Sikorski, Sandra Differenzierungsprozesse in städtischen Schullandschaften: Das Beispiel der Hauptschulen

Zeitschrift für Pädagogik 53 (2007) 3, S. 284-298 urn:nbn:de:0111-opus-43974

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Inhaltsverzeichnis

Thementeil:Regionale Schulentwicklung

Bernd Zymek Einführung in denThementeil. Die AktualitätderregionalenSchulentwicklung alsGegenstand derempirischenBildungsforschung ...... 279 SandraSikorski DifferenzierungsprozesseinstädtischenSchullandschaften:DasBeispiel derHauptschulen...... 284 ThomasHauf Innerstädtische Bildungsdisparitäten anderÜbergangsschwelle von den Grundschulen zumSekundarschulsystem ...... 299 Hermann Budde Die Entwicklung regionalerSchulstrukturen in peripheren ländlichen Räumenunterdem ParadigmademografischerSchrumpfung ...... 314 Bernd Zymek/JuliaRichter International-vergleichende AnalyseregionalerSchulentwicklung: Yorkshireund Westfalen...... 326 DeutscherBildungsserver LinktippszumThema„Regionale Schulentwicklung“...... 351

AllgemeinerTeil

JohannesGiesinger WasheißtBildungsgerechtigkeit?...... 362 Katrin Kraus Die „berufliche Ordnung“imSpannungsfeld von nationalerTraditionund europäischerIntegration...... 382

I Besprechungen

Heinz-ElmarTenorth BirgitOfenbach:GeschichtedespädagogischenBerufsethos...... 399 JürgenReyer SabineAndresen/IsabellDiehm (Hrsg.):Kinder,Kindheiten,Konstruktionen...... 402 VeraMoser ChristianLiesen:Gleichheitalsethisch-normativesProblem der Sonderpädagogik...... 405 NicoleWelter WernerHüllen/FriederikeKlippel (Hrsg.):Sprachen derBildung –Bildung durchSprachenimDeutschland des18. und 19.Jahrhunderts...... 407

Dokumentation

Habilitationen und Promotionen in Pädagogik2006 ...... 410 Pädagogische Neuerscheinungen...... 435

II 284 Thementeil

SandraSikorski Differenzierungsprozesseinstädtischen Schulland- schaften:DasBeispiel derHauptschulen

Zusammenfassung: Städtemiteinerdifferenzierten Berufs-und Sozialstrukturweisen in der Regel auchdifferenzierteSchulangebotsstrukturen auf,die überdieamtliche Differenzierung nachSchulformenhinausgehen. DieseBeobachtung machtdie Differenzierung von Schulenglei- cherSchulformenzu einemThemaderregionalenSchulentwicklungsforschung. Die Erhebungen derstatistischenLandesämterhaben einenDifferenzierungsgraderreicht,dereserlaubt,aufder Grundlage amtlicherDaten dieseProzessezu analysieren.Indiesem Beitragwerdendie Daten exemplarischfür die Hauptschuleninzwei Großstädten im Bundesland NRWausgewertet.In- nerhalbderHauptschullandschaften sindjeweilsstadtspezifische Differenzierungsprozessezu be- obachten,diesichdurcheineinoffizielleAufgabenteilung einzelnerHauptschulenäußern.

1. Einleitung

Dasdreigliedrige Schulsystem wirdneuerdingsauchdurchden demographischenWan- delinFrage gestellt.Dertatsächliche und prognostizierteRückgang derSchülerzahlen führtedazu,dass in den Schulgesetzen einerReihevon Bundesländernverschiedene Formenvon Verbundsystemen vorgesehensind. Von dieserEntwicklung scheinenbis- hervorallem HauptschulenländlicherRäume betroffen zu sein;dasgiltinsbesondere für einige ostdeutsche Bundesländer,in denen sichdie Folgen desBevölkerungsrück- gangsaufdrastische Weisezeigen (vgl.Nieke2000;Leschinsky2003; BeitragBuddein diesem Band). Instädtischen Räumenstellen sichdie Folgendesdemographischen Wandelsanders dar.Hiersindneben dem Bevölkerungsrückgang auchandereDimen- sionendesdemographischenWandelswie regionale Wanderungsbewegungen und in- ternationalerZuzugvon Bedeutung.Die daraus folgenden Prozessedesstädtischen Strukturwandelsführen zu kleinräumigenSegregationsprozessen,dieeinesoziale Pola- risierung derStadtviertel zur Folgehaben (vgl.Friedrich1999;Ottersbach2003). Die TransformationlokalerSchulangebotsstrukturen wirddavon maßgeblichbeeinflusst (vgl.Schroeder2000; Strohmeier/Kersting2002). DasHauptschulangebotund derStel- lenwert dieserSchulformsinddavon in besondererWeisebetroffen. DieserBefund zeig- tesichinempirischenStudien,diedie Hauptschulen aufgrund sozialräumlicherBedin- gungsfaktoren spezifischenStandort-oderKontexttypenzuordnen(vgl.Klemm/Till- mann 1997; Lumer/Nyssen 2005;Baumert/Stanat/Watermann 2006). Währenddiese Untersuchungen alsüberregionalerVergleichangelegtwaren,sollenindiesem Beitrag verschiedeneDimensionenvon schulforminternenDifferenzierungsprozessen inner- halbstädtischerSchullandschaften im Zentrumstehen. Innerstädtische Vergleiche von Schulen gleicherSchulformwurden bisher–auchwegen desfehlenden differenzierten Datenmaterials–nur selten untersucht(z.B.Arnoldzitiert nachBellenberg2005).Die

Z.f.Päd–53.Jahrgang 2007–Heft3 Sikorski:DifferenzierungsprozesseinstädtischenSchullandschaften 285 amtliche Schulstatistik in NRWbietetneuerdingssehrdifferenzierteAngaben zu ein- zelnen Schulenund nichtmehrnur Globaldaten zumVergleichübergeordneterRaum- kategorien. Die Auswertung diesesDatenmaterialsermöglichtheuteeinekleinräumige Analysevon städtischenSchulangebotsstrukturen auchaufdereinzelschulischenEbene. Bishervorliegende Auswertungen dieserDaten belegen,dass dieKonkurrenzsituation städtischerGymnasieneineTypisierung von EinzelschulenhinsichtlichderRekrutie- rung ihrerSchülerklientel bewirkt(vgl.Zymeku.a.2006,S.214;Sikorski 2007). Indie- sem BeitragsolldasDatenmaterialexemplarischzurAnalysevon Differenzierungspro- zessen innerhalbvon städtischenHauptschullandschaften ausgewertetwerden. ImZusammenhang einersolchenAnalysestädtischerHauptschulenstelltsich–ne- ben derProblematik desallgemeinen Schülerrückgangs,derdieHauptschulen zum quantitativen VerliererderBildungsexpansionmachte(vgl.Leschinsky2003; Rösner 1998) –vorallem dieFrage nachderZusammensetzung derandieserSchulformver- bleibenden Schülerschaft(vgl.Solga/Wagner2000). InderHierarchiedesstaatlichen SchulsystemskommtHauptschulenfaktischdie Aufgabezu,Schülerinnen und Schüler mitunterschiedlichenHerkunftsmerkmalen zu integrieren.Neben Kindernaus bil- dungsfernenMilieus sinddiesin städtischen Räumenvorallem SchülermitMigra- tionshintergrund (vgl.Karakasoglu/Nieke 2002; Kristen 2003). Die spezifische Zusam- mensetzung derHauptschulpopulation konstituiert sichbereits währenddesÜbergangs nachdervierten Klasse. Die bisherpraktizierteÜbergangsdiagnostik,die nachweislich nichtnur meritokratischenPrinzipien folgt,begünstigtdieüberproportionale Überwei- sung von Kindernmiteinem bestimmten sozialen,aberauchethnischenHintergrund andie Hauptschulen (vgl.Lehmann/Peek1997; Bosetal. 2004;vanOphuysen 2006). Die einmalgetroffene Übergangsentscheidung ist nur schwerzurevidieren.Die oft geforderteDurchlässigkeitdesgegliederten Schulsystemsgestaltetsich–wennsie über- hauptgenutzt wird–vielfachalsEinbahnstraße:DerAnteil derAbsteigeraus höheren Schulformenist weitaus höheralsderderAufsteiger(vgl.Rösner1997; Klemm/Bellen- berg2000;Bellenberg2005).Schüleraus Hauptschulenwechselnselten in Realschulen oderGymnasien,eherzeigen sichdie Hauptschulenals„Sammelbecken“ für absteigen- de Wechsler.Diesführt zu einerVerschärfung derProblemlagenindieserSchulform; entlastetabergleichzeitig dieanderen Schulformen(vgl.Rösner1998;Lumer/Nyssen 2002). Daraus resultieren wiederumschulinterne Selektionspraktiken,wie z.B.Klassen- wiederholungen,dieinHauptschulen besonders häufigvorkommen(vgl.imBrahm 2005). DasErgebnisdieserAuslesemechanismenist einesehrleistungsheterogene,aber häufigsozialund auchteilweiseethnischhomogene Schülerpopulation (vgl.Tillmann 2005;Lenhardt2005). DieseProblemkonstellationist seitJahren sowohl Gegenstand politischeralsaucherziehungswissenschaftlicherKontroversen (vgl.z.B.Rösner/Rekus 2002),ohnedass einebefriedigendeLösungsperspektiveentwickeltwurde. Die Hauptschule reagiert aufsozialräumliche Konstellationenbesonders kontextsen- sibel.Sie ist diejenigeSchulform,„deren akademischerArbeitserfolg amstärksten durch kritische Kompositionsmerkmale beeinflusst und beeinträchtigtwird“ (Baumert/ Stanat/Watermann 2006,S.159). Deshalbsollindiesem Beitraguntersuchtwerden,wie Hauptschulen in zwei unterschiedlichenstädtischenKontexten mitden beschriebenen 286 Thementeil

Rahmenbedingungen umgehen. Basierendaufausgewählten Ergebnissen einerDisser- tation1 wirdfolgende ThesezurDiskussion gestellt: Die vielfältigen Problemlagen,mitdenendie Hauptschule in urbanenKontexten konfrontiert ist,führen zu jeweilsortspezifischenDifferenzierungsprozessen innerhalb derHauptschullandschaft,dieeineunterschiedliche inoffizielleAufgabenverteilung an einzelneSchulenzurFolge haben.DiesesindoftnichtdasErgebniseinesgewollten pä- dagogischenProfils,sondernmüssen eheralsBearbeitungsstrategiendermassierten Problemlagen,mitdenen dieSchulformkonfrontiert ist,interpretiert werden. Daraus ergeben sichfolgendeFragestellungenfür dienachfolgende Analyse:Welche ortsspezifischenKonstellationensindinden Städten zu finden,die die Differenzie- rungsprozessezwischenHauptschulen verursachenoderverstärken? Handeltessich dabei umstadttypische Musteroderumgenerellwirksame Prinzipien? Abschließend solldiskutiert werden,welchen Stellenwert dieErgebnissederRegio- nalanalysefür aktuelle ThemenderSchulentwicklungspolitik und -forschung haben.

2.DifferenzierungsprozessestädtischerHauptschulen

2.1 Datengrundlage

Die folgendenAnalysen basieren aufden jährlichenErhebungen deramtlichenSchul- statistik in NRW.Durchdie Weiterentwicklung derQualitätderStatistik eröffnensich neueAnalysemöglichkeiten gerade auchaufeinzelschulischerEbene. Von besonderem Interessesindindiesem Kontext Daten,dieAuskunftüberdieMobilitätvon Schüler- strömen innerhalbstädtischerSchullandschaften geben: Die seitdemSchuljahr2001/02erhobenen Daten zumÜbergang vom Primar-in den SekundarschulbereichmacheneinedifferenzierteAuswertung derVernetzung von Grund- und Hauptschulen möglich. Berücksichtigtwurdendie Daten für dieSchuljahre 2001/02 bis2003/04. AlleAussagenbeziehensichaufdie ermittelten Durchschnitts- wertedesZeitraums.Die Ergebnissezu dieserDimensionsollenhierjedochnur über- blicksartig dargestelltwerden,währendderSchwerpunktaufderAnalysederDaten zu denSchulformwechslernliegt.Eineausführliche Darstellung derÜbergängevon den Grundschuleninausgewählteweiterführende SchulformenfindetsichinSikorski 2007. Zuden Schulformwechslernbietetdie amtliche Schulstatistik seitdem Schuljahr 2004/05eineverbesserteDatenbasis,danichtmehrnur die Herkunftsschulformder

1vgl.SandraSikorski:„Schulentwicklung und urbanerStrukturwandel:Münster,Recklinghau- sen und BochumimVergleich“.Verfasstim Rahmen desForschungsprojektes„Profilbildung und Kooperation.VergleichendeAnalyselokalerund regionalerSchulangebotsstrukturen auf derSekundarstufe in den Städten ,Münster,Recklinghausen und demKreisStein- furt“,gefördert aus den MittelndesInnovationsfondsNRW.Projektleitung:Prof.Dr.Bernd Zymek. FachbereichErziehungswissenschaftund Sozialwissenschaften derUniversitätMüns- ter. Sikorski:DifferenzierungsprozesseinstädtischenSchullandschaften 287

Wechslerangegeben wird,sondernauchdie spezifische Herkunftsschule. Ebenfallsdo- kumentiert werdendasGeschlecht,derBürgerschaftsstatusund derVersetzungsstatus allerSchülerinnenund Schüler.Eskönnen jedochkeineAussagen überden Verlaufein- zelnerBildungsbiographien –wie z.B.überWechsel zu einemfrüheren Zeitpunkt–ge- machtwerden,dadieamtliche Schulstatistik bishernichtaus Individualdaten generiert wird(vgl.Bellenberg2005). Indiesem BeitragsolldasneueDatenmaterialzu derDi- mensionSchulformwechsel exemplarischfür dasSchuljahr2004/05ausgewertetwer- den.Bei den Ergebnissen handeltessichalsoumeineMomentaufnahme,dieinden folgenden Jahren durchweitereAnalysen ergänzt und geprüftwerden müsste. DerWechsel zwischenSchulformeninnerhalbvon NRWist in derAusbildungs-und Prüfungsordnung für dieSekundarstufe I(APO–SI)geregelt.WährendderKlassen 5 und 6empfiehltdie ErprobungsstufenkonferenzderSchule denElternunterUmstän- den einen Schulformwechsel,dendiesedann ggf. beantragenmüssen (vgl.§11). Ab Klasse7sollen hingegenWechsel nur nochaufWunschderElternstattfinden.Die Ver- setzungskonferenzderabgebenden Schule entscheidetletztlichdarüber,obderSchüler für diegewünschteSchulformgeeignetist und in welcherJahrgangsstufe die Einschu- lung dort stattfinden soll(vgl.§13). Wechsel in höhereSchulformen,die nachderBe- endigung des10.Schuljahreserfolgen,sindandasErreichen spezifischerschulischer Leistungengebunden (vgl.§41). InderAnalysewerden sowohl die Aufnahmealsauchdie Abgabevon Schülern durchdie untersuchten Hauptschulen für dasSchuljahr2004/05berücksichtigt.ImFall derAufnahme durchdie Hauptschulen werden auchWechslervon Schulenaußerhalb derbeidenStädteeinbezogen,im Fall derAbgabenur dieanSchuleninnerhalbvon Münsterbzw.Bochum,danur dieDatensätzefür dieausgewählten Untersuchungsräu- me zurVerfügung standen. Die Anzahl derSchulformwechslervon außerhalbist soge- ring,dass deshalbkeinerderHauptschulen ein überregionalesAufnahmeprofil zuge- schrieben werden kann.InderStadtBochumliegtderAnteilderWechsleranHaupt- schulen (Aufnahmen und Abgaben)gemessen anderAnzahl derGesamtschülerzahl der Schulformmit11,9% (407 Wechsel)leichthöheralsin Münstermit10,1% (322 Wech- sel). Die Verteilung deraufgenommenenWechsleraufdie verschiedenen Jahrgangsstu- fen zeigt,dass in beidenStädten derSchwerpunktderAufnahmen in Klasse7liegt.Dies kann alseinHinweisgewertetwerden,dass dieErprobungsstufe nichtihreramtlichen Funktiongerechtwird.

2.2Lokalspezifische Hauptschullandschaften 2.2.1 Übergänge nachKlasse4

Inbeiden Städten existieren unterschiedliche Kontextbedingungen für dieSituationder Hauptschulen,diealsErgebniseinerjeweilsspezifischenkommunalenSchulpolitik ge- wertetwerdenkönnen: ImHinblickaufdie Übergängevon den Grundschulensindzwei stadtspezifische Konstellationenbesonders folgenreich. Die erstebestehtdarin,dass in Bochumeineder 288 Thementeil neunHauptschulen denStatuseinerkatholischenKonfessionsschule besitztund somit ihreSchülerungeachtetderSchuleinzugsbereiche auswählen kann (vgl.Hauptschulein- zugsbereichsverordnung StadtBochum1991/1997)–im Gegensatz zurStadtMünster, in deralleachtHauptschulenGemeinschaftshauptschulensind. Derzweitestrukturelle Unterschied bestehthinsichtlichderRegelungen zu den Schuleinzugsbereichen:Inder StadtMünsterexistieren keineSchuleinzugsbereiche für dieweiterführendenSchulfor- men(vgl.Greiwe2001). Dagegengibtesin Bochumeinespezifische räumliche Zuord- nung von Grundschulenund Hauptschulen (vgl.Hauptschuleinzugsbereichsverord- nung StadtBochum1991/1997). DieseunterschiedlichenschulpolitischenStrategien führen in beiden Städten zu einerinformellen Typisierung von Hauptschulen,diesich alsEinteilung in Stadtteilschulen , Sammelschulen und Vorortschulen systematisieren lässt. InderStadtMünsterkönnen drei Hauptschulenals Sammelschulen charakterisiert werden,dasie aus vielen Grundschulen derStadtSchüleraufnehmen.Damitist gleich- zeitig eine„Aufgabenteilung“ zwischendiesen Schulenverbunden,dienichtzufällig sein kann:EinederSchulenweist denstädtischhöchsten Anteilvon Kindernaus Spät- aussiedlerfamilien auf,währendeineandereden höchsten AnteilausländischerSchüler integriert.AnbeidenSchulenmachen dieseAnteile derjeweiligenMigrantengruppen annähernd dieHälftederSchülerschaftaus.Die dritte Sammelschule hatein spezifisches Integrationskonzeptund sprichtvorallem KindermitMigrationshintergrund an,die nichtüberKenntnissederdeutschenSprache verfügen. Zwei weitereHauptschulen las- sen sichals Stadtteilschulen charakterisieren,dasie ihreSchülerschaftfast ausschließlich aus demeigenen Stadtviertel rekrutieren.AlsextremesBeispiel zeigen sichhierdie Schulen in zwei nördlichenStadtteilen,diefast 100%ihrerSchülerschaftaus Grund- schulendereigenen Stadtteile aufnehmen. Die Hauptschulensindhierin derLage,sich alleinaus denÜbergängen im Viertel zu tragen. Die übrigen drei,als Vororthauptschulen einzustufendenSchulenliegeninRandbezirkendesStadtgebietesund sinddort Be- standteil desstadtteileigenendreigliedrigenSchulangebots.IhreSchülerschaftsetztsich zu großenTeilen aus den GrundschulkindernihresStadtbezirkszusammen,aberauch aus SchülernderexurbanenGemeinden derangrenzenden Kreise(vgl.Zymeku.a. 2006; Sikorski 2007). InderStadtBochumergibtsichdurchdie Existenzvon Schuleinzugsbereichenfür diestädtischenHauptschuleneineengereKopplung anden jeweiligenStadtteilbzw. Stadtbezirk. Diesist besonders ausgeprägtbei zwei in starkunterprivilegierten Stadttei- lendernördlichenInnenstadtgelegenen Stadtteilschulen .DieseStadtteileweisen im städtischenVergleichdie höchsten AnteileausländischerBevölkerung auf. Diesspiegelt sichinderZusammensetzung derSchülerschaftderbeidenSchulenwider:Imstädti- schenVergleichfinden sichhierdie höchsten Anteile von ausländischenSchülern. Eine weitere,im Südwesten derStadtgelegeneSchule weist ebenfallseinenhohenMigranten- anteilauf,dersichjedochannähernd zurHälfteaus ausländischenSchülernund Schü- lernaus Aussiedlerfamilien zusammensetzt.DieseSchule weist den höchsten Anteilan Aussiedlernauf. Sie liegtzwarin einem Viertel mitüberdurchschnittlichemSozialindex, beziehtihreSchüleraberfast ausschließlichaus einem benachbarten Stadtteil,der Sikorski:DifferenzierungsprozesseinstädtischenSchullandschaften 289

1. Aufnahmevon Schulformwechslern

Tab. 1.1: Richtung der Schulformwechsel

Schüler insg. Wechsel Aufstieg Abstieg gleiche Schulform

insg. in %insg. in %insg. in %insg.in%

StadtBochum3412 231 6,8% 14 6,1% 154 66,7%6327,3%

StadtMünster3207 179 5,6% 32 17,9%8748,6% 60 33,5%

Tab. 1.2: Aufnahme von …

FÖ in %HSin% RS in %GYin% GE in %Min %Xin %Summe

StadtBochum 14 4,1% 42 12,3% 147 43,0% 72,0% 21 6,1% 109 31,9% 20,6% 342

Stadt Münster 32 14,7% 55 25,3% 86 39,6% 10,5% 52,3% 38 17,5% 217

2. Abgabe von Schulformwechslern

Tab. 2.1: Richtung der Schulformwechsel

Schüler insg. Wechsel Aufstieg Abstieg gleiche Schulform

insg. in %insg. in %insg. in %insg. in %

Stadt Bochum 3412 65 1,9% 35 53,8% 18 27,7% 12 18,5%

Stadt Münster 3207 105 3,3% 30 28,6% 34 32,4% 41 39,0%

Tab. 2.2: Abgabe an …

FÖ in %HSin% RS in %GYin% GE in %Min %Xin %Summe

StadtBochum1827,7%1218,5%913,8%1218,5% 14 21,5% 00 65

StadtMünster 34 32,4%4139,0%2321,9%7 6,7% 00105

konzentriertesoziale Problemlagenaufweist (vgl.Hartkopf 2006). VierweitereHaupt- schulen versorgenals Vorortschulen dieRandgebietederStadt,auchdort finden sichin einigen SchulenteilweisesehrhoheMigrantenanteile. Die einzigestädtisch-katholische Hauptschule durchbrichthingegen durchihren konfessionellen Statusden Stadtteilbe- zug,dasie einerseits ihreSchülerauswählen kann und andererseits ungeachtetder 290 Thementeil

Schuleinzugsbezirke angewähltwird. Folglichkann sie als Sammelschule typisiert wer- den,dieSchüleraus über20Grundschulenaus verschiedenen,auchweiterentfernten Stadtteilen aufnimmt.Imstädtischen Vergleichweist dieseHauptschule die niedrigsten Migrantenanteileauf. Die Betrachtung derHerkunftsländerderausländischenSchüler zeigtzudem,dass sichimGegensatz zu den anderen Hauptschulenkeine Kindertürki- scherHerkunftfinden,sondernvorrangig Schüleraus Polen,Spanien und Italien(vgl. Sikorski 2007).

2.2.2Wechsel während derSekundarstufe

Derunterschiedliche AusbaudesAngebotesanGesamtschuleninbeiden Städten wirkt sichaufdie Wechslerströmezwischenden SekundarschulenderStädtefolgenreichaus: WährendinBochuminden letzten Jahrzehnten sechsGesamtschuleneingerichtetwur- den,gibtesin derStadtMünsternur eineGesamtschule,diesichinderTrägerschaftdes Bistumsbefindetund ihreSchülerschaftauswählen kann. Dieseunterschiedlichenstäd- tischen Schulangebotehaben weitreichende Konsequenzen für die Stellung derHaupt- schule im Gesamtsystem und die Chancen ihrerSchüler:InderStadtMünsterbeträgt diedurchschnittliche Übergangsquotevon den Grundschulen in dieHauptschulen währenddesUntersuchungszeitraums16,4%,in Bochumnur 9,2%. Daserscheintkon- sequent.Darüberhinaus trägtaberdasunterschiedlichausgebauteGesamtschulangebot zur Entstehung städtischerMusterbeimWechsel zwischenSekundarschulenbei: InderStadtMünstergibtesnichtzuletzt wegen derkirchlichenTrägerschaftderGe- samtschule keineWechsel innerhalbderSekundarstufe Izwischenden Hauptschulen derStadtund dieserSchule. Sehrmarginale Austauschprozessefindenallein miteiner Gesamtschule aus einerangrenzendenGemeindestatt (vgl.Tab.1.2). Diesist besonders folgenreichimHinblickaufeinen Wechsel von denHauptschulenindie Sekundarstufe II: InBochumwechselnca.40%dervon denHauptschulenabgegebenen Schulform- wechslerin diegymnasiale Oberstufe,davon mehralsdieHälfteindie Oberstufe der Gesamtschulen. Somitstellen die Gesamtschulenfür ein Fünftel derwechselnden Schü- lerein„Sprungbrett“indie gymnasiale Oberstufe dar(vgl.Tab.2.2). InMünsterbe- schränken sichdie Aufstiege2 dagegenvorrangig aufWechsel zu denRealschulen,der AnteilderAufstiege in diegymnasiale Oberstufe beträgtin Münsternur 6,7%(vgl. ebd.). OffensichtlichfehlthierdieIntegrationskraftderGesamtschulen,dieinBochum neben den GymnasienHauptschülerneinen Anreizbieten,ihreSchullaufbahn in der Sekundarstufe II fortzusetzen.Dasist ein Grund dafür,dass derAnteil derAufsteiger, dieinhöherqualifizierende Schulformenübergehen,anden BochumerHauptschulen mit53,9% deutlichhöherausfälltalsin Münstermitnur 28,6%(vgl.Tab.2.1).

2AlsAufstiege werden Wechsel von Förderschulen in die Hauptschulen gewertet.Hinzu kom- menWechsel von Hauptschulen zu Realschulen und Gymnasiensowie in die gymnasiale Oberstufe derGesamtschulen.Wechsel von denGymnasienund Realschulen in dieHaupt- schulen werden alsAbstiege verrechnet.Wechsel zwischenHauptschulen und Gesamtschulen werden alsWechsel zwischengleichwertigen Schulformenbetrachtet.Eine Ausnahme ist der Wechsel von Hauptschulen in die gymnasiale Oberstufe derGesamtschulen. Sikorski:DifferenzierungsprozesseinstädtischenSchullandschaften 291

Betrachtetmandie Wechsel zwischenSchulengleicherodergleichwertigerSchul- formen,sozeigtsich,dass aus derfehlendenZusammenarbeitmitderGesamtschule in MünstereinsehrhoherÜbergang zwischenden Hauptschulen resultiert,währendin BochumimBereichderaufgenommenenWechsel,auchderAustauschmitdenGe- samtschuleneineRolle spielt(vgl.Tab.1.1/1.2). Daneben ist derAusbaudesFörderschulangebotesin beidenStädten von großerBe- deutung für die Hauptschulen(vgl.Sikorski 2007). InderStadtMünsterfindeteinreger AustauschmitdenFörderschulenstatt.Die PerspektivederaufnehmendenHauptschu- lenzeigt,dass in beidenStädten –gemäßdem Landestrend–dieAbstiegeaus höher qualifizierenden Bildungsgängen überwiegen,in BochumliegtderAnteilbei 66,7%,in Münsterhingegennur bei 48,6%(vgl.Tab.1.1).Dieserklärt sichvorallem durchden deutlichhöheren Anteil anAufsteigerninMünster:17,9% derWechslerkommenaus Förderschulen (davon einDrittel aus derFörderschule mitdemSchwerpunkt„Ler- nen“),im Gegensatz zu nur 6,1% in Bochum(vgl.Tab.1.2). Gleichzeitig sindinMüns- ter,wie auchinBochum,Übergängeindie Förderschulen zu verzeichnen,diedie An- zahl deraufgenommenenWechslerübersteigen.Derhohe Anteilvon Aufsteigernaus derFörderschule,den dieHauptschuleninMünsteraufnehmen,wirdalsodurchdie hoheÜberweisung andieseSchulform,meist andie FörderschulenmitdemSchwer- punkt„Lernen“,relativiert.

2.2.2.1 Schulspezifische Antworten aufkomplexeProbleme:innerschulische Differenzierungsprozesse

Die aufderEbenederSchulformbeobachteten Unterschiede haben auchEinflussauf dieWechslerströmezwischenden einzelnenSchulen. DerVergleichderHauptschul- landschaften derbeidenStädtezeigt,wie schonbeim Übergang in dieGrundschulen, eineinformelle„Aufgabenteilung“ zwischenden einzelnen HauptschulenimHinblick aufdie Versorgung spezifischerGruppen von Schulformwechslern. Dieselassen sichin drei Gruppen einteilen: SchülermitMigrationshintergrund, nichtversetzteSchüler und SchülerandererSekundarschulen. DieseGruppen von Schülerntreten in beidenStädten alseinezu betreuende und zu verteilende Klientel auf. Wie sie verteiltund betreut wer- den bzw.welche einzelnenSchulendiesübernehmen,erfolgtnacheinem stadtspezifi- schen,nichtzufälligen Verfahren. InMünsterlassen sicheinerseits Schulenunterscheiden,dieimHinblickaufdie Wechsel (Aufnahme und Abgabe) eine höhere„Fluktuation“ aufweisen alsandere,dies sinddie SchulenB, C, G, H 3 und andererseits Schulen,in denen Wechsel eine unterge- ordneteRolle spielen,wie z.B.E.Zudem gibtesUnterschiedeinden einzelnenHaupt- schulen im Hinblickaufdie Relationvon Aufnahmeund AbgabederWechsler. Darüberhinaus übernehmen einzelne HauptschulenimHinblickaufden Umgang mitdenunterschiedlichen Gruppen von Schulformwechslernspezifische Funktionen:

3Die AnalyseerfolgtaufderGrundlage derGesamtanzahl derWechslerproSchule.Die Na- menderSchulen wurden aus datenschutzrechtlichen Gründen anonymisiert. 292 Thementeil

Abbildung 1 Schulformwechsler anHauptschulen StadtMünster Schuljahr 2004/05 Aufnahme von Wechslern Abgabevon Wechslern 50 40 30 20 10 10 20 30

8,0%(n=22) A X

10,8% (n=37) B X

13,9% (n=58) C XXXX XXXXXXXX X XX

6,9% (n=29) D X

3,5% (n=21) E X Ha u p t s c h len 9,7% (n=28) F XXXXXXXXXXX XX

16,3%(n=77) G XXXXXXX X

13,0%(n=50) H XXXXX

Anteil der Wechsler 1Schüler ander Schülerzahl /Anteil der Wechsler FÖ HS RS GGESek II X Schüler,die dasletzteSchuljahr wiederholthaben BetriebundPraktikum(BP) absolut Ausländer,Aussiedler,die seitder letzten amtlichen Schulstatistik zugezogen sind

" KindermitMigrationshintergrund und nichtversetzteHauptschüler Die als Sammelhauptschule typisierteHauptschule G, dieimstädtischenVergleichbe- reits dengrößten Anteil derausländischenKinderaufweist,integriert auchdie Gruppe derausländischenSchüler,dieseitderletzten amtlichenSchulstatistik zugezogen sind. Zusätzlichnimmtsie einen Großteil derWechslervon anderen Hauptschulenauf,die anihren Herkunftsschulen nichtversetzt wurden.Die sehrkleineGruppederim Schul- jahr2004/05zugezogenen Aussiedlerwirdvon der Vororthauptschule Eaufgenommen. Alsowerden in Münsterauchbei denSchulformwechselndie zugezogenen Kindermit Migrationshintergrund getrenntund von verschiedenen Einzelschulenaufgenommen.

" SchülerandererSchulformen Die Austauschbeziehungenmitdenanderen Schulformenergeben jeweilsbesondere Hauptschulprofile. Zwischenden HauptschulenFund CgibteseinebesondereForm derArbeitsteilung:Die Hauptschule Fnimmtaus Cderen nichtversetzteSchülerin ein spezifischesFörderprogramm (Betriebund Praktikum) auf. Schülervon anderen Hauptschulen werden zudem auchzu großenAnteilen von der Stadtteilhauptschule B aufgenommen. AustauschprozessemitRealschulensindbei deninVororten gelegenen Hauptschulen Cund Dbesonders hoch. InHauptschule Dsindein Drittel deraufge- nommen RealschülerausländischerHerkunft.ImHinblickaufdie Aufnahmevon Real- schülernist in den meisten Fällen ein klarerStadtteilbezugfestzustellen,d.h. die Schüler dernächstgelegenen werden aufgenommen. Wechsel mitGesamtschulen und Gymnasienfinden –wennauchingeringemUnfang –nur anHauptschule Cstatt. Die Gesamtschülerwerdenallerdingsnichtaus Münster,sondernaus derbenachbarten Gemeindeeinesumliegenden Kreisesaufgenommen. Die HauptschulenA, B, C, F, G und Hgeben eineunterschiedliche Anzahl von Schülernandie Förderschulenab.Be- sonders dieHauptschule Hstehtin einemsehrintensiven Austauschmiteinerbenach- Sikorski:DifferenzierungsprozesseinstädtischenSchullandschaften 293 barten Förderschule mitdem Schwerpunkt„Lernen“.Sie weist im städtischenVergleich diehöchsteÜberweisungsquoteindieseSchulformaufund gibtzusätzlichviele Schüler anandereHauptschulenab.ImHinblickaufden Übergang in die gymnasiale Oberstufe lässtsichfesthalten,dass derinsgesamtgeringe AnteilsolcherÜbergängesichinMüns- teraufdie vierHauptschulenC, D, Fund Gverteilt.Aus denrestlichenvierSchulenfin- den keineÜbergänge in die gymnasiale Oberstufe statt.

Abbildung2 Schulformwechsler an Hauptschulen Stadt Bochum Schuljahr 2004/05 Aufnahme von Wechslern Abgabe von Wechslern 50 40 30 20 10 10

12,6 %(n=33) I

17,7% (n=59) J

10,0% (n=24) K X 6,1% (n=24) L XXX XXXXXXXXXXX

21,4% (n=60) M

10,0% (n=44) Hauptschule N XXX

5,9% (n=30) O XX XXXXX

23,6% (n=74) P X

9,2% (n=59) Q X ER ER ER ER ER ER ER ER ER ER ER ER ER

Anteil der Wechsler 1Schüler an der Schülerzahl /Anteil der FÖ HS RS GGESek II X Schüler, die das letzte Schuljahr wiederholt haben Sonstige Wechsler absolut Ausländer,Aussiedler, die seit der letzten amtlichen Schulstatistik zugezogen sind ER Schüler, die am Erprobungsunterricht teilgenommen haben

AuchinBochumfindensichUnterschiede bezüglichderWechslerquotezwischenden Hauptschulen. Die höchsten Wechsleranteile weisen dievierHauptschulenJ, M, Pund Qauf. Dieslässtsichdaraus erklären,dass auchinBochumeinespezifische Aufgaben- teilung im HinblickaufnachfolgendeGruppen von Schulformwechslernzu beobachten ist:

" ZugezogeneMigranten Die genannten vierSchulennehmendie Migranten auf,dieseitderletzten amtlichen Schulstatistik zugezogen sind. EshandeltsichumSchulen,dieimstädtischen Vergleich diehöchsten Anteile von KindernmitMigrationshintergrund aufweisen.Die Haupt- schule Pübernimmtden größten Anteil derzugezogenen Migranten.Anders alsin der StadtMünsterwerden Ausländerund Aussiedlerjedochnichtgetrenntund anspezifi- sche Hauptschulenverteilt,sondernvon allen vierSchulengemeinsamaufgenommen.

" „Klassenwiederholer“ Die GruppederWechsler,dieanihrerHerkunftsschule nichtversetztwurden,wirdin Bochumvorallem von derHauptschule Laufgenommen. Den größten Anteil machen nichtversetzteSchülereinerbenachbarten Realschule aus,dierestlichenWiederholer stammen aus verschiedenen GesamtschulenderStadt. 294 Thementeil

" SchülerandererSchulformen/ausländische Schüler

AuchbezüglichderAufnahme von Schülernaus denverschiedenen Schulformengibtes Unterschiede:Die SchülerandererHauptschulenwerden vorallem von derHauptschu- le Kaufgenommen. DieseWechslerstammen aus zwölfverschiedenen Herkunftshaupt- schulen und sindzudem zu 80%ausländischerHerkunft.Anfünf weiteren Hauptschu- lenmachtderAnteil derRealschülereinen Großteil derWechsleraus.Unterschiedlich ist hierallerdingsdie Anzahl derHerkunftsschulen. InMund Owechselndie Schülerin annähernd gleichenAnteilen von mehreren Realschulen,in Nund Izu großenTeilen von einerbenachbarten Realschule. Die Hauptschule Qnimmtin hohem Umfang Schülervon zwei nahe gelegenenRealschulen auf,diedort am„Erprobungsunterricht“ teilgenommenhaben,dann aberaufdie Hauptschule „zurückgeschult“wurden. Außer- dem nimmtdieseHauptschule,neben zwei weiteren,Jund M, Schülervon benachbar- ten Gesamtschulenauf. Die Anzahl derSchüler,die anFörderschulenüberwiesen wird, ist in Bochuminsgesamtniedrig.Die Hauptschule Pist dieSchule,dieimstädtischen Vergleichdie meisten SchülerandieseSchulformabgibt.Betrachtetmanden Übergang in diegymnasiale Oberstufe,sozeigtsich,dass insgesamtsechsHauptschulendiese Funktionübernehmen. Dabei weist dieHauptschule Neinen im städtischenVergleich besonders hohen AnteilanÜbergängenauf,von denenein Großteil in diegymnasiale Oberstufe einernahe gelegenen Gesamtschule erfolgt. ImHinblickaufdie Entfernung deraufnehmendenbzw.abgebenden Schulenzuein- anderlässtsichfesthalten,dass dieswie auchinMünsterfür einige Schulen eine Rolle spielt,abernichtalsdurchgängigesPrinzip zu bewerten ist. DerVergleichmitden GesamtschuleninBochumergibtkeineschulformübergrei- fendenAufgabenteilungen hinsichtlichderbeschriebenen Kategorien:Die Gesamtschu- lennehmenwederin größerem Umfang KindermitMigrationshintergrund auf,noch integrieren sie in nennenswertem AusmaßSchüler,die ananderen Schulennichtver- setzt wurden. AuchfindensichbezüglichderSchulformwechsel keinemitdenHaupt- schulen vergleichbareDifferenzierungsprozesseinnerhalbderGesamtschullandschaft.

3.Fazit

Die ErgebnissederempirischenAnalysesindinmehrfacherHinsichtaufschlussreichfür lokale Schulentwicklungsforschung und -politik:Die Zukunftdesgegliederten Schul- systemsunterliegtregionalunterschiedlichenBedingungen:ImGegensatz zu einigen ländlichenRäumen,in denen diespezifischendemographischenHerausforderungen notwendigerweisezu integrierten Schulformenführen,ergibtsichinStädten durchdie verdichteteund segregierteSozialraumstrukturein internsehrdifferenzierteslokales Schulsystem.Inden Städten Münsterund BochumhatsichinnerhalbderHauptschul- landschaften eineArbeitsteilung entwickelt; dasgiltsowohl beim Übergang von den Grundschulen zu den Hauptschulen,alsauchfür den Wechsel zwischenden verschie- denen SchulformenderSekundarstufe.AlsErgebnislässtsicheineinoffizielle Typisie- Sikorski:DifferenzierungsprozesseinstädtischenSchullandschaften 295 rung von einzelnen Hauptschulenerkennen,diemitden amtlichenSchulformbezeich- nungennichthinreichendbeschrieben ist.InGroßstädten gibtesganzoffensichtlich nicht die Hauptschule,sondernjede Hauptschule übernimmtüberihreSchulformzu- gehörigkeithinaus in spezifischensozialräumlichenKontexten besondereFunktionen und Aufgaben. Unabhängig von generellen Strukturdebatten haben somitlängst lokale Anpassungs-und Transformationsprozessestattgefunden,dieinoffizielle Lösungsansät- zezurBearbeitung derin diesem Spektrumvon SchulenentstehendenProblempotenti- ale darstellen. Dabei handeltesnichtumdasErgebnisgeneralisierbarerHandlungsopti- onen,sondernummultifaktorielle Varianten derBearbeitung von Problemfaktoren,die nur aus denjeweiligenlokalen Vernetzungszusammenhängen dereinzelnenSchulenzu erklären sind. Die Vernetzung von Schulenimsozialen Raumkonkretisiert sichinihren Koopera- tionsbeziehungen (vgl.Zymeku.a.2006; Zymek/Sikorski 2005).Dabei kommen in be- sondererWeiseAnziehungs-und AbstoßungseffektezumTragen. Auchfür Schulener- geben sichsomitunterschiedliche „Ortseffekte“ (Bourdieu1993,S.159),je nachihrer Lage oderihrerVernetzung mitspezifischen Institutionen und Partnern. Schulen su- chensichinderRegel dieKooperationspartner,diezu ihnenpassen,insofernergeben sichauchschulformspezifische Kooperationsbeziehungen.Durchdie Stellung der Hauptschule amunteren EndederHierarchiedesSchulsystemssind ihreHandlungsop- tionen begrenzt und gleichzeitig werdenihrPflichtaufgaben zugeschrieben.ImRahmen desGesamtsystemsübernimmtdieHauptschule vorallem für Realschulenund Gymna- sien eineEntlastungsfunktion.Von demdamitverbundenen ProblemdrucksindHaupt- schulen in unterschiedlicherWeisebetroffen. Dassozialräumliche Bedingungsgefüge, dasdenSchuleneinerseits Möglichkeiten eröffnet,dieseaberim FallederHauptschulen vorallem aucheinschränkt,engtihreHandlungsspielräume ein. Pädagogischbegründe- teStrategienkönnen deshalbdielokalwirksamenSegregationsmusterim besten Fall abmildern,im schlechtesten Fall verstärken:InderStadtMünsterwirddurchdie Bün- delung von ausländischen Schülernbzw.Kindernaus Aussiedlerfamilien anzwei Hauptschulen –und derdamitverbundenen Zuweisung von spezifischenFördermaß- nahmen –ein in denerziehungswissenschaftlichenDiskursen sehrumstrittenerethni- scherHomogenisierungsprozess derjeweiligenSchülerschaftin Kaufgenommen. Vor diesem Hintergrund scheinteswenig realitätsnah,dasProblemderDurchlässigkeitund derSchulformwechsel durchAppelle andie SchulenzurindividuellenFörderung von Schülernlösen zu wollen,wie esim neuen Schulgesetz angestrebtwird(vgl.Schulgesetz NRW2006,besonders §10(1);§13(3)). Vordem Hintergrund derBefundederempirischenAnalyseerscheintesfür eine fai- reInterpretationderErgebnissederLernstandserhebungen und derbevorstehenden Abschlussprüfungen nachKlasse10notwendig und möglich,dasdifferenzierteDaten- materialderamtlichenSchulstatistik zu den sozialräumlichenArbeitsbedingungen von Schulen einzubeziehen. Die Zuordnung von Schulenzu überregionalvergleichbaren „Standorttypen“,die bishervorallem aufdie Einschätzungen derSchulleitergestützt wird,sollteinZukunftdurchdie Auswertung dieseramtlichenDaten ergänzt werden. Umdie KomplexitätlokalerSchullandschaften sowie ihresozialenund pädagogischen 296 Thementeil

Effekteerkennbarund vielleichtauchsinnvollbeeinflussbarzumachen,müssen diebe- schriebenen informellenProfile einzelnerSchulen zukünftig in lokale Analysen einbe- zogen werden. Die Ergebnissedieserdifferenzierten Analysen sollten den Verantwortli- chen„vorOrt“–etwain Formeinerdatenbasierten regionalenBildungsberichterstat- tung –zurVerfügung gestelltwerden.Dasgiltinsbesonderefür Hauptschulenund die Einschätzung derArbeitihrerLehrerund dieLeistungen ihrerSchüler.

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Abstract: Citieswithadifferentiated vocationaland socialstructureusuallyalsofeaturediffer- entiated structuresof educationalprovisionswhichgobeyondthe officialdifferentiation accord- ingtoschool type.Thisobservation topicalizesthe differentiationofschoolsof the same type as anissueofresearchonregionalschooldevelopment.The statisticalsurveys carriedout bythe re- gionalauthoritieshavereachedalevel of differentiation thatallows toanalyzetheseprocesseson the basisof officialdata.The authorevaluatesthe datafor“Hauptschulen” (lowersecondary )intwoofthe largercitiesof NorthRhine-Westphaliain ordertoillustratethe process. Withinthe landscape of juniorhigh schools,city-specificprocessesof differentiationmaybeob- served whichmanifest themselvesin anunofficialdistributionoftasksamong individualschools.

AnschriftderAutorin: SandraSikorski,M.A.,Westfälische Wilhelms-UniversitätMünster,FachbereichErziehungswis- senschaftund Sozialwissenschaften,Institutfür Allgemeine Erziehungswissenschaft,Ge- orgskommende26,48143Münster.Tel:0251/83-24206.E-Mail:[email protected]