<<

SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE

SWR2 Tandem

Innovativ und vielseitig wird 65 Von Christiane Rebmann

Sendung: 19.05.2017 um 19.20 Uhr Redaktion: Bettina Stender Sprecher: Peter Binder und Pia Pelzer

Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

Service:

SWR2 Tandem können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/tandem.xml

Mitschnitte aller Sendungen der Redaktion SWR2 Tandem sind auf CD erhältlich beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden zum Preis von 12,50 Euro. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Bestellungen per E-Mail: [email protected]

Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2?

Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 2

Manuskript O-Ton Es ist offensichtlich, dass ich Musik mache und mich auf die Bühne stelle, um etwas über mich herauszufinden. Ich habe die Hoffnung, dass ich mich so selbst heilen kann. Insofern dürfte ich eigentlich nicht etwas schreiben, von dem ich nicht weiss, worum es da geht. Aber ich vertraue dem, was da kommt. Wenn es sich gut anfühlt, ist es wahrscheinlich wahr. Mir wird dann schon später jemand erklären: In dem Song hast du das und das gesagt, das bedeutet übrigens das und das.

Der britische Musiker David Byrne über sein Verhältnis zur Musik.

1. Song: / Once in a lifetime ()

David Byrne gründete 1975 in New York die Post Punk Band Talking Heads. Ab 1985 war er solo erfolgreich. Seine Themen sind oft skurril. So veröffentlichte der Multiinstrumentalist 2010 ein Musicalalbum über die philippinische Präsidentengattin Imelda Marcos. Er ist nicht nur als Fotograf und Buchautor aktiv, sondern auch als Schauspieler und Filmregisseur. Er erhielt zahlreiche hochrangige Auszeichnungen, darunter einen Oscar und einen Grammy für den Soundtrack zu "Der letzte Kaiser". Innovativ und vielseitig – David Byrne wird 65. Eine Sendung von und mit Christiane Rebmann

2. Song: Talking Heads / (Little creatures)

David Byrne kam am 14. Mai 1952 im schottischen Dumbarton zu Welt. Als er zwei war, zog die Familie nach Hamilton im kanadischen Ontario und sechs Jahre später nach Arbutus im US Bundesstaat Maryland. Seine Eltern erzählten, dass der kleine David schon mit drei Jahren ununterbrochen Musik hören wollte. Er lernte früh Mundharmonika, Gitarre, Geige und Akkordeon spielen, wurde allerdings später aus dem Schulchor mit der Begründung ausgeschlossen, er könne die Töne nicht treffen. Nach Erfahrungen mit diversen High School Bands und dem Duo Bizadi, das Songs von Frank Sinatra bis Lionel Richie coverte, studierte er Kunst an der Rhode Island School of Design und am Maryland Institute College of Art. 1975 gründete er die Band Talking Heads mit dem Schlagzeuger und dessen Freundin . Ihr brachte Byrne das Bassspielen bei, weil die Band einen Bassisten brauchte. Den Namen hatten sie nach einem Begriff aus dem Fernsehen ausgesucht. Talking Heads bezeichnete eine Einstellung, in der der Kopf einer sprechenden Person abgebildet wird. Nur Inhalt, keine Action - Das passte ganz gut, erklärte Tina Weymouth später. 1977 kam der Multiinstrumentalist dazu, und das Quartett veröffentlichte sein erstes „Talking Heads 77“. Die Kritiker waren begeistert von den ehemaligen Kunststudenten, die in die Punkszene eintauchten und New Wave mit Pop, World Music, und Art Rock mischten und schräge, intelligente Textideen in euphorisierende Musik verpackten.

3. Song: Talking Heads / (Speaking in Tongues)

2

3

Nach acht Alben ging die Band 1988 auseinander, gab aber erst 1991 offiziell die Trennung bekannt. David Byrne hatte schon während der Zeit mit den Talking Heads sein Soloalbum „My Life in the Bush of Ghosts“ aufgenommen, mit Hilfe des britischen Produzenten , der schon die Talking Heads bei ihrem Album „More Songs about Buildings and Food“ unterstützt hatte. Byrnes erstes Solowerk wurde von vielen Kritikern als eines der einflussreichsten Alben der 80er Jahre eingeordnet, weil es moderne Sampletechnik und elektronische Musik mit zahlreichen Stilrichtungen, u.a. aus der World Music, verband.

4. Song: Byrne + Eno / Regiment (My life in the Bush of Ghosts)

Eno und Byrne setzten Gesangsfragmente wie die der libanesischen Sängerin Dunya Yunis im Song „Regiment“ ein. Oder sie spielten mit gesampelten Fetzen aus einer Diskussion in einer Radiosendung, wie in „Mea Culpa“.

5. Song: David Byrne + Brian Eno / Mea Culpa (My life in the Bush of Ghosts)

Auch auf den folgenden Alben ging er nach diesem Prinzip vor. 1988 hatte er das Label Luakabop gegründet, das sich bis heute um ethnische Musik kümmert. Den Begriff World Music verabscheue er allerdings, sagte er 2001 in einem Interview mit der New York Times, die diesen Satz als Titel der Geschichte verwendete.

O-Ton Ich finde, das ist ein wunderbar provokanter Titel für einen Artikel. Aber eigentlich hasse ich nur den Ausdruck. Er stellt diese Musik in eine Außenseiterecke. Er behandelt alles, was nicht kommerziell und eher exotisch, als irrelevant für das Leben der Menschen. Aber das ist falsch.

Anfang der 90er Jahre hatte er sogar mit Fidel Castro zusammengearbeitet.

O-Ton Uns hatten ein paar Rechtsanwalte, die mit der kubanischen Regierung zusammenarbeiteten, darauf aufmerksam gemacht, dass es eine Gesetzeslücke gab und dass wir kubanische Platten in den USA herausbringen könnten. Es gab so viel kubanische Musik aus den 60er, 70er und 80er Jahren, die man bei uns wegen des Embargos nie zu hören bekommen hatte. Deshalb fingen wir an, Musik herauszubringen, die nach der Revolution aufgenommen worden war. Salsa mit Funk und Wah Wah Gitarren. Da werden die wunderbare Musikalität und die Grooves der Kubaner mit modernen Elementen verbunden. Die Musik zeigte, dass sich auch auf Kuba etwas weiterentwickelt hatte. Danach hatten die Kubaner wieder mehr auf die alte Musik gesetzt. Das war ein Rückschritt. Aber damit ließ sich eben gut Geld verdienen.

Byrne war genervt, dass die Ethnoliebhaber eher die traditionellen Klänge des Buena Vista Social Club kauften als die der moderneren Künstler, die er unterstützte.

3

4

O-Ton Ich habe nichts gegen den Buena Vista Social Club. Das ist wunderbare Musik. Aber sie bietet nichts Neues. Die Leute sind richtig besessen von dem Gedanken, dass World Music echt und authentisch sein sollte.

Er nimmt gern Herausforderungen an, und so sang er im Song „Desconocido Soy“ vom Album „Look into the eyeball“ auf Spanisch, nachdem er sich bei Rubén Ortega, dem Sänger seiner mexikanischen Begleitband Café Tacuba Aussprachehilfe geholt hatte.

O-Ton Den Song „Desconocido soy“ schrieb ich auf Spanisch. Ich musste ihn dann auch auf spanisch singen. Dafür brauchte ich Hilfe. Mein alter Spanischlehrer und meine spanischen Freunde hörten ihn sich an und sagten: „Deine Aussprache ist gut. Und der Text ist auch in Ordnung“. Ruben machte mich darauf aufmerksam, dass sich durch die Verbindung von Text und Melodie die Betonung in den Wörtern verschiebt und dass sich dadurch die Bedeutung verändern kann.

6. Song: David Byrne / Desconocido soy (Look into the eyeball)

In unseren Interviews erwies sich David Byrne immer als kluger, witziger Gesprächspartner, charmant und freundlich, soweit es ihm seine Schüchternheit erlaubte. Er hat etwas leicht Schräges, Abgedrehtes. Er selbst bezeichnete sich am Anfang der erfolgreichen Phase seiner Karriere einmal als einen merkwürdigen jungen Mann, an der Grenze zum Asperger Syndrom. Und wahrscheinlich ist das nicht so weit hergeholt – wie man auch aus zahlreichen Videos schließen kann, in denen er sich wie ein ferngesteuerter Alien bewegt, mit starrem Blick aus weit aufgerissenen Augen. Er hat mit seiner Andersartigkeit immer gespielt, sie zum Positiven genutzt. Mit Therapien hat er sich in seinem Leben bisher nicht lange aufgehalten.

O-Ton Ich ging eine Zeitlang zum Psychiater. Ich hörte damit auf, weil ich das Gefühl hatte, dass sich nichts verbessert. Und ich hatte Angst. Ich dachte: wenn sich etwas verändert, dann womöglich auf eine Art, die mir nicht gefällt. Anfangs machte es Spaß, mit der Therapeutin über Dinge zu sprechen, die ich nicht mal meinen Freunden anvertrauen würde. Es war sehr stimulierend. Aber dann stellte ich fest: Das sind ziemlich teure Gespräche. Und du musst immer pünktlich sein. Wenn du zu spät kommst, musst du trotzdem zahlen. Und außerdem gingen mir irgendwann die Probleme aus. Und wenn du keine Probleme hast, über die du sprechen kannst, erscheint dir dein Leben plötzlich uninteressant.

Sein ambivalentes Verhältnis zu seinen Emotionen zieht sich durch seine Diskographie. Ich schreibe lieber über kleine Dinge, als über große Gefühle, sagt er. Er versteckt sich auch gern hinter der Fassade einer wissenschaftlich orientierten Sprache. So nannte er sein Album von 2001 "Look Into The Eyeball“ - sieh in den Augapfel, obwohl die Musik für seine Verhältnisse sehr emotional und persönlich war.

4

5

O-Ton Ich wollte einen Titel, der eher nüchtern wissenschaftlich klingt. "Sieh mir in die Augen" wäre zu kitschig gewesen. Außerdem hat man das ja auch schon tausendmal gehört. Augapfel klingt so schön wissenschaftlich. Und das Ganze hat ja auch einen gewissen Witz. Weil ich einen kalten Begriff für etwas so Emotionales verwende. Das ist eben meine Art, mich romantisch auszudrücken. Man muss dabei auch etwas zu lachen haben.

Den Song „Broken Things“ über eine schwierige Beziehung habe er nicht etwa über diese Beziehung geschrieben, erklärte er.

O-Ton In Wirklichkeit fing es damit an, dass ich einen Nachmittag damit verbrachte, Dinge zu kleben, die kaputt gegangen waren und die ich auf einem Regal gesammelt hatte. Tassen und solche Dinge.

Auf die Idee, dass das eine Metapher für seine Lebenssituation war, sei er erst später gekommen, erzählte er.

7. Song: Broken Things (Look into the eyeball)

Im Gegensatz zu seinen Kollegen hat sich David Byrne optisch kaum verändert. Auch mit Mitte 60 ist er noch sehr schlank, was seine Körpergröße noch betont. Das leicht diffuse Flackern in den Augen hat sich etwas gemildert. Seine ehemals schwarze Haartolle ist schon lange weiß. Als er um die Jahrtausendwende ergraute, hatte ihn das noch irritiert.

O-Ton Ich habe aufgehört, es zu färben. Als ich aus den Ferien zurückkam, fragte ich die Leute in meiner Plattenfirma: “Ist euch aufgefallen, dass meine Haarfarbe nicht dieselbe ist wie vor sechs Monaten? Ihr müsst ehrlich mit mir sein und mir sagen, ob das ein Problem ist.” Ich hätte es verstanden, wenn sie gesagt hätten: “Wer hat denn Interesse an einem grauhaarigen Sänger?” Aber sie haben sich nicht beschwert.

Einerseits fühlt er sich offensichtlich unsicher, was die Wirkung seiner Erscheinung betrifft. Andererseits erweist er sich als schmerzfrei, wenn es um Aktionen geht, die ihn und seine Mitarbeiter miteinander verbinden. So erschien er 2009 am Ende eines Konzertes in der Londoner Royal Festival Hall im Tutu auf der Bühne. Es stand ihm gut.

O-Ton In der Show traten eine Menge Tänzer auf. Und ich tanzte immer mal wieder mit ihnen. Und unsere Backgroundsängerinnen tanzten auch mit ihnen. Wir trugen alle weiß. Und in einer der Zugaben kamen wir alle in Tutus auf die Bühne, quasi, um uns ein bisschen über die Tanzerei lustig zu machen. Es fühlte sich gut an. Es machte mir gar nichts aus. Obwohl es der Show komplett den Ernst nahm. Aber für die Zugabe war es perfekt. Allerdings wollten einige meiner Musiker keinen Tutu tragen.

5

6

Seinen Songtexten wird eine gewisse Morbidität nachgesagt, Er sei suizidgefährdet, mutmaßten einige seiner Fans sogar. Das sei ein Missverständnis, versichert er.

O-Ton Ich denke nie an Selbstmord. Ich bin manchmal traurig, wie alle anderen Menschen auch. Ich habe dann das Gefühl: Nichts macht mehr Sinn. Ich schlafe auch mal zu lange, weil ich mich deprimiert fühle. Ich trinke mal zu viel. Aber ich habe nie daran gedacht, mich selbst umzubringen. Das ist ein Schritt, den ich nicht verstehe. Meiner Meinung überschreitest du schon eine wichtige Linie, wenn du nur darüber nachdenkst.

2010 überraschte er damit, dass er sich mit der Biographie einer Person beschäftigte, die den zweifelhaften Ruf genießt, zu den meist gehassten Personen des letzten Jahrhunderts zu zählen. Er vertonte das Leben von Imelda Marcos, der Witwe des 1989 verstorbenen philippinischen Präsidenten Ferdinand Marcos. Für die Texte verwendete Byrne Originalzitate der mittlerweile 87jährigen und nannte das Werk „“, nach der Grabsteininschrift, die sie sich für den Fall ihres Ablebens wünscht.

O-Ton Der Hauptgrund, warum ich etwas über sie und nicht über jemand anderen gemacht habe, war die musikalische Verbindung. Frau Marcos liebte es, zu singen, in die Disco zu gehen, in Clubs wie „Studio 54“ zu tanzen. Sie hatte sogar eine Discokugel in ihrem New Yorker Stadthaus hängen. Ich dachte: okay, die Liebe zur Discomusik ist Teil ihrer Geschichte. Musik spielte eine wichtige Rolle in ihrem Leben. Der erste Song, den ich schrieb, war der Titelsong „Here lies love.“ Und ich sagte mir: „Dies ist der Test. Vielleicht schaffst du es ja, dass die Songs dich gefangen nehmen, obwohl du diese Person ablehnst.“ Man muss sich über diese intellektuelle Ebene hinwegsetzen und sich von den Gefühlen tragen lassen. Musik kann das leisten. Ich dachte: Wenn die Musik verführerisch genug ist, dann ertappt man sich plötzlich dabei, wie man mit einem Menschen mitfühlt, mit dem man eigentlich nicht mitfühlen will. Und dann wird’s erst richtig interessant, weil man dann anfängt, zu verstehen, warum Menschen bestimmte Dinge tun.

8. Song: David Byrne + Florence Welch / Here lies Love (Here lies love)

Unter Marcos waren Oppositionelle ermordet oder ins Gefängnis gesteckt worden. Das Präsidentenpaar hatte ungeniert die Staatskasse des verarmten Landes geplündert, um das eigene Luxusleben zu finanzieren. Warum wollte Byrne ausgerechnet Songs über den dekadenten Lebensstil dieser Menschen schreiben?

O-Ton Über jemanden, der so ein extravagantes Leben geführt hat? Die Musik versucht, das Thema von zwei Seiten zu beleuchten. Einige Songs feiern das Luxusleben und den Glamour und alles, was damit zusammen hängt. Und weil es eingängige, tanzbare Musik ist, kann man sich darauf einlassen. Gleichzeitig spürt man aber hoffentlich auch, dass die Songs diese Lebensweise und Marcos‘ Begeisterung dafür kommentieren.

6

7

Man fängt an, zu verstehen, warum Menschen bestimmte Dinge tun, sagt Byrne. Mich interessierte nicht Imeldas Schuhsammlung. Mich interessierte der psychologische Aspekt. Ich fragte mich: „Was bringt eine Frau wie Imelda Marcos dazu, Fehlentscheidungen zu treffen, unter denen dann ein ganzes Volk leiden musste?“ Ihre Geschichte zeigt ganz gut, wie sich das Böse in einem Menschen entwickelt. Besonders nachdem Marcos 1972 das Kriegsrecht über sein Land verhängt hatte. Wenn die Schranken fallen, dann kommt uns unser moralischer Kompass abhanden. Macht korrumpiert. Zu einem persönlichen Treffen mit Imelda Marcos ist es bisher nicht gekommen.

O-Ton Leider nicht. Ich reiste auf die Philippinen, aber sie sagte unsere Verabredung wegen einer Grippe ab. Dafür traf ich mich mit jemandem, der ihr sehr nah stand. Der erzählte mir sofort unaufgefordert ihre angeblich wahre Geschichte, ohne dass er wusste, was ich geschrieben hatte.

Für die Musik zu dem Doppelalbum „Here Lies Love“ holte er sich Unterstützung bei dem Dance Spezialisten , und er suchte nach geeigneten Sängerinnen.

O-Ton Ich ließ sogar eine Drag Queen vorsingen, die mit einer Imelda Show auftrat. Aber leider machte der Typ die alte Imelda nach, nicht die junge. Außerdem konnte er nicht besonders gut singen. ((Lacht)) Ich hatte nicht dran gedacht, dass Drag Queens ja nicht singen, sondern nur zur Musik die Lippen bewegen.

Am Ende konnte er 22 Rock- und Pop-Diven gewinnen, darunter Florence Welch, Tori Amos, Cyndi Lauper, Martha Wainwright und Camille.

9. Song: David Byrne + Camille / Pretty Face (Here lies love)

„Pretty Face“ mit der 39jährigen französischen Nouvelle Chanson Künstlerin Camille. Sie fühlte sich geehrt, als Byrne sie bat, einen Song für „Here Lies Love“ zu singen.

O-Ton Camille Für mich ist das, was er macht, weiße Trancemusik. Westliche Trancemusik. Ich liebe seine Musik. Sie hat dieses Trance-Element, aber dann auch etwas sehr Konzeptionelles, sehr Westliches. Der Mann ist einfach brillant. Er hat einen sehr klaren Kopf und viel Humor. Und er weiß, wie man Dinge gut auf die Bühne bringt. Er ist so offen für alles. Ich mag ihn sehr.

2013 brachte Byrne mit großem Erfolg die Musik aus „Here lies love“ als Musical auf die Bühne – allerdings mit einem anderen Künstlerteam.

10. Song: David Byrne + Ryuichi Sakamoto / Main Title Theme (Der letzte Kaiser)

Die Titelmelodie aus dem Film der letzte Kaiser, für die David Byrne gemeinsam mit seinem japanischen Kollegen Ryuichi Sakamoto einen Oscar erhielt.

7

8

Byrne hatte davor schon mit den Talking Heads den Film „“ produziert, und er hatte für „True Stories“ als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent gearbeitet und neben John Goodman die Hauptrolle übernommen. Im Laufe der Jahre widmete er sich immer mal wieder einem Leinwandprojekt und kooperierte dafür unter anderem mit Philip Glass oder Sean Penn.

Außerdem ist er ein engagierter Fotograf. Als ich ihn vor Jahren in seinem Büro in Manhattan besuchte, in dem gemütliche Unordnung herrschte und das einen wunderbaren Blick in einen verwilderten Garten bot, fielen mir die Fotos an den Wänden auf. Sie zeigten zerknautschte Masken wichtiger Staatsmänner.

O-Ton Ich hatte mir diese Gummimasken gekauft, die man sich zu Halloween oder Fasching über den Kopf zieht. Ich habe die Masken von innen nach außen gedreht und das Innere fotografiert. Deshalb sehen sie so verzerrt aus. Ich habe bisher in meiner Sammlung neben Fidel Castro George Bush Senior, Nelson Mandela, , Yassir Arafat und Boris Jelzin.

Das Interesse an der Fotografie ist auch eines der Dinge, die ihn mit der prominenten US Fotokünstlerin Cindy Sherman verbindet, mit der er eine vierjährige Liaison hatte. Die Beziehung begann, als er gerade an „Here lies love“ arbeitete. In seine musikalische Arbeit habe sie sich nie eingemischt, erzählt er.

O-Ton Als ich Cindy kennenlernte, hatte ich schon ein paar Songs geschrieben. Ich spielte ihr also ab und zu eins der Lieder vor, in denen Sängerinnen mitmachten. Sie sagte: „Ein paar Sachen davon mag ich. Aber nicht alle.“ Und ich antwortete: „Okay, warte, bis ich alles fertig habe, und dann kannst du mir sagen, welche dir nicht gefallen. Vorher will ich es nicht wissen.

David Byrne hat mit vielen Kollegen zusammengearbeitet. So machte er bei Peter Gabriels Zwei-Alben-Projekt „Scratch My Back / And I’ll scratch yours“ mit, für das der Brite Songs seiner Kollegen neu interpretierte und diese Kollegen bat, im Gegenzug seine Songs zu covern.

11. Song: Peter Gabriel / I Don’t remember

2013 erschien David Byrnes Version von Peter Gabriels Komposition „I Don’t Remember“.

O-Ton Es war schwierig, weil seine Version so dunkel und paranoid ist und ein bisschen gruselig. Ich dachte: Okay, so kann ich das nicht singen. Ich muss es in etwas anderes verwandeln. Also sang ich ein in einem sehr hohen Falsett, mit einer Stimme, die an Antony Hegarty erinnert. So bekam es etwas Schwebendes, Verträumtes, aber auch Ekstatisches.

12. Song: David Byrne + Peter Gabriel / I don’t remember (And I’ll scratch yours)

8

9

David Byrne nahm 2016 vor der Präsidentschaftswahl die US Staatsbürgerschaft an. Er lebt immer noch in New York - Die ideale Stadt zum Radeln, findet er. Das Fahrrad ist sein Lieblingsfortbewegungsmittel, auch wenn er hier und da einen beschwerlichen Heimweg hat, weil sein Rad gestohlen wurde.

O-Ton Einmal wurde mein Sitz geklaut, und ich musste im Stehen losradeln, weil das Sitzen zu sehr wehgetan hätte. Und unterwegs kam ich an einem alten Fahrrad vorbei, dessen Teile alle gestohlen worden waren. Die Räder fehlten, der Lenker, alles außer dem Sitz. Der war noch da, angekettet an ein altes Parkschild. Er war ganz verrostet. Den nahm ich und setzte ihn auf mein Fahrrad. Er passte nicht gut, aber ich kam damit immerhin nachhause.

2009 veröffentlichte er das Buch „Bycicle Diaries“, eine Art Reise-Tagebuch über seine Obsession.

O-Ton Es geht da nicht wirklich um Fahrräder. Es geht um die Städte, durch die ich mit dem Rad gefahren bin. Es ist ein Weg, um über diese Städte und ihre Menschen schreiben zu können. In einigen Städten ist die Kunst interessant, in anderen die Geschichte oder, dass man andere Musiker trifft. Es geht also um verschiedene Themen. Ich erzähle hier keine zusammenhängende Geschichte.

13. Song: David Byrne + St. Vincent / Who ()

“Who” aus dem Album “Love this giant”, das Byrne 2012 mit der jungen US Kollegin Ann Clarke alias St.Vincent aufnahm. Im Frühjahr 2017 feierte sein Musical “Joan of Arc: Into the Fire” über das Leben der französischen Nationalheldin Jeanne D’Arc Premiere. Es erntete mittelmäßige Kritiken. Er ist ein wenig ruhiger geworden, arbeitet aber immer noch an musikalischen Projekten und schreibt Bücher. Und hier und da veröffentlicht er eine Kolumne in der New York Times. Er hält engen Kontakt zu seiner Tochter Malu, die 1989 aus seiner Ehe mit der US japanischen Schauspielerin Adelle Lutz hervorging. Zum Ruhm hat er ein ambivalentes Verhältnis. Er lebt gern zurückgezogen, weiß aber, dass das Rampenlicht wichtig ist, damit er weiterhin ein Forum für seine Kunst findet. Manchmal nimmt die Sache mit dem Prominentenstatus allerdings groteske Züge an.

O-Ton Ich ging in die Berge, um in einer heißen Quelle zu baden, die mir meine Freunde empfohlen hatten. Ich setzte mich dort also nackt in den Jaccuzi. Plötzlich erschien eine Gruppe von jungen Leuten, die mich erkannten. Das war mir so peinlich. Zumal sie mich auch noch ansprachen und um ein Autogramm baten. Ich antwortete: „Sorry, ich habe keinen Stift dabei“.

Das war „Innovativ und vielseitig“ - Ein Portrait des Musikers David Byrne von und mit Christiane Rebmann. Unser Podcast-und Newsletter-Angebot und die Liste der gespielten Musiktitel finden sie im Internet unter SWR2.de/ Tandem.

14. Song: David Byrne / As Humans Do (Look into the eyeball) 9