Die Filme Von Paul Thomas Anderson E C I V
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Die Filme von Paul Thomas Anderson e c i v T n e R e h n i u z n e t i e b r a h e r D n e d i e b n o s r e d n a s a m o h T l u a p Die mythische Dimension Raffiniert verknüpft Anderson verschiedene Schicksale, In seinen Filmen, darin sind sie sehr amerikanisch, lässt Lebenswege sich dramatisch überschneiden. scheint alles möglich. Oder genauer: Sie schließen Schon in seinem vorangegangenen Film BOOGIE auch das Unmögliche nicht aus. Unter den Regisseuren NIGHTS (1997) hat er mit einer solch kühnen Verknüp - seiner Generation ist er der große, wenngleich skepti - fung von Geschichten experimentiert: Da entscheidet n sche Romantiker. Er ist ein Hasardeur, der hohe Risi - sich das Schicksal einer ganzen Reihe von Figuren in - o s r ken nicht scheut. Das hat er mit den Berufsspielern in nerhalb weniger Filmminuten an einer einzigen Straße. e d seinem Langfilmdebüt HARD EIGHT (1996) gemein - Anderson ist, wie sein Freund und Mentor Robert Alt - n a sam. Aber ebenso wie sie rechnet Paul Thomas Ander - man, ein Meister des erzählerischen Zusammenhalts. s a son stets auch mit der Wahrscheinlichkeit. Das gilt auch für sein Werk: Obwohl die Filme ihren m o In MAGNOLIA (1999) legt er sich Rechenschaft ab über Blick in höchst unterschiedliche Milieus versenken, h T l den eigenen erzählerischen Wagemut. Da versucht der knüpfen sie doch regelmäßig aneinander an. Jeder lie - u a Pfleger eines sterbenden Fernsehproduzenten dessen fert Antworten auf Fragen, die seine Vorgänger aufge - P verlorenen Sohn ausfindig zu machen. Der Vater will worfen haben. Mitunter sind diese Verbindungen offen - 66 ihn ein letztes Mal sehen und sich mit ihm versöhnen; sichtlich: Der Name des hoffnungsvollen Pornodarstel - er hofft verzweifelt auf dessen Vergebung. »Ich weiß, lers Dirk Diggler aus BOOGIE NIGHTS taucht schon im das klingt wie eine Filmszene«, sagt der Pfleger am Te - Titel seines ersten Kurzfilms von 1988 auf. Zuweilen lefon, als er die richtige Fährte gefunden hat. »Wenn sind die Anknüpfungen aber auch verschwiegen. Tho - das in einem Film passierte, würden wir es für un - mas Pynchon, der die Vorlage zu Andersons jüngstem glaubwürdig halten«, räumt er ein, »aber ich glaube, es Film INHERENT VICE (2014) schrieb, beeinflusste be - gibt solche Szenen in Filmen, weil sie wahr sind.« reits die Zeichnung des Seemanns in THE MASTER Der Film ist ein Plädoyer für die Wahrhaftigkeit selbst (2012). Bibelzitate ziehen sich als heimliches Leitmotiv der haarsträubendsten Fügungen. Gleich zu Beginn ar - durch sein Werk: Der Froschregen am Ende von MAG - gumentiert er mit einer Revue bizarrer Todesfälle, die NOLIA geht ebenso auf den Exodus zurück wie der Titel sich indes tatsächlich ereignet haben. So stimmt er seines folgenden Films, THERE WILL BE BLOOD den Zuschauer darauf ein, fortan mit allem zu rechnen. (2007). Ein gelehriger Meister heit besiegelt, die seine Charaktere an neuralgischen Dieses Streben nach Kontinuität prägt auch seine Punkten der Erzählung entwickeln. Arbeitsweise. Mit Ausnahme von THE MASTER hat Ro - bert Elswit jeden seiner Filme fotografiert und kraft sei - Männer unter Einfluss nes realistischen Stils die Geschehnisse auf der Lein - Sein Blick ist nicht nur durch die Filmgeschichte ge - wand so zusätzlich beglaubigt. Seit einigen Jahren ver - schärft. Zwar greift er in seiner Figurenzeichnung gern pflichtet er regelmäßig Jonny Greenwood als Kompo - auf amerikanische Archetypen wie den Prospektor nisten. Vor der Kamera hat er eine regelrechte stock (THERE WILL BE BLOOD), den Cop (MAGNOLIA), den company versammelt, der John C. Reilly und Philip Privatdetektiv (INHERENT VICE) und den schüchternen Baker Hall angehören; bis zu seinem Tod spielte Philip Sonderling der screwball comedy zurück, der sich Seymour Hoffman in jedem Film mit. Julianne Moore, durch die Liebe verwandelt (PUNCH-DRUNK LOVE). William H. Macy, Luis Guzman, Alfred Molina und nun Aber Anderson erkundet die Gültigkeit von Erzählkon - Joaquin Phoenix spielten aufeinanderfolgende Rollen ventionen, etwa des Melodrams, stets aus der Per - bei ihm. spektive ihrer gesellschaftlichen und historischen Zu - Diese Etablierung eines zuverlässigen Darstellerensem - sammenhänge. Er unterzieht die großen amerikani - bles hat ruhmreiche Vorbilder in der Filmgeschichte – schen Mythen einer aktuellen Prüfung. Seine Filme hin - man denke nur an John Ford oder Orson Welles. Tat - terfragen den Pionier- und Unternehmungsgeist seiner sächlich ist der 1970 geborene Paul Thomas Anderson Landsleute. Ihren Geschäftssinn, man denke nur an die ein ausgesprochen cinéphiler Regisseur, der bei jedem kuriosen Tauschgeschäfte in HARD EIGHT oder PUNCH- neuen Projekt das Filmerbe im Blick behält. In THERE DRUNK LOVE, lotet er bisweilen mit vergnügter Ironie WILL BE BLOOD haben Klassiker wie GREED, CITIZEN aus. Das Senkblei stößt aber auch in die Tiefen der Kor - KANE, THE TREASURE OF THE SIERRA MADRE, ELMER ruption von Idealen (oder der Landschaft, wie in THERE GANTRy und nicht zuletzt GIANT (der Film wurde zum WILL BE BLOOD) vor. großen Teil auf derselben Farm in Marfa, Texas ge - Das kardinale Thema seines Kinos, auch darin ist es dreht wie George Stevens’ Epos) ihre Spuren hinter - sehr amerikanisch, ist das Versprechen von Erfolg und lassen. Aber auch unbekanntere Filme wie BOOM Glück. Seine Dramaturgie folgt dem Rhythmus von Ver - TOWN und TULSA zog Anderson zu Rate, um sich ein lockung und Entzauberung. Es summiert sich zu einem Bild zu machen von den Anfängen der Ölförderung in vielgestaltigen Bildungsroman. Dessen Originalität liegt den USA. nicht zuletzt darin, dass Anderson Liebesgeschichten Am stärksten hat ihn freilich das New Hollywood ge - zwischen Männern erzählt. Sie spielen von Anfang an prägt. Robert Altman stand Pate für das Mosaik ur - durchaus mit der Möglichkeit eines erotischen Interes - n o s baner und familiärer Zusammenhänge in MAGNOLIA. ses – in BOOGIE NIGHTS und MAGNOLIA etwa bleibt r e Andersons Faible für lange, sich beharrlich an die Fer - homosexuelles Begehren unerwidert. Wie Männer ein d n a sen von Figuren heftende Kamerafahrten ist zweifellos Auge aufeinander werfen, verliert jedoch nie an Viel - s von Martin Scorsese beeinflusst. Auch die Aufmerk - deutigkeit. a m samkeit der Montage für atmosphärisch bezeichnende Seine frühen Protagonisten schlittern orientierungslos o h T Details verrät diese Schule. (Es versteht sich fast von durchs Leben. Sie sind Verführbare, die eine Vaterfigur l u selbst, dass Anderson im Vorstand von Scorseses film finden müssen. Sie brauchen eine Instanz, die ihren a foundation sitzt, die sich der Bewahrung des Filmerbes Ehrgeiz weckt und ihnen zeigt, welchen Platz sie in der P widmet.) Bei der Vereinnahmung von Stileinflüssen Welt einnehmen wollen. Diese Rolle und Verantwortung 67 lässt es der Regisseur indes nicht bewenden. Seine weist Anderson charismatischen, wortgewandten Men - Filme entwickeln ihren eigenen inszenatorischen Elan. toren zu. Am Anfang dieser Figurengalerie steht der al - Die ausdauernden travellings und Plansequenzen, in ternde Spieler aus HARD EIGHT, der nicht von ungefähr denen er seine Charaktere ins Auge fasst, sind noch den Kosenamen »Captain« trägt; sie kulminiert in der eine Spur kühner als ihre Vorbilder (in BOOGIE NIGHTS Titelfigur von THE MASTER, die dem Scientology-Grün - folgt die Kamera einer Figur sogar einmal in einen Pool der L. Ron Hubbard nachempfunden ist. Sie verheißen und tummelt sich im Wasser). Läuterung und Erfolg. Ihnen ist selten zu trauen. Den - Zu Andersons Markenzeichen gehören überraschende noch verweigert Anderson auch diesen Charakteren Schnitte, die unterschiedliche Schauplätze nahtlos mit - nicht sein Interesse und seine Zuneigung: Er schließt einander verbinden, sowie eine Dynamisierung der die Möglichkeit nicht aus, dass diese Scharlatane an Montage, deren rasche Schnittfolge die Entschlossen - das glauben, was sie predigen. Gerhard midding Hard Eight (Last Exit Reno) | USA 1996 | R+B: Paul Jahren wurde umgearbeitet in BOOGIE NIGHTS, wobei Thomas Anderson | K: Robert Elswit | M: Michael Penn, Anderson das Ende des Films veränderte. CIGARETTES John Brion | D: Philip Baker Hall, John C. Reilly, Gwy - & COFFEE, die Geschichte von fünf Leuten, deren neth Paltrow, Samuel L. Jackson, F. William Parker | Leben durch einen 20-Dollar-Schein miteinander ver - 102 min | OF | Der Einzelgänger John versucht, für die bunden werden, lief 1993 beim Sundance film festi - Beerdigung seiner Mutter Geld in einem Spielcasino val , wo Anderson ein Jahr später zu einem Workshop aufzutreiben, und begegnet dem erfahrenen Profispie - eingeladen wurde, um aus dem Kurzfilm den abendfül - ler Sydney, der ihn in das professionelle Casinoleben lenden Film HARD EIGHT zu entwickeln. einführt. Über die Jahre etabliert sich eine Art Vater- ▶ Sonntag, 7. Juni 2015, 21.00 Uhr Sohn-Beziehung. Doch Johns Liebe zu einer Casinoan - gestellten und eine dubiose Geiselnahme stellen ihr bis - Magnolia | USA 1999 | R+B: Paul Thomas Anderson | heriges Leben auf eine Probe. »In seinem Regiedebüt K: Robert Elswit | M: John Brion, Fiona Apple, Aimee gelingt es Paul Thomas Anderson, die Vereinsamung Mann | D: Jason Robards, Julianne Moore, Tom Cruise, eines Mannes und seine stille Melancholie aufzuzeigen Philip Seymour Hoffman, Philip Baker Hall | 193 min | und dahinter einen starken Willen durchschimmern zu OmU | Ein Tag und eine Nacht im Leben von neun Per - lassen – den Willen, eine persönliche Lebensschuld ab - sonen im San Fernando Valley, deren Schicksale mit - zutragen. Eine episch erzählte Geschichte mit Thriller - einander