg. (SPD): Vielen Dank, Herr gibt eine ganze Reihe von Verengungen. Einmal, Vorsitzender. Meine sehr verehrten Damen und was die Rolle von Elektrifizierung angeht, aber Herren Sachverständige, vielen Dank von Seiten auch, was die Frage angeht, wie stark wir eigent- der SPD–Fraktion, dass Sie sich zur Verfügung lich jetzt schon, möglicherweise sogar gesetzgebe- stellen. Ich habe eine Frage an Prof. Dr. Rogall risch oder zumindest planerisch, sehr präzise und an Herrn Weiger. Und ich würde Sie bitten, Sektorziele definieren wollen, die heute schon im jeweils zwei Minuten von der verbleibenden Zeit Grunde genommen für die nächsten Jahrzehnte für die Antwort zu nutzen. Mir geht es noch ein- bis 2050 festschreiben, wo welche Potenziale am mal um den Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit. wirtschaftlichsten zu erreichen sind. Das ist, Wir haben ja in Deutschland die Situation, dass glaube ich, heute einfach nicht möglich. Und des- wir auch in Vergangenheit schon recht erfolgreich wegen halten wir es für ganz zentral, dass wir uns Wirtschaftswachstum generieren konnten und auch mit denen, die heute schon technologisch eine Abkopplung von Ressourcen und Energiever- unterwegs sind, zusammen setzen, die Potenziale brauch haben, also eine hohe effiziente Technolo- wirtschaftlich bewerten und damit die Preisschil- gie im Einsatz ist. Gerade was den Klimaschutz der definieren, die zumindest für eine kurze und angeht, muss man natürlich im Auge behalten, mittlere Frist einen Anhaltspunkt dafür geben, wo dass wir die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie

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und der Wirtschaft nicht aus dem Auge verlieren SV Hubert Weiger (BUND): Vielen Dank, Herr und gerade das System der geschlossenen Wert- Vorsitzender. Herr Westphal, auf Ihre Frage gibt schöpfungsketten, also beispielsweise Kupfer- es eine klare Antwort. Klimaschutz ist keine nati- oder Aluminiumproduktion bis hin zu Hightech. onale, sondern eine weltweite Aufgabe. Die Welt Dann, dass man Airbus-Flugzeuge und andere hat sich geeinigt, dass maximal 2 Grad, am besten Dinge baut. Und auch erneuerbare Energien, in so aber 1,5 Grad anzustreben sind. Und das heißt, einer Windturbine sind ja nun wirklich hohe Be- die ganze Welt ist sich damit einig, dass wir eine standteile Kupfer enthalten. Inwieweit sehen Sie zentrale Aufgabe zu lösen haben, nämlich die ent- das, dass wir gerade aus der Erfahrung heraus in sprechenden Innovations- und Modernisierungs- Deutschland soziale, wirtschaftliche und ökologi- potenziale einer solchen Strategie tatsächlich sche Ziele immer im Gleichklang behandelt ha- auch für die Volkswirtschaften zu nutzen. Das ben und diese Interdependenzen auch immer für heißt, Klimaschutz ist damit der zentrale Motor gleichrangig gesehen haben? Wie bewerten Sie letztendlich entsprechender Innovation. Und das, wenn wir jetzt mit Klimazielen nicht doch et- zwar nicht nur national, sondern weltweit. Vor was einseitig dort agieren? diesem Hintergrund bedeutet es, dass wir ausstei- gen müssen, nicht nur aus den fossilen Energie- Der Vorsitzende: Zunächst Herr Prof. Dr. Rogall. trägern, sondern auch aus einer verschwenderi- schen Energienutzung, die wir partiell zum größ- SV Prof. Dr. Holger Rogall (HWR Berlin): Wenn ten Teil weltweit betreiben. Und damit haben alle wir uns die historischen Beispiele anschauen, Technologien, welche mit dem knappen Gut hatte beispielsweise Japan erhebliche Schwierig- „Energie“ sparsam und effizient umgehen, ent- keiten und hat dann in einem umfassenden Um- sprechende Wettbewerbsvorteile. Das ist die weltprogramm in den 70er Jahren sich hochkata- größte Aufgabe, vor der sich auch die gesamte na- pultiert zum Weltmarktführer in allen Bereichen, tionale Volkswirtschaft gestellt sieht. Und je frü- wo Effizienz eine Rolle spielt. Dieses Beispiel her hier die Weichen gestellt werden, umso bes- kann uns zeigen, dass, wenn Staaten erst einmal ser ist das dann für unserer Volkswirtschaft, auch Hürden beziehungsweise ökologische Leitplanken für die einzelnen Bereiche unserer Volkswirt- legen, dass daraus die Industrie sehr viel Innova- schaft. Wir werden nur dann auf dem Weltmarkt tionskraft schöpfen kann. Und ich bin dann so in bestehen können, wenn wir tatsächlich diese In- den 70er Jahren im Studium groß geworden, dass novationspotenziale, die konsequent der Klima- man uns gesagt hat, dass wir so werden müssen schutz in allen Sektoren nach sich zieht, auch wie die Japaner. Heute sieht dies alles ein wenig nutzen. anders aus. Daraus, finde ich, müssten wir aber Kraft schöpfen und solche ökologischen Leitplan- Der Vorsitzende: Danke. Jetzt fragt die Kollegin ken aufbauen, dass die Entwicklung ganz klar ist, Grundelach. denn bestimmte Techniken, wo wir heute Welt- marktführer sind, sind ja gar nicht zukunftsfähig. Abge. Dr. (CDU/CSU): Vielen Wenn die Kanzlerin Recht hat, dass der Klima- herzlichen Dank, Herr Vorsitzender. Ich kann mit schutz die wichtigste Herausforderung in diesem meiner Frage an den Kollegen Jung anschließen. Jahrhundert ist, dann muss Deutschland sich an Und ich frage auch Frau Chrischilles und Herrn die Spitze stellen und nicht hintendran und sa- Dr. Rolle. Ganz konkret, unserer heutigen Anhö- gen: „Wir fördern weiter unsere alten Techniken.“ rung zugrunde liegt ja ein Antrag der Fraktion Sondern wir müssen heran gehen, Weltmarktfüh- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in dem ja am Ende rer in diesem Wandel, Transformation genannt, auch eine Zahl von Maßnahmen aufgelistet ist, zu einer 100 Prozent-Versorgung mit erneuerba- mit denen aus Sicht dieser Fraktion die Ziele er- ren Energien kommen. reicht werden können. Ich vermute, dies werden nicht alle sein. Sicher haben sie noch mehr in Der Vorsitzende: Danke. Jetzt ergänzend Herr petto, aber ich beziehe mich jetzt einmal auf die, Weiger. die in dem Antrag stehen. Und mich würde Ihre Einschätzung dieser Vorschläge interessieren. Und je nachdem, wie Sie diese beurteilen, was

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Sie gegebenenfalls für Alternativvorschläge ma- Der Vorsitzende: Die restliche Zeit geht an Herrn chen würden. Dr. Rolle.

Der Vorsitzende: Dankeschön. Zunächst Frau SV Dr. Carsten Rolle (BDI): Danke, Frau Gunde- Chrischilles. lach. In der Tat, zum Emissionshandel ist, glaube ich, das Richtige gesagt worden. Viele der Dinge, SVe Esther Chrischilles (IW Köln): Vielen Dank die hier auch angesprochen werden, werden sich für die Frage. Ich finde es ganz wesentlich zu be- zum Glück auf marktliche Weise, denke ich, auch tonen, dass ich in den übergeordneten Zielsetzun- so ergeben. Auch ein Kohleausstieg ist im Grunde gen dieses Antrages zu 100 Prozent überein- genommen angelegt, wie er hier gefordert wird, stimme. Es wird beispielsweise gefordert, dass im Emissionshandel. Wir wissen schon heute, wir langfristige Rahmenbedingungen brauchen. dass im Laufe der vierziger Jahre kein Kohlekraft- Dies ist hundertprozentig richtig, auch für Inno- werk mehr laufen kann, weil der Emissionshan- vationen und für Investitionssicherheit. Richtig del eben genau zu den Reduktionen führt, plan- sind auch ein langfristiges und mit realistischen voll, die das nicht mehr zulassen werden. Es gibt Zielgrößen verordnetes Energiekonzept und die eine ganze Reihe von weiteren Punkten, die, wie Stärkung des Emissionshandels. Ich glaube nur, ich denke, weiter gehen als wir müssten. Es gibt dass sozusagen die nachgelagerten Ziele nicht viel effizientere Wege dahin zu kommen. Ein an- diejenigen sind, mit denen man genau das er- deres Beispiel ist im Bereich der Stromerzeugung. reicht. Am Beispiel Emissionshandel: Hier fordert Hier wird davon gesprochen, im Erneuerbaren- man die Stärkung und verbindet dies gleichzeitig Zubau keine Obergrenzen einzuführen. Auf der mit der Forderung nach einer Schwächung des anderen Seite wird gesagt, dass wir planvoller Emissionshandels. Der Emissionshandel setzt ein vorgehen wollen. Ich glaube, das, was mit dem Emissionsbudget fest, das erst einmal zielsicher EEG in diesem Jahr wieder erreicht worden ist, ist nicht überschritten werden kann, und zwar im genau diese Planungssicherheit für beide Markt- Bereich Energiewirtschaft und industrielle Anla- seiten zu erreichen, dass wir den Netzausbau und gen. Alle Maßnahmen, ob es um technologiespe- den Erneuerbaren-Ausbau richtig verzahnen kön- zifische Festlegungen im Energiemix geht, ob es nen, indem wir eben eine Perspektive für den Zu- um bestimmte Querschnittstechnologien bei In- bau verabredet haben, der genau das sicherstellt. dustrien geht, zahlen im Grunde genommen auf Insofern ist Planungssicherheit, meine ich, rich- dasselbe Ziel ein. Sie führen aber dazu, dass wir tigerweise angelegt und wird auch dazu führen, im Grunde genommen eine Zwangsmaßnahme an dass der Erneuerbaren-Ausbau weitergeht. Es gibt CO2-Vermeidung hierzulande durchführen, die weitere Punkte, die hier angesprochen wurden. im Zweifel aber teurer ist und im Grunde genom- Die Einführung von Mindestpreisen für den Emis- men für den europäischen Klimaschutz, der ganz sionshandel widerspricht eigentlich der ganzen klar zu stärken ist, nicht wahnsinnig viel bringt. Philosophie des Emissionshandels, der ein Men- Darauf zielt im Grunde genommen, würde ich er- geninstrument ist, der auch in der Vergangenheit gänzen, dass alle anderen Maßnahmen, was den gezeigt hat, dass er genau das leisten kann, ton- Emissionshandel betrifft, da möchte man durch nenscharf das an Emission einzusparen, was man eine Minderung oder einen Mindestpreis beim ihm aufgegeben hat. Was wir für die Zukunft Emissionshandel ja die Emissionsmenge reduzie- noch ambitionierter formulieren wollen – und das ren. Da gäbe es sicherlich andere Möglichkeiten, ist auch richtig so – dies genauso zu tun, denn der dies zu machen. Und ein Punkt, um auch ein we- Emissionshandel ist ein bewährtes Instrument. nig Druck wieder in das Emissionsbudget hinein Viele andere Länder in der Welt orientieren sich zu bekommen, ist sicherlich ein Abbau von genau daran. Die Chinesen überlegen im Moment genau, diesen Überregulierungen, die wir mittlerweile ja so ein Instrument einzuführen. Und die Chancen, nicht mehr nur in Deutschland haben, sondern über solche Preisinstrumente den effizientesten eben auch aus ähnlichen Gründen, weil die Geis- Weg für Klimaschutz zu finden, sind groß. Und teshaltung auch in anderen Ländern so ist. diese wollen wir unterstützen. Ich sage dies ein- mal als BDI, weil Sie ja auch nach Alternativen gefragt haben. Für uns ist ganz zentral, dass die

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unterschiedlichen Ambitionsniveaus internatio- der Emissionshandel auch ein wirkungsvolles In- nal nicht zu groß werden. Wir sind für sehr ambi- strument des Klimaschutzes ist. Das ist er zurzeit tionierten Klimaschutz, und natürlich werden wir nicht. in Deutschland schneller voran gehen als in Schwellenländern. Dies ist völlig richtig so, aber Der Vorsitzende: Ergänzend Prof. Dr. Rogall. es muss eben zwischen den Wettbewerbsländern ein gewisses „level playing field“ bestehen. Wich- SV Prof. Dr. Holger Rogall (HWR Berlin): Heute tig ist, die G20 zu stärken. ist sich die Mehrheit der Umwelt- und Nachhal- tigkeitsökonomen einig, dass der Emissionshan- Der Vorsitzende: Jetzt fragt die Kollegin Dr. del seine Erwartung nicht erfüllt hat. Das hängt Scheer. mit einer Vielzahl von Geburtsfehlern zusammen. Es sind überhaupt keine Mechanismen eingebaut Abge. Dr. (SPD): Meine Frage geht worden, dass alle Emissionen behandelt werden. geteilter maßen an Herrn Weiger und an Prof. Dr. Es ist nur die Hälfte. Für den Rest ist sozusagen Rogall. Es ist ja der Emissionshandel schon ange- gar nichts vorgesehen. Und viele sagen, der Emis- sprochen worden. Mich würde Ihre Einschätzung sionshandel regelt alles alleine, was er ja nicht dazu jeweils interessieren, wie sich Ihrer Mei- kann von seinem Ziel her, wie man ihn gestaltete. nung der Emissionshandel bisher mit Blick auf Oder der Erfolg der Erneuerbaren ist ja überhaupt unsere Klimaschutzziele auswirkt, welche Re- nicht mit eingebaut worden. Also man braucht formbedürftigkeit ansteht und auch, ob es alterna- gar keine Effizienzsteigerung durchzuführen, war- tiver Emissionsbepreisungssysteme bedarf. Vielen tet einfach auf die Erneuerbaren. Insofern kann Dank. man vielleicht sagen, dass heute der Emissions- handel den Klimaschutz mehr bremst, als dass er Der Vorsitzende: Zunächst Herr Weiger. ihn überhaupt noch fördern kann. Was wir benö- tigen, ist, nehmen wir einmal die größten Berei- SV Hubert Weiger (BUND): Ich glaube, eine der che, wo Treibhausgase emittiert werden, ein Koh- wichtigsten Aufgaben, die sich aufgrund des Pa- leausstiegsgesetz, wo die Rahmenbedingungen ris-Abkommens auch für die Europäische Union festgelegt sind. Dass sich Investitionen noch ergeben, ist die entsprechende Nachbesserung der amortisieren können, zur gleichen Zeit aber klar Reduktionsziele, die deutlich angehoben werden ist, ab dem Tag X gibt es eben keinen Kohlestrom müssen, damit tatsächlich auch die Klimaschutz- mehr. Wir benötigen ein Klimaschutzgesetz mit ziele erreicht werden. Und vor dem Hintergrund genauen Zielen zwischen Bundesländern und muss der Emissionshandel deutlich verändert Bund mit einer Koordinierungsstelle, dass diese werden. Denn der Emissionshandel kann nur Dinge in der Konsequenz angegeben werden, und dann funktionieren, wenn nicht nur Obergrenzen zwar nicht als ein Plan. Alle juristisch Bewander- festgelegt werden, sondern wenn auch die Aus- ten, und das sind ja alle hier im Raum, wissen na- nahmentatbestände reduziert werden. Und wenn türlich, dass ein Plan immer rechtlich sehr be- er tatsächlich wirksam gemacht wird. Und der eu- grenzt ist, währenddessen ein Gesetz eine viel ropäische Emissionshandel leidet seit Anfang da- größere Bindungswirkung entfaltet. Deshalb wird ran, dass er durch die kostenlose Zuteilung von das von der Mehrheit der Umweltökonomen emp- Zertifikaten mehr oder weniger unwirksam ge- fohlen. Oder wenn wir andere Bereiche nehmen, macht worden ist und sich damit letztendlich die Mobilität, dann werden wir mit einer einfa- nicht zu einem Handel zur Reduktion von Emissi- chen Förderung nie und nimmer die Ziele errei- onen entwickelt hat, sondern, wie wir das ja im chen können. Das steht heute schon fest, weil wir Bereich der Kohleenergie, vor allem der Braun- genug Fördermaßnahmen in anderen Bereichen kohlenkraftwerke erleben, zu einer maximalen untersuchen konnten. Was wir da benötigen, wäre Auslastung. Von daher müssen die Ausnahmen ein Bonus-Malus-System, in dem der Erwerb von für die Industrie auf den Prüfstand. Und sie müs- Elektromobilität von denen, die immer noch fos- sen deutlich reduziert werden, damit tatsächlich sile Kraftfahrzeuge fahren wollen, sozusagen fi- nanziert wird. Das könnten wir jetzt durch andere Bereich durchdeklinieren, die Landwirtschaft

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wird heute quasi gar nicht behandelt, obwohl sie Untergrenze des Zielkorridors dar, sondern allen- mit den Kunstdüngern einen erheblichen Scha- falls ein Zwischenziel, welches deutlich vor 2050 den anrichtet und für den Klimaschutz sehr nega- erreicht werden muss. Dies gilt auch vor dem tive Entwicklungen darstellt. Zusammengefasst, Hintergrund des notwenigen Beitrags Deutsch- ob der Emissionshandel überhaupt zu retten oder lands zum derzeitigen europäischen Zielkorridor zu reformieren ist, das ist absolut strittig. Viel- bis 2050. Und auch dieser muss im Lichte von Pa- leicht wäre es besser, ihn abzuschaffen und in die ris angepasst werden. Das Umweltbundesamt Bereiche zu gehen, wo wir wissen, dass die In- empfiehlt hier der Bundesregierung aus wissen- strumente wesentlich erfolgreicher sind. schaftlicher Sicht, die 95-Prozent-Obergrenze des Zielkorridors als verbindliches Ziel festzulegen. Der Vorsitzende: Dankeschön. Jetzt fragt die Kol- Klar, eine derartig ambitionierte, aber auch not- legin Bulling-Schröter. wendige Minderung zieht einen erheblichen Handlungsbedarf in allen Sektoren nach sich und Abge. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE.): Danke- ist in eine tiefgreifende gesellschaftliche und öko- schön, Herr Vorsitzender. Meine Fragen gehen an nomische Transformation eingebettet. Die höchs- Dr. Harry Lehman vom Umweltbundesamt. Mich ten Minderungsbeiträge müssen der Energiesek- würde interessieren, wenn ich den BMU-Entwurf tor, die Industrie und der Verkehr leisten. Die des Klimaschutzplanes anschaue, dann folgt die- Zwischenziele für 2030 und 2040 müssen pfad- ser ja erklärtermaßen dem Leitbild der weitgehen- konform angehoben werden. Der Klimaschutz den Treibhausgasneutralität bis Mitte des Jahr- 2050 müsste dies bereits heute verbindlich veran- hunderts. Das ist ja auch im Paris–Protokoll so kern. Denn wir müssen uns auf diese notwendige, formuliert. Wie müsste denn so ein Leitbild über- unausweichliche Transformation rechtzeitig ein- setzt werden in der Zielstellung für einen Indust- stellen und langfristig Planungs- und Investitions- riestaat wie Deutschland? Konkretisiert der Ent- sicherheit für alle Teile der Gesellschaft geben, wurf des Klimaschutzplanes dieses Leitbild? Was um Brüche und Fehlinvestitionen zu vermeiden ist mit der Zielerreichung bis 2020? Und brau- und die wirtschaftlichen Chancen nutzbar zu ma- chen wir beispielsweise in der Energiewirtschaft chen. Auch 2020, also nach den Schätzungen im zusätzlich einen reformierten Emissionshandel, jetzigen jüngsten Projektionsbericht der Bundes- da wurden ja gerade schon Aussagen gemacht, da- regierung wird das 40-Prozent-Ziel zur Verringe- mit der Sektor bis zum Jahr 2020 angemessene rung der Treibhausgasemissionen voraussichtlich Beiträge zur Erhaltung des Klimaschutzpfades lie- verfehlt. Das ist ja publiziert worden. Und hier fert? muss die Energiewirtschaft bis 2020 einen pro- portionalen Beitrag zum 40-Prozent-Ziel beisteu- Der Vorsitzende: Herr Dr. Lehmann. ern. In diesem Kontext sind die Ausbauziele der erneuerbaren Energien im novellierten EEG 2017 SV Dr. Harry Lehmann (UBA): Danke sehr. Ich deutlich zu niedrig. Um Zielverfehlungen in den beziehe mich bei der Antwort auf ein Papier „Kli- Sektoren Wärme und Verkehr teilweise kompen- maschutzplan 2050 der Bundesregierung – Dis- sieren zu können, wäre eine Beschleunigung des kussionsbeitrag des Umweltbundesamtes“, was Ausbaus und nicht ein Abbremsen notwendig ge- wir im April dieses Jahres veröffentlicht haben, in wesen. Damit die Energiewirtschaft dennoch ei- dem wir über alle Sektoren hinweg versuchen zu nen mindestens proportionalen Beitrag leistet, beschreiben, wie man einen solchen Klimaschutz- sollten die im Aktionsprogramm Klimaschutz plan 2050 generieren kann. Zu der Frage: Wir im 2020 beschlossenen Maßnahmen und Instrumente Umweltbundesamt fordern eine verbindliche um zusätzliche Maßnahmen ergänzt werden und Festlegung einer Treibhausgasminderung um 95 der Sektor im Vergleich zu verschiedenen Szena- Prozent bis 2050, was einer Tonne per capita ent- rien weitere vier Prozent gegenüber 1990 min- spricht. Mit der Vereinbarung im Paris-Abkom- dern. Das entspricht einer Minderung von etwa men, Anstrengungen zu unternehmen, die globale 19 Millionen Tonnen zusätzlich bis 2020. Natür- Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, stellen 80 lich bedeutet das auch, dass wir die Stromerzeu- Prozent Treibhausgasminderung nicht mehr die gung vor allem aus alten ineffizienten und klima- schädlichen Braun- und Steinkohlekraftwerken

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beziehungsweise den Ausstieg daraus beginnen geordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen. Vie- müssen. Dieser Ausstieg darf aber immer nur in- len Dank zunächst einmal für die Einladung, als ternational, mit dem europäischen ETS verzahnt Sachverständige hier sprechen zu dürfen. Ich sein. Und er muss sozial flankiert sein. Drei Hin- denke von Paris ist ein klares Signal an die Ge- weise, vorhin ist gesagt worden, Deutschland hat sellschaft ausgesendet worden, nämlich dass die Weltmarktanteile. Wenn man sich die Weltmarkt- globale Energiewende eingeleitet wird. Das heißt, anteile in Klimaschutztechnologien von heute dass wir also sozusagen aus den fossilen Syste- von Deutschland anschaut, dann sind das die men aussteigen werden müssen. Und dabei spre- Technologien, wie erneuerbare Energien, Energie- che ich nicht nur vom Strommarkt, sondern es effizienz und ähnliche Dinge. Wenn wir nicht geht natürlich auch um den Wärmemarkt. Und es selbst vorbildlich vorgehen, dann werden wir in geht auch um das große Thema der Mobilität. Die- den Bereichen diese Weltmarktanteile verlieren. ses Signal war sehr klar und sehr eindeutig. Und Andere Länder wie China versuchen, uns zu ich denke, klar ist auch, dass die Energiewende überholen oder sogar mehr zu machen. Und des- zunächst einmal, was die Voraussetzungen an- wegen denke ich, für die wirtschaftliche Entwick- geht, sehr gut dasteht, weil es technisch und mitt- lung Deutschland ist es unabdingbar, vernünftige lerweile auch wirtschaftlich sinnvoll ist, Energie- Klimaschutzpläne zu haben. Danke sehr. systeme auf erneuerbare Systeme zu setzen. Ich vertrete heute in der Tat große deutsche Unter- Der Vorsitzende: Jetzt geht die Frage an die Kolle- nehmen mit insgesamt über 800 000 Mitarbeite- gin Baerbock. rinnen und Mitarbeitern, über 200 Millionen Euro Umsatz aus den unterschiedlichsten Branchen. Abge. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE Und die Unternehmen sind sich der Chance des GRÜNEN): Vielen Dank auch im Namen meiner Klimaschutzes sehr wohl bewusst, weswegen sie Fraktion an die Damen und Herren Sachverstän- sich auch zusammengeschlossen haben und se- digen, dass Sie sich heute Zeit genommen haben, hen eben gerade in dem technologiegetriebenen um über die ökologische Modernisierung der Deutschland, dass wir hier auch eine Vorreiter- Wirtschaft zu sprechen. Meine beiden Fragen ge- rolle einnehmen müssen in einem technologieori- hen an Frau Nallinger von der Stiftung 2°: Frau entierten Staat. Und dass wir gerade eben dabei Nallinger, Ihre Stiftung vertritt ja führende deut- sind, in einigen Bereichen vielleicht sogar die sche Unternehmen, die sich im Vorfeld auch der Vorreiterrolle zu verlieren. Ich möchte da verwei- Pariser Klimakonferenz mit einem Appell an die sen auf die erneuerbare Branche, wo, wenn ich Bundesregierung gewandt haben. Meine Frage die Zahlen sehe, in China schon über drei Millio- war: Was folgt für diese Großunternehmen aus nen Arbeitsplätze existieren, in Amerika über dem Pariser Klimaschutzvertrag? Die zweite 700 000 Arbeitsplätze und bei uns in Summe sehr Frage: Wie positionieren sich diese Großunter- viele Arbeitsplätze verloren gegangen sind. Dann nehmen mit Blick auf den deutschen Klima- ist Klimaschutz zum einen ein Investitionsfaktor. schutzplan und vor allem auf die Sektorziele mit Es wird immer sehr viel bei der Energiewende Blick auf die Planungssicherheit für zukünftige von Kosten gesprochen, letztendlich geht es aber Investitionen und Innovationen, um gerade im um wirtschaftliche Investitionen in ein Infrastruk- Bereich der Wettbewerbsfähigkeit, was auch von tursystem. Und letztendlich geht es auch um Ar- Herrn Dr. Lehmann angesprochen wurde, im Ver- beitsplätze, die wir mit diesem Umbau schaffen gleich zu China und anderen Ländern, die ja eben und die wir nicht selbstverständlich auch hier in auch solche Klimaschutzpläne vorliegen, weiter Deutschland halten werden. Deswegen denke ich, an der vordersten Front mit dabei zu sein? ist es sehr wichtig, dass wir diese chancenorien- tierte Debatte auch in dem Hinblick sehen, dass Der Vorsitzende: Frau Nallinger. wir auch zukünftig entsprechend innovationsfä- hig beziehungsweise modernisierungsfähig sind. SVe Sabine Nallinger (Stiftung 2° - Deutsche Un- Und deshalb braucht die Wirtschaft auch so ganz ternehmer für Klimaschutz): Sehr geehrter Herr klare Vorgaben. Sie braucht einen Orientierungs- Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren Ab- rahmen, der planbar ist, der die wirtschaftlichen Handlungen auch ein Stück weit leitet. Was sie

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nicht braucht, sind natürlich Technologievorga- SV Dr. Carsten Rolle (BDI): Vielen Dank. In der ben. Da glaube ich, ist die Wirtschaft und auch Tat glaube ich, dass es einen sehr großen Unter- unsere Forschungslandschaft sehr gut aufgestellt. schied macht, ob wir über 80 Prozent oder 95 Pro- Aber gerade in den letzten Wochen in Treffen mit zent sprechen. Und deswegen ist ja auch richtig- hochrangigen Vertretern der Automobilindustrie erweise in dem Klimaschutzplan, so wie er mir wurde mir immer wieder zugetragen, dass gerade bekannt ist, weiter von einem Zielkorridor die der erste Entwurf des Klimaschutzplans, wo klar Sprache. Wir haben einmal in das Gutachten von darin stand, dass wir bis 2030 aus den fossilen Ökoinstitut und Fraunhofer geschaut, die ja dem Verbrennungsmotoren aussteigen werden müs- Klimaschutzszenario 2050 unterlegt sind. Und sen, ihnen die Planungssicherheit in ihren großen auch da findet man, das ist, glaube ich, da unver- Konzernen sichert, eben auch tatsächlich die ent- dächtig, dass ein Klimaschutzziel 95 Prozent mit sprechenden Entwicklungen einzuleiten. Ich ungefähr doppelt so viel Investitionen verbunden glaube, der Klimaschutzplan muss also die Orien- ist wie ein Klimaschutzszenario 20/80. Das heißt, tierung liefern. Und um eine Zahl vielleicht noch doppelt so viele Investitionen, auch doppelt so zu nennen, die ich sehr beeindruckend fand: In viele Investitionskosten. Das macht einen sehr den letzten Quartalen wurde in Amerika in der großen Unterschied. Und auch wenn man das auf Luxuspreisklasse mittlerweile doppelt so viel die verschiedenen Sektoren herunterbricht, ist ge- Tesla verkauft als die nächste Kategorie, nämlich rade für die Industrie der Unterschied zwischen die Mercedes-Benz S-Klasse. Und genau solche 80 und 95 Prozent ein enormer Unterschied. Weil Zahlen beängstigen die deutsche Industrie und die Posten nicht proportional steigen, sondern zeigen ganz klar den Trend, wo es hingeht. Und eben die letzten vermiedenen Tonnen CO2 beson- diesen Trend dürfen wir nicht verpassen. ders teuer sind, gerade auch mit dem, was wir heute technologisch überblicken können. Und wir Der Vorsitzende: Die nächste Frage geht an den haben heute noch nicht die technologischen Lö- Kollegen Dr. Pfeiffer. Wir treten damit in die sungen dafür. Insofern halte ich es auch für zweite Runde ein. schwierig, so etwas gesetzlich festzuschreiben. Man kann nicht Technologien, die man noch Abg. Dr. (CDU/CSU): Vielen nicht kennt, in Gesetze schreiben. Sondern ich Dank. Ich habe eine Frage an den Herrn Dr. Rolle glaube, man muss es begleiten. Es ist richtig, dass und die Frau Chrischilles. Ich habe mit Interesse wir einen langfristigen Horizont brauchen, einen gerade die Ausführungen von Herrn Dr. Lehmann Rahmen brauchen mit marktlichen Instrumenten, gehört zur 95-prozentigen Reduktion. Halten Sie der das zulässt, das auch unterstützt. Aber wir dieses für realistisch, weil, wenn ich die Emissio- können, glaube ich, Technik nicht verordnen. nen in der Landwirtschaft und wenn ich nur die Und gerade im Verkehrsbereich sind die Techno- physikalisch bedingten, zwingend entstehenden logien für eine Vollelektrifizierung heute einfach Emissionen im Bereich der Industrie sehe, dann auch noch nicht da. komme ich zu dem Ergebnis, dass es unmöglich ist, eine 95-prozentige Reduktion zu erreichen Der Vorsitzende: Ergänzend Frau Chrischilles. nur durch Einsparungen. Dann müssten wir schon andere Maßnahmen ergreifen, dass wir die SVe Esther Chrischilles (IW Köln): Gern. Bei der Kühe erschießen und die Industrie einstellen. ganzen Zieldiskussion finde ich es immer ganz Dies wäre die eine Variante. Und die Zweite wichtig, auch noch einmal die Frage zu stellen: wäre, dass wir beispielsweise auch CCS und an- Wozu denn eigentlich Ziele und wozu diese Vor- dere Technologien, wo man dieses speichern reiterrolle? Also warum noch einmal mehr Pro- würde, wieder aufleben lässt. Insofern würde zentpunkte darauf oder nicht? Man muss sich mich da Ihre Einschätzung zu den von Herrn Dr. nun einmal klar machen, dass das, warum wir das Lehmann geäußerten Vorschlägen interessieren. machen, nicht ist, weil wir die fatale Hebelwir- Dankeschön. kung tatsächlich in den Gesamtemissionen sehen. Klar ist es das ein bisschen, aber es ist nicht die Der Vorsitzende: Zunächst Herr Dr. Rolle. Hebelwirkung. Die Hebelwirkung muss diejenige sein, dass wir andere Länder, gerade mit Blick auf

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die Emissionsdynamik in der Zukunft, dazu be- einmal klar und deutlich sagen, ob der Emissions- wegen, irgendwie mitzukommen. Und von der handel Ihrer Auffassung nach funktioniert. Zwei- Perspektive aus betrachtet, das ist nun einmal das tens: Wie kann man diesen Emissionshandel viel- Wichtigste, Klimaschutz am Leitbild der Effizienz leicht noch einmal ein Stück weit stärken? Die auszurichten. Nämlich so, dass ein Ausgleich ge- dritte Frage lautet: Was halten Sie von einem kon- schaffen werden kann zwischen ökologischen kreten Verbot von Diesel- und Benzinmotoren in Ambitionen und zwischen ökonomischer Tragfä- Deutschland? Die ist ja derzeit in Deutschland higkeit. Und gerade das ist meines Erachtens das sehr konkret in der Diskussion. Die zweite Frage Manko, was so etwas wie ein Klimaschutzplan geht an Herrn Dr. Rolle. Ich teile die Euphorie zu mit sich bringt. Denn nach meinem Dafürhalten Paris nicht wie andere hier in dieser Runde. Al- und nach meiner Erkenntnis ist es eigentlich um- les, was ich hier zu Paris höre, ist, dass Indien weltökonomische Einigkeit, aber das mag grup- und China in den nächsten Jahren eher noch penspezifisch sein, dass dazu marktwirtschaftlich mehr emittieren werden, bis 2030 kommen da gar orientierte Instrumente sehr viel besser geeignet keine Reduktionen zustande. Es werden überall sind als tatsächlich technologiespezifische Vorga- noch Kohlekraftwerke gebaut, die in den nächsten ben. Und da sind wir beim Emissionshandel, da Jahren wahrscheinlich sogar noch zunehmen wer- sind wir im Zweifel bei preisgesteuerten Instru- den. Es wird auch das Zwei-Grad-Ziel nach der menten, weil diese Instrumente den Möglichkeits- heutigen Paris-Vereinbarung nicht eingehalten, es raum Innovation und die Lösung für das Problem, wird sogar eher hinausgeschossen. Insofern kön- das wir adressieren, nämlich CO2 und nicht etwa, nen Sie uns noch einmal klar und deutlich in we- dass wir bestimmte Technologieförderungen in- nigen Punkten klar machen, was der Erfolg von duzieren wollen, weil es die eben wesentlich bes- Paris ist, und was wird denn wirklich in den ser adressiert. Der Emissionshandel, um ihn hier nächsten Jahren von anderen Kontinenten und an der Stelle noch einmal anzusprechen, funktio- Ländern auch gemacht? niert nicht aus irgendwelchen Gründen nicht. Es gibt sicherlich Gründe dafür. Kurzfristig tut er Der Vorsitzende: Herr Prof. Dr. Haucap. das, was er soll, nämlich das, wir sind in einer konjunkturell schwachen Lage, gerade aus Südeu- SV Prof. Dr. Justus Haucap (DICE): Vielen Dank, ropa dominiert. Und er hält die CO2-Preise gerade Herr Bareiß für den Fragenkatalog. Der Emissions- für diese Bereiche irgendwie niedrig. In konjunk- handel ist wirksam. Es ist die Frage, welche Er- turellen Hochphasen wird er wieder etwas Gegen- wartung man an den Emissionshandel hegt. Die teiliges tun. Viel an den Überschüssen kommt aus Erwartungen, die in der Politik zunächst gehegt internationalen Gutschriften. Da könnte man si- wurden, waren, dass die Emissionsmenge in Ge- cherlich etwas machen, aber eigentlich ist es samteuropa in den davon betroffenen Sektoren sozusagen, Sie haben auch das EEG angespro- um 1,74 Prozent pro Jahr zurückgeht. Dieses Ziel chen, eine Überregulierung an der Stelle. Es muss wird erreicht. Und man sieht auch, dass er wirkt, eigentlich sozusagen wieder eine andere Flug- daran, dass der Preis noch immer über Null ist. höhe bei der Klimaschutzregulierung eingenom- Also auch, wenn er gering ist bei fünf Euro, heißt men werden und auf marktwirtschaftliche Instru- das, es ist ein bindendes Instrument. Das ist also mente gesetzt werden. Das mag ein wenig schwie- nicht kostenlos zu haben, denn sonst wäre der riger klingen. Und es ist vielleicht nicht so ein- Preis automatisch bei Null mittlerweile. Man fach wie Technologievorgaben zu geben, aber es kann natürlich die Erwartung hegen, dass ein ist eigentlich der wesentliche Punkt. Preis sehr hoch hätte sein sollen. Das war aber nicht die Zielvorgabe des Emissionshandels, son- Der Vorsitzende: Danke. Jetzt fragt der Kollege dern es war ein Mengenreduktionsziel, weil wir ja Bareiß. auch ein Gradziel haben, das mit der CO2-Menge primär zusammenhängt und nicht mit dem CO2- Abg. Thomas Bareiß (CDU/CSU): Vielen Dank. Preis. Man kann dennoch etwas dafür tun, um Ich habe zwei Fragen: Die erste Frage geht an diesen zu stärken. Ich glaube, es war Herr Prof. Herrn Prof. Dr. Haucap und betrifft den europäi- Dr. Rogall, der dies schon angesprochen hat. Es schen Emissionshandel. Vielleicht können Sie da sind nicht alle Sektoren einbezogen, nur die

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Hälfte der Emissionen wird momentan erfasst, mitnimmt. In der Tat sehen wir auch in Umfra- insbesondere der Landwirtschafts-, der Verkehrs- gen, dass nicht die ganze Welt glaubt, dass sie und der Wärmemarkt beziehungsweise der Kälte- sich die deutsche Energiewende zum Vorbild markt in Südeuropa sind nicht erfasst. Da könnte nehmen können. Da kriegen wir in Umfragen in- man etwas tun. Man könnte dies auch unilateral ternational meist ein relativ kritisches Bild zu- tun, wenn man wollte, und Zertifikatspflichten rückgespiegelt, wieweit das für andere technisch auferlegen, wenn man so ambitioniert sein will. und ökonomisch tragfähig ist. Wir müssen also Das wäre eine große Stärkung. Ganz kurz noch zeigen, dass das auch wirtschaftlich funktioniert, zum Thema Diesel und Benzin. Ich halte das für sonst wird es keine Nachahmer geben. Umso eine wesentlich schlechtere Maßnahme als den wichtiger ist es, dass wir mit den unmittelbaren ganzen Mobilitätsmarkt CO2-pflichtig, zertifikate- Wettbewerberstaaten in der G20-Gruppe - und da pflichtig zu machen. Ich halte dies auch für sehr ist die deutsche G20-Präsidentschaft der nächsten utopisch. Im Bereich des privaten PKW-Verkehrs Monate, glaube ich, ein sehr guter Anlass - kann ich mir das gerade noch so vorstellen mit Schritte, die über Paris hinausgehen, zu vereinba- viel Phantasie, dass es gelingen wird in zwei Jahr- ren. Auch was das Thema CO2-Bepreisung angeht, zehnten, dass alle mit Elektroautos fahren. Im Be- wir als BDI machen uns dafür stark, weil wir reich des LKW-Güterverkehrs fehlt mir die Phan- glauben, wir können das, wir sind gut in Energie- tasie, wie das gelingt, komplett in zwei Jahrzehn- effizienztechnologien, aber wir müssen es eben ten umzusteigen. Und ich weiß auch nicht, wie ein Stück weit abgestimmt mit den anderen Wett- wir unsere holländischen Kollegen dazu bewe- bewerbern tun, denn sonst gibt es wirklich nur gen, in Zukunft nicht mehr durch Deutschland zu Verlagerungseffekte. fahren. Ich befürchte eher Verlagerungseffekte von Speditionen im großen Stil. Der Vorsitzende: Jetzt fragt die Kollegin Dr. Scheer. Der Vorsitzende: Ergänzend Herr Dr. Rolle. Abge. Dr. Nina Scheer (SPD): Meine Fragen gehen SV Dr. Carsten Rolle (BDI): Ich denke, Paris war geteilt einmal an Herrn Lehmann und einmal an insoweit ein Erfolg, als dass es die Tür für diese Herrn Prof. Rogall. Und zwar möchte ich von Form der internationalen Kooperation offen gelas- Ihnen hören, wie Sie die weltweite Divestment- sen hat. Aber es trägt uns bei weitem noch nicht Bewegung einschätzen und was daraus auch für ans Ziel, es muss jetzt noch eine ganze Menge uns auf nationaler aber auch möglicherweise eu- passieren. Man wird sehen, wie man das, was da ropäischer Ebene als politische Konsequenz er- in der Vereinbarung zugesagt worden ist, wirklich wächst. jetzt auch so verbindlich machen kann, dass min- destens die Zusagen auch tatsächlich eintreten. Der Vorsitzende: Zunächst Herr Dr. Lehmann. Sie haben völlig Recht, das was zugesagt worden ist, wird noch nicht zu einer Einhaltung des 2°- SV Dr. Harry Lehmann (Umweltbundesamt): Das Ziels führen, da muss noch mehr passieren, da ist sehr schwierig einzuschätzen, weil man nicht muss der Prozess noch in Gang kommen. Aber es weiß, inwieweit dieses Divestment eine große wäre zunächst auch einmal viel gewonnen, wenn Breite bekommen wird. Aber je mehr Länder ganz man es tatsächlich schafft, das was zugesagt ist, in klare Klimaschutzpläne definieren, je mehr Län- einem verbindlichen Monitoring-Prozess nachzu- der ganz klare Ziele für eine Dekarbonisierung de- halten, damit nicht die Gefahr besteht, durch po- finieren und auch auf den Weg gehen, desto mehr litische Äußerungen bei Regierungswechseln wird dieses Divestment ja auch von den politi- schon zum Teil angedroht, dass sich der eine oder schen Rahmenbedingungen unterstützt. Und andere nicht daran gebunden fühlt. Das ist, dann kann es natürlich zu schnellen Änderungen glaube ich, ein ganz zentrales Element. Was ich auf den Wert von Unternehmen und Technolo- aber eben schon andeuten wollte, ich glaube, dass gien kommen. Was ich nicht glaube, ist, dass wir es wichtig ist, diesen Weg auch weiter zu gehen einen ansteigenden Öl- oder Gaspreis haben wer- und zu schauen, dass man da im Geleitzug andere den. Alles was wir an Analysen sehen ist eher, dass das Umgekehrte stattfinden wird. Deswegen

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argumentieren wir vom Umweltbundesamt in die Leitplanken aufbauen. Dabei haben diese Ökono- Richtung klare klimapolitische Rahmenrichtli- men allerdings die sehr große Befürchtung, dass nien und die behandeln vier Dinge. Ziele, dann in den kommenden Jahrzehnten sehr viele Fehlin- Maßnahmen auf drei Feldern: Ökonomische - und vestitionen getätigt werden, die dann in der Tat bei den ökonomischen auch die Preise zu stabili- die Volkswirtschaft zu tragen haben. Also wer sieren -, Förderung von Technologien - und da heute noch in Kohlekraftwerke investiert, das ist sind wir klar, dass Technologie offen klar ist, aber eine Fehlinvestition, das muss uns klar sein. Und wir wissen heute schon so viel, wie der Kollege im Mobilitätssektor würde man sich auch erhof- sagt, er kann sich 95 Prozent nicht vorstellen, ich fen, hier hat ja der Bund schon seit Jahren signali- schicke ihm da einmal unser Buch, was wir 2013 siert, wo es hingehen muss. Wenn ich das richtig veröffentlicht haben. Sie müssen nicht die Kühe beurteile, hat da die deutsche Wirtschaft das erschießen, das geht auch mit Kühen und mit ei- nicht ausreichend angenommen. Und heute sind nem hohen Lebensstandard, das ist das Freudige eher andere Länder führend in diesem Technolo- an der Sache. Aber wir müssen dann natürlich giesektor, der die Zukunft darstellt. Das ist doch früh anfangen, diesen Technologiewandel zu be- fast gar nicht zu glauben, dass Deutschland, das treiben. Und der dritte Bereich der Politik ist, die innovativste PKW-Technik der Welt hatte, da dass man dann auch Bereiche ordnungspolitisch mittlerweile quasi fast abgehängt ist und die Japa- angehen muss. Ordnungspolitisch angehen heißt, ner und US-Amerikaner vorne stehen, während- dass man auch Sachen ausficht .Da sind wir auch dessen wir uns an alte Techniken klammern, die, bei Braunkohle, da sind wir auch bei der Diskus- das dürfen wir nicht vergessen, aus dem 19. Jahr- sion über die Frage von Diesel und wann können hundert stammen. Wir können in Deutschland wir die Diesel- und die Benzinmotoren abstellen den Wohlstand nicht erhalten mit den Techniken oder nicht mehr produzieren. Wir vom Umwelt- des 19. Jahrhunderts, sondern wir müssen heute bundesamt würden gern erst einmal anfangen, eine große Innovation starten und zwar im dass wir alle Förderungen von Diesel und fal- Grunde genommen in allen Wirtschaftsbereichen. schen Fahrzeugen einschränken und einstellen in den nächsten Jahren, das sind ja Milliarden, die Der Vorsitzende: Bitte achten Sie auf die Zeit, die derzeitig in die Dieselförderung gehen, die in das ist abgelaufen. Dienstwagenprivileg fallen und ähnliche Dinge, die rausnehmen. Klares Signal - irgendwann in 30 Der Vorsitzende: Jetzt fragt Kollege Willsch. oder 40 Jahren, ich kann Ihnen jetzt kein Jahr sa- gen, werden wir auch aufhören müssen, so wie Abg. Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Zunächst wir mit der Glühbirne aufgehört haben, Diesel- ganz kurz eine Anmerkung an Herrn Prof. Rogall, und Benzinautos zu machen. Für die Zeit bis da- aber die Frage richtet sich dann an Prof. Haucap. hin müssen wir Elektromobilität aufbauen, aber Ich beneide Sie ja um diese Selbstzufriedenheit auch die Frage von Power-to-Gas und Power-to- und das Wissen, wie alles funktioniert und dass Liquid aufbauen. Das heißt, es gibt heute die Mög- man auf marktliche Erkundungsverfahren und auf lichkeit, Fahrzeuge, Audi macht das ja nicht weit sowas alles verzichten kann. Aber meine Frage weg von hier, mit Brennstoffen zu betreiben, die geht an Prof. Haucap. Wir geben ja jetzt Jahr für auf Basis erneuerbarer Energien liegen. Jahr 25 Milliarden aus an Couponschneider im Bereich der erneuerbaren Energie und die CO2- Der Vorsitzende: Ergänzend Prof. Rogall. Menge ist nicht besonders reduziert worden in Deutschland. Vielleicht können Sie das den Mit- SV Prof. Dr. Holger Rogall (HWR Berlin): … auf gliedern des Ausschusses einmal deutlich ma- Marktkräfte verlassen kann bei solchen wesentli- chen, wie das zusammenhängt. Ich beschränke chen Fragen wie Klimaschutz und auch nicht, ob- mich darauf, um Ihnen genügend Zeit zu geben, wohl sie unverzichtbar sind, auf die NGOs, die das zu erläutern. Danke. über Kampagnen und Deinvestments versuchen, Investitionsströme zu verändern. Auch das reicht Der Vorsitzende: Herr Prof. Haucap. nicht aus, sondern die Demokratie muss ihrer Verantwortung gerecht werden und ökologische

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SV Prof. Dr. Justus Haucap (DICE): Herzlichen fürchtung vieler Ökonomen ist, dass es den Kli- Dank für die Frage Herr Willsch. In der Tat, das maschutz unnötig verteuert. Die Grundphiloso- ist eine Tragödie und ein großes Dilemma, das phie, die ich ja auch versucht habe in meiner viele Ökonomen schon lange beklagen. Herr Stellungnahme zum Ausdruck zu bringen, ist, Rogall war es, glaube ich, der das schon angespro- dass Klimaschutz schon ein sehr lohnendes Ziel, chen hatte, oder vielleicht auch Herr Lehmann. Es aber wir in Deutschland allein das nicht bewerk- gibt momentan keine automatische Rückkopplung stelligen werden können, sondern nur, wenn es zwischen dem EEG und dem europäischen Emis- international Nachahmer geben wird. Internatio- sionshandel bzw. der Emissionsobergrenze, die nale Nachahmer, ob es die geben wird, auch da gewählt worden ist, das gilt nicht nur für das sind die Ökonomen zerstritten. Die einen sind EEG, das gilt auch für zahlreiche andere Einzel- sehr pessimistisch und glauben ohnehin, wenn maßnahmen, die die Sektoren betreffen, die vom wir zu viel tun, werden andere weniger tun. Es Emissionshandel erfasst sind. Also das gilt ge- gibt aber auch noch die optimistische Fraktion nauso für das Glühbirnenverbot letztlich oder unter den Ökonomen, die sagen, wenn wir de- auch ein Verbot von Nachtspeicherheizungen monstrieren können, dass das Ganze hinreichend oder Staubsaugervorschriften und ähnliches. Wa- günstig ist, dann wird es Nachahmer geben für rum ist das so? Natürlich, der direkte Effekt ist das Ganze. Aber eben auch nur, wenn wir zeigen erst einmal, wenn mehr Strom aus erneuerbaren können, dass es günstig ist, dass es also ohne grö- Energien produziert wird, dann ist das natürlich ßere Kollateralschäden vonstattengeht. Da erweist erst einmal CO2 frei, wenn man einmal die Pro- uns das EEG gerade keinen guten Dienst. Da zei- duktionskosten für die Anlagen weglässt. Und so- gen wir nämlich, dass es relativ teuer ist und wir mit würde man denken, es müsste ja erst einmal faktisch momentan immer noch auf dem Niveau der CO2-Betrag in Deutschland, den wir aussto- von 2009 fahren bei unserem CO2 Ausstoß, also ßen, abnehmen, aber wir haben ja die europäische keinen Rückgang erreicht haben. Und das ist na- Obergrenze, die uns eben sagt, jedes Jahr wird um türlich ein großes Dilemma, für viele Milliarden 1,74 Prozent reduziert. Das heißt, wenn Emissi- haben wir zumindest direkt nichts erreicht. Man onszertifikate frei werden, die nicht benötigt wer- kann dann spekulieren, ob an anderen Orten der den, dann können die verkauft werden an wen Welt, die möglicherweise nicht am Emissionshan- auch immer, das ist auch das Schöne am Emissi- del teilnehmen, deswegen CO2 reduziert worden onshandel, die müssen nicht in der Strombranche ist, aber auch hier sind einige doch sehr pessimis- bleiben, sondern können auch Sektor übergrei- tisch, dass für das viele Geld tatsächlich etwas er- fend verkauft werden, also auch an einen polni- reicht worden ist. Das heißt also im Gesamtplädo- schen Stahlhersteller. Das heißt, wir haben nur yer würde ich sagen, sich möglichst auf allge- Verlagerungseffekte. Wir sehen in Deutschland, meine Maßnahmen tatsächlich zu konzentrieren - da haben wir die Verlagerungseffekte noch nicht Stärkung des Emissionshandels, das ist ganz einmal international, sondern teils sogar national, wichtig – und möglichst weitere Sektoren im teils sogar in der Strombranche, dass wir ja die Emissionshandel aufzunehmen. Vielleicht als paradoxe Situation hatten, dass wir den Braun- letztes noch, ich kann mir sogar vorstellen, dass kohleboom ausgelöst haben durch sehr günstige es einen gewissen Sinn macht, Mindestpreise ein- Preise. Und das hat natürlich damit zu tun, dass zuführen, auch wenn ich allgemein kein Freund der unerwartete Boom auf die erneuerbaren Ener- davon bin. Aber in diesem speziellen Fall ist es gien mit dazu beigetragen hat, dass die Zertifikate so, wenn man sagt, wir haben neben dem CO2- so günstig geworden sind. Das heißt, das gilt nicht Senkungsziel auch noch Innovationsziele, dann nur für das EEG, sondern das gilt im allgemeinen gibt es ein Argument, das für Mindestpreise für Einzelmaßnahmen, die Bereiche betreffen, die spricht. Das ist das, dass ich eine gewisse Sicher- schon vom Emissionshandel betroffen sind, die heit dadurch bekomme … also den Stromverbrauch betreffen, die haben keine weitere klimaschützende Wirkung, weil die Der Vorsitzende: Bitte die Zeit beachten. automatische Rückkopplung fehlt. Das ist auch deswegen ein großes Dilemma, weil es die Be-

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SV Prof. Dr. Justus Haucap (DICE): … genau weiß über 40 Prozent effizienzfortschrittspezifisch er- was ich in Zukunft spare, wenn der Preis hinge- reicht und die Bahn über 60 Prozent. Und auch in gen verfällt, weiß ich nicht, was ich spare. allen Verkehrsträgern - PKW, Schwerlastverkehr - wird der Verkehr spezifisch effizienter, aber in Der Vorsitzende: Jetzt fragt Kollege Dr. Lenz. der Tat ist auch das Verkehrsvolumen gestiegen und es gibt eine ganze Reihe mehr Ansätze, als Abg. Dr. (CDU/CSU): Danke Herr nur über die Flottenregulierung hier zu unterstüt- Vorsitzender. Meine Frage richtet sich an Herrn zen. Auch da sind systemische integrierte An- Dr. Rolle. Und zwar ist es ja so, dass Deutschland sätze, glaube ich, der richtige Weg, zu zeigen, durchaus immer noch Technologieführer ist auch dass man in allen Bereichen CO2-Emissionen re- bei vielen Umwelttechnologien. Wo sehen Sie duzieren kann. Aber das muss eben auch so ge- denn zukünftig die Rolle gerade auch Deutsch- schehen, dass es auch Nachahmer findet. Ich war lands, wenn es um Klimaschutz auf europäischer letzte Woche in Istanbul bei der Weltenergiekon- Ebene aber auch auf globaler Ebene geht, gerade ferenz, das größte Treffen weltweit. Und es ist wenn man die Chancen eines Technologietrans- schon erschreckend, wie häufig Deutschland da fers berücksichtigt? Und dann noch einmal die leider nicht als Vorbild, sondern eher als Sonder- Frage bezüglich der Mobilität. Was glauben Sie, fall diskutiert worden ist. Herr Baake war da und wie kann der Verkehr zukünftig stärker dazu bei- andere und haben unser Modell vorgestellt. Aber tragen, dass die Klimaschutzziele erreicht wer- der Eindruck, der einem immer wieder zurückge- den? Und dann abschließend noch die Frage an spiegelt wird, ist, es ist spannend, ihr könnt euch Sie: Für welche Richtung würden Sie sich bei der das leisten, aber macht ihr das einmal, wir gucken Frage Klimaschutzgesetz oder Klimaschutzplan uns das an und schauen einmal, wann das für uns aussprechen? dann auch ökonomisch attraktiv wird. Und wenn das die Geschichte wäre, dann wären wir, glaube Der Vorsitzende: Herr Dr. Rolle. ich, nicht sehr erfolgreich. Wir wollen doch un- sere Technologien weltweit auch nicht nur ver- SV Dr. Carsten Rolle (BDI): Die Rolle Deutsch- kaufen, sondern auch klimapolitisch dahin brin- lands, das ist schon gesagt worden, wird und gen. Und das heißt, dass wir uns auch ein Stück muss aus unserer Sicht vor allen Dingen in der weit in diese Märkte hineinversetzen müssen, der Technologieführerschaft liegen, denn da liegt dass wir auch mit unserer Technologieförderung unsere Stärke und da ist unser Hebel so viel grö- an die denken müssen, nicht nur an unseren nati- ßer als unser Gewicht verglichen mit dem Strom- onalen Markt, sondern an die, die das später ein- energieverbrauch oder auch in den CO2-Emissio- mal nutzen sollen. Und damit muss man sich, nen. Das heißt, unser Hebel mit deutschen Tech- glaube ich, an diese Märkte stärker heranpir- nologien, Effizienztechnologien in die Welt- schen. Man muss auch mit dem, was wir Brü- märkte zu bringen, ist ein großer Hebel, ein deut- ckentechnologien nennen, sich stärker auseinan- lich größerer als unser Land nahe liegen würde dersetzen. Wenn wir im Verkehrsbereich einen und das muss gestärkt werden. Das wird gestärkt, Augenblick bleiben, dann heißt es eben, dass wenn wir auch Energieforschung, glaube ich, nicht Elektrifizierung das Einzige ist. Das ist ein deutlich technologieoffener gestalten, als es zu- sehr spannender und sehr zukunftsträchtiger mindest momentan diskutiert wird. Sie haben das Strang, der für PKW und für einige Citylogistikni- Thema Verkehr angesprochen. Ich glaube, es gibt schenmärkte eine wichtige Rolle spielt und es auch da eine ganze Reihe von ermutigenden Sig- gibt eben andere Segmente, Flugverkehr, wo das nalen. Wenn man sich anguckt, wie die spezifi- absehbar wenig eine Rolle spielt wird. Da werden schen Effizienzfortschritte der verschiedenen Ver- wir über andere Antriebsstoffe sprechen müssen. kehrsträger aussehen. Wir fokussieren da immer Im Seeverkehr und im Schwerlastverkehr wird es sehr schnell auf PKW und das ist das erste, woran auch eine Weiterentwicklung der heutigen Tech- jeder so privat denkt. Aber wenn man den Ver- nologien von Diesel über Gas usw. über Methani- kehrssektor insgesamt sieht, umfasst das wesent- sierung, Wasserstofftechnologien und eine ganze lich mehr und man sieht im Luftverkehr - die Breite an Technologien gehen müssen, von denen deutschen Airlines haben in den letzten 25 Jahren wir heute noch nicht wissen, welche tatsächlich

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diejenige ist oder diejenigen sein werden. Das modernisiert werden und wie Planziele für fossile werden vermutlich viele sein, die sich durchset- Energien eben peu à peu doch zurückgefahren zen. Und wenn wir also wirklich erreichen wol- werden, dann denke ich, sollte uns das schon len, dass nicht nur in Deutschland um ein paar auch zuversichtlich stimmen, dass sich internati- Prozentpunkte die Elektrofahrzeuge steigen, son- onal doch einiges bewegt. Auch wenn ich sehe, dern wir weltweit den Verkehrssektor CO2-seitig dass einige Nationen ernsthaft Emissionshandels- besser adressieren, dann wünsche ich mir einen systeme testen und Emissionshandelssysteme ein- breiteren Ansatz, der genau das unterstützt. Also führen wollen, dann muss ich nüchtern betrachtet einen industriepolitisch und klimapolitisch kohä- feststellen, dass wir wahrlich da auch nicht mehr renten Ansatz. Davon sind wir noch ein ganzes vorne dran sind. Und das ist genau das, was ich Stück weit entfernt und das wäre aber eine riesige auch eingangs schon vorher erwähnt hatte, ob Chance für ein Technologieland wie Deutschland. jetzt Vorreiter oder wie auch immer, aber ich denke, dass der Trend nach Paris gerade als Ame- Der Vorsitzende: Jetzt fragt der Kollege Westphal. rika und China sehr frühzeitig den Pariser Vertrag ratifiziert haben, war das ein klares Signal an die Abg. Bernd Westphal (SPD): Vielen Dank, Herr Weltwirtschaft, dass ein großer Transformations- Vorsitzender. Ich habe zwei Fragen, einmal an prozess stattfinden wird. Und dieses Signal geht Frau Nallinger: Wenn wir die Klimaziele national an alle diese 195 Staaten, an alle Wirtschaftsun- wie europäisch erfüllen wollen bis 2050, bedeutet ternehmen dieser 195 Staaten. Ich kann Ihnen be- das ja eine Reduzierung von 80 bis 95 Prozent, richten vom UN-Compact, eine ganz aktuelle Be- aber weltweit im gleichen Zeitraum eine Halbie- fragung von Unternehmenslenkern, wo über rung. Sehen Sie aus Ihrer Erfahrung, was Unter- 90 Prozent der Unternehmenslenker sagen, Paris nehmen, und Sie haben ja auch immer dafür plä- hat für uns klar ein Signal in allen Branchen, dass diert, den Klimawandel marktwirtschaftlich zu der Transformationsprozess stattfindet. Das heißt organisieren, dass das überhaupt gelingen kann, also, die Wirtschaft wird sich bewegen, aber ich dass wir international wirklich so einen Riesen- habe auch eingangs schon gesagt, ich bin der fes- beitrag bringen können, was CO2-Reduzierung an- ten Überzeugung, dass wir einen Orientierungs- geht? Und dann an Herrn Rolle eine kurze Frage: rahmen hier auch in Deutschland brauchen. Inwieweit sehen Sie eine Wachstumsperspektive für die deutsche Wirtschaft bei dem, was jetzt in Der Vorsitzende: Ergänzend Herr Dr. Rolle. dem vorliegenden Entwurf Klimaschutzplan 2050 beschrieben ist? Welche Exportchancen gibt es SV Dr. Carsten Rolle (BDI): Investitions- und dort? Und sehen Sie Gefahren von Carbon- Wachstumsperspektiven für die Industrie – ich leakage-Effekten? fürchte, die sind sehr unterschiedlich verteilt. Es gibt sicherlich Segmente, wo die sehr gut gegeben Der Vorsitzende: Zunächst Frau Nallinger. sind, auch durch staatliche Regulierungen im Energiebereich, bei Netzen, bei erneuerbaren sind SVe Sabine Nallinger (Stiftung 2° - Deutsche Un- die Investitionsbedingungen, glaube ich, sehr zu- ternehmer für Klimaschutz): Herr Westphal, vie- verlässig auf viele Jahre im Vorhinein. Aber in len Dank für die Frage. Die Unternehmen, die ich vielen anderen Bereichen sind sie eben nicht so heute vertrete, operieren ja international und ge- sicher. Und die Auswirkungen davon sehen wir rade ihre Produktionsstandorte sind häufig auch leider auch im Investitionsbereich dieser Bran- international angesiedelt. Und deswegen haben chen. Wenn ich an die recht energieintensiven die Themen, die wir angehen, natürlich auch weit Grundstoffindustrien denke, dann zeigt sich eben, über Deutschland hinaus eine Dimension. Natür- dass solche Diskussionen über Ausnahmetatbe- lich ist es so, dass es nicht ausreicht, wenn wir in stände und anderes zu einer solchen Verunsiche- Deutschland oder gar Europa voranschreiten, son- rung führen, dass im Grunde genommen seit Jah- dern wir müssen international voranschreiten. ren nicht so viel investiert wird, wie notwendig Aber wenn ich dann schaue, die Entwicklungen wäre, um den Kapitalstock in Deutschland zu hal- gerade in großen wirtschaftsstarken Nationen wie ten. Diese Branchen schrumpfen eben schlei- Indien oder China, wie hier die Energiesysteme chend leise, aber sie schrumpfen, nicht zuletzt

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durch die Unsicherheit. Und insofern ist Carbon- leakage - ich finde den Begriff immer ein bisschen Abge. Dr. Herlind Gundelach (CDU/CSU): Tut schwierig - aber Investitions-leakage ist das, was mir leid, das habe ich vergessen. Mich würde vor wir tatsächlich schon beobachten können. Das ist dem Hintergrund interessieren, ob Sie sich für nichts, wo Werkstore laut geschlossen werden, den Verkehrsbereich insbesondere einen Zertifi- sondern etwas, das unbemerkt laufend stattfindet. katehandel à la Emissionshandel vorstellen könn- Und ich glaube, es ist jetzt gerade eine sehr kriti- ten, der dort zu konkreten Lösungen und zu sche Zeit, in der Zeit, wo wir den Emissionshan- schnelleren Erfolgen führt, als wenn wir das aus- del für die nächsten zehn Jahre neu aufsetzen schließlich über den Weg von veränderten An- wollen, dafür Sorge zu tragen, dass diese Sicher- triebstechnologien gehen? heit besteht, dass also Unternehmen, die sich hier anstrengen, die, wir sagen einmal zu den 10 Pro- Der Vorsitzende: Zunächst Herr Prof. Haucap. zent der besten ihrer Branche gehören, dann auch wirklich darauf setzen können, dass die Zertifi- SV Prof. Dr. Justus Haucap (DICE): Die Antwort kate frei zugeteilt werden und alle anderen, die ist ja. Ich würde auch dafür plädieren, auch im da hinterher hinken, entsprechend zukaufen müs- Verkehrssektor die CO2-Zertifikatepflicht einzu- sen. Wenn das nicht der Fall ist, und das ist heute führen. Man würde das natürlich technisch ge- nicht der Fall, weil nicht genügend freie Zertifi- sprochen nicht am Autofahrer festmachen, son- kate zugeteilt werden können, dann ist das wie- dern idealerweise an den Raffinerien, davon ha- der ein weiterer Stein, eine weitere Wettbewerbs- ben wir, glaube ich, 11 Stück in Deutschland. Das verzerrung zu vielen anderen Märkten weltweit. ist also relativ überschaubar. Und da könnte man Und deswegen ist das so wichtig, dass wir Emissi- das zumindest einpreisen und hätte dann tatsäch- onshandel wie andere Dinge genauso zukunftsfest lich implizit den Zertifikatepreis auch im Kraft- aufsetzen, wie wir das für die Anbieter erneuerba- stoffpreis mit enthalten. Wir wissen heute tatsäch- rer Energien tun. lich, da stimme ich Herrn Rolle zu, überhaupt nicht, welche Technologien sich im Antriebsbe- Der Vorsitzende: Jetzt fragt die Kollegin Gunde- reich durchsetzen werden. Das mag Elektromobi- lach. lität sein, das mögen aber auch andere Technolo- gien sein. Das ist insbesondere in dem Zeitrah- Abge. Dr. Herlind Gundelach (CDU/CSU): Herzli- men, über den wir sprechen, überhaupt nicht vor- chen Dank. Ich möchte noch einmal zurückkom- hersehbar. Das lehrt auch die Vergangenheit. Von men auf das Thema Verkehr. In vielen Sektoren daher jetzt schon auf einzelne Technologien zu haben wir in der Zwischenzeit den CO2-Ausstoß setzen und zu sagen, das wird die Technologie schon deutlich reduziert. Der Verkehr ist nach sein, das kann man tun, da kann man Glück ha- wie vor im Prinzip unser Hauptproblemkind. Nun ben, dass das richtig ist, es kann aber auch sein, haben wir ja gerade gehört, dass es im Bereich dass man völlig falsch liegt und dann hinten dran von Antriebstechnologien ja auch ein hohes Maß ist, weil sich doch eine andere Technologie ulti- an Verbesserungen gibt, also die dann auch mit mativ durchsetzt. Deswegen ist es wichtig, dass Reduktionen verbunden sind, die aber zum Teil man Maßnahmen ergreift, die nicht an spezifi- einfach wieder dadurch kompensiert werden, schen Technologien hängen, sondern technologie- dass die Verkehre insgesamt steigen. Das heißt, neutral sind. Der Emissionshandel, ich will viel- die Reduktion wird wieder aufgehoben durch leicht noch eins dazu sagen, ist auch deswegen so mehr Verkehr letztendlich. wichtig, weil möglicherweise ist es dann doch nicht der Verkehr in den Statistiken, die wir ja Der Vorsitzende: Liebe Frau Gundelach, an wen beide vorgelegt haben, Herr Lehmann auch, da geht die Frage denn? sind es 164 Millionen Tonnen, die hier dem Ver- kehrssektor zugeordnet werden. Das ist also von Abge. Dr. Herlind Gundelach (CDU/CSU): An den 908 gar nicht mal der große Block und ob das Herrn Prof. Haucap und Frau Chrischilles. dann wirklich im Verkehr ist, wo es sozusagen am günstigsten ist, CO2 einzusparen oder dann Der Vorsitzende: Jetzt ist das registriert. doch eben bei den Gebäuden oder nach wie vor in

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der Energieerzeugung, auch das wissen wir heute Der Vorsitzende: Danke. Bevor ich weitergebe an eigentlich nicht. Von daher ist der CO2-Handel den Kollegen Dr. Schabedoth, es kursiert ein Vor- ein tolles Instrument, um das herauszufinden. schlag. Ich muss vorausschicken, wo wir gerade stehen: Wir haben jetzt noch drei Fragen im zwei- Der Vorsitzende: Ergänzend Frau Chrischilles. ten Block von SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es kursiert der Vorschlag, auf SVe Esther Chrischilles (IW Köln): Da kann ich die dritte Runde ganz zu verzichten. Die SPD hat eigentlich nur hundertprozentig zustimmen. Ich das hier signalisiert, die Union auch. Ich frage na- habe eingangs gesagt, dass umweltökonomische türlich, wie das von den Oppositionsfraktionen Instrumente, die marktwirtschaftlich basiert sind, gesehen wird. diejenigen sind, die aus meiner Sicht die Innova- tionen hervorbringen und die Technologien her- Der Vorsitzende: Frau Baerbock, sind Sie bereit, vorbringen, auf die wir in der Zukunft setzen sol- auf die dritte Runde zu verzichten? len. Und ich sage einmal so, sich Zukunftsmärkte auch international zu erschließen, das passiert ja Abge. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE nicht nur, weil wir hier einen Impuls setzen, son- GRÜNEN): Nein. dern das muss ja auch etwas sein, was internatio- nal ein Impuls ist. Und da der europäische Emis- Der Vorsitzende: Nein. Gut, dann erübrigt sich sionshandel zumindest nicht nur national, son- das. dern zumindest europäisch aufgesetzt ist, bin ich für eine Integration von Sektoren hundertprozen- Abge. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE.): Darf ich tig. Ich halte das für eine viel sinnvollere Diskus- auch etwas dazu sagen? sion als die Kleinteiligkeit an der Stelle. Da sind einige Diskussionen zu führen, das ist überhaupt Der Vorsitzende: Frau Bulling-Schröter zur Ge- keine Frage, aber wenn man andere Sektoren mit schäftsordnung. einbezieht, führt das natürlich auch zu Vertei- lungswirkungen und auch zu Preiseffekten. Da Abge. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE.): Ich werden die unterschiedlichen Sektoren sicherlich würde auch nicht verzichten, aber wir könnten ja auch noch einmal ein Wörtchen mitzureden ha- auch allein fragen. ben und hier einige Kämpfe ausfechten. Aber ich halte das für sehr viel sinnvoller, diese Kämpfe Der Vorsitzende: Ganz genau, das wollte ich jetzt auszufechten, weil wir im Endeffekt so auf eine gerade anbieten. Wir führen dann die dritte Lösung setzen können, die tatsächlich Innovati- Runde mit den Fragen der Oppositionsfraktionen onswirkungen und vielleicht auch eine Technolo- durch. Okay, das verkürzt auch. Dankeschön. gie fortbestehen lässt oder neu hinzukommen Jetzt hat der Kollege Dr. Schabedoth das Wort. lässt, die wir uns jetzt an der Stelle noch gar nicht vorstellen können. Und zum Thema Elektromobi- Abg. Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD): Danke- lität vielleicht nur ergänzend der Satz - die Sek- schön. Meine Frage geht an Herrn Dr. Rolle und torkopplung, die an der Stelle immer in den Vor- ich wäre auch an einer Einschätzung von Herrn dergrund gestellt wird, hängt eigentlich auch jetzt Prof. Dr. Rogall interessiert. In den Sonntagsreden primär erst einmal daran, dass wir im Bereich er- begeistern sich alle für den Ersatz fossiler Ver- neuerbarer Energien eine Konsolidierung des brennungsmotoren durch Elektromobilität, aber Marktes hinbekommen, nämlich tatsächlich einen beim Alltagshandeln haben wir oft den Eindruck, regenerativ geprägten Markt schaffen, der mit ent- dass die deutsche Industrie zum Jagen getragen sprechenden Preissignalen versehen ist, der wett- werden möchte. Die Konkurrenzsituation – Tesla bewerblich funktioniert, der tatsächlich eine Per- von oben , der Massenhersteller China von unten spektive auf Tragfähigkeit hat. Und dann kann – trifft auf eine deutsche Automobilindustrie, die man darüber nachdenken, ob diese Form von Mo- sich offensichtlich der Gefährdungslage nicht be- dell vielleicht dann auch für andere Sektoren wusst ist. Was kann man tun, um hier die deut- funktioniert. sche Industrie dazu zu bringen, in diesem Bereich

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an Wettbewerb teilzunehmen? Verglichen mit eu- enzgraden mit anderen Treibstoffen auch zu an- ropäischen Unternehmen hat sogar Peugeot die deren CO2 Emissionen führt. Wir müssen das deutsche Automobilindustrie abgehängt. Im Hin- Verkehrssystem insgesamt optimieren. Das geht blick auf die Arbeitsplätze, um die es hier geht, mit Digitalisierung los, mit der wir viele Verkehre und nicht nur unter dem Aspekt des Klimawan- im Grunde genommen durch Zusammenlegung dels sehen wir das mit großer Sorge und wir hät- auch überflüssig machen, mit besserer Auslastung ten gerne den Eindruck zerstreut, dass die deut- der Infrastruktur, da geht eine ganze Menge mehr, sche Automobilindustrie hier zum Jagen getragen als nur die Diskussion, ist es ein elektrischer An- werden möchte. triebsstrang oder ein Verbrennungsantriebsstrang. Zum Glück ist die Vielfalt der Technologien und Der Vorsitzende: Herr Dr. Rolle, bitte. Ansatzmöglichkeiten systemisch hier zu Verbes- serungen zu kommen, viel breiter. SV Dr. Carsten Rolle (DICE): Vielen Dank für die Frage. Ich fände es bedauerlich, wenn tatsächlich Der Vorsitzende: Ergänzend bitte Herr Prof. Dr. dieser Eindruck entstünde, dass die deutsche Au- Rogall. tomobilindustrie hier einen Trend verschlafen hätte, weil die Zahlen, glaube ich, eine andere SV Prof. Dr. Holger Rogall (HWR Berlin): Ich Sprache sprechen. Auch wenn sie sich an- muss verblüfft zur Kenntnis nehmen, dass gerade schauen, wie die Marktdurchdringung – sei es in die erfolgreiche Regierungsfraktion hier gesagt Deutschland, in Norwegen, in anderen Märkten – hat, Erneuerbare hätten gar keine Erfolge ge- auch mit Elektrofahrzeugen aus Deutschland ist, bracht. Emissionssenkung: 26 Prozent. Wenn das so ist der Marktanteil der deutschen Hersteller kein Erfolg ist – ich kenne kein Land auf der Erde, nicht nur in Deutschland weit über 50 Prozent, was das geschafft hat -, das würde ich mir doch auch in Norwegen oder in anderen europäischen eher an die Brust heften. Wenn es nicht noch grö- Ländern ist er sehr groß. Vielleicht nicht iden- ßere Erfolge gegeben hat, dann liegt es doch nicht tisch mit der, den Sie in anderen Märkten haben, an Erneuerbaren, sondern weil wir ein Stromex- aber ich glaube, sie ist sehr zukunftsweisend und port haben, wie noch nie in der Geschichte. Die auch wenn man die neuen Flotten anschaut, sieht Kohlekraftwerke laufen weiter, obwohl sie wirt- man im Grunde genommen, wie breit inzwischen schaftlich in Deutschland gar nicht verkaufen Elektrofahrzeuge, Hybridfahrzeuge durch die können, weil sie exportieren und es liegt daran, ganze Modellpallette angeboten werden. Ent- dass wir eben diese nicht zukunftsfähige Mobili- scheidend ist natürlich auch, dass diese nachge- tät haben, wo sich die sonst sehr innovative deut- fragt werden und Kaufkraft dafür da ist und -das sche Wirtschaft an der Technik des 19. Jahrhun- ist ein weiterer entscheidender Punkt - die Infra- derts festklammert. Wahrscheinlich werden wir, struktur dazu passt. Ich glaube da, wo staatliche damit sich das ändert, so ein Ausstiegsgesetz Unterstützung – wie von Ihnen gefragt – sozusa- schaffen müssen, wie das mit der Atomenergie ge- gen zum Zuge kommen kann, ist das aus meiner schaffen ist, damit auch der letzte Automobil- Sicht neben dem Forschungsförderungsbereich si- bauer versteht, dass es keine Zukunft gibt, immer cherlich immer auch ein Punkt Infrastruktur, wo leistungsstärkere Fahrzeuge zu bauen und die zu der Staat eine Verantwortung hat und auch, verkaufen, sondern die Zukunft in einer anderen glaube ich, Herstellerunabhängig unterstützen Mobilität liegt. Wo ich meinen Kollegen Recht kann. Das ist ja auch schon diskutiert worden, gebe ist… aber ich glaube in der Tat, wie eben gesagt, ver- kehrspolitische Ansätze, klimapolitische Ansätze Der Vorsitzende: Bitte beachten Sie die Zeit. im Verkehrsbereich müssen deutlich weiter ge- hen. Es geht nicht nur um den einen Motor – wir SV Prof. Dr. Holger Rogall (HWR Berlin): … ich werden den Verbrennungsmotor im Schwerlast- hoffe auf die E-Mobilität - aber das ist nicht si- verkehr noch lange sehen, aber eben nicht eine cher. alte Technologie, sondern eine sich ständig weiter optimierende neuere, die mit ganz anderen Effizi- Der Vorsitzende: Danke. Jetzt fragt die Kollegin Frau Bulling-Schröter.

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auch technikfrei. Drei Dinge: Es gibt keine fossi- Abge. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Danke, len Brennstoffe mehr. Und zwar 2050. Es gibt Herr Vorsitzender. Meine Frage geht wieder an kein CCS in Deutschland, selbst wenn wir das Herrn Dr. Harry Lehmann. Ich möchte nochmal bisschen nutzen würden, weil wir nicht viel ma- zum ambitionierten Minderungspfad kommen. Da chen können. Wir haben keine Nuklearenergie. geht es um weiteren Ausbau der Erneuerbaren im Das ist eine klare Entscheidung, die durch das Strombereich. Das wissen wir. Jetzt wird es einen Klima und die durch bereits existierende Ent- zusätzlichen Stromverbrauch aus den Sektoren scheidungen wie Atomausstieg gegeben sind. Was Wärme und Mobilität geben. Das ist zu erwarten. habe ich an Technik offen: hier habe ich acht ver- Jetzt hat Herr Prof. Quaschning - da gibt es zurzeit schiedene Technologien mit denen ich erneuer- Differenzen wie viel wir brauchen - vorgerechnet, bare Energien ernten kann. Verschiedene an ver- dass sich der Stromverbrauch sogar verdoppeln schiedenen Stellen. Da kann man alles Mögliche müsste und hat dann auch berechnet- wenn das machen. Wir haben das durchdekliniert, man so ist -, dann werden wir den Stromverbrauch erst kann hingehen, sehr dezentral – jeder hat sein 2150 decken mit diesem Tempo und das ist natür- Photovoltaik auf dem Dach. So alleine wird es lich viel zu spät. Dazu würde ich Ihre Meinung nicht funktionieren. Oder wir können hingehen gerne hören. und Desertec machen, sprich wir importieren so viel wie möglich Energie aus anderen Ländern. SV Dr. Harry Lehmann (Umweltbundesamt): Vie- Technisch relativ einfach, vermutlich aus Grün- len Dank für die Einladung und die Frage. Viel- den der Sicherheit nicht unbedingt der Pfad auf leicht vorneweg zwei Bemerkungen: Wenn wir al- dem wir vollständig aufbauen sollten. Da gibt es les mit dem Emissionshandel machen wollen, be- in Deutschland die Stadtwerke und Regionen, wo deutet das, dass wir einen Cap einführen müssen. eine lokale Versorgung mit erneuerbaren Energien Weil sonst ist der Emissionshandel nicht wirk- versucht wird. Eine Kombination dieser drei sam. Das bedeutet, selbst wenn wir nur die 80 Dinge - ich nenne das immer Archetypen der er- Prozent nehmen - die wir als Umweltbundesamt neuerbaren Energieversorgung -mit den acht ver- nicht wollen – dann liegen wir dann im Jahr 2050 schiedenen Technologien führt dann zu einem irgendwo bei 200 Mio. Tonnen. Wenn ich dann Lösungsraum. Wir sagen, es gibt nicht nur Wind die 70 davon abziehe, die Landwirtschaft sind, oder es gibt nicht nur Photovoltaik oder es gibt dann ist der Rest auch nicht mehr viel, sodass - nur Dezentral, es gibt einen technologischen Lö- egal wie man das jetzt macht - ein Emissionshan- sungsraum. In diesem technologischen Lösungs- del mit einem ordentlichen Cap zum Ziel führt raum übernimmt Strom immer mehr Aufgaben in aber ein ordentliches Cap bedeutet, dass ich Ziele anderen Sektoren. Im Wärmesektor, im Verkehrs- und damit auch Zwischenziele definieren muss. sektor, etc. Das heißt, egal welchen Lösungsraum Und nicht immer nur zu tun, als würden dies die ich nehme, brauche ich mehr Elektrizität oder ich marktwirtschaftlichen Dinge regeln, sondern es brauche mehr Treibstoffe auf erneuerbare Ener- wird ganz klar der Cap dafür sorgen, dass sich das gien Basis– wir können auch ruhig über PtL im System ändert. Ich kann auch hier nur die Daten Bereich Verkehr reden – oder Sie machen mehr bestätigen – wir sind berichtspflichtig -, seit 1990 Elektrizität. Das Spannende ist, dass wir heute haben wir 26 Prozent gesenkt. Klarerweise gibt es durch die Arbeit der letzten 30 Jahre im Prinzip Sektoren, in denen nichts passiert ist, da muss technologischen Lösungsraum haben, der recht man was tun, das ist Gebäude und Verkehr und es groß ist. Wir sind nicht gezwungen, einen Pfad zu gibt Sektoren, wo wir noch genauer reinschauen gehen. Aber wir müssen diesen Pfad flankieren müssen. Das ist die Landwirtschaft. Es gibt Sekto- mit klaren Grenzen und klaren Möglichkeiten ren, wo viel passiert ist; die Sektoren der Indust- und auch klar die Benachteiligung rausnehmen, rie, die Effizienz gesteigert haben, Energiewirt- die für die Einführung von bestimmten Dingen schaft und ähnlich. Das war sozusagen vor die sind. Schauen wir uns das Ganze an, dann müs- Klammer gesetzt. Wenn wir jetzt in die Zukunft sen wir ganz klar sagen, dass das, was wir heute gehen und uns fragen, wie sähe denn eine Zu- an Nettoausbaupfad haben, nicht ausreicht. Jetzt kunft aus: technikfrei. Dann heißt diese Zukunft kann ich hineingehen, jetzt kommt irgendwann

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die Frage welche Windanlagen werden zurückge- lenken, sondern vielmehr in ganz normales wirt- baut und was ist dort und was passiert mit der schaftliches Handeln und Investitionen in Infra- Photovoltaik, da kann man auch wieder Szena- struktur, in Produkte, die letztendlich stattfinden. rien durchspielen, aber der Ausbau der erneuer- Wenn ich mir die Ausbauziele international an- baren Energien, egal wie ich es mache, egal wel- schaue, dann muss ich schon auch feststellen, che Zwischenziele ich nehme, selbst die 80 Pro- dass wir natürlich nicht mehr die ehrgeizigsten zent, reichen nicht aus. Ziele haben, gerade Länder wie die USA, Kanada und Mexiko haben sich vorgenommen, bis 2025 Der Vorsitzende: Jetzt die Frau Kollegin Baerbock circa 50 Prozent ihrer Energie mit Erneuerbaren als letzte Fragestellerin in der zweiten Runde. zu decken. Wir haben gerade hier national eine Grenze eingeführt, wo ich denke, wir sollten tat- Abge. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE sächlich darüber nachdenken und diskutieren, ob GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Vorsitzender. das richtig und gut war. Wenn wir nämlich den Meine Fragen gehen nochmal an Frau Nallinger. Börsenpreis vom Strom anschauen und den Preis Hier ist durch so manche Antworten ein bisschen auch europäisch vergleichen – ich habe mir ge- der Eindruck entstanden, als wenn Deutschland rade die letzten Tage nochmal die Energiepreise, alleine in der Welt unterwegs war. Herr Rolle, ich die Börsenpreise auch europäisch angeguckt -, glaube Sie waren auch auf der Klimakonferenz. dann muss ich feststellen, dass wir sehr günstige Da gab es ja sehr viele Regionen, die vorgestellt Preise - auch für die Industrie - haben. Das finde haben, was sie schon alles weltweit machen mit ich übrigens wichtig, dass wir international wett- Erneuerbaren von bis zu 90 Prozent im Strombe- bewerbsfähig bleiben. Und diese günstigen Preise reich. Ich glaube, die erwarten jetzt nicht mehr, kommen zustande, weil mittlerweile die erneuer- dass Deutschland voran geht, sondern die sind ja baren Energien die günstigste Energieform ist, selber aktiv. Frau Nallinger, Sie hatten auch wenn ich heute neue Energiesysteme und Ener- China angesprochen. Vielleicht können Sie aus giekapazitäten errichten möchte. Was die Sektor- der Erfahrung Ihrer Unternehmen auch noch ein- ziele und der Verweis auf Dr. Grube anbelangt; in mal benennen, in welchen Bereichen sich die Un- der Tat, die Wirtschaft möchte keine Vorgaben ternehmen auch Sorgen um ihre Marktführer- haben, wie sie die technologischen Lösungen ent- schaft machen, weil andere Märkte sich in diesem wickelt und welche Produkte sie auf den Markt Bereich schneller entwickeln. Ich habe noch eine bringt. Aber was wir schon gerade auch nach Pa- zweite Frage zu den Sektorzielen. Es gab auch ris brauchen ist, dass wir die Ziele, die in Paris von einem Ihrer CEO, Herrn Grube, einen sehr unterschrieben worden sind, herunterbrechen für deutlichen Appell im Klimaschutzplan ambitio- die Wirtschaft und natürlich auch für die einzel- nierte Ziele mit reinzuschreiben, auch Sektor- nen Sektoren. Weil eines muss uns ja auch klar ziele. Vielleicht können Sie nochmal erläutern, sein, dass energieintensive Branchen nicht so was da die Diskussion bei Ihren CEO ist, also wa- schnell die Ziele erreichen werden können wie rum die das für so wichtig erachten. manch andere Branchen. Deswegen denke ich, ist es sogar für die Wirtschaft um handlungsfähig zu Der Vorsitzende : Frau Nallinger. sein, um auch langfristige Planungssicherheit zu haben, sehr wichtig, dass wir die Klimaziele auf SVe Sabine Nallinger (Stiftung 2° - Deutsche Un- Sektoren herunterbrechen. Eine Idee, die mich ternehmer für Klimaschutz): Frau Bearbock, die umtreibt und die ich heute gern noch anbringen Fragen beantworte ich Ihnen sehr gerne. Zunächst möchte ist, dass wenn wir an Industrien heran ge- die Frage, wie sieht es international aus und wo hen, die vor großen Herausforderungen stehen, stehen wir? In der Tat, wenn wir rein den Ener- zum Beispiel die Stahlindustrie, dann reden wir giesektor betrachten, international, dann wurde immer vom „level playing field“. Können wir in letztes Jahr mehr Geld in erneuerbare Energien als Deutschland oder in Europa vorpreschen oder in fossile Energien investiert. Deswegen hatte ich nicht? Und die Frage ist immer, prescht ein Land vorher auch gesagt, möchte ich die Diskussion vor oder die 195er Staatengemeinschaft. Ich habe nicht so sehr in Richtung Kosten und Belastung mich neulich mit Vertretern der Stahlindustrie zusammengesetzt und wir haben diskutiert. Wenn

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man letztendlich die Stahlindustrie nimmt, dann SV Dr. Harry Lehmann (Umweltbundesamt): gibt es eine Handvoll von wichtigen Nationen. Danke für die Frage. Es ist eine schwierige Frage. Wenn wir es schaffen würden, dass sich diese 5 Zuallererst, die Situation hat sich durch Paris in- bis 6 Nationen an einen Tisch setzen und sich tat- sofern geändert, als dass jetzt 195 Länder in ein sächlich einmal über den CO2-Preis unterhalten, völkerrechtlich bindendes Vertragssystem hinein- glaube ich, dass wir tatsächlich zu einer Lösung gehen. Das heißt, das was wir derzeitig in vielen kommen können. Bei 195 Staaten muss ich zuge- Ländern erleben ist, dass sie eigene Klimaschutz- ben, glaube ich auch, dass wir die Zeit nicht mehr pläne definieren, dass sie eigene CO2-Handelssys- haben. Aber dass wir über solche Sektorlösungen teme definieren, dass sie sektorale Ziele haben. auch nachdenken, dass wir die Nationen an den Also das, was in Europa in den letzten Jahrzehn- Tisch holen, die es dann tatsächlich betrifft, da ten gemacht worden ist, anfangen zu tun. Und da bin ich sehr zuversichtlich, dass wir auch sehr kann ich Ihnen nicht sagen, wie schnell das statt- bald zu Lösungen in Richtung eines CO2-Preises finden wird oder nicht stattfinden wird. Das be- kommen werden. deutet aber, dass dieses „level playing field“ zu- nehmend auf der Welt eintreten wird. Dann kom- Der Vorsitzende: Vielen Dank! Wir treten jetzt in men wir zu den Märkten, vorhin ist Stahl gesagt die dritte Runde ein und ich möchte folgende worden. Sicherlich, da gibt es fünf oder sechs technische Bemerkungen machen. Für die dritte Länder, nicht mehr. Ich glaube, das Problem der Runde liegen mir seitens der Koalitionsfraktionen deutschen oder europäischen Stahlindustrie liegt keine Wortmeldungen vor, sodass es jetzt nur zu vielmehr darin, wie weit China subventioniert in Wortmeldungen der Fraktionen DIE LINKE. und diesem Sektor und billige Preise erzeugt. Da ist BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kommt. Das heißt, die Frage, inwieweit man im Rahmen der Welt- wir sind ungefähr 5 Minuten vor 13 Uhr fertig. handelsordnung handelt, die erlaubt, dass man da Dann gibt es 2 Alternativen. Erstens, dass wir den Zölle auferlegt und das kann man für anderen Tagesordnungspunkt 2 dann einfach anschließen, Dinge auch machen. Das ist eine Schutzmaß- da kommen wir aber natürlich etwas über 13 Uhr. nahme für eigene Industrien. Jetzt gehe ich ein- Oder die Alternative wäre, dass ich den Aus- mal zu Airbus. Airbus ist eine Industrie, die wir schuss um 14.45 Uhr erneut einberufe. Das halte in Europa wichtig finden. Gleich wichtig sehe ich ich persönlich für die schlechtere Variante. Be- die Photovoltaik, da müssen wir auch solche steht Einvernehmen, dass wir so verfahren wie Schutzmaßnahmen machen, in Ländern, die of- zuerst dargestellt? Okay. Wir beginnen die dritte fensiv versuchen, Weltmärkte zu erobern, indem Runde, die Frage wird gestellt von der Kollegin sie Dumping und schiefliegende Subventionen er- Bulling-Schröter. lauben. Einer der Gründe, warum die Photovolta- ikindustrie eingebrochen ist, anders als in den Abge. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE.): Danke- USA, liegt darin, dass wir chinesische Importe schön Herr Vorsitzender. Meine Frage geht wie- zugelassen haben. Wir sollten den Punkt des Car- der an Dr. Harry Lehmann. Wir haben jetzt schon bon-leakage nicht zu groß sehen. Denn wenn man einiges über Carbon-leakage gehört, das wird ja sich die Exportmärkte der deutschen Industrie an- immer an die Wand gemalt. Ich würde gern noch schaut, dann sind das ja im Wesentlichen Indust- einmal Ihre Meinung dazu hören, denn wenn ich riebereiche wie die USA und Europa selber, die das so verfolge, dann geht es ja nicht um Zertifi- Bereiche China und Indien, die ja selber zuneh- kate und Strompreise, sondern es geht um mend in ein solches System hineinkommen wer- Märkte. Ich komme aus einem Ort, in dem wer- den. Ich sehe dieses Problem als eines, das man den viele Autos gebaut und ich stelle fest, dass ernst nehmen muss, aber man sollte es nicht über- die Produktpolitik so ist, dass man nach Märkten bewerten und es sollte einen nicht daran hindern, entscheidet und nicht nach den anderen Krite- die notwendigen Maßnahmen, die notwendigen rien. Vielleicht können Sie etwas dazu sagen. Mindestpreise und notwendigen Caps zu definie- ren. Der Vorsitzende: Herr Dr. Lehmann. Der Vorsitzende: Dankeschön. Die letzte Frage stellt die Kollegin Baerbock.

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politischer Seite ganz klar die Weichen stellt, Abge. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE dass in absehbarer Zeit unsere Energien anders GRÜNEN): Vielen Dank. Es kam ja auch das gewonnen werden müssen, dann ist das eben ein Thema auf, dass wir eigentlich im Strombereich wichtiger Schritt. Deswegen haben wir uns auch einen enormen Export haben und wir deswegen entschlossen, öffentlich eine Position zu verlaut- mit den CO2-Emissionen nicht herunterkommen. baren, die ganz klar den Kohleausstieg in abseh- Deswegen würde ich an Frau Nallinger gern die barer Zeit zum Ziel hat. Frage stellen. Auch Ihre Unternehmen haben sich ja für den Kohleausstieg und ein Kohleausstiegs- Der Vorsitzende: Vielen Dank! Es ergänzt Herr gesetz ausgesprochen, vielleicht können Sie ein- Prof. Haucap. mal erläutern, vor welchem Hintergrund gerade solche Unternehmen sich dafür ausgesprochen SV Prof. Dr. Justus Haucap (DICE): Herzlichen haben. Und meine zweite Frage geht an Herrn Dank für die Frage, Frau Baerbock. Internationale Prof. Dr. Haucap. Sie hatten ja ganz am Ende Ihrer systematische Vergleichsstudien zu den innovati- Ausführungen gesagt, dass ein Mindestpreis onsfördernden Wirkungen eines CO2-Mindest- schon notwendig wäre im Emissionshandel, um preises sind mir nicht bekannt. Gleichwohl haben eben die Innovationsanreize für Unternehmen, wir in dem Akademien-Projekt „Energiesysteme die in andere Technologien investieren wollen, der Zukunft“ von Acatech und den anderen deut- auch anzureizen. Vielleicht können Sie da ja noch schen Wissenschaftsakademien dennoch uns für einmal von Erfahrungen aus anderen Ländern, die den Mindestpreis ausgesprochen aus theoreti- einen solchen Mindestpreis in Europa eingeführt schen Erwägungen heraus, die auch schon aus der haben, berichten, weswegen das aus Ihrer Sicht Diskussion kommen, um eine CO2-Steuer versus notwendig wäre. Emissionshandel. Die Logik ist eigentlich ganz simpel. Wenn ich als Unternehmer in Klima- Der Vorsitzende: Zunächst Fr. Nallinger. schutzmaßnahmen investieren will, dann will ich ultimativ natürlich wissen, was ich spare durch SVe Sabine Nallinger (Stiftung 2° - Deutsche Un- diese Investition. Das ist bei einem Mindestpreis ternehmer für Klimaschutz): Frau Baerbock, Sie bzw. bei einer CO2-Steuer wesentlich einfacher zu hatten angesprochen die Stiftung 2° hat vor weni- kalkulieren, was ich durch die Vermeidung von gen Wochen gemeinsam noch mit weiteren Unter- CO2 einspare, weil der CO2-Handel in dem Sinne nehmen aus der deutschen Wirtschaft eine Posi- den Nachteil hat, dass der Preis sehr stark fluktu- tion zu Kohle veröffentlicht. Hintergrund ist, und iert und es durch große Innovationen sogar zu ei- das hatte ich vorhin schon betont, dass letztend- nem Preisverfall gerade kommt, weil ja weniger lich sich die Wirtschaft nicht gerne vorschreiben Nachfrage nach CO2-Zertifikaten da ist. Frau lässt, welche Technologien sie einsetzt und wel- Chrischilles hat allerdings zu Recht darauf hinge- che nicht. Aber wenn man tatsächlich die interna- wiesen, dass es auch Nachteile hat. Insbesondere tionalen Klimaziele, die ja auch von der Bundes- der konjunkturglättende Effekt ist natürlich weg. regierung unterschrieben worden sind, ernst Der ist jetzt im Emissionshandel angelegt, der nimmt, dann wird sehr schnell klar, dass wir na- wird durch Mindestpreise nicht mehr im gleichen türlich aus den fossilen Energien und vor allem Maße aufgefangen. Aber dennoch - in diesem aus der von Kohle erzeugten Stromproduktion Akademie-Projekt haben wir in der Abwägung al- aussteigen werden müssen. Sonst werden wir die ler Tatsachen gesagt, ein gewisser Mindestpreis Klimaziele nicht einhalten. Deshalb hatten wir kann durchaus Sinn machen, wenn man neben uns auch entschlossen, uns bei diesem Thema dem reinen CO2-Minderungsziel eben auch ein In- einzumischen und einzubringen, weil auch hier novationsziel verfolgt. gilt, was für die gesamte Wirtschaft gilt, je früh- zeitiger Vorgaben und Rahmen gesteckt werden und je frühzeitiger eben auch Unternehmen pla- nen können, desto besser geht der Prozess von statten, auch aus Sicht der Wirtschaft. Und ich denke, wenn man jetzt rechtzeitig eben auch von

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Der Vorsitzende: Vielen Dank! Nun sind wir am Ende der Frage- und Antwortrunde und damit am Ende dieser Anhörung. Ich möchte mich vor al- lem bei den Sachverständigen ganz herzlich be- danken für das Kommen und für das engagierte Mitmachen. Und ich schließe damit die Anhö- rung.

Schluss der Sitzung: 12:55 Uhr Zá/Ka/Gra/Pra

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Anlagen

Anwesenheitslisten

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