SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 12. 11. 1968

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12. November 1968: Fraktionssitzung

AdsD, SPD-BT-Fraktion 5. WP, 107 Überschrift: »Protokoll der Fraktionssitzung am 12. November 1968«. Dauer: 16.10– 20.45 Uhr. Anwesend: 174. Vorsitz: Schmidt; während TOP 1 u. 2 zeitweilig Franke. Bundesregierung: Eppler, Heinemann, Leber, Schmid, Strobel, Wehner. PStS: Arndt, Börner, Jahn. Protokoll: Löwke. Datum der Niederschrift: 15. 11. 1968.

Sitzungsverlauf: A. Informationen B. Vorbereitung der Plenarsitzungen a) Große Anfrage zukünftige Steuerpolitik (BE: Kurlbaum-Beyer) b) Bericht über den Stand der Leberplan-Gesetzgebung (BE: Leber, Seifriz) c) 0,8 Promille-Gesetz (BE: Hirsch) d) Politische Bildung (BE: Lohmar) e) Wahlalter (BE: Westphal, Seidel, Schmitt-Vockenhausen) f) Sonstige TO-Punkte (BE: Frehsee) C. Vorlagen aus den Arbeitskreisen a) Gesetzentwürfe der CDU/CSU zur Verbesserung der personellen Lage der Bundes- wehr (BE: Berkhan) b) Antrag betr. Verbesserung des Wirtschaftsergebnisses der Deutschen Bundesbahn (BE: Seifriz) D. Olympiade in Mexiko (BE: Hauck) E. Nächste Termine

Helmut Schmidt eröffnet die Sitzung und trifft vor Eintritt in die eigentliche Tagesord- nung1 einige Feststellungen über den CDU-Parteitag in Berlin.2 Die Pressestelle der Fraktion hat an Hand des Manuskripts von dessen Ausführungen in voller Länge veröffentlicht. Es ist deshalb nicht notwendig, an dieser Stelle näher darauf einzugehen. Die erwähnte Veröffentlichung der Pressestelle ist als Anlage 2)3 beigefügt.

TO 1: Karl Mommer fragt nach den Konsequenzen für die westliche Verteidigung. Was ist aus unseren Gedanken zur Bundeswehrreform geworden? Wie ist unsere Einstellung gegenüber den Wehrdienstverweigerern? Er hält eine Debatte über die Verteidigungs- politik für dringend notwendig. Grundlage sollte eine entsprechende Regierungserklä- rung sein. Willi Berkhan teilt mit, der Verteidigungsausschuß sei einhellig der Meinung gewesen, daß sich an die Einbringung des Jahresberichts des Wehrbeauftragten eine Debatte anschließen soll.4 Zimmermann5 habe einen entsprechenden Brief an Gerstenmaier

1 TO liegt dem Protokoll bei. 2 Vom 4. bis 7. November 1968 fand in West-Berlin der Bundesparteitag der CDU statt. 3 Die Pressemitteilung, INFORMATIONEN, Nr. 550 vom 12. November 1968 liegt dem Protokoll bei. 4 Der Wehrbeauftragte Matthias Hoogen erstattete seinen Jahresbericht 1967 (BT ANL. 121, Drs. V/2948) erst am 15. Januar 1969, BT STEN. BER. 68, S. 11207–11238.

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geschrieben. Der Sicherheitsausschuß beim PV habe ebenfalls das Gefühl gehabt, eine Debatte im Plenum sei notwendig. Ausgangspunkt unserer Stellungnahme sollten die Beschlüsse des Karlsruher Parteitages sein.6 Er hofft, daß PV und Präsidium Ende No- vember entsprechende Weichen stellen werden. Die geforderte Debatte sollte nach seiner Meinung erst 1969 stattfinden, wobei es im Augenblick offen bleiben könne, ob vor oder nach dem Parteitag.7 Er warnt davor, überhastet in eine große Debatte einzu- treten. Die Vorbereitungen müßten sehr sorgfältig durchgeführt werden unter Berück- sichtigung sowohl der außenpolitischen als auch der finanzpolitischen Berührungs- punkte. Es sollte zunächst die für diese Woche geplante, aber bekanntlich verschobene Sitzung der drei Fraktionsarbeitskreise mit Verteidigungsminister Schröder abgewartet werden.8 Ulrich Lohmar fragt Willi Berkhan, wie weit das von den Führungsgremien der Partei auszuarbeitende verteidigungspolitische Papier reichen soll. Er habe nichts gegen eine Debatte, wichtiger als eine Debatte sei jedoch, daß wir in dieser Frage Boden unter die Füße bekommen müßten. Er sieht große Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Auftrag der Bundeswehr. August Berlin und Hans Geiger stellen Fragen zum Punkt »Wehrgerechtigkeit«. Gibt es da eine Lösung? Sind wir noch aktiv? Helmut Schmidt führt aus, es müßten zwei Dinge unterschieden werden. Erstens: der Parteitag im Frühjahr werde sich zu mehreren Problemen rund um die Bundeswehr äußern müssen; zweitens: es habe seit 12 Monaten keine Verteidigungsdebatte mehr gegeben. Das Weißbuch liege noch nicht vor.9 Die Gesamtsituation der Bundeswehr sei heute schlimmer als beim Wechsel von Hassel zu Schröder. Die Hoffnungen beim Volk und in der Bundeswehr seien bei den Sozialdemokraten. Aus guten innenpolitischen Gründen sollte die Debatte eigentlich noch in diesem Jahr stattfinden. Es biete sich an, sie nach der NATO-Rats-Tagung10 anzusetzen. Er tendiert dahin, die Fraktion solle die Regierung wissen lassen, daß sie in der übernächsten Wo- che eine Regierungserklärung zur Lage unserer Verteidigungspolitik erwarte.11 Die Regierung werde dann wohl in der Hauptsache die internationale Problematik behan- deln. Das solle die Fraktion nicht daran hindern, auch die anderen Probleme zu disku- tieren.

5 (CSU) war Vorsitzender des Verteidigungsausschusses. 6 Vgl. dazu die »Entschließung zur Lage der Bundeswehr« des XI. ordentlichen SPD-Parteitags in Karlsruhe (23.–27. 11. 1964), in: KUNDGEBUNGEN UND ENTSCHLIESSUNGEN 1964, S. 5–11. 7 Vom 16. bis 18. April 1969 fand in Bad Godesberg der 3. außerordentliche Parteitag der SPD statt. 8 Die geplante Sitzung wurde wegen Vorverlegung der NATO-Ratstagung verschoben, AdsD, SPD- BTF 5. WP, 233. Die Sitzung fand auch später nicht mehr statt. 9 In der Regierungserklärung vom 6. Dezember 1967 hatte Verteidigungsminister Schröder für die Zukunft ein jährliches »Weißbuch über die deutsche Verteidigungspolitik« angekündigt, jeweils ge- koppelt an die Einbringung des Haushaltsentwurfs, vgl. BT STEN. BER. 65, S. 7145. Die eingetretene Verzögerung bei der Herausgabe des Weißbuchs begründete er u. a. mit der unklaren politischen Si- tuation nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die SSR. Er kündigte das Er- scheinen jedoch für Januar 1969 an, vgl. BT STEN. BER. 68, S. 10783. Das »Weißbuch 1969 zur Ver- teidigungspolitik der Bundesregierung« (BT ANL. 129, Drs. V/4100) wurde im Kabinett am 11. Fe- bruar 1969 beschlossen. Nach der Debatte am 27. Juni 1969 im wurde es zur weiteren Be- ratung an den Verteidigungsausschuß überwiesen, vgl. BT STEN. BER. 70, S. 13602–13644. 10 Die 14. Jahresratstagung der NATO fand vom 11. bis 15. November 1968 in Brüssel statt. Vgl. EU- ROPA-ARCHIV 1968, Z 248. 11 Die Minister Brandt und Schröder gaben die Regierungserklärung am 29. November ab, BT STEN. BER. 68, S. 10772–10785. Die Aussprache folgte am 4. Dezember, ebd., S. 10844–10902.

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Willi Berkhan führt aus, an unserem Verteidigungskonzept habe sich im Grunde nichts geändert. Das Bündnis bleibt die Grundlage. Es kann nicht die Rede davon sein, daß wir uns mit ein paar Milliarden D-Mark an die Amerikaner verkaufen würden. Es ist aber daran zu erinnern, daß Europa ohne die USA nicht zu verteidigen ist. Das Problem »Wehrgerechtigkeit« ist sehr kompliziert. Hoffnungen, die Dienstpflicht von 18 auf 15 Monate zu senken, müssen wegen der erforderlichen Präsenzstärke der Bundeswehr bei der gegenwärtigen internationalen Lage für geraume Zeit begraben werden. Es gibt keine theoretischen Lösungen der Gerechtigkeit. Die materielle Lösung würde erhebliche Kosten verursachen (Entlassungsgeld plus Wehrsolderhöhung etwa 130 bis 200 Millionen DM). Wir könnten die Debatte jetzt haben, müßten aber wissen, daß es eine außenpolitische Debatte mit Betonung der strategischen Komponente werde. Die Lage der Bundeswehr ist realiter nicht schlimmer als unter Hassel. Sein Erbe beginnt sich allerdings jetzt aus- zuwirken. Karl Herold weist darauf hin, daß sich verschiedene Einzelgesetze für die nächste Zeit in Vorbereitung befinden. Er fordert vor der Debatte eine sorgfältige Abstimmung der außen-, verteidigungs- und finanzpolitischen Besonderheiten. Helmut Schmidt faßt zusammen: erstens es wird eine Debatte zum Bereich des Wehr- beauftragten geben, zweitens wir wünschen eine Debatte nach der NATO-Rats- Tagung. Bei der Gelegenheit sollten wir erneut nach dem Weißbuch fragen. Heinz Frehsee kündigt an, daß der Bericht des Wehrbeauftragten am Freitag, dem 29. November 1968, auf der Tagesordnung stehe.12 Erwin Schoettle verweist auf einen Artikel in der heutigen Ausgabe der »Welt«, wo- nach der Kanzler13 den CDU-Abgeordneten als neuen Botschaf- ter für Washington vorgesehen habe.14 Er möchte wissen, ob es sich hier um eine neue Methode bei der Auswahl von Botschaftern handele und welche Rolle das Auswärtige Amt bei dieser Personalpolitik spielt. sagt, es handele sich nicht um eine neue Methode. Der Bundeskanzler hat den Außenminister15 wissen lassen, daß er weder mit der Veröffentlichung noch mit der Sache etwas zu tun habe. Das Auswärtige Amt hat bestimmte Vorstellungen für die Besetzung des Botschafterpostens in USA, die, wenn es an der Zeit ist, mit dem Kanzler abgesprochen werden. Helmut Schmidt fügt hinzu, der Kanzler habe heute morgen zugesagt, daß Diehl16 die »Welt«-Meldung öffentlich zurückweisen werde. Die Erklärung von Gerhard Jahn vor der Fraktion solle durch die Fraktionspressestelle veröffentlicht werden. Karl Mommer fragt nach dem Frankreich-Ausschuß mit dem Vorsitzenden Botschafter 17 a. D. Klaiber. Gerhard Jahn antwortete, es sei inzwischen ausgestanden, den Sonderbeauftragten im Kanzleramt residieren zu lassen. Der Mann sitze mit seinem Stab im Auswärtigen Amt.

12 Vgl. Anm. 4. 13 . 14 Vgl. »Leisler Kiep als neuer Botschafter nach USA?«, DIE WELT vom 12. November 1968. Botschaf- ter Knappstein trat zum 31. Dezember 1968 auf eigenen Wunsch in den Ruhestand. Zum Nachfolger wurde schließlich Rolf Pauls berufen. 15 . 16 Günter Diehl war Leiter des Presse- und Informationsamtes. 17 Im Original irrtümlich »Kleiber«. Zu Klaibers Amt vgl. auch SPD-Fraktionssitzung am 12. März 1968, Anm. 4.

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Gerhard Koch fragt nach den ständigen Gerüchten um eine Aufwertung der D-Mark im Zusammenhang mit Bemühungen, unseren Export-Überschuß zu regulieren. Klaus Dieter Arndt berichtet, der Devisen-Überschuß belaufe sich gegenwärtig nach Meinung der Bundesbank auf 5 Milliarden D-Mark. Dies ist kein gefährlicher Beitrag für die Welt-Liquidität, wenn er nicht für Aufwertungsgerüchte benutzt wird. Der Ausfuhrüberschuß wird in diesem Jahr vermutlich 16 Milliarden D-Mark betragen. Der Kapital-Export ist bereits jetzt bei einer Höhe von 8 Milliarden D-Mark angelangt. Zu den Aufwertungsgerüchten kann es nur ein kühles, klares Nein geben. Aber die Preissi- tuation und die Importe lassen vielleicht bestimmte globale Maßnahmen in Zukunft nahen, jedoch nicht bei der Währung. Eine Aufwertung der D-Mark etwa um 5 % wür- de einen tödlichen Schlag für die Konjunktur bedeuten. TO 2: Lucie Kurlbaum-Beyer gibt einen Abriß der Rede, die sie zur Großen Anfrage über die zukünftige Steuerpolitik18 im Plenum halten wird. Ihre Argumente sind als Veröffentlichung der Fraktions-Pressestelle als Anlage 319 beigefügt. Gerhard Koch bittet Lucie Kurlbaum-Beyer, sich im Zusammenhang mit möglichen Steuererhöhungen äußerst vorsichtig auszudrücken. Auf die Frage von Hans Geiger, ob das stark erhöhte Lohnsteueraufkommen bei stagnierendem Steueraufkommen behan- delt werde, antwortet Lucie Kurlbaum-Beyer, sie werde darauf hinweisen, daß wir auf einen Umbau, nicht jedoch auf eine Änderung heraus seien. Sie möchte das Problem nicht direkt behandeln, weil wir dann eine Debatte bekommen würden, die wir im Augenblick nicht haben wollen.

TO 3: Hans Stefan Seifriz berichtet über das Gesetz zur Besteuerung des Straßengüter- verkehrs20, einem wichtigen Bestandteil der Leberplan-Gesetzgebung. Das Gesetz kann am 1. Januar 1969 in Kraft treten, wenn es morgen verabschiedet wird. Die CDU hat im Ausschuß heute einen neuen Katalog mit 12 Änderungen vorgelegt. Wenn wir unserer- seits mit neuen Änderungsanträgen kommen, müssen wir mit einer Flut neuer Wünsche von seiten der CDU rechnen. Klaus Dieter Arndt wendet sich dem Ausschuß zu, der für die Festsetzung der Tarife bei der Binnenschiffahrt vorgesehen ist. Er sagt, das Einvernehmen mit dem Bundes- wirtschaftsministerium solle nicht zerstört werden. Wir kommen sonst auf dem Preis- sektor ins Schwimmen. Er stellt den Antrag, dem Votum des Wirtschaftsausschusses zu folgen, der die Regierungsvorlage wiederhergestellt haben will. Lucie Kurlbaum-Beyer möchte wissen, warum wir nicht selbst Anträge in petto haben, wo damit zu rechnen sei, daß die CDU Anträge stellen wird. Sie stellt die Frage der Quellen (Mineralwasser)21 zur Diskussion. wendet Klaus Dieter Arndt gegenüber ein, die vorgesehene Regelung sei marktkonformer, weil es ein paritätisch besetztes Gremium geben wird. Er wird die Tarife im Benehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium genehmigen. Auf diese Weise wird die Zuständigkeit nicht verwässert. Zu Lucie Kurlbaum-Beyer merkt er an,

18 Die Große Anfrage zur zukünftigen Steuerpolitik der Bundesregierung (BT ANL. 116, Drs. V/2208) wurde am 13. November 1968 von der FDP eingebracht. 19 Die Pressemitteilung, INFORMATIONEN, Nr. 552 vom 13. November, liegt dem Protokoll bei. Zum Wortlaut vgl. BT STEN. BER. 68, S. 10465–10473. 20 BT ANL. 118, Drs. V/2494. Die 2. Beratung fand am 13. November, die 3. Beratung am 27. Novem- ber statt.

21 Der Regierungsentwurf sah vor, Mineralbrunnen von der Besteuerung auszunehmen, vgl. § 2 6. d), Entwurf eines Gesetzes über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs, BT ANL. 118, Drs. V/2494.

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wir sollten keine Schleusen öffnen, weil dann auch Hersteller anderer Getränke mit Sonderwünschen kommen würden. Er bittet darum, die Fraktion solle sich auf den Standpunkt stellen, wir hätten zwar auch Wünsche, lehnten aber auch alle Sonderwün- sche, die von der CDU kommen, ab. Hans Stefan Seifriz kündigt an, daß wir am Schluß der Debatte vor der Frage stehen könnten, daß 15 Ausnahmeanträge mit den Stimmen der CDU und FDP angenommen werden würden. Wir müßten uns jetzt überlegen, welche evtl. koalitionspolitischen Folgen sich aus einer solchen Situation ergeben könnten. Er spricht über den Antrag zur Änderung des Grundgesetzes (siehe Anlage 4)22 und über den Änderungsantrag der Koalitions-Fraktionen zur Drucksache V/2494 (siehe Anlage 5)23 und empfiehlt der Fraktion, beide Anträge anzunehmen. Helmut Schmidt weist mit Nachdruck darauf hin, daß wir die Sitzung unterbrechen, falls es durch Zufallsmehrheiten von CDU und FDP dazu kommen sollte, daß einer oder zwei der CDU-Änderungs-Wünsche angenommen werde. Er verlangt, daß die Fraktion bei der Abstimmung vollständig anwesend ist und bittet Heinz Frehsee, ein Rundschreiben mit dem entsprechenden Hinweis herauszugeben. Georg Kurlbaum meint, wenn das bisherige Einvernehmen mit dem Bundeswirt- schaftsministerium in der Frage der Festsetzung der Tarife für die Binnenschiffahrt nun durch das Benehmen ersetzt werde, könnte dadurch ein Präjudiz geschaffen werden. Er weist besonders auf die Festlegung der Kollektiv-Verträge für den Güterverkehr auf der Straße hin. Er glaubt, daß dann die Angelegenheit einen größeren Rahmen erhalte. Willy Müller (Worms) sagt, er werde für zwei Abänderungsanträge für den Ausnahme- katalog stimmen, wenn sie eingebracht würden. Auf Nachfrage erklärt er, es handele sich um die Angelegenheiten »Futtermittel« und »Eier ohne Schale«. Helmut Schmidt stellt zusammenfassend die Meinung der Fraktion in sechs Punkten fest: 1. Über den Antrag von Klaus Dieter Arndt gibt es eine Abstimmung. Der Antrag wird abgelehnt. Es bleibt also bei der Fassung des Verkehrsausschusses, und die Fraktion stellt keinen Antrag auf der Grundlage der Fassung des Wirtschaftsausschusses. 2. Die Fraktion beabsichtigt, den von Hans Stefan Seifriz vorgetragenen Vorschlägen zu folgen. Dies wird bei einer Gegenstimme angenommen. 3. Die Fraktion hat nicht die Absicht, irgendwelche Einzelanträge aus anderen Fraktio- nen zu unterstützen, mit der Ausnahme, daß Willy Müller (Worms) im Eventual-Fall, wie angekündigt, bei zwei Anträgen anders stimmen wird als die übrige Fraktion. 4. Die Fraktion wird von sich aus keine zusätzlichen Anträge stellen. 5. Es besteht Einigkeit, daß die Fraktion notfalls außerordentliche prozedurale Maß- nahmen ergreifen wird, falls es zu unerwarteten Ereignissen kommen sollte. Die Voll- zähligkeit der Fraktion in der Sitzung ist bei den Abstimmungen ab 15 Uhr notwendig. 6. Die Redner werden Hans Stefan Seifriz, , Albert Tönjes, Walter Schmidt (Braunschweig) und im Bedarfsfalle weitere Mitglieder des Verkehrsausschusses sein. Helmut Schmidt bringt zum Ausdruck, es sei angebracht, am Schluß der Debatte einige politische Bemerkungen zu machen. TO 4: Martin Hirsch nimmt zu dem Entwurf des 0,8 Promille-Gesetzes aus den Häu- 24 sern Leber und Heinemann Stellung. Das Gesetz ist absolut richtig. Es gibt 4 000

22 Entwurf liegt dem Protokoll bei. BT ANL. 124, Drs. V/3483. 23 Entwurf liegt dem Protokoll bei. BT STEN. BER. 68, Umdruck 523, S. 10517. 24 Gesetzentwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes, BT ANL. 121, Drs. V/3002, 1. Lesung: BT STEN. BER. 68, 10489–10496.

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Verkehrstote im Jahr durch Alkoholeinfluß. Ab 0,6 Promille wird es im allgemeinen kritisch. Die mit Alkohol im Blut Angetroffenen sollen nicht vor den Kadi, sondern die Angelegenheit soll mit Bußgeld durch ein Ordnungswidrigkeitsverfahren geregelt wer- den. Der Arbeitskreis befürworte im Grundsatz die Annahme und die Fraktion sollte in der ersten Lesung zustimmen. In der Ausschußarbeit könnten noch Verbesserungen angebracht werden. Martin Schmidt gibt zu erkennen, daß er von dem Gesetz nichts hält und dagegen stimmen wird. Georg Leber stellt fest, die Bundesrepublik halte den Weltrekord an tödlichen Unfällen. Die europäischen Verkehrsminister aus 19 Ländern haben sich auf die 0,8 Promille-Grenze geeinigt.25 Länder, die diese Grenze bereits eingeführt haben, berichteten von einer beträchtlichen Eindämmung der tödlichen Unfälle. Helmut Schmidt läßt abstimmen. Die Fraktion entscheidet sich mit großer Mehrheit für die Annahme des Gesetzes. Zehn Mitglieder sprechen sich dagegen aus.

TO 5:26 Ulrich Lohmar berichtet, die Debatte soll in vier kurzen Beiträgen so geführt werden, daß vier Schwerpunkte herausgestellt werden. Erstens: Jochen Raffert wird sich mit der Bewertung der Regierungsantwort auseinandersetzen. Zweitens: Hans Matthöfer nimmt zu der verantwortlichen Teilnahme an Entscheidungsprozessen Stel- lung. Drittens: Paul Kübler beschäftigt sich mit Fragen des Bildungsurlaubs, und vier- tens: Ulrich Lohmar spricht zur Bundeszentrale für politische Bildung. Helmut Schmidt stellt fest, daß die Fraktion mit diesem Vorschlag einverstanden ist. TO 6: nimmt zu den Empfehlungen der von der Fraktion eingesetzten Arbeitsgruppe zur Behandlung der Wahlalterfrage Stellung.27 Die Empfehlungen haben auch der Entscheidung des Parteirats in Berlin zugrunde gelegen. (Vergleiche Anlage 6)28 Er geht auf eine Reihe von Gründen und Gegengründen ein, die in dem Papier im ein- zelnen erläutert sind. Er glaubt, wir sollten nicht zögern und uns an die Spitze derjeni- gen stellen, die das aktive und passive Wahlalter herabsetzen wollen. Wir sollten die Tendenz des FDP-Antrages29 im Prinzip bejahen.

Max Seidel berichtet über die Sitzung des Parteirates am 2. 11. 68 mit einem Rückblick auf die Entwicklung der Situation in dieser Frage seit dem Nürnberger Parteitag.30 Er

25 Die Konferenz der europäischen Verkehrsminister hatte auf ihrer Ministerratstagung am 14. Juni 1967 in Hamburg den Regierungen der Mitgliedsländer empfohlen, einen einheitlichen Alkohol- grenzwert von 0,8 Promille einzuführen. 26 Große Anfragen von FDP (BT ANL. 117, Drs. V/2356) und Koalitionsfraktionen (ebd., Drs. V/2380) betr. politische Bildung, und die Antwort des Innenministers (BT ANL. 123, Drs. V/3297); BT STEN. BER. 68, S. 10557–10586. 27 Zu der im Mai 1968 eingesetzten Arbeitsgruppe gehörten die Abgeordneten Westphal, Liehr, und Kern (vgl. INFORMATIONEN, Nr. 241 vom 9. Mai 1968). Die Arbeitsgruppe empfahl, das Alter für das aktive Wahlrecht auf 18 und für das passive auf 23 Jahre herabzusetzen. Die Frage einer Herabset- zung des Alters für Volljährigkeit und Ehemündigkeit sollte von der Bundesregierung im europäi- schen Rahmen weiter behandelt werden. 28 Liegt dem Protokoll bei. Der Parteirat beschloß auf einer gemeinsamen Sitzung von Parteirat, Partei- vorstand und Kontrollkommission am 2. November die Empfehlung, das aktive Wahlalter auf 18 und das passive auf 21 Jahre herabzusetzen. Vgl. SPD-PRESSEMITTEILUNGEN 500/68 c vom 2. November 1968. 29 BT ANL. 121, Drs. V/3009. Der Antrag forderte eine Herabsenkung des Alters für das aktive Wahl- recht auf 18, des passiven auf 23 Jahre.

30 Auf dem XIII. ordentlichen Parteitag der SPD in Nürnberg (17.–21. 3. 1968) war in einer Entschlie- ßung zum Wahlrecht festgestellt worden, daß die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Wahl- system eine besonders sorgfältige Prüfung und eine gründliche innerparteiliche Diskussion erfordere. Diese Diskussion habe jedoch noch nicht zu einer ausreichenden Klärung des Problems geführt. Die

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wehrt sich gegen die Meinung des Fraktionsvorstandes, der Parteirat habe lediglich eine Empfehlung gegeben. Er ist der Meinung, es habe sich um einen Beschluß gehandelt. Durch Verzögern in der Sache würden wir der Partei keinen guten Dienst erweisen. Hermann Schmitt-Vockenhausen stellt fest, der Arbeitskreis habe sich mehrfach mit der Angelegenheit beschäftigt, zuletzt heute morgen. Er setzt sich dafür ein, daß Heinz Westphal im Plenum für die Fraktion genau so abgewogen Stellung nehmen soll, wie vor der Fraktion. Heinz Westphal soll auch deutlich machen, daß er insgesamt positiv zur Frage der Herabsetzung des Wahlalters stehe. Klaus-Peter Schulz hält die diesbezüglichen Bestrebungen für übertriebene Jugendlich- keit und falsche Fortschrittlichkeit. Die Frage müßte objektiv und nach wissenschaftli- chen Überlegungen untersucht werden. Bei einer solchen Untersuchung müßte die Fragestellung ganz anders sein. Er befürchtet, daß bei der Jugend eine hektische physi- sche Überreife mit einer seelisch-geistigen Unreife Hand in Hand gehen. Er wird der Herabsetzung unter keinen Umständen zustimmen. Edith Krappe meint, wir müßten uns im Falle einer Herabsetzung auch in der Frage der Altersfestsetzung bei Straffälligkeit klar werden. Sie glaubt, man braucht zur Ausübung des passiven Wahlrechts mehr Erfahrung als sie ein 23-Jähriger oder gar ein 21-Jähriger mitbringen könne. Sie ist bestürzt über die Art und Weise, wie die Frage im Parteirat behandelt wurde. Bei der Abstimmung sei nicht einmal die Hälfte der Parteiratsmitglie- der anwesend gewesen. Karl Mommer beginnt mit dem Grundgesetz in der Hand und zitiert Art. 38.31 Wir sollten überlegen, ob die Empfehlung des Parteirats auch sachgerecht sei. Die Demokra- tie werde keinen Schaden nehmen, wenn wir das Wahlalter herabsetzen. Wir zerstörten aber die Demokratie, wenn wir in dieser Frage nicht nach sachlichen Notwendigkeiten entschieden. Er befürchtet, wir praktizierten eine Phonstärke-Demokratie. Es sei kein Zufall, daß in allen westlichen Demokratien das Wahlalter relativ hoch, in allen totalitä- ren Staaten des Ostens jedoch niedrig sei. Er erinnert an ähnliche Überlegungen in der Weimarer Zeit und fragt, ob sich im Grunde etwas geändert habe. Die gegenwärtigen diesbezüglichen Überlegungen in England wertete er als Wahlschlager für Labour, der nichts koste.32 Die Jugend ist mit 18 Jahren nicht reif, Rechte und Pflichten gehören zusammen. Die Befürworter einer Herabsetzung haben bisher ihre Position sachlich zu wenig be- gründet. Es muß alles noch gründlich bearbeitet werden. Die Angelegenheit gehört in die Arbeitskreise hinein, um dort verantwortungsbewußt entschieden zu werden. Unse- re Republik braucht Seriosität und Führung. Wir sollten nicht auf das öffentliche Ge- schrei eingehen. Harry Liehr ist erstaunt über die Fülle der Mißverständnisse, die sich in der Diskussion befinden. Er wundert sich, daß das Papier erst jetzt auf dem Tisch liegt. Es sei schon vor

endgültige Meinungsbildung werde durch den Bericht der vom Parteivorstand berufenen Wahl- rechtskommission erleichtert werden. Deren Arbeit sei noch nicht abgeschlossen, sie solle ihren Be- richt aber möglichst bald vorlegen. Vor der parlamentarischen Beschlußfassung sollten geplante Än- derungen des Wahlrechts zudem von einem ordentlichen SPD-Parteitag entschieden werden. Vgl. KUNDGEBUNGEN UND ENTSCHLIESSUNGEN 1968, S. 38 f. 31 Art. 38 Abs. 2 GG: »Wahlberechtigt ist, wer das einundzwanzigste, wählbar, wer das fünfundzwan- zigste Lebensjahr vollendet hat«. 32 Das von der britischen Regierung eingesetzte »Committee on the Age of Majority« hatte 1967 emp- fohlen, die Volljährigkeit, nicht aber das aktive Wahlalter, auf 18 Jahre herabzusetzen. Die Labour- Party hingegen plädierte dafür, auch das Wahlalter zu senken. Vgl. auch: »Nach Ritterart«, DER SPIEGEL, Nr. 38 vom 11. September 1967, S. 149.

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der Sommerpause fertig gewesen. Er zeigt sich enttäuscht von dem Taktieren in dieser Frage. Er ist der Meinung, die Angelegenheit sei bereits gründlich genug geprüft wor- den. Sie solle jetzt zusammen mit dem Antrag der FDP behandelt werden. Helmut Schmidt geht auf die Bemerkungen ein, die Harry Liehr zur Genesis des Pa- piers gemacht hat. Die Arbeitsgruppe der Fraktion sei auf seine Anregung hin einge- setzt worden. Sie hatte den Auftrag, das Material zu sichten und der Fraktion zur Ent- scheidung vorzulegen. Unabhängig von der Fraktions-Kommission ist die Frage im Wahlrechtsausschuß beim Parteivorstand und im jugendpolitischen Ausschuß behan- delt worden. Die Bemühungen seien dann miteinander verkoppelt worden. Insofern kann man nicht von einem dauernden Hin- und Herschieben des Problems reden. Die Fraktionsführung hat heute morgen in ihrer Sitzung keine retardierenden Anre- gungen gegeben. Der Vorstand hat empfohlen, den Antrag der FDP so zu behandeln, wie Heinz Westphal es vorgetragen hat.33 Er glaubt, daß es ohne Hearings wegen der schwerwiegenden Probleme nicht gehen werde. Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, als befürworteten wir die Herabset- zung des Wahlalters aus Opportunitätsgründen, als ließen wir uns leichtfertig auf eine Grundgesetzänderung ein. Er glaubt, daß wir mit der Darstellung von Heinz Westphal einen sehr seriösen Eindruck machen. Hans Geiger ist in der Sache noch nicht überzeugt. Er wendet sich konsequent gegen die Herabsetzung des passiven Wahlalters. Für Fritz Sänger steht die Antwort auf die Frage im Mittelpunkt: Wann ist der Mensch reif, eine politische Entscheidung zu treffen? Schon bei den Überlegungen zur Weima- rer Zeit sei er für eine Herabsetzung des Wahlalters gewesen. Es ist notwendig, die jungen Menschen in die Verantwortung zu nehmen. Zu Edith Krappes Ausführungen über das Zustandekommen des Beschlusses im Partei- rat fragt Max Seidel, wie es denn häufig mit der Fraktionsstärke bei Abstimmungen aussehe. Er glaubt, die Mitglieder des Parteirates sind in genügender Anzahl vertreten gewesen. Die Parteiratssitzung sei gerade in dieser Frage gründlich vorbereitet gewesen. Heinz Westphal stellt fest, die Befürworter der Herabsetzung des Wahlalters seien nicht Befürworter der von Karl Mommer so genannten Phonstärke-Demokratie und sie betrieben nicht Gefälligkeitspolitik. Er weist darauf hin, daß es große Unterschiede bezüglich der Reife eines Menschen auch unter älteren Menschen gebe. Er sagt, die von Klaus-Peter Schulz vorgetragenen Argumente seien durch die Ergebnisse der Wissen- schaft längst widerlegt. Er stellt die Frage, warum die CDU für eine Herabsetzung des Wahlalters sei. Er glaubt, daß die CDU davon ausgeht, daß die in Frage kommenden jungen Menschen noch starke Familienbindungen aufweisen, mithin potentiell eher geneigt sein könnten, die CDU zu wählen. Er wendet sich gegen Verallgemeinerungen bei der Behandlung dieser Frage, und er glaubt, daß bei den jungen Menschen ein Reform-Potential vor- handen ist, das für uns günstig sei. Helmut Schmidt stellt in der Zusammenfassung fest, was die Fraktion von Heinz West- phal als Redner im Plenum erwartet. Heinz Westphal solle die in der Fraktionsdebatte gemachten Anregungen beherzigen. Er soll zum Ausdruck bringen, daß die Fraktion nicht geschlossen seiner Meinung ist. Er soll sehr viel Sorgfalt darauf verwenden, daß er sich und uns völlig frei von dem Verdacht macht, wir seien opportunistisch. Er kann sogar so weit gehen zu sagen, daß wir wissen, daß die 18- bis 19-Jährigen sicher zu-

33 Vgl. Protokoll der Vorstandssitzung vom 12. November 1968, AdsD, SPD-BTF 5. WP, 233.

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nächst ein konservatives Element darstellen. Er schlägt vor, Heinz Westphal solle spre- chen, ohne sich bereits auf jede Einzelheit festzulegen.34 Die Fraktion stimmt bei einer Gegenstimme zu. TO 7: Heinz Frehsee berichtet über weitere Tagesordnungspunkte der Plenarsitzung und weist kurz auf die Einsetzung des von uns geforderten Untersuchungsausschusses zur Überprüfung der Situation der Abwehrdienste hin.35

TO 8: Willi Berkhan nimmt Stellung zu dem Gesetzentwurf der CDU/CSU zur Ver- besserung der personellen Lage der Bundeswehr. Es handelt sich um vier Gesetzent- würfe und dazu einen Entschließungsantrag.36 Der Arbeitskreis VIII37 hat zu der Materie ein Papier angefertigt, das Willi Berkhan bei seinen Ausführungen benutzt. Es ist als Anlage 7)38 beigefügt zusammen mit den An- trägen der CDU/CSU-Fraktion. An den Vortrag von Willi Berkhan schließt sich eine Diskussion an, an der sich Paul Kübler, Hans Geiger, Eugen Glombig, Lisa Korspeter und Arthur Killat beteiligten, und die durch gelegentliche Bemerkungen von Willi Berkhan und Helmut Schmidt angereichert wird. Es geht dabei um die Diskrepanz der Behandlung der Berufssoldaten und der Soldaten auf Zeit auf der einen Seite sowie der Wehrpflichtigen und der Kriegsbeschädigten auf der anderen Seite, im Zusammenhang mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes. Willi Berkhan gibt Paul Kübler recht, daß verschiedene Maßstäbe zur Anwendung gelangen, aber es handele sich auch um verschiedene Tatbestände. Das Gesetz sieht einen Katalog von neun Tätigkeiten vor, die in aller Regel nicht von Wehrpflichtigen ausgeübt werden, weil es sich um die Behandlung komplizierten technischen Geräts handelt. Im Verlauf der Diskussion taucht die Frage auf, ob dieses Gesetz nicht auch den Kriegs- und Verfolgungsschädenausschuß beschäftigen und ob diese Anregung nicht vielleicht im Ältestenrat verfolgt werden sollte. Vor allem Eugen Glombig macht auf den Zu- sammenhang mit der Lage der Kriegsbeschädigten aufmerksam. Wegen nicht zu über- sehender finanzieller Folgen und sich evtl. daraus ergebender politischer Konsequenzen wird aber am Ende beschlossen, die Anregung der Einschaltung des besagten Ausschus- ses fallen zu lassen. Die Fraktion entscheidet sich im Sinne der Empfehlungen Willi Berkhans, die vorlie- genden Gesetzesentwürfe und den Entschließungsantrag zu unterstützen. TO 9: Hans Stefan Seifriz sagt, die CDU soll eingeladen werden, unseren Antrag zur Verbesserung des Wirtschaftsergebnisses der Deutschen Bundesbahn (s. Anlage 8)39 mit zu unterschreiben. Er empfiehlt der Fraktion, den Antrag zu verabschieden, aber

34 Vgl. BT STEN. BER. 68, S. 10592–10595. 35 BT ANL. 124, Drs. V/3442; vgl. auch SPD-Fraktionssitzung am 29.Oktober 1968 (Teil 1), Anm. 16. 36 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes (BT ANL. 124, Drs. V/3489), eines 3. Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes (ebd., Drs. V/3491), eines 2. Gesetzes zur Än- derung des Unterhaltssicherungsgesetzes (ebd., Drs. V/3490) und eines 5. Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes (ebd., Drs. V/3488). Bis auf das Soldatenversorgungsgesetz, für das die FDP einen eigenen Antrag einbrachte, wurden die Gesetze von allen drei Fraktionen gemeinsam ein- gebracht. 1. Lesung war am 29. November 1968. 37 Sicherheitsfragen. 38 Liegt dem Protokoll bei. 39 Entwurf liegt dem Protokoll bei.

Copyright © 2016 KGParl Berlin 9 SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 12. 11. 1968

noch nicht eher zu veröffentlichen, bis die Zustimmung der CDU vorliegt. Der Antrag hat einige finanzielle Folgen. Deshalb hat er den sehr vorsichtig abgefaßten Vorspann. Helmut Schmidt stellt fest, der Zeitpunkt für die CDU-Einladung muß noch in dieser Woche sein. Walter Langebeck hat Sorge, daß insbesondere die Änderung des Eisen- bahnkreuzungsgesetzes sich zu Lasten der Gemeinden auswirken könnte. Helmut Schmidt sagt, es würden sicher noch andere Einwände aus anderen Richtungen kom- men. Der Antrag verfolge die Absicht, die Angelegenheit zunächst einmal nur auf den Weg zu bringen. Holger Börner stellt fest, daß eine spätere Annahme des Antrages nicht nur eine Hilfe für den Verkehrsminister40 darstelle, sondern sich auch sehr günstig für die Bedienste- ten der Bundesbahn auswirken werde. Wegen der zu erwartenden und jetzt noch nicht zu überschauenden finanziellen Folgen regt Helmut Schmidt an, in Zeile 5 des Vorspanns nach dem Komma vor »folgende« die fünf Worte »für einen noch festzulegenden Zeitpunkt« einzufügen. Unter diesem Aspekt ist die Fraktion mit der Behandlung des Antrages einverstanden. TO 10: Rudi Hauck berichtet über seinen Besuch bei den Olympischen Spielen in Me- xiko.41 Er hält es für wichtig, daß auch vier Abgeordnete gegenüber mehr als 100 Män- nern aus der Verwaltung des Bundes und der Länder in Mexiko anwesend waren. Er erläutert, daß Benda in Mexiko und Umgebung schlecht angekommen sei, Jochen Vogel dagegen sehr gut.42 Er weist auf die Notwendigkeit einer intensiveren Förderung des Sports und des Sportstättenbaus hin und zieht aus seinen Erfahrungen Konsequenzen für die Chancen Münchens bei der Ausrichtung der Olympischen Spiele des Jahres 1972.43 Helmut Schmidt regt an, daß Rudi Hauck seinen vor der Fraktion gegebenen Vortrag zu Papier gibt und ihn zusätzlich in geeigneter Weise veröffentlicht. Er fragt, wer ei- gentlich in der Fraktion in die Vorbereitung der Olympischen Spiele in München einge- schaltet sei. Er schlägt vor, daß ein kleines Papier zur Orientierung der Fraktion ange- fertigt und im Januar nächsten Jahres vorgelegt wird, unter dem besonderen Aspekt zu überlegen, was Jochen Vogel für seine Arbeit gebrauchen könnte. Die Fraktionsge- schäftsführung soll dafür sorgen, daß in dieser Frage ein entsprechendes Team zusam- mengestellt wird.

Der TO-Punkt »Verschiedenes« entfällt. Helmut Schmidt schließt die Sitzung.

40 Georg Leber. 41 Die XIX. Olympischen Sommerspiele fanden vom 12. bis 27. Oktober 1968 in Mexiko statt. 42 Zum Auftreten Bendas und Vogels in Mexiko vgl. »Nach den Zweiten wird kaum noch gefragt«, DER SPIEGEL, Nr. 43 vom 21. Oktober 1968, S. 162 ff. 43 München richtete vom 26. August bis 11. September 1972 die XX. Olympischen Sommerspiele aus. Hans-Jochen Vogel war als Münchener Oberbürgermeister maßgeblich daran beteiligt, daß die Stadt den Zuschlag als Austragungsort erhielt.

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