Prof. Edda Moser Kammersängerin Im Gespräch Mit Hans-Jürgen Mende
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks Sendung vom 09.03.2007, 20.15 Uhr Prof. Edda Moser Kammersängerin im Gespräch mit Hans-Jürgen Mende Mende: Herzlich willkommen, meine Damen und Herren, zum heutigen alpha- forum, heute mit einer Sängerin, die nicht nur weltberühmt ist, nein, sie ist sogar weltall-berühmt: Edda Moser, schön, dass Sie gekommen sind. Ich muss das vielleicht kurz erklären. 1977 flog Voyager 2 ins Weltall und an Bord war eine goldene Schallplatte … Moser: Eine kupferne Schallplatte. Mende: Die war vergoldet. Ich habe nämlich ein Bild von ihr gesehen. Die Schallplatte hatte den Namen "Sounds of Earth" und als Beispiel für das, was die menschliche Stimme ausmacht, was sie kann, fand sich darauf die Aufnahme einer Arie der Königin der Nacht, gesungen von Ihnen. Das war doch ein tolles Ding, oder? Moser: Ich habe das vor allem als große Ehre betrachtet. Zunächst einmal meinte ich ja, man würde sich lustig machen über mich. Aber als ich dann den Brief von Cape Canaveral bekam, habe ich doch gedacht: "Es ist vollbracht." Mende: Das heißt, Sie sind vorher gar nicht gefragt worden? Moser: Als das schon längst unterwegs war, hat man mir lediglich mitgeteilt, dass meine Stimme als Botschafterin des menschlichen Singens auf den Weg ins All geschickt worden ist. Diese Platte wird eine Billion Jahre überleben und sie hat mit Voyager 2 in der Zwischenzeit auch schon unser Universum verlassen. Voyager 2 sendet nicht mehr, weil sie schon lange viel zu weit weg ist. Die Platte selbst ist angeblich aus einem Material, das unzerstörbar ist. Nun gut, auf diese Weise bin ich jedenfalls Botschafterin der menschlichen Stimme geworden. Mende: Glauben Sie, dass sich irgendwann einmal ein Außerirdischer diese Platte auflegen wird? Moser: Ich gebe mir Mühe das zu glauben. Die Physiker sind ja viel klüger als ich und die werden daher schon ihren Grund gehabt haben, dass sie das weggeschickt haben. Mende: Sie haben immerhin die Rachearie der Königin der Nacht verschickt. Moser: Ja, das war vielleicht nicht so sehr diplomatisch. Mende: Das hat mich auch ein bisschen gewundert und ich habe mich gefragt, welche Vorstellung die Außerirdischen von uns Menschen bekommen, wenn sie das hören. Moser: "Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen" ist ja nicht unbedingt sehr freundlich. Aber egal, das ist nun einmal die am schwersten zu singende Arie der Musikliteratur. Mende: Die Königin der Nacht war ja, wie man sagen kann, ihre Partie. Man wird auch noch in vielen, vielen Jahren diese Partie mit Ihnen verbinden. Haben Sie Mozart mal Danke gesagt, dass er das geschrieben hat? Moser: Nein, eher nicht. Ich war sogar recht ärgerlich. Zum Mozartjahr ist ja diese alte Platte von uns neu herausgekommen. Da sind alle diese schweren Konzertarien drauf. Und eigentlich nehme ich es Mozart übel, dass man als Sängerin z. B. in der Konzertarie "Popoli di Tessaglia" am Schluss zwei Mal das hohe G über dem F singen muss. Das F ist ja schon hoch genug, aber es ist wirklich von Mozart schlecht komponiert, dass der Höhepunkt dann erst kommt, wenn man vom zweiten Satz im Grunde genommen schon müde ist. Dadurch ist die Arie unaufführbar oder nicht seriös zu singen mit diesem grandiosen Rezitativ am Anfang. Das ist so ein Accompagnato mit dem Orchester, das wirklich grandios ist. Ich habe das ja damals mit der Staatskapelle Dresden gemacht. Das war eine wirklich gute Arbeit, aber da haben wir halt auch den Schluss zuerst gemacht, weil man das sonst nicht hätte singen können. Mende: Wie oft haben Sie denn die Königin der Nacht gesungen? Moser: Nicht so oft. Ich war ja in Deutschland als Deutsche nicht so attraktiv bei der Besetzung dieser Rolle. Da Karajan mich ja nach Amerika mitgenommen hatte, habe ich das dann hauptsächlich an der Metropolitan Opera gesungen. Als dann damals hier in Deutschland die "Zauberflöte" aufgenommen wurde, hat Sawallisch oder hat die Frau von Sawallisch – ich weiß das nicht so genau – gesagt: "Die Moser wollen wir auf keinen Fall für diese Rolle! Wir wollen eine andere Sängerin!" Ich habe ja jede bewundert, die die Königin der Nacht gesungen hat, aber das war halt nun einmal meine Arie. Der Produzent dieser Aufnahme hat dann aber gesagt: "Entweder singt sie die Königin oder das Ganze fällt aus!" Und dann hat sich Sawallisch doch fügen müssen. Und siehe da, wir haben für diese Aufnahme einen Preis nach dem anderen bekommen: den "Grand Prix du Disque", den "Großen Schallplattenpreis" usw. Ich denke, das ist dann schon eine sinnvolle Arbeit gewesen. Ich habe Sawallisch immer sehr verehrt und tue das bis zum heutigen Tag. Mende: Wie sehen Sie denn die Königin? Denn das ist ja eine Partie, die sich auf den ersten Blick gar nicht so leicht erschließt. Moser: Die Königin der Nacht ist eine Politikerin. Sie versucht mittels ihrer Macht, die sie durch die Dunkelheit hat, auch die Macht der Helligkeit noch zu erringen. Das ist eine reine Politikerin, die keine Gefühle kennt. Sie becirct den Tenor, er soll ihre Tochter wiederbringen, aber sie will eigentlich den Sonnenkreis haben, die Tochter ist ihr relativ egal. Sie will eben nur die Macht: Das ist ihre eigentliche Domäne, das zu bekommen. Und das geht natürlich schief. Mende: Am Anfang denkt man ja: "Diese arme Frau, der die Tochter geraubt wurde!" Moser: Ja, es ist wahrscheinlich schon auch ein Bruch durch die Komposition der "Zauberflöte" gegangen. Denn die Königin der Nacht singt in g-Moll. Das ist bei Mozart sozusagen die Traurigkeit schlechthin. Die Arie der Pamina – die vielleicht größte Arie, die überhaupt je komponiert worden ist – ist eine g- Moll-Arie; auch in anderen Stücken nimmt Mozart g-Moll, wenn er tatsächliche Trauer zeigen will. Mende: Hätten Sie eigentlich lieber die Pamina gesungen? Moser: Ach wissen Sie, natürlich hätte ich sie gerne gesungen, aber sie passt einfach nicht zu meinem Charakter. Ich bin immer so ein bisschen die "Scheuche vom Dienst" gewesen. Man hat mich immer schon "die tragische Scheuche" genannt. Das ist auch gut so, denn da konnte ich auch mein Werk vollenden. Mende: Bis hin zur Hexe in "Hänsel und Gretel". Moser: Ja, die Hexe in "Hänsel und Gretel" war einer der Höhepunkte meiner Arbeit: Das habe ich furchtbar gerne gemacht. Ich habe sie auch lustig gemacht, denn im Grunde genommen kann man "Hänsel und Gretel" heute ja gar nicht mehr aufführen: Wenn sie da in den Ofen geschoben wird, dann hört es bei mir eigentlich auf. Mende: Sie haben viel gesungen und vielleicht können Sie sich noch daran erinnern, wie das war, wenn Sie z. B. diese berühmte Rache-Arie singen mussten. Lief da so etwas wie ein Programm in Ihnen ab? Oder haben Sie da an jeden Ton ganz bewusst gedacht? Moser: Nein, das darf man nicht. Wenn man wirklich gut sein will, und das war eben stets mein Streben, dann muss man üben, üben, üben. Man muss so viel üben, dass man dabei das Unterbewusstsein, das ja die Grundvoraussetzung für die schwere Koloratur ist, in einer Weise trainiert, dass man, wenn es darauf ankommt, nicht mehr nachdenken muss. Da denkt man dann nur noch an die Gestalt und an das Gefühl dabei. Man muss also all diese Dinge singen können, ohne denken zu müssen: "Oh Gott, hoffentlich sitzt es!" Denn denken in dem Sinne darf man dabei nicht mehr. Man muss stattdessen einfach üben, üben, üben, damit der Automatismus zur Hilfe wird, denn das Unterbewusstsein ist das Wichtigste überhaupt bei einem Sänger. Mende: "Oh zittre nicht, mein teurer Sohn!" Moser: "… lieber Sohn!" Mende: Ja, stimmt, es heißt "lieber Sohn". Die Sänger verballhornen das ja gerne in den Satz: "Oh, zittre nicht, mein hoher Ton!" Kennen Sie so etwas wie Lampenfieber? Hat Sie Lampenfieber belastet in Ihrer Karriere? Moser: Ich hatte unvorstellbar schreckliches Lampenfieber. Das war so grauenhaft! Bis ich endlich zu der Erkenntnis kam, dass ich mich daran gewöhnen muss. Wer Lampenfieber hat, hat es für immer: Das hört nie auf! Man muss nur wissen, was das heißt und wie man damit umgehen kann. Man weiß: "Aha, es ist fünf Minuten vor der Vorstellung. Meine Zunge wird trocken." Da muss man dann eine gewisse Übung machen, damit die Zunge feucht wird, damit der Schlund feucht wird. Das erreicht man durch ein sanftes Beißen auf die Seiten der Zunge. Das macht sofort einen feuchten Mund! Ich habe das auch einmal Helmut Kohl, mit dem ich ja sehr befreundet bin, gesagt. Denn er war manchmal, wenn er Wahlreden hatte, vollkommen mit den Nerven fertig, weil er einfach nicht mehr sprechen konnte. Ich habe ihm gesagt: "Vorsichtig auf die Seite der Zunge beißen und sofort ist die Feuchtigkeit wieder da!" Die eigene Spucke ist nämlich das beste Schmiermittel für den Kehlkopf. Das habe ich selbst so trainiert. Mir hatte das mal ein alter Sänger gezeigt. Und dann kommt beim Lampenfieber eben auch das Gefühl, dass man Schmetterlinge im Bauch hat. Aber in dem Moment, in dem dann die Musik anfängt, ist man da! Da ist man glücklich! Früher habe ich mir ja immer gedacht: "Vielleicht brennt das Haus ab oder es gibt einen riesengroßen Wasserrohrbruch oder so, damit ich nicht auftreten muss!" Und dann habe ich mal mit dem Karl Richter, meinem überaus und am meisten geliebten Dirigenten, in Neapel gesungen. Nein, wir wollten, wir sollten dort auftreten. Das Programm drehte sich um Bach mit z. B. "Jauchzet Gott in allen Landen". Ich ging also mit dem Abendkleid in der Hand zur Garderobe und da kam mir schon der Karl Richter entgegen mit dem Koffer in der Hand. Ich habe natürlich sofort gefragt: "Was ist denn los!" Er antwortete mir in seiner typischen Art: "Nu, es is Schdreig!" Damit war es natürlich aus und wir konnten nicht auftreten.