Sand im Getriebe infobroschüre zum westsaharakonflikt mit berichten der projektgruppe westsahara

| hintergrund des westsahara-konfliktes | wirtschaft & Politik | das leben im flüchtlingslager | gesellschaft | projekt & erfahrungen | Westsahara - noch nie gehört? Inhalt

Vor einigen Jahren, Ende 2009, ging es uns, einer Gruppe junger Berliner_innen ebenso. Die Westsahara ist ein Land an der nordafrikanischen Atlantikküste – auf der politischen Landkarte meist nur eine weiß markierte Leerstelle. Der überwiegende Teil der eigentlichen Bewohner_innen der Westsahara, die Sahr- auis, haben ihr Land noch nie gesehen. Denn die Westsahara, ehemalige spanische Kolonie, ist seit 1975 von Unter welchen Bedingungen leben die Sahrauis in den Flüchtlingslagern? 4 e i n b l i c k e Marokko völkerrechtswidrig besetzt und durch eine Mauer geteilt. Geopolitische Lage der Westsahara – Übersichtskarte 8 Eine Mauer, die nicht nur das Land, sondern auch Familien und Freund_innen seit langer Zeit voneinander trennt. Ein schmaler Streifen im Osten der Westsahara ist befreites Gebiet und wird von der sahrauischen Befreiungsbewegung Frente POLISARIO kontrolliert. Der Staat der Sahrauis, die Demokratische Arabische Berlin, Madrid und der Fluss des Goldes – Die Kolonialgeschichte der Westsahara 10 G eschichte & politik Republik (dars), ist ein Exilstaat, dessen Staatsgewalt sich auf die befreiten Gebiete und die Flücht- Minderheit im eigenen Land – Die Unterdrückung der Sahrauis 15 lingslager bei (Algerien) beschränkt. In der algerischen Wüste leben schon seit über 37 Jahren etwa 160.000 Sahrauis als Flüchtlinge. Jene Gegend, die Hamada, ist eine der unwirtlichsten der Welt. Es gibt Die völkerrechtswidrige Ausbeutung der Ressourcen in der Westsahara 18 nichts als Sand, Sonne und Geröll bei im Sommer unerträglicher Hitze. Po l i t i k & W i rts c h a f t Im Oktober 2009 besuchten wir erstmals diese Flüchtlingslager und verbrachten dabei zehn gemeinsame Meer ohne Wasser: Die Ausbeutung der Westsahara – a never-ending story?! 20 Tage mit jungen Sahrauis. Diese Begegnung ließ uns nicht wieder los. Bei dem Versuch den Kontakt zu hal- ten und den Austausch fortzusetzen, starteten wir gemeinsame Vorhaben und drangen tiefer in die The- Jugendbegegnung in Ausserd und Berlin –Ein Erfahrungs- Reisebericht 26 matik des Westsaharakonflikts ein. Das vorliegende Heft ist in seiner zweiten überarbeiteten Version ein p r oj e k t Ergebnis dieser Arbeit. Youth Movement – Ein Bericht über das Engagement Jugendlicher in der Westsahara 29 Seit 2009 machen wir nun öffentlich auf den Konflikt aufmerksam – durch Aktionen, Informationsveran- gesellschaft Mit einer Hand kann man nicht klatschen – Interview 30 staltungen, Solidaritätskonzerte und Veröffentlichungen. In jedem Jahr waren wir seitdem in den Camps und haben den Aufbau eines Jugendzentrums in der wilayah Ausserd unterstützt, was Jugendlichen die Möglichkeit des Internetzugangs und einen Ort zum Treffen, Lernen, Aktivsein bieten soll. Dieses Zentrum Von der Erkundungsreise bis zum gemeinsamen Jugendzentrum – Interview 32 wurde im Dezember 2011 eröffnet. Aber es ist nur ein Tropfen auf den so genannten heißen Stein: die Lage Pr oj e k t Nur ein Tropfen auf den heiSSen Stein? – Eröffnung des Jugendzentrums Ausserd 34 der Jugendlichen verschlechtert sich. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist gefährdet, die Krise in destabilisiert die Region, lässt in den Camps die Gefahr von Entführungen wachsen, was wiederum die Solidaritätsarbeit einschränkt. Viele Ju- Für freie Frauen in einem unabhängigen Land – »Wenn der Löwe tötet, tötet die Löwin auch« 36 gesellschaft gendliche sind enttäuscht und verzweifelt, dass der friedliche Weg des Verhandelns und Wartens nach über Sahrauische Identität im Exil – Interview 39 20 Jahren zu keiner Veränderung führt - der Ruf nach einem bewaffneten Kampf wird immer lauter.

In dieser Broschüre sollen aber nicht nur unsere Erfahrungen und Erlebnisse festgehalten werden. Sie Das Recht der Sahrauis auf Selbstbestimmung 44 Re c h t & Po l i t i k ist auch eine Zusammenfassung unserer bisherigen Recherchen über die politischen Zusammenhänge des Die Weltgemeinschaft versagt – Über die aktuelle Lage in den besetzten Gebieten 47 Westsaharakonflikts und ein Plädoyer für ein politisches Engagement für dessen Lösung! Die Artikel sollen nicht nur Außenstehenden dienen, sich einen Überblick über die Situation der Sahrauis Wüste Sause – Mit Pauken und Trompeten 50 zu verschaffen, sondern auch unseren Standpunkt im Westsaharakonflikt verdeutlichen. Trotz der intensi- p r oj e k t ven Beschäftigung mit dem Konflikt bricht unser Fragenschwall nicht ab. Vieles bleibt unbeantwortet, für Wüstenmobil – On the road? 52 einiges gibt es Erklärungen. Strategische und wirtschaftspolitische Interessen einiger Weniger verhindern eine längst überfällige Lösung des Konflikts. Es kommt zwar immer wieder zu Aufmerksamkeitsspitzen in der internationalen Presse, doch schnell ebbt a k t i o n Hey UN! – Monitor In 54 das Interesse wieder ab. Nicht bei uns. Solange die Sahrauis ihre Zukunft nicht in einem Referendum selbst bestimmen können, wie es das Völkerrecht vorsieht, bleiben wir am Ball und streuen Sand ins Getriebe. Von Pässen und Visa – Und der (Un-)Möglichkeit legal reisen zu können 56 Viel Spaß beim Lesen! Die Projektgruppe Westsahara im Dezember 2012 M e i n u n g Karawie, Karawer, Karawa(h)ne – Erfahrungsbericht 58

Marokko und der arabische Frühling 62 au s b l i c k e Bildet Banden …– Vernetzung 64

Glossar 66 Impressum 67

3 Unter welchen Bedingungen leben die Sahrauis in den Flüchtlingslagern?

1975 stellte Algerien den sahrauischen Flüchtlingen ein mehrere hundert Quadratkilometer großes Gebiet ent- gesamt leben etwa 160.000 Menschen in den vier wilayas. Die Landschaft rund um die Lager besteht aus Stein- und Sandwüste. Der Boden ist lang der Grenze zur Westsahara, südlich von der Stadt Tindouf zur Verfügung, welches die Sahrauis seitdem hart und unfruchtbar. Pflanzen wachsen kaum, nur vereinzelt sieht man trockene Büsche oder Bäume. Die sommerlichen Höchsttemperaturen selbst verwalten. Die dort unter der Führung der Frente POLISARIO errichteten vier Flüchtlingslager tragen liegen bei über 50° Celsius und im Winter gibt es teilweise Nachtfrost. Häufig treten Sandstürme auf und die äußerst seltenen starken Regenfälle die Namen von Städten in der Westsahara (Dakhla, Ausserd, und El Aaiùn). Die Lager (wilayas) gliedern zerstören die Zelte und kleinen Lehmhütten, die den Familien als Behausung dienen. Die extremen klimatischen Bedingungen erschweren nicht sich jeweils in 4-6 Bezirke (dairas) welche sich wiederum aus mehreren Vierteln (barios) zusammensetzen. Ins- nur allgemein das Leben der Lagerbewohner_innen, sie machen eine eigene Versorgung nahezu unmöglich. 4 5 Daher sind die Sahrauis gänzlich auf internationale Unterstützung angewiesen. Hilfsorganisationen wie ECHO, WEP und UNHCR garantieren wilaya hat eine eigene Krankenstation und mittlerweile gibt es auch Sahrauis mit medizinischer Ausbildung. Allerdings fehlt es immer wieder Hilfe, sind aber wiederum von Zahlungen der Industrieländer abhängig. Da diese jedoch nicht in ausreichendem Maße erfolgen, kann der Bedarf an nötigen Basismedikamenten und Geräten. Bei ernsthaften Erkrankungen sind die Sahrauis auf Behandlungsmöglichkeiten im algerischen an existenziellen Gütern für die sahrauische Bevölkerung nicht annähernd gedeckt werden. Auch Wasser zum Kochen, Waschen und Trinken Militärkrankenhaus von Tindouf oder im Ausland angewiesen. muss täglich mit großen Tankwagen angeliefert werden. Besonders in den letzten Jahren ist die Zahl der Hilfslieferungen drastisch zurückgegan- Umso erstaunlicher ist es, dass unter diesen widrigen Umständen ein funktionierendes Schulsystem aufgebaut wurde, dass allen Kindern ein gen, wodurch sich der Ernährungszustand der Sahrauis zunehmend verschlechtert hat. Vorwiegend Kinder, Schwangere und Alte sind vom Pro- Mindestmaß an Bildung garantiert und dazu geführt hat, dass in den Lagern eine Alphabetisierungsrate von über 90 Prozent erreicht wurde, ein blem der Unterernährung betroffen. Hinzu kommt, dass die permanente Mangelernährung auch die Anfälligkeit für Krankheiten erhöht. Jede in der arabischen Welt unübertroffener Wert. [Text: Josepha]

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Befreite Gebiete Einblicke

Besetzte Gebiete Einblicke

Geopolitische Lage der Westsahara Übersichtskarte

Die im Nordwesten Afrikas gelegene Westsahara grenzt nördlich an Marokko, im Süden an Mauretanien und im Osten an Algerien. Der gesamte Westen des Landes liegt an der atlantischen Küste. El Aaiùn ist die sahrauische Hauptstadt. Die Westsahara wird von einem über 2.500km langen marokkanischen »Schutz- wall« geteilt. Dieser Wall erstreckt sich durch das gesamte Land: Er verläuft entlang der algerischen Grenze an den Flücht- lingslagern vorbei und mündet im atlantischen Ozean. Der westliche Teil ist von Marokko besetzt, die öst- lich des Schutzwalls liegenden Gebiete werden von der POLISARIO, der saharauischen Befreiungsfront, kontrolliert. Alle größeren Städte, das fruchtbarere Land, die bedeutenden Phosphatvorkommen und die fischreichen Gewässer der Westsahara liegen in den besetzten Gebieten. An der algerischen Grenze befinden sich vier Flüchtlingslager der DARS (Demokratische Arabische Republik Sahara) die seit 1976 Zuflucht für circa 160.000 saharauische Flüchtlinge bieten.

8 9 g e s c h i c h t e

Berlin, Madrid und der Fluss des Goldes Die anhaltende Kolonialgeschichte Westsaharas

m 14. September 2010 erschien im New Statesman ein sie die jüngere Kolonialgeschichte nicht thematisieren, Alängerer Artikel über den Westsaharakonflikt unter schließlich war Marokko französisches Protektorat, wäh- dem Titel »Western Sahara – the next desert storm«1. In rend Westsahara spanische Kolonie war. Wie ließe sich der Kommentarspalte der Onlineausgabe lässt sich das da eine ununterbrochene historische Verbindung der immer gleich armselige Schauspiel marokkanischer Sahrauis zum Sultanat konstruieren? Dass marokkani- Propaganda beobachten. Diese glänzt durch eilig ver- sche Monarchisten den Westsaharakonflikt auf Basis ar- fasste Hetze und haarsträubendes pseudo-historisches chaischer Stammeszugehörigkeiten und feudaler Treue- Gewäsch. So fragte ein Kommentar höhnisch, ob irgend- schwüre zu lösen gedenken, kann nicht darüber hinweg jemand jemals vor 1975 von einem Land (country) West- täuschen, dass wir es mit einem ungelösten Kolonial- sahara gehört habe. Der Meinung des Kommentators konflikt zu tun haben. Westsahara ist die letzte Kolonie nach muss diese Frage verneint werden. Unabhängig von Afrikas. Spanische Kolonial­ dem daraus zu ziehenden hypothetischen Schluss, den ästhetik, Briefmarke er schuldig bleibt, kann diese Frage auch anders beant- Die Aufteilung Afrikas auf der Berliner Kongo- (nach 1924) wortet werden. Natürlich hat damals niemand von ei- konferenz nem Land Westsahara gesprochen. Heute heißt der 1976 Die eigentliche Kolonialgeschichte Westsaharas be- gegründete Staat der Sahrauis bekanntlich Demokrati- ginnt in Berlin. Auf der so genannten Kongokonferenz sche Arabische Republik Sahara, während man das »nicht im Winter 1884/85 teilten die europäischen Mächte den selbstständig regierte Territorium«2a international als afrikanischen Kontinent unter sich auf. Aus Interessen- 1 Xan Rice, »Western Sahara Westsahara bezeichnet. Vor dem Abzug Spaniens wurde sphären wurden Kolonien und Protektorate, so genannte - The Next Dessert Storm,« in: es schlicht als Spanisch Sahara bezeichnet. Die spanische Schutzgebiete. Dabei konnten sich Großbritannien und New Statesman, 14. Septem- Kolonialverwaltung selbst führte es als Doppelkolonie Frankreich die größten Stücke sichern, aber auch das ber 2010. unter dem Namen Río de Oro y Saguia el-Hamra. Meyers kleine Belgien, Portugal und die geltungssüchtigen jun- Handatlas von 1931 wies es inklusive des spanischen Pro- gen Monarchien Italien und Deutschland bekamen et- 2a In der offiziellenS prache tektorats Süd-Marokko (Tarfaya) unter dem Namen Río was vom Kuchen. Einzig das heutige Äthiopien blieb als der Vereinten Nationen gilt de Oro aus.* Die Frage nach dem historischen Namen ist Kaiserreich Abessinien zunächst unabhängig. Spanien, Westsahara als »non-self- also eine bloße Spitzfindigkeit. geschwächt und geschockt vom Verlust seiner südame- governing territory«. Dennoch soll der provokante Kommentar als Anknüp- rikanischen Kolonien, ging nahezu leer aus. Abgesehen * Meyers Handatlas, 8. neube- fungspunkt dienen: Marokkanische Propaganda verfolgt von einer Handelsniederlassung in Äquatorialguinea arb. und verm. Aufl.,L eipzig Historische Karten von 1958: die Bezeichnungen des den Zweck, die historische Zugehörigkeit Westsaharas blieb für die einstige Weltmacht lediglich ein schmaler 1931, S. 68-69 Gebiets Westsahara variieren je nach Alter und Herkunft. zum Königreich Marokko zu beweisen. Deshalb kann Wüstenstreifen gegenüber den Kanarischen Inseln – die

Chronik des 1973 1974 1974 Die Frente POLISARIO gründet sich in der Spanien gibt dem Druck der UN nach und Marokko und Mauretanien widersetzen Westsahara- Westsahara um das Land von der spani- stimmt zu, die Dekolonialisierung des sich dem Plan der UN für ein Referendum konfliktes schen Kolonialmacht zu befreien. Landes durch ein Referendum einzuleiten. mit der Begründung, das Gebiet der » 10 11 g e s c h i c h t e

Westsahra. Über dieses Gebiet wusste man so gut wie dass die Sahrauis schlecht auszubeuten sein würden. Le- Generäle (von griech. phalanx Schlachtreihe, die spani- Fremdenlegion. Durch die veränderte demographische nichts. Mit Saguia el-Hamra (»das rote Flussbett«) trägt diglich Handel schien möglich und so beschränkte sich schen Faschisten) die Sahara als Rekrutierungsgebiet und Lage sahen sich die Kolonialherren gezwungen, eine die nördliche Kolonie einen arabischen Namen, der sich die spanische Kolonie auf zwei Handelsstützpunkte, Villa zwangen zahlreiche sahrauische Männer, in einem ihnen Pseudo-Selbstverwaltung einzurichten und beriefen eine 3 Tony Hodges, »The Western wahrheitsgemäß auf einen nur nach Regenfällen Wasser Cisneros (Ad-Dakhla) im Río de Oro und Tarfaya, das im völlig fremden Krieg in Europa zu kämpfen.7 Insgesamt Djema’a der Stammesältesten ein, die allerdings vollstän- Sahara File,« in: Third World führenden Trockenfluss bezieht. Die Landzunge im Sü- heutigen Marokko liegt und Teil des kleinen Protektorats spielte die Kolonie jedoch weiterhin eine untergeordne- dig von spanischen Weisungen abhängig war und vorder- Quarterly 6,1 (1984), S.74-116, den nannten die Europäer Río de Oro. Im 15. Jahrhundert Spanisch Süd-Marokko6 war. te Rolle. Noch 1952 gab es nicht mehr als 216 zivile Ange- gründig dazu diente, der Bevölkerung die Besatzungspoli- S. 74. hatten portugiesische Seefahrer in der von der Halbin- stellte und 24 Telefonanschlüsse; für 1959 werden 7 Lehrer tik zu verkaufen. Am 17. Juni 1970 fand eine antispanische sel umschlossenen Bucht ihre Waren gegen Gold einge- Kolonie nur auf dem Papier für 366 Schulkinder in der gesamten spanischen Sahara Großdemonstration statt, die sich gegen diese heuchle- 4 Pastoral nomadism. tauscht und dem Ort den Namen »Fluss des Goldes« ge- Gleichzeitig entwickelten die Sahrauis eine eigenständige gezählt.8 Erst als in den späten 50er Jahren die im Jahre rische Politik wandte. Sie wurde von der Fremdenlegion 5 Hodges, »The Western Sahara geben. Wahrscheinlich hatten protostaatliche Organisations- 1947 entdeckten reichhaltigen Phosphatvorkommen9 aus- durch Schüsse in die Menge aufgelöst. Die Demonstration File,« S. 75ff. die Portugiesen die lange und form, die vor allem auf die Be- gebeutet wurden, änderte sich das Bild radikal. Plötzlich in einem Vorort El-Aaiúns war gleichzeitiger Höhe- und schmale golfartige Meeres- mühungen des Gelehrten Ma begann Westsahara für Spanien wirtschaftlich interessant Schlusspunkt einer frühen antikolonialen Bewegung, der 6 Das geschwächte Sultanat bucht beim heutigen Dakhla El-Ainin zurückging. Seit den zu werden. Harakat Tahrir Saguia el-Hamra wa Oued ed Dahab11. Deren Marokko war das ganze 19. irrtümlich für eine Flussmün- achtziger Jahren des 19. Jahr- Anführer Mohammed Sidi Ibrahim Bassiri, wurde verhaf- Jhdt. hindurch ein Zankapfel dung gehalten und ihr den hunderts wurde El-Ainin unter Bodenschätze und sozialer Wandel tet und verschwand daraufhin spurlos. Obwohl Spanien europäischer Mächte gewesen, wohlklingenden Namen Río de mehreren sahrauischen Stäm- In der nun einsetzenden eigentlichen Kernzeit der spa- damals die Überhand behielt, war doch das Ende seiner aber erst 1911 unter Frankreich Oro verliehen. Erst 1886 stell- men als spiritueller und wohl nischen Kolonialherrschaft vollzogen sich große gesell- Herrschaft eingeläutet. Die als Reaktion auf das Scheitern und Spanien aufgeteilt te eine spanische Expedition auch als politischer Führer schaftliche Veränderungen. Durch die französische Mili- der gewaltfreien Harakat Tahrir gegründete nationale Be- worden. enttäuscht fest, dass es in Río anerkannt. Nach seinen Plänen täroperation »Wüstensturm« und aufeinander folgende freiungsbewegung Frente POLISARIO (Frente Popular para 7 Karl Rössel, Wind, Sand und de Oro tatsächlich keinen Fluss wurde der Karawanenstütz- Dürrekatastrophen (1959-63 & 1968-1974) verloren viele la Liberación de Saguía el Hamra y Río de Oro) fing 1973 an, (Mercedes-)Sterne. Westsaha- gibt, was die Attraktivität der punkt Smara im Landesinne- nomadisierende Sahrauis mit ihren Herden die Existenz- die militärische Infrastruktur zu sabotieren und so den ra: Der vergessene Kampf für Neuerwerbung für Spanien ren zur Stadt mit Wohngebäu- grundlage und sahen sich gezwungen, für Hungerlöhne Abzug der Kolonialmacht zu erzwingen. Ihr Befreiungs- die Freiheit, Bad Honnef 1991, schmälerte. Die Episode zeigt, den, Moschee und islamischer in den spanischen Bergwerken zu arbeiten. Aber auch kampf, der später immerhin Mauretanien zur Aufgabe S. 114f. wie wenig die Kolonialmächte Universität ausgebaut. Unter die Städte El-Aaiún, Villa Cisneros (Dakhla) und das wie- seiner Ansprüche zwang, ist ein Kapitel für sich, aber mit den Kontinent kannten, ge- dem größer werdenden Druck derbelebte Smara übten große dem Abzug Spaniens im Februar 8 Rössel, Wind, Sand und schweige denn verstanden. Bismarck teilt den Kuchen Frankreichs, das sowohl Ma- Anziehung auf die Sahrauis aus. 1976 ging die Kolonialgeschichte (Mercedes-)Sterne, S.116, von rokko als auch Algerien und Die Zahl der in Städten lebenden Westsaharas lediglich in die Ver- den 216 Angestellten waren Kein Niemandsland Mauretanien beanspruchte, Sahrauis verdreifachte sich zwi- längerung. 155 Sahrauis; von den 366 Ebenso wenig wie die Topo- organisierte El-Ainin auch den schen 1967 und 1974. Verlässliche Schülern waren 139 sahrau- graphie verstanden sie die zunächst erfolgreichen Wider- Informationen über die Bevölke- Am grünen Tisch verhökert – ische Kinder, 105 spanische Bewohner ihres neuen Gold- standskampf der verbündeten rung außerhalb der Städte gibt es stillschweigend besetzt Kinder und 122 Erwachsene. stücks, die sahrauischen Bei- Nomadengruppen. Im Jahr nicht. Der letzte spanische Zen- Spanien war bereits zu schwach, 9 Der Lagerort Bou Craa dan,3 die, wie seit Jahrhunderten in diesen ariden Gebieten 1910, als er glaubte die Franzosen endgültig aus der Regi- sus von 1974 erfasste 73.497 Sahr- um sich am großen Spiel der befindet sich unweit der üblich, von der Wanderweidewirtschaft4 lebten. Anders on vertreiben zu können, wurde sein Heer im Süden des auis (bei 20.126 Europäern), von Machtblöcke zu beteiligen. Als 1940 gegründeten neuen als die Nomaden der Steppe, die mit der ganzen Familie heutigen Marokko vernichtend geschlagen. Im Zuge die- denen 40.660 in den drei größ- der Druck der Vereinten Natio- Hauptstatd El-Aaiún. dorthin ziehen, wo sie Weideland finden, kehrten sie im- ser Niederlage wurde Smara, das sich in wenigen Jahren ten Städten lebten. Schätzungen nen, die Westsahra zu dekoloni- mer wieder in die Oasen und festen Ansiedlungen zurück, zum ökonomischen und kulturellen Zentrum der Saguia gehen von insgesamt 200.000 sieren größer wurde12, kündigte 10 Rössel, Wind, Sand und in denen Frauen und Sklaven in geringem Umfang auch el Hamra entwickelt hatte, mitsamt seiner 15.000 kostbare Sahrauis in Westsahara und den Madrid nach langem Zögern ein (Mercedes-)Sterne, S. 132 Ackerbau betrieben. Neben der Viehwirtschaft trieben die Handschriften umfassenden Bibliothek von der franzö- Nachbarländern aus.10 Referendum an, in dem die Be- bezieht sich auf das Kapitel Sahrauis Handel mit Salz und Kamelprodukten. Einzelne sischen Armee zerstört. Erst jetzt gelang es Spanien mit wohner_innen der Westsahra »Minerals and Social Change« Der Maghreb unter spanisch-französischer Stämme beteiligten sich als Führer am Karawanenfern- französischer Hilfe langsam einen festeren Zugriff auf die Antikolonialer Widerstand über ihren zukünftigen Status in Tony Hodges Studie, Western Kolonialherrschaft handel durch die Sahara und führten regelmäßig wech- Kolonie zu etablieren. Dieser konzentrierte sich weiterhin Wie das faschistische Spanien entscheiden sollten. Das brachte Sahara: The Roots of a Desert selseitige Raubzüge durch.5 Die innere Organisation der auf die wenigen Orte entlang der Küste. Dakhla, Tarfaya selbst war auch die Kolonie ein Marokko und Mauretanien auf War, Westport 1983. Stämme dominierte die Djema’a als Stammesversamm- und La Guera im äußersten Süden blieben die einzigen reiner Polizei- und Militärstaat, den Plan, die offiziell das Recht 11 Wa Oued ed Dahab, arabi- lung, stammesübergreifend gab es mit der Ait Arbait ein Stützpunkte. Als die französische Armee 1934 die angren- der keine Kritik am kolonialen Status Quo zuließ. In vie- der Sahrauis auf Selbstbestimmung beteuerten, aber auch scher Name für den südlichen Gremium, in dem z. B. Konflikte um Wasserstellen verhan- zende Region unter Kontrolle brachte, besetzte Spanien len Orten übertraf das Militär zahlenmäßig die zivilen unverhohlen ihre jeweiligen Ansprüche auf das Gebiet er- Landesteil, etwa mit Río de Oro delt wurden. Es wird sofort klar, dass eine so organisierte einzelne strategische Punkte im Landesinneren. Im spa- Einwohner_innen. Nach dem Rückzug Spaniens aus Süd- hoben, die sie mit besagten Stammesloyalitäten zu recht- übereinstimmend. Bevölkerung für Spanien weder zähl- noch greifbar war, nischen Bürgerkrieg 1936-39 nutzten die falangistischen marokko wurde Westsahara zur Heimat der spanischen fertigen suchten. Dass diese scheinheiligen Argumente

16. Oktober 1975 Sommer 1975 Westsahara wäre bereits vor Kolonial­- Marokko verzögert das Referendum und Der Internationale Gerichtshof weist in seiner such a nature as might affect the application of particular, of the principle of self-determination Zur Vorbereitung des Referendums ent­ zeiten Teil des marokkanischen König- fordert eine Entscheidung des Internatio- Erklärung die Ansprüche Marokkos klar zurück: General Assembly resolution 1514 (XV) in the through the free and genuine expression of the sendet die UN eine Delegation in die Regi- reiches bzw. Mauretaniens gewesen. nalen Gerichtshof in Den Haag. „Thus the Court has not found legal ties of decolonization of Western Sahara and, in will of the peoples of the Territory“. on. Nach Befragung der der sahrauischen » 12 13 g e s c h i c h t e

»Grüner Marsch« ins Grenzgebiet

international nur bedingt verfingen, zeigt das Gutachten geteilte marokkanische und mauretanische Verwaltungs- 12 Insbesondere die Resoluti- des Internationalen Gerichtshofes vom 14. November 1975: hoheit. Während Spanien seine Truppen abzog, über- onen 2711, 14 December 1970, UN Photo - Martine Perret »[…] Das Gericht hat keine solchen rechtlichen Bindungen nahmen Marokko und Mauretanien die Kontrolle. Viele General Assembly Official gefunden, die die Resolution 1514 (XV) in der Dekoloni- kleinere Orte besetzte jedoch die Frente POLISARIO. Die Records, Twenty-fifthS ession, sation Westsaharas, und, insbesondere, das Prinzip der POLISARIO brachte auch 67 der 102 Mitglieder der Djema'a Supplement 28, UN Document Selbstbestimmung durch freien und genuinen Ausdruck dazu, das Organ der kolonialen »Selbstverwaltung« auf- a/8028, pp 100-1; Resolution des Willens der Bevölkerung des Gebiets, beeinflussen zulösen und einen 41 Mitglieder zählenden Nationalrat 2983, 14 December1972, könnten.«13 Wenige Stunden nach Veröffentlichung des nach dem Vorbild der alten Stammesversammlung Ait General Assembly OfficialR e- Gerichtsspruchs kündigte Hassan II. einen »Grünen Arbain zu gründen. Marokko und Mauretanien gelang cords, Twenty-seventh Session, Marsch« an, mit dem die Sahara medienwirksam »heim es am 26. Februar 1975 dennoch 57 Mitglieder zu einer Supplement 30, UN Document Minderheit ins Reich« geholt werden sollte. Rumpfsitzung der alten Djema'a in El-Aaiún zu versam- A/8730, pp 84-5; Resolution Für Spanien, aber auch für die Sahrauis war dies der meln, die der »Reintegration Westsaharas in Marokko 272, on the so called Spanish denkbar schlechteste Zeitpunkt. Der Diktator Franco lag und Mauretanien ihre volle Zustimmung«14 versicher- Sahara, OAU Council of im Sterben, seine Regierung und der spanische Thron- ten. Am gleichen Tag beendete Spanien offiziell seine 91 Ministers, Nineteenth Session, folger, der am 30. Oktober neues Staatsoberhaupt wurde, Jahre währende Kolonialherrschaft über Westsahara. Am im eigenen Land Supplement 30, UN Document waren entschlossen, einer militärischen Konfrontation 27. Februar, einen Tag bevor die Sahrauis unfreiwillig die A/9030, pp 110-11. mit Marokko aus dem Weg zu gehen und sich stattdessen Kolonialmacht wechseln sollten, gründete der sahraui- Die Unterdrückung der Sahrauis 13 International Court of auf ein Spanien nach Franco vorzubereiten. Also begann sche Nationalrat gemeinsam mit der Führung der POLI- Justice, Western Sahara. die Regierung direkt mit Marokko und Mauretanien zu SARIO einen unabhängigen Staat, die Demokratische Ara- it dem so genannten Grünen Marsch beginnt 1975 Rund 165.000 leben seitdem im algerischen Exil in Flücht- Advisory Opinion of 16 October verhandeln, wogegen Algerien vergeblich protestierte. bische Republik Sahara (DARS). die lange Leidensgeschichte der Sahrauis unter lingslagern in einem der unwirtlichsten Teile der Wüste. 1975, §162, S. 68 (meine Als sich Hassans »grüne« Marschkolonne am 7. Novem- M marokkanischer Herrschaft. Noch bevor die bis dato herr- Komplett abhängig von Hilfslieferungen führen sie dort Übersetzung ). ber schließlich in Gang setzte, war alles ein abgekartetes Kein Recht auf MeinungsäuSSerung schende Kolonialmacht Spanien das Land im Abkommen ein entbehrungsreiches Leben, können sich jedoch selbst Spiel. Spanien ließ die Marokkaner_innen marschieren, In Hinblick auf den Kommentator im New Statesman muss 14 Les provinces marocaines von Madrid an Marokko und Mauretanien abtritt, schickt organisieren und sich so ein gewisses Gefühl von Freiheit solange sie nicht weiter als 8 Meilen in bereits geräumtes man also mindestens anerkennen, dass Westsahara ers- du Sud, Rabat: Ministère de der marokkanische König Hassan II. hunderttausende Zi- und Zusammengehörigkeit bewahren. Gebiet vorstießen. Nach drei Tagen beorderte Hassan die tens auf eine von Marokko unabhängige Geschichte blickt l’information, Undated, p. vilisten über die Grenze in die Westsahara, um den angeb- Marschierer_innen zurück, weil das propagandistische und es zweitens sogar einen Staat auf dem Gebiet West- 40, zitiert nach Hodges, »The lich historisch begründeten Anspruch Marokkos deut- Für den marokkanischen König gaben nicht nur die rei- Ziel längst erreicht war. Die geheimen Verhandlungen saharas gab, bevor Marokko und Mauretanien das Land Western Sahara File«, S. 97. lich zu machen. Gleichzeitig begannen marokkanische chen Phosphatvorkommen der Region einen Ausschlag wurden unterdessen fortgesetzt. Man einigte sich, dass offiziell und doch völkerrechtswidrig unter ihre Verwal- Truppen von Norden und mauretanische von Süden aus für die Annexion der Westsahara. Durch die zunehmende Spanien eine Übergangsregierung bilden sollte, an der tung stellten. Nach ihrer Meinung hat die Sahrauis bisher 1 Berber - die ursprünglichen das Land zu besetzen. Es begann ein Krieg zwischen den Verarmung vor allem der berberischen Bevölkerungsteile Marokko und Mauretanien unter Einbeziehung der sahr- niemand gefragt. Das von Spanien 1973 angekündigte Re- Einwohner_innen der Region Invasoren und der bereits 1973 gegen die spanische Ko- drohte das Ungleichgewicht zwischen den beiden ethni- auischen Djema‘a partizipieren sollten. Ergebnis des Ma- ferendum fand nie statt. Auch in dieser Hinsicht beweist - und Araber, zu denen die lonialherrschaft gegründeten Freiheitsbewegung Frente schen Gruppen des Landes1 die nationale Einheit zu ge- drider Abkommens vom 14. November 1975 war aber die sich Marokko als »würdiger Nachfolger« der europäi- politische Elite Marokkos POLISARIO, welche außerdem die Flucht vieler Sahrauis fährden. Es ging also bei der »Heimholung« der Sahrauis de facto Überführung der spanischen Kolonie Sahara in schen Kolonialherrn. [Text: Lukas] gehört vor den marokkanischen Napalmbomben organisierte. auch um die Bindung der Berber an die marokkanische

6. November 1975 27. Februar 1976 Gemeinden kommt die Delegation zu dem König Hassan II von Marokko ignoriert marokkanisches Militär und 350.000 Ma- die mauretanische Armee vom Süden in und wird dabei von der marokkanischen Die POLISARIO gründet die DARS – Schluss, dass die Mehrheit der Sahrauis die Erklärung des IGH und initiiert den rokkaner_innen dringen in den nördlichen die Westahara ein. Ein Großteil der sahrau- Luftwaffe mit Napalm- und Phosphorbom- DemokratischeArabische Republik Sahara. die Unabhängigkeit wünscht. sogenannten „Grünen Marsch“: Teil der Westsahara ein. Zeitgleich rückt ischen Bevölkerung flüchtet nach Algerien ben angegriffen. Jene wird später von über 80 Staaten » 14 15 p o l i t i k

Sahrauis beim Protest gegen die Mauer, die das Land teilt

Zentralgewalt und damit, wie auch bei dem Wunsch nach schlossenen Volksabstimmung durchzusetzen, immer französische Präsident Sarkozy »selbstlos« eine Rückkehr friedlich gegen ihre Unterdrückung protestiert. Sie beton- »Beschäftigung« für die zum Putsch tendierende Armee, offensichtlicher wird, wächst der Widerstand gegen die Haidars vermittelt hatte. ten wiederholt ihre ausschließlich sozialen Forderungen. um die Machtsicherung des Regimes2. Besatzungsmacht merklich - und damit auch die Repres- Zusätzlich nimmt die Überwachung und Zensierung Das Gdaim Izyk, das Camp der Würde, wurde sofort von Nach dem Einmarsch blieben viele Sahrauis in ihrer sionen durch die marokkanische Regierung. Als Teil des stark zu. Kritischen Journalist_innen wird die Ausübung marokkanischem Militär umzingelt, welches den Zugang Heimat zurück, in der die marokkanische Besatzungs- von den Sahrauis ausgerufenen gewaltlosen Nationalen ihres Berufs verboten bzw. ihnen die Einreise behindert; weiterer Menschen und auch von Nahrungsmitteln unter- macht sie zunehmend unterdrückt. Es werden ihnen Widerstandes finden vermehrt öffentliche Demonstratio- ähnliches geschieht mit internationalen Menschenrecht- binden wollte. Am 8. November, kurz vor Verhandlungen Grundrechte wie der Besitz von Häusern und das Betrei- nen und Proteste statt. ler_innen und Parlamentarier_innen. Außerdem wird die zwischen Vertretern beider Seiten in New York, stürmten ben von Geschäften verwehrt, sowie der Zugang zu Aus- Die marokkanische Regierung geht dagegen mit Ver- Nutzung von Internetcafés streng überwacht und marok- marokkanische Polizisten und Soldaten gewaltsam unter bildung und Arbeitsplätzen erschwert. Das Gebiet ist haftungen und Misshandlungen vor. Laut der Gesellschaft kofeindliche Webseiten zensiert. Einsatz von Schlagstöcken und Tränengas das Lager und massiv von Militär besetzt, Unmengen von Polizisten kon- für bedrohte Völker3 wurden allein im Jahr 2006 mindes- brannten die Zelte nieder. Dabei kam es zu mehreren To- trollieren die Bevölkerung. Zudem sind sie seit den 80er tens 685 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert und Sowohl als auch Amnesty In- desfällen und tausenden Verletzten. Viele Sahrauis wur- Jahren durch eine ca. 2600km lange befestigte Mauer, die 206 Personen bei der Zerschlagung von Protesten verletzt. ternational berichten übereinstimmend über die zu- den inhaftiert und gefoltert, noch Wochen nach der Räu- von den Marokkanern gegen die Vorstöße der POLISARIO Da hohe Haftstrafen zuletzt Aufsehen erregt hatten, wer- nehmende Verschlechterung der ohnehin schon prekären mung zogen Trupps aus marokkanischen Siedlern und errichtet wurde, von ihren Angehörigen im Exil getrennt. den nun die größtenteils jungen Sahrauis nur kurzzeitig Menschenrechtssituation. Trotzdem gelingt es der ma- Polizisten raubend, vergewaltigend und zerstörend durch inhaftiert. Jedoch werden sie in langen Verhören bedroht rokkanischen Regierung, das Thema aus der Weltöffent- die Stadt. Die Truppen der MINURSO konnten auf Grund Von Beginn an versuchte die marokkanische Regie- und gefoltert, so dass viele nach der Freilassung direkt ins lichkeit fernzuhalten. In der EU, besonders in Spanien und ihrer lächerlichen Stärke nichts dagegen unternehmen; rung den Anschein zu erwecken, die Besetzung fände Zu- Krankenhaus eingeliefert werden müssen. Frankreich, wird Marokko als Handelspartner geschätzt wie sich herausstellte, machten sie noch nicht einmal ei- stimmung unter der sahrauischen Bevölkerung. Marok- Oft werden auch Familienangehörige in Gewahrsam und zur Grenzsicherung gen Afrika benötigt. Das Mandat nen Versuch dazu, obwohl sie schon im Voraus von der 2 Hunziker, Peter: Der kaner_innen werden bis heute zwangsumgesiedelt bzw. genommen, um auf die eigentlich gesuchte Person Druck der von der UN beauftragten MINURSO, die seit 1991 erfolg- bevorstehenden Räumung wussten. Westsaharakonflikt alsP rozess werden ihnen zumeist ökonomische Anreize zur Umsied- ausüben zu können. Viele Sahrauis wurden nach der Ent- los das Referendum zu organisieren versucht, wurde nicht Die marokkanische Regierung wies gleichzeitig die der Staatenbildung, 1987, S. lung geboten. Damit wird das Ziel verfolgt, die Sahrauis führung nie wieder gesehen; laut AFAPREDESA4 bleiben durch eine Beobachtermission der Menschenrechtslage er- internationale Presse aus und verwehrte europäischen 47/48. zu einer Minderheit zu machen, das Land zu »marokka- bis heute rund 260 Sahrauis verschwunden. Verdächtigen weitert, da zuletzt 2012 Frankreich als einziges Mitglied des Politiker_innen die Einreise. Bundesaußenminister Wes- 3 Gesellschaft für bedrohte nisieren«. So könnte ein vielleicht doch irgendwann statt- Personen wird die Ausreise verweigert oder sie werden UN-Sicherheitsrates sein Veto dagegen einlegte. terwelle wurde zwar zu einem diplomatischen Gespräch Völker - www.gfbv.de findendes Referendum unter den Sahrauis (bisher von nach ihrer Rückkehr direkt inhaftiert, wie die mehrfach empfangen und forderte eine friedliche Beilegung des Marokko geschickt hinausgezögert) zugunsten Marokkos ausgezeichnete Menschenrechtsaktivistin Aminatou Hai- Ende 2010 verhinderte das wiederholte Veto Frank- Konflikts - anstatt jedoch den Angriff zu verurteilen, be- 4 www.afapredesa.org entschieden werden. dar im Herbst 2009. reichs eine genauere Untersuchung der derzeitigen Vor- lohnte er die marokkanische Regierung mit zusätzlichen 5 HYPERLINK: http://www. Ihr Hungerstreik auf dem Flughafen Lanzarotes zwang fälle in den besetzten Gebieten. Im Oktober hatten sich 3 Millionen Euro im Rahmen der Energiepartnerschaft scharf-links.de/44.0.html?tx_ Seitdem die Unfähigkeit der UN, die Durchführung die westliche Welt zu einem unangenehmen Seitenblick; mehr als 10.000 Sahrauis außerhalb der Hauptstadt El- beider Länder für den permanenten Bruch des Völker- und ttnews%5btt_ dieser 1991 zusammen mit dem Waffenstillstand be- schnell jedoch verlor sich das Interesse, nachdem der Aaiún versammelt und in der dort errichteten Zeltstadt Menschenrechtes. [Text Tim]

1979 1981-1987 anerkannt und ist Mitgliedsstaat in der Die Guerilla-Taktik der POLISARIO zeigt Gebietsansprüche auf. Marokko weitet Um den Aktionsradius der POLISARIO- und der USA) einen über 2500km langen, marokkanischen Soldaten bewachte Afrikanischen Union. Erfolge: Mauretanien zieht sich aus der daraufhin seine militärischen Operation Kampfverbände einzuengen, errichtet beidseitig von Minenfeldern flankierten Mauer teilt das Land von Nord nach Süd: Westsahara zurück und gibt jegliche auf das gesamte Gebiet des Landes aus. Marokko (mit der Unterstützung Israels militärischen Schutzwall. Die von 150.000 westlich die von Marokko besetzten » 16 17 P o l i t i k & W i r t s c h a f t P o l i t i k & W i r t s c h a f t

Die völkerrechtswidrige Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in der Westsahara

Die politischen Entscheidungen Marokkos und die jahrzehntelange Verschleppung des Konflikts dürften vor allem wirtschaftliche Gründe haben. Die geopolitische Situation in der Westsahara wird seit Jahrzehn- ten durch die Wirtschaftsinteressen Marokkos und deren Verbündeten bestimmt. Gerade die verkehrspoli- tisch günstige Lage zu Europa und das hohe Potential an Nutzungsmöglichkeiten für eine exportorientier- te Wirtschaft machen die Westsahara als Wirtschaftsraum hochinteressant.

andlungsunfähig muss die Frente POLISARIO be- hier eher die weiteren Rohstoffe, die im Boden dieser Hreits mit ansehen, wie vor ihren Augen und mit lebensfeindlichen Landschaft noch vermutet werden. Billigung der Weltöffentlichkeit Bodenschätze wie Phos- Weite Teile des Landes sind zwar wirtschaftlich noch phat durch Marokko abgebaut und exportiert werden und unerschlossen, aber man vermutet neben dem Phos- das, obwohl der Status der Westsahara nach wie vor nicht phat reiche Vorkommen von Erdöl, Gas, Erzen, Uran, geklärt ist. Das Phosphat ist einer der Grundpfeiler der Kupfer und Edelmetallen. Marokko hat bereits wichtige marokkanischen Wirtschaft und bringt der Staatskasse Abkommen für die Suche und Förderung von Erdöl, Erd- jährlich Profite in Millionenhöhe ein. Marokko steht bei gas sowie Phosphat in der Westsahara an ausländische der Förderung dieses für die Landwirtschaft wichtigen Unternehmen vergeben. Steigende Rohölpreise auf den Fischbestände Bodenschatzes nicht an erster Stelle, ist aber der größte Ex- Weltmärkten machen auch hier die sonst eher kosten- Ölvorkommen porteur, da fast die gesamte Fördermenge ausgeführt wird. intensive För­derung im Offshore-Bereich vor der Küste Einschließlich der in der Westsahara liegenden Res- für diese Unternehmen lukrativ. Obwohl der Status der Ph Phosphatvorkommen sourcen verfügt Marokko sogar über 36% der Phosphatre- Westsahara nicht geklärt ist, hat auch die POLISARIO be- 1 Western Sahara serven der Erde. Und um die Dimension zu verdeutlichen: reits Abkommen und Explorationsverträge mit auslän- Phosphatmine Bou Craa Resource Watch: http:// eine freie Westsahara alleine wäre nach Marokko bereits dischen Öl- und Gaskonzernen abgeschlossen, um die www.wsrw.org/index. Tomatenfarm der zweitgrößte Phosphatexporteur der Welt.1 Ein frei- Suche nach Rohstoffen für die Zeit nach der Souveränität php?cat=190&art=1455, williger Rückzug Marokkos aus der Westsahara ist daher zu forcieren. Ein in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten Diese geoökonomische Karte zeigt das Rohstoffvorkommen der Westsahara und die geplanter Windpark 30.10.2010. schon allein unter diesem Gesichtspunkt nicht zu erwar- des UN-Büros für rechtliche Angelegenheiten kam zwar damit verbundenen marokkanischen und europäischen Wirtschaftsinteressen. geplanter Solarpark 2 UN Security Council; ten, obwohl es sich dabei um den unerlaubten Abtrans- zu dem Schluss, dass diese bereits existierenden Explo- 12.02.2002, S. 161, http:// port von Bodenschätzen aus völkerrechtswidrig besetz- rationsverträge nicht illegal sind, weitere Bohrungen www.wsrw.org/files/pdf/ tem Gebiet handelt. und Förderarbeiten jedoch, sollten sie den Interessen olaeng.pdf, 30.10.2010 und Wünschen der Menschen der Westsahara zuwider- Die Westsahara - reich an Bodenschätzen laufen, durchaus gegen internationale Rechtsprinzipien 3 Western Sahara In den Fängen internationaler Geopolitik des Europaparlaments hat dies bereits bestätigt.4 Denn Geologisch gesehen hat die Westsahara aber noch mehr verstoßen könnten.2 Einige französische und US-ameri- Resource Watch: http:// Die Haltung des Auslands muss daher auch immer in Ver- der Fischfang in der Westsahara findet weder in Konsul- zu bieten. Sie ist eine vielfältige Landschaft, geprägt von kanische Unternehmen mussten sich daher bereits unter www.wsrw.org/index. bindung mit möglichen wirtschaftlichen Verflechtungen tation mit der sahrauischen Bevölkerung statt, noch er- Sand-, Kies und Steinwüsten, welche sich nahezu über das dem Druck von internationalen NGOs aus der Sahara zu- php?cat=188&art=1453, bewertet werden. halten die Menschen die Einnahmen aus der Verwertung gesamte Territorium erstrecken. Vereinzelte Oasen erlau- rückziehen.3 30.10.2010 So hat die Europäische Union mit Marokko beispielsweise ihrer eigenen reichen Fischbestände. Denn Aktivitäten ben hin und wieder eine arbeitsintensive Bewirtschaftung Nichtsdestotrotz bleibt für beide Parteien der Druck ein Fischereiabkommen über die Ausbeutung der Fisch- zur Ausbeutung natürlicher Ressourcen in Gebieten oh- 4 Petition gegen EU-Fischerei und Viehzucht. nach jeweils einer im eigenen Interesse gearteten Lösung reserven vor der Küste der Westsahara abgeschlossen, ob- ne Selbstregierung stehen nur dann im Einklang mit dem vor der Küste der Westsahara Durch das extrem heiße Klima unter Einfluss der des Konflikts, weil die wirtschaftlichen Verpflichtungen, wohl ihr bewusst ist, dass die Fischereiaktivitäten euro- Völkerrecht, wenn diese Aktivitäten zum Wohle der Ein- Nordost-Passatwinde ist der Betrieb von Landwirtschaft die sie bereits eingegangen sind, keine Umkehr ermögli- Quelle: http://www.fishelse- päischer Flotten in den Gewässern der Westsahara gegen wohner dieser Gebiete, für sie oder in Konsultation mit auf dem restlichen Gebiet der Westsahara aber nahezu chen. Diese Entwicklung beeinflusst die demographische where.eu/index.php?parse_ internationales Recht verstoßen. Der juristische Dienst ihren Vertreter_innen unternommen werden. [Text Chris] unmöglich. Interessant für die Konfliktparteien sind Situation im Gebiet der Westsahara daher maßgeblich.

4 Petition gegen EU-Fischerei 1991 2000 2004 vor der Küste der Westsahara Gebiete, östlich das von der POLISARIO Der UN-Sicherheitsrat, Marokko und die eines Referendums in der Westsahara. Die Referendum für die erste Hälfte des Jahres Das Referendum wurde noch nicht umgesetzt. Der UN-Sonderbeauftragte James Baker Quelle: http://www.fishelse- kontrollierte befreite Territorium POLISARIO einigen sich über einen Waffen- MINURSO-Mission der UN wird mit dem 1992 vorzubereiten. Marokko weigert sich die von der UN erstellte tritt von seinem Amt zurück mit der Be- where.eu/index.php?parse_ stillstand und die Durchführung Auftrag in der Region stationiert, das Liste der Wahlberechtigten anzuerkennen. gründung, es sei[Text: nicht Christian] möglich eine für » 18 19 P o l i t i k & W i r t s c h a f t

Das Wort »Sahara« (arab. bahr bilá má), bedeutet Meer ohne Wasser Meer ohne Wasser Die Ausbeutung der Westsahara - a never-ending story?!

ie Geschichte der Menschheit ist schon immer mit der- Zeitpunkt in der Westsahara stationiert und das Interes- DNutzung natürlicher Rohstoffe und deren Verwertung se Spaniens im Norden Afrikas konzentrierte sich haupt- verbunden. Denn menschliche Arbeit – der Stoffwechsel zwi- sächlich auf die Fischbestände der Westküste. Der Artikel gibt die schen Mensch und Natur – ist die Grundvoraussetzung für das Die politische wie wirtschaftliche Bedeutung der Meinung der beiden menschliche Dasein, und somit auch für die entwickelte Gesell- Westsahara änderte sich in der Mitte des 20. Jahrhun- Autoren wieder. schaft, wie wir sie heute kennen. Die Entwicklung vom Lager- derts mit der Entdeckung bedeutender Rohstoffvorkom- Einige Inhalte und feuer der urzeitlichen Jäger- und Sammlergesellschaft hin zur men (insbesondere des Phosphats)2. In den folgenden Formulierungen wurden Fernwärmeheizung des 21.Jahrhunderts wäre ohne die Nutz- Jahren vergab die spanische Regierung Aufträge zum in der »Projektgruppe barmachung neuer Ressourcen nicht möglich gewesen. Dieses Bau von Förder- und Verarbeitungsanlagen für Phos- Westsahara« kontrovers reine Verhältnis von Mensch und Natur beantwortet jedoch phatgestein im Wert von 30Mio. DM. Im Zeitraum von diskutiert. noch nicht die Frage nach deren konkreten gesellschaftlichen 1973-75 stiegen die spanischen Phosphatimporte aus der Verwertungsformen. Westsahara von 0,36 auf 2,24 Mio. Tonnen an. Als Folge Der folgende Text zeigt die gesellschaftlichen Machtverhält- nahm die Zahl spanischer Siedler_innen in den Jahren nisse auf, welche die Ausbeutung der Westsahara bestimmt ha- 1958-74 von 1710 auf über 20.000 zu. Auch die Zahl der ben und noch immer bestimmen. zum Schutz der spanischen Wirtschaftsinteressen stati- onierten spanischen Soldaten stieg bis zum Jahr 1974 auf Das Gebiet der Westsahara ist reich an natürlichen 20.000. 1975 nahm jedoch der politische Druck auf Spa- Ressourcen. Die Geschichte der Plünderung der west- nien zu, eine Lösung für die Westsahara zu finden. Auf sahrauischen Bodenschätze, ebenso wie die Unterwer- der einen Seite stand die UNO mit der Forderung nach fung der dort lebenden Menschen, muss im Kontext des der Entkolonialisierung im Sinne der UN-Charta, auf Strebens der europäischen Staaten um die politische und der anderen Seite beanspruchte Marokko die Westsahara wirtschaftliche Vormachtstellung im 18./19. Jahrhundert unter dem Vorwand, sie sei historischer Teil eines Groß-

chweda, www.thisfabtrek.com gesehen werden. So war die wirtschaftliche Ausbeutung Marokko. Zeitgleich führte die Frente POLISARIO seit S von Mensch und Natur in Übersee und die Erschließung 1973 einen bewaffneten Unabhängigkeitskampf gegen die anfred

M neuer Absatzmärkte das vorrangige Interesse der Kolo- spanische Kolonialmacht. Dies führte dazu, dass Spanien nialmächte und wurde damit gerechtfertigt, den »zu- am 28.Februar 1976 die Westsahara an Marokko und Mau- hoto by P rückgebliebenen Völkern« die »Zivilisation zu bringen«. retanien verschacherte. Spanien sicherte sich bei diesem Auch die Bildung der späteren Nationalstaaten in Afrika, Kuhhandel die Lieferung von Phosphatgestein im Wert als Folge der Aufteilung von Einflusssphären unter den von 300Mio. US$ zu einem Spottpreis von 15 US$ pro Ton- europäischen Staatsherren im 19. Jahrhundert, geschah ne und behielt 35% der Aktien der Phosphatmine in Bou einfach am Reißbrett und vorrangig unter dem Gesichts- Craa in eigener Hand. Außerdem erhielten 800 spanische punkt der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Kolonien. Fischerboote das Recht über 12 Jahre vor der nordwest-af- rikanischen Küste zu fischen. Nach militärischen Offen- Bild links: Wirtschaftsinteressen unter Spanien und Marokko siven der POLISARIO fiel die Fördermenge des Rohphos- ausrangierter Im Jahre 1890 war die Spanien zugesprochene Westsa- phats von 2.7Mio.t 1975 auf 25.000t im Jahr 1977. Fischtrawler vor der hara ökonomisch noch so uninteressant, dass die Sahara- Als Reaktion stockte Marokko seine Militärprä- westafrikanischen kolonie deutschen Geldgebern zum Kauf anboten wurde1. senz auf 160.000 Soldaten in der besetzten Westsahara Küste Nicht mehr als 25 spanische Soldaten waren zu diesem auf. Die Kosten für den Krieg beliefen sich damals auf

2008 November 2010 beide Konfliktparteien akzeptable Lösung Die Verhandlungen liegen auf Eis. Die Referendum. Marokko lehnt dies ab und Auf Initiative des UN-Sondergesandten der POLISARIO in New York. Zeitgleich eska- sahrauischen Protestcamps in der Nähe zu finden. POLISARIO besteht auf den Status der gesteht nur einen Autonomiestatus unter Christopher Ross kommt es zu erneuten liert Marokko die Situation in den besetzten El-Aaiún gibt es 12 Tote und hunderte Unabhängigkeit als eine Option für das marokkanischer Kontrolle zu. Verhandlungen zwischen Marokko und Gebieten: bei der Räumung eines Verletzte. » 20 21 P o l i t i k & W i r t s c h a f t

4-5,5 Mio. US$ pro Tag. Die sahrauischen Lagerstätten Die sich in den 90iger Jahren verändernden außenpoli- trugen entscheidend dazu bei, dass Marokko zum welt- tischen Rahmenbedingung (Ende des Warschauer Ver- weit größten Phosphatexporteur aufsteigen konnte. trages; Auflösung der RGW-Staaten) führten zu einer In der gleichen Zeit verschlechterten sich die Arbeits- inhaltlichen Neuorientierung der POLISARIO. Mit dem bedingungen für Sahrauis unter der marokkanischen Wegfall der Blockkonstellation des Kalten Krieges ver- D i e W e s t s ahara und ihre R e ss ourcen – ein Ü b e r b l i c k Besatzung enorm. Arbeitsplätze – vor allen Dingen gut lor die POLISARIO die Unterstützung durch die block- bezahlte – wurden (und werden) fast ausschließlich an freien Staaten. Die Grundsätze aus den Anfangsjahren Die Westsahara wird von den Vereinten Nationen als „nicht selbstständig regiertes Gebiet“ geführt, dessen Entkolonialisierungsprozess marokkanische Siedler_innen vergeben. Diese machen der Befreiungsfront zum Aufbau einer am Sozialismus nicht abgeschlossen ist. Völkerrechtlich wäre die Veräußerung von Ressourcen eines solchen Gebietes nur legitim, wenn der Erlös der mittlerweile mehr als die Hälfte der in der Westsahara orientierten Gesellschaft wichen marktwirtschaftlichen betroffenen Bevölkerung zugute käme. Folgend ein kurzer Überblick über die wichtigsten natürlichen Ressourcen der Westsahara und lebenden Bevölkerung aus. Die Ausbeutung von Mensch und an westliche Demokratievorstellungen angelehn- deren momentane Ausbeutung: und Natur in der Westsahara unter marokkanischer ten Konzeptionen. Das White Book on Western Sahara von Herrschaft ist nichts weiter als die Fortführung der sel- 2001, ein Verfassungsentwurf für einen befreiten und Phosphat ben kapitalistischen Verwertung, wie sie auch zu spani- unabhängigen sahrauischen Staat, führt die Sicherung Rund 36% der weltweiten, momentan abbaubaren Phosphatvorkommen liegen in Marokko und der Westsahara. Marokko ist mit einer schen Kolonialzeiten auf der Tagesordnung stand. Der des Privateigentums ebenso als Verfassungsgrundsatz Fördermenge von 30Mio. t/Jahr einer der weltweit größten Produzenten und Exporteure von Rohphosphat. Eine freie Westsahara Mehrheit der Sahrauis kam weder damals noch heute der an, wie die Beteiligung privater in- und ausländischer wäre nach Marokko bereits der zweitgrößte Phosphatexporteur. Ca. 10% der Gesamtfördermenge Marokkos stammen aus der in den natürliche Reichtum ihres Landes zu Gute, noch konnten Unternehmen am öffentlichen Sektor (z.B. Fluggesell- besetzten Gebieten der Westsahara gelegenen Mine Bou Craa. Bei einem durchschnittlichen Weltmarktpreis von 200 US$/t entspricht sie die Produkte ihrer Arbeit in eigenen Händen halten. schaften, Telekommunikation, Post, Phosphatindustrie, das einem Erlös von 600Mio.US$/Jahr aus den Rohphosphatvorkommen der Westsahara. Fischerei)4. 16 Unternehmen aus 12 Ländern sind am Import von Phosphatprodukten aus Marokko und der Westsahara beteiligt (hauptsächlich Was bringt die Zukunft? An welchen gesellschaftlichen Ideen sich die Sahr- USA, Neuseeland, Australien, Mexiko, Lithauen). 150-300 Frachtunternehmen aus Europa, Nordamerika und Asien verdienen an der Wie aber sieht das Gesellschafts- und Wirtschaftskon- auis in Zukunft orientieren und wie ihre entsprechende Verschiffung von in der Westsahara abgebautem Phosphat. Bei den aktuellen Fördermengen ist mit einer Erschöpfung der Phosphat- zept aus, welches die POLISARIO der bisherigen profit- politische Praxis aussieht, wird das Produkt innerer und vorkommen in der Westsahara in 2040-2050 zu rechnen. orientierten Ausbeutung von äußerer Auseinandersetzungen Mensch und Natur entgegen- sein. Aber nur wenn die Sahrauis Fischerei setzt? Würden die begrenzten ihr Schicksal wieder in eigene Der nährstoffreiche, auf die nordafrikanische Küste treffende Kanarenstrom sorgt für große Fischbestände entlang der Küsten Ma- natürlichen Rohstoffe und die Hände nehmen, kann eine freie rokkos, Mauretaniens und der Westsahara. Das aktuelle Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko (2007-2011) umfasst 144 menschliche Arbeitskraft wei- Sahara mit freien Menschen eine Fischfanglizenzen zu einem Preis von 144,4Mio. €. 100 der 144 Lizenzen fallen auf Spanien. 1 Rössel, Karl: Wind, Sand terhin den Profitinteressen des Perspektive sein. Für die beiden Das Abkommen umfasst alle unter marokkanischer Verwaltungshoheit stehenden Gewässer (auch die Küstengebiete der Westsaha- und (Mercedes-)Sterne. Kapitals untergeordnet und Autoren ist klar, dass die Zu- ra) und erkennt somit faktisch die marokkanische Besatzung an.* Westsahara: Der vergessene die Verträge und Abkommen kunft einer freien Gesellschaft Kampf für die Freiheit, Bad *Neuerdings sind die Gewässer vor Westsahara ausgegliedert. mit den selben Unternehmen nur jenseits der kapitalistischen Honnef 1991. fortgesetzt werden? Nur dass Ausbeutungsverhältnisse über Erdöl und Erdgas 2 Hagen, Erik: „The role of dann eine andere nationale Mensch und Natur liegen kann. Die meisten Ölvorräte der Region werden in der Westsahara selbst, bzw. in dessen Offshoregebiet, vor Fuerteventura und Lanzarote, natural resources in the Elite Nutznießer des Systems Technik in der Wüste: das Förderband der Krupp Das »schöne Leben« für alle sowie in Tarafaya/Marokko vermutet. Seit Mitte der 80er Jahre versucht Marokko mit Hilfe des französischen Total-Konzerns und , wäre? Oder stehen eine Gesell- GmbH transportiert Phosphatgestein zur Menschen ist für uns das ent- des amerikanischen Kerr-McGee-Konzerns die Erschließung und Ausbeutung der Ölvorkommen in der Westsahara voranzutreiben. and the interests involved“, schaft mit gleichberechtigten Verschiffung an die Küste der Westsahara scheidende Prinzip einer sol- Obwohl sich beide Unternehmen mittlerweile auf Grund zu geringer Profiterwartungen aus der Westsahara zurückgezogen haben, in: International conference Menschen und eine nachhalti- chen freien Gesellschaft: eine betrieben folgende Unternehmen im Jahr 2009 die Ölförderung in der Westsahara: Kosmos Energy, San Leon Energy, ONAREP, Fusion. on multilateralism and ge Nutzung natürlicher Ressourcen im Mittelpunkt poli- gerechte Verteilung der Lebensqualität bedarf einer de- Zwölf Felder sind von der POLISARIO vor der Küste der Westsahara ausgeschrieben, die im Falle einer Unabhängigkeit die Rechte für international law, with tischer Perspektiven? mokratischen Verfügung über die Nutzung natürlicher Erforschung und Ausbeutung garantieren. Western Sahara as a case Zu Beginn der kriegerischen Auseinandersetzung Rohstoffe. Arbeit sollte den individuellen Bedürfnissen study, 2008. mit Marokko und Mauretanien orientierte sich die Ge- und Fähigkeiten angepasst sein. Um nachfolgenden Ge- Weitere wirtschaftliche Unternehmungen sellschaftsvorstellung der POLISARIO an einem auf dem neration ebenso ein Leben zu ermöglichen, ist ein nach- 3 Hodges, Tony: „The Western Großflächiger Obst- und Gemüseanbau für den europäischen Markt in der Region von Dakhla unter Verwendung unterirdischer Islam basierenden Sozialismus. Auf dem dritten und haltiger und verantwortungsvoller Umgang mit den Sahara File”, in: Third World Süßwasserreservoirs. vierten Kongress der POLISARIO (1976/78) positionierte endlichen Ressourcen notwendig. Quarterly 6,1 (1984). Abbau von Rohstoffen wie Eisenerz, Zirkonium, Uran, Mangan, Vanadium, Titanium. Laut marokkanischer Regierung ist die Errich- sich die Befreiungsfront klar gegen Kolonialismus und tung von solar-thermischen Kraftwerken in den besetzten Gebieten der Westsahara geplant. 4 Published by Sahrawi Imperialismus. Sie wollte sich für die Abschaffung jeg- Solidarität mit den Sahrauis heißt für uns auch, eine kritische Aktuell beginnt Siemens mit dem Bau von Windkraftanlagen in Westsahara. Ministry of Information, licher Form von Unterdrückung und Ausbeutung einset- Auseinandersetzung über die nachhaltige Nutzung natür- „Beyond hope – A White zen. Grundlegende Prinzipien des zukünftigen Staates licher Ressourcen zu führen und zu hinterfragen, ob es nicht Book on Western Sahara“, sollten die gerechte Verteilung der natürlichen Rohstoffe, alternative Formen menschlicher Vergesellschaftung gibt – 2001. kostenlose medizinische Versorgung und Bildung sein3. jenseits von Staat, Nation und Kapital. [Text Bert und Hans]

2011 Oktober 2011 Dezember 2011 Dezember 2012 »Arabischer Frühling« in Tunesien, Erstmalige Entführung von europäischen Unter- Das EU-Parlament stoppt das Fischerei- Der Polisario-Kongreß lehnt eine Wiederauf- Der Sicherheitsrat der UNO billigt auf die den Norden besetzt halten. Ägypten, Libyen stützer_innen aus den Flüchtlingslagern, die abkommen, die Kommission drängt aber nahme der bewaffneten Auseinandersetzung, Bitte Malis einen internationalen Militä- Die Malikrise destabilisiert die Region und erst nach 9 Monaten wieder freikommen. weiterhin auf eine Nouvellierung. vorläufig noch ab. reinsatz gegen Terroristengruppen, auch die sahrauischen Flüchtlingslager. « 22 23 B litzlichter

Wieso, weshalb, warum?

Ganz oft sehen wir uns mit dieser Frage konfrontiert. Ein paar ganz individuelle Antworten darauf, was uns eigentlich motiviert hat in der Projektgruppe West- sahara mitzumachen und uns auch weiterhin im Themenfeld Westsaharakonflikt am Ball bleiben lässt, findet ihr auf den Zwischenseiten.

»Ich will verbinden, was mir wichtig ist: Viel Zeit mit mei- nen Freunden verbringen und dabei die Zusammenhänge des globalen Ungleichgewichts verstehen und diesen entgegen wirken. Dabei durch Austausch und Diskussionen Probleme in neuen Kontexten sehen und trotz Gefühlen der Wut und Empö- rung nicht handlungsunfähig sein. Zusammen mediale Wege »Das schöne Leben, ohne den ganzen Scheiß der uns Menschen finden, um – tanzend oder zur Not mit Pappgewehren vor dem heute zu Grunde richtet, wird uns nicht in den Schoß fallen – Brandenburger Tor – auf die Geschehnisse in der Westsahara sondern nur mit viel Spucke und Ausdauer erkämpft werden. aufmerksam zu machen.« Und da es irrational ist, wenn dieser Kampf an nationalstaatli- chen Grenzen halt macht, unterstütze ich jene Menschen in der Westsahara, die sich gegen die Zurichtung des Lebens und für eine Befreiung von allen äußeren Zwängen einsetzen. Das ›How-to Die Arbeit und das Engagement mit der Projektgruppe haben » Manual‹ dafür gibts aber nicht bei facebook oder im Einkaufscen- mir viele interessante Menschen näher gebracht, die ich sonst ter. Vielmehr müssen die eigenen und gemeinsamen Ideen immer nie kennengelernt hätte. Ich habe Dinge verstanden, die mir kein wieder neu hinterfragt und an der Realität gemessen werden. Und Buch oder keine Universität hätten beibringen können und habe die Leute in der Projektgruppe Westsahara sind für mich diejeni- Orte gesehen, die so in keinem Reiseführer stehen. Ich lernte inner- gen, mit denen ich einen Teil dieser Realität auf den Kopf stellen halb der letzten vier Jahre einiges über internationale politische kann. Verflechtungen, Kultur, Beziehungen und Organisation, sowie « Hürden zu nehmen und zu meistern, Verantwortung zu über- nehmen und auch abzugeben. Die Arbeit mit der Projektgruppe ist kurz gesagt: vielseitig, bereichernd, diskursiv, anstrengend, verrückt, plenarisch, belehrend, interkulturell, international, lustig, und zur Verzweiflung bringend. Das gefällt mir und mo- tiviert mich, weiter zu machen.«

24 25 P r o j e k t Jugendbegegnungen in Ausserd und Berlin

2009 entstand erstmals die Idee im Rahmen des Projektes »Begegnung« des Kreisjugendring Köpenicks eine Jugendbegegnung zwischen deutschen Jugendlichen aus Berlin und sahrauischen Jugendlichen aus einem algerischen Flüchtlingslager stattfinden zu lassen. Nach der ersten Begegnung gründete sich unsere Projektgruppe Westsahara. Wir konnten seitdem schon drei Mal in die Flüchtlingslager nach Algerien fahren und nur ein einziges Mal zehn jugendliche Sahrauis im Rahmen einer Begegnung nach Berlin und Straßburg einladen. In den Begegnungen ist viel passiert, ein gemeinsames Projekt geplant und umgesetzt. Der fol- gende Text versucht die letzten vier Jahre, unsere Erinnerungen mit den Menschen in Berlin und Ausserd, unsere Erlebnisse und Erfahrungen, einzufangen.

»Gerade das miteinander Zeit verbringen schuf das Vertrauen, gemeinsam ein solch großes Projekt, wie den gemeinsamen Aufbau eines Jugendzentrum in Ausserd anzugehen. «

ovember 2009. Endlich ist es soweit. Nach monatelanger Planung können wir die Reise in die West- vorgestellt wurde. Das Konzept gefiel uns: Die jungen Sahrauis bieten offene Jugendarbeit und verschiede- Nsahara antreten. Mit dem Flugzeug traten wir die knapp eintägige Reise von Berlin über Paris, nach ne Kurse für Jugendliche an und bekommen vom schweizerischen Verein das Know-How und für die ersten Algier und letztlich Tindouf an. Gerade die letzten Kilometer waren strapaziös und abenteuerlich zugleich; Jahre finanzielle Zuwendungen vermittelt. Nach einigen Tagen begannen wir gemeinsam mit den Jugend- wir kamen nachts auf dem kleinen Flughafen in Tindouf an. lichen über ein mögliches Jugendzentrum in der wilaya Ausserd zu diskutieren. Es war uns sehr wichtig, Auf uns wartete bereits ein LKW und ein Jeep, mit denen wir auf der Ladefläche zwei Stunden durch die dass wir gemeinsam Ideen besprechen und nach Möglichkeiten der Umsetzung suchen können. Im Sinne nächtliche Wüstenlandschaft fuhren. Der Empfang war herzlich und verheißungsvoll: Das Dorf wird mit des Kulturaustausches organisierten wir einige kreative Workshops und stellten auch unsere Auffassungen Sirenensignal in den morgendlichen Stunden über unseren Besuch informiert. Die Menschen kommen von Jugendarbeit vor. Nachdem wir uns über eine Zusammenarbeit und ein verheißungsvolles Projekt geei- »Es hat sich ein konkretes Bild durch die aus ihren Zelten und Häusern und heißen uns willkommen. Unserer Gastgeberin Maima stellt uns Haus nigt hatten, war die zehntägige Begegnung auch schon vorbei. Reise geformt – mit realen Menschen, und Hof für unseren zehntägigen Aufenthalt zur Verfügung. Wir wählen den Hof als Schlaflager unter deren Freunden, Ängsten, Hoffnungen »Die Perspektivlosigkeit, was zum einem dem kühlen und freien Sternenhimmel. Ein knappes halbes Jahr nach unserer Abreise befragten zwei Mitglieder der Projektgruppe im Rah- und Kämpfen.« die berufliche, individuelle, aber auch die men einer Projekterkundungsreise die Jugendlichen konkret zu ihren Vorstellungen zum zukünftigen Ju- Zukunft der Sahrauis als Volk anbetrifft, Die nächsten Tage dienen der Einrichtung und der Gewöhnung an die heiSSen Temperaturen. gendzentrum. Der im größeren Rahmen durchgeführte Open Space brachte erste Vorstellungen sahrau- erscheint mir als problematisch.« Wir treffen schließlich am folgenden Morgen neun sahrauische Jugendliche unseren Alters. Der erste Kon- ischer und deutscher Perspektiven zusammen. Seitdem arbeiteten wir von Berlin aus an allen möglichen takt ist verhalten auf beiden Seiten. Nur wenige deutsche Jugendliche sprechen spanisch, wenige franzö- Planstellen und bereiteten in diesem Zuge auch die nächste Begegnung vor, die sich konkreter mit dem sisch und niemand Hassaniya, den arabischen Dialekt der Sahrauis. Diese sprechen viele Sprachen neben konzeptionellen und planerischen Aufbau des Jugendzentrums befasste. »Es hat mich erstaunt, dass Menschen »Mir es ist wichtig, mich sozial und Hassaniya: die meisten Spanisch, einige Französisch und Englisch. Zum Glück wurde Hassaniya-Deutsch- über so lange Zeit unter den dort politisch zu engagieren, und Menschen in Französisch mit Hilfe der Teilnehmenden und des Dolmetschers übersetzt, da sonst die Kommunikation Schon im Frühjahr des nächsten Jahres 2010 konnten wir zehn sahrauische Jugendliche eine Wo- herrschenden Bedingungen leben können Notsituation zu unterstützen.“ – zumindest in den formellen Teilen - zwischen uns erschwert wäre. Das Kennenlernen wurde uns mit che nach Berlin einladen, ihnen Konzepte von Jugendzentren hier vorstellen, Berlin und andere Orte er- und dabei noch mit einer unendlichen „Meine Motivation ist hier politischen Aufwärm- und Sprachspielen erleichtert. kunden und mit ihnen gemeinsam vor dem EU-Parlament in Straßburg für ihr Selbstbestimmungsrecht Herzlichkeit Gäste empfangen.« Druck aufzubauen, um so die Unabhän- Am Anfang lernten wir die Umgebung und das Camp kennen, besuchten gemeinsam Schulen, das protestieren. gigkeitsbestrebungen der Sahrauis zu Krankenhaus, die Fraueneinrichtung und den Bürgermeister. Die Ausflüge, wie die Erkundung der Dünen, unterstützen. Die Menschenrechtsver- der öffentlichen Einrichtungen, des Marktes und der Wohn- und Geschäftshäuser waren sehr wichtig, um Im Herbst 2010 konnten wir dann eine AnschluSSreise für zwei Wochen nach Ausserd organisieren. letzungen durch Marokko öffentlich zu das Leben in Ausserd zu verstehen. Der Besuch des Krankenhauses, der Einrichtung für beeinträchtigte Die Reise wurde zu unserer Sicherheit vom algerischen Militär begleitet und die Unterbringung erfolg- machen.« Menschen und der Menschenrechtsorganisation AFAPREDESA hatten schöne und schwierige Momente. te im Protokoll – eine Unterkunft für ausländische Gäste. Während dieser Begegnung wurde gemeinsam Der Besuch des in der benachbarten wilaya Smara liegenden Jugendzentrums war ebenso wichtig, da uns hauptsächlich am Gebäude des Jugendzentrums gebaut und geplant. Es erfolgte ein Tag der offenen Tür als dieses als positives Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Sahrauis und einem schweizerischen Verein symbolische Einweihung und gemeinsame Workshops für den offenen Jugendbereich des Zentrums. Eine

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Youth Movement – Ein Bericht über das Engagement Jugendlicher in der Westsahara

Salah Madiba ist Mitglied des sahrauischen Studierendenverbandes UESARIO und hat die Projektgruppe Westsahara im Rahmen seiner internationalen Vernetzungsarbeit kennengelernt. In den letzten zwei Jahren hat sich Salah an vielen Projekten und Aktionen unserer Gruppe beteiligt und gibt an dieser Stelle einen Einblick in das Engagement und die Arbeit sahrauischer Jugendlicher in den besetzten Gebieten und in den algerischen Flüchtlingslagern.

zweitägige Reise zum militärischen Schutzwall und anschließender Demonstration, sowie eine Übernach- »Durch meinen Aufenthalt in der West- tung bei Gastfamilien und in den Dünen waren die Höhepunkte unserer Reise. sahara wurde mir noch viel deutlicher, welch Vielzahl von Möglichkeiten und 2012 fand die vorerst letzte Jugendbegegnung in Ausserd statt. Während der Begegnung besuchten Perspektiven jungen Menschen in Europa wir beispielsweise die sahrauische Studentenorganisation UESARIO, das sahrauische Radio und einen un- haben. Man schätzt seine Freiheit mehr, abhängigen Jugendclub, der in Eigenregie von einigen Jugendlichen geführt wird. Politisch wurde disku- Reichtum, Konsumgesellschaft, Reglung tiert, wie über verschiedene Ansichten zu den Themen Gender, Identität, die Einschätzung der derzeitigen alle Abläufe im Alltag und man relativiert Kriegssituation und über die Bedeutung des Arabischen Frühlings in den Lagern. Es entstand ein Stop- viele Dinge.« Motion-Kurzfilm und Kurzinterviews mit Kindern zu politischen Begriffen, wie die UNO, die Minurso und die frente POLISARIO. Eine Besonderheit war, dass in dieser Begegnung alle Teilnehmenden bei Gastfami- lien untergebracht waren. he Sahrawi youth movement is the most active libera- organize campaigns and seminars against political and »Vorerst, denke ich, ist es auf jeden Fall Ttion movement in the region of Northern Africa. They environmental ignorance and support voluntary serv- wichtig mit Eifer bei der Sache zu bleiben, Erst nach einiger Zeit bekamen wir einen ungefähren Eindruck vom Alltag, der Perspektive und der organize mass associations, professional unions and vol- ices for people in need. Most importantly, they encourage Kontakte zu halten und sich gut auszu- Situation in den Lagern. Gerade das miteinander Zeit verbringen und der kommunikative Austausch schu- untary groups. other young Sahrawis to make their voices heard and to tauschen um klarzustellen was weiterhin fen die Basis und das Vertrauen ein Projekt über Grenzen hinweg umzusetzen. Es ist von essenzieller Be- Though the main goal of the youth is to liberate their use their executive ability to change their political real- zu unternehmen ist. Um dann weitere deutung, ein Gefühl für die Unterschiede zwischen eigener und fremder Sicht zu gewinnen, kulturelle Un- homeland from the Moroccan colonialists, who still di- ity. Young women and girls are in no way excluded in the Schritte zu gehen und die Sahrauis zu terschiede zu verstehen, Persönlichkeiten kennen zu lernen, um Missverständnisse in der gemeinsamen vide Sahrawi families, violate human rights, and plunder struggle of the youth movement. They have taken part in unterstützen, müssen wir uns erst einmal Projektarbeit zu verringern. Nach den vielen Jahren des Austauschs und der Zusammenarbeit haben wir the natural resources, the youth movement also has other the political struggle ever since the foundations of the bewusst werden in welchem Sinne wir Un- viel geschaffen: Der Aufbau eines Jugendzentrums, welches den Anspruch hat, nachhaltig Perspektiven interests and actions, both in the occupied territories liberation movement. Many of them have been honoured terstützung leisten wollen und können.« und interkulturelle Begegnungen zwischen Jugendlichen aus Deutschland und der Westsahara zu fördern. and in the refugee camps. They engage in raising aware- with peace awards, some of whom are , Trauriges Resümee ist leider auch, dass nach vier Jahren Zusammenarbeit und Engagement noch immer ness about current social and political phenomena. They Rabab Amaidan and Galia Djemi. die gleichen Verhältnisse wie zu Beginn der ersten Reise 2009 vorfinden. Die Westsahara steht noch immer unter der fremden Besatzungsmacht Marokkos, sie wird noch immer durch eine aus Sand, Minen und ma- rokkanischen Militär bewachten Mauer in zwei Teile gespalten. Die Menschen warten noch immer darauf, in ihre Heimat zurückkehren zu dürfen. Das Jugendzentrum steht; die Zusammenarbeit wird jedoch unter diesen Umständen der politischen und wirtschaftlichen Querelen immens erschwert.

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Jungen, weiterführende Schul- und Berufsausbildungen zu bekommen. Die jungen Männer unterstützen die Fa- milie durch Mitarbeit in kleinen Läden oder bei der Arbeit » Mit einer Hand kann mit Kamel- und Ziegenherden. Oder sie versuchen, ein Auto zu bekommen und dann als Fahrer Geld zu verdie- nen, da es kein öffentliches Verkehrssystem in den Lagern gibt. Vor einigen Jahren entwickelte sich erstmalig eine man nicht klatschen « Jugendkriminalität in den Lagern. Junge Männer schlos- sen sich zu Diebesbanden zusammen. Auch dies kann als [Sahrauisches Sprichwort] Ausdruck der individuellen Perspektivlosigkeit angese- hen werden. Der sahrauische Jugendverband (UJSARIO) versuchte dem mit dem Aufbau von Jugendzentren in den Lagern entgegenzuwirken, was auch Erfolg zeigte. Elisabeth Bäschlin ist die Vorsitzende des ‚Schweizerischen Unterstützungskommitées für die Sahrauis‘/ SUKS. Sie engagiert sich seit Beginn der Besatzung durch Marokko für die Sahrauis. Seit 2002 unterstützt PW: Wie funktionieren diese Jugendzentren in den Flücht- lingslagern und welche Erfahrungen wurden bisher damit das SUKS auch die UJSARIO beim Aufbau von Jugendzentren in den Flüchtlingslagern. Dieses Interview zur gemacht? Situation von Jugendlichen und Jugendarbeit in den Lagern führten wir mit ihr am 04.07.2010 in Berlin. EB: Der Grundgedanke lautet: es gibt die »Jugend«, diese (neue) Altersstufe, mit ihr eigenen Bedürfnissen. Jugend als Phase, in der man kein Kind mehr ist, aber auch noch Projektgruppe Westsahara: Die Besatzung durch Ma- meisten jungen Sahrauis heute noch sehr groß ist. Doch kein Erwachsener, wo man sich selbst sucht. Das gab es in Jugendliche brauchen rokko dauert nun bereits 35 Jahre. Solange existieren auch die die Ungeduld junger Sahrauis wächst. Sie wollen nicht ihr den traditionellen Gesellschaften mit klaren Rollen und Orte für Freizeit und Flüchtlingslager. Was sind gegenwärtig die größten Schwie- Leben lang in den Lagern »versauern«. Aufgaben nicht in dieser Form, da gab es nur Kinder und als Treffpunkt rigkeiten für junge Leute in den Flüchtlingslagern? Erwachsene. Auch dies verändert sich in den Flüchtlings- mit Mikrokrediten Einkommensmöglichkeiten für jun- Elisabeth Bäschlin: Es herrscht kein Frieden, sondern PW: Wie gestaltet sich unter diesen Bedingungen der Alltag lagern, wo die jungen Leute nicht mehr mit 13 Jahren hei- ge Frauen fördern.Inzwischen haben alle Flüchtlingsla- ungeduldig ertragener Waffenstillstand. Die Spannung von Kindern und Jugendlichen in den Lagern? raten und das wurde verstanden. ger außer Ausserd ein paar dieser Zentren. Die UJSARIO und Energie zur Gestaltung, wie sie am Anfang in den EB: Die Kinder besuchen sechs Jahre lang die Grundschule In der UJSARIO hat eine sehr engagierte Gruppe von machte Erfahrungen im Aufbau, in der Entwicklung und Lagern vorhanden war, ist über einen so langen Zeitraum in ihrem Stadtteil, dem schließen sich zwei Jahre Sekun- Verantwortlichen mit fachlichen Kenntnissen (Erzie- Organisationsgestaltung von Angeboten und führt darü- ohne Aussicht auf Veränderung nicht zu halten gewesen. darstufe im jeweiligen Lager an. Weiterführende Schulen hungswissenschaftler_innen, Psycholog_innen etc.) diese ber einen fachlichen Austausch mit Hilfsorganisationen, Man weiß bis heute nicht, wann der neue Staat entstehen, und Universitäten können aber nur in Algerien, Libyen, Diskussion vorangebracht und die politisch Verantwortli- die diese Zentren unterstützen. ob es noch einmal 30 Jahre dauern wird. Die Kinder und Syrien, Spanien oder Kuba, weit weg von zuhause, be- chen der DARS auf nationaler und regionaler Ebene davon Jugendlichen von heute sind in den Lagern geboren wor- sucht werden. Nur für die Sommerferien kehren die Schü- überzeugt. Jugendliche werden erstmals als eigenständige PW: Was sagst Du zu dem Argument, Jugendzentren in den La- den und aufgewachsen, sie kennen die Westsahara und ler_innen und Studierenden zu ihren Familien zurück. Es Gruppe wahrgenommen und die UJSARIO als ihre Vertre- gern aufzubauen, stabilisiere die schlechte Situation nur und die nomadische Kultur der Sahrauis nur aus Erzählungen. gibt viele Schulabbrecher_innen, die am Ende keinen Ab- tung gesellschaftlich anerkannt. löse den politischen Konflikt nicht? In den Lagern besteht mit den Jahren und den neuen Ge- schluss haben, weil sie mit schlechten Noten kein Recht Das Ziel der UJSARIO: Die Jugendzentren sollen flä- EB: Klar, das Problem der Westsahara ist politisch. Es nerationen auch die Gefahr, dass die Identifikation mit haben, zu wiederholen. chendeckend in allen dairas (Stadtteilen) entstehen, da- geht darum, dass die Sahrauis in ihr eigenes Land zurück- der sahrauischen Geschichte und Kultur verloren geht, Der größte Teil der Versorgung mit Lebensmitteln in mit alle Jugendlichen, auch Mädchen, die weniger Zugang kehren können. Aber die Strukturen, die in den Lagern obschon das Interesse an der eigenen Geschichte bei den den Lagern erfolgt über internationale Hilfsorganisatio- zu Mobilität als Jungen haben, davon profitieren können. aufgebaut werden, können dann im eigenen Land weiter Blick über La Guerra nen wie UNHCR, WEP oder ECHO oder die internationale Die UJSARIO verfolgt mit den Jugendzentren zwei Ziele: umgesetzt werden. Gerade Strukturen kann man mühelos in Ausserd Solidaritätsbewegung - befreundete Staaten (z.B. Algeri- Zum einen soll mittels offener Jugendarbeit Jugendlichen mitnehmen, nur Gebäude nicht. Die Erfahrungen, was en), Regionen und Gemeinden aus Spanien und Italien, ein Raum gegeben werden, der ihnen gehört, wo sie sich man tun kann, wie man zusammenarbeiten muss, das sowie Unterstützungsorganisationen. Seit 1991 bezahlt auch außerhalb der Kontrolle ihrer Familie treffen kön- geht bei einer Umsiedlung nicht verloren. Wir machen da- Spanien zudem kleine Renten aus der Kolonialzeit, dazu nen. Es geht dabei um die Möglichkeit, zusammen zu sit- mit auch Aufbauarbeit für einen zukünftigen Staat. kommen zunehmend Überweisungen von Sahrauis, die in zen, zusammen zu lachen, Musik zu hören aber auch, um Aber über die Unterstützung vor Ort hinaus sollten wir Spanien oder anderswo arbeiten. Die Flüchtlingslager sind Probleme zu besprechen oder diskutieren zu können und in Europa nicht den Konflikt aus dem Blick verlieren. Die auf einer »Verteilökonomie« aufgebaut: jeder Erwachsene Dinge selbst in die Hand zu nehmen.Zum anderen bie- Lösung kann nicht sein, dass die Sahrauis sich der Besat- arbeitet unentgeltlich mit und alle Güter, welche die PO- ten diese Jugendzentren auch die Chance, eine verpasste zung durch Marokko beugen müssen. Europa spielt dabei LISARIO/ DARS erhält, werden unter der Bevölkerung ver- Schul- oder Berufsausbildung nachzuholen. Es gibt Kurse eine Schlüsselrolle. Von daher ist es unsere Aufgabe, für teilt. Daher mangelt es an Möglichkeiten zur Erwerbsar- auf verschiedenen Niveaus: z.B. Spanisch- und Englisch- die Sahrauis zu sprechen bzw. ihnen ein Sprachrohr zu beit in großem Maß: so gibt es auch für diejenigen, die im unterricht, manchmal Französischunterricht, Computer- geben. Ausland ausgebildet wurden, kaum Chancen, eine bezahl- schreiben, Unterricht in Nähen, Kochen/ Ernährungslehre Wir sollten Politiker_innen in Europa dazu bringen, Elisabeth Bäschlin te Arbeit in ihren Berufen in den Lagern zu finden. Da aber oder Gartenbau. Daneben werden Informations- und Dis- für das Recht der Sahrauis auf Selbstbestimmung einzu- die Hilfslieferungen im Laufe der langen Jahre drastisch kussionsrunden angeboten, zu Themen, die Jugendliche stehen und von Marokko die Durchführung des Referen- zurückgegangen sind, bestimmt zunehmend Mangel das interessieren. dums einzufordern. Leben in den Lagern. Dies betrifft u.a. Gesundheitsfragen, rechtliche Fra- Für die Jugendlichen in den Lagern ist es wichtig zu In zahlreichen Familien werden die jungen Frauen im gen, Rollen in der Familie, Religion. wissen, dass es Leute in Europa gibt, die zu ihnen stehen, Haushalt gebraucht, wo sehr viel Arbeit für die Grund- Gerade die Bildungsangebote bieten für Mädchen ei- die ihnen freundschaftlich verbunden sind und die glei- versorgung anfällt. Sie verfügen somit in der Regel kaum nen, auch von ihren Familien akzeptierten Zugang zu den che Ideale haben. Das gibt ihnen Mut und Hoffnung, die über freie Zeit und haben weniger Gelegenheiten als die Zentren. Seit 2008 werden zudem Projekte entwickelt, die sie dringend brauchen! [Interview: Tanja] 30 31 P r o j e k t

» Es besteht ein starkes Bedürfnis nach gemeinsamen Räumen und der Möglichkeit, Internet zu benutzen und mit der Welt zu kommunizieren « Im Februar 2010 fuhren Louise und Holm ins Flüchtlingslager nach Ausserd, um in Form einer Ideen- werkstatt Wünsche und Bedürfnisse der sahrauischen Jugendlichen für den Aufbau eines geplanten Jugendzentrums zusammenzutragen. Auf dieser Projekterkundungsreise entwickelte sich – neben Ideen und Kontakten – für alle Beteiligten ein Eindruck davon, was es bedeutet ein Jugendzentrum in der Wüste zu errichten.

Wie kam es zu der Idee, gemeinsam ein Jugendzentrum in Aus- ten wir wohnen. Dass Maima zudem deutsch spricht, hat serd aufzubauen? uns das Projekt schon erleichtert, da sie uns sehr bei der Louise: Bis jetzt gibt es mehrere Jugendzentren im Nach- Verständigung und Kommunikation mit Verantwortli- barort, im Flüchtlingslager Smara. In Ausserd aber exis- chen geholfen hat. Natürlich waren wir etwas abhängig tieren für Jugendliche kaum Möglichkeiten zu arbeiten durch unsere fehlenden Sprach- und Ortskenntnisse. Es Die Ideensammlung und ebenso wenig Angebote für die Freizeit. Es gibt kei- war nicht leicht, aus den Übersetzungen herauszuhören, für das geplante nen Ort für sie, um sich auch außerhalb der Familie tref- welche Probleme gesehen wurden, da man die Zwischen- Jugendzentrum fen zu können. Um eigene Ideen zu entwickeln und ihren töne nicht mitbekam. eindeutig bei der Bildung. Es gab Kurse von Handarbei- Es besteht ein starkes Bedürfnis nach gemeinsamen Räu- entsteht Interessen nachzugehen. Holm: Wir haben in Berlin schon Kontakte geknüpft. ten über Sprachkurse bis hin zu Kochkursen. men und der Möglichkeit, Internet zu benutzen und mit Holm: Ein Treffpunkt ist umso bedeutsamer, als man Was mich überrascht hat, ist, dass wir wirklich fast alle Louise: Auffällig war, dass es eindeutig mehr Frauen gab der Welt zu kommunizieren. in der sahrauischen Gesellschaft erst nach der Hochzeit Verantwortlichen zum Austausch getroffen haben. Eine in den Jugendzentren in Smara. Ob das an dem Angebot Louise: Neben gewünschten Kursen in Richtung Bildung auszieht, was bei den jungen Sahrauis wichtige Ansprechpartnerin war auch lag, war jedoch nicht so schnell zu sagen. Dennoch hat es – Sprachen, Handwerk und Computertechnik wie in oft erst mit Anfang 30 geschieht. Es gibt Elisabeth Bäschlin vom schweizerischen uns bestärkt darin, von Anfang an bei der Ideenwerkstatt Smara – gab es eine sehr große Nachfrage nach Freizeit- ja auch kein Kino oder ähnliches, wo Unterstützungskomitee SUKS. Sie arbei- Frauen und Männer gleichermaßen einzubeziehen. angeboten. Zudem kamen Wünsche, wie die Fahrschule man sich ansonsten treffen kann. tet seit Jahren vor Ort und kennt den All- zu machen oder am Wochenende feiern zu können. Am tag und die kulturellen Gegebenheiten. Auf welche Weise habt ihr die Bedürfnisse und Interessen der wichtigsten für fast alle war jedoch der Zugang zum Wie habt ihr euch auf die Reise vorbereitet? Wir selbst mussten uns ja auch erst an Jugendlichen herausgefunden? Internet, damit sie wann und wohin sie wollen Kontakt Gab es Bedenken im Vorfeld? die Mentalität und Kultur vor Ort heran- Louise: Wir haben eine Ideenwerkstatt mit den Jugend- aufnehmen und sich informieren können. Ich denke, das Holm: Bedenken hatte ich eigentlich tasten. lichen aus Ausserd organisiert. Mit dem Ziel, dass sich liegt daran, dass der Wunsch groß ist, teilzuhaben an keine. Wir haben uns vorher schon über- alle einbringen können und dass alle über den geplanten der Welt um sie herum. Auch das starke Bedürfnis nach legt, welche Fragen vor Ort wichtig wä- Wie sah die Zusammenarbeit auf der organi- Bau Bescheid wissen. Es waren etwa 50 bis 60 interes- Sprachkursen sehe ich in diesem Zusammenhang. ren zu klären. Wesentlich war hierbei die satorischen Ebene aus? sierte Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren da, davon Zusage der Jugendorganisation UJSARIO zum gemeinsa- Louise: Hierbei war besonders wichtig zu verstehen, wer ungefähr zwei Drittel Frauen. Der erste Schritt, um ihre Wie war die Zusammenarbeit in der Ideenwerkstatt? Was war men Aufbau des Jugendzentrums. Schwerpunkt der Rei- für was zuständig ist. Wir wollten die Strukturen vor Ort persönlichen Vorstellungen für ein Jugendzentrum ken- eure Position? se aber war es, eine Bedarfsanalyse zu machen. Es gibt ja einhalten. Diese wurden uns nach und nach klar, jedoch nenzulernen, bestand darin, in kleinen Gruppen Ideen zu Louise: Die Idee ist ja, dass die Vorstellungen der Ju- schon einen geeigneten Rohbau für das Jugendzentrum, hat es schon ein paar Tage gedauert, sich auch der Trag- sammeln, völlig ohne Einschränkungen. gendlichen im Mittelpunkt stehen und wir sie darin un- jedoch musste noch geklärt werden, was daraus konkret weite der Handlungen bewusst zu werden. Zum Beispiel Holm: Die Frage hierzu war: Wenn man morgen das Ju- terstützen, dies zu realisieren. Die Jugendorganisation gemacht werden soll. Wir wollten uns mit den Jugendli- haben wir Internet für die Jugendlichen mit nach Aus- gendzentrum eröffnen könnte, womit würde man begin- UJSARIO spielt natürlich auch eine gewichtige Rolle. chen aus Ausserd zusammensetzen und deren Bedürfnis- serd gebracht, mussten aber aufpassen, es nicht einfach nen? Was würde man als Erstes entwickeln oder auspro- Am Anfang hatten wir überlegt, von Jugendzentren aus se und Wünsche festhalten. irgendwo zu installieren, denn sonst hätte sich schnell bieren wollen? Im zweiten Schritt haben wir dann alle Deutschland zu berichten, aber irgendwie fand ich es Louise: Was ich schwierig fand im Vorfeld war – ohne die jemand benachteiligt oder übergangen fühlen können. Ideen gesammelt und geschaut, welche Bereiche sich er- dann unpassend, diese als Vorbild oder Beispiel zu neh- Realität der Jugendlichen vor Ort zu kennen – hier eine So hätten wir ungewollt eine Ungleichheit produziert. Es geben - wie Sport, Computerkurse oder Gemeinschafts- men, da ja die Gegebenheiten sehr verschieden sind. Ideenwerkstatt dafür vorzubereiten. Es gab viele unge- braucht einfach wie bei uns bestimmte Wege, um auch räume zum Tee trinken und quatschen. Dann wurden Holm: Es gab ein gutes Miteinander. Die Jugendlichen wisse Faktoren. Deshalb fand ich es eher wichtig, einen eine Akzeptanz für Neues zu schaffen. wieder in Gruppenarbeit Schwerpunkte gesetzt, welche haben für uns übersetzt und uns auch viel von sich er- Ansatz zu haben und noch keinen konkreten Plan. Ideen am wichtigsten sind, diesmal auch unter realisier- zählt, so dass für die Zukunft eine gute Basis für den Wie habt ihr einen Eindruck von der Jugendarbeit in den baren Kontexten. gemeinsamen Aufbau des Zentrums entstand. Durch Wer waren eure Ansprechpartner_innen? Wie habt ihr in Aus- Flüchtlingslagern gewonnen? die persönliche Zusammenarbeit konnten wir zudem serd die ersten Kontakte aufgebaut? Holm: Wir sind ins benachbarte Flüchtlingslager nach Welche Bedürfnisse wurden geäußert? Wie stellen sich die Ju- begreifen, was es heißt, als Jugendliche in der Wüste im Louise: Angekommen sind wir bei Maima, die auch Smara gefahren, in dem bereits mehrere Jugendzentren gendlichen ihr Zentrum in Ausserd vor? Flüchtlingslager zu leben. Dies war entscheidend, um schon die Jugendbegegnung begleitet hat. Bei ihr konn- errichtet wurden. Der inhaltliche Schwerpunkt lag hier Holm: Es gab viele Parallelen zu Jugendzentren bei uns. weiter planen zu können. [Interview: Line] 32 33 P r o j e k t

Nur ein Tropfen auf den heißen Stein? Jugendzentrum im sahrauischen Flüchtlingslager Ausserd hat seine Tore geöffnet Gemeinsamer Aufbau des Jugendzentrums in Ausserd: in flacher Zement verputzter Bau, auf dessen mit Stroh und großen Steinen bedecktem Dach vier So- laufenden Kosten. Jugendliche können 2013 Nachmittags an fünf Tagen in der Woche kostenlos das In- Aufbau, Innenausbau & Aussen- Elarpanele und ein Empfänger für ein Satellitensignal installiert wurden. Dies ist seit dem 10.12.2011 das ternet für alle möglichen Zwecke nutzen. Dies war eines der wichtigsten Anliegen der Jugendlichen beim gestaltung. Zur Eröffnungsfeier erste Jugendzentrum in La Guera, einem Ortsteil des sahrauischen Flüchtlinglagers Ausserd, 37 Jahre nach Open Space 2010, nicht zuletzt, um ihrer Isolierung entgegenzuwirken, Kontakte herzustellen sowie einen werden Milch und Datteln dessen Entstehung in der algerischen Wüste bei Tindouf. Die Eröffnung des Zentrums war ein großes lo- Anschluss an internationalen Entwicklungen im Bereich Information und Kommunikation zu erhalten. gereicht kales Ereignis. Ca. 50 junge Sahrauis nahmen daran teil, sowohl das algerische als auch das sahrauische Das Zentrum soll auch ein Ort der Jugendbegegnung werden. Im April 2012 fand hier für neun Tage eine Fernsehen berichteten. deutsch-sahrauische Jugendbegegnung mit der Projektgruppe Westsahara in diesem Zentrum statt, bei der u.a. auch Videofilme entstanden. Der Bau, die Idee, die Visionen, all dies wurde gelobt, obwohl es praktisch noch an einigem fehlte. Es war offensichtlich, dass die beteiligten Jugendlichen froh über dieses Zentrum waren, schließlich hatten Vorangegangen war eine Jugendbegegnung im Oktober 2010, bei der im Rohbau des Zentrums an ei- sie es sich als einen Ort der Bildung und Begegnung gewünscht. Deutlich hatten sie dies ja bei einem Open nem »Tag der Offenen Tür« von den deutschen, französischen und sahrauischen Teilnehmer_innen ver- Space im Februar 2010 formuliert, als es darum ging, die zukünftigen Angebote dieses Jugendzentrums in schiedene Workshops angeboten wurden. Diese vermittelten eine Idee davon, was in dem Jugendzentrum Gründung festzulegen und den Ausbau des Gebäudes darauf auszurichten. Die Projektgruppe Westsahara über die Kursangebote hinaus möglich sein könnte. Ein Tag, an dem Drachen gebaut, Sandspiele gespielt, unterstützte sie seit 2009 im Rahmen der Jugendbegegnungen und organisierte Geld für den Ausbau und Schmuck gebastelt, Selbstverteidigung geübt und einfach Jugendliche gemeinsam Spaß haben konnten. die Ausstattung des Zentrums bei Stiftungen, Freund_innen und Familien sowie durch Solidaritätskon- zerte (Wüste Sause). Verantwortlich für das Zentrum ist die sahrauische Jugendorganisation UJSARIO. Sie Nachmittags wird das Zentrum 2013 nun auch für Jugendliche geöffnet sein, um sich mit Freunden hat das Zentrum nach »Said Dambar« benannt, einem 14 jährigen Sahrauis, der 2010 das erste Opfer der treffen zu können. Beliebt ist insbesondere bei Jungen auch das gemeinsame »Match-Viewing« von interna- marokkanischen Autoritäten wurde, die Gdeim Izek, das Protestcamp von 30.000 Sahrauis in der besetzen tionalen Fußballspielen. Angedacht sind zudem Spiel- und Sportaktivitäten, ehrenamtliche Unterstützung Westsahara zerstörten. von älteren Menschen durch Jugendliche, Treffen der Jugendorganisation oder anderer Jugendgruppen sowie punktuelle Projekte zur Pflege und Gestaltung des Zentrums. So wurde z.B. die Außenwand mit Hin- In den Flüchtlingslagern gibt es keine weiterführenden Schulen und Ausbildungsmöglichkeiten. Um weisen auf die Angebote farblich gestaltet. Die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen sowie jungen so wichtiger ist es vor allem für junge Frauen, die seltener mit Stipendien zum Studium ins Ausland gehen Männern und Frauen hat in der sahrauischen Gesellschaft einen hohen Stellwert. Allerdings unterscheiden können, dass es nunmehr in dem Jugendzentrum verschiedene Kursangebote gibt. Neben einem Englisch- sich die Lebenswelten deutlich. und Spanisch- wurde auch ein Französisch- und phasenweise ein Deutschkurs sowie Informatikunterricht Die UJSARIO möchte mit den von ihnen betriebenen Jugendzentren die Begegnung zwischen Jungen angeboten. Alle Kurse sind Anfänger_innenkurse, die zweimal wöchentlich stattfinden und bisher aus- und Mädchen fördern. 2012 besuchten aber ausschließlich Mädchen das Zentrum, so dass für die weitere schließlich von jungen Frauen zwischen 16 und 25 Jahren besucht werden. Das gleiche gilt für die themati- Arbeit des Zentrums eine Veränderung der Angebotsstruktur diskutiert wird. Auch mit der Projektgruppe schen Veranstaltungen des Zentrums. Westsahara braucht es einen Austausch über die Weiterführung der Zusammenarbeit, weil der bisherige Kooperationsvertrag Ende 2012 ausläuft. Im Herbst 2012 wurden zudem eine Bibliothek mit arabischer Literatur und Sachbüchern sowie Lern- material und drei mechanische Nähmaschinen angeschafft. Nun kann dort auch Kleidung selbst genäht Ein Jugendzentrum kann ein Ort der Begegnung, der Bildung und des Engagements sein. Aber ist es nicht werden. Internet gibt es seit März 2012. Die Verbindung war zunächst eine sehr langsame, die über Handy- nur ein Tropfen auf den sogenannten heißen Stein für die jungen Sahrauis, die zum Teil im Ausland ausge- verträge hergestellt wurde. Im November installierte eine italienische Organisation in Ausserd für verschie- bildet wurden und ohne Perspektiven in den Lagern festsitzen, deren Großeltern in den Lagern starben und dene soziale Einrichtungen einen Satellitenanschluss. Die Projektgruppe Westsahara beteiligt sich an den die nun realisieren, dass auch ihre Eltern ihr Leben dort bereits verpasst haben? [Text: Tanja] 34 35 g e s e l l s c h a f t

links: Sahrauische Frauen beim Aufbau der Zelte rechts: Die Lebensmittel- und Wasserversorgung

Frau problemlos wieder verheiraten. Mehrmals verheira- für die Unabhängigkeit und den Kampf für ihre Rechte als tet zu sein, war und ist für eine Frau kein Makel, sondern Frauen. eher ein Zeichnen dafür, dass sie begehrenswert ist. Nach Nach der Schweizer Geografin und Unterstützerin der wie vor bekommen sahrauische Frauen nach der Tren- Sahrauis Elisabeth Bäschlin bleibt aber das Hauptziel des nung auch Haus und Hof zugesprochen, um nicht mittel- Kampfes das Selbstbestimmungsrecht des Volkes und los aus der Ehe zu gehen. die staatliche Unabhängigkeit: Frauenrechte und Indi- vidualrechte sind dabei untergeordnet4. Joanna Allan Die Kolonialzeit bedeutete für sahrauische Frauen untersuchte die Gender-Frage der POLISARIO. Ihrer Auf- eine starke Einschränkung ihres gesellschaftli- fassung nach nehmen sahrauische Frauen eine starke und chen Wirkungsfeldes. Von 1884 bis 1976 war die heu- wichtige Rolle in Politik und Öffentlichkeit, sowie ande- tige Westsahara eine spanische Kolonie. Eine tief grei- ren Bereichen ein. Dieses Bild bietet der POLISARIO viel- fende Veränderung infolge der Kolonialisierung war die fältige Vorteile auf ideologischer Ebene: Es verstärkt die Sesshaftmachung einer Großzahl der sahrauischen No- linke und sozialistische Ideologie der POLISARIO, nutzt madenfamilien. Die meisten Frauen haben in Folge der das Konstrukt der Maskulinität um junge Männer für den weitgehenden Subsistenzwirtschaft ihre ökonomische Wehrdienst zu gewinnen und unterstützt die aktive, star- Rolle verloren. Nun in den Städten lebend, waren Frauen ke Rolle der Frauen, um eine reibungslose und effektive von den Hungerlöhnen abhängig, welche den Männern im Organisation der Nation im Exil zu garantieren. Darüber Phosphatabbau, im Bauwesen, in der spanischen Armee hinaus unterscheidet sich die sahrauische Gesellschaft oder der Verwaltung gezahlt wurden. In der sahrauischen von der gewöhnlichen oft vorurteilsbehafteten westlichen Gesellschaft wird dies heute als ein Rückschritt bewertet, Wahrnehmung der Moslems und der arabischen Gesell- denn die neue Aufgabenteilung - Broterwerb durch die schaften. Vor allem grenzt es die sahrauische Gesellschaft Männer, Hausarbeit durch die Frauen - hat die Frauen »auf scharf von Marokko ab. den zweiten Rang« verwiesen2. Frauen waren und sind Trägerinnen der Exilgesell- Frauen spielten von Beginn an eine wesentliche Rol- schaft. Ein großer Teil der Sahrauis wurde 1975 von den le in der sahrauischen Befreiungsbewegung. Trotz einrückenden Armeen in die Wüste getrieben und musste Für freie Frauen der ständigen Gefahr von Gefängnis und Folter unter- vor den Napalm- und Phosphorbomben der Verfolger hin- stützten sie den Kampf der Frente POLISARIO, welche im ter der algerischen Grenze Zuflucht nehmen, wo Flücht- Mai 1973 als Befreiungsbewegung der Sahrauis gegründet lingslager inmitten der Wüste entstanden. Seitdem leben wurde. Nur ein Jahr nach der Gründung wurde die Union rund 165.000 sahrauische Flüchtlinge in vier Lagern auf 1 Bäschlin, Elisabeth: in einem unabhängigen Land 3 Nacional de Mujeres Sahrauis (UNMS) als ein fundamen- algerischem Staatsgebiet nahe Tindouf unter extremen »Frauenemanzipation und taler Teil der Strukturen der Befreiungsbewegung gegrün- klimatischen Bedingungen. Bedingt durch die lange Ab- Befreiungsbewegung – Die »Wenn der Löwe tötet, tötet die Löwin auch.« det. Sie ist als so genannte Massenorganisation aufgebaut wesenheit der Männer während des Krieges spielen Frauen sahraouischen Frauen und der worden und ihr obliegt offiziell die Vertretung der Frau- in der sahrauischen Bevölkerung eine herausragende Rol- Konflikt in derW estsahara«, en in der Demokratischen Arabischen Republik Sahara le. Während viele Männer weit weg an der Front kämpften, First World Congress for Middle (DARS). waren es Frauen, welche maßgeblich für die Organisation Eastern Studies/WOCMES, ereits in der Zeit, als sie noch frei als Nomad_innen jene in und an den Zelten in den Zuständigkeitsbereich Die Gleichberechtigung zwischen sahrauischen Män- der Lager verantwortlich waren. Das betrifft wichtige Be- Mainz, September 2002. Bumherzogen, mussten sahrauische Frauen ebenso der Frauen fielen. Damit leisteten sie auch einen wesentli- nern und Frauen wurde durch die Befreiungsbewegung reiche, wie die Verwaltung, die Versorgung mit Lebens- mit anpacken, wie sahrauische Männer. Frauen waren die chen ökonomischen Beitrag. Traditionell hatten Frauen in noch weiter proklamiert. Die Gründer der POLISARIO mitteln und Wasser, das Gesundheitswesen und auch die 2 Zwick, Maya: Sahrauische Gastgeberinnen in den Zelten und vertraten die Männer der Familie eine starke Stellung. In der Öffentlichkeit hat- waren sahrauische Studenten, beeinflusst von verschiede- Bereiche Erziehung und Bildung. Das gesamte soziale und Frauen im Exil (2), S. 36-41, bei deren Abwesenheit. So waren Frauen schließlich für ten jedoch die Männer allein das Sagen, da die sahrauische nen Befreiungsbewegungen in der Welt. Sie träumten von ökonomische Gerüst wurde allein von Frauen aufgebaut. S.56. die Aufrechterhaltung des alltäglichen Lebens verant- Gesellschaft patriarchalisch organisiert ist1. einer egalitären sahrauischen Gesellschaft; einer Gesell- Eine besondere Priorität in der Politik der sahrauischen 3 www.arso.org/UNFS- wortlich. Demgegenüber bestanden die Aktivitäten der Frauen haben das Recht, sich von ihrem Ehemann zu schaft ohne Stammesschranken, ohne Sklaverei und mit Befreiungsbewegung POLISARIO hat der Bildungssek- Homepage.htm Männer in der Suche und Verwertung von Ressourcen. trennen, wenn dieser beispielsweise gewalttätig ihr ge- der Emanzipation von Frauen, eingeschlossen ihrer vollen tor. Schon in Zeiten des Exils sollen Fachkräfte ausgebil- Allgemein kann man sagen, dass Arbeiten, die weiter vom genüber ist. Ein Mann, der seine Frau schlägt, wird von der Teilnahme an der Gesellschaft. Laut der UNMS haben »die det werden, die in der DARS nach der Unabhängigkeit 4 Bäschlin, Op. Cit. Zelt entfernt waren, von Männern ausgeführt wurden und Gesellschaft geächtet. Ebenso kann sich eine geschiedene sahrauischen Frauen« stets zwei Ziele verfolgt: den Kampf gebraucht werden. Zudem soll die Unabhängigkeit von

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Sahrauische Identität im Exil: links: junge sahrauische Frauengruppe 1 rechts:. sahrauische Frau bei der Teezubereitung Chreyif Sidha Mohammed im Interview

Die Sahrauis haben sich auf der ganzen Welt zerstreut. Der größte Teil von ihnen, der nicht in den besetz- ten Gebieten geblieben ist, lebt in den Flüchtlingslagern in Algerien. Andere haben sich in ganz Europa niedergelassen, viele in Spanien, einige in Deutschland. Sie alle verbindet der Kampf um die Freiheit der Westsahara, obwohl sie diese in manchen Fällen noch nie betreten haben. Im Rahmen meiner Magisterarbeit „Identitätsentwürfe junger Sahrauis aus Afrikas letzter Kolonie: Hilfsleistungen bereits im Exil gefördert werden. Einen onellen und religiösen Sinne wird Sex außerhalb der Ehe besonderen Stellenwert besitzt seit Beginn des Unabhän- als unmoralisch erachtet, dabei wird »die Schuld« allein Der postkoloniale Identitätsdiskurs am Beispiel der Westsahara“ führte ich mehrere Interviews mit in gigkeitskampfes die Bildung der Frauen. den Frauen zugewiesen. Da Frauen als DIE Trägerinnen Deutschland, Spanien sowie in den Flüchtlingslagern lebenden Sahrauis. Die Fragestellung meiner Arbeit Der Analphabetismus unter den erwachsenen Frauen der sahrauischen Kultur angesehen werden, wird ihr sexu- lag Mitte der 1970er Jahre bei über 90%. Dank umfangrei- elles Verhalten eher kontrolliert als das der Männer. An der zielte darauf ab, herauszufinden, wie sich sahrauische Identitäten konstituieren können und warum sich cher Alphabetisierungskampagnen bereits in den ersten Vorstellung, dass Frauen für Haushalt und Kindererzie- Sahrauis als Sahrauis fühlen, egal auf welchem Teil der Erde sie leben, denn „Es ist ja keineswegs selbstver- Exiljahren konnte dem Analphabetismus innerhalb ei- hung zuständig sind, hat sich ebenfalls wenig geändert, nes Jahrzehnts erfolgreich entgegengewirkt werden. Seit sodass viele Frauen unter einer Doppelbelastung leiden. ständlich, dass sich auch noch die Kinder und Enkelkinder der Vertriebenen mit dem Herkunftsland ihrer den 1990er Jahren steht der sahrauischen Gesellschaft Elisabeth Bäschlin zufolge stellen die Verantwortlichen Eltern und Großeltern identifizieren.“2 zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine große Anzahl gut der UNMS dieses Frauenbild kaum in Frage: »Eine unver- ausgebildeter Fachkräfte zur Verfügung. Sehr viele unter heiratete Frau ist schlicht undenkbar – und keine Kinder ihnen sind Frauen, ausgebildet unter anderem als Ärztin- zu wollen ebenso. [..] Auch Geburtenkontrolle ist offiziell nen, Ökonominnen, Erzieherinnen, Juristinnen, Geistes- kein Thema«7. wissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen5. Trotz diesen Einschränkungen bleibt dennoch fest- Die Aufrechterhaltung des alltäglichen Lebens zuhalten, dass die Befreiungsbewegung, die Grün- liegt weitgehend in den Händen von Frauen. Auf diese dung der Flüchtlingslager und des Exilstaates DARS Weise nehmen sie eine bedeutende soziale, politische und mehr Gleichstellung ermöglicht haben. Die sahrau- ökonomische Stellung in der sahrauischen Gesellschaft ischen Frauen haben für eine aktive Mitarbeit in der Ge- des Exils ein. Viele Männer sind nach wie vor abwesend: meinschaft und in der Bildung größeren Spielraum erhal- Sie sind an der Front, zum Studium im Ausland, arbeiten ten. Diese Möglichkeiten werden aber nicht von jeder Frau in der DARS-Verwaltung in Rabouni oder als Vertreter der in gleichem Maße genutzt8. Maja Zwick zeigt die Parallelen POLISARIO im Ausland. Seit dem Waffenstillstand von zwischen den Rollen der Frauen in der früheren und der 1991 und dem Einzug von Geld und Privatwirtschaft in den heutigen sahrauischen Gesellschaft auf: »Die Tätigkeiten Lagern haben zahlreiche Männer einen Laden oder ein an- der Frauen in der beduinischen Gesellschaft erforderten Traditionelle Khaimas deres Geschäft eröffnet und überlassen die Lagerverwal- autonomes Handeln. Gleiches kann man heute wieder in aus Kamelhaar (Die tung weiterhin den Frauen. Aber auf nationaler und inter- den Flüchtlingslagern beobachten. Damals wie heute wer- Frage: Stelle dich doch bitte zur Einführung kurz vor! Frage: Kannst du einen kurzen Abriss davon geben, wo du bis- Fotos des Artikels nationaler Ebene ist die Vertretung der POLISARIO durch den wichtige wirtschaftliche und familiäre Entscheidun- Chreyif: Also, ich bin Chreyif... Sidha Mohammed ist der her gelebt hast? zeigen Ausschnitte der Frauen eher schwach. Die obersten Verwaltungsposten gen von den Frauen getroffen«9. Neu ist aber das politische ganze Name. So wird der Name bei uns genannt. Du hast Chreyif: Ja. Meine ersten Jahre als Kind habe ich in Aus- sahrauischen Kultur in haben auch in den Lagern zumeist Männer inne. Engagement der Frauen, das mit dem Beginn des sahraui- den Vornamen, den Namen deines Vaters und Großvaters. serd, dem kleinen Ort verbracht, in der spanischen Ko- Ausserd,nicht das per- Die sahrauische Frauenunion UNMS verlangt die Umset- schen Befreiungskampfs einsetzte. Die Transformationen Es gibt bei uns nämlich keine Nachnamen. Das ist sehr lonie. Nach 1975 gab es diese Unruhen. Die ganzen Ein- sönliche Lebensumfeld zung gleicher Rechte, den gleichen Zugang zu höherer Bil- im Exil betreffen vor allem die Einbeziehung der Frauen in wichtig. Am Anfang, als ich in Deutschland war, haben wohner von Ausserd haben sich zerstreut, sind geflohen. des Interviewten) dung und Studium, sowie zu Jobs und politischer Vertre- politische Entscheidungsprozesse. manche Leute offiziell mit mir gesprochen und sie sagten Einige landeten in den Flüchtlingslagern, andere zogen in tung. So wurden in den letzten Jahren einige junge Frauen Sahrauische Frauen sind sich aber auch bewusst, dass Herr Sidha-Mohammed und da wusste ich nicht, wen sie andere Städte. Das war der Fall von meiner Familie. Wir 1 Name geändert 5 Zwick, Op. Cit., S. 38. mit Universitätsabschluss vom Präsidenten zu Botschaf- diese Errungenschaften nach der Unabhängigkeit wieder meinen, meinen Vater oder meinen Großvater? Ich bin zogen dann nach Dakhla, das ist ein Städtchen an der At- terinnen ernannt, wohl eher eine symbolische Geste, als verloren gehen könnten. Mit verschiedenen Aktivitäten eigentlich nur Chreyif. Mittlerweile habe ich mich daran lantikküste. Dort habe ich die meisten Erinnerungen von 2 Bauböck, Rainer: Diaspora 6 Allan, Op. Cit., S. 144. ein grundlegender Wandel in der Geschlechterpolitik. gibt die UNMS den sahrauischen Frauen Raum, ihre Situ- gewöhnt und reagiere auch auf Sidha und Mohammed. der Westsahara. Dakhla war dadurch gekennzeichnet, dass und transnationale Demokra- 7 Bäschlin, Op. Cit. Laut Verfassung sind alle Bürger_innen vor dem Ge- ation in Politik, Kultur, Bildung und Beruf zu reflektieren. Wo ich geboren bin weiß ich nicht so ganz genau. Aber die beiden Besatzungsmächte dort präsent waren: Marok- tie. In: Isolde Charim und setz gleich; sie haben die gleichen Pflichten und Rechte. Dahinter steht das Ziel, die Frauen zur Anteilnahme an es war irgendwo in der Nähe von einem Ort, der Ausserd ko und Mauretanien. Flughafen, Hafen und militärische Gertraud Auer Borea (Hrsg.): 8 Bäschlin, Op. Cit. Joanna Allan6 zeigt aber, dass das Verständnis von einer politischen Entscheidungsprozessen zu ermutigen und heißt, in der Westsahara, in den momentan besetzten Ge- Stützpunkte waren von Marokkanern besetzt und die zi- Lebensmodel Diaspora. Über 9 Zwick, Op. Cit., S.54. Gleichberechtigung der Geschlechter bei der POLISARIO sie für ihre gesellschaftliche Rolle jetzt und nach der Un- bieten. Es war in einem Nomadenzelt und es wurde groß vile Verwaltung hatte Mauretanien. Das prägte Dakhla. moderne Nomaden, Bielefeld: keine sexuelle Gleichberechtigung beinhaltet. Im traditi- abhängigkeit zu sensibilisieren. [Text: Fränze, Marie & Louise] gefeiert, hat man mir erzählt. Ich habe es ja nicht miterlebt. Man hat gewusst, dass da zwei Länder präsent sind. Dort Transcript Verlag 2012, S. 19.

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habe ich ein paar Jahre verbracht. Ich ging auch dort in die wurden dann nach Algerien zur Schule geschickt, auf ein Schule. Ich würde das beschreiben als glückliche Jahre mit Internat. Dann blieb ich in Algerien bis zum Abitur 1988. einem Stückchen schlechtem Gewissen. Und danach hat die POLISARIO für mich, wie für viele da- mals, die das Abitur geschafft haben, ein Stipendium or- Frage: Warum schlechtes Gewissen? ganisiert. Und sieh an, ich bin in der DDR gelandet, 1988 in Chreyif: Naja, die meisten wussten von den Flüchtlin- Schönefeld und ohne ein einziges Wort Deutsch. gen und den Flüchtlingslagern. Jede Familie hatte dort Für mich war die DDR damals eine große Abwechslung Verwandte und Bekannte, ein Teil der Familie ist dorthin zum Internat in Algerien. Ich habe die Berliner Mauer geflohen. Wir wussten von den Bombardierungen der La- nicht gesehen. Ich habe eigentlich nur das Positive mit- ger, die noch in der Westsahara waren: , Modrega, bekommen. Zum ersten Mal Straßenbahnen gesehen, al- Wiltha und wir wussten auch von dem Befreiungskampf les ordentlich, alles sauber, genug zum Essen. Das hatten von der POLISARIO, der von der anderen Seite der Flücht- wir im Internat nicht unbedingt. Es gab zwar genug, aber lingslager geführt wurde. Sie haben sich organisiert und es hat manchmal gar nicht geschmeckt. Auf einmal war haben die Befreiungsarmee gebildet. Es gab natürlich ich auch auf mich gestellt, selbstständig, konnte kochen, Krieg. Und die Leute, die dort geblieben sind, hatten dann konnte einkaufen, hatte ein Stipendium. Das war für mich das schlechte Gewissen, dass sie dort geblieben sind und schon eine sehr positive Entwicklung, ein großer Schritt nicht mithalfen. Dass sie nicht geflüchtet sind. Das ist nach vorne. wie, wenn jemand gestorben ist und man denkt, schade, ich war nicht dabei. Frage: Bezeichnest du dich nach all den Jahren noch als Sahraui? Chreyif: Ja, auch nach all den Jahren. Wahrscheinlich Frage: Und hat man in Dakhla die Unterdrückung stark ge- sehe ich die Sahrauis anders, als die meisten hier, einfach spürt? durch meine Biografie, dass ich in Mitteleuropa lebe seit Chreyif: Ja. Das hat man total gefühlt, das hat man erlebt. über zwanzig Jahren. Man bleibt natürlich nicht stehen. Auch als Kind. Zum Beispiel: Du konntest das Radio Saha- Man verändert sich. Man sieht Sachen kritisch. Man hin- ra libre nicht hören. Wenn man das gehört hat, dann muss- terfragt Vieles. ten alle Räume zu sein. Alles musste dicht sein. Es gab natürlich auch unter der Familie Leute, die da sehr aktiv Frage: Hinterfragst du auch Dinge der sahrauischen Kultur? waren. Die wurden auch verhaftet und dann wieder ent- Und was ist in deinen Augen überhaupt sahrauische Kultur? lassen. Man hat das schon sehr, sehr gespürt. Es gab auch Was macht die sahrauische Identität aus? fast immer Sperrstunden am Abend. Es gab Verhaftungen Chreyif: Das ist eine interessante Frage. Ich hinterfrage ohne Ende. Es gab auch Gewalt gegen die Einwohner, aus- sehr viel. Zum Beispiel bestimmte Regeln. Auch die Reli- geübt von der marokkanischen Armee oder der maureta- gion, die wurde damals nicht in Frage gestellt. Wir sind nischen oder auch von der Zivilbevölkerung, die mit ihnen einfach aufgewachsen in einer religiösen Gesellschaft, wo gekommen ist. Das alles hat man miterlebt. Das war eine Religion ein selbstverständliches Ding war. Du bist Mos- Atmosphäre der Angst. lem: Fünf Mal beten, Ramadan halten, dich an die Regeln halten. Da gibt es keine andere Möglichkeit. Du bist ein- Frage: Wie ging es dann bei dir weiter? Wie bist du in Deutsch- fach ein Kind deiner Zeit. Du bist da groß geworden und land gelandet? du musst das annehmen, wie es ist. Wenn man hier lebt Chreyif: 1978 gab es einen Putsch in Mauretanien. Da- und man sieht, es gibt auch andere Menschen, die gar kei- durch kam es zu einem Waffenstillstand von der POLI- ne Religion haben. Und es gibt nicht nur Böse und Gute. SARIO gegenüber Mauretanien. Davon haben viele Leute, Dann fängt man natürlich an, solche Muster zu hinter- die in Dakhla gelebt haben, profitiert. Sie haben natürlich fragen. Am Anfang kommt man auch sehr stark in Kon- die Gelegenheit genutzt, um auch in die Flüchtlingslager flikt mit sich selbst: Verfolge ich die Regeln? Habe ich ein zu fliehen. Vor allem hat man das alles nicht so öffent- schlechtes Gewissen? Wie werde ich in der Gesellschaft lich gemacht. Es war schon ein bisschen geheim. Aber es gesehen? Man spielt mit der Gesellschaft ein Versteck-, wurde geduldet und sie haben nichts dagegen unternom- so ein Katz-und-Maus-Spiel. Man geht nur bis zu einer men. Meine Familie hat dann erst mal die Kinder weg- bestimmten Grenze mit dieser Hinterfragung. Du redest geschafft und gesagt, wir machen jetzt erst mal Ferien. über bestimmte Punkte und dann sagst du: Nee, das würde Dafür sind wir dann nach Maridibu, eine Stadt in Maure- nichts bringen und dann lässt du das einfach. Das würde tanien, gegangen. Der Plan aber war, dass wir von dort in dich eher ins Abseits stellen. Und das willst du auch nicht. die Flüchtlingslager gebracht werden. Und 1979 haben wir Du willst weiter zu der sahrauischen Gesellschaft gehören. die Flüchtlingslager dann erreicht und sind dann dort erst Also lieber keinen Konflikt mit ihr. Du weißt zwar, dass da mal in die Schule gegangen. Es hat dann nicht lange ge- ein paar Sachen nicht in Ordnung sind, man kann sie in dauert, dann kam dieses Programm vacaciones en paz. Die Frage stellen, aber andererseits weiß ich auch selber, dass Kinder gehen und verbringen den Sommer in Spanien. Die das Zeit braucht. Wenn ich jetzt einen jungen Mann tref- erste Aktion war 1979 und sie hatten Kinder dafür gesucht fe, der von der Religion total überzeugt ist und er sieht und so mussten wir nach Spanien im Sommer 1979. Nach nur den Islam als Lösung aller Probleme, hätte ich früher den Ferien sind wir dann nicht in die Flüchtlingslager Krach mit ihm gemacht, als junger Mann. Aber jetzt weiß zurückgegangen, zu unserer großen Enttäuschung. Wir ich einfach, er braucht mehr Zeit. Er braucht es auch, an-

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deres kennenzulernen. Man könnte vielleicht anstoßen: listen, sie wurden auch zugelassen zu den Wahlen und ha- Frage: Hat es in deinen Augen etwas mit Nationalstolz zu tun, Frage: Hat die POLISARIO Einfluss auf das gesellschaftliche Ja Junge, vielleicht stimmt das auch nicht! Ein bisschen ben dann auch gewonnen, wurden dann aber nicht an die dass du dich als Sahraui begreifst? Leben? Zweifel reinbringen, aber keinen Konflikt suchen. Ich Macht gelassen. Dann hat das Militär geputscht und dann Chreyif: Oh, dieses Wort Nationalität... Dadurch, dass ich Chreyif: Ich glaube schon, dass sie einen großen Einfluss glaube mir hilft auch, dass ich immer nur für kurze Zeit, gab es in den ganzen 90ern Unruhen und viele Menschen jetzt schon so lange hier lebe, ist es auch irgendwie negativ darauf haben. Schon allein dadurch, wie die Menschen in für zwei, drei Monate oder Wochen Urlaub in der sahrau- sind dadurch gestorben. besetzt. Das ist schon ein Konflikt. Ich würde es nicht als den Flüchtlingslagern miteinander leben, wie sie einander ischen Gesellschaft mache. Und drei Wochen verbringt Was wollte ich damit sagen? Die Generation, die dort Nationalität bezeichnen. behandeln, das Leben zwischen Mann und Frau. Das alles man nicht in Diskussionen über Ideologien oder über be- in die Schule gegangen ist, die nimmt auch einen Teil Die sahrauische Gesellschaft ist eher ein Nomaden- wurde sehr von ihnen geprägt. Oder zum Beispiel auch das stimmte Moralvorstellungen. dieser Gedanken mit in die Lager und natürlich ist dann volk, das Selbstständigkeit sucht und sich danach sehnt. Verbot von Sklaverei. Dafür hat die POLISARIO von An- irgendwann die Nomadentoleranz, die nomadische Sicht- Und sie dabei zu unterstützen, ist meine Aufgabe. Es ist fang an plädiert und es dann auch verboten. Das ist eine Frage: Hast du beobachtet, ob es anderen, die im Ausland wa- weise auf die Dinge in der Minderheit. Und das, was sich in die Aufgabe von jedem Menschen, der für diese Ideale großartige Sache, finde ich. ren, genauso geht? den Lagern abspielt: Wenn du zum Beispiel einen jungen kämpft: Freiheit, Selbstbestimmung. Also es ist keine Na- Dann haben sie auch versucht, dass diese Stammes- Chreyif: Ich glaube schon. Diese Veränderung erleben al- Mann siehst, wie er betet oder wie er dann mit seiner Frau tion, keine Ethnie. kultur nicht weiter dominiert, wie es in der Kolonialzeit le, nur die Intensität ist unterschiedlich. Aber alle erleben oder seiner Schwester umgeht, dann merkst du, dass die war. Sondern sie wollten eine nationale Identität für alle so eine gewisse Veränderung. Es gibt manche, die zeigen Toleranz der Nomadengesellschaft doch verschwindet. Frage: Aber Marokko bezieht sich ja auf eine angebliche Gleich- Sahrauis, wo alle, egal aus welchem Stamm sie kommen, es. Es gibt andere, die zeigen es nicht so stark. Es gibt aber Das ist meine Vermutung. Auf der anderen Seite gibt es heit der Kultur und auf eine ethnische Zusammengehörigkeit, gleichberechtigt sind. Das sich alle als Sahraui und nicht auch andere Gruppen, die sich aus Angst vor diesen Ver- auch die Sehnsucht nach diesem Nomadenleben. Wenn du oder? als Stamm soundso bezeichnen. Das hat die POLISARIO änderungen noch mehr an bestimmte Werte klammern. mal einen Sahraui fragst, was er denn gerne täte, dann sagt Chreyif: Marokko hat Ansprüche auf das Land. Ich glaube sehr vorangetrieben. Und manchmal werden sie auch enttäuscht, wenn sie zu- er dir: Ich möchte gerne mal in die badia, das ist außerhalb die Begründung ist, dass da immer eine Beziehung von der rück gehen und sehen, die Gesellschaft dort hat sich auch der Stadt, meine khaima aufschlagen, ein paar Kamele da- Königsfamilie zu diesen Stämmen war. Dass sie sich zuge- Frage: Und denkst du, sie machen dass, um mehr Unterstüt- verändert. Die bleibt auch nicht stehen. Ich sehe das auch bei haben und mehr brauche ich nicht für`s Leben. Das ist hörig fühlten. Im Islam nennt man das, dass die Stämme zung von außen zu bekommen? jedes Mal, wenn ich dort hin gehe, dass es Veränderungen der Traum von vielen Sahrauis. zu dem Amir de Muslima, dem Sultan, gehören. Amir ist Chreyif: Das würde ich nicht so sehen. Allein aus dem gibt: langsame Veränderungen, aber es gibt Veränderun- der König von den Muslimen. Und die marokkanische Hal- Grund, dass das Vorantreiben dieser Ideale mit der Zeit gen. Neue Generationen, es gibt neue Vorstellungen für Frage: Auch dein Traum? tung sagt, dass die sahrauischen Stämme sich schon bei nicht zunahm. Und man hat auch irgendwann gesehen: bestimmte Sachen und das bleibt nicht stehen. Das ist Chreyif: Ja. Meiner auch. Ich könnte mir vorstellen für diesem Amir vorgestellt haben und so ihre Zugehörigkeit Oh, wir sind zu schnell für diese Gesellschaft. Wir haben nicht das, was sie vor 20 Jahren dort gelassen haben. Dann länger auf diese Art und Weise zu leben. Ich hänge auch zu diesem Reich bekräftigten. Das ist die Hauptbegrün- alles verboten! Am Anfang haben die Leute alles gemacht ist die Enttäuschung groß. Hier sind sie nicht zu Hause nicht so sehr an dieser modernen materialistischen Le- dung, warum Marokko die Westsahara besetzt hat. Womit und akzeptiert, aber sie haben es nicht aus Überzeugung und dort auch nicht, nicht mehr. bensweise. Ich brauche nicht jeden Tag zu duschen oder es eigentlich nicht durchkommt. von sich aus gemacht. Sie haben es gemacht, um nicht In Südmarokko, wo auch viele sahrauische Stämme re- dem großen Ziel im Wege zu sidierten, sind Stämme, die haben sahrauische Wurzeln, stehen. das ist ihr Gebiet dort, Südmarokko, nördlich der Westsa- Es gibt viele Dinge, die die hara. Und die sind auch verstärkt für die Unabhängigkeit POLISARIO versucht hat, vo- eingetreten in den letzten Jahren. Auch verstärkt für die ran zu treiben in der Gesell- Rechte der Sahrauis, also auch für ihre Brüder der Stäm- schaft. Jetzt geht sie mit vie- me der Westsahara. Sie demonstrieren sogar manchmal len Dingen anders um. Zum mehr, als die Leute in der Westsahara. Aber die waren auch Beispiel die Stammesstruktur: nicht unter spanischer Kolonie, sie lebten nicht in der Das kann man nicht von heu- Westsahara, als darüber gestritten wurde. te auf morgen einfach auslö- Andere, die noch weiter nördlich sind, für die ist der schen. Wenn heute Konflikte Konflikt ganz weit entfernt. Das gleiche kann man auch entstehen, kommen noch die für Mauretanien sagen. Die im Norden sind auch eher be- Stammesführer zusammen troffen von dem Konflikt und für die Unabhängigkeit der und regeln das unter sich. Westsahara und unterstützen dieses Anliegen. Und wenn Wenn etwas kompliziert ist, v.l.n.r.: Sahrauische Frage: Die Sahrauis waren einst ein Nomadenvolk. Das war so viel Wasser zu verbrauchen oder jeden Tag acht Stun- du südlicher in Mauretanien gehst, an die Grenze zu Mali, dann holt man sie und will, dass die Weisen das lösen. Die Teezeremonie; Sahrau- ein ganz anderes Leben, auch die Religion betreffend. Man hat den zu arbeiten. Das sind andere Regulierungen, die mich da findest du zwar Leute von meinem Stamm, aber das ist Stammesführer sind immer noch da, obwohl die POLISA- ische Familie in einer zum Beispiel draußen gebetet und ist umhergezogen und nun ist stören. Aber die gibt es und die muss ich auch annehmen. ganz weit von hier. Sie sind Mauretanier seit Generatio- RIO versuchte, dass auszuradieren. Khaima; Traditionelle man sesshaft geworden in den Städten und gerade auch in den Meine Oma zum Beispiel, die lebt so ein Leben als Noma- nen. Und der Konflikt ist für sie ganz weit weg. Jede Familie weiß, wer als nächstes das Oberhaupt Gewänder; Kamele Lagern: Gibt es noch Verhaltensweisen im gesellschaftlichen din in den befreiten Gebieten an der Grenze zu Mauretani- wird. Darum hat die UNO auch keine Probleme gehabt, als dienen als Reittiere Zusammenleben, die von damals erhalten geblieben sind? en, auf diesem Streifen. Du kannst sie nicht dazu bewegen, Frage: Was stellt in diesem Zusammenhang die POLISARIO für sie in den 90ern die Identifikationskommission losschick- Chreyif: Ich kann jetzt nur von den Flüchtlingslagern dass sie in eine Stadt kommt. Sie kommt vielleicht einmal dich dar? te, die die Sahrauis zählen sollte, für das Referendum. Da sprechen, denn die kenne ich am meisten. In den besetz- in sechs Monaten, wenn medizinische Untersuchungen Chreyif: Die POLISARIO ist für mich eine Befreiungsbe- hat sie einfach die Stammesführer zusammengerufen. ten Gebieten war ich seit der Flucht 1978 nicht mehr. Und bei ihr gemacht werden oder zu Besuch. Aber sonst ist sie wegung für die Westsahara, wie sie sich ja auch bezeichnet. Das hat der UNO geholfen. Die Krone wird noch immer die Flüchtlingslager haben auch eine Berührung mit Alge- als Nomadin unterwegs, mit den Kamelen, mit den Zie- Sie ist wie ein Becken, indem sich alle unterschiedlichen weitergereicht. Wahrscheinlich haben sie gesehen, wie rien. Die meisten aus meiner Generation haben zum Bei- gen, jetzt hat sie auch Kühe. Und so ein Leben... Wenn ich Strömungen der Westsahara zusammengetan haben, um wichtig das ist. Es ist auch ein Teil der Identität. spiel die Schule in Algerien besucht. Das bleibt dann so. runter gehe, besuche ich sie, also ich bin bei der Oma auf- die Unabhängigkeit zu erreichen. Das ist ihr Hauptziel. Man muss den Leuten Zeit lassen, sich für eine Form Das kann man nicht wegradieren. Das nimmt man auch gewachsen. Ich bin da total glücklich und zufrieden. Und Und danach, sagt auch die POLISARIO von sich selber, zu entscheiden. Es wird vielleicht eine Generation geben, mit, wenn man zurück in die Flüchtlingslager kommt. da erlebe ich auch diese Zufriedenheit mit ganz wenig. dass sie sich auflöst. Ich würde mich auch als Angehöriger für die das nicht mehr interessant ist. Aber durch Verbote Und gerade in den 90er Jahren gab es etwas, wie ein Erwa- Man muss nicht jeden Tag dreimal essen oder jeden Tag der Befreiungsbewegung der Westsahara bezeichnen. Und schafft man das nicht. chen der muslimischen Religion. In Algerien vor allem. Da Fleisch essen. Man muss kein Handy haben. Solche Dinge das ist POLISARIO. Weil ich mich auch als Befreier für die entstand damals diese islamische Partei. Die Fundamenta- geraten dann ins Abseits. Westsahara sehe, bin ich auch POLISARIO. [Interview: Fränze, November 2012]

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Das Recht der Sahrauis auf Selbstbestimmung1 Die Rechte der Flüchtlinge und der sahrauischen Bevölkerung müssen im weiteren Kontext des internationalen Völkerrechts gesehen werden. Die Westsahara ist eins der wenigen verbliebenen Dekolonisierungsprobleme, die, inter alia, durch die Bestimmungen der UN-Charta geregelt werden.

m Jahr 1963 erscheint das Land auf der UN-Liste der Das Recht auf Selbstbestimmung beinhaltet das Recht zu I Nicht-Selbstverwalteten Gebiete2, und eine Reihe von einem besonderen Prozess – »der frei ausgedrückte Wille Resolutionen der Generalversammlung haben bestätigt, der Völker« muss gehört werden.9 Das wird normalerweise 1 Dieser Artikel erschien zuerst dass die Deklaration über die Gewährung von Unabhän- dahingehend interpretiert, als dass es irgendeine Erhebung unter dem Titel „The Sahrawi’s gigkeit an koloniale Länder und Völker in diesem Fall an- oder ein Referendum erfordert.10 In diesem Prozess muss Right to Self-Determination“ wendbar ist.3 Für Nicht-Selbstverwaltete Gebiete und ihre die Unabhängigkeit eine Alternative für Völker unter frem- im Bericht des Norwegischen Interimadministrationen gilt das Prinzip, dass die Inter- der Besatzung oder anderer Unterjochung sein.11 »Volk« ist Flüchtlingsrates (NRC): Western essen der Bevölkerung absoluten Vorrang genießen müs- nicht mit »Bevölkerung« gleichzusetzen und die marokka- Sahara. A thematic report from sen.4 Der Internationale Gerichtshof in Den Haag (IGH) nischen Siedler haben nicht notwendigerweise ein Anrecht the Norwegian Refugee Council, hat ebenfalls bestätigt, dass der Konflikt eine Dekolonisie- auf Partizipation im Selbstbestimmungsprozess. issue2/2008 (NRC Reports). rungsfrage und eine Angelegenheit des Rechts auf Selbst- Wir danken dem NRC für die bestimmung ist.5 Die marokkanische Invasion war also Völkerrecht und natürliche Ressourcen freundliche Genehmigung ein Verstoß gegen das Verbot des Einsatzes von Gewalt im Kraft des Rechts auf Selbstbestimmung besitzen alle Völ- zum Abdruck des übersetzten Artikel 2 der UN-Charta, und der de facto marokkanischen ker auch das Recht, ihre eigene ökonomische, kulturel- Artikels. Kontrolle über Westsahara fehlt es sowohl an Legalität als le und soziale Entwicklung zu fördern, was die Freiheit 2 UN Charta Kapitel XI (A/5514, auch an Legitimität. einschließt, über ihre Bodenschätze selbst zu verfügen.12 Annex III). Resolution der Die sahrauischen Flüchtlinge und die Bevölkerung der Im UN-Seerechtsübereinkommen von 1982 ist auch fest- Generalverssammlung 1541 besetzten Gebiete haben bestimmte angestammte Rechte, gehalten, dass Küstenstaaten Hoheitsgewalt über die (XV) 1960, betrifft auch nicht- welche nicht durch Verhandlungen und Realpolitik aufs natürlichen Ressourcen des ihrem Staatsterritorium vor- selbstverwaltete Gebiete. Spiel gesetzt werden dürfen. Das Recht auf Selbstbestim- gelagerten Festlandssockels besitzen. Marokko hat keine mung ist ein fundamentales Menschenrecht.6 Es nimmt Hoheitsgewalt über Westsahara, und daher kein Recht, 3 Deklaration über die Gewäh- im Völkerrecht einen prominenten Platz ein, eingeschlos- seine Bodenschätze zu erkunden und auszubeuten. Arti- rung von Unabhängigkeit für sen im gemeinsamen Artikel 1 des 1966er Internationa- kel 73 der UN-Charta schreibt fest, dass die ökonomische koloniale Länder und Völker, len Pakts für bürgerliche und politische Rechte (ICCPR 1966, Ausbeutung von natürlichen Ressourcen in Nicht-Selbst- Resolution der Generalver- kurz UN-Zivilpakt) und dem Internationalen Pakt für öko- bestimmten Gebieten nur mit der Zustimmung der loka- sammlung 1514 (XV) vom 14 nomische, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR 1966, kurz len Bevölkerung stattlich ist, und in Übereinstimmung Dezember 1960. UN-Sozialpakt) und gilt als unabweisbare Norm im in- mit deren wirtschaftlichen Interessen erfolgen muss. Der Aufgewachsen im Flüchtlingslager – Seit über 35 Jahren hoffen die Sahrauis auf das UN-Referendum 4 UN Charta Artikel 73. ternationalen Völkergewohnheitsrecht. Marokko ist Teil Handel mit oder das in Anspruchnehmen von Marokkos Marokko wird nicht als aller wichtigen Menschenrechtskonventionen. Beispiele illegaler Schürfung und Ausbeutung westsahrauischer „Verwaltungsmacht“ der für Verstöße gegen das Recht auf Selbstbestimmung sind Bodenschätze kann als Verstoß gegen das Völkerrecht und 6 Siehe z.B. SIRES 11675 vom gen den Artikel 49 der Vierten IGH zur Westsahara, Absatz 59 10 Z.B. Cassese, Self- 12 ICCPR und ICESCR Gemein- vest-sahara.no/files/pdf/ Westsahara anerkannt, aber die fremde militärische Besatzung oder Annexion und andere als Beitrag zur Konsolidierung der illegalen Besetzung 28.04.2006. »OHCHR Mission Genfer Konvention – dort ist es klar: »Seine [das Prinzip des Determination of Peoples. samer Artikel 1 (2), Resolution un_legal_opinion_Corell_ola- Vorschriften mögen in jedem Formen kolonialer oder neokolonialer Ausbeutung. Auf angesehen werden. (Die Pflicht der Nichtanerkennung, to Western Sahara and the dem Besatzer untersagt Teile Rechts auf Selbstbestimmung] A Legal Reappraisal, 1995. der UN Generalversammlung eng.pdf Fall durch Analogieschluss als indirektere Art und Weise stellt auch Umsiedlung von die weiter unten behandelt wird, ist in dieser Beziehung Refugee Camps in Tindouf 8 seiner Bevölkerung in das be- Anwendung zu dem Zweck, Entsprechend dem Gutachten 1803 (XVI) 1962, Deklaration anwendbar gelten, vgl. Letter Bevölkerung einen Bruch dieses Rechts dar.7 Marokkos besonders relevant.) Das wurde im Gutachten des Rechts- 14 Empfehlung des Rates September 2006« (OHCHR setzte Gebiet zu transferieren. alle kolonialen Zustände zu des IGH, Absatz 71, hat die UN über die permanente Hoheits- from the UN Office ofL egal Gebaren hinsichtlich Westsahara ist ein offensichtlicher beraters der Vereinten Nationen herausgestrichen13 und vom 12.04.2005. verfügbar in report). http://www.gees.org/ einem schnellen Ende zu Vollversammlung ein gewisse gewalt über Bodenschätze. Affairs to theP resident of the Verstoß. war außerdem ein wichtiger Faktor in der Empfehlung des 8 Folgt aus den Vorberei- norwegischer Sprache: http:// documentos/Documen-01475. führen…« Ermessensfreiheit hinsichtlich Security Council , 12.02.2002, Menschen die einer kolonialen Macht oder einer ähn- Ethikrats des Norwegischen Petroleumfunds, Investitio- tungen zur Konvention, 13 Letter from the UN Office of www.regjeringen.no/nb/ pdf Form und Prozess. S/2002/161. Verfügbar unter: lichen fremden Unterjochung unterliegen, steht dieses nen in Kerr-McGee zurückzuziehen.14 späteren UN-Resolutionen und 9 Das Gutachten des IGH zur Legal Affairs to theP resident dep/fin/tema/andre/Etiske- http://www-vest-sahara.no/ Recht eindeutig zu.8 Mit anderen Worten, den Sahrauis Das Humanitäre Völkerrecht / Kriegsvölkerecht hat 7 Das Humanitäre Völkerrecht Statements der Kommission Westsahara, Absatz 69, oben 11 U.a. Cassese op.cit., aber of the Security Council , retningslinjer/Tilradninger-og- files/pdf/un_legal_opini- selbst steht das Recht zu, ohne äußeren Druck oder Einmi- ähnliche Regeln: Die Besatzungsmacht darf Eigentum / Kriegsvölkerrecht ist ebenfalls für Menschenrechte. Es wird zitiert. auch erwähnt im UN Report 12.02.2002, S/2002/161. brev-fra-Etikkradet/Tilradning- on_Corell_olaeng.pdf schung über ihren internationalen Status zu entscheiden. nur soweit nutzen, wie für die Verwaltung des besetzten relevant: Marokko verstößt ge- auch in dem Gutachten des S/2003/565. Verfügbar unter: http://www- om-uttrekk-2.html?id=91683

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Gebiets und die Versorgung der Soldaten notwendig ist, Flüchtlingskonvention wahrnehmen, die es unterzeich- niemals um die Bedürfnisse der Besatzungsmacht zu de- net hat. cken oder die eigene Wirtschaft (die von der Wirtschaft Mitgliedsstaaten der Menschenrechtskonventionen des besetzten Gebiets zu trennen ist) zu fördern. 15 sind verpflichtet die Rechte aller Menschen auf ihrem Ge- biet zu respektieren und zu fördern, inklusive der Rechte Die Weltgemeinschaft versagt Systematische Menschenrechtsverletzungen von Flüchtlingen und Asylsuchenden. Algerien vertritt Über die aktuelle Lage in der besetzten Westsahara Wie der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für jedoch die Meinung, dass es gegenüber den Flüchtlingen die Menschenrechte (UNHCR) in seinem Bericht 200616 keine Verantwortung trägt, da sie unter einer Exilregie- ausführte, hängt die allgemeine Menschenrechtssituati- rung, der POLISARIO-geführten DARS, organisiert sind. Seit Jahren verletzt Marokko in den besetzten Ge- Agenda. Das aktuelle MINURSO-Mandat beinhaltet ledig- on der Flüchtlinge und des sahrauischen Volks mit dem Algeriens Standpunkt genießt allerdings keine Unter- (…) bieten der Westsahara die Menschenrechte. Trotz lich die Beobachtung des 1991 erreichten Waffenstillstan- Scheitern, das fundamentale Recht auf Selbstbestim- stützung vom Völkerrecht oder von Menschenrechts- immer neuer Anläufe versagt die internationale Gemein- des und die Durchführung eines Referendums. mung zu respektieren, zusammen. Beispielsweise ist es körperschaften, und das Land muss alle Menschen auf schaft dabei, Druck auf die Besatzungsmacht auszuüben. Bei letzterem ist die MINURSO bekanntlich komplett durch die marokkanischen Behörden explizit verboten, seinem Gebiet schützen. Die POLISARIO erklärt die Ein- Im April 2011 legte Marokkos bester Freund Frankreich im gescheitert. Viele Sahrauis glauben schon längst nicht Marokkos Kontrolle über Westsahara in Frage zustellen. schränkung und temporäre Aussetzung von Menschen- Sicherheitsrat der UNO ein Veto ein, als es darum ging, mehr daran, dass diese eigentlich für 1992 angesetzte Eine solche Einschränkung der Redefreiheit, insbesonde- rechtsstandards unter Verweis auf die außerordentliche einen Mechanismus zum Schutz der Menschenrechte zu Volksabstimmung über die Zukunft ihres Gebietes jemals re im Hinblick auf das fundamentale Recht des Volkes auf Natur der Situation – dass Rechte nicht wirklich geschützt etablieren. Ende Juni 2011 stimmte die deutsche Regierung stattfinden wird. »Vor allem die einfachen Menschen fra- Selbstbestimmung, fällt nicht unter die in Artikel 19 des werden können bevor Westsahara volle Unabhängigkeit für eine Verlängerung des völkerrechtswidrigen Fischerei- gen sich, was die MINURSO-Mitarbeiter_innen eigentlich UN-Zivilpakts (ICCPR) zugelassenen Einschränkungen. erlangt.17 abkommens zwischen der EU und Marokko.1 den ganzen Tag über machen. Sie bekommen lediglich Weiterhin respektieren die marokkanischen Behörden Zum Herbst 2010 war die von Marokko besetzte West- mit, dass diese mit ihren klimatisierten Wagen durch die nicht das Recht auf Vereinigungs- und Versammlungsfrei- Alle Staaten tragen Verantwortung sahara für einige Tage in den Schlagzeilen. Sicherheits- Wüste fahren«, schildert Jamal Zakari die Situation. Auch heit, um Meinungen zu dieser Angelegenheit zu äußern. Die Internationale Gemeinschaft und individuelle Staa- kräfte der Besatzungsmacht waren im November 2010 mit das trage, so die Einschätzung des POLISARIO-Vertreters, Das Recht auf Leben und das Recht von Folter oder ande- ten sind in der Verantwortung den Konflikt in Westsaha- exzessiver Gewalt gegen ein Protestcamp sahrauischer De- nicht gerade dazu bei, dass die Jugend im besetzten Gebiet ren unmenschlichen und erniedrigenden Behandlungen ra zu lösen und die Rechte der Flüchtlinge zu schützen. monstranten vorgegangen und hatten dabei mindestens und in den Lagern Vertrauen in die internationale Gemein- verschont zu bleiben, wird Demonstranten und Aktivis- Wie der Hohe Kommissar für Menschenrechte ausführt 12 Personen getötet. Die Menschen setzten darauf in El schaft entwickele. ten immer noch verwehrt. muss die Internationale Gemeinschaft alle notwendigen Aaiùn, der Hauptstadt der Westsahara, ihren Protest fort, Es gibt ungeklärte Fragen hinsichtlich der »Ver- Schritte einleiten, um sicherzustellen, dass das Recht auf wiederum wurden Demonstrant_innen verhaftet und es Siedler_innen als Hilfstruppen der Besatzungsmacht schwundenen« und es Selbstbestimmung respek- gab weitere Tote und Verletzte. Nach diesen ›Vorkommnis- Inzwischen gehen auch marokkanische Siedler_innen in 15 U.a. die Haager Landkriegs- wird andauernd gegen das tiert wird. Der Gemeinsame sen‹ sanken das kleine Land und seine Menschen wieder in den besetzten Gebieten gegen ihre sahrauischen Nach- konvention von 1907, speziell Recht auf einen fairen Pro- Artikel 1 des UN-Zivilpakts die Vergessenheit. bar_innen vor. In Dakhla im Süden gab es Ende September Artikel 52 und 53. zess verstoßen. Berichte (ICCPR) und des UN-Sozial- Dabei hat sich die schon seit Jahren kritische Men- 2011 Tote und Schwerverletzte, als eine friedliche Demons- 16 Siehe Bericht des Büros des Hohen Kommissars für pakts (ICESCR) verpflichtet schenrechtssituation vor Ort noch verschlechtert. Vor tration von Sahrauis von milizähnlich organisierten Sied- des Hohen Kommissars für Menschenrechte (UNHCR), alle Mitgliedsstaaten, die allem für Menschen, die sich nicht mit dem Status Quo ler_innen angegriffen wurde. Diese gingen dann auch in Menschenrechte (OHCHR). der Menschenrechtskom- Verwirklichung des Rechts abfinden wollen und sich für die nationale Unabhängig- die Wohngebiete der Sahrauis und setzten Wohnhäuser in mission, dem Komitee ge- auf Selbstbestimmung zu keit aussprechen, wird das Risiko von Polizeigewalt und Brand. 15 Häuser von sahrauischen Familien brannten bis 17 Siehe Bericht des OHCHR. gen Folter, von Amnesty fördern und in Übereinstim- Verhaftung immer größer. »Diese Menschen erhalten auf die Grundmauern nieder. Die Reaktion der marokka- 18 ICESCR und ICCPR Text: International, von Human mung mit den Bestimmun- kein Gerichtsverfahren, das internationalen Standards nischen Behörden bestand darin, junge, des Widerstandes »promote the realization of the Rights Watch, des US- gen der Charta der Vereinten entspricht«, beklagt Wolfgang Büttner, Sprecher des verdächtige Sahrauis zu verhaften. Noch heute sitzen 17 right of self-determination« Außenministeriums und Nationen zu respektieren.18 Deutschlandbüros der Menschenrechtsorganisation Hu- von ihnen in Haft. Marokkanische Sicher- und »respect that right in verschiedener anderer In- Da die Verpflichtungen die man Rights Watch. Tatsächlich sitzen von den im Novem- Die seit dem Rückzug der spanischen Kolonialmacht heiteskräfte gehen conformity with the provisions stitutionen und Organi- hier behandelt wurden un- ber 2010 Inhaftierten ein Jahr danach noch 25 zumeist sehr 1975 angesiedelten Marokkaner_innen sollen den Bevöl- mit Gewalt gegen of the charter of the United sationen bestätigen das abweisbare Normen sind junge Leute in Untersuchungshaft. Marokkanische Be- kerungsproporz zum Nachteil der sahrauischen Bevöl- friedliche sahrauische Nations.” Eine Pflicht, dieses systematische Muster der und erga omnes (d.h. in Ver- hörden wollen sie jetzt vor ein Militärgericht stellen. Am kerung verschieben. Denn mit einer marokkanischen Demonstrantion beim Recht durch gemeinsame und Menschenrechtsverletzun- bindung zu allen, nicht nur 8. November 2011, am Jahrestag der blutigen Vorfälle, sind Bevölkerungsmehrheit würde ein Votum für die Unab- »Camp der Würde« vor unabhängige Handlungen gen. Wie der Hohe Kom- zwischen zwei Parteien) gel- die 25 Inhaftierten in einen Hungerstreik getreten. hängigkeit der Westsahara unwahrscheinlich. Aktuell zu fördern, wird auch in der missar für die Menschen- ten, müssen alle Staaten tun setzen die marokkanischen Behörden diese Siedler_innen Resolution der UN General- rechte schlussfolgerte, sind radikale Veränderungen in was in ihrer Macht steht, damit die Konfliktparteien diese Das Scheitern der UNO und Frankreichs Blockade allerdings als Hilfstruppen für ihre Repressionspolitik ein. versammlung 1541 (XV), im Marokkos Gesetzgebung und gerichtlicher Praxis notwen- respektieren. Gemäß dem Artikel zu staatlicher Verant- »Weil Frankreich im April 2011 mit seinem Veto im UN- »Diese Menschen sind wie Soldaten«, sagt Zakari, »sie IGH Gutachten zur Westsahara dig, damit das Land seinen internationalen Verpflichtun- wortung, haben individuelle Staaten die Pflicht zur Nicht- Sicherheitsrat einen Mechanismus zur Beobachtung der treten auf Zupfiffe der marokkanischen Behörden in Ak- Absatz 58 und in »The Wall« gen gerecht werden kann. anerkennung grober Verletzungen des Völkerrechts. Diese Menschenrechtslage verhinderte, kann Marokko jetzt tion.« Nicht umsonst hat Marokko die Siedler_innen in Absatz 156 erwähnt. Pflicht reicht wohl über aktive Komplizenschaft hinaus noch ungehinderter die Menschenrechte verletzten«, er- eigenen Wohnvierteln untergebracht, wo sie unter sich Flüchtlinge und ist auf stille oder passive Beihilfe durch billigende läutert Jamal Zakari, Vertreter der POLISARIO in Deutsch- sind und sich gemeinsam in ihrem Ressentiment gegen 19 Prinzipien zur Staatlichen Die humanitäre Situation insbesondere der Flüchtlinge Inkaufnahme auszudehnen.19 Der IGH hat die Pflicht zur land. »Vor allem die jungen Sahrauis fühlen sich jetzt end- die Sahrauis bestärken können. Viele gehen keiner Arbeit Verantwortlichkeit, u.a. 41, von wird immer prekärer. Der UN-Sozialpakt (ICESCR) ent- Nichtanerkennung ebenfalls bestätigt.20 Das Fehlen poli- gültig von der Weltgemeinschaft im Stich gelassen.« nach und werden von den Behörden versorgt. Auch in den der Völkerrechtskommission. hält spezielle Vorkehrungen, die es Entwicklungslän- tischen Willens, das es Marokko ermöglicht, den Sahrauis Ein stärkeres Engagement der UNO, sprich ein Man- anderen Städten der besetzten Westsahara gibt es mittler- 1 Anm. der Redaktion: 20 U.a. »The Wall« 2004 be- dern erlauben ihre eigenen Staatsbürger bis zu einem weiterhin ihr Recht auf Selbstbestimmung zu verweigern, dat zur Beobachtung der Menschenrechtslage für die weile pogromähnliche Ausschreitungen gegen Sahrauis Diese Verlängerung wurde im züglich der israelischen Mauer bestimmten Grad zu bevorzugen, aber die Flüchtlings- ist kein geeigneter Weg, diese Verpflichtung in gutem ‚UN-Mission für einen Volksentscheid in der Westsahara’, (…). Dezember 2011 durch das EU- im besetzten Westjordanland konvention von 1951 beinhaltet einige soziale und wirt- Glauben zu respektieren. Politiken und Strategien, von MINURSO, fordert auch die Menschenrechtsorganisation Parlament vorläufig gestoppt und das Urteil zu Südafrikas schaftliche Minimalstandards für Flüchtlinge. Algerien, denen man annehmen muss, dass sie Marokkos Präsenz in Human Rights Watch, wie ihr Sprecher Wolfgang Büttner [Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt e.V. (ASW); Erstveröffentlichung in und steht nun wiederum zur Präsenz in Namibia 1970. als Asylland, muss seine Verpflichtungen entsprechend Westsahara anerkennen oder unterstützen, stellen einen uns bestätigt. Tatsächlich ist eine solche Mandatserwei- der Zeitschrift der ASW – Solidarische Welt, Nr. 216, Dez. 2011; Wir danken Disposition. der grundlegenden Menschenrechtsabkommen und der direkten Bruch dieser Pflicht dar. [Übersetzung: Lukas] terung der MINURSO seit 2005 auf der internationalen der ASW für die Genehmigung des gekürzten Nachdrucks.]

46 47 B litzlichter

»Man könnte meinen, es stünden mehr Rechner herum als Men- schen. Köpfe recken sich vom einen Bildschirm zum anderen, ver- schiedene Versionen der Broschürengliederung kämpfen um Auf- merksamkeit. Jeder von uns scheint ein eigenes Ordnungsschema zu verfolgen bis schlussendlich alle Viere den Überblick verlieren. Stressbewältigung macht sich bemerkbar: Hier entspanntes zu- rücklehnen, noch ein Getränk. Dort die Suche nach einer in diesem Moment nicht zwingend relevanten Landkarte im Internet, woan- ders der verzweifelte Versuch, Struktur in die Verfahrensweise zu bringen. Die ersten taktischen Methoden ergreifen die Macht: Gegen Hunger tauchen reich dekorierte Stullen auf, dicke Filzstifte erset- Jeder Mensch hat ein gewisses Maß an Energie über deren » zen das DIN-A4-Chaos, der verstaubte Tisch weicht dem Wohnzim- Verwendung er mehr oder minder frei entscheiden kann. In merboden. Vier betagte Jugendliche krabbeln umher, schieben Berge unserer deutschen Wohlstandsgesellschaft ist es mir vergönnt, von bekritzelten Pappkärtchen über das Parkett, sortieren Erlebnis- einen Großteil meines Tages außerhalb der Arbeit zwanglos berichte zwischen Theoriebrocken, verteidigen das Bleiberecht ver- zu gestalten. Und anstatt irgendwelchen neu kapitalistischen jährter Artikel. Eine kluge Redakteurin schleicht sich unbemerkt ans Karrierevisionen hinterher zu jagen, mache ich lieber etwas mit andere Ende des Zimmers und versinkt im Sofa. Zu ihrer Rechtferti- super netten Leuten für super nette Leute . « gung trommelt sie im Netz alle noch ausstehenden Kontakte zusam- men und ruft zum Endspurt auf. Derweil klappert ein Freund, der seinen Artikel vorbildlich vor Being an international representative of the Western Sahara » der deadline eingereicht hat, ein festliches Abendbrot zusammen. students union (UESARIO) I find myself cooperating largely with Schnell werden noch die auf den Boden geklebten Zettel abfotogra- the Projektgruppe Westsahara. For roughly two years we have fiert, Grübeleien über unsere Motivation ausgetauscht und im direk- had a number of projects together, the European Karawane Tour ten Zusammenhang Loblieder der Freundschaft verkündet. Laptops in August 2011, for instance, or the youth exchange in April 2012. überlassen allmählich Töpfen und Tellern das Feld, zur Verlesung der We have also cooperated during the MINURSO mandate actions „to-do“ Liste werden die ersten Zigaretten angezündet. in April 2012. After that short time I feel that the Projektgruppe is « working with confidence and seriousness on our mutual cause.« 48 49 p r o j e k t

Wüste Sause Mit Pauken und Trompeten

2011 haben wir die erste Wüste Sause gerockt. Seitdem folgten zwei weitere Veranstaltungen in Berlin. Die Idee dahinter ist, ein großartiges Festival oder Konzert zu organisieren, Besucher_innen mit einem ab- wechslungsreichen Kulturprogramm zu bespaßen und sie ganz nebenbei mit dem Westsaharakonflikt ver- traut zu machen. Außerdem stützen die Einnahmen an Eingang und Bar unsere anderen Aktionen.

Alles begann mit einem Open-Air Festival in Köpenick. Den ganzen Tag wurde zu Bands und DJs getanzt, gegrillt und gechillt. Schwindelfrei Kletternde konnten das Gelände von erklommenen Bierkästen aus über- blicken, die Liegen luden zum Cocktailschlürfen im Sonnenschein ein. Im nächsten Jahr startete die Wüste Sause wieder als Sommerfestival. Dieses Mal gewährte unsere Fotoausstellung einen Einblick in das alltägli- che Leben der Menschen im algerischen Flüchtlingslager. Unser frisch bemalter Bus füllte sich mit Spenden von Besuchern. Nur wenige Monate später öffnete die erste Indoor-Sause ihre Tore im Supamolly. Die ganze Nacht feierten fast 600 Gäste mit uns bis in die Morgenstunden zu verrückten Ska- und Punkrocksounds.

Die Bands und DJs nahmen von uns keine Gagen. Auch die Locations standen uns zu günstigen Konditionen zur Verfügung. Statt viel Geld zu bezahlen, sorgten wir mit leckeren Abendessen für ihr Wohl und brachten die Räume nach den Partys in ihren ursprünglichen, sauberen Zustand zurück. Diese gemeinsam selbst gemachte, an vielen Stellen improvisierte und unabhängige Veranstaltungsreihe unterstützt uns nicht bloß finanziell. DieWüsten Sausen sind immer wieder ein Highlight für uns als Gruppe. Sie schaffen einen fröhli- chen Rahmen, um den Westsaharakonflikt in die Öffentlichkeit zu tragen. Die Konzerte sind ein krönender Abschluss für die gemeinsame wochenlange Arbeit.

DIY!

Dezember 2009 | Sahara Libre! Aktionen Bei satten minus 19°C kam es vor dem marokkanischen Konsulat in Berlin zum symbolischen Einsturz der Mauer, welche die befreiten Gebiete der Westsahara Projektgruppe von den marokkanisch besetzten Gebieten trennt: Mit einer kleinen Choreographie aus Pappschildern und Trillerpfeifen wurde dabei aus der „Mauer der Schande“ der Slogan »Sahara Libre!« - und so von der Projektgruppe Westsahara das Ende einer völkerrechtswidrigen Besatzung gefordert. Anlass für unseren Westsahara Protest war die Abschiebung der sahrauischen Menschenrechtsaktivistin Aminatou Haidar aus ihrer Heimat durch marokkanische Sicherheitskräfte. » 50 51 50 51 p r o j e k t

Spender_innen von Laptops, Druckern, Nähmaschinen, Büromaterial, Stoffen, Spielen, Büchern etc. gefunden. Mit den Soli-Einnahmen, den Spenden und einer kleinen Förderung finanzierten wir die Reparaturkosten des Bus- ses mit.

Nun folgte jedoch der zweite, steinigere Teil der Ge- schichte, da viele Dinge und Pläne nicht so einfach zu realisieren waren, wie wir es uns einst wünschten. Wir mussten feststellen, dass aufgrund der Verschärfung der politischen Lage in Nordafrika die Möglichkeit als Eu- ropäer nach Algerien zu fahren, sehr beschränkt bis un- möglich war, wenn man sich nicht in der Begleitung einer Eskorte des algerischen Militärs befand. Zudem forderte eine mit uns in Kontakt stehende, auf afrikanische Bus- Karawanen spezialisierte spanische Organisation über zusammengetragen wurden. Schließlich stand noch im- 5000,-€ für die Begleitung und Übersetzung des Busses mer die Idee, den Bus gemeinsam als Gruppe zu überfüh- Wüstenmobil – on the road? von Alicante nach Oran. Dies sprengte natürlich bei Wei- ren. Dieser Vorschlag scheiterte jedoch an unserer zeit- tem unser Budget. Andere Karawanen gibt es leider nicht lichen Verfügbarkeit und an der Finanzierung. Andere Die ursprüngliche Idee schien ganz einfach: Das einstige Spielmobil reparieren, revolutionär bemalen und beziehungsweise waren diese schon längst abgefahren. Vorschläge wurden generiert, wie beispielsweise den Bus Ein anderer Rückschlag bereitete uns die Fahrt zum TÜV. per Container zu verschiffen: erst von Alicante, dann von dann mit dem Bus in die Flüchtlingslager fahren – am besten alles in Eigenregie und ohne viel Aufwand. Mit altem Nummernschild gerieten wir zu unserer Über- Marseille, dann von Bremen und jetzt gar nicht mehr. Es Und das Beste daran: zusätzlich sammeln wir Spenden für das Jugendzentrum in Ausserd und bringen die- raschung in eine Polizeikontrolle, wobei unser Bus mit stellte sich nach etlichen Telefonaten und Mails rund um einem gelben Aufkleber außer Gefecht gesetzt, uns mit die Welt heraus, dass Busse, die älter als 10 Jahre sind, se zusammen mit dem Bus dorthin. Dies wäre eine ideale Möglichkeit, die Früchte der letzten drei Jahre Buß- und Mahngeldern gedroht und wir aufgefordert nicht verschifft werden und für Busse, die eine Höhe von Projektarbeit mit eigenen Augen zu bestaunen. wurden, den Bus per Abschleppdienst vom Fußgänger- 2,55 Meter überschreiten, teure Übergrößen für Contai- weg zu entfernen. Nach 5 Stunden Diskussion und Eska- ner organisiert werden müssten. Deshalb bleibt uns nur paden mit Polizei, Abschleppdienst und Verhandlungen noch die Überführung per Fähre von Alicante nach Oran. er Plan klingt gut, fast perfekt und gerade zu sim- gezeichnet, skizziert und radiert: letztlich wurde ein Ent- mit verschiedenen Werkstätten, ließ auch noch der TÜV Mittlerweile sind endlich die Reparaturen abgeschlossen D pel. Zudem ist die Aussicht, mit einem Mercedes wurf einstimmig angenommen und grafisch umgesetzt. am darauffolgenden Tag unseren Bus nicht zu: Anschei- und der Bus erhielt tatsächlich seinen TÜV und wartet Sprinter von Berlin über Frankreich und Spanien in die An den folgenden Wochenenden wurde wieder gemalert nend waren noch immer große Teile der Karosserie ver- mit den Spenden auf seine Fahrt in die Flüchtlingslager. Lager zu fahren, ohnehin verheißungsvoller, als trocke- und gepinselt bis der Bus vollständig in den leuchtenden rostet, Lichter funktionierten nicht ordnungsgemäß, die Im Februar 2013 wartet schon die nächste Karawane auf ne Projektanträge zu schreiben. Es wurden schnell Pläne Farben der Flagge der DARS leuchtete. Die hinteren Sei- Tachowelle klapperte und andere Teile saßen noch immer uns und es gibt auch Freiwillige, die sich für die Unter- geschmiedet, was alles getan und organisiert, welche Ar- tentüren zieren nun zwei rote Sterne, auf dem Kotflügel nicht am rechten Platz. Der Bus stellte also noch kein si- nehmung bereit erklärten. beitskreise gebildet und welche Aufgaben übernommen tobt eine Meute protestierender sahrauischer Demons- cheres Wüstenfahrzeug, sondern eher eine Gefahr für uns, werden mussten. Zuerst ein Finanzpolster schaffen. Das trant_innen gegen das marokkanische Regime und auf den Verkehr und die späteren Nutzer_innen dar. Und all Vielleicht wäre es aber doch besser und unkom- bedeutete, Stiftungen anzuschreiben, diesen unser Kon- den Seitentüren ist der revolutionäre Schriftzug »Sahara dies, obwohl wir im Sommer schon so unendlich viel Zeit plizierter gewesen, den Bus kurzerhand mit Segeln und zept plausibel und schlüssig darlegen und schließlich für libre!« zu lesen. mit der Reparatur verbracht hatten. Mit jeder neuen Nach- schwimmbarem Untersatz auszustatten, den Piratenhut unsere Idee gewinnen. Gesagt, getan. Währenddessen wurden unentwegt Mails geschrieben richt schrumpften unsere finanziellen Reserven, die wir aufzusetzen, mit der geballten nautischen Kompetenz und hin- und her überlegt, was im Jugendzentrum an mit Soli-Parties und Crêpes-Verkauf in den letzten Jahren der Projektgruppe an den bürokratischen Strudeln und Die nächsten Schritte waren eher praktischer Natur: Material und Spenden derzeit benötigt wird und welche angespart hatten. Stürmen vorbei über den Ozean zu segeln, und das Wüs- die Fahrtüchtigkeit des 20 Jahre alten Busses sollte wieder Materialien für zukünftige Projekte benötigt werden. tenmobil schließlich selbst in der alten Korsarenhoch- hergestellt werden. Dazu wurden verrostete Teile entfernt, Welche Dinge können wir aufgrund der Auflagen des Trotz allem überlegten wir uns einen neuen Plan. Mit burg Oran anzulanden. der Unterboden verdichtet, Teile ersetzt, neue Platten ge- Zolls und auch aufgrund der Größe der Ladefläche über- einem Überführungskennzeichen brachten wir den Bus [Text: Anne] schnitten, verschweißt, gelötet und vernietet – kurzum: haupt transportieren? Und wie bekommen wir alles bis nach Barnim und nutzten unsere Kontakte in die Mecha- Es bildetet sich eine AG von »Automechaniker_innen«, zum Ende des Jahres zusammen? Auf unserem Open-Air nikerszene aus dem Umland. Dort erwarteten uns viele die an den Wochenenden fleißig am Bus auf dem Gelände Soli-Festival WüsteSause Vol. II im Garten des Café Kö- gute Umbauratschläge von Afrikakennern. Kurz: Geredet des Café Köpenick herumschraubten. Im zweiten Schritt penick stellten wir bereits den Bus aus und sammelten wurde viel, repariert jedoch nur sehr langsam. Es zeich- ging es um die Gestaltung. Während unseres zweitägigen erfolgreich Spenden. Ebenso auf der Soli-Party Wüste nete sich jedoch bald ein Licht im Reparationstunnel ab, Projektgruppe Westsahara-Planungswochenendes wurde Sause Vol. III im Supamolly. Es haben sich zahlreiche so dass alle Möglichkeiten der Überführung des Busses

Dezember 2010 & Februar 2011 | Protestaktion gegen das Fischereiabkommen der EU mit Marokko September 2011 | European Youth Caravan for Western Sahara Ausgerüstet mit Pappfischen, Transparenten, Info-Flyern und einem Fischernetz protestiert die „Aktionsgruppe Westasahara“ gegen die Mit 2 Autos und reichlich Gepäck startete sie in Berlin und führte über Prag, Wien, Genua nach Marseille, Barcelona zurück nach Strasbourg völkerrechtswidrige Ausbeutung der sahrauischen Fischbestände durch europäische Fangflotten. Da die EU eine Verlängerung des bestehenden zum EU- Parlament: eine Karawane mit jungen Leuten aus Deutschland, Frankreich und Spanien, die im Rahmen von Veranstaltungen und Fischereiabkommens plante, wurde u.a. 2011 spontan das Büro der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments blockiert. öffentlichen Aktionen auf den Westsaharakonflikt aufmerksam machten. Im Mittelpunkt stand, sich mit anderen jungen Leuten, die sich für Lautstark wurde der Forderung Nachdruck verliehen: Schluss mit gestohlenem Fisch – Selbstbestimmung für die Westsahara! den Westsaharakonflikt engagieren, auszutauschen und für zukünftige Vorhaben zu vernetzen. » 52 53 52 53 A k t i o n

Minurso-Monkeys: blind, deaf and tacit in Madrid, Berlin and Rome. Hey UN! Monitor Human Rights in Western Sahara

n a Saturday at Brandenburg Gate, among the break- SO. MINURSO is the only UN peacekeeping mission in the O dancers moving to Michael Jackson’s Man in the world with no human rights monitoring. Mirror, tourists on 8-seated bicycles, and tourists taking photos next to fake soldiers, we waited under a bright Western Saharan Refugees also demonstrated that blue Berlin sky. The clock hit 2pm; we put on our monkey day. Their demonstration, followed by a conference at costumes and blue UN hats. But this, unlike the other tou- Simon Bolivar School in the Wilaya of Smara, invited the rist spectacles, was not meant to entertain. These weren’t Sahrawi political leadership parliamentarians, members just any monkeys, but three UN peacekeeping Monkeys in of UESARIO (The Sahrawi Student Union), as well as the the »Hear No, See No, Speak No« stance. These monkeys Simon Bolivar School’s staff, students and teachers. This represented the UN, who year after year decide to remain branch of the international demonstration was quite dif- blind, deaf, and mute to human rights violations in Wes- ferent than demonstrations throughout Europe and Aus- tern Sahara. These monkeys and many more protesters tralia. Everyone there, unlike tourists in Berlin or Paris, could be seen in streets, outside of consulates, embassi- knew very well what MINURSO stands for, as they are di- es, and in public plazas, in over 14 locations worldwide, at rectly affected by it. Although a spectacle of UN monkeys 2pm on April 14, 2012. seemed an unfitting attention grabber there, it was our synchronization, the banners written in over a dozen lan- In El Aaiun, Berlin, Brussels, The Hague, Helsin- guages, that made this action an important step forward 1 www.minurso.tumblr.com ki, London, Madrid, Melbourne, Oslo, Paris, Rome, in the international solidarity movement for self determi- Stockholm, and Vienna, activists came together with a nation in Western Sahara. 2 The clear message: »The people of Western Sahara cannot wait Mission for the Referendum another year for standard human rights components to be The initial conception, entire preparation, and de- in Western Sahara (MINURSO) added to the MINURSO.«1. MINURSO is the French acro- monstration took place in less than three weeks. From the was established by Security nym for »Mission des Nations Unies pour l’organisation idea, painting banners, designing and printing flyers, to Council resolution 690 of d’un référendum au Sahara occidental«, commonly blogging and standing in front of French, Spanish, Bri- April 29, 1991 in accordance known in English as »The United Nations Mission for the tish, and American embassies, an enormous amount of with settlement proposals Referendum in Western Sahara«.2 drive and energy was put forth to make 2012 unlike the accepted on August 30, 1988 We were pressing then, as we will do again next year, for years prior. We joined our efforts, demonstrated, and by and the Frente a permanent, impartial, international human rights mo- drafted letters to permanent members of the UN Security Popular para la Liberación de nitoring and reporting mechanism in Western Sahara and Council. In 2013, with the momentum kept up since last Saguia el-Hamra y de Río de Sahrawi refugee camps in to be added to MINUR- April, we only expect more. Oro (Frente POLISARIO). [Text: Sharry]

November 2011 | Don’t Occupy... Western Sahara! Mai 2011/2012 | Wüste Sause No.1 & 2 Mit Pappgewehren bewaffnet versperrten vermeintliche marokkanische Soldaten denT eilnehmer_innen der Occupy-Demonstration den Weg zum Mit Pauken und Trompeten: unsere SoliFeten für die Westahara glänzten mit zahlreichen Bands, leckeren Cocktails wie Sahara Libre und Desert Brandenburger Tor. Sie hielten dabei ein abgesperrtes Gebiet, die Westsahara, besetzt und machten keinen Hehl daraus, dass sie von Frankreich, Sunrise, kulinarischen Experimenten, Kistenklettern, Info-Ständen und fröhlichen Gästen. Getanzt wurde bis in die lauen Abendstunden – Spanien und der EU gesponsort wurden. Ein Transparent & Flyer mit der Aufforderung »Don’t occupy... Western Sahara« sorgten schließlich für die diskutiert am Lagerfeuer bis zum Morgengrauen. Der Gewinn ging an das Jugendzentrum in Ausserd und wurde ergänzt durch zusätzliche, von nötige Aufklärung: die Aktion stand nicht im Widerspruch zur Occupy-Bewegung, sondern machte auf den andauernden Westsaharakonflikt und die den Besucher_innen mitgebrachte Sachspenden. » mit ihm verbundenen wirtschaftlichen Interessen und die Verletzung von Völker- und Menschenrechten durch Marokko aufmerksam. 54 55 54 55 m e i n u n g

Solidaritätsaktion für die Sahrauis vor der Marokkanischen Botschaft in Berlin mit der Botschaft: Sans papiers – sans droits! Von Pässen und Visa Und der (Un-) Möglichkeit legal reisen zu können

ie gelange ich an einen Personalausweis? Ich gehe vorzugte Behandlung u.a. für Kranke und diplomatische dauern, bis der richtige Antrag auf dem richtigen Schreib- gerischen Passbesitzer_innen. Diese neue Reglung wider- 1 Das Schengener Abkommen mit meiner Geburtsurkunde ins nächstgelege- Vertreter_innen gewahrt werden kann. tisch der richtigen Sachbearbeiter_innen liegt. spricht jedoch eindeutig den Inhalten der Präambel zu den W beinhaltet die Abschaffung der ne Bürgeramt, nehme ein biometrisches Passfoto mit, Die Antragstellung ist in Tindouf, der nächstgelege- Nun haben diese schon unsere Unterschriften, Einla- Menschenrechten der UNO, in der festgehalten wird, dass stationären Grenzkontrollen unterschreibe, bezahle 25 € und hole mir den fertigen nen Stadt zu den Flüchtlingslagern möglich. Der Weg dungen und Zustimmungen auf Übernahme aller mög- »es wesentlich ist, die Entwicklung freundschaftlicher Be- an den Binnengrenzen der so Personalausweis zwei Wochen später ab. Mit diesem Do- durch die Wüste ist ca. 50 km lang und dauert mehrere lichen Kosten bekommen. Darunter auch die Zusage, ziehungen zwischen den Nationen zu fördern« und weiter: genannten Schengenstaa- kument darf ich innerhalb der EU reisen, ohne ihn, dank Stunden mit dem Bus oder dem LKW. Für den Besuch der die Abschiebekosten bei einer potentiellen Flucht zu »verkündet die Generalversammlung die vorliegende All- ten. Zum Schengengebiet des Schengener Abkommens1, jemals vorzeigen zu müs- algerischen Stadt bedürfen die Sahrauis jedoch einer Ge- übernehmen; ein »übliches Verfahren« bei der Beantra- gemeine Erklärung der Menschenrechte als das von allen gehört grundsätzlich nur das sen. Will ich die EU verlassen, benötige ich einen Reise- nehmigung, um längere Aufenthalte und Schwarzarbeit gung von Visa. Zusätzlich ist ein persönliches Gespräch Völkern und Nationen zu erreichende gemeinsame Ideal, europäische Territorium der pass, den ich aber ohne Umschweife auf demselben Weg zu vermeiden. Um letzten Endes einen Pass in den Hän- vorgesehen, um die konkreten Absichten der Reise und damit jeder einzelne und alle Organe der Gesellschaft sich Mitgliedstaaten. Für bestimm- erlange, wie meinen Personalausweis. Alles kein Problem. den halten zu können, muss die Reise zwei Mal bewältigt ein Persönlichkeitsbild der Ausreisewilligen festzustellen. diese Erklärung stets gegenwärtig halten und sich bemü- te Gebiete in Nordafrika (z.B. Brauche ich ein Visum, um in ein außereuropäisches Land werden: einmal, um ein aktuelles Foto zu machen und den Jede/r von den sahrauischen Jugendbegegnungsteilneh- hen, durch Unterricht und Erziehung die Achtung dieser Marokko) und im Atlantik gibt reisen zu können, werden mir keine Steine in den Weg ge- Pass zu beantragen und ein zweites Mal, um den Pass abzu- mer_innen musste somit die lange Reise nach Algier an- Rechte und Freiheiten zu fördern und durch fortschreiten- es Sonderregelungen. Ziel legt. Warum auch? Es besteht keine Gefahr, dass ich aus holen2. Mit der Ausstellung der Visa ergeben sich weitere treten, um ein »individuelles Einzelgespräch« zu führen de Maßnahmen im nationalen und internationalen Berei- dieses Abkommens ist es unter der gutbürgerlichen deutschen Wohlstandsgesellschaft bürokratische Hindernisse. Hierfür ist die deutsche Bot- und zu wiederholen, was die Projektgruppe schon in meh- che ihre allgemeine und tatsächliche Anerkennung und anderem, die Migrationsströme ausbrechen könnte. schaft in Algerien, in Algier zuständig. Das liegt ca. 2000 reren Briefwechseln und Telefonaten deutlich gemacht Verwirklichung bei der Bevölkerung sowohl der Mitglieds- in die EU schon außerhalb ihrer km von den Flüchtlingslagern entfernt und man braucht hatte. Ein paar Wochen später durfte dann eine Person staaten wie der ihrer Oberhoheit unterstehenden Gebiete Grenzen abzuwehren, indem Wie ergeht es aber den sahrauischen Geflüchteten? keine übermäßigen Rechenkünste, um sich vorzustellen, noch einmal nach Algier reisen, um die Visa abzuholen. zu gewährleisten«. So ähnlich formuliert dies auch das „Pufferstaaten“ wieM arokko Dass sahrauischen Pässe international nicht anerkannt wie schwierig und teuer es für die Sahrauis sein muss, Bundesfamilienministerium auf seiner Internetpräsenz: als „sichere Drittstaaten“ die- werden und es nur mit einem gültigen Pass möglich ist, diese Distanz zu überwinden. Für die Teilnehmer_innen So geht das also, wenn manche Menschen verreisen »Das Bundesministerium fördert die Strukturen der nati- nen und die Migrationswellen ein Visum zu beantragen, stellte unsere Projektgruppe bei unserer Begegnung lagen Anträge auf die Visa zunächst wollen. Die Farce an der ganzen Geschichte ist nun, dass onalen und internationalen Jugendarbeit. [ …] Durch die auffangen. der Organisation einer Jugendbegegnung im Mai 2010 vor bei der UJSARIO, dann bei der POLISARIO, die dafür zu- die Visabestimmungen für zukünftige Ausreisen nach internationalen Begegnungen junger Menschen und Fach- unerwartete Herausforderungen. Um frei Reisen zu dür- ständig sind, die folgenden Schritte mit der Botschaft in Deutschland seitens des Auswärtigen Amtes für junge kräfte der Kinder- und Jugendhilfe in der ganzen Welt wer- 2 In unserem Falle wurde fen, müssen die Sahrauis aus den Flüchtlingslagern mau- Algerien aufzunehmen. Es muss schließlich begründet Sahrauis weiter verschärft wurden. Man begründet dies den Eindrücke gesammelt und Erfahrungen ausgetauscht, allerdings von der UJSARIO retanische oder algerische Pässe beantragen, deren An- werden, warum und wofür die Visa benötigt werden. Und mit dem (wohlgemerkt missglückten) »Untertauchen« die langfristig wirken.« Da bleibt uns trotz allem noch ein eine Gruppe junger Sahrauis zahl jedoch begrenzt ist. Daher wird das vorgeschriebene wie allseits bekannt, mahlen die Mühlen der Bürokratie zweier Gruppenmitglieder, auf der Reise zu unserer Begeg- Funke Hoffnung, dass die zuständigen Behörden sich der zusammengestellt, die bereits Kontingent von der POLISARIO verwaltet, damit eine be- etwas langsamer. Da kann es schon mal mehrere Wochen nung und den »vielen« in Europa gebliebenen jungen al- Grundsätze erinnern, die ihrer Arbeit unterliegen. [Fränze] alle einen Pass besaßen.

April 2012 | MINURSO 2012 - Stop Morocco’s Human Rights Violations in Western Sahara! Mai 2012 | BUKO 34 – Internationalistischer Kongress in Erfurt An dem internationalen Aktionstag fanden in über 10 Ländern Demonstrationen und Kundgebungen statt. Auf unterschiedlichste Weise Mit 2 Vertreter_innen der UESARIO, der unabhängigen sahrauischen Studentenorganisation, machten wir uns auf den Weg nach Erfurt und wurden die marokkanischen Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten angeprangert und die Beobachtung der Menschenrechte diskutierten in einem Workshop zu dem Thema: Westsahara - Der Kampf um Unabhängigkeit und die Gefahr eines neuen Krieges. In den durch die UN-Mission MINURSO gefordert. Als einheitliche Symbole gingen in allen Städten die drei Affen auf die Straße, die nichts hören, nichts anschliessenden Gesprächen wurde die Notwendigkeit erkannt, eine unabhängige internationale Menschenrechtsbeobachtung in den sehen und nichts sagen wollen. sahrauischen Flüchtlingslagern und den von Marokko besetzten Gebieten aufzubauen. » 56 57 56 57 m e i n u n g

Karawie, Karawer, Karawa(h)ne Als ich von der Idee der Projektgruppe Westsahara hörte, eine Tour durch Europa zu machen, um Menschen zu treffen die sich mit dem Westsaharakonflikt beschäftigten, hatte ich gerade Zeit und entschied mich kurzerhand Kontakt aufzunehmen. Zu meinem Bedauern erhielt ich »Die Karawane fuhr durch lange Zeit keine Antwort.

neun Städte und vernetzte Als ich meine Reiseplanungen gerade umschmeißen wollte, kam dann unerwartet, aber desto enthu- siastischer, eine Email, dass es möglich wäre teilzunehmen. „Nun geht’s los“ dachte ich und fragte, den verschiedenste Westsahara- übergeschwappten Enthusiasmus im Zaum haltend, nach dem weiteren Vorgehen. Gefühlte sechs Wochen Projekte in Europa. später hatten wir endlich einen gemeinsamen Termin gefunden, um uns « zu treffen und die Fahrt zu planen. Zu meinem Erstaunen war offensicht- lich noch nicht klar, wer eigentlich mitfahren würde, wie wir die 5000! km innerhalb von 14 Tagen zurücklegen sollten und was wir überhaupt in den 9 europäischen Städten, in welchen wir die verschiedene Gruppen und Personen treffen wollten, vorhatten. Da es in zwei Wochen schon losgehen sollte, hatte ich Mühe nicht einem spontanen Hektiktrauma zu verfallen. Aber abgesehen von einer sehr engagierten Dame schien für alle eine Debatte über den Kauf von ominösen Bio-Bratwürsten wesent- lich brisanter.

Im Nachhinein bin ich überrascht, dass die Karawane erstaunlich reibungslos stattfand. Von den unzähligen Erlebnissen, durchgeführten Aktionen und Menschen, die wir auf unserem Trip durch 7 Länder ken- nen gelernt haben, kann ich hier nicht erzählen. Das bräuchte ein eige- nes Heft. Zu sagen bleibt mir nur, dass ich mich freue, wie viel Energie durch das Zusammentreffen von Menschen entsteht (mittlerweile habe ich auch alle Projektgruppen Mitglieder kennengelernt und viel Zeit mit ihnen verbracht). Daher rate ich Euch: Vernetzt Euch, es ist nicht nur produktiv, es macht vor allen Dingen unglaublich viel Spaß! [Text: Klaus]

Sommer 2012 | Bus-Action September 2012 | Filmvorführung & Vokü Um die zahlreichen Sachspenden von Unterstützer_innen in das Jugendzentrum nach Ausserd trasnportieren zu können und die UESARIO Im Berliner Projektraum Friedel54 zeigten wir den Film »L’autre côté du mur -les indignés du Sahara Occidental« von D. Vericel. Im Anschluss mit einem eigenen Fahrzeug zu unterstützen, haben wir mit Schweiss und Spucke einen alten Mercedesbus zum Wüstenmobil umgebaut. daran diskutierten wir mit den Besucher_innen über die aktuelle politische Brisanz des Westsaharakonflikts im Kontext des Arabischen Geschmückt mit einer bunten Außenbemalung und vollgestopft bis unters Dach mit Materialspenden wird der Bus im Feb. 2013 im Zuge einer Frühlings und der regionalen Destabilisierung in der Sahelzone. Dazu gab es leckeren sahrauischen Tee, Vokü und süße Leckerbissen. Eine Unterstützungskarawane seinen Weg über Frankreich, Spanien und Algerien nach Ausserd finden. Veranstaltung ähnlichen Zuschnitts soll am 22.01.13 in der B-Lage in Neukölln durchgeführt werden. « 58 59 58 59 B litzlichter

»Warum ich mich für die Westsahara einsetze? Weil es dabei um Un- recht im großen Stil geht. Marokko soll nicht als Besatzungsmacht aus der Position des Stärkeren das internationale Recht beugen können. Das politische Signal sollte auch nicht sein, wer auf Verhandlung und fried- liche Lösungen setzt, ist verloren. Die Sahrauis brauchen eine internati- onale zivilgesellschaftliche Solidarität für ihren Widerstand gegen die Besatzung und für ihren Kampf um das Referendum!«

60 61 au s b l i c k e Marokko und der arabische Frühling Repression und Polizeiwillkür in Marokko

chaut auf das Volk von Tunesien, schaut auf das Westliche Offizielle bezeichnen Marokko gerne als »SVolk von Ägypten! Die, die sagen, Marokko sei Vorbild im Umgang mit den Protesten und loben das Land anders, sind Lügner!« reimt der marokkanische Rap- für seine vermeintlich kontinuierliche Demokratisierung. per »El-Haqed« in einem seiner Songs. Doch Marokko Doch der Fall »El-Haqed« ist nur ein Beispiel für bestän- ist mehr als nur ein weiterer Staat in Nordafrika, der mit dige Repressionen durch den marokkanischen Staat. Die den Forderungen nach einem grundlegenden politischen marokkanische Menschenrechtsorganisation AMDH (As- Wandel von der eigenen Bevölkerung unter Druck gesetzt sociation Marocaine des Droits Humains) schätzt, dass wurde. Dem US-amerikanischen Intellektuellen Noam zurzeit ungefähr 200 Gefangene aus politischen Gründen Gdeim Izik 2011, Chomsky zufolge waren es marokkanische Polizisten, die in Haft sind. Immer wieder treten einige in Hungerstreik das »Camp der Würde« die ersten Proteste dessen niederschlugen, was später den um gegen ihre Haftbedingungen zu protestieren. Unter Anwohner_innen bedroht, wurde in Wohnungen einge- ter_innen, sahrauische Aktivist_innen und Islamist_in- Namen »Arabischer Frühling« erhielt. Denn nach seiner ihnen Blogger_innen, Dichter_innen und Musiker_innen, drungen und Eigentum zerstört. nen gehören zu jenen Gruppen, die von jeher als Gefahr Einschätzung begann die Phase der Umbrüche mit der die offensichtlich für besonders regimegefährdend ge- All dies mit dem Ziel, die Menschen von weiteren Protes- für die Stabilität des Regimes angesehen werden. Die Auflösung des Camps von Gdeim Izik in der besetzten halten werden – genau wie eben Mouad Belghouat. Dabei ten gegen die Misswirtschaft der öffentlichen Hand abzu- beiden Letzteren vor allem deswegen, weil sie zwei Grund- Westsahara durch marokkanische Sicherheitskräfte im gibt sich das marokkanische Regime größte Mühe, sein schrecken. Menschenrechtsorganisationen berichteten, pfeiler der Identität des marokkanischen Regimes infrage November 2010. positives Bild im Westen aufrecht zu erhalten. Aus diesem dass eine Schätzung der Opferzahlen dadurch erschwert stellen: auf der einen Seite die Beanspruchung der Westsa- Doch ins Innere Marokkos selbst Grunde unterscheiden sich die Re- wurde, dass die Polizei in den Krankenhäusern jene ab- hara und somit die Aufrechterhaltung der vermeintlichen schwappte die Welle der Revolten aktionen auf Proteste, je nachdem fing, die nach den Protesten medizinische Hilfe suchten. »territorialen Einheit«, auf der anderen Seite den Islam als erst drei Monate später. Während wo sie stattfinden. In Städten wie Ein weiteres Beispiel für die Skrupellosigkeit des Regimes Quelle des königlichen Herrschaftsanspruchs. der Umbrüche in Tunesien und Casablanca oder Rabat treten die ist der Fall des Studenten Ezzedine Eroussi. Das Mitglied Ägypten hatte sich unter dem Na- Proteste für ausländische Beob- der linken Studierendenverbindung UNEM (Union Natio- Seit Juli 2011 ist eine neue Verfassung in Kraft, wel- men »Bewegung des 20. Februar« achter_innen am sichtbarsten auf nale des Etudiants du Maroc) wurde verhaftet, nachdem che formal Gewaltenteilung, Demokratie und Rechtsstaat- (»Mouvement du 20 février«) auch die Bühne der Öffentlichkeit, wes- er sich an Protesten gegen die schlechten Bedingungen an lichkeit bekräftigt. Nichtsdestotrotz finden willkürliche hier eine Protestbewegung formiert, wegen das Regime sich hier mit seiner Universität beteiligt hatte. Einem Brief zufolge, den Verhaftungen, Folter und Entführungen durch staatliche die – wenn auch diffus – rasch zu ei- Übergriffen zurückhält, auch um er aus dem Gefängnis schrieb, wurde er dort wiederholt Kräfte weiterhin regelmäßig statt. Diese Grausamkeiten ner der stärksten außerparlamenta- weitere Mobilisierung durch Po- misshandelt und gefoltert. Als er das Gefängnis verlassen des Staates gegen seine Bürger_innen sind auch ein Erbe rischen Kräfte innerhalb Marokkos lizeigewalt zu verhindern. In den durfte, hatte er 134 Tage im Hungerstreik verbracht, um des vorherigen Königs Hassan II, da diese Praktiken wegen wurde. Ihre zentralen Anliegen: die ländlicheren Regionen jedoch zeigt gegen seine Haft und deren Bedingungen zu protestieren. personeller Kontinuitäten in den Staatsapparaten dessen Transformation hin zu einer konsti- das Regime keine Gnade gegenüber Während der gesamten Zeit wurde Menschenrechtsorga- Herrschaft überdauern. Doch ist diese staatliche Gewalt tutionellen Monarchie und das Ende jeder Art von Protest, selbst wenn nisationen und ärztlichen Beobachter_innen der Zugang nicht nur ein bloßes Überbleibsel aus alten, düsteren Zei- des Missbrauchs der Macht durch die Menschen keinen drastischen zu ihm verwehrt. ten. Einer langjährigen Beobachterin des marokkanischen die politischen Eliten. Wandel der Politik fordern, son- Regimes zufolge sind die Menschenrechtsverletzungen dern lediglich etwas Beteiligung Fälle wie diese sind keine Ausnahme, sondern nur Bei- in Marokko integraler Bestandteil der staatlichen Strate- »El-Haqed« gilt als einer der am ökonomischen Aufschwung spiele dafür, wie rücksichtslos das marokkanische Regime gie, den Status quo aufrecht zu erhalten. Denn hinter der kritischsten und vor allem lau- Rap against despotism: der marokkanische des Landes. auch gegen die eigene Bevölkerung vorgeht. Zuletzt starb Repression von Forderungen nach Wandel stecken hand- testen Stimmen des »20.Februar«. Rapper El-Haqed Denn während die Regierung ei- ein studentischer Aktivist der UNEM, nachdem die Polizei feste ökonomische Interessen. Die den König umgebende Doch der Rapper, der mit bürgerli- ne Hochgeschwindigkeitszugstre- seinen Campus in Fes gestürmt hatte. Andere Mitglieder Elite (der so genannte makhzen) kontrolliert die marokka- chem Namen Mouad Belghouat heißt, ist seit April 2012 in cke zwischen den ökonomischen Zentren Tanger und der UNEM sitzen seit Monaten in Präventionshaft, und nische Wirtschaft mittels eines dichten Netzes persönli- Haft. Sein Schicksal macht deutlich, wie das Regime mit Casablanca plant, ist die Infrastruktur in den ländlichen sind teilweise wie damals Eroussi in Hungerstreik getre- cher Loyalitäten. Dieses erstreckt sich über alle Bereiche mutigen Kritiker_innen umgeht. Der offizielle Grund für Gebieten in teilweise katastrophalem Zustand. Eine Tatsa- ten. Die meist fadenscheinigen Begründungen für ihre staatlicher Macht. Da dies die Exekutive ebenso wie die Belghouats Haft: ein YouTube-Video. Es zeigt Bilder, die che, derer wegen immer wieder Menschen auf die Straße Haft lassen keinen Zweifel daran, dass sie politische Ge- Legislative einschließt, bleiben politische Prozesse, wie die marokkanische Polizei, die Regierung und den König gehen, sei es in Marokko oder in der Westsahara. fangene sind, deren Existenz der marokkanische Minister diejenigen von »El-Haqed« und Ezzedine Eroussi, sowie verunglimpfen. Hinterlegt sind sie mit dem Song »Kilab für Justiz und Freiheit, Mustapha Ramid, vehement ver- Repressionen und polizeilicher Terror an der Tagesord- ad-Dawla« (»Hunde des Staates«), in welchem er Polizei- So wurde seit Dezember 2011 die Region des Rif-Gebir- neint. nung. Nichtsdestotrotz gibt es Grund für Optimismus. gewalt und Korruption anprangert. Obwohl seine An- ges monatelang von schweren Protesten erschüttert. Die Kein einziger Fall politischer Haft käme ihm in den Auch wenn die Bewegung des 20. Februar den Schwung wälte abstreiten, dass Belghouat der Urheber des Videos Antwort des Regimes kann exemplarisch dafür angese- Sinn, bekundete er im August 2012 angesichts eines Be- seines Anfangs angesichts kontinuierlicher Repression ist, wird dieser von einem Gericht in seiner Heimatstadt hen werden, wie dieses abseits des Fokus der internati- richtes der AMDH. In diesem werden allein im Fall der und Überwachung längst verloren hat, hinterlässt sie Casablanca wegen Beleidigung öffentlich Angestellter onalen Öffentlichkeit mit Protesten umgeht. Nachdem Bewegung des 20. Februar mindestens 40 eindeutige Fälle doch Spuren. Gerade angesichts der – vielleicht nur vor- und dem »unterminieren ihrer Ehre« verurteilt. Seine An- Bürger_innen auf die Straße gegangen waren, um gegen politischer Haft aufgelistet, zusätzlich zu 645 dokumen- läufigen – Erfolge der Proteste in Tunesien und Ägypten wälte, politische Aktivist_innen und Beobachter_innen die erhöhten Lebenshaltungskosten und den schlechten tierten Fällen anderer Repressionen gegen Mitglieder_in- ermutigt sie die Menschen in Marokko sich politisch zu bewerten den Prozess als Inszenierung um den Rapper zu Zustand der Infrastruktur zu protestieren, entsandte das nen der Bewegung. Doch nicht nur Student_innen und betätigen. Der größte Erfolg der Bewegung ist es, den Men- bestrafen und um andere davon abzuschrecken sich po- Regime ein massives Aufgebot an Bereitschaftspolizei, Mitglieder_innen des 20. Februar sind aus politischen schen die Angst zu nehmen, ihre Anliegen zu artikulieren, litisch zu engagieren und die herrschenden Zustände in um die Proteste niederzuschlagen. In einer Art kollektiver Gründen unter menschenunwürdigen Bedingungen in- auf die Straße zu tragen und die Autoritäten mit diesen zu Marokko zu kritisieren. Bestrafung wurden dort, wo es Proteste gegeben hatte, haftiert. Menschenrechtsaktivist_innen, Gewerkschaf- konfrontieren. [Text: Johann]

62 63 au s b l i c k e Bildet Banden… Solidarität mit der Westsahara in Deutschland

ASW e.V. Saharamarathon Die Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt e.V. ist eine unabhängige entwicklungspolitische Organisati- Die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) organisiert in und zwischen den sahrauischen on, die seit 1957 Basisprojekte im Süden fördert. In diesem Sinne unterstützt sie auch zusammen mit der Flüchtlingslagern jedes Jahr im Februar eine internationale Laufveranstaltung über die Strecken 5 km, 10 Projektgruppe Westsahara und dem Schweizerischen Unterstützungskomitee SUKS den Aufbau einer ei- km, Halbmarathon und Marathon. Die Unterkunft erfolgt dabei in Lehmhäusern oder Hauszelten der Sahr- genständigen Jugendarbeit in den sahrauischen Flüchtlingslagern und das Programm „Ferien im Frieden“ auis, in denen immer 4 - 5 Läufer_innen gemeinsam untergebracht werden. Es gibt ein umfangreiches Rah- von Salma e.V. menprogramm und die Gelegenheit den Alltag in den Flüchtlingslagern zu entdecken. Je Anmeldung gehen www.aswnet.de 50 € direkt an ausgewählte humanitäre Projekte, die zusätzlich von der UNO-Flüchtlingshilfe unterstützt werden. www.saharamarathon.org www.lauftreffreisen.de Freiheit für die Westsahara Seit November 2012 gibt es in Deutschland einen Verein, der sich nachdrücklich in der politischen Öf- fentlichkeit für eine Lösung des Westsaharakonflikts im Sinne des Selbstbestimmungsrechts des sahrau- ischen Volkes einsetzt. Dem Kuratorium des Vereins gehören Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft Salma e.V. und Nichtregierungsorganisationen an, dabei je ein Mitglied des Bundestags der Parteien CDU, SPD, Bünd- Konkrete humanitäre Hilfe leistet der Verein durch die Organisation von Ferienreisen für sahrauische nis ‘90 / Die Grünen und Die Linke. Schirmherr des Kuratoriums ist der Präsident der bremischen Bürger- Flüchtlingskinder. Dabei kommt jedes Jahr eine Gruppe von ca. 20 Kindern für zwei Monate nach Deutsch- schaft, Christian Weber. land und entflieht damit der extremen Sommerhitze der Sahara. Neben vielen Freizeitaktivitäten wird hier- www.freie-westsahara.org bei auch für die medizinische Behandlung der Kinder gesorgt. Dazu wird die Hilfe von Ärzt_innen durch Untersuchungen und Behandlungen der Kinder gegen Spendenquittung benötigt. Der Verein sucht außer- dem Spenden in Form von gut erhaltener, sauberer Kinderbekleidung sowie Unterstützung bei der Ferien- betreuung. Ifak e.V. www.salma-online.de Das Institut für angewandte Kulturforschung e.V. in Göttingen ist eine unabhängige Organisation, die seit 1988 in den Bereichen Entwicklung, Migration und Interkulturalität tätig ist. Das Thema Westsahara wird regelmäßig in der vom Ifak herausgegebenen Initiativ-Zeitschrift „Kritische Ökologie“ aufgegriffen. www.ifak-goettingen.de Western Sahara Resource Watch Jede Geschäftsbeziehung mit marokkanischen Firmen oder Verwaltungen in den besetzen Gebieten verleiht der Besetzung der Westsahara ein Stück politische Legitimität und stabilisiert Marokko als Besatzungs- macht. Das internationale Netzwerk WSRW setzt sich dafür ein, die natürlichen Ressourcen der Westsahara Khaima für das sahrauische Volk zu bewahren. Es entwickelt internationale Kampagnen, bspw. gegen das Fische- Der kürzlich gegründete Berliner Verein unterstützt die Sahrauis durch Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit reiabkommen zwischen der EU und Marokko und fordert alle ausländischen Firmen auf, die Westsahara zu in Deutschland sowie durch die Förderung humanitärer Projekte in den sahrauischen Flüchtlingslagern, verlassen, bis eine Lösung dieses Konfliktes herbeigeführt worden ist. dies insbesondere mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen. www.wsrw.org

Medico international Zentrum für Europäische und Orientalische Kultur e.V. Im Auftrag von ECHO, dem Amt für humanitäre Hilfe der Europäischen Union versorgt Medico Internati- Der Verein aus Leipzig unterhält seit 2008 einen Schwerpunkt „Westsahara“, in dessen Rahmen eine Ko- onal die Flüchtlingslager mit Medikamenten und medizinischen Bedarfsgütern. Hierzu unterhalten sie ein operation mit dem sahrauischen Ministerium für Jugend und Sport entwickelt wurde. So entstanden u.a. ständiges Büro in den Camps. Politischer Druck in Deutschland soll mit Hilfe von Kampagnen und Öffent- medienpädagogische Angebote und Zugänge zum Internet für sahrauische Jugendliche sowie die Organi- lichkeitsarbeit aufgebaut werden. sation von Sprachkursen und Studienaufenthalten für deutschsprachige Studierende in den Camps. Als www.medico.de/projekte/westsahara Hauptpartner vor Ort gründete sich die Arbeitsgruppe „Ojos del Sáhara. Centro ecológico y sociocultural“. Mittlerweile haben über 80 Studierende einen solchen Aufenthalt von mindestens vier Wochen wahrge- nommen. In Folge dessen entstanden wissenschaftliche Belegarbeiten und Veröffentlichungen in Fachzeit- schriften sowie eine Ausstellung über das Leben in den Flüchtlingslagern

64 65 A-Z Glossar Impressum

Ait Arbein = arab. ‚Gruppe von Vierzig‘, im 19. Jhd. Rat Harakat Tahrir Saguia el-Hamra wa Oued ed Dahab = und speziell Marokko zentral bei der Abwehr von Saguía el Hamra = ,das rote Flussbett‘ ehemals spanische der Stämme der Westsahara. Bewegung für die Befreiung der Saguia el Hamra und des Migrationsbewegungen („Flüchtlingsströmen“) aus Sub- Kolonie im Norden der Westsahara. Oued ed Dahab; erste urbane antikoloniale Bewegung. Sahara-Afrika. Impressum: AFAPREDESA = Asociacion de Familiares de Presos Sahrauis = arab. ‚Bewohner der Sahara‘, Bevölkerung y Desaparecidos Saharauis, Verband der Familien Hassānīya = arabischer Dialekt in Westafrika. MINURSO = Mission des Nations Unies pour l’organisation der Westsahara, ethnisch-kulturell eine Untergruppe der sahrauischer Gefangener und Verschwundener. d’un référendum au Sahara occidental (dt. Mission der Beidan oder Mauren. Herausgeber und Redaktion: Hassan II. = war von 1961 bis zu seinem Tod 1999 König Vereinten Nationen zur Durchführung eines Referendums Beidan = arab. ‚Weiße‘, Eigenbezeichnung der von Marokko und initiierte mit dem so genannten Grünen in Westsahara) - die einzige friedenserhaltende Selbstbestimmungsrecht = bezeichnet völkerrechtlich den Projektgruppe Westsahara Bevölkerungsgruppe gemischter arabischer, berberischer Marsch die Besetzung der Westsahara. Mission der UNO ohne Mandat zur Beobachtung der in die Charta der Vereinten Nationen (UN) aufgenommenen und afrikanischer Herkunft in Westafrika, zu der auch die Menschenrechtslage. Grundsatz, dass alle Völker und Nationen ihren politischen, Sahrauis gehören. Internationales Recht = Völkerrecht; überstaatliche wirtschaftlichen und kulturellen Status frei bestimmen c/o Projekt beGEGeNung Rechtsordnung, durch die die Beziehungen zwischen den Mohammed VI. = derzeitiger König von Marokko und Sohn können. des Kreisjugendring Köpenick e.V. Berber = Bezeichnung griechischen Ursprungs Völkerrechtssubjekten (meist Staaten) auf der Grundlage Hassans II. Seelenbinderstr. 54 für vornehmlich in Nordafrika ansässige der Gleichrangigkeit geregelt werden. Sicherheitsrat = der UN-Sicherheitsrat ist das wichtigste 12555 Berlin Bevölkerungsgruppen ungeklärter histor. Herkunft, deren Nationalismus = Ideologie, die Nation und Staat Gremium der Vereinten Nationen (UN). Die weltweite Siedlungsgebiete sich von der Oase Siwa in Ägypten über Junta = (span.: Versammlung). Bezeichnung für untrennbar miteinander verbindet, häufig synonym mit Friedenssicherung ist seine zentrale Aufgabe. Der die Atlantikküste bis zum Nigerbogen erstrecken. (provisorische) Regierungen nach gewaltsamer Chauvinismus verwendet, der die eigene Nation überhöht. Sicherheitsrat entscheidet darüber, ob eine kriegerische Ab 2013 neue Adresse: Machtübernahme (z.B. durch Militärputsch), vor allem in Auseinandersetzung zwischen Mitgliedstaaten Befreite Gebiete = hauptsächlich aus Wüste bestehendes den Ländern der spanisch sprechenden „Dritten Welt“. Nomadismus = spezialisierte und an rechtmäßige Selbstverteidigung oder ein nicht erlaubter Projektgruppe Westsahara sahrauisches Gebiet, welches durch die Regierung der Umweltbedingungen angepasste Form von mobiler Angriffskrieg ist. Wilhelminenhofstraße 42 B DARS verwaltet wird, ist durch eine von Marokko erbaute Kolonialismus = Ausdehnung der Herrschaftsmacht Weidewirtschaft, wobei Weide- und Siedlungsplätze 2800 Kilometer lange, verminte Mauer vom marokkanisch europäischer Länder auf außereuropäische Gebiete mit periodisch oder saisonal verlegt werden. Tarfaya = ist ein am Atlantik gelegene Stadt im Süden 12459 Berlin besetzten Teil der Westsahara getrennt. dem vorrangigen Ziel der wirtschaftlichen Ausbeutung. Marokkos in der Nähe der Grenze zur Westsahara, OAU = Organisation of African Unity, Organisation für ehemals Teil des spanischen Protektorats Südmarokko. Bewegung Blockfreier Staaten = internationale Organisation Kalter Krieg = der Ost-Westkonflikt zwischen den Afrikanische Einheit; Marokko trat aus, als die DARS von Staaten, die keinem Militärblock angehören und sich im USA und der Sowjetunion nach dem 2. Weltkrieg, mit Mitglied wurde Tindouf = Stadt im Südwesten Algeriens. In der Nähe Gestaltung: Projektgruppe Westsahara Ost-West-Konflikt neutral verhielten. Stellvertreterkriegen in Asien, Lateinamerika und Afrika. befinden sich die sahrauischen Flüchtlingslager. Oued ed Dahab = arab. ‚Fluss des Goldes‘, vgl. Río de Oro. Fotos: Vielen Dank an alle Fotographinnen und Fotographen. DARS = Demokratische Arabische Republik Sahara, Madrider Abkommen = am 14. November 1975 in Madrid Transhumanz = Form der Fernweidewirtschaft mit international nicht allgemein anerkannte Republik in unterzeichnetes „dreiseitige Abkommen“ zwischen Pastoral Nomadism = Wanderweidewirtschaft, anders jahreszeitlichem Wechsel der Weidegebiete, seit Westsahara. Die Republik besteht aus den früheren Spanien, Marokko und Mauretanien. Kernpunkte sind: „die als beim klassischen Nomadismus der Steppe, kehren die Jahrhunderten in den Gebirgsregionen rund um das spanischen Besitzungen Río de Oro und Saqia Al Hamra Spanische Anwesenheit im Territorium wird vor dem 28. Menschen in ihre Ansiedlungen zurück, wo geringfügig Mittelmeer üblich. und wurde im Verlaufe des Westsaharakonfliktes 1976 Februar 1976 enden“ und „Spanien wird unverzüglich im Ackerbau betrieben wird. Dezember 2012 Territorium eine vorläufige Verwaltung unter Beteiligung UJSARIO = Unión de Juventud de Saguia el Hamra y Río von der POLISARIO ausgerufen. Auflage: 1000 Stück Marokkos und Mauretaniens (schaffen)“; de facto Phosphat = Rohstoff aus Salzen oder Ester verschiedener de Oro, Jugendorganisation der POLISARIO; wirbt für eine Djema‘a = arab. ‚Versammlung‘, Rat der Ältesten und Übergabe der Westsahra an Marokko und Mauretanien. Phosphorsäuren; 90 % der Phosphaterze werden zur freie Westsahara, vertritt die Interessen der Jugendlichen Angesehensten in den sahrauischen Stämmen, zur Herstellung von Düngemitteln verwendet. und organisiert u.a. Gelegenheiten für Sahrauis auswärts Kolonialzeit Alibiorgan der Pseudoselbstverwaltung. Maghreb = arab. al-Maghrib ‚Westen‘, bezeichnet allg. die zu studieren. Diese Broschüre wurde auf Recyclingpapier gedruckt und CO²-neutral produziert. kulturell und historisch miteinander verbundenen Staaten Rassismus = bezeichnet ein Bündel unterschiedlicher, Eurozentrismus = Beurteilung außereuropäischer Nordafrikas von Tunesien bis Mauretanien, in arabischer historisch gewachsener Ausgrenzungs- und UNO = United Nations Organisation (UNO; dt. Kulturkreise nach europäischen (westlichen) Perspektive Marokko, der westlichste arab. Staat. Diskriminierungsideologien mit einem gemeinsamen Organisation der Vereinten Nationen), als Reaktion auf Soweit nicht anders angeben unterliegen die Nutzungsrechte der Creative Vorstellungen und auf der Grundlage der in Europa Kern. Grundannahme ist, dass Menschen in Rassen die beiden Weltkriege gegründeter zwischenstaatlicher Commonslizenz und sind für nicht kommerzielle Zwecke und mit Urheber-/ entwickelten Werte und Normen. Marokko = Nachbarstaat der Westsahara, seit 1975 unterteilbar wären, die sich durch äußerliche aber auch Zusammenschluss von 192 Staaten mit Sitz in New York. Namensnennung nutzbar. Wir bitten um vorheriges Kontaktieren. Besatzungsmacht. Konstitutionelle Monarchie mit de facto kulturelle Merkmale voneinander unterscheiden. Die Fischereiabkommen = 2006 zwischen der EU und Marokko absoluter Macht des Königs. Name abgeleitet von ehemaliger Unterschiede zwischen den sozialen Gruppen werden Völkerrecht = bezeichnet Gesamtheit der Rechtsnormen, abgeschlossen, ermöglicht es europäischen Fangflotten das Hauptstadt Marrakesch, Offiz. Maghrebinisches Königreich. negativ bewertet und als „natürlich“, vererbbar und die für die internationalen Beziehungen zwischen Wir bedanken uns für die Unterstützung des Landes Berlin, illegale Fischen in den Gewässern der Westsahara. unveränderlich angesehen. juristischen Personen des öffentlichen Rechts, etwa Staaten Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit. Mauren = von griech. mauros ‚dunkel‘, metaphor. und internationalen Organisationen, maßgebend sind. Fremdenlegion = (frz. Légion Étrangère) ist eine ‚dunkelhäutig‘, aus der Antike stammende Referendum = Volksabstimmung über einen Beschluss militärische Einheit aus Freiwilligen aus 136 Nationen, Fremdbezeichnung der später arabisierten berberischen des Parlaments oder eienr anderen Instanz; in diesem Fall Wadi = trockenliegendes Flussbett in Wüstenregionen, die bevorzugt in Kolonialkonflikten eingesetzt wird; Bevölkerung Nordwestafrikas; vgl. Beidan. zum Status der Westsahara. meist zugleich Verkehrsweg. die spanische Fremdenlegion (Legiòn Espanola) wurde 1920 gegründet, um Aufstände in Spanisch Marokko zu Mauretanien = Nachbarstaat im Süden und Osten, hielt Resolution = Beschluss; Resolutionen oder Beschlüsse Westsahara = seit 1975 von Marokko besetztes Gebiet bekämpfen. von 1975 bis 1979 den Südteil der Westsahara besetzt. der Hauptorgane der Vereinten Nationen - wie z.B. an der Atlantikküste Nordwestafrikas. Das Land ist Präsidialrepublik, von regelmäßigen Militärputschen des Menschenrechtsrates, des Sicherheitsrates und im Wesentlichen ein halbwüstenhaftes, von wadis Frente POLISARIO = Frente Popular para la Liberación de gebeutelt. Gilt als Brücke zwischen Nord- und Westafrika, der Generalversammlung - haben unterschiedlichen zerschnittenes Sandsteinplateau mit vorwiegend Saguía el Hamra y Río de Oro; dt. Volksfront zur Befreiung zwischen sesshaften Landwirten des Südens und Nomaden Charakter. Sie enthalten Feststellungen, Empfehlungen Sandwüsten im Süden und Felswüsten im Norden. Die von Saguia el Hamra und Río de Oro; kurz: Polisario. des Nordens. oder Forderungen und haben unterschiedlichen Bevölkerung bekennt sich überwiegend zum sunnitischen Verbindlichkeitsgrad. Islam. Die Landwirtschaft in den Oasen dient der Flüchtlingslager = vier große Flüchtlingslager mit Migration = Prozess der Zu- und Einwanderung Selbstversorgung. Sonst gibt es nomadische Viehzucht zusammen etwa 165.000 Sahrauis, im Süden Algeriens (Immigration) und der Ab- und Auswanderung Río de Oro = ‚Fluss des Goldes‘; ehemals spanische (Ziegen, Kamele, Schafe), Fischfang, Salzgewinnung und nahe Tindouf, benannt nach den größten Städten der (Emigration), aber auch der Binnenmigration (Land- Kolonie im Süden der Westsahara mit dem Hauptort ad- Phosphatabbau bei Bou Craa. Westsahara: El Aaiùn, Smara, Dakhla, Ausserd. oder Stadtflucht). Aus Sicht der EU ist der Maghreb Dakhla, arab. Oued ed Dahab.

66 Projektgruppe Westsahara Kontakt Wilhelminenhofstraße 42 B 12459 Berlin [email protected] www.projektgruppe-westsahara.org

www.projektgruppe-westsahara.org

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