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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Natur und Land (vormals Blätter für Naturkunde und Naturschutz)

Jahr/Year: 1985

Band/Volume: 1985_6

Autor(en)/Author(s): Moser Walter

Artikel/Article: Vom Überlebenskampf des Liesfeldes bei in Tirol 160-164 Vom Überlebenskampf©Österreichischer Naturschutzbund; des downloadjüngste unter www.biologiezentrum.atZeit nichts als Sumpf - und das, LIESFELDES obwohl zu allen Zeiten menschlicher Siedlungstätigkeit „Kultivierungen“ er­ bei Kundl in Tirol folgten. Bescheid Nr. A - 959/10 - 1985: Die heutige Siedlungsform im Liesfeld Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein und in Kundl geht weitgehend auf die erteilt Herrn und Frau als Grund­ Bajuwaren zurück: Einzelhöfe und Feld­ eigentümer die naturschutzbehörd­ graswirtschaft mit Block- und Einöd­ liche Ausnahmebewilligung vom Verbot fluren sind hier zu finden. Typisch sind die des §... Naturschutzverordnung zur Ver­ drei großen Felder Kundls: Mittelfeld, nichtung von Orchideenarten,... zur Ver­ Oberfeld und Achenfeld. Typisch sind nichtung von Gelegen geschützter Vo­ die verbliebenen Reste der Innauen und gelarten und ... zur Vernichtung von Ent­ die wenig nutzbaren, einmahdigen Streu­ wicklungsformen und des Lebensrau­ wiesen im Liesfeld, die Söller Wiesen. mes von Reptilien und Amphibien sowie Diese erhielten - und erhalten heute verschiedener Schmetterlingsarten... noch - außer Stau- und Hochwasser Dies liest man auf der Seite 1 des zi­ vom große Mengen Sickerwässer tierten Bescheides der BH Kufstein vom aus den Gräben des Kragenjochs im 16. 10. 1985. Davon abgesehen, daß Süden. Versickern kann das Grund­ hier eine Behörde im vollen Bewußtsein wasser deshalb nicht, weil in geringer die Genehmigung zur Vernichtung von Bodentiefe wasserundurchlässige Bän­ Leben erteilt, zeigt dieses Zitat die dertone aus der letzten Zwischeneis­ Rolle des Naturschutzes in Tirol auf. Da­ zeit liegen - welche man oberhalb (west­ zu folgende Betrachtung: lich) von Kundl einst sogar zur Ziegel­ Das Liesfeld mit seinen besonders herstellung nutzte. schützenswerten Söller Wiesen liegt im Im 16. Jahrhundert begann die Industri­ Unterinntal zwischen Wörgl und Kundl. alisierung Kundls mit der Errichtung von Es ist rein äußerlich durch die Arbeit des Schmelzhütten, in denen die am Grati­ Inns entstanden, der, von spitz abgebauten Erze verarbeitet wur­ kommend, zuerst durch den Schwemm- den. kegel der Kundler Ache nach Norden an Bereits Peter Anich verzeichnete in die Moränenschotter des Angerberges seinem Tirol-Atlas aus dem Jahr 1774 gedrängt, von dort nach Süden zurück­ keine Mäander mehr in diesem Gebiet, geworfen wurde und sich in die Schutt­ dafür drei relativ große Seen. Sie sind kegel der steilen Schluchten des Kragen­ bereits hundert Jahre später im Ka­ joches einfraß. Von den Abhängen und taster (zu finden am Vermessungsamt dem Schwemmkegel des Lahntalbaches Kufstein) als Wiesenmoore eingezeich­ wiederum wurde der Inn abermals zurück net. Zu dieser Zeit bestand bereits die an die Flanken des Angerberges getrie­ Eisenbahn, die die Augebiete vom Lies­ ben und erst bei in den nächsten feld trennte, während bis dahin nur ein Mäander auf die andere Talseite ge­ Landweg ganz am Berghang um den lenkt. Auf dem Schwemmkegel der Sumpf herumführte. Die Eisenbahn löste Kundler Ache hat sich Kundl gebildet, am Mitte des vorigen Jahrhunderts die Inn- Schwemmkegel des Lahnbachtales ent­ schiffahrt ab. stand Wörgl. Dazwischen blieb bis in Recht fatal wirkte sich bereits der Bau

160 der Bundesstraße aus,©Österreichischer die vom Naturschutzbund; Nössl- downloadNeuner unter www.biologiezentrum.at stellte seinerzeit der Gemeinde (heute: Mösl-)bichl schnurgerade durch Kundl seine Arbeit für weitere Entschei­ das Feuchtgebiet gebaut wurde. Wie er­ dungen zur Verfügung. Der Bürger­ wähnt, wurde damit der Grundstein für meister von Kundl, Walter Doblander, die Zerstörung des Sumpfgebietes ge­ versprach in einem Antwortschreiben legt. Können sich ältere Mitbürger noch sogar, im Bedarfsfall davon Gebrauch an etliche Teiche und Tümpel erinnern, zu machen, spendierte sogar noch so findet man heute im Süden der Bun­ einen Anerkennungsscheck! Neuner hat desstraße nur noch „blühende“ Industrie. den Betrag aus Protest mittlerweile In einer Schottergrube verschwindet zurückgeschickt! außerdem manch dubioser Abfall - un­ Mag. Heinrich Stengg hat die blüten­ bemerkt. besuchenden Schmetterlinge an 104 im Im verbliebenen Teil nördlich der Bun­ Gebiet wildwachsenden Pflanzen be­ desstraße gibt es allerdings heute noch obachtet. Insgesamt wurde der Nach­ eine sehr abwechslungsreiche Feucht­ weis von mindestens 110 verschie­ landschaft zu finden: Eichengruppen, denen Großschmetterlingsarten er­ die als Reste einer harten Au anzusehen bracht. Davon stehen 25 Arten in eini­ sind, Strauchgruppen, Naßwiesen, Nie­ gen Bundesländern auf der Roten Liste. dermoorflecken und Übergangsstadien Von bisher sechs festgestellten Heu­ in Richtung Hochmoor. Bereits im vori­ schreckenarten ist die Langflügelige gen Jahrhundert angelegte Entwässe­ Schwertschrecke in Tirol besonders rungsgräben erfüllten nicht ihren Zweck, selten, die Sumpfschrecke steht in der sind verschilft und bereichern eher so­ BRD bereits auf der Roten Liste. Alle gar noch die Landschaft. Ein in neuerer Lurche (z.B. die Wechselkröte) und Zeit angelegter Graben allerdings Reptilien (z.B. Schlingnatter) sind in könnte erheblichere Auswirkungen ha­ Tirol völlig geschützt. Für viele Vögel ist ben - er verschwindet in einem Kanal­ das fragliche Gebiet Brutplatz: beispiels­ rohr. weise befanden sich auf einem Fleck Mag. Paul Vergörer, Apotheker in Wörgl, Sumpfwiese, die ohne Genehmigung zu hat für dieses Gebiet eine Florenliste er­ LKW-Standplätzen aufgeschüttet wur­ stellt - sie umfaßt weit über 60 für de, die letzten Kiebitzgelege Tirols! Die Feuchtgebiete typische, zum Teil selten Wiesen dienen als Überwinterungsge­ gewordene Pflanzen. Beispiele seien: biet für hochbedrohte Arten, z.B. Krick­ 12 verschiedene Seggenarten, mehrere ente, Zwergschnepfe, Bekassine, Regen­ Wollgrasarten, Weideriche, Sibirische brachvogel usw. Die Gegend ist wichtig Schwertlilie, Pfeifengras, Mehlprimel als Nahrungsplatz für die Brutvögel der und als besonders seltene Arten: Kal­ Umgebung und ein unersetzlicher Rast­ mus, Traunsteiners Knabenkraut, platz und eine „Tankstelle“ für seltene, Schwarzwurzel, Grauweide und Kopf­ europaweit geschützte Vogelarten ried. Über die Orchideen schrieb Mag. (Durchzügler): z.B. Graureiher, Weiß­ Wolfgang Neuner 1979 eine Hausar­ storch, Wasserralle, Sperberarten, beit: 8 verschiedene Arten kommen hier Weihen, Milane, Falken, Kampfläufer, vor - und sehr viele Bastardformen. Schnepfen usw. Von den 37 Arten hier U. a. wächst hier das Glanzkraut, des­ beobachteter Nichtsingvögel stehen 22 sentwegen in der Schweiz bereits Auto- auf der Roten Liste. Unter 35 Arten bahntrassen verlegt wurden! Singvögeln sind acht vom Aussterben

161 ©Österreichischer Naturschutzbund; download unter www.biologiezentrum.at

Söller Wiesen Foto: Mag. Moser

Betonmauern auf Kiebitz-Brutplätze Foto: Mag. Moser

162 bedroht: Wiesenpieper,©Österreichischer Seggenrohr­ Naturschutzbund; downloadmal unter die www.biologiezentrum.at Mitbürger bereits auf der Hut: sänger, Neuntöter, Schwarzstirnwürger, Sie brachten durch, daß vorzeitig be­ Braunkehlchen, Beutelmeise, Rohram­ reits eine Verhandlung durchgeführt mer. Diese Vogeldaten stammen groß- wurde - der Naturschutzbeauftragte teils von Manfred Loner, Wörgl, der in des Bezirkes Kufstein, Gottfried Kettner, diesem Gebiet auch manche künstleri­ versagte seine Zustimmung zu den be­ schen Tier- und Pflanzenbilder machte. reits begonnenen Bauarbeiten. Ob­ Mag. Armin Landmann hat alle Daten in wohl die Behörde sofortige Einstel­ einem Gutachten zusammengefaßt und lung der Bauarbeiten verlangte, wurde zusammen mit einem Biowertkatalog, heimlich doch weitergebaut - ohne der dem Land Tirol bereits 1980 über­ rechtliche Konsequenzen: Es könnte ja reicht wurde, dem Bürgermeister und sein, daß die Bewilligung nach einer Be­ der Behörde zur Verfügung gestellt. rufung doch gegeben wird .. Diese eben beschriebene Lebewelt ist Zur gleichen Zeit erfolgte an anderer nun seit 1974 immer mehr bedroht. Stelle ein weiterer schwerer Eingriff in Im Augebiet wurde kurz zuvor die Auto­ das Feuchtgebiet: Bauern begannen, bahn fertiggestellt - sie läßt keine weil anderwertig Ackerboden infolge Hochwässer mehr ins Liesfeld (noch jahrelanger gleichartiger Bodennutzung 1965 stand das Liesfeld metertief unter müde geworden war, das Gebiet zu Wasser) - ein Segen der Zivilisation meliorieren: Erdreich wurde aufge­ und Bautechnik. Tirol hatte die „Euro­ schüttet, man wollte planieren, verdich­ päische Herausforderung angenom­ ten, düngen, Mais anbauen. Trotz An­ men“ - so damals LH Eduard Walln- zeigenflut konnten auch hier längere öfer. 1974 wurde der Flächenwidmungs­ Zeit die Landwirte ungestört arbeiten: plan beschlossen, der eigentlich unge­ Die Anzeigen wurden von übergeord­ regelte exzessive Bautätigkeit ver­ neter Stelle der BH Kufstein (laut Kund­ hindern sollte. Das geschilderte Gebiet ler Gendarmerie) eingestellt. Erst auf wurde in Gewerbegebiet umgewidmet - massiven Druck aus Bürgerkreisen und Kundls Mandatare bekamen dafür, stellt man jetzt diese Arbeit ein. Man daß sie es schafften, ein so großes zu­ verdonnerte die Bauern sogar dazu, sammenhängendes bislang wertloses das Erdreich vom Moorgrund wieder ab­ Gebiet außerhalb der Ortschaft zu Ge­ zutragen - nachdem man zuerst zuge­ werbegebiet zu machen, ein Lob von der sehen hatte. Landesregierung - und den Segen der Ein Landtagsabgeordneter richtete in damaligen Umweltschutzabteilung! einer Fragestunde Ende Oktober d. J. 1979 wurde der Flächenwidmungsplan die Fragen an den Landeshauptmann, rechtskräftig und seither wird regel­ ob er für die Erhaltung der Söller Wie­ mäßig so vorgegangen: Man beginnt zu sen eintrete. Prinzipiell trat der Landes­ bauen, sucht um die gewerberecht­ hauptmann auch tatsächlich für die Er­ liche Genehmigung an, baut weiter und haltung. ein. Aber schon einige Tage da­ fertig, erfüllt „Auflagen“ - und verstän­ nach bekam das Umweltschutzamt die digt dann den Naturschutzbeauftragten: höchstobrigkeitliche Anweisung, keinen So, jetzt mögt ihr kommen! Und dann Groschen für die Erhaltung der Feucht­ steht der Naturschutz vor vollendeten wiesen auszugeben. Von einem Bauern Tatsachen. wiederum war zu erfahren, daß er die So gesehen auch jetzt. Nur waren dies­ Hände von Meliorierungen ließe, würde

163 man ihn finanzielle entschädigen.©Österreichischer Naturschutzbund; downloadschließlich unter www.biologiezentrum.at auch heute noch -zig Mil­ Da nun genau hier der Hase im Pfeffer lionen ausgegeben! liegt, gründete die „Ökologiegruppe Gleichzeitig läuft auch eine Unterschrif­ Wörgl“ ein Sparbuchkonto mit dem tenaktion, die unter Beweis stellen soll, Zweck, die Bevölkerung generell dazu daß das Interesse an der Erhaltung der aufzurufen, für jeden Quadratmeter, Feuchtwiesen größer ist als das an den sie selbst an Landschaft verbraucht seiner Zerstörung (die BH Kufstein er­ (mindestens die Fläche der eigenen Be­ kannte umgekehrt!) hausung) einen Schilling zu spenden. Unterstützungserklärungen können an Ziel ist es, die Bauern für die Nichtver­ die Ökologiegruppe Wörgl, z.H. Herrn änderung und Bewirtschaftung in her­ Mag. Kai Roßmann, Bahnhofsstraße 6, kömmlicher Art zu entschädigen. Als 6300 Wörg, gesandt werden. Die Spar­ Fernziel wird angestrebt, das Sparbuch buchnummer „Liesfeld“ für Spenden als Grundlage für einen Landschafts­ ist: 30636 - 484 bei der Raiffeisenkasse schutzfonds nach Steiermärkischem Wörgl. Es ist ein gesperrtes Konto. oder Vorarlberger Muster zur Erhaltung Das Gebiet ist von überregionaler des Lebensraumes Tirol zu gründen, der Bedeutung - darum bitten wir alle vom Umweltschutzamt verwaltet wird. um Mithilfe an seiner Rettung! Für Entwässerungen und Meliorierung Mag. W. Moser im agrarindustriellen Sinne werden ÖNJ Tirol

Das Versandprogramm umfaßt fol­ gende Artikel:

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