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Ensuite Im April

Ensuite Im April

Ausgabe Zürich

Nr. 76 April 2009 | 7. Jahrgang

eensuitekulturmagazinnsuite

Nicht immer jung und knackig Alter im Tanz Seite 12 Beatbastler Wer sucht, der findet Seite 19 Unterwegs in der Welt Musik ist ein Vollzeitjob Seite 21 %,6)3¯±THEBAND²

WITZIGER'ESCHICHTENERZiHLER SCHLITZOHRIGER%NTERTAINER "LUES#LOWN +ASERNENAREAL 4ICKETCORNER#(&-IN :~RICH ¯ 7EITERE3PIELDATENUNTERWWWBLUESMAXCH !ARAU ¯3CHACHEN )N:USAMMENARBEITMIT&REDDY"URGER-ANAGEMENT ce Baroque Antwerpen ce Baroque fi , 2007 - 2009, DVD, 140 Min. © Owen Land Courtesy Kunsthalle Bern, Of Dialogues

Owen Land Dialogues

4. 4. – 17. 5. 2009

Kunsthalle Bern Hallo Zürich. Hier Bern. -

Ihr habt das Museum für Gestaltung. Dienstag bis Freitag 11 – 18 h Wir das Museum für Kommunikation. Samstag/ Sonntag 10 – 18 h Museum für Kommunikation Helvetiastrasse 16 3005 Bern www.mfk.ch Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr Helvetiaplatz 1 CH-3005 Bern T +41 31 350 00 40 F +41 31 350 00 41 www.kunsthalle-bern.ch Titelseite und Bild links: Raphael Saadig singt in der Roten Fabrik am 18. April. INHALT

BÜHNE 50. schweizer künstlerbörse 11 | tanz der gegen- wart: folge IX 12

CINÉMA eine momentaufnahme des frau-seins 28 | les grandes personnes 29 | der triumph des schlech- ten geschmacks 30 | che: the argentine & gue- rilla 31

KULTUR & GESELLSCHAFT Impressum ENSUITE IM APRIL nachdenken über kulturjournalismus 4 | senioren im web 11 | | von menschen und medien / fauser Herausgeber: Verein WE ARE, Bern Redaktion: Lukas Vogel- ■ In der Schweiz wie in Deutschland sind die Po- cartoon 27 insomnia 29 | tratschundlaber 31 | sang (vl); Anna Vershinova (av) // Robert Alther, Jasmin Ams- litiker am Boden. Fast einstimmig schreien sie fundamentalismus unterschiebt man 34 | kunst ler, Peter J. Betts (pjb), Simon Chen, Luca D‘Alessandro (ld), Sonja Gasser, Isabelle Haklar, Bettina Hersberger, Guy Hura- zusammen mit den Wirtschaftsfunktionären nach + therapie = kunsttherapie 35 cek (gh), Till Hillbrecht (th), Ruth Kofmel (rk), Hannes Liechti Führung – notabene schreien jene am lautesten, (hl), Andy Limacher (al), Irina Mahlstein, Monique Meyer (mm), die keine Linie mehr haben und auch kein Konzept LIFESTYLE Barbara Neugel (bn), Eva Pfi rter (ep), Tatjana Rüegsegger, Bar- bara Roelli, Rebecca Panian, Monika Schäfer (ms), Christoph aufweisen können. «Handeln soll der Bundesrat!», von gewohnheitstieren und verfressenen 6 | be- Simon, Kristina Soldati (kso), Tabea Steiner (ts), Antonio Suá- schreien sie bei uns. «Wir hier unten wissen nicht, rufsdeklaration 34 rez Varela (asv), Willy Vogelsang, Simone Wahli (sw), Konrad was wir tun könnten. Die Krise ist da, aber wir sind Weber, Sonja Wenger (sjw), Gabriela Wild (gw), Katja Zellweger, Ueli Zingg Cartoon: Bruno Fauser, Bern; Telefon 031 312 64 unschuldig…» Andere schreien wie die Indianer… LITERATUR 76 Kulturagenda: kulturagenda.ch; ensuite - kulturmagazin, Und weil sich alles schreiend in Unschuld fi losofenecke 25 | gustafsson, lin, zeh 32 allevents, Biel; Abteilung für Kulturelles Biel, Abteilung für Kul- wäscht, hämmern sich die Grossmäuler Schuld- turelles Thun, interwerk gmbh. Korrektorat: Lukas Ramseyer, Monique Meyer zuweisungen auf die wunden Finger. Hauptsache, MUSIK die eigene Karriere blüht und die Wiederwahl si- geheime liebe - geheimes programm 7 | eine Abonnemente: 77 Franken für ein Jahr / 11 Ausgaben, inkl. arten- chert das krisensichere Einkommen, wird sich der ausgestorbene vogelart, ein swiss-linienfl ug und suite (Kunstbeilage) Abodienst: 031 318 60 50 eine oder andere dabei denken. Lösungen bringt eine klimastation werden zu musik 8 | von ver-

ensuite – kulturmagazin erscheint monatlich. Aufl age: 20‘000 niemand. Wieso auch, die Börse steigt wieder, die tonten steinen und anderen himmelsgeschichten Gesamtaufl age 30‘000 (Bern und Zürich) Gewinne werden wieder hochgeschraubt und in 9 | neun seelenverwandte verschreiben sich dem ein paar Monaten ist von alledem, ausser einigen groove 16 | play it again, ben 17 | «ich will mit Anzeigenverkauf: [email protected] Layout: interwerk gmbh: Lukas Vogelsang Produktion & Druckvorstufe: interwerk gmbh, bereinigten Bilanzen und Erfolgsrechnungen, nicht traditionellem rap aus dem rahmen fallen» 19 | Bern Druck: Fischer AG für Data und Print Vertrieb: Gratisaufl a- mehr viel vorhanden. Oder wird die Krise doch eine «musik muss ehrlich sein» 21 | führen und ent- Web: ge / ALIVE Medien AG, 044 272 79 00 und Abonnemente tiefere Spur hinterlassen? führen lassen 22 | obskure grooves im festen interwerk gmbh Wir brauchen jetzt Menschen, die neu denken griff der samthandschuhe 24 | cd-tipps 26 Hinweise für redaktionelle Themen (nicht Agendaeinträge!) können. Die alten Gedanken haben ausgedacht. 11. des Vormonates. erwünscht bis zum Über die Publikation Was folgen muss, sind neue Ideen, Erfi ndungen, KULTURAGENDA entscheidet die Redaktion. Bildmaterial digital oder im Original senden. Wir senden kein Material zurück. Es besteht keine Pu- Ansätze, Utopien, Illusionen und Hoffnungen. kulturagenda 37 blikationspfl icht. Doch wer oder wie kreiert man Hoffnungen? Sie sind unkäufl ich. Agendahinweise bis spätestens am 18. des Vormonates über un- sere Webseiten eingeben. Redaktionsschluss der Ausgabe ist Wir brauchen neue Generationen von Men- jeweils am 18. des Vormonates. (siehe www.kulturagenda.ch) schen mit Ausdauer, Wille, Freiheitsdrang, Verant- wortungsgefühl und Motivation. Doch wenn ich Die Redaktion ensuite - kulturmagazin ist politisch, wirtschaft- lich und ethisch unabhängig und selbständig. Die Texte repräsen- in die Runde schaue, so erschrecke ich ein wenig: Mit Dank für die fi nanzielle Unterstützung: tieren die Meinungen der Autoren/innen, nicht jene der Redaktion. Unsere Gesellschaft braucht zuviel Ritalin. Wir be- ginnen und üben, Lösungen zu entwickeln. Unsere Copyrights für alle Informationen und Bilder liegen beim Ver- ein WE ARE in Bern und der edition ■ ensuite. Zukunft wird noch ein paar schwierigere Anforde- rungen stellen als nur eine Krise. Langsam haben Redaktionsadresse: wir für unsere gesellschaftliche Situation eine Ein- ensuite – kulturmagazin sicht erlangt, doch Aufbuch und Wandel sind noch Sandrainstrasse 3 weit weg. CH-3007 Bern Telefon 031 318 6050 E-Mail: [email protected] Lukas Vogelsang Chefredaktor www.ensuite.ch

ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 3 KKulturultur & GGesellschaftesellschaft

KULTURMEDIEN nachdenken über kulturjournalismus Von Lukas Vogelsang

■ Das Zeitungssterben greift um sich. Wir von der Diffusiert wird die Diskussion, wenn wir die grau gesehen wird – im besten Fall sogar Farben. Kulturmedienzunft kennen diesen Zustand schon Kulturförderung und Subventionen, die «öffent- Dabei ist es grundsätzlich egal – das klingt be- länger und es erschreckt uns nicht mehr wirklich. lichen» Kulturinstitutionen, hinzuziehen. Dabei reits sehr provokativ –, worüber wir schreiben. Gerade das ensuite - kulturmagazin wurde in ei- geht die gesellschaftliche Relevanz schnell in ein Wir JournalistInnen können die Kulturereignisse ner Zeit auf die Beine gestellt, wo das Sparen bei groteskes Politikum und damit ins unrealistische nicht werten. Wir können allerdings beschreiben den Verlagen in die Tat umgesetzt wurde. In den Bodenlose über. Wir lassen dieses Thema lieber und ein Ereigniss als Ideenanlass nutzen. Wenn sieben Jahren haben wir fast sieben Nahtoder- beiseite. wir als Medienunternehmung überleben wollen, fahrungen gemacht. Und jetzt ist die sogenannte Die Kulturmedien werden in dieser Event-Ver- müssen wir somit nur die richtigen sozialen Netz- Krise sogar gut für uns: Die Gesellschaft braucht kaufsgeschichte zu verdeckten Promotoren für werke verbinden und ansprechen. Der Rest läuft Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl, das Fischverkäufer. Die gesamte Kulturindustrie (und fast von alleine – sofern wir die gesellschaftli- Kulturprogramm, auch die künstlerischen Inputs diese ist in der Schweiz 17 Milliarden gross) be- chen und sozialen Entwicklungen mitmachen. und der Überlebenswille werden in Krisenzeiten dient sich der Medien, um den gefangenen Fisch Hier sind grosse Medienhäuser oft zu schwer, um grundsätzlich gestärkt. vermarkten zu können. Nach den Wirtschafts- und sich zu bewegen. Und diese Bewegung ist endlos. Das wird uns auch bewusst, wenn wir in Bern Lifestyle-JournalistInnen sind die Kulturjourna- Heinz Steinert schreibt: «Viel an Medien-Kon- die Schliessung der Zeitung «Bund» mitverfolgen: listInnen die «bestgeschmierten» Journalisten sum dient dem Auffüllen von Einsamkeit, aber Der Kulturteil wird als wichtiges Argument hervor- der Zunft. Der Schuhverkäufer um die Ecke muss viel ist auch gesellige Unternehmung. In jedem gehoben, auch wenn wir durch die Leserstatistiken für Promotionsarbeit teures Geld hinlegen. Die Fall verwenden wir das Medien-Ereignis, dem wir immer wieder an die 2% Leseranteilmarke erinnert Kulturgemeinschaft beharrt auf der vermeintlich uns aussetzen, zu Herstellung von bestimmten werden. Gerade jetzt scheint es absurd, diese Le- «wichtigen» und «erzieherischen» Botschaft und Haltungen und Beziehungen, die es anbietet und serInnen-Gemeinschaften aufzulösen. Doch wenn fordert Publizität. Die grossen Medienverlage ha- voraussetzt. Was das ist, wollen wir daher vorweg wir in Zahlen rechnen und nicht in Emotionen, so ben das vor Jahren bereits gewittert und versucht, wissen. Dementsprechend suchen wir aus. Uns verstehen wir den Schritt der Verlage. Aber die aus diesem Markt Kapital zu schlagen – vergeblich. bei dieser Auswahl zu helfen, ist die Funktion der Kostenbegründung ist nur gültig, wenn wir mit den Ohne Seele und ohne bewegliches Individualkon- auffallenden biographischen Festlegung vieler Konzepten der Vergangenheit denken. Und diese zept geht das nicht. Nur die Trend- und Party-Wer- auf bestimmte Genres von Kultur und im einzel- sind zu alt und wir müssen sie überarbeiten. bemagazine überleben halbwegs diese Illusion, nen die vieler Gespräche über Kultur-Ereignisse. Heinz Steinert hat im Buch «Kulturindustrie» doch darin wird Werbung für den Werbemarkt ver- Das ist auch der Job von Kritikern und Werbern, ein paar schöne Sätze geschrieben: «Wir wissen kauft. Diese Magazine werden auch nicht für eine die oft schwer auseinanderzuhalten sind.» Leider heute: Es gibt keine Kultur ausserhalb der Kul- Lesergruppe produziert und verschwinden genau- ist damit auch der Ursprung der Langeweile im turindustrie. Aber wir haben auch gelernt, damit so schnell wieder. Kulturjournalismus erklärt. Artikel ohne «Seele», refl exiv umzugehen und also jeweils mit zu über- Welchen Sinn macht also Kulturjournalismus, ohne Geschichten, ohne Meinungen sind verlore- legen, wer uns da was andrehen will – und aus der wenn man die Promotionsarbeit weglässt? Was ne Liebesmüh. Wir können von der Leserschaft so informierten Nutzung für eigene Zwecke unser können wir überhaupt übermitteln und warum nicht fordern, dass sie sich mit Wissen abfüllen Vergnügen zu ziehen.» Die Betonungen auf «Ver- sollten wir es tun? lässt, welches nicht gelebt werden kann. Also gnügen» und «Kulturindustrie» sind ganz wich- Sicher ist es erst mal wichtig, dass wir uns vom zurück zum Unterhaltungsleseprogramm? Also tig. Ein Kulturveranstalter verkauft heute seine Objekt Event lösen und uns auf die Ursache kon- zurück zur Spassgesellschaft, und vergessen wir Tickets wie frischen Fisch auf dem Markt. Er will zentrieren. Hintergrundberichte zu einem Event, dieses intellektuelle Kulturgebrabbel? überleben, die Miete und Löhne bezahlen und zu den Umständen, sind sicher viel wesentlicher, Was Kulturjournalismus sein kann oder was er hat sich sein Geschäft aufgebaut. Die Galerie will als dass diese stattfi nden. Das Wegweisen zu ei- heute noch darstellt, müssen wir neu erfi nden und Präsenz, um ihre Bilder verkaufen zu können. Der nem Ereignis müsste der Werbung überlassen wer- erdenken – oder eben weiterdenken. Wir beginnen Unterschied zwischen Ware, Kunst- und Kulturpro- den und das vielverwendete Argument «Wir haben hier im ensuite mit einer losen Serie. Sie sind ein- gramm ist sehr klein geworden - die gesellschaft- kein Geld für Werbung» sollte die JournalistInnen geladen, die Gedanken weiterzuentwickeln. liche Relevanz lässt aus der Ferne grüssen. Das nicht interessieren. Der Fischverkäufer auf dem heisst nicht, dass das, was auf der Bühne geboten Märit hat vielleicht auch kein Geld für die Wer- Heinz Steinert: Kulturindustrie. Grundbegriffe der wird, schlecht wäre, dass Bilder nichts wert sind - bung, aber er schreit umso lauter: «Hier, frischer Sozialphilosophie und Gesellschaftstheorie. Verlag oder wie das Café Mokka in Thun bewarb: «Musik Fisch!» Westfälisches Dampfboot. Münster, 2008. ist scheisse!» Doch der Stellenwert von «Kulturel- Unsere Funktion muss darin liegen, den Denk- lem» ist im Jahr 2009 lange nicht mehr gleich wie apparat der Leserschaft so zu provozieren, da- vor zwanzig Jahren. mit nicht nur schwarz und weiss, sondern auch Gedanken senden an: [email protected]

4 ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 Monatsverlosung

ensuite – kulturmagazin verlost 3 x 2 Gratistickets für BLUES MAX - ENDLICH WIRKLICH POPSTAR

■ Max will es wissen. Oder besser – er weiss es schon: Wer Popstar werden will, muss früh aufstehen. Und kommt spät ins Bett. Max gibt alles, und das ist meistens schon ziemlich fast genug, dass schlussendlich doch noch beinahe etwas zustande kommt. Max gibt nicht auf. Was der Mann sich alles ausdenkt über den Weg nach oben, über das Glück im All- gemeinen und die Veloanhängerkupplung im Speziellen. Das geht auf keine Elefanten- haut. Max karikiert, singt und parodiert sich zielstrebig durch den Dschungel des Alltags. Mit Leichtigkeit zieht der Zürcher Kult-Komiker die Register seines komödiantischen und musikalischen Könnens. Max ist Sprachakrobat, Gitarrenzauberer, schlitzohriger Entertainer und Blues-Clown in einem. Aber Max ist nicht allein: An Klavier, Bass und Schlagzeug begleitet ihn das Orchester Elvis (Michael Wernli). Blues Max spielt im «Das Zelt» in Zürich am Mittwoch, 15. April, 20:30h.

Teilnahmebedingungen: Einfach den untenstehenden Talon per Post an die Redaktionsadresse einsenden. Ein- sendeschluss ist 12. April 2009. Pro Teilnehmer gilt nur ein Talon. Nicht teilnahmeberechtigt sind Verlagsmitar-

beiterInnen, Redaktionsmitglieder von ensuite – kulturmagazin oder der interwerk GmbH und deren Angehörige.

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Immer mehr Einsendeschluss ist ✂ Menschen der 12. April 2009! Ich nehme an der DVD-Verlosung teil:

wollen ein Herr / Frau

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Warum wohl? Adresse

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Ausschneiden und einsenden an: www.ensuite.ch ensuite - kulturmagazin | Sandrainstrasse 3 | 3007 Bern ZH ensuite

ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 5 LLifestyleifestyle

VOM ESSEN UND TRINKEN von gewohnheitstieren und verfressenen Von Barbara Roelli Bild: Barbara Roelli ■ Der morgendliche Kaffee muss sein. Am liebs- etwa das Käse-auf-Brot-Gewickel beim Fondue in rungspyramide kennen. Hat man noch Babyspeck ten mit aufgeschäumter Milch. Ansonsten kriege grosser Runde. Das Essen aus dem gleichen Topf im Gesicht, ahnt man nicht mal, dass es so etwas ich die Augen nicht auf, kann keinen richtigen Satz hat so etwas archaisches. Man isst und ist zusam- wie gesellschaftliche Schönheitsideale gibt. Man bilden, fühle mich schutzlos den Herausforderun- men. schwelgt in süsser Unschuld, weiss nicht, was Ver- gen des Tages ausgeliefert. Kaum aus dem Nest Aber so fest ich mich jeweils auf solche traditi- zicht heisst und «Vernünftig sein» hört man nur gestiegen und Blasen- und oder Darmleerung voll- onellen Orgien freue, umso mehr fällt mir auf, wie die Erwachsenen sagen. Wie zu jener Zeit, als ich bracht, tapse ich in die Küche, kralle mir die Büchse sich diese von Jahr zu Jahr verändern. Aktuell: Das mein Osternestchen noch mit Primeln schmückte mit dem duftenden Pulver und fülle die Caffettiera «Eiertütschen» beim Osterfest. Als wir Geschwis- und es kaum erwarten konnte, es reichlich gefüllt damit. Dann harre ich vor dem Höhlenfeuer. Be- ter noch an den Hasen glaubten, verdrückten wir wieder zu fi nden. Damals zählte ich nicht, wie vie- ziehungsweise - bei meinen Wohnverhältnissen im locker sechs bis acht Eier pro Tag. Wer das härtes- le gefüllte und ungefüllte Schoggihasen, Nougat-, Jahr 2009 - vor der blauen Gasfl amme. Warte, bis te Exemplar erwischte, der kriegte vorerst nichts Caramel-, Mocca-Eili und Zuckerguss-Hühner ich das Wasser durch die Hitze getrieben durchs Pul- zwischen die Zähne und musste auf die nächste wegputzte. Genauso wenig wusste ich damals, wie ver dringt und so zur belebenden, dunkelbraunen «Tütschrunde» warten. Zwischen dem sportlichen man seinen Bodymass-Index ausrechnet. Brühe wird. Auf Koffein folgt Vitamin. «One apple Schlagabtausch schälten wir die ausgeschiedenen Neben dem in der Tradition verankerten a day keeps the doctor away»; ich bevorzuge ein Eier, bestrichen sie dick mit Mayo und Senf und Schmaus gibt es ja viele Gewohnheiten: Das Glas Orangensaft am Morgen - eine Gewohnheit, bissen herzhaft hinein. Zu Ostern waren unsere «Schöggeli» zum «Käffeli», das Gipfeli zum Znüni, die mich seit der Kindheit begleitet. Meine jüngs- Körper ziemlich cholesteringeladen. Schwester Nr. Brot um Sauce aufzutunken, das «Fyrabig-Bier». te Schwester trank auch ein Glas am Abend. Den 3 lag meist an der Spitze des Ei-pro-Kopf-Konsums Auffallen tun mir auch Gewohnheiten bei anderen: Orangensaft auf die Nacht zu trinken sollte sie in unserer Familie. Sie war echt unschlagbar. Vor Der Arbeitskollege isst jeden Mittag beim Chine- von den langen Sitzungen auf der WC-Schüssel be- allem liebte sie Aromat, von welchem sie grosszü- sen, die Wohngenossin hält sich im Kühlschrank freien. Ich fi nde auch Dörrpfl aumen nach wie vor gig über die Ostereier streute. stets einen Vorrat an marinierten Oliven. Und ich ein effektives Mittel bei Verstopfung. Lebertran Heute, fast zwanzig Jahre später: Bei meinem stolpere nach durchzechter Nacht in die Küche mussten wir gottlob nie trinken. So wuchs ich auch Aufruf beim Osterbrunch «Wer tütscht noch ein und mache mir Spaghetti aglio e olio. Ich gehöre ohne ihn gesund und wohlgenährt auf. Und mit all Ei?» (wohlbemerkt beim zweiten Ei) bekomme zu den Verfressenen und zelebriere das Essen: den Ritualen, die mir als Kind das Jahr so reich ich eine abwinkende Hand zur Antwort. Appetit Höchst konzentriert auf Geruch, Geschmack und erscheinen liessen. Zu jeder Jahreszeit gab es die scheint sich mit dem wachsenden Alter zu verän- Konsistenz gebe ich mich diesem primitiven Trieb kulinarischen Highlights: Im Frühling wucherte der dern. Entweder ist man nicht mehr so «gfrässig» hin. Zugegeben, als unvernünftig und masslos Bärlauch in unserem Garten wie Unkraut. Und auf wie früher oder hat gelernt, seinen Appetit zu zü- kann man diese Gattung von Mensch bezeichnen. Sonntagsspaziergängen wehte uns sein Duft ent- geln. Denn «die Linie» ist omnipräsentes Thema, Verfressene lieben Buffets, Menü-Angebote à disc- gegen. Bärlauch sammeln, Himbeeren pfl ücken, und die leibliche Veränderung wird im eigenen rétion, eine zweite Portion vom Hauptgang haben Pilze suchen, Marroni bräteln – diese Aktivitäten Umfeld besonders scharf beobachtet. «Keep in sie sich längst angewöhnt. Nach dem Dessert und waren festlich –; ich glaube das waren für mich so form» heisst das Diktat. Als Kind kriegt man einge- Schnaps schlafen sie friedlich. etwas wie kleine Erntedankfeste. Rituale kulinari- trichtert, was gesund ist und was nicht. Und spä- scher Art sind mir heute noch genauso wichtig. So testens in der Hauswirtschaft lernt man die Ernäh-

6 ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 MODERNE KLASSIK geheime liebe – geheimes programm Von Sonja Koller - Urs Faes und das Galatea-Quartett entschlüsseln die Lyrische Suite von Alban Berg Bild: zVg. ■ Was sich nicht alles in einem Notentext ver- Suite am Stück. Nun werden die Zuhörer Passagen stecken kann! Im Herbst 1976 wurden Briefe des und Motive in der Musik wiedererkennen und ihre Komponisten Alban Berg entdeckt, die sich an eine Symbolik verstehen. Frau namens Hanna Fuchs richten. «Denn wisse», Mitbringen: Offene Ohren. Kunstmusik aus dem schreibt Berg in einem dieser Briefe, «ich bin seit 20. Jahrhundert, und ganz besonders die Komposi- diesem grössten Ereignis nicht mehr ich. Ich bin ein tionstechnik der Zwölftonmusik, die auch Berg für in stetem Herzklopfen dahintorkelnder Wahnsinni- seine Lyrische Suite verwendet, wird vom Publi- ger geworden». Berg war verheiratet, und Hanna kum bis heute oft als unverständlich abgelehnt. Zu Fuchs war es auch. Die Briefe handeln von einer Unrecht, wie der Abend mit dem Galatea-Quartett unerfüllten Liebe – einer echten Amour Fou. Noch und Urs Faes zeigen wird! Um dieses Programm spannender wird es, als bald darauf eine Partitur geniessen zu können, muss niemand musikalische von Bergs Lyrischer Suite für Streichquartett auf- Vorkenntnisse mitbringen – offene Ohren und eine taucht: Sie ist Hanna Fuchs zugeeignet und enthält Portion Neugier genügen. zahlreiche handschriftliche Notizen des Komponis- ten. Nun stellt sich heraus, dass die Lyrische Suite voller geheimer Beziehungen steckt. Zitate aus Lie- Urs Faes, 1947 in Aarau geboren, lebt als freier dern, symbolisch aufgeladene Zahlenverhältnisse, Schriftsteller in Zürich. 2001 und 2008 erhielt er die Noten HF und AB, welche für die Anfangsbuch- den Schweizerischen Schillerpreis. Der Roman staben der Namen der beiden Liebenden stehen… «Als hätte die Stille Türen» wurde 2005 mit der Die Lyrische Suite ist die in Musik gesetzte, hoch- Werkjahresauszeichnung des Kantons Zürich dramatische und leidenschaftlich-unglückliche Lie- ausgezeichnet. besgeschichte zwischen Berg und Hanna Fuchs! Das Galatea-Quartett aus Zürich wurde 2005 Vom Herzschmerz zur Musik zum Roman: Faszi- von Yuka Tsuboi (Violine), David Schneebeli (Vio- niert von diesen Zusammenhängen hat der Schwei- la) und den Geschwistern Sarah (Violine) und Juli- zer Schriftsteller Urs Faes den Faden aufgenommen en Kilchenmann (Violoncello) gegründet. Es hatte und die Beziehung zwischen Berg und Fuchs litera- Auftritte und erhielt Wettbewerbspreise im In- risch verarbeitet. So entstand der Roman «Als hät- und Ausland (u.a. Italien, Indien, Japan, Ägypten). te die Stille Türen», der 2005 im Suhrkampf Verlag Eine CD mit Werken von Beethoven und Brahms erschien, vom Kanton Zürich preisgekrönt und von sowie mehrere Radioaufnahmen bei DRS2 und der Kritik hoch gelobt wurde. Espace2 dokumentieren den frischen Klang des Und nun: Eintauchen! Für die Kammermusikrei- Ensembles. he «Musik & mehr» der Kleinkunstbühne La Cap- www.galatea-quartett.com pella in Bern haben das Galatea-Quartett und Urs Faes ein Abendprogramm entwickelt, das die Zuhö- Aufführungen rer tief in Bergs Lyrische Suite hineinzieht: Zuerst 18. April, 20:30h, Theater Rigiblick liest Urs Faes aus seinem Roman Passagen, die Be- www.theater-rigiblick.ch zug nehmen auf Alban Bergs Reise nach Prag, sein Zusammentreffen mit Hanna Fuchs und sein zerris- 19. April, 18:00h, La Cappella Bern senes Herz in den Jahren nach diesem schicksal- www.la-cappella.ch haften Treffen. Dabei kommen auch Auszüge aus Bergs Briefen an Hanna Fuchs zur Sprache. Das Musik & mehr: Ein Sonntag pro Monat widmet Galatea-Quartett nimmt Bezug auf die gelesenen die Cappella der Kammermusik. Die Konzertrei- Passagen und zeigt direkt, wie Berg seine Erlebnis- he lädt ein zu einem anregenden, lebendigen und se in Musik gesetzt hat. Nach der Pause ist es dann unverkrampften Umgang mit der Gattung Kam- soweit: Das Galatea-Quartett spielt die Lyrische mermusik. Reservation: 031 332 80 22. ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 7 MMusikusik

eine ausgestorbene vogelart, ein swiss-linien- fl ug und eine klimastation werden zu musik Von Hannes Liechti – Drei Naturwissenschaftler vertonen wissenschaftliche Daten Foto: Daniel Schümperli ■ Ein ganz besonderes Konzert im Rahmen des oder Verzerrungen und andere Effekte. Gänsehaut bekommen. Wichtig sind aber die Erklä- Berner Musikfestivals «Vom Himmel» verbirgt sich Nun gut, dieser Prozess mag sich ja für euch rungen, welche dem Publikum den Zugang zu unse- hinter dem Trio HUGO. Unter dem Namen «HUGO sehr interessant und spannend gestalten. Was ren Stücken entscheidend erleichtern. hat Töne» vertonen Daniel Schümperli, Lukas Frey aber erfährt das Publikum vom ganzen Hinter- Worum geht es in den anderen Stücken? und Rudolf von Steiger seit 2001 Erbinformationen, grund? Weitere Daten, die wir verwenden, stammen von sogenannte DNA-Codes. Was unvorstellbar klingt, Ein grosses Anliegen bei den Auftritten sind der Erdumrundung von Bertrand Piccard in seinem gelingt den drei Naturwissenschaftlern und Musi- für uns didaktische Inputs. Rund um die einzelnen Ballon «Breitling Orbiter», von Peildaten eines mit kern aber auf eindrückliche Art und Weise. Im Blick Stücke versuchen wir dem Publikum zu vermitteln, einem Sender ausgerüsteten Storchs, von den Um- auf das Musikfestival Bern änderte das Trio sein woher die Daten stammen, die wir als Grundlage laufgeschwindigkeiten der Planeten des Sonnen- Programm: «HUGO in the Sky (no Diamonds)» ori- verwendet haben. Weiter versuchen wir zu zeigen, systems, von einem Swiss-Linienfl ug Kloten – Tokyo entiert sich nicht länger an DNA-Codes, sondern an wie wir diese Daten umgewandelt haben und wel- oder aus der Klimastation Bern Liebefeld. gesammelten Daten aus der Atmosphäre und dem che wissenschaftlichen Zusammenhänge dadurch Was steht eigentlich hinter dem Namen Universum. Ein Gespräch mit HUGO über Musik und hörbar werden. Der letzte Punkt ist zentral für uns: HUGO? Wissenschaft. Die ungewöhnliche akustische Darstellung wissen- HUGO ist eine Anlehnung an das internationale schaftlicher Daten kann nämlich auch zu Erkennt- Programm zur Entschlüsselung des menschlichen ensuite – kulturmagazin: Musik, basierend auf nissen führen, welche beim Publikum immer wieder Genoms, das den Projekttitel HUGO trug: Human wissenschaftlichen Daten. Was muss man sich Aha-Erlebnisse auslösen. Genome Organisation. darunter vorstellen? Wie werden Zahlen zu Mu- Zum Beispiel? Wie entstand die Idee, Naturwissenschaft und sik? Für «HUGO in the Sky» spielen wir Stücke, die Musik zu verschmelzen? HUGO: Die Grundlage unserer Musik sind tatsäch- auf Daten basieren, welche mit der Atmosphäre Das Projekt war vor allem die Idee von Daniel lich wissenschaftliche Daten. Etwas äusserst Trocke- oder dem Universum in Verbindung stehen. Ein Schümperli. Als Molekularbiologe und Improvisati- nes also. Diese Daten wandeln wir nach bestimmten Stück haben wir aus dem alten Programm «HUGO onsmusiker ist ihm die Verschmelzung von Wissen- mathematischen Algorithmen um. Und zwar in ein hat Töne» beibehalten. Darin geht es um eine Viel- schaft und Kunst schon lange ein Anliegen. Durch für die Herstellung von Musik sinnvolles Format: zahl von Vogelarten, von welchen uns Daten über seine Frau, die bildende Künstlerin ist, fi elen ihm Frequenzen, Lautstärken oder Tonlängen. Aus die Grösse ihres Lebensraums und dessen durch- immer wieder Parallelen zwischen Avantgardekunst der Kombination und Abfolge dieser drei Grössen schnittliche Meereshöhe sowie über die Bedro- und Wissenschaft auf. Zwei solche Parallelen sind ergibt sich Computermusik, welche als Grundgerüst hung der Art zur Verfügung stehen. Das Stück ist beispielsweise die Teamarbeit oder das Arbeitsge- unserer Musik dient. Dieser Schaffensprozess ge- so aufgebaut, dass das Artensterben aus der Musik biet: In der Wissenschaft wie in der Avantgarde- staltet sich für uns immer wieder äusserst lustvoll heraus hörbar wird: Den nach absteigender Grösse kunst bewegt man sich auf Neuland und wird von und lässt den Aspekt des «Augenzwinkerns» nie zu geordneten Daten über die Lebensräume werden der Gesellschaft nur am Rande wahrgenommen. kurz kommen. Töne zugeordnet, die je nach Bedrohung der Art Mit der Idee, diese zwei Welten zusammenzubrin- Eine elektronische Abfolge von Tönen als lauter oder leiser sind. Die letzte «gespielte» Vogel- gen, stellte Schümperli 1996 ein kleines Projekt auf Grundgerüst also. Was geschieht nun damit wei- art ist in der Natur bereits ausgestorben. Der die- die Beine. Unter dem Titel «Naturwissenschaft und ter? ser Vogelart entsprechende Ton erklingt demnach Musik» setzte er zusammen mit Rudolf von Steiger Bei unseren Konzerten improvisieren wir zu die- sehr laut. Diese Dramatik unterstützen wir mit einer Daten von Sonnenwindmessungen in Musik um. ser synthetischen Musik mit Kontrabass und Klari- sehr zurückhaltenden Improvisation, die sich weit- Nach einer längeren Pause entstand dann 2001 nette. Die Improvisationen gestalten wir nach einem gehend auf Hintergrundmusik beschränkt. Dazu im Zusammenhang mit dem Festival «Science et groben Konzept weitgehend frei. Jede Aufführung spielen wir parallel Vogelstimmen ein, die teilweise cité» das Projekt «HUGO hat Töne» und damit die klingt demnach anders. Beim neuen Programm von den immer hektischer werdenden Computertö- Umsetzung einer von Daniel Schümperli schon lan- werden wir, stärker als zuvor, zusätzlich auch die nen verdeckt werden. Die ZuschauerInnen erfahren ge gehegten Idee: Die Vertonung von Erbstruktu- computergenerierte Musik live modifi zieren. Seien das Vogelsterben so hautnah. Viele BesucherInnen ren, den DNA-Codes. Die Rückmeldungen nach dem es Tempo-, Tonhöhe- sowie Dynamikveränderungen erzählten nach unseren Konzerten, sie hätten dabei Festival waren derart positiv, dass ein Engagement

8 ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 MMusikusik KOMMENTAR das andere nach sich zog. Eine kleine Europatour- nee führte uns nach Finnland, Litauen und Amster- dam. Im Frühling des vergangenen Jahres spielten von vertonten steinen und wir auch im Rahmen der Ausstellung «GENESIS – Kunst der Schöpfung» im Zentrum Paul Klee Bern. Die Vorstellung von Phytagoras, dass das anderen himmelsgeschichten Universum nach den gleichen Verhältnissen wie Von Hannes Liechti – Gedanken zum Musikfestival Bern 2009 die Töne untereinander geordnet sei, ist ein his- ■ Grundsätzlich ist ein vielfältiges kulturelles Pro- zu besuchen. Ein Festival ohne Charme und Wärme. torisches Beispiel dafür, dass es schon früher gramm in der Hauptstadt durchaus zu befürworten Das muss sich dieses Jahr nicht unbedingt wiederho- Versuche gab, Musik und Wissenschaft zu ver- und zu unterstützen. Dazu gehören auch Veranstal- len: Auf dem Papier existiert ein durchaus attraktives binden. Wie steht HUGO zu dieser Tradition? tungen wie jene des Berner Musikfestivals, welches Gesamtkonzept. Sternkonstellationen verbinden die Wir wissen zwar, dass es frühere Versuche gab dieses Jahr nach dem «Veress-Jahr» 2007 zum zwei- einzelnen Konzerte miteinander und das Festival- und auch immer noch gibt, Musik und Wissenschaft ten Mal stattfi ndet. Trotzdem scheint mir die Umset- programm wird durch eine ornithologische Führung zusammen zu führen. Es war aber nie in unserem zung des Festivals, zumindest im Vorfeld, nicht auf sowie durch Sternbeobachtungen in der Sternwarte Sinne, diese Tradition aufzunehmen oder gar be- voller Länge geglückt. bereichert. Die Umsetzung dieses Programms in ein wusst weiterzuführen. Vielmehr begann unser Patchworkartiges Programm Das diesjährige Festival mit eigenem Charme ist aber etwas anderes Projekt aus einer eigenen Motivation: Musikinteres- Thema lautet passend zum Internationalen Jahr der und man darf gespannt sein, ob es dieses Jahr ge- sierte sollten einen neuen, unverhofften Zugang zu Astronomie «Musik vom Himmel». Gut, hat man sich lingt. wissenschaftlichen Informationen erhalten. Auf der nicht wieder für einen Komponisten entschieden, fi n- Heiligenfi gürchen aus Stein Neben den regulä- anderen Seite eröffnen wir den an Wissenschaft In- den dieses Jahr doch bereits genug Veranstaltungen ren Abonnementskonzerten wartet das Programm teressierten einen Zugang zu neuer Musik, speziell rund um die Jubilare Händel, Haydn und Mendels- auch mit einigen spezielleren Veranstaltungen auf: zu improvisierter Musik. sohn Bartholdy statt. Unter dem Motto «Musik vom Darunter die Konzerte von HUGO (Siehe Interview Welche Rolle spielt die Improvisation inner- Himmel» lässt sich allerdings fast alles unter einen Seite 10), ein Konzert mit römischer Mehrchörigkeit halb eures Projektes? Dient sie zur Emotionali- Hut bringen, zumindest wenn der Himmel in seinen und zahlreiche Konzerte zum «Himmlischen Hof» des sierung der trockenen Daten? zwei Bedeutungsebenen, der religiösen und der as- Berner Münsters. Die Idee klingt vielversprechend: Im Wir sehen die Improvisation als entscheidenden tronomischen, betrachtet wird. Bezeichnend ist das Rahmen eines Förderprojektes komponierten Studie- Motivationsfaktor. Sie stellt unseren musikalischen Konzertprogramm des Jugend Sinfonie Orchester rende von Schweizer Hochschulen Stücke zu den to- Hintergrund dar und stand so als fi xe Gegebenheit des Konservatoriums Bern. Neben der Filmmusik zu tal 87 Heiligenfi gürchen, die sich im Berner Münster am Beginn unseres Projekts. Die freien Elemente «Star Wars» von John Williams wird eine wilde Reise im sogenannten «Himmlischen Hof» befi nden. Aller- entstehen im Wechselspiel zwischen Lukas Frey durch die Musikgeschichte angekündigt: Angefangen dings stellt sich hier die Frage nach dem Sinn dieser und Daniel Schümperli (neuerdings improvisiert im Wien der Vorklassik bei Carl Ditters von Ditters- Veranstaltungsreihe, wenn Kompositionen bereits in auch Rudolf von Steiger vermehrt mit Computer- dorf über das Musikdrama «Tannhäuser» von Richard einem anderen Zusammenhang aufgeführt wurden musik-Elementen). Die Instrumente Klarinette und Wagner bis hin zu Glen Millers «Moonlight Serenade». oder sich ein Dozent aus Zürich als Atheist damit be- Kontrabass liegen klanglich sehr nahe beieinander. Wo der Bezug zum Himmel ein stimmiges Programm gnügt, nur den «Stein» als solches zu vertonen und Oftmals verweben sich die beiden Instrumente in verhindert, ist andernorts das Gegenteil der Fall: Das die Bedeutung der Figur selbst unbeachtet lässt. Nun, ein einziges «Hyper-Instrument». Wir bedienen uns Konzert des Ensemble Accordone dreht sich rund das Publikum, das in der Kirche sitzt, erfährt davon dieser Nähe teilweise auch als Stilmittel. um die «Sternstunde der Musikgeschichte 1600». In nichts. Und warum komponiert ihr die Musik nicht? diesen Jahren entstehen zugleich Arie und Oper und Netzwerke stehen im Zentrum «Das Festival soll Unsere Stücke sind eigentliche Zwiegespräche eine neue, den Affekten der menschlichen Seele ge- helfen, die Berner Kulturszene vereint auftreten zu zwischen einer computergenerierten Sound-Welt widmete, musikalische Ausdruckskunst etabliert sich. lassen und somit besser zu vernetzen», sagt Hanspe- und im Moment kreierter, improvisierter Musik. Wir Ein zusammenhängendes Programm, das den Be- ter Renggli, Präsident des Vereins Musikfestival Bern. verstehen unsere Musik als eine Art Malerei, wel- zug zum Himmel, welcher sich letztendlich praktisch «Dabei wollen wir der Politik zeigen, wie vielfältig che das Stück verstärken und verdeutlichen soll, überall fi nden lässt, eher krampfhaft sucht. unsere Szene ist», erklärt er weiter. Die Herstellung und nicht, wie andere, als elementare Komponente, Dieser patchworkartige Charakter zeichnet das von Netzwerken innerhalb der Kulturszene steht also die mit viel Aufwand durchproduziert und -kom- gesamte Programm des Musikfestivals aus und ist im Zentrum des Festivals. Das ist schade, denn dazu poniert wird. Was aber immer ein entscheidender offenbar von dessen Organisatoren gewollt: «Die ist keine spezielle Festivalatmosphäre notwendig und Faktor bleibt: Am Schluss wollen wir ein interessan- Vieldeutigkeit des Mottos ist bewusst gewählt und ge- die Gefahr eines elitären Stelldicheins besteht. Es tes Stück und ein abwechslungsreiches Gesamt- währt den Veranstaltern einen entsprechend grossen wird auch nicht versucht, neue Publikumsschichten programm, das vermittelt, zum Nachdenken anregt Handlungsspielraum», schreibt das Musikfestival in für klassische Musik zu begeistern. Gerade dazu wür- und auch unsere Spielfreude spürbar macht. einer Pressemitteilung. de sich ein solches Festival jedoch vorzüglich eignen. Daniel Schümperli, Lukas Frey und Rudolf von Ein Festival ohne Charme und Wärme Das viel- Hanspeter Renggli entgegnet: «Es ist eine Illusion zu Steiger, vielen Dank für das Gespräch. schichtige und abwechslungsreiche Programm könn- meinen, dass es noch ein grosses Potential nicht er- te durchaus auch als Chance begriffen werden. Für schlossener Publika gäbe.» Das mag so lange zutref- HUGO in the Sky (no Diamonds) eine erfolgreiche Umsetzung wäre dann aber eine fen, wie sich das Festival innerhalb des traditionellen Daniel Schümperli (Molekularbiologe, Klarinette); unverkennbare Festivalatmosphäre von Nöten. Eine Rahmens bewegt. Wie wäre es aber mit einem Sym- Lukas Frey (Geograf, Kontrabass); Rudolf von Stei- solche fehlte bei der ersten Ausgabe des Festivals vor phoniekonzert im Dachstock der Berner Reitschule ger (Astrophysiker, Computer) zwei Jahren jedoch gänzlich. Das Festival wurde zwar oder einer Klassikdisco in einem Berner Club mit DJs, in einem einheitlichen Programm als solches ange- welche mit ihren Remixkünsten eine Symbiose von Freitag, 24. April, 21:00h kündigt, war aber letztlich eine aus lose miteinander Techno und Klassik aufl eben lassen? Interessante Samstag, 02. Mai, 21:00h verbundenen Konzerten bestehende Veranstaltung. Ansätze würden beispielsweise das Variation-Projekt- ONO Bühne; Kramgasse 6, 3011 Bern Abgesehen von den omnipräsenten Festivalplakaten orchester aus Bern oder die recomposed-CD-Serie fand sich an den Konzerten nichts, was den Besu- der Deutschen Grammophon liefern. Auch das wären Info: www.molart.ch/hugo/ cherInnen ein Gefühl vermitteln konnte, ein Festival himmlische Klänge. ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 9 So, 12. April 2009, 20 h Dampfzentrale Bern ACCORDION TRIBE Guy Klucevsek (New York) / Otto Lechner (Wien) / Maria Kalaniemi (Helsinki) / Bratko Bibic (Ljublijana)

Fr. 40.– (Fr. 30.– ermässigt) VVK: www.starticket.ch Infos: www.dampfzentrale.ch BBühneühne SENIOREN IM WEB

Von Willy Vogelsang, Senior

■ Leben Sie schon im digitalen Zeitalter? Oder hat Ihre Armbanduhr noch analoge Zeiger? Wie die Kirchturmuhr oder die Bahnhofsuhr? Oder werden diese am andern Ende auch digital ge- steuert? Bei der Umstellung auf die Sommerzeit kam es mir jedenfalls so vor, als die Zeit plötzlich schneller ablief. Was ist denn heute noch nicht digitalisiert? STADT THUN Längst sind unsere Langspielplatten und Grammo- phone veraltet; Tonbänder oder Kassettengeräte verstauben in den Gestellen; Pendulen hängen 50. schweizer künstlerbörse nur noch zur Zierde an der Wand; Wählscheiben- Von Tabea Steiner Bild: Preisträger Yann Lambiel / zVg. telefone wurden durch winzige Knöpfchenhan- ■ Wie immer im Frühjahr trifft sich in Thun im und Sekundenbruchteilen in Politiker oder Prominente dys abgelöst; Filme für den Fotoapparat sind ver- rund um den Schadausaal die gesamte Schweizer und imitiert sie unverkennbar. Eine kleine Geste, gessen; Fernseh- und Radiosignale werden digital Kleinkunstszene, um die Kleinkunst zu zelebrieren, ein Augenzwinkern reichen aus, um zu erkennen, ins Haus geliefert. um Künstlerinnen und Künstler auszuzeichnen, wen Yann Lambiel imitiert. In der Deutschschweiz Aber so richtig bewusst geworden ist mir der aber auch um auszutauschen und die neuen Pro- ist der gebürtige Walliser noch weitgehend unbe- Begriff eigentlich erst, seitdem ich digital foto- duktionen zu präsentieren. In diesem Jahr gibt es kannt, in der Romandie hingegen zieht er das Pub- grafi ere und am PC die Bilder bearbeite, sprich einen besonderen Anlass zu feiern: Die Künstler- likum in Scharen an. Yann Lambiel ist in welschen «entwickle». Als Jugendlicher habe ich noch börse wird zum 50. Mal durchgeführt und soll ge- Radios omnipräsent, gestaltet diverse Sendungen in alten Salatschüsseln die Direktabzüge von bührend gefeiert werden. und füllt in Montreux das Auditorium Stravinsky. 6x9cm-Negativen gebadet und fasziniert das An der Künstlerbörse haben Künstlerinnen und Der zweite Preis, der an der Kleinkunstgala ver- entstehende schwarz-weisse Bild beobachtet. Künstler aus der freien Theaterszene die Gelegen- liehen wird, ist der Innovationspreis «SurPrix». Im Diese Faszination hat mich wieder eingeholt, als heit, ihre neuen Produktionen einem breiten Publi- letzten Jahr ging er an das Duo Zimmermann de ich nach der Pensionierung eine Digitalkamera kum vorzustellen. Jede Produktion erhält zwanzig Perrot für deren Produktion «Gaffaff»; ihre neue kaufte und mich entsprechend weiterbildete. Minuten Zeit auf einer der vielen Bühnen, und das Produktion «öper öpis», mit welcher sie im Schiff- Nicht ganz unschuldig sind dabei das Internet Publikum, das aus Veranstaltern, Fachpublikum und bau Zürich gastierten, war immer ausverkauft. In und unter anderen die Seite des seniorweb.ch! Kulturinteressierten besteht, hat die Gelegenheit, diesem Jahr geht der Preis wiederum an eine oder Hier fi nde ich Gleichgesinnte, den Erfahrungs- sich einen Überblick zu verschaffen über das aktu- einen innovativen Kunstschaffenden, doch wird austausch, Hinweise auf Kurse, Tipps und Tricks. elle Schaffen auf und hinter den Kleinkunstbühnen der Name erst an der Gala bekannt gegeben – sur- Aber am meisten Spass und Befriedigung macht der Schweiz. Längst ist mit Kleinkunst nicht mehr prix eben. Mit Sicherheit kann aber schon vorweg- es, die eigenen Bilder sofort und ohne kompli- etwas gemeint, das hinter einer «grossen Kunst» genommen werden, dass auch diese Formation ziertes Verfahren in Forenbeiträgen hochzuladen anstehen müsste, vielmehr umfasst dieser Begriff weiterhin von sich hören lassen wird. und den anderen zu zeigen. all das, was auf Kleinbühnen in Kleintheatern al- Die Börse Ein Event der einmaligen Art ist auch Das wirkt ansteckend! Es ist erstaunlich, wie les Platz hat. Und das ist viel. Das Spektrum in der «die Börse», der eine Woche vor der Künstlerbörse viele Seniorinnen und Senioren unterdessen mit Kleinkunstszene – und also auch an der Künstler- stattfi ndet. Zum Anlass der 50. Schweizer Künst- einer kleinen Knipse – und neuerdings mit dem börse – ist vielfältig und reicht von Kabarett über lerbörse haben verschiedenste Prominente aus Handy – angefangen haben, ihren Alltag oder Tanztheater zu Acapella-Chören und Poetry-Slam. Politik, Sport, Kultur und Gesellschaft der Künst- ihre Umgebung, ihren Hund oder die Katze durch Die Gala Die 50. Schweizer Künstlerbörse lerbörse einen Gegenstand geschenkt, der am 12. die Kamera zu beobachten und festhalten zu ler- dauert vom 15. bis am 19. April und wird mit der April, Ostersonntag, versteigert wird. Die Auktion nen. Die dabei entwickelten vielfältigen Ideen, Jubiläumsgala im Schadausaal Thun eröffnet. wird von Monika Schärer und Urs Wehrli, männli- Phantasien und Techniken spornen zudem an, Zum besonderen Geburtstagsanlass wird auch cher Part von Ursus & Nadeschkin, moderiert. Der sich laufend zu verbessern und die Kenntnisse zu ein besonders reichhaltiges Programm zusam- Erlös der ersteigerten Gegenstände kommt voll- erweitern - oft auch in der Wahl der sogenannten mengestellt. An der Gala, die einen Tag später, am umfänglich der Schweizer Kleinkunstszene zugute. Hardware, der Kamera oder der Bildbearbeitungs- 16. April, wiederholt und ausserdem auf den ers- So dürfte denn das Buch von Moritz Leuenberger, soft ware! ten vier Radioprogrammen live übertragen wird, «Lüge, List und Leidenschaft», mitsamt dem dazu- Letztere gehört meines Erachtens zwingend treten unter anderen Erika Stucky, Dodo Hug, gehörigen Le-Corbusier-Sessel einiges zum Wohl- dazu, denn erst am Bildschirm wird die Aufnahme Manuel Stahlberger, Michael von der Heide und befi nden der Schweizer Künstler beitragen, eben- zu dem gemacht, das heisst gerichtet, geschnit- Ursus & Nadeschkin auf. Die Gala wird von Anne so wie die Schuh-Shopping-Tour mit Beat Schlatter, ten und in Kontrast und Schärfe so verändert, Baecher Savary und Flurin Caviezel in allen vier Roger Federers Stirnband oder das zerschossene wie wir das Bild zeigen möchten. Die Digitalisie- Landessprachen moderiert, Höhepunkte der Gala Olympiade-Snowboard von Tanja Frieden. Eine rung macht es möglich; auch Ihnen! werden die Preisverleihungen sein. Der Schweizer witzige Angelegenheit jedenfalls für all jene, wel- Lassen Sie sich überraschen. Kleinkunstpreis 2009 geht an Yann Lambiel, der che keine Lust haben auf geschmolzene Schoggi- für seine unglaubliche Imitationsgabe und seine hasen und Osterstau; und wer nicht vor Ort im www.seniorweb.ch intelligente Unterhaltungskunst ausgezeichnet Schadausaal Thun mit dabeisein kann, der hat die wird. Der Komiker verwandelt sich innerhalb von Möglichkeit, auf dem Internet live mitzusteigern. ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 11 BBühneühne

TANZ DER GEGENWART: FOLGE IX alter im tanz Von Kristina Soldati - Die erste Companie für Tänzer im Ruhestand Bild: Mikhail Barschnikov und Ana Laguna in The Place von Mats Ek / zVg. ■ Nein, eine Companie für alte Tänzer könne man nur eine Seite. Die andere ist, dass die Mitglieder kommt die Besonderheit der Kunst von Terpsicho- sich nicht vorstellen, erwiderte das französische alle ein beachtliches schauspielerisches Talent re, dass ihre Schöpfungen nicht ohne Interpreten Kultusministerium dem 50-jährigen Tänzer Gérard haben. Kein Wunder, dass Gastchoreografen wie existieren. Sie werden nicht im stillen Kämmerlein Lemaître.1 Seinen Plan, eine ebensolche Truppe zu William Forsythe in «Marion/Marion» (1991) just gebraut, dort nicht zwischengelagert noch konser- gründen, erzählte er daraufhin Sabine Kupferberg, diesem Talent zur Wirkung verhalfen. Diese Idee viert - wobei Bytes und Digits nun Abhilfe schaf- langjährige Tänzerin am weltweit renommierten ist aber nichts Neues. Das theatralische Potential fen. Das köstliche Produkt wird dort nicht einmal Nederlands Dans Theater (NDT). Diese plauderte reifer Tänzer hatte bereits das klassische Ballett, vernascht. Obwohl youtube uns Kostproben bietet. den Plan aus, keinem geringeren als Jiri Kylian, ih- vereinzelt zwar, in Szene gesetzt. Beispiel: Der Die vielleicht lebendigste Kunstform entsteht, wo rem Partner und Direktor von NDT. Innerhalb eines grollende Zauberer Rotbart in Schwanensee. Die der Zubereiter auf seine auserlesenen Zutaten Dreivierteljahres stand die Truppe, genannt NDT 3. Rollen reifer Tänzer lieferten das nötige Gewicht (die Tänzer) trifft und ist geniessbar nur, wo sie Anfangs mit Argwohn beäugt, hatte das NDT 3 für dramatische Wendungen. Wir leben inzwischen uns frisch aufgetischt wird. Wen wundert’s dann, viel zu beweisen: Dass es sich qualitativ einreihen in Zeiten, da nicht breit angelegte Handlungsbal- dass die am Markt besorgten zarten Beigaben das kann hinter NDT 1 und NDT 2 (Junioren) und trotz- lette zu besetzen sind und Tänzer keine Individuen Werk würzen und den Geschmack bestimmen? dem künstlerisch Profi l zeigt. Die Welt war neugie- aus einem klar umrissenen Libretto verkörpern Wen mag befremden, dass Choreografen‚ selbst rig, denn das Konzept war ein Novum. Namhafte müssen. Reife und markante Persönlichkeiten ste- alternde, vom «jungen Gemüse» sich und ihre The- Choreografen, die das Parkett des NDT schon hen in zeitgenössischen Stücken nicht grollend- men beleben lassen? Zumal es scheinbar mühelos kreuzten, sahen sich nun vom NDT 3 gefordert: beschwörend für einen konkreten Hofkanzler nachwächst? Ausnahmen sind da umso frappieren- thematisch, technisch und ausdrucksmässig. Rotbart oder allegorisch für einen bösen Zauber. der: Merce Cunningham bedient sich zwar junger Ausdruckskraft Die «Tänzer über 40» (Sabi- Mittlerweile kann das Alter für sich stehen und als Tänzer, um den computergenerierten Life-Forms- ne Kupferberg, Martine van Hamel, Gary Chryst, solches verhandelt werden. Werke, die dies anpa- Figuren zu Leibe zu rücken. Für seine persönlichen Gérard Lemaître u.a.), wie sich die Gruppe gerne cken, sind im Tanz ein Novum. Auftritte hingegen behielt er sich das Recht vor, nannte, hatten alle eine starke Persönlichkeit und Seltenes Tanzthema: das Alter Es ist eine He- den authentischen Merce, das zunehmende Ge- geballte Präsenz auf der Bühne. Diese konnte ein rausforderung für den Tanz, das Alter in den Blick- brechen bis ins hohe Alter vorzuführen. Er setzte Choreograf nicht so leicht übergehen wie Petipa punkt zu rücken. Sie ist die einzige Kunstsparte, sich als Kontrapunkt zum ohnehin postmodernen es vor hundert Jahren bei der Schaffung seiner die erfolgreich genau dieses Phänomen aus ihrem Patchwork und wirkte wie eine wandelnd-hinkende Schwäne tat. Die idealen Interpreten dieser Ge- Bewusstsein bannte. Während die Schwestern- Signatur im Bild. Eine weitere Ausnahme bildet das schöpfe konnten, ja sollten blass sein wie ein un- künste Stücke wie «Minetti» auf die Bühne brin- Tanztheater von Pina Bausch. Sie nimmt erst gar beschriebenes Blatt. Den Mitgliedern des NDT 3 gen und ihre Handlanger mit Feder, Pinsel oder keine blutjungen Tänzer mehr in ihre Companie dagegen hatten Zeit und Erfahrung charakteris- Bogen in der Hand wie guter Wein reifen, präsen- und freut sich, Gesellschaftskritik mit reifen Tän- tische Züge geschnitzt. Erzählt ein gezeichnetes tiert sich der Tanz wie ein ewiger Jungbrunnen. zern zu betreiben. Gesicht allein schon Geschichten? Vielleicht. Die Es gibt selbstredend einen Unterschied, ob der Dramatik: Trumpf oder Krücke? Der Stellen- Gesten, aber auch deren charakteristische Bewe- Schöpfer, der Interpret oder sein Werkzeug altert. wert anspruchsvollen reinen Tanzes hat sich im gungsart sind von sich aus «beredt». Das ist aber Zerschlissene Federn, Pinsel und Bögen werden Laufe Pina Bauschs Werkgeschichte verringert. 1 Die Dialoge des NDT 3 sind dem Dokumentarfi lm «Can’t stop ausgewechselt. Im Tanz jedoch entfällt mit dem In «Orpheus und Eurydike» (1975) trieb der Tanz know» (1998) entnommen. Produced by: Productions En Commun Werkzeug, dem Körper, auch der Interpret. Hinzu noch die Handlung voran, in späteren Stücken and Stormy Nights Productions.

12 ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 BBühneühne wich er zunehmend dem Wort und der Geste. Pina gar nicht mehr bewegen können, das Licht wird Lande heute noch. Bausch soll einmal sinngemäss dazu gesagt haben: dunkler und wir entfernen uns im Laufe des Wie- Das Gebrechen als Sujet Selten, aber immer «Ich respektiere die Tanzbewegung viel zu sehr, als genlieds.» Ob damit den Frauen diese Nacht nur häufi ger, wird in den aufführenden Künsten das dass ich sie überall einsetzte. Sie ist wie ein wert- die Kraft ausgeht oder allgemein den Müttern im körperliche Gebrechen thematisiert. Unsere Ge- voller Anzug: Er muss gut platziert sein.» Weisheit Laufe der Jahre, das Werk bleibt eine Widmung an sellschaft hält auf political correctness. Die «New oder Alterserscheinung? Der Name Tanztheater die Hingabe. Bis zur Aufl ösung. Getanzt von Frau- York Times» sah genau darin ein mögliches Motiv ist redlich, er verspricht nicht mehr. en, denen versiegende Kräfte nicht fremd sind. für unsere zunehmende Akzeptanz. In den letzten «Man muss sich nicht verleiten lassen, nur um Den Blick auf einen Lebenszyklus in Partner- Jahren scheut man weniger, Behinderte und eben etwas Langsamkeit ins Spiel zu bringen, den ‹Tän- schaft gewährt uns der Schwede Mats Ek. Der auch Ältere auf die Bühne zu laden. Gemischt ar- zern über 40› Dramatik auf den Leib zu schnei- zur Regiearbeit gebildete Meister der Psycholo- beitende Gruppen spriessen aus dem Boden: «In- dern», meinte Patrick Delcroix, ein Gastchoreograf gie fand vor Jahrzehnten seine Muse in der wohl tegrative Tanzperformance» nennt sich das. Mag des NDT 3. Gesagt, getan: Mit «Grain de Folie» begabtesten modernen Tänzerin Ana Laguna. dahinter nun tatsächliches Engagement stecken, (1997) versetzte er die vier Companiemitglieder in Indem sie mit ihren gut fünfzig Jahren immer eine Mode oder verlockende Subventionen. Tatsa- einnehmende Unbeschwertheit. Wenn ihr selbst- noch eine tanzende Eingebung für ihn ist und sie che ist, dass der zeitgenössische Tanz dafür den vergessener Witz, eine Mischung aus Burleske beide zudem alle Facetten einer reifenden Part- Weg geebnet hat: Er kehrte jedem Ästhetizismus und Slapstick, unschuldig daherkommt, wird Alter, nerschaft leben, haben sie die Tanzwelt mit «The den Rücken und mancheiner steuerte zu den elend- das sich nicht Ernst nimmt, sympathisch. Patrick Place» (2007) um ein anspruchsvolles Werk für verwandten Windungen gar ein System bei (mit scheint den Mitgliedern aus dem Herz zu spre- das neuentdeckte Sujet «Alter» bereichert. Ein der CD-Rom «Improvisation Technologies» legte chen. «Mit fünfzig habe ich Gefallen am Amüse- asketisches Inventar, ein Teppich mit Tisch darauf, William Forsythe einen Grundstein, vgl. ensuite ment des NDT3 gefunden, mit sechzig erst recht», ist alles, was Mats Ek braucht, um ein differenzier- Nr. 64). Tonangebend war besonders der Belgier meint Gérard Lemaître, «ich habe nicht mehr das tes Bild einer alternden Beziehung zu zeichnen. Alain Platel, der nach seiner heilpädagogischen Gefühl zu altern.» Sabine Kupferberg und Gérard Unter den Teppich kann man viel Vergangenes Arbeit mit Behinderten in seinen Choreografi en fallen einander neckisch ins Wort: «Ja, vielmehr kehren, man kann sich gleich dazulegen, wie Ana überkommene emotionale und bewegungssprach- zu verjüngen!» «Wir forcieren es aber nicht...» «- Laguna es tat, um ihrem Bühnenpartner Mikhail liche Barrieren einriss. Die Tänzer von Les Ballets nur einmal schenktest du mir ein Tübchen Augen- Baryschnikov eine Solopartie zu überlassen. Er C de la B studierten mit ihm Filmaufnahmen pa- Lifting…» «Ja, und schau wie schön du nun bist!», rückt sich ins rechte Licht, wenn er sich auf die thologischer Fälle des Neurologen Oliver Sachs. lacht Sabine. Zum NDT 3 habe das Publikum einen Tischplatte hochschnellt. Sonst dient diese, dem Foofwa d’Immobilité, ein begnadeter Schweizer unmittelbaren Zugang gefunden. Es könne sich Partner zuvorkommend, die combrés enarrières Tänzer, setzt sich in seinem soeben uraufgeführ- leichter mit ihnen identifi zieren als mit den makel- (Rückenbiegungen) abzufangen oder sich schnel- ten Stück «Chore» mit dem Tourette-Syndrom losen Jüngeren, heisst es in ihrem Dokumentar- ler zum Gegenüber mit Windmühlen-Beinen hin- und der Symptomatik der Chorea auseinander. fi lm. überzuschwingen. Ihre Beziehung ist so vielseitig Das vererbte Selbstverständnis des Künstlers als Altersspezifi sche Themen Es gibt im Reper- wie ihr Umgang mit dem Mobiliar. Mal schleppt sie Bürgerschreck, aber auch das der idealistischen toire des NDT 3 auch eine ernsthafte künstlerische ihn samt Teppich quer über die Bühne, mal träu- tabubrechenden 68er leistete dem neuen integ- Auseinandersetzung mit dem Alter und seinen men sie Seite an Seite einer Vision entgegen, hoch rativen Tanz Geburtshilfe. Der Tanzfi lm «The Cost Themen. «Silent Cries» schuf Kylian seiner Frau oben auf dem (mit Teppich) gedeckten Tisch. Ihr Of Living» (2004) vom DV8 Physical Theatre mit 1986, wenige Jahre bevor sie die Arbeit mit der Angesicht silbern erstrahlend. Doch enden wird es einem beinlosen Hauptdarsteller ist ein solch ge- Hauptcompanie aus Altersgründen aufgab. Bei der umgekehrt: Der sechzigjährige Baryschnikov tritt wagtes Produkt. Da nehmen sich die Auftritte und Wiederaufnahme für das NDT 3 suggeriert er Sa- ab, der Tisch trauert mit allen Vieren gen Himmel Dokumentarfi lme wie «Tanz mit der Zeit» (2007) bine bei den Proben: «Du musst durch diese Glas- und Ana Laguna zuckt fragmentiert, bis das Licht ergrauter arthrosegeplagter Tänzer vergleichs- scheibe schauen wie auf dein Leben, betrachte es: erlöscht. weise harmlos aus. So war’s, ja. Du musst loslassen können: Schön Zwei Stars über physische Bewältigung «Mit Künstlerisch aufgearbeitet ist der Werdegang war’s. Adieu!» Kylian präsentiert uns den (Rück-) sechzig Jahren kann ich nicht mehr alles tanzen. zum Gebrechen des Alters in «Nocturne» (1993). Blick auf einen Lebenszyklus, von der unschuldig Ich wähle mir die Choreografen aus, die mir zusa- Martha Clarke zeichnet die Entwicklung einer Tän- daherkommenden Kindheit, staksend wie ein Reh gen. [...] Mats Eks Stücke fordern den Körper und zerin vom Schwan zum Gang am Stock für das NDT mit furchtsamen Augen, bis hin zum Abschied. den Geist heraus. Sie sind hart für den Rücken 3 nach. Interessant an der «Nocturne» ist, wie die In «Way alone to somebody no longer here» und die Knie. Bei Mats Ek trägt jede Bewegung Scham, die jedes Gebrechen begleitet, sich aus (1998) behandelt Kylian Trauerarbeit in der Ein- eine Bedeutung, obwohl sie nicht narrativ ist», einem poetischen Bild entwickelt. Der Schwan in samkeit. Ein brennendes Thema für das Alter, sagte Mikhail Baryschnikov vor der Aufführung weissem Tüll ist am Oberkörper bar jeder Be- das sich zunehmend von seinen verscheidenden in Lausanne zu «Le Temps». Ana Laguna gesteht deckung. Der Kontrast ist eindrücklich, zumal Freunden zurückgelassen fühlt. In «No sleep till ensuite - kulturmagazin: «Ich hatte in der Ausbil- über ihrem Gesicht Stoff, ein Schleier, wieder zur Dawn of Day» (1992) möchte Kylian nach seinen dung in Spanien gelernt, mit der Technik Gefüh- Verfügung steht. Die sonst so stolzen Flügel aus eigenen Worten die zeitlose Klage der Mütter ver- le auszudrücken. Tanz ist eine Sprache. Ich kann dem Schwanensee hängen wie gebrochen vor der tanzen, wie sie sich ausser Stande fühlen, ihr Kind schon seit zehn Jahren keine Rückbeuge wie frü- Brust, um den Mangel zu kaschieren. Während die zu trösten. Zwei Frauen tanzen auf ein Wiegenlied her machen. Was ich aber im Auge behalte, sind Tänzerin Bourrés, Arabesquen und gar Sissonnes der Salomon-Inseln, das unter die Haut geht. Beide, die jeweiligen Gefühle, die zum Ausdruck kommen (gesprungene Arabesquen) barfuss in federleich- in schwarz gekleidet, gehen mit den schaukelnden sollen. Nicht die gewählten ‹Worte› sind entschei- tem Tüll vollführt, lastet oben schändlich das Man- Wogen der Musik mit und brechen sie doch immer dend. Ein hohes développé [ein sich in die Höhe ko. Bis die Krümmung der Tänzerin am Ende so wieder ein. Ihre vorerst ausholende Bewegung be- entfaltendes Bein] ist schlicht ein anderes ‹Wort› zunimmt, dass nur noch ihr Stock zählt. schreibt Sabine Kupferberg im Verlauf wie folgt: als ein tiefes. Ein tiefes kann genauso gewichtig Tanzwerke durch Generationen geschleust «Am Ende tanzen wir unisono. Wir tanzen dassel- und bedeutsam sein.» Auch wenn sie keinen Rat Ob Werke selbst altern und was an ihnen zeitlos be und werden älter und älter dabei. Wir fangen auf den Lippen hat, wie man im Tanz würdevoll al- bleibt, ist eine spannende Frage. Zumal im Tanz, mit grossen Bewegungen an, sie werden immer tert, hält sie das Tanzen an sich für zeitlos. In den wo das Werk von der Interpretation nicht ablösbar schwächer und kleiner und älter, bis wir uns fast meisten Kulturen tanze jede Generation - auf dem ist. Hier sind zwei Beispiele, wo Künstler ihr Stück ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 13 BBühneühne Bild: NDT 3 in Jiri Kylians «A Way a Lone» / Joris Jan Bos AUSBLICK TANZ

Peeping Tom: Trilogy Die erstickende Erfahrung des Züricher Publikums nach der Produktion «Caravane» (1999) - wer er- innert sich? - soll die beiden Choreografen Gabriele Carrizo und Franck Chartier zur Gründung der Truppe Peeping Tom, auf englisch ein Synonym für Voyeur, bewogen haben. In sieben Jahren entstand «Jardin», «Salon» und «Sous-sol», die uns mit viel Humor Ein- blick in das Spektakel eines Lebens gewähren, das sich zwischen Generation, dem Normalen und Ab- normalen und Kunstgattungen überschlägt. Das an Les Ballets C de la B geschulte Tanztheater Peeping Tom beleben nicht kategorisierbare, dafür exzellente Tänzer, hochbetagte Schauspieler sowie eine Sopra- nistin. Ort: Dampfzentrale, Marzilistr. 47, Bern Datum: 22., 23., 25. April, 20:00h einem Experiment unterziehen: Dem forcierten Ruhe in Adagios die Höhen zu erklimmen. Doch Angelj Preljocaj: Noces /Empty moves Generationenwechsel. dafür im Allegro: Aus dem Laufen heraus stürzt Einen wahren Leckerbissen bieten uns die Welschen. Der aufstrebende englische Choreograf Paul Ana ihren Kopf vornüber in die Tiefe und reisst aus Was macht es, dass wir für die französische Haute Lightfoot hatte schon seit längerem die pochen- dem Schwung ihr Bein seitlich im Halbrund hoch. Cuisine (aus dem Centre choréographique nationale den Anfangsschläge der ‹Schicksalssinfonie› Beet- Ein spannender und dynamischer, kaum festzuma- von Aix-en-Provence) den Röstigraben überqueren hovens im Ohr. Dazu reifte in ihm das Bild von chender Höhepunkt. Wenige Choreografen sind in müssen. Angelj Preljocaj, der in Paris und New York rieselndem Sand und einer Sanduhr. Als er einen der Lage, technischen Einschränkungen kreativ auftischt, ist ein zeitgenössischer Choreograf, aus Auftrag für ein Werk für das NDT 3 erhielt, nahm zu begegnen. Und einer beim Tanzen verspann- dessen technischem Anspruch die solide (auch Bal- die Idee Form an: Wie gebärden sich altersbewuss- ten Schulter den Tipp zu geben: «Beweg dich un- lett-!)Ausbildung hervorlugt. Von Merce Cunninghams te Leute angesichts ihrer ablaufenden Zeit? Beim aufhörlich mit den Armen mit, das lockert!», wie Einfl uss zeugt sein Stück «Empty Moves» (2007) zu NDT 3: mit Humor. Eine überdimensionale Sanduhr Kylian es mit sanfter Stimme tut. Wenige packen einer Tonspur mit John Cages Stimme. hängt bedeutsam über den Köpfen der vier Tänzer die Herausforderung an und suchen unverbrauch- Ort: L’Octogone Théâtre, Avenue de Lavaux 41, Pully und berieselt die Bühne. Gérard verstopft mit einer te (schon gar nicht der Revue und dem Vaudeville Datum: 17. April, 20:30h Hebung der Partnerin galant dem Sand die Bahn, entlehnte) Schritte. Wer die Qualitäten älterer Sabine wiederum schaufelt mit ihren Windmühlen- Tänzer verstanden hat, setzt auch nicht auf eintö- Zürich/Bern Armen den Sandstrahl auf die Umstehenden wie nige Langsamkeit oder Selbstbespiegelungen und Das Zürcher und Berner Publikum hat die Fäden in Wasser auf fremde Mühlen. Doch das Ende naht Ablenkungen mit Videoprojektionen. Der nutzt ihr der Hand in Foofwa d’Immobilités neuem interaktiven und die Musik erinnert an den Ernst. Als nun Paul Spiel mit der Energie und die Kontrastfähigkeit Stück «The Making of Spectacles». Lightfoot nach Schliessung des NDT 3 wegen Miss- ihrer Dynamiken, die gutplatzierte Gelassenheit, Ort: Fabriktheater Rote Fabrik, Seestrasse Zürich, wirtschaft im Jahre 2006 sein Stück am Leben er- weil Körperteile und ganze Muskelgrupppen wohl 044 485 58 58 halten will, unterzieht er es einer Verjüngungskur. mittlerweile wissen, dass es nicht ständig auf sie Datum: 2., 3. April jeweils 10:00h und 20:00 h Die virtuose Company Introdans macht sich mit alle ankommt. Ort: Dampfzentrale, Marzilistr. 47, Bern jugendlichem Elan heran und macht ein lustiges Wiederbelebungsversuche Das Konzept des Datum: 4. April, 20:00 h Sandspiel daraus. Adressiert an ein Publikum, das NDT 3 war gut, es hat sich über fünzehn Jahre be- dem Sandkastenalter gerade entwachsen ist (frei währt. Es hat bald Nachahmer gefunden wie das Ballnächte des Schweizer Tanzfestes ab 7 Jahren). 40 Up Project in New York. Andere öffneten sich Seit drei Jahren ist ein Wochenende des Jahres Auch Pina Bausch hatte die Idee, ihr Stück dem Alter wie Liz Lermans Dance Exchange oder schweizweit für den Tanz reserviert. Mehr und mehr «Kontakthof» (1978) verschiedenen Alterstufen Jean-Claude Galottas Dance Company mit seiner Kantone werden vom Fieber erfasst und machen auszusetzen. Sehr erfolgreich tat sie dies in den kürzlich in der Schweiz präsentierten Version von Platz zum Einstieg in den Tanz aus einer Palette von letzten Jahren und nannte es «Kontakthof mit «Ulysses». Warum sollte man gegen den (auch de- A wie afrikanisch bis Z wie zeitgenössisch. Damen und Herren über 65» (2000). Insofern die mographischen) Trend gerade das NDT 3 zu Grabe In Freiburg kann man mit Kylie Walters, Fabienne Aufforderung zum Tanz, das Thema des Stückes, tragen? Man hat sich deshalb im Nederlands Dans Berger und DaMotus aufs Parkett, in Bern animiert nur Verklemmungen, Kontaktunfähigkeit und eit- Theater um eine Wiederbelebung bemüht. Da eine Tangotänzerin, der derzeitige Ballettmeister les Gehabe aufbrechen lässt, ist keine Altersgrup- brach die Finanzkrise aus. Sie hat die Pläne und vom Theater und zwei in Rotterdam Ausgebildete der pe vor dieser (Selbst-)Kritik sicher. Unlängst liess Geldrücklagen vernichtet. «Einstweilen», heisst es Tanzszene die Ballnacht. In Biel belebt man die Fuss- sie das Stück gar von Teenies spielen. im Management. gängerzone, da Hiphop von der Strasse kommt, und Technische Herausforderung Unelastische zeigt tags darauf auf dem Ball allen, wie’s geht. Zürich Rücken und Knie haben uns die Stars als Schwach- bietet eine Nomadin, einen Zirkuskundigen und eine punkte genannt. Auch das Attackieren des Bodens, Tänzerin der erfolgreichen Produktion «Öper Öpis» indem man seinen Körper aufs Parkett brettert, WWW.TANZKRITIK.NET auf, um Stimmung in den Saal zu bringen. halten die Knochen nicht mehr aus, erklärte uns Info: www.dansetanzdanza.ch Ana Laguna. Mit Technik könne man aber viel wett- Die nächsten Folgen von «Tanz der Gegenwart»: Datum: 25. /26. April machen. Das Bein vermag zwar nicht mehr in aller X. Folge: Jenseits vom Tanz

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SOUL neun seelenverwandte verschreiben sich dem groove Von Antonio Suárez Varela -«Rhythm & Soul» aus dem Zürcher Oberland: Die Multikulti-Band The Soulmates

präsentiert ihr Débutalbum «From Now On» Bild: zVg. ■ Selten genug, aber immer öfter bringt die von Al Green. Nun liegt ihr Débutalbum «From Now Haig nennt drei entscheidende Grundpfeiler für Schweiz Musiker von internationalem Format her- On» vor, das ein breites Spektrum von Soul, Funk, die Zusammenarbeit in einer neunköpfi gen Band: vor. Was für Pop, Rock und Blues schon seit einer Pop und Reggae abdeckt. Auf den ersten Blick bieten Verantwortung, Disziplin und künstlerische Freiheit. Weile gilt, gelingt nun auch in einem Genre, das bis- The Soulmates ein ähnliches Repertoire wie die wohl Alle Bandmitglieder bringen sich ein, doch die letzt- her nicht gerade durch helvetische Präsenz glänz- bekannteste Schweizer Funkband Funky Brother- instanzliche Entscheidungsgewalt liegt bei Band- te: Soul und Funk. hood mit Frontsängerin Freda Goodlett. Im Unter- leader Hunziker und Produzent Galli, «denn anders Der Rhythm & Blues fi ndet in der Schweiz im- schied zu FBH, dessen Markenzeichen die starke ist es nicht machbar», betont Hunziker. «Rhythm & mer mehr Adepten. Zu nennen wären da in erster Bläsersektion ist, lebt Soulmates von der Präsenz Soul – so nennen wir unseren Stil», erklärt der Gi- Linie Vokalistinnen und Vokalisten wie Emel und der vier Vokalisten. Manuela Gagliotta, Sonja Gö- tarrist von Soulmates. Hunziker, der Larry Carlton Seven aus dem Aargau, William White aus Winter- schel, Cherry Ward (Barbados) und Louis Freddy zu seinen wichtigsten Einfl üssen zählt, schreibt ge- thur, Jones aus Bern und seit Jahresfrist auch das Carnel (Mauritius) kannten sich vorher schon, denn meinsam mit Texterin Candice James aus Kanada Walliser Wunderkind Stefanie Heinzmann, gewis- sie bilden den Kern des Gospel-Chors von Richard — das «versteckte zehnte Mitglied der Band» — die sermassen die Schweizer Antwort auf Joss Stone. Broadnax (ehem. Mitglied der Jackson Singers). Lyrics. Einige stehen eher im Rampenlicht als andere, da- Das Line-Up komplettiert der bekannte Key- Inzwischen laufen die Songs von Soulmates auf bei gerät gerne in Vergessenheit, dass die Schweiz boarder und Produzent Greg Galli (Marc Sway, acht Radiostationen in der Rotation. Damit noch durchaus einige Wegbereiter in diesem Genre hat- MusicStar Band u.a.), der Saxophonist Florian Egli mehr dazu kommen, gehen The Soulmates, die te, das der Einfachheit halber immer noch — oft (ehem. Mitglied von Sofa) und der Kanadier Haig «Seelenverwandten», in diesem Frühling auf Pro- auch aus gutem Grund — «Black Music» genannt Alexander (Drums), dessen Herkunft spiegelbildlich mo-Tour (siehe Tourdaten). Wichtig für den Erfolg wird. Eine dieser Groove-Bands hiess Split. Knapp ist für diese polyethnische Gruppe: Der Session- ist die Nähe zum Publikum, bekräftigt Hunziker. zehn Jahre gab es diese 1984 gegründete Formati- Musiker wurde als Sohn armenischer Einwanderer «Das Abenteuer besteht darin, herauszufi nden, ob on. Einer ihrer Gründer heisst Jean-Marc Hunziker in Montevideo geboren und wuchs in Montreal auf. man ein Publikum fi ndet. In der Schweiz ist es ganz und hat nun, fünfzehn Jahre später, ein neues Pro- Nach Aufenthalten in Frankreich, Irland und Spa- wichtig, dass man sich ein Publikum aufbaut. Man jekt am Start, das sich «The Soulmates» nennt. nien beherrscht er ausser seinen Muttersprachen kann nicht davon ausgehen, dass es jeden Abend Mit Hunziker und Bassist Christian Bohren sind Englisch und Spanisch mehrere Fremdsprachen. Dutzende von Clubs gibt, die immer ausverkauft zwei Veteranen von Split in dieser Soul-Funk-Band «For me Switzerland is the closest country sind, egal wer spielt. Insofern braucht es eine Part- vertreten. Hunziker, inzwischen hauptberufl ich Ma- in Europe to home in Canada», sagt Haig im Ge- nerschaft mit den Veranstaltern. Wenn man viel nagement-Coach, hat Soulmates gemeinsam mit spräch mit ensuite - kulturmagazin. Doch trotz die- Geld verdienen will, muss man sich auf Firmenfes- seiner Frau Sonja Göschel (Vocals, ehem. Mitglied ser Ähnlichkeit war es für ihn nicht einfach, in der te spezialisieren. Das wollen wir aber nicht.» The von «Honk») mitinitiiert und erinnert sich leicht hiesigen Szene Fuss zu fassen: «Switzerland was a Soulmates haben sich mit Herz und Seele dem wehmütig an die alten Split-Zeiten, als «zuerst very tough circle to penetrate.» The Soulmates sei Groove verschrieben. Da gibt es keinen Platz für die Musik kam, dann die Frauen und dann lange für ihn die Chance, an zusätzliche Engagements zu faule Kompromisse. nichts». kommen. Die Band war förderlich für seine Akzep- Während einer zweijährigen Vorlaufphase spiel- tanz in der Szene. Für Alexander, der Steve Gadd The Soulmates: From Now On. Soulmates Records, te The Soulmates vor ausgewähltem Publikum auf und Manu Katché zu seinen Lieblingsdrummern 2009. diversen Bühnen, um am eigenen Profi l zu feilen. zählt, erfüllt sich mit Soulmates ein Traum, den Konzerte: 30. April, ONO Bern; 1. Mai, Rampe Bubi- Zum Repertoire gehörten Soulklassiker wie «Lean er in seiner kanadischen Heimat nie verwirklichen kon; 9. Mai, Blue Note Biel; 16. Mai, Moods Zürich. On Me» von Bill Withers oder «Let’s Stay Together» konnte. Info: www.soulmates.ch

16 ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 MMusikusik

SZENE BERN play it again, ben Von Ruth Kofmel Bild: zVg. ■ Der Mann sieht glücklich aus. Er steht hinter sammenarbeit mit Künstlern wie Baze, Eiko, Heidi Vinyl wieder einen Aufschwung erlebt, es gibt jetzt dem Plattenspieler und senkt die Nadel. Ein kleines Happy, Jan Galega, Kutti MC, Pheek und Sophie schon in der Migros zum Sonderangebot Platten- Grüppchen Menschen steht davor, gespannt, still. Hunger war Benfay musikalisch aber viel breiter spieler zu kaufen.» Und er bringt das Beispiel ei- Die Musik beginnt, er kommt hinter dem DJ-Pult ausgerichtet und in manchen dieser Projekte liess nes romantischen Treffens und dem Unterschied hervor und verschwindet in der Küche. Fragende er seine Affi nität zu abstrakten Hiphop-Beats be- zwischen dem Aufl egen einer Schallplatte und dem Blicke im Publikum. Es ist dies die Plattentaufe reits anklingen. Abspielen einer MP3-Datei. Auch ein Musikerlebnis von Benfays Werk «Replay Life». Eine Plattentau- Mit seiner Platte «Replay Life» hat Benfay den in der eigenen Stube kann mehr als nur einen Sinn fe ohne Konzert, eine Taufen an der einfach die- Dancefl oor als Solo-Künstler nun defi nitiv verlas- ansprechen. Ein physischer Tonträger verspricht se Platte gespielt wird. Eine ungewöhnliche, aber sen und er will auch nicht dahin zurück. Eine be- ein anderes Erleben, ein bewussteres, weg von der konsequente Idee. wusste und auch selbstkritische Entscheidung, ein reinen Konsumation und der ständigen Überfl u- Benjamin Fay, mit dem Künstlernamen Benfay, Schritt in Richtung seiner persönlichen Musik. In tung mit Klängen und Musik in unserem Alltag. hat bis zu diesem Album ein beachtliches Stück dem Sinne ist diese Platte auch zu verstehen. Re- Vielleicht lässt sich gerade diese Idee der Re- Weg zurückgelegt. Angefangen habe es mit den play life, das Leben noch einmal abspielen. Zurück- duktion besonders schön auf «Replay Life» hören. Free-Jazz-Platten seines Vaters. Daher die Lust schauen und die Erlebnisse in Liedform bringen, Es ist eine subtile Musik, repetitiv, ruhig, mehr dem auf Musik. Nun könnte man denken, einer würde in der Wiederholung einen Neuanfang fi nden. Die Klang als den Rhythmen verpfl ichtet. Musik, die also an die Jazz-Schule gehen, was er auch tat - Suche sei nicht zu Ende, aber die grosse Zufrie- mit kleinen Gesten daherkommt und immer wieder aber nur, um nach kurzer Zeit ans Konservatorium denheit des Künstlers mit diesem Werk lässt doch durch akkurate Schrägheiten überrascht. in Bern zu wechseln. Dort studierte er Kontrabass. darauf schliessen, dass hier einer angekommen Klassische Musik und klassische Komposition von ist. Wie er an der Plattentaufe sagte: «Ich habe Free Jazz dürfte dort eher wenig zu spüren ge- weder nach links noch nach rechts geschaut, das wesen sein. Eine lehrreiche aber auch schwierige ist meine Musik». Und auf diesem Weg will Benfay Zeit, eine Zeit, in der auch Zweifel und Misserfol- auch bleiben. Eine zweite Platte ist geplant und ge dazu gehörten. Benfay löste sich nach seinem soll noch dieses Jahr bei Everestrecords heraus- Aktuell Studium von der klassischen Musik und entschied kommen. Benfay bleibt den geraden Beats weiterhin treu sich, auf die Elektronik zu setzen. Ein Ansatz, der Ein spannender Werdegang. Ein Musiker, der als Mitspieler bei Jagged und als Produzent von ihn schon während seiner Studienzeit faszinierte: nicht müde wird zu suchen und Entscheidungen den Round Table Knights. Als DJ ist er am 25. Das Bearbeiten und Verändern von Klängen und aus der Refl exion des Vergangenen zu fällen. Diese April vor Sven Väth in der grossen Halle der Reit- die darin liegenden Möglichkeiten. Er beschreibt Grundidee über Altes zu Neuem zu gelangen zeigt schule zu hören. diese Auseinandersetzung als eine zweite Lehre, sich auch darin, eine Schallplatte herauszugeben. Mit Baze ist er derzeit im Studio, geplant ist eine eine Ausbildung im Selbststudium. Auch der Jazz Benfay nutzte schon sehr früh die Möglichkeiten EP, das Erscheinungsdatum ist noch nicht be- nahm wieder mehr Platz ein, ob als Hochzeitsmusi- der digitalen Welt. Seine Soloprojekte veröffent- kannt. kant aufspielend oder als Initiator und Resident-DJ lichte er zu einem grossen Teil auf dem digitalen der Serie «Future Sounds of Jazz» im Dachstock. Label Thinner, als DJ arbeitete er mit dem Com- Info: In der Elektronik arbeitete Benfay als Solo-Künst- puter und entsprechender Software. Wie kommt www.benfay.com ler vor allem mit geraden Beats. House, Minimal er dazu, ausgerechnet eine Schallplatte pressen www.myspace.com/benfay und Experimental sind Bezeichnungen, die seinen zu lassen, in einer Zeit, wo physische Musikträger www.discogs.com/artist/Benfay früheren Alben zugeordnet werden. In der Zu- totgesagt werden? «Ich bin ganz sicher, dass das www.everestrecords.ch ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 17 An- und Verkauf von Designklassikern Restaurationen

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17.10.2008 – 5.7.2009 MMusikusik

«ich will mit traditionellem rap aus dem rahmen fallen» Interview: Luca D’Alessandro Bild: zVg. ■ Pascal Weber, besser bekannt als Webba, hat Berner Bierhübeli, wo er anlässlich des zehnten nen Ort, sondern eher einen Gefühlszustand. Das im vergangenen Monat mit der Veröffentlichung Jubiläums von Chlyklass die Ehre hatte, vor aus- «Deheim» steht für mich für die Geborgenheit und seines ersten Soloalbums «deheim?» Bewegung verkauften Reihen zu stehen. Wärme, die man von seinem Zuhause erwartet und in die Schweizer Rap-Szene gebracht. Seither be- gewissermassen auch erhofft. richten die Medien fast täglich über ihn und sein ensuite - kulturmagazin: Pascal, du siehst Das Fragezeichen im Titel gibt einem das Ge- Werbeaufkleber haftet an jedem Laternenpfosten müde aus und deine Stimme ist heiser. Gestern fühl, dass du auf der Suche bist. Wonach? der Bundeshauptstadt. Abend hast du alles gegeben. Das ist eine gute Frage, die ich nicht mit Be- Der 29-Jährige ist in der Schweizer Hiphop- Webba: Ja, in der Tat, der gestrige Abend war stimmtheit beantworten kann. Ich denke, dass ich Szene schon seit mehr als zehn Jahren aktiv. Nach ein voller Erfolg. Die Fetzen fl ogen und das Publi- wie jeder andere nach Geborgenheit und einem seinen ersten Gehversuchen als Human Beatboxer kum ist ab dem ersten Moment auf den Beat ein- geistigen Zuhause suche, in welchem ich mich ver- gründete er 1999 zusammen mit einem Kollegen gestiegen. Solche Events gefallen mir und zeigen, standen fühle. Das heisst nicht, dass ich mich nicht die Rap-Combo Krümmelmonstaz. Es folgten di- dass mein Weg, den ich musikalisch eingeschlagen geborgen fühle, oder dass ich gar missverstanden verse Gastauftritte als Rapper und Beatboxer so- habe, nicht ganz falsch sein kann. werde. Keineswegs. Es ist vielmehr die Suche nach wie Produktionen für andere Künstler. 2002 gaben Obwohl wir davon ausgehen können, dass etwas, das auf einer Ebene liegt, die sich in weni- Krümmelmonstaz die EP «Grössäwahn» und zwei dich der Weg schon bald in ein anderes Land gen Worten nicht fassen lässt. Grundsätzlich gilt: Jahre später das Album «Inkubation» heraus. führen wird. In deinem Video sagst du, du willst Wer sucht, der fi ndet. Nach dieser für ihn «sehr wichtigen Erfahrung», weg von der Schweiz. Zumindest hast du einen eigenständigen Stil wie er sagt, folgte er seinem Instinkt und löste sich Wer will das schon nicht? (lacht) Es geht mir gefunden. Im Song «Rap» betonst du, dass du von seinem Rap-Partner. Er machte sich auf zu nicht darum, undankbar zu sein. Ich habe ein er- nicht zu den Gangster-Rappern gehörst. neuen Zielen, die er mit dem kürzlich erschiene- fülltes Leben in der Schweiz und ein Dach über Nun ja, das ist offensichtlich. (lacht) In diesem nen Album zum ersten Mal einem breiten Publikum dem Kopf. Ich musste nie Hunger leiden, hatte die Song habe ich versucht, eine Antwort zu geben auf zugänglich macht. Möglichkeit, zur Schule zu gehen und einen Beruf die Frage, weshalb ich nicht auf Gangster mache Für die Produkton von «deheim?» konnte er zu erlernen, wenn auch das für mich oft eher ein wie so viele andere. Ich wollte betonen, dass ich auf die Unterstützung von ein paar der erfolg- «müssen» als ein «dürfen» war. Trotzdem zieht mehr auf Persönlichkeit als auf Schein setze. Ich reichsten Schweizer Rapper zählen: Wurzel5, PVP, es mich hin und wieder weg von hier. Bin ich dann fi nde es wichtig, den Kids zu vermitteln, dass ei- Baze, Drüklang und Merlo. Inhaltlich dreht sich das fort, sehne ich mich wieder nach meinem Zuhau- gentlich alles im Leben einen Sinn hat - auch wenn Album um Fernweh, aber auch Gangster-Rapper, se. dieser nicht immer ersichtlich ist. welche keine sind. Aufgesetzte Coolness behagt Der Albumtitel «deheim?» wirft die Frage Hast du den Sinn gesehen? Webba nicht, er bleibt lieber sich selbst. Das ge- nach dem Zuhause auf. Inwiefern hat diese Fra- Meistens erst im Nachhinein. Aber das gibt ei- lingt ihm auch, zumal sein Album ehrlich ist – kom- ge mit dir zu tun? nem mit der Zeit ein gewisses Vertrauen in das, promisslos ehrlich. Ich glaube, dass dies eine der zentralen Fragen was man tut. Auch wenn es im ersten Moment ensuite - kulturmagazin hat Webba zu Hause des Lebens ist. Folglich hat das sehr viel mit mir zu nach einer Katastrophe aussieht. Oft ist das, was besucht, am Tag nach seinem grossen Auftritt im tun. Mit «deheim» meine ich nicht unbedingt ei- man als grösstes Unglück ansieht, das Beste, was ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 19 MMusikusik

einem passieren kann – und umgekehrt. Die Publikation der CD hat für Wirbel gesorgt Leben zu konzentrieren. Das klingt jetzt ein biss- «deheim?» ist ein sehr funkiges Album, ge- in der Berner Hiphop-Szene. Es scheint, als hät- chen selbstherrlich, wenn man bedenkt, dass ich spickt mit Samples aus den 1970ern. Damit te die Fangemeinde sehnlichst darauf gewar- immer noch Songs habe, in denen ich mich über sprichst du nicht nur den üblichen, rap-affi nen tet? die «krassen Typen» lustig mache. Ich denke, am Hörerkreis an, sondern auch ein Publikum, das Das kann ich nicht beurteilen. Ich habe nie da- Ende des Tages bin ich einfach nur etwas älter ge- für gewöhnlich zum Hiphop keinen Zugang hat. rauf geschaut, ob eine Veröffentlichung meiner- worden und habe gelernt, dass das Leben mehr zu Das ist doch super! Ein schönes Kompliment, seits für Wirbel sorgt. Gehofft habe ich es natürlich bieten hat als ich es gedacht hätte. fi nde ich. Wenn sich plötzlich Leute für die Rapkul- trotzdem ein wenig. Man veröffentlicht schliesslich Was denn, zum Beispiel? tur interessieren, die bislang nichts damit am Hut keine CD mit dem Gedanken, dass sie untergehen Zufällige Begegnungen mit Menschen, denen hatten, ist das doch grossartig. Das würde bestäti- könnte. Sollte dem so sein, dass man in Bern auf man normalerweise nicht begegnet. Gutes Essen, gen, dass ich mit meiner Musik mehr erreicht habe, die CD gewartet hat, freut mich das natürlich sehr. wahre Freundschaft, die auch in schweren Zeiten als ich mir je erträumt hätte. Ich freue mich jedes Wo stehst du im Schweizerischen Rap-Kon- hält. Schönes oder auch schlechtes Wetter - was Mal über ein bunt gemischtes Publikum und gute text? auch immer das heissen soll. Die Akzeptanz ge- Gespräche nach den Gigs. Keine Ahnung. Einerseits bin sich schon ewig genüber Dingen, die man nicht ändern kann. Die Mit Baze, Merlo, Wurzel 5, Lo oder PVP hast dabei, andererseits habe ich nie gross auf die Sze- Freude an den kleinen Dingen des Lebens. Es gibt du auf deinem Album ein paar vielversprechen- ne gesetzt. Ich denke, dass es am Ende keine Rolle so vieles, was mir jeden Tag begegnet, und leider de Featurings. Wie kam es zu dieser Zusammen- spielt, welche Position ich in der Schweizer Rap- immer noch zu viele Dinge, die ich nicht zu schät- arbeit? Landschaft belege. Vielmehr ist es mir wichtig, zen weiss. Tja, ich bin sehr jung, gerade mal 29. Ich Merlo und Drüklang gehören für mich schon mit traditionellem Rap aus dem Rahmen zu fallen. habe noch viel zu lernen. seit Jahren zur «Familie». Daher war für mich klar, Ich habe meine musikalischen Wurzeln im Rap der Schon bald bricht eine neue Dekade in dei- dass ich mit ihnen arbeiten will. Baze, Wurzel 5 und 1990er-Jahre und dazu stehe ich. Erstaunlich ist, nem Leben an. Was wird sie dir bringen? PVP kannte ich auch schon lange. Aber bei diesen dass es anscheinend viele Leute gibt, die sich nach An Projekten mangelt es mir nicht. Ob deren Featurings ging es mir in erster Linie darum, mich solcher Musik gesehnt haben, da zurzeit viele Sa- Resultate jemals das Licht der Welt erblicken, auch neben grossen Acts als Rapper beweisen zu chen sehr ähnlich und weit entfernt klingen. Dies weiss ich nicht. Klar ist, dass ich mit Miles Flint, können und ihnen als Produzent meinen Stempel wollte ich unbedingt nutzen. Ausserdem wollte ich einem befreundeten Produzenten, stets an einem aufzudrücken. den jungen Künstlern zeigen, dass man nicht das Instrumental-Album arbeite. Daneben tüftle ich an Der Song mit dem Ultimate-Battle-Gewinner tun muss, was andere tun. Es ist viel erfüllender, neuen Songs für mein nächstes, noch namenloses 2008, Lo, entstand lange, bevor dieser das Battle wenn man sich so gibt, wie man tatsächlich ist. Album. Wann dieses erscheinen wird, kann ich im gewonnen und sich in der Schweizer Rap-Land- In einem Radiointerview kürzlich wurdest du Augenblick nicht sagen. Ich werde von mir hören schaft einen Namen gemacht hatte. Ich war von – eher scherzhaft - als den Dr. Dre der Schweiz lassen. Anfang an überzeugt von seinen Fähigkeiten und bezeichnet. Was hältst du von diesem Ver- wollte ihn unterstützen. gleich? Wie hast du die Zusammenarbeit mit den Einfach schrecklich und an den Haaren her- Jungs erlebt? beigezogen. Dieser Vergleich ist nicht nur absurd, Grundsätzlich gut. Es war jedoch manchmal sondern grenzt schon an Anmassung. Ich bin Licht- Webba – zu hören an diversen Events auch etwas chaotisch. Tja, das gehört wohl dazu. jahre von einem Dr. Dre entfernt. Ich sehe mich als Webba befi ndet sich gegenwärtig mit der Berner Ein inspirierendes Chaos, scheint es. Das Re- kleinen Beatbastler und Rapper aus der Schweiz, Mundart-Rap Formation Chlyklass auf Tournee. sultat lässt sich hören. der sein Ding durchzieht und sich freut, wenn sich Die nächsten Konzerte: Danke. Sehr inspirierend sogar (lacht). Es macht andere darüber freuen. 9. Mai, Mokka, Thun, 20:00h, Support Act von Spass zu sehen, wie andere an die Sache heran- Dein letztes Werk ist vor fünf Jahren er- Chlyklass. gehen und wie schnell ein falscher Eindruck von schienen. Wie hast du dich seither verändert? 16. Mai, SousLePont, Bern, 20:00h, Konzert. einem Menschen entstehen kann. Die Rapper, die Es ist schwierig für mich, die richtigen Worte 6. Juni, Kulturfabrik Kofmehl, Solothurn, 21:00h, ich zuerst als chaotisch eingestuft hatte, waren am dafür zu fi nden. Ich denke, dass die Person, welche Support Act von Wurzel 5. Ende am besten vorbereitet. Andersrum bei denen, sich verändert, immer eine andere Sichtweise auf 20. Juni, Rampe Club Bubikon, 20:00h, Support die ich als zuverlässig eingestuft hatte: Sie waren das Gesamtbild hat, als jene Person, die die Ver- Act von Wurzel 5. die grössten Chaoten. Aber alles in allem war die änderung von aussen erlebt. Gefühlsmässig habe Webba: deheim? Equipe Music / MUVE, 2009. Zusammenarbeit fruchtbar und sehr angenehm. ich angefangen, mich auf das Wesentliche, auf das Info: www.webba.ch ensuite Kulturwoche ensuiteDas neue Online-Magazin Kulturwoche und die Newsletter ensuiteDas neue Online-MagazinInfos: Kulturwochewww.ensuite.ch und die Newsletter Das neue Online-MagazinInfos: www.ensuite.ch und die Newsletter Infos: www.ensuite.ch 20 ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 LLiteraturiteratur

POP-ROCK-MUSIK «musik muss ehrlich sein» Interview: Luca D’Alessandro Bild: zVg. ■ Der neapolitanische Gitarrist und Sänger Joe wird es von der Tradition, die ich von Kindesbei- Omara Portuondo eine sehr jugendliche Person. Ich Barbieri hat mit seinen Rhythmen und Klängen aus nen an in mir trage, nämlich jene der italienischen bin beeindruckt von ihrer natürlichen Frische. Sie Bossa Nova und Tango die Aufmerksamkeit einer Liedermacher, den so genannten «Cantautori». Als ist leidenschaftlich und hat viel Humor. Während breiten Hörerschaft auf sich gezogen. Nach seinem gebürtiger Italiener habe ich dieses Erbe im Blut. Es der Aufnahmen in Barcelona haben wir gescherzt 2004 erschienenen Début «In Parole Povere» steht fällt mir schwer – und wäre auch falsch – es nicht in und gelacht, das Ambiente war locker und sehr er heute mit einem neuen Album da: «Maison Ma- meine Arbeit einfl iessen zu lassen. angenehm. Am Ende war die Stimmung so gelöst, ravilha». Ein sorgfältig arrangiertes Werk, das Ein- Folglich hast du nie daran gedacht, der italie- dass wir aus einer puren Laune heraus Lieder der fl üsse aus fast allen Bereichen der Weltmusik in sich nischen Musik zu entsagen? italienischen Sängerin Mina Anna Mazzini anstimm- vereint und zugleich den Bezug zum italienischen Keineswegs. Sämtliche Zutaten, die ich für die ten. Omara kannte die Lieder sehr gut, da Mina zu Film der 1950er- und 60er-Jahre schafft. Filmmu- Arbeit brauche, fi nde ich in meinen musikalischen den wenigen Musikerinnen Italiens gehört, die in siker wie Nino Rota, Armando Trovajoli und Ennio Wurzeln wieder. Die italienische Musikkultur ist für Kuba einen Namen haben. Morricone haben es Barbieri angetan: «Sie haben mich etwas ganz Besonderes. Sie ist reichhaltig und Hast du Omara Portuondo bewusst aufge- mich zu einem farbenprächtigen musikalischen geht weit über das hinaus, was gemeinhin bekannt sucht, oder kam die Zusammenarbeit zufällig Bouquet verführt.» ist. Das Glück liegt also nicht zwingend in der Fer- zustande? Elf romantische, teils schwermütige Lieder, die ne. Ich war es, der sie aufgesucht hat. Für «Male- inhaltlich und sprachlich von der ausserordentli- Die Vielfalt an Stilen, die du vertrittst, macht grìa» kam für mich nämlich nur Omara in Frage. Der chen Reife des Autors zeugen. Unterstützt wird Bar- es schwer, dich eindeutig einzuordnen. Wo siehst Gedanke hatte mich irgendeinmal gepackt und liess bieri von niemand geringerem als der kubanischen du dich? mich nicht mehr los. Ich kenne Omaras Repertoire Primadonna Omara Portuondo. Ich denke, der Sammelbegriff «World Music» sehr gut und weiss um ihre gesanglichen Qualitä- ensuite - kulturmagazin sprach mit Joe Barbieri skizziert meine Arbeit am treffendsten, zumal ich ten. über Melancholie, Ehrlichkeit und der Begegnung mich nicht als Italiener, sondern als Weltbürger Was ist Musik für dich: Arbeit oder Kunst? mit Omara Portuondo, der «Königin der kubani- sehe. Ich fühle mich überall zuhause. Berührungs- Sowohl als auch. Oder anders gesagt: Ich ver- schen Folklore», wie er sie liebevoll nennt. ängste habe ich keine. Jeder Stil, jedes noch so stehe Musik als ein Handwerk, das man sorgfältig interessante Element inspiriert mich zu neuen mu- erlernen muss. ensuite - kulturmagazin: Joe, dein neues sikalischen Taten. Einfl üsse von aussen sauge ich Du scheinst einen sachlichen Bezug zur Mu- Album «Maison Maravilha» vereint in sich die begierig in mich auf, ich moduliere und passe sie sik zu haben. Poesie eines französischen Chansons und das meinen Bedürfnissen an. Es ist unwesentlich, wo- Ich würde eher sagen: puristisch. Auf meiner Lebensgefühl eines warmen Sommertags in Sal- her ein bestimmter Rohstoff kommt, solange er mit ständigen Suche nach der Reinheit lasse ich nie vador de Bahia. Zumindest vermittelt der Titel meinen Vorstellungen im Einklang steht. meinen Ursprung aus den Augen und versuche jeg- diesen Eindruck. Mit Omara Portuondo im Lied «Malegrìa» liche Anspielung an die Kunst zu vermeiden. Wenn Joe Barbieri: Der Titel mag diesen Anschein hast du für dein Album eine besondere Perle der Musik etwas mit Kunst zu tun haben soll, darf sie erwecken. Der aufmerksame Hörer wird aber bald kubanischen Gesangstradition gewinnen können. nicht heuchlerisch wirken. Sie muss vor allen Din- merken, dass «Maison Maravilha» viel mehr zu bie- Wie hast du die Zusammenarbeit erlebt? gen ehrlich sein. ten hat, da es Einfl üsse aus allen Ecken der Welt be- Es war ein unvergessliches Erlebnis. Erst im Die Liedtitel sind meist philosophisch, wenn rücksichtigt. Gerade wegen dieser kulturellen Viel- Nachhinein habe ich realisiert, mit wem ich es tat- gar melancholisch gefärbt: «Lacrime di Cocco- falt war es mir ein Anliegen, einen zweisprachigen sächlich zu tun hatte. Noch heute kann ich es kaum drillo» (Krokodilstränen), um ein Beispiel zu nen- Titel zu wählen. fassen, ein Duett mit Omara gesungen zu haben. nen, vermittelt einen Eindruck von grosser Trau- Das Fundament von «Maison Maravilha» ist Darauf bin ich stolz. Während der Arbeit mit ihr kam rigkeit. der Bossa Nova. ich gar nicht dazu, nervös zu werden. Leider war die Auf den ersten Blick mag dies den Anschein ha- Das stimmt nur bedingt: Tango, Fado und Ele- Zeit, die wir gemeinsam verbringen durften, viel zu ben. Allerdings geht es in «Lacrime di Coccodrillo» mente aus dem französischen Chanson sind im kurz. auch um das Glück im Leben; um Hoffnungen und Werk gleichermassen vorhanden und verleihen ihm Du schwärmst von ihr. Erwartungen, die ein Mensch an sein Schicksal einen besonderen Charme. Zusammengehalten Zu Recht. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters ist stellt. Ich mache ein Beispiel: Wenn eine Beziehung ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 21 MMusikusik zwischen zwei Menschen in die Brüche geht, ist das siker als erstes ausländisches Publikationsland für die Betroffenen in der Regel etwas Tragisches. Japan wählen. Der norditalienische Pianist Cesa- Das gemeinsame Leben gibt es nicht mehr. Die re Picco (siehe Interview im ensuite vom Januar eingespielten Abläufe und Prioritäten haben mit 2009, Anm. d. Red.) befi ndet sich gegenwärtig dem neuen Alltag plötzlich nichts mehr zu tun. Man ebenfalls in Japan, wo er sein aktuellstes Werk steht alleine da. Und trotzdem bietet diese neue Si- vorstellt. Warum gerade Japan? tuation die Chance, wieder zu sich selbst zu fi nden. Japan ist ein Land, das fremde Einfl üsse gut ab- Aus dieser Warte aus betrachtet ist «Lacrime di sorbieren kann. Die Menschen dort geben uns west- Coccodrillo», und im Übrigen das ganze Album, ein lichen Musikern das Gefühl, willkommen zu sein. bejahendes Werk, das an neue Chancen knüpft. Ich Umso mehr bin ich gespannt auf deren Reaktion. baue stark auf Stimmungsbildern auf. Ich stelle mir immer wieder die Frage: Wie werden Das Stichwort «Aufbau» zieht sich wie ein wir Europäer in Japan wahrgenommen? Was halten Leitfaden durch dein Album: zum Beispiel in Japanerinnen und Japaner von unserer Musik? Die «Muraille de Chine» (Chinesische Mauer), «Cas- grundsätzliche Offenheit gegenüber Neuem ist es, tello Di Sabbia» (Sandburg) sowie im Titellied die uns Musiker, vermutlich auch Cesare Picco, in «Maison Maravilha». dieses Land zieht, denn: Das Interesse des Publi- Ich muss zugeben, dass mir dieser Zusammen- kums ist da. Und für uns Musiker ist ein neugieriges hang bis jetzt nicht aufgefallen ist. Vermutlich habe Publikum Gold wert. Kommt dazu, dass Japan welt- ich mich bei der Konzeption des Albums intuitiv an weit den zweiten Rang belegt was die Absatzzahlen den symbolischen Charakter, der vom eigenen Zu- auf dem Musikmarkt angeht, und das trotz der rela- hause respektive von der Heimat ausgeht, leiten tiv kleinen Fläche des Landes. lassen. Das eigene Heim als Ort der Geborgenheit In nächster Zeit wirst du also viel herumkom- ist wichtig für mich. Zu Hause schöpfe ich Kraft für men. Wann dürfen wir dich in der Schweiz erwar- TANGO meine täglichen Aktivitäten. Weshalb ich aber aus- ten? gerechnet dieses Leitmotiv aufgenommen habe, Konzerte in der Schweiz sind nach aktuellem kann ich auf die Schnelle nicht beantworten. Zu- Stand der Planung keine vorgesehen. Zudem ver- führen und entf gegeben, der Ansatz gefällt mir. Ich werde in den zögert sich in Deutschland, Österreich und der Von Luca D‘Alessandro Bild: zVg. nächsten Wochen dieser Frage nachgehen und eine Schweiz die offi zielle Veröffentlichung von «Maison «Reducir al máximo – auf das Maximum reduzie- Antwort für mich suchen. Maravilha». Das Album wird vermutlich nicht vor ren», lautet das Motto von Puerta Sur, dem ar- Wo fi ndest du deine Inspiration? Oktober 2009 über den offi ziellen Vertrieb erhält- gentinisch-bernischen Ensemble, das mit seinem In den einfachen Dingen des Lebens. Allerdings lich sein. Diverse Musikgeschäfte greifen jedoch bewusst minimalistisch angelegten Instrumenta- bleibt mir im Alltag für diese Suche nicht viel Zeit. schon heute auf Direktimporte zurück, weshalb rium die Fülle der südamerikanischen Musikkultur Musik ist ein Vollzeitjob. Ich bin froh, dass mich die ich davon ausgehe, dass bereits vereinzelt Leute in darstellen will und ein Hörerlebnis der besonderen Begeisterung für die Musik bis heute nicht im Stich der Schweiz mein Album gekauft haben. Das freut Art verspricht. Mit Andreas Engler an der Geige, gelassen hat. Wenn ich mich dann trotzdem mal auf mich natürlich. Übrigens habe ich Verwandte in der Daniel Schläppi am Bass und der Sängerin Marce- die Suche nach der Inspiration mache, fi nde ich sie Schweiz: Ein Konzert wäre die optimale Gelegen- la Arroyo stösst das Trio eine, wie Andreas Engler meist in einem guten Film oder in einem spannen- heit, sie wieder einmal zu sehen. sagt, «unbekannte Türe zur faszinierenden Welt den Buch. Selbstverständlich treffe ich mich gele- der argentinischen Musik auf». Als Grundlage für gentlich auch mit Freunden. Ich gehe mit ihnen aus Kleine Diskografi e mit feinem Inhalt das Repertoire dienen Kompositionen von As- zum Abendessen, oder wir treffen uns auf einen Joe Barbieri steht im Vergleich zu anderen Musikern tor Piazzolla und selten gespielte Lieder aus der Apéritif in einer Bar. Eigentlich lebe ich ganz be- in Italien an den Anfängen seiner Karriere. Trotz- volkstümlichen Überlieferung. Die Adaptionen des scheiden; die Verbindung zu meinem Umfeld ist mir dem kann er bereits mehrere spannende Werke zu Trios leben vom Wechselspiel zwischen Instrumen- wichtig. Denn dieses ist es, das mir die für meine seinem Repertoire zählen, es sind dies Kompositio- talimprovisation, arrangierten Partien und der mit- Arbeit notwendige Inspiration gibt. nen mit dem italienischen Cantautore Pino Daniele reissenden Stimme von Marcela Arroyo. «Maison Maravilha» ist seit Januar 2009 auf und diverse Zusammenarbeiten mit den Sängerin- «In unserem Ensemble sind alle gleichberech- dem Markt erhältlich. Welche Projekte stehen als nen Giorgia und Patrizia Laquidara. 2004 erschien tigt», sagt Andreas Engler, der sich nicht als Lea- nächste an? Barbieris erstes Album «In Parole Povere», welches der sieht, denn «im Unterschied zum Tangotanz In Italien sind diverse Konzerte vorgesehen, un- in den Vereinigten Staaten, Japan, Österreich, Chi- führt jeder den anderen mit dem Ziel, die Sinne ter anderem mit Omara Portuondo in Rom. Gleich- na, der Schweiz und Deutschland bemerkenswerten des Zuhörers und der Zuhörerin zu entführen». zeitig werde ich die Veröffentlichung von «Maison Absatz fi ndet. Seit Januar 2009 gibt es nun sein ensuite - kulturmagazin wollte es genauer wissen Maravilha» vorantreiben. In Japan steht sie bereits zweites Album: «Maison Maravilha» - ein melancho- und hat Andreas zum Tanz aufgefordert. in den nächsten Wochen bevor. Nebenbei werde lisches Werk, das Einfl üsse aus Bossa Nova, Tango ich mit meinem eigenen Label – Microcosmo Dischi und Chanson in sich vereint. ensuite - kulturmagazin: Andreas, weshalb – ein paar Neuheiten von vielversprechenden Mu- Joe Barbieri führt in Neapel ein eigenes Musik- habt ihr den Namen «Puerta Sur» gewählt? sikern lancieren: Kantango, wenn ich mir die Wer- label (Microcosmo Dischi), das auf «World Music» Wir haben lange hin und her überlegt, wie wir bung erlauben darf, wird ein Hörgenuss. Es handelt spezialisiert ist. Eines seiner Aushängeschilder ist uns taufen könnten. Es gab viele Möglichkeiten, sich dabei um eine italienische Gruppe exzellenter das Projekt mit der italienischen Tangogruppe Kan- die ins Konzept gepasst hätten. Schliesslich haben Musiker, die sich, wie der Name sagt, dem Tango tango. Darüber hinaus hat er mit verschiedenen wir uns für die Variante von Marcela entschieden: verschrieben haben und das Genre hervorragend Sternchen der Jazzmusik zusammengearbeitet, un- «Puerta Sur», das Tor zum Süden. Meiner Mei- vertreten. ter anderem mit Lura, Richard Galliano und Susana nung nach wäre ein argentinischer Name nicht Du hast soeben deine Tour und die Publikation Baca. zwingend notwendig gewesen. Bis anhin fand ich der CD in Japan angesprochen. Es ist interessant es etwas komisch, wenn Schweizer Ensembles Na- festzustellen, dass immer mehr italienische Mu- Info: www.microcosmodischi.com men aus anderen Kulturen annehmen. Da wir ein

22 ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 MMusikusik einen oder anderen Spezialeffekt erzielt. Harmo- nisch habe ich nichts gemacht. Die Tatsache, dass wir in Puerta Sur kein Harmonieinstrument haben, hat mir die Gelegenheit geboten, diesen «Man- gel» mit der Violine zu kompensieren. In meinen Arrangements gibt es zahlreiche Doppelgriffe, so dass ich all das imitieren kann, was naturgemäss ein Klavier oder Bandoneon machen würde. Da- rin lag für mich der Reiz, und ich empfand es als Herausforderung. Lässt man Bandoneon, Gitarre und Klavier weg, wird das gesamte Klangbild sub- tiler. In unserem Fall gibt es höchstens vier Töne, die gleichzeitig übereinander klingen, zwei von mir und noch je ein Ton von Marcela und Daniel. Das ganze kommt reduziert daher. Der Zuhörer oder die Zuhörerin muss sich den Rest vorstellen. Es ist nicht so dicht wie in einem üblichen Ensemble, wo sich manchmal gar zehn oder mehr Töne überla- gern. Das Minimalistische ist euer Markenzeichen. Im Sinne von: Weniger ist mehr. Ja, das ist die Idee. Wir haben die argentinische Musik zur reinen Essenz entschlackt. Es ist nicht alles festgelegt, unsere Arrangements bieten viel Platz für Improvisation. Trotzdem habe ich mir gut ühren lassen überlegt, was passt und was nicht. Gibt es etwas, das euer Ensemble einmal gemischtes Ensemble sind, fand ich die Idee aber Oder auch positiv überrascht. Was das Instru- ausprobieren möchte? gut. mentarium angeht, das gebe ich zu, entspricht Ich fände es spannend, ein Lied ohne Gesang «Puerta Sur stösst das Tor zum Süden auf», unser Konzept nicht den Bräuchen. Mit Daniel zu machen, also nur ich an der Violine und Daniel heisst es in eurer Dokumentation. Wie ist das zu Schläppi am Bass, mir an der Violine und Marce- am Bass – vielleicht im nächsten Album. verstehen? la Arroyo als Sängerin könnte womöglich die Be- Im aktuellen Album gibt es bereits Solopas- Wir haben diverse argentinische Lieder, da- fürchtung aufkommen, dass unser Ensemble nicht sagen. runter auch Stücke von Carlos Gardel und Astor die Vollkommenheit bieten kann, die dem Genre Ja, aber es handelt sich dabei nur um Einleitun- Piazzolla, neu arrangiert und in unser Repertoire gebührt. Ich fi nde dieses Vorurteil nicht gerecht- gen oder Zwischenspiele, so genannte Interludios. aufgenommen. Wir spielen keinen «stilechten» fertigt. Unser Trio vermag es, mit nur zwei Sai- Gerne hätte ich etwas Grösseres gewagt mit mehr Tango. Das war auch nie die Absicht, zumal Dani- teninstrumenten eine derart fantastische Fülle zu Improvisationsspielraum. Ich habe im Rahmen die- el Schläppi und ich nicht aus diesem Kulturkreis erzeugen, dass manchmal selbst ich nicht aus dem ses Projekts Spass an der Improvisation gekriegt. stammen. Trotzdem haben wir uns gesagt: Als gute Staunen herauskomme. Der Klang ist - wie kann Eine interessante Feststellung: Die Improvi- Musiker müssen wir uns in etwas Neues hineinfüh- ich das treffend ausdrücken - orchestral. sation ist eine typische Spielart des Jazz. Dein len können. Wenn es am Ende dann nicht rein im Musikalisch hat jeder von euch einen ande- Ursprung liegt aber in der Klassik. Stil herauskommt, ist das nicht weiter schlimm. Im ren Ursprung… Als Musiker erfreue ich mich am Neuen. Den- Gegenteil: Wir bekommen die Chance, eine neue …und entsprechend einen anderen Schwer- noch möchte ich an dieser Stelle festhalten, dass Eigenständigkeit zu entdecken. In unserem Fall ba- punkt. Ich komme aus dem Bereich der klassischen meine Art zu improvisieren nicht mit jener im Jazz siert diese auf Elementen des Tango, der Klassik Musik, Daniel Schläppi aus dem Jazz und Marcela zu vergleichen ist. Ich gehe strukturierter vor, als und des Jazz. Arroyo vom argentinischen Tango. Als wir unser es meine Kollegen aus dem Jazz tun. Trotzdem ist Wie würdest du euren Stil in einem Wort zu- Ensemble gründeten, sahen wir gerade in dieser es spannend zu beobachten, wie wir uns im Trio sammenfassen? Disparität die Herausforderung. Damals stellten gegenseitig beeinfl ussen. Daniel als Jazzer hat Tangomoods – die Symbiose aus Jazz und Tan- wir uns die Frage, was aus all den Einfl üssen, die mich sicher auf eine neue Fährte gebracht, genau- go. Eigentlich hätte das auch unser Albumtitel unser tägliches musikalisches Leben prägen, in so wie ich ihm neue Inputs gegeben habe. Vor al- werden können. Am Ende haben wir uns dafür ent- der Kombination entstehen könnte. Gibt es etwas lem in Bezug auf den Jazz habe ich zahlreiche Ste- schieden, dem Album keinen Namen zu geben. Neues oder fügen wir uns am Ende den altbewähr- reotypen abwerfen können. Vorher habe ich stets Die Elektrotango-Gruppe Otros Aires aus ten Traditionen? Wenn ich zurückblicke, bin ich geglaubt, im Jazz gäbe es alle möglichen Freihei- Buenos Aires hat es mit ihrem Erstlingswerk stolz auf das, was wir geschafft haben. Unser Kon- ten. Das stimmt so nicht: Im Jazz ist das «Time» gleich gemacht wie ihr: Sie hat auf einen Album- zept ist zwar nichts Revolutionäres, trotzdem ist sehr streng, viel strenger als in der Klassik. In der titel verzichtet. Ist das ein spezieller Brauch in der Ansatz innovativ. Klassik gibt es dagegen die Freiheit, Spannungsbo- Tangokreisen? Wie ist das zu verstehen? gen herzustellen, indem das Tempo erhöht, dann Das weiss ich nicht. (lacht) Vermutlich ist das Vorhin haben wir über nicht vorhandene Har- wieder gedrosselt wird. Der Jazz bietet diese Fle- Zufall. monieinstrumente gesprochen. Als Violinist in xibilität nicht. Das zeigt sich beim Zusammenspiel. Ihr kommt ohne Harmonieinstrument aus. einem anderen Tango-Ensemble habe ich bislang Daniel und ich geraten uns manchmal fast in die Wer an euer Konzert kommt und ein Bandoneon fast ausschliesslich Melodien gespielt und höchs- Haare. (lacht) oder ein Klavier erwartet, wird womöglich ent- tens mit rhythmischen Effekten wie perkussivem Euer Zusammenspiel ist sprichwörtlich mit täuscht sein. Zupfen oder schnarrendem Kratzgeräusch den einem Tangotanz vergleichbar.

ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 23 MMusikusik Das kann man so sagen. Es ist immer ein füh- zenten, die Samples ohne jeglichen Qualitäts- ren und führen lassen. Wir haben keine präzisen anspruch aneinander reihen. Ist Puerta Sur die Rollen und folglich auch keinen Leader: mal führe Antwort auf die zunehmende Kommerzialisie- ich, mal Daniel, mal Marcela. Wir sind drei Musiker, rung des Genres? die auf demselben Niveau spielen. Es ist nicht so, Ich verstehe mich nicht als Musiker, der auf ei- dass wir mit unseren Instrumenten Marcela beglei- nen Trend eine Antwort geben will. Mein oberstes ten, oder der Bassist nur Grundtöne spielt - kei- Ziel ist es, das zu tun, was ich bin. Wenn ich zusam- neswegs. Jeder hat seine Aufgabe, ohne die es gar men mit einem Pianisten eine bekannte Sonate nicht ginge. spielen will, dann tue ich das sehr gerne. Nein, ich, Wie ist das Verhältnis zwischen Eigenleis- oder besser gesagt wir, haben nicht den Anspruch, tungen und Neuinterpretationen in eurem Al- ein Statement abzugeben. Wir spielen lediglich bum? das, was wir in uns fühlen. Und dieses Gefühl ist Die Lieder, die Marcela singt, sind alle argenti- auch vergangenen März am Konzert im Moods nischen Ursprungs. Die Arrangements sind unsere in Zürich zu spüren gewesen. Die Stimmung im eigenen, zum Teil haben wir uns von alten Aufnah- Moods war super und hat uns inspiriert. Wenn man men inspirieren lassen. Die Interludios sind pure bedenkt, wer sonst noch so alles im Moods auf der Eigenleistungen. Bühne steht, dürfen wir doch ein wenig stolz sein, In euren Liedern ist eine starke Melancholie einen Auftritt dort gehabt zu haben. Nun freue ich spürbar, die teilweise in Trauer mündet. Wo ist mich aber auf das bevorstehende Konzert im La das Glück? Cappella in Bern. Der Tango hat schon in seinem Wesen traurige Worauf darf sich das Publikum freuen? Züge. Mir fällt hierzu ein Zitat von Enrique Santos Auf eine starke Bühnenpräsenz einer faszinie- Discépolo ein, dem argentinischen Komponisten renden Sängerin. Bereits im Moods habe ich fest- aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert: «Tango stellen dürfen, wie gut Marcela rüberkommt. Das CLUB-SOUND ist ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann.» Ambiente wird bestimmt gefühlsgeladen und char- Da ist sicher etwas Wahres dran, viele Stücke sind mant. Ich freue mich. nämlich in Moll, können dann wieder auf Dur wech- obskure groove seln und trotzdem diese Melancholie behalten - ja, Von Till Hillbrecht - Eine Sonifi kation des u der Tango hat diese natürliche Schwere in sich. Das Lied «Acompañada y sola» zum Beispiel ist ■ Wie klingen die Strassen Japans? Der Tokioter sehr traurig, es handelt von der Einsamkeit eines Grossstadtgroove ist weit weg von den typisch pen- Menschen im Zusammensein. Es hat schier etwas tatonischen Skalen der asiatischen Musik. Fern von Depressives an sich. Tango ist keine Musik, die ei- Shakuhachi-Flöte und leichtem Glockenspiel. Er ist nen zu neuen Taten bewegt, im Sinne von «Komm, Puerta Sur - das Ensemble nah beim bodenständigen, rohen Hiphop, nahe wir lassen das Alte hinter uns und beginnen von Marcela Arroyo stammt ursprünglich aus Argen- dem Triphop der anderen Seite der Erde. Näher als Neuem». Nein, das nicht. Trotzdem fi nde ich im- tinien. Sie lebt seit neun Jahren in der Schweiz. eine andere asiatische Stadt. Der Übervater dieser mer wieder das Kräftige darin; starke, lebensbeja- Ihren Ursprung hat sie im Tango, studiert hat sie Musik hat sich nie von der Urbanität Japans weg hende Rhythmen. in Buenos Aires. (www.marcela-arroyo.ch) bewegt, im Gegenteil in den Tiefen jener Strassen- Der Tango widerspiegelt gewissermassen die Daniel Schläppi ist Berner. Er ist einer der be- schluchten gewühlt und herausgefi scht, was vor Realität eines jeden Menschen: Die Höhen und kanntesten Schweizer Jazz-Bassisten. (www.da- ihm noch niemand ans Tageslicht brachte. Der Tiefen, die er tagtäglich durchläuft. nielschlaeppi.ch) Rest der Welt war damit erst überfordert und da- Er vollzieht eine Wellenbewegung. Auch in ei- Andreas Engler hat in Bern und in Utrecht (Hol- nach gierig nach mehr. Hideaki Ishii ging Anfangs ner partnerschaftlichen Beziehung gibt es Streit, land) studiert und sich weit über die klassische der Neunziger seiner Zeit voraus und tut es heute dann erlebt man gemeinsam wunderschöne Mo- Szene hinaus einen Namen als kreativen Musiker immer noch. Ständig ein Bisschen. mente, bis der nächste Streit kommt. Das ist völlig gemacht. (www.andreasengler.ch) Der als DJ Krush bekannte Hideaki Ishii glei- natürlich. Beim Tango folgen diese Schwankungen tet an den Reglern seiner Mixes von obskurer dicht aufeinander. Die nächsten Konzerte Elektronika zu rohem Rap, dann wieder zu Acid- Was sind deine Höhen als Musiker? Jazz-Grooves und fundamentalem Dub. Seit über Dass ich so viel erleben darf. Ich habe das Privi- 26. April, La Cappella, Bern, 19:30h fünfzehn Jahren (Début: Krush. Nippon Columbia, leg, in zahlreichen Projekten mitwirken zu dürfen: Konzert und CD-Taufe. 1993) bildet er Klanglandschaften, die vom fernen im Klassischen, im Tango und in der Improvisati- Besetzung: Marcela Arroyo (Gesang), Daniel Osten bis in die brüsken Strassen des amerika- on. Besonders glücklich bin ich darüber, dass ich Schläppi (Bass), Andreas Engler (Violine). nischen Raps reichen. Der 47-Jährige ist Meister mit einer so tollen Tangosängerin und einem Top- seines Fachs und überrascht bis zum heutigen Tag Bassisten zusammenarbeiten kann. Ich erlebe im 5. Juni, Rotonde, Biel, 19:30h immer wieder mit seiner Musik. Als einer der Kö- Grunde alles, was ein Musiker sich wünschen kann, Nuit de Tango. Traditionelles PIazzolla-Quintett nige des Samplings schafft er es, eine aufgedrehte und das macht mich zufrieden. mit Gesang und Tanzeinlagen. Lester-Young-Trompete in ein sanftes Begleitins- Gegenwärtig ist Tango in unseren Breiten- Besetzung: Marcela Arroyo (Gesang), Andreas trument zu verwandeln, welches sich im grossen graden im Trend. Die Plattenfi rmen haben dies Engler (Violine), Peter Gneist (Bandoneon), Hei- Krush-Klangbecken in den Zustand heiterer Ge- erkannt und treiben die Produktion von Tonträ- dy Nymann (Klavier), Michel Rutscho (Gitarre), lassenheit spielt. Oder in obskure, eingenebelte gern voran. Zum Teil sind es Mischformen aus Ueli Schneeberger (Bass). Zwischenweltmusik, die aus düsterem Himmel in Tradition und Elektronik, wie sie zum Beispiel unerwartete Acid-Jazz-Lockerheit ausbricht. DJ von Gotan Project oder Bajofondo Tango Club CD Krush ist ein -Phänomen, welches ver- bekannt sind. Es gibt aber auch viele Produ- Puerta Sur: Catwalk Jazz. steht, Musik der klaren Raster von einem Moment

24 ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 MMusikusik

es im festen griff der samthandschuhe urbanen Japans in die weite Welt hinaus: DJ Krush Bild: zVg. zum anderen aus den Angeln zu heben und in ver- Vielleicht weiss man deswegen nicht sehr viel Sein fi ligraner Umgang mit dem Plattenspieler zerrte Höhen zu halten. Oder den Zuhörer in eine über die Figur Krush. Hideaki Ishiis Gesicht ist oft gab Krush bald den Ruf eines begnadeten Turnta- verzerrte Wahrnehmung zu versetzen? unter einer Kapuze oder Mütze versteckt und mit blist, der die Grenzen des Plattenspielers als Wie- Hideaki Ishiis Wurzeln liegen im Hiphop der al- seiner Person hält es sich wie mit seiner Musik: dergabegerät sprengt und es in seinem Fach als ten Schule, als es noch kein Rapinstrumental ohne Zurückhaltend düster und unfassbar, sehr geheim- Musikinstrument etablierte. Heute ist er einer der die typischen Glöckchenperkussion gab und die nisvoll und deshalb genauso interessant. Die Ge- begnadetsten Remixer jeglichen Repertoires und Grooves minimalistisch discoorientiert zwischen schichte passt: Angeblich soll Krush für die Yakuza seines gesamten eigenen Werks: In seinem Remix- Amen-Break und Elektro pendelten. Inzwischen gearbeitet haben, bevor er beschlossen hat, Musi- Album «Stepping Stones: The self-remixed best» hat sich Krush weit von seinen DJ-Vorbildern wie ker zu werden. Die Yakuza ist eine jahrhunderte- (2006) hat Krush 28 Tracks seiner inzwischen Grandmaster Flash oder DST entfernt. Seine Tüf- alte kriminelle Organsiation, die im Westen oft als neun Alben und unzähligen Singles umfassenden telarbeit im experimentellen Soundlaboratorium japanische Mafi a bezeichnet wird. Ihre Strukturen Discografi e auseinandergeschraubt, deformiert hat ihn bereits vor der Jahrtausendwende vom waren lange offen etabliert und die Mitgliedschaft und wieder zum Werk auferstehen lassen. Mainstream bewahrt. Dennoch: Die solide Boden- zwar strafbar, aber genauso ehrenvoll angesehen. Im neuen Jahrtausend driftete das Triphop- ständigkeit seiner Grooves, die ihn vom ausgeufer- Als Musiker hat sich der DJ früh im Ausland durch- Genre weitläufi g ins laue Lounge-Gefi lde ab, das ten Triphop unterscheiden, ist ihm nie abhanden gesetzt. 1994 erschien mit «Strictly Turntablized» Aufspringen unzähliger DJs auf den Downbeat- gekommen. sein erstes Album ausserhalb Japans. Für diesen Zug bedeutete für viele Labels Endstation Fahr- Die Überwindung der kulturellen Isolation in Release heuerte Krush bei Mo`Wax an, einem La- stuhlmusik. Übrig blieben die Innovatoren, welche Japan schaffte Krush unter anderem mit seiner bel, welches sich mit ähnlich hochgradigen Quali- Qualität und nicht nur Mainstreamtracks für Ibiza- Pionierarbeit in Sachen Kollaboration von DJs mit tätsgarantien auszeichnen kann wie etwa das eng- Sonnenschein-Barthresen-Sandburg-Compilations Live-Musikern: Er war in den späten Achtzigerjah- lische Pionierlabel . lieferten. Und für solche Alben ist Krushs Werk im ren der erste japanische DJ, der mit Instrumen- Sein Erstling auf Mo`Wax liess ausländische besten Fall zu wenig eingängig. Seine Konstrukti- talisten zusammenarbeitete. Gleichzeitig reichen Ohren aufhorchen: DJ Shadow, sein Pendant auf onen sind komplex, trotz der einmalig minimalen seine Arme um den gesamten Globus, um Samples amerikanischem Boden, wurde fortan zu einem en- Bauform. Es sind geradlinige Samplestrukturen, für seine Tracks zu fi nden. Oder aber sie bleiben gen Verbündeten. Genauso wie DJ Premier, Guru die er bewusst wieder zerstört und in amorphes in heimatlichen Gefi lden und vermischen traditi- oder das britische Duo – die Gründer von Gefüge wandelt, ohne dass es aufhört zu klingen. onelle japanische Shakuhachi-Klänge mit rohen Ninja Tune. Die Türe zum britischen Königreich der Sie sind wie Krush selbst: Kryptische Wesen, die so Dub-Basslines, die sich Anfangs der Neunziger- elektronischen Klänge war aufgestossen. Im Eng- schnell sie gekommen sind wieder verschwinden. jahre auch im Jungle und Drum&Bass eingenistet land der frühen Neunziger lungerten die grossen In die Strassenschluchten Tokyos. Oder in die Zu- haben. Trotzdem ist er in seinem kosmopolitischen Pioniere der Dancefl oor- und Triphopmusik, von kunft. Werk immer der Japaner geblieben. Neben den der man als Spitze des Eisbergs Massive Attack hochkarätigen Albumgästen sind immer wieder und Portishead kennt. Hinter Ninja Tune aber Konzert von DJ Krush auch japanische Musiker vertreten; auch Rapper, stand eine ganze Armada von Soundtüftlern, die 17. April, Dachstock, Reithalle Bern die – so wie Krush selbst – kein Wort Englisch spre- wie DJ Krush noch unberührte Flecken im Kosmos Support: tba chen. der tanzbaren Musik entdecken wollten.

ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 25 FILOSOFENECKE

«Es genügt nicht, einen gesun- den Geist zu haben, viel mehr ist es die Hauptsache, ihn rich- tig anzuwenden.» René Descartes, 1630

■ «Der gesunde Verstand ist die am besten ver- teilte Sache der Welt, denn jeder denkt, so gut «Historia De Un Amor» oder «Dos Gardenias» lebt. damit versehen zu sein, dass selbst diejenigen, cd-tipps Die Art jedoch, wie die Lieder interpretiert werden, die in allen anderen Dingen am schwersten zu- ist neu und zeugt von der Reife des Spaniers. Ein frieden zu stellen sind, gewöhnlich überhaupt besonderer Ohrenschmaus ist seine Überarbei- nicht mehr davon verlangen, als sie haben. [...] Chicha Libre - ¡Sonido Amazonico! tung von «Caruso», dem wohl bekanntesten Stück Die Verschiedenheit unserer Meinungen rührt ■ Chicha ist nicht nur ein alkoholisches Getränk des italienischen Liedermachers Lucio Dalla. Ein nicht daher, dass die einen vernünftiger sind als aus der Andenregion, sondern auch der Name authentisches Werk, das für den anspruchsvollen die anderen, sondern nur daher, dass wir unsere einer Musikrichtung, die gegen Ende der 1960er- Flamenco-Liebhaber zum Pfl ichtrepertoire gehört. Gedanken auf verschiedenen Wegen verfolgen.», Jahre in Peru den Trend vorgab. Bands wie Los (lda) schreibt Descartes in seinem Werk «Discours de Mirlos, Juaneco Y Su Combo, Los Hijos Del Sol Diego El Cigala: Dos Lágrimas (Cigala Music) la méthode». und Los Tigres de Tarapoto sahen sich als Ver- Allzu gerne überschreiben wir unsere kol- treter dieses «Funk Amazonico», der in unseren De Phazz & The Radio Bigband Frankfurt - Big lektiven Erkenntnisse in die Hände von (selbst- Breitengraden nie wirklich wahrgenommen wurde: ■ Die eigenen Lieder gross herausbringen und im ernannten) Experten der jeweiligen Disziplinen. Zu stark war die Vorherrschaft des Soul, Rhythm Nachgang gekonnt in Szene setzen – dieses Metier Sei es in gesellschaftlichen oder in naturwissen- & Blues und Jazz Nordamerikas. Zudem erschwer- verstehen Pit Baumgartner und seine Heidelberger schaftlichen Fragen – nur dann gilt die Erkennt- ten geopolitische und sprachliche Barrieren das Entourage De Phazz sehr gut. «Big» nennt nis als akzeptiert, wenn sie entsprechend durch Überschwappen des Chicha auf andere Kontinen- sich das funkelnagelneue Album. Worüber Kriti- Dritte verteidigt wird. Dass aber Experten auch te. Olivier Conan aus Brooklyn hat mit Chicha Libre ker sich streiten: Ist es eine Best-Of-CD, oder darf irren können – sich gar aufeinander beziehen ein Projekt lanciert, das sich dieser vergessenen es als New Release bezeichnet werden? Sowohl und zitieren – dies berücksichtigen wir nur sel- Musikbewegung widmet. «¡Sonido Amazonico!» als auch. «Big» ist eine ironische Überarbeitung ten. Selbst in privatesten Dingen sind Fremdmei- nennt sich das kürzlich erschienene Album: Ein jener Hits, mit denen es De Phazz in den vergan- nungen für unser Seelenwohl nicht mehr weg- humorvolles Ragout aus Funk-Beats, Akkordeon- genen zwölf Jahren in die Schlagzeilen namhafter zudenken. Umso härter wird die Landung aus klängen und Cuatro-Akkorden, einem südamerika- Fachzeitschrifen geschafft haben. Gemeinsam mit intellektuellen Sphären und unverständlicher nischen Saiteninstrument. Stilmässig positioniert dem Mammutorchester des Hessischen Rundfunks unsere vormalige Übereinstimmung mit den Wis- sich «¡Sonido Amazonico!» irgendwo zwischen und dessen Orchesterleiter Jörg Achim Keller hat senschaften und ihren Vertretern, je weiter weg bolivianischem Cumbia, kubanischem ChaChaCha Baumgartner die Hits «The Mambo Craze», «Jazz wir uns von ihm entfernen – dem anfangs zitier- und nordafrikanischer Wüstenatmosphäre. All je- Music» und «Jeunesse Dorée» von sämtlicher ten gesunden Menschenverstand. Augenreibend nen, die den wackeligen Kamelritt durch die Stile Elektronik befreit. Ohnehin folgt das Album nach- stellen wir fest, dass sich Erkenntnisse in Luft nicht ertragen und dem Humor schon lange ent- drücklich dem analogen Klangspektrum und den aufl ösen, die Vernichtung des diesseitigen Da- sagt haben, ist das Album sicher nicht zu empfeh- Arrangements der Radio Bigband. De Phazz zei- seins in Materialität vorangetrieben wird, hinein len. (lda) gen sich hier von einer bisher unbekannten Seite. in das Verderben jenseitiger Ungewissheit. Chicha Libre: ¡Sonido Amazonico! (Crammed Im Grunde keine Überraschung für eine Band, die Wenn bei Immanuel Kant später die Nichtbe- Discs) bekannt dafür ist, mit unkonventionellen Metho- nutzung unseres Verstandes und unserer Ver- den und Arrangements regelmässig für Aufsehen nunft zur latenten Drohung der «selbstverschul- Diego El Cigala – Dos Lágrimas in der Branche zu sorgen. (lda) deten Unmündigkeit» wird, geht Descartes mit ■ Seine Zeit als Strassen- und Begleitmusiker De Phazz & The Radio Bigband Frankfurt: Big sich und seinen Zeitgenossen milder ins Gericht. für Flamenco-Tänzer wie Mario Maya, Farruco, (Phazz-a-delic/edelKultur) Er stellt nüchtern fest, dass sein Vorgehen ihm Manuela Carrasco und Joaquín Cortés gehört selber nützlich ist, er es aber keineswegs als ein- eindeutig der Vergangenheit an. Der Madrilener zige Möglichkeit der Erkenntnis verstanden ha- Diego Ramón Jiménez Salazar, auch bekannt als Last Minute ben will. El Cigala (Kaiserhummer), ist heute ein respek- Nach «Nanda Devi» hat Martin Dahanukar mit Dabei wirkt aber sein Vorgehen als so erfri- tabler Roma-Flamenco-Sänger, der mit seinem seinem Quartett im Juni 2008 die Nachfolger schend einfach, dass es selbst in unserer Zeit melancholischen Gesang und dem Gespür für -CD «Garuda» aufgenommen. Jazz mit indischen nach der Überwindung der vermeintlich allge- kubanische Traditionen auf der Bühne ein brillan- und europäischen Einfl üssen bilden einen span- mein gültigen Theorien eine Beachtung ver- tes Ambiente zu erzeugen vermag. Sieben Alben nenden Klangkörper. Diese wird am dient. zählt seine Diskografi e, wovon «Lágrimas Negras» 30. April im AMOK in Zürich Begeben Sie sich mit uns auf Descartes Spu- – das 2003 mit dem Kuba Pianisten Bebo Valdés (19:00 h / 21:30 h / 23:30 h) und am ren, schärfen Sie mit uns ihren gesunden Ver- entstanden ist – das berühmteste darstellt. Sein 1. Mai im Cinémastar in Bern stand und lernen Sie die vier Regeln seiner mé- aktuellstes Werk «Dos Lágrimas» steht seinen (Nocturne Concert um 23:00 h) vorgestellt. thode kennen. All dies am 29. April, 19:15h an der Vorgängern in keiner Weise nach: Zwar bietet es, Die CD-Vorschau hatte hier leider keine Platz Kramgasse 10, 1. Stock. was die Lieder angeht, nichts Neues, zumal das mehr. Umso grösser also die Empfehlung, die Album von Neuarrangements von Klassikern wie Konzerte aufzusuchen... (vl)

26 ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 KKulturultur & GGesellschaftesellschaft CARTOON www.fauser.ch

VON MENSCHEN UND MEDIEN no cash? no cash! Von Lukas Vogelsang

■ Alle Welt wettert gegen die Schweiz, wir seien zweieinhalb Jahren, gestartet. Ringier hat das Gra- Versuch von ernsthaftem Wirtschaftsjournalismus eine Steueroase. Und wir winseln unter dem inter- tisblatt noch genau im Endstadion der Investment- nach. Die heutigen Tageszeitungen formulieren nationalen Druck, dabei sollten wir eigentlich stolz zeit sterben lassen. Wir erinnern: Ein Medientitel grundsätzlich nur vorbereitete Pressetexte neu. sein darauf. Andere Länder bieten sich als üblere braucht drei Jahre, um auf dem Markt bestehen Sie können einen Test machen: Jede Firma, Dinge an: Umweltverschmutzungsgärten, Pädophi- zu können. Die Wochenzeitung «Cash» wurde 1989 über die in einer Tageszeitung berichtet wird und lenparadiese, Touristenmörderlöcher, Atomsümpfe gebaut und hat bis 2000 Geld eingespielt. Danach in dem die Worte Restrukturierung, Optimierung oder einfach Krisenkriegsberge. Da ist die Schweiz kamen die roten Jahre, die Zeitung ging bergab – und Gewinn vorkommen, wird ein halbes Jahr spä- als Steueroase doch eine Prachtsferiendestinati- vielleicht wegen ihr auch die Wirtschaft. Es ist doch ter verkauft oder an der Börse gehandelt. Was in on. Ich würde das als «Schweiz Tourismus» zele- ein interessanter Gedanke, eine zu kurze Wäsche- der Zeitung publiziert wird, verändert den Aktien- brieren – das holt uns hui aus dem Finanzloch und leine noch zweimal zu schneiden, um festzustellen, kurs. Jede Positivmeldung hat also die Absicht, beschert uns gute Übernachtungszahlen. dass sie nicht länger wird. Wer einen solchen Kurs an der Börse eine Kursveränderung hervorzuru- Doch ohne Cash, kein Cash. Schon vor einem denkt, muss scheitern. Mit «Cash Daily», dem täg- fen oder aber den Markt zu testen! Auch das gibt Jahr wurde uns von Ringier prophetet, dass sie lichen Gratisblatt, konnte sich der Inseratemarkt es… Wirtschaftsjournalismus müsste Fragen stel- «Cash» ins Internet verbannen wollen. Trend zu nicht vervielfältigen. Die Frage war nur, wie lange len, Betriebe analysieren und hinter die Kulissen Multimedia – das ist der Slogan. Und in diesem hält der Verlag das aus? Zuerst strich man die Wo- schauen. Doch wir LeserInnen erhalten immer nur Jahr kommt er wieder: «Cash Daily» wird mul- chenzeitung, jetzt die Tageszeitung – morgen die die Chefs und PR-Abteilungen zu hören. Der Rest timedial. Es fragt sich allerdings, wie lange sich Multimedialität. Das Problem ist, dass die Verlage wird uns peinlichst verschwiegen. «Cash» als Titel noch halten kann. Eine rein mul- am Publikum vorbeiproduzieren. Sie denken nur «Cash» ist tot und die aufmunternden Worte timediale Lösung lebt ja auch nur vom Werbegeld. noch in Kostenstellen, der redaktionelle Inhalt ist von Marc Walder, Geschäftsführer Ringier Schweiz, Und genau dieses bleibt im multimedialen Markt schon länger gestorben. dass cash.ch, cash TV, WebTV und die mobilen Appli- noch weit weg. Das weiss unterdessen sogar die Aber ich bedauere die cashlose Zeit, die jetzt kationen für Wirtschaftsinformationen «geradezu SRG. Eine gesunde Zeitung lebt von einem Drittel kommen wird. Irgendwann in meiner Nachjugend- prädestiniert für eine Verbreitung via Internet und Abonnenten und zwei Drittel Werbung. Daran wird phase war ich sogar Abonnent von Cash. Ich versu- mobile Anwendungen» sind, hat mehr mit Glauben sich auch in Zukunft nichts ändern. Es ist eine For- che nach meiner Kaufmännischen Ausbildung eine und Wünschen zu tun, als mit Wissen. So viel Geld mel wie zum Beispiel der «Goldene Schnitt». Und Ahnung zu kriegen, was «Business» eigentlich ist. kann ein virtuelles Business nicht mehr einspielen. es klingelt bereits: Gratiszeitungen haben keine Mit «Cash» unter dem Arm fühlte ich mich gesund. Wenn wir also «Cash» in Erinnerung behalten wol- Abonnenten! Gelesen habe ich sie zwar nie wirklich - oder zu- len, so müsste etwas Beständiges zurückbleiben. «Cash Daily» wurde im Herbst 2006, also vor mindest nicht verstanden. Aber ich trauere jedem Ein Musikalbum wäre schon ein Anfang… ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 27 CCinémainéma

FILM eine momentaufnahme des frauseins Von Claudia Badertscher Bild: zVg. / Still aus dem Film «Fou de coudre»

■ «Die Frau: Zelle für Zelle eines der letzten unge- man muss es aushalten.» Aber auch die jüngste der nachspüren. lösten Mysterien der Menschheit.» Mit diesen Wor- Interviewpartnerinnen, die 27-jährige kaufmänni- «Fou de coudre» wird am 2. April um 19 Uhr in ten beginnt der Film «Fou de coudre». Die Stimme sche Angestellte Viviane Badrutt, wundert sich: Da- der Berner Cinématte gezeigt. Weitere Spieldaten aus dem Off macht sich denn auch gleich daran, rüber, dass ihre männlichen Klassenkollegen, «die werden laufend auf www.pinkproductions.ch be- in die Untiefen des Mysteriums vorzudringen: «Die nicht mal bessere Noten hatten – im Gegenteil», kannt gegeben. Frau erkennt man(n) an den primären und sekundär- heute viel öfter leitende Positionen bekleiden als en Geschlechtsorganen.» Ist es für die Frau selbst ihre Mitschülerinnen. Oder darüber, dass sich häufi g auch so einfach, sich zu erkennen? die Frauen gegenseitig Steine in den Weg legen. Ne- In «Fou de coudre» (zu deutsch: nähverrückt) ben Gosteli und Badrutt erzählen in «Fou de coudre» AAlther&Zingglther&Zingg gehen zwei junge Bernerinnen dieser Frage nach. auch die 58-jährige Verena Weibel, bekannt gewor- «Wir haben gemerkt, dass das Wort ‹Feminismus› den als Mitbegründerin des Schweizer Frauenlaufs, Ein filosofisches Gespräch: für viele junge Frauen angestaubt daherkommt», und die 42-jährige Karin Hermes, Choreografi n und sagt die 28-jährige Filmemacherin Stefanie Christ. Tänzerin, aus ihren Leben. Gemeinsam mit der 32-jährigen Helen Lagger habe «Allen vier befragten Frauen ist etwas gemein- sie daher ein Filmprojekt gestartet, um «die Situati- sam: Es ist ihnen sehr wichtig, eine Frau zu sein», on der Frau heute zu klären». sagt Filmemacherin Christ. Auch ihr sei während der Diese Analyse betreibt ihr Film auf eine sehr Dreharbeiten immer stärker bewusst worden, «wie «ES GENÜGT NICHT, persönliche Art. «Fou de coudre» nähert sich dem zentral es ist, ein Selbstverständnis als Frau zu ha- Frausein so, wie es dieses verdient: Vielschichtig, ben». Dazu gehöre für sie auch, dass eine Frau, die EINEN GESUNDEN umsichtig und mit einer Prise Selbstironie. Einer- sich gerne schminke und schön kleide, keineswegs seits wird dem «schwachen Geschlecht» in expe- als weniger kompetent angesehen werden dürfe. GEIST ZU HABEN, rimentellen Sequenzen nachgespürt. Dann unter- Christ: «Es geht heute auch darum Frau zu sein, halten sich etwa zwei Brüste miteinander übers ohne dass die Gesellschaft rechtlich wieder Rück- VIEL MEHR IST ES Brustdasein oder Dornröschen wacht nach 101 schritte macht.» Aber: Im Leben jeder Frau komme Jahren von selbst auf und reibt sich verwundert der Punkt, an welchem sie merke, dass eine Frau DIE HAUPTSACHE, die Augen. Andererseits ist «Fou de Coudre» auch auch heute noch mehr leisten müsse als ein Mann, ein Dokumentarfi lm. Frauen aus vier Generationen um dasselbe zu erreichen. Als Feministin möchte IHN RICHTIG gewähren den Zuschauenden Einblick in ihre Ar- sich die junge Filmemacherin trotz solcher Worte beitswelt, ihren Alltag, ihre Beziehungen. Sie er- nicht bezeichnen: «Ich spreche lieber von Frau- ANZUWENDEN.» zählen aber auch, woran sie als Frau grenzten und sein.» René Descartes, 1630 immer noch grenzen. Ihre bewegten und bewegen- Aber was bedeutet das, Frausein? Auch «Fou den Leben stehen auf der einen Seite für gesell- de Coudre» gibt keine eindeutige Antwort auf die- schaftlichen Wandel und Stillstand, vor allem aber se Frage. Vielmehr umkreist das Werk den Mythos auch für sich selbst, für vier Persönlichkeiten: Die Frau auf vielen Bahnen - ernst und augenzwinkernd 91-jährige Marthe Gosteli, Frauenrechtlerin der ers- zugleich. Stefanie Christ bricht derweil bereits zu ten Stunde, erinnert etwa daran, dass es noch nicht Neuem auf. Gemeinsam mit Daniel Schneeberger, Mittwoch, 29. April 2009 // 19:15 h lange her ist, «dass eine Frau als nicht bildungsfä- der anderen Hälfte ihrer Produktionsfi rma pink pro- Kramgasse 10, 3011 Bern / 2. Stock hig galt». Oder sie erzählt von ihrem Einsatz für die ductions, arbeitet sie am Konzept für ihren nächs- Rechte der Frau: «Für etwas einzustehen, das nicht ten Film: Als Pendant zu «Fou de Coudre» wollen die populär ist, habe ich erlebt. Bis zum Letzten. Aber beiden darin der Befi ndlichkeit des heutigen Mannes

28 ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 CCinémainéma INSOMNIA IM NAMEN DER REGEL Von Eva Pfi rter

■ Es gibt Bars, die sind einfach cool. Weil die richtige Musik läuft. Weil die richtigen Zeitungen im Zeitungsständer liegen. Weil der Barkeeper ein echtes und unverkrampftes Lächeln auf dem Gesicht hat. Dann gibt es die anderen Bars. Die verkrampf- ten. Dort gibt es «Hausregeln». Eine davon lautet zum Beispiel: Es darf nicht Karten gespielt wer- den. Wie sympathisch! Man darf rauchen, trinken, als Mann ungefragt Frauen anquatschen, laut he- FILM DEMNÄCHST rum grölen – aber Karten spielen darf man nicht. Ist es zu wenig cool, wenn man in nüchternem les grandes personnes Zustand lacht? Wirken die Karten schlecht in ge- dämpftem Licht und vor altem Mauerwerk? Pas- Von Simon Chen Bild: zVg. sen sie nicht zur Inneneinrichtung? Oder seid ihr ■ Das obige Szenenbild bringt die Botschaft des endlich jemand wirklich für sie interessiert. im «Kreissaal» einfach zu cool, um cool zu sein? Filmes auf den Punkt: Man kann auch nach jeman- Die Ironie im Filmtitel ist nicht zu übersehen. Immerhin: So entdeckt man als U30 wieder die dem suchen, der schon da ist. Aber ebenso: Man Die Erwachsenen entpuppen sich im Umgang mit volkstümliche Beiz – auf der Suche nach einem kann nur jemanden fi nden, der auch gefunden wer- der Heranwachsenden als Kindsköpfe. Der Vater, Tisch, vier Stühlen und ein bisschen Sympathie. den will. stets mit irgendeinem Gerät bewehrt, welches ihm Irgendwo in der unteren Altstadt wird man dann Schon seit Jahren verbringen ein Vater (Jean-Pi- den Blick auf das Wesentliche garantiert verwehrt, fündig: Es gibt marokkanischen Minztee, eine la- erre Darroussin) und seine Tochter (Anaïs Demous- mutet an wie ein kleiner Junge mit Schaufel und Ei- ckierte Tischfl äche, die sich ausgezeichnet zum tier) den Geburtstag des Mädchens in jeweils einem mer. Er linst mit Scheuklappen (Fernglas, Handycam Kartenspielen eignet und Menschen, die lachen, anderen europäischen Land. Die Reisen dienen oder Digitalkamera) in die Ferne, doch sein Horizont ohne betrunken zu sein. Und eine Bedienung, die denn auch der generationenübergreifenden Kultur- hört am Sandkastenrand seiner infantilen Technik- nicht cool sein muss, weil es in der Hausordnung vermittlung, und der Vater plant sie mit grossem welt auf. Und er erkennt das nicht, was sich direkt steht! Eifer. Er merkt deswegen nicht, dass seine Tochter vor ihm abspielt. Aber auch die Vertreterin der heu- Die Schweiz ist ja ohnehin DAS Land der Re- mit 17 langsam aber sicher in ein Alter kommt, wo tigen Jugend macht sich mithilfe der Technik un- geln. Immer wieder kommt mir ein total schräger sie ihn «Alter» und nicht mehr «Papa» nennt, wo nahbar und kapselt sich ab. Doch als zum Ende des Dokumentarfi lm in den Sinn, in dem über ziem- Ferien mit Daddy nicht mehr das Gelbe vom Ei sind, Films die Batterien leer sind, als Vaters Suchgerät lich abgefahrene Cowboy-Fans in der Schweiz kurz: Wo er ihr prinzipiell auf die Eier geht. Heuer und Tochters iPod den Geist aufgeben und auch die berichtet wurde: Menschen, die noch nie in den ist Schweden dran. Warum Schweden? Weil es das zwei Powerfrauen abgereist sind, begegnen sich die Vereinigten Staaten waren, aber glauben, dort Land der Wikinger ist und der Vater noch ein Bub. beiden zum ersten Mal richtig und in ihrer ganzen herrsche die totale Freiheit. Folglich hassen sie Sehr komisch die Szene, in der dieser sturzbetrun- Hilfl osigkeit. Denn man sieht eben nur mit dem Her- die Regel-Mentalität unseres Landes. Einer die- ken und im Fokus eines Mückenschwarmes seiner zen gut. Das ist berührend. Auch wenn die Nahauf- ser «Schweizer Cowboys» gab im SF-Doku-Film Tochter bei Sonnenuntergang «Happy Birthday» nahme mit dem im Auge des Vaters gespiegelten folgenden durchschlagenden Satz zum Besten: singt, wie jedes Jahr in der jeweiligen Landesspra- Gesicht der Tochter bei gleichzeitig verstärktem «Alles, was in der Schweiz nicht obligatorisch ist, che, und sie das Ganze ebenso traditionellerweise Herzpochen vielleicht doch etwas zu dick aufgetra- ist verboten.» Abstrus, dieser Satz. Auch wenn mit der Handycam aufnehmen muss für seine euro- gen ist. ich hin und wieder denke, dass er einen Funken päische Geburtstagsständchenkompilation. Nach Dogma ist dieser Film übrigens nach der Wahrheit enthält. Die französisch-schwedische Produktion be- Ikea-Methode gedreht: Der Regie (Anne Novion) Meine römischen Freunde können jedenfalls sticht denn auch durch Mücken und Macken. Sie ist wurden die Einzelbestandteile (Drehbuch, Location, kaum glauben, dass die SBB Ruheabteile einge- bevölkert von Schwärmen und Schwärmereien. Der Schauspieler, Technik, Geld) zur Verfügung gestellt, führt haben. Und dass darin auch noch kleine Schwedenaufenthalt steht unter dem Motto: Wir su- und sie hat sich daraus einen Film zusammengebas- Schweizer Polizistinnen und Polizisten sitzen, chen uns einen Wikingerschatz, was verständlicher- telt. Und gar nicht mal so ungeschickt. die jeden Geräusch verursachenden Fahrgast weise auf das ungeteilte Desinteresse der jungen Falls es eine Fortsetzung des Filmes geben sollte, per Zeigefi nger auf sein Vergehen hinweisen. In- Frau stösst, die ganz andere Schätze im Sinn hat. und falls der Filmpapa seine Reiseziele in alphabeti- credibile! Für die Kinder hingegen gibt es ja die Da aber weit und breit weder Wikinger noch ande- scher Reihenfolge aussucht, dann wär nach Schwe- Rutschbahn im Oberdeck der Intercity-Züge. Eine re Jungs aufzuspüren sind, versucht sie ihr Glück den als nächstes die Schweiz an der Reihe… Zugfahrt von Bern nach St. Gallen ist für sie zu mit mittelalterlichen Frauen. Denn dummerweise Obwohl eine andere schw.-franz. Koproduktion anstrengend, wenn sie ganz still sitzen müssen. lief bei der Reservation etwas schief, und im Feri- bewiesen hat, dass man auch weit kommen kann, Schön. Und für mich sind Lokale zu anstrengend, enhäuschen befi nden sich gleichzeitig noch zwei wenn man bleibt, wo man ist, nämlich at «Home». die angestrengt eine kultivierte Atmosphäre ver- andere Damen (Judith Henry, Lia Boysen). So ist breiten wollen. Auch Erwachsene möchten hin man gezwungen, sich das Haus zu teilen. Der Va- CH-Kinostart: 9. April und wieder einmal spielen. ter macht gute Miene zum bösen Spiel. Die Tochter Der Autor dieser Filmversprechung legt Wert auf die freut’s, dass sich mit ihren Geschlechtsgenossinnen Feststellung, dass er den Film nicht gesehen hat! ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 29 CCinémainéma

SPEZIALFILM der triumph des schlechten geschmacks Von Guy Huracek Bild: zVg. ■ Wenn man sich den Film «Geierwally» anschaut, Hochzeitstorte stehen, wird mehr erbrochen als stände. Beispielsweise trägt Bärenjosef im ersten ist es, als ob man in einen tiefen Abgrund blickt, gegessen, und endlich endet der Film. Die letzten Akt ein Stofftier-Schwein als Rucksack und die in den man wie magisch runtergezogen wird. Der zwei Sätze unterstreichen den selbstironischen In- traditionellen Trachten sind mit Playmobilfi guren, krampfhafte Versuch umzuschalten oder den Blick halt der Parodie: «Weisst Josef, manchmal glaub Kuscheltieren oder Puppen verziert. Beim genau- vom Bildschirm zu reissen ist vergebens. Dies ist ich, ich bin in einem schlechten Film.» «Ach, weisst eren Hinhören fällt nicht nur die donald-duck-ar- das, was «Geierwally» so unglaublich faszinierend Wally, es gibt schlimmere.» tige Vertonung auf, sondern auch die Phantasie- macht. Noch nie war ein so schlechter Film so gut. Der Film ist eine Parodie des Heimatromans sprache der Schauspieler: «In der Bibela steht’s Geier waren bis anhin in den Tiroler Bergen eine «Die Geierwally» von Wilhelmine von Hillern. Eine gschribi». Dies ist das Argument des Vaters von grosse Plage, denn sie griffen immer wieder Schaf- erste Verfi lmung des Romans erfolgte bereits 1921. Geierwally für die Zwangsehe. An anderer Stelle herden an. Deshalb versuchte man die Greifvögel Zwei weitere solche Heimatfi lme, basierend auf schreit Geierwally «Ja Tanterl, bist dann jetzt fei auszurotten. Durch einen erbitterten Kampf mit der Grundlage dieses Buchs, erschienen später in übergschnappata oder was? Ja was hoppsast dann solch einem Vogel bekam die Bäuerin Anna Knittel den 40er- und 50er-Jahren. Die hier beschriebene auf’m Hof ummi-neini wie a aufgepritschte Hexe?» ihren Spitznamen Geierwally. Die Bäuerin sorgt mit satirische Verfi lmung von Walter Bockmayer er- Der absurde Dialekt wurde vom Bayrischen abge- ihrer emanzipierten Haltung für Aufsehen im Dorf. schien 1988. Der deutsche Regisseur wirkte unter leitet. Als sie sich weigert, eine Zwangsehe einzugehen, anderem beim Kultfi lm «Im Himmel ist die Hölle Der Film hat Charakter. Dies zeigt sich unter wird sie in eine abgelegene Berghütte verbannt. los» mit, einem weiteren Schreckgespenst des ver- anderem dadurch, dass Filmpatzer bewusst nicht Ihr Herz gehört nicht dem vom Vater erwünschten nünftigen Filmemachens . rausgeschnitten wurden. Hierzu zwei Beispiele: Erbschleicher Vinzenz, der einen Rasierpinsel am Es ist hohe Kunst, bewusst einen schlechten Als Geierwally von ihrem Vater auf den Hof ge- Hut trägt, sondern dem mutigen Jäger Bärenjosef, Film zu drehen. Schrille Töne, quietschende Stim- zerrt wird, fällt die Kamera bei der Verfolgung der seine Perücke auf einem Miniatur-Waschbrett men, beängstigende Bekleidung, Gummipuppen mehrmals um und beim Streit zwischen Geierwally wäscht. Es kommt, wie es kommen muss: Vinzenz und ein Postbote in einem gelben Tutu vergewalti- und Vinzenz können die Beiden ihr Lachen kaum versucht sich den Hof von Geierwally unter den gen unseren bis dahin jungfräulichen Geschmack. unterdrücken. Es scheint, als funkle in der surre- Nagel zu reissen. Diese kann ihn nur mit Müh und Doch das Schlimmste kommt noch: Es ist ein Mu- alen Umgebung ein wenig Authentizität. Es sind Not verjagen. Es folgen Missverständnisse, weil sical. Walter Bockmayer, der den Wahnsinn ver- wahrscheinlich die unzähligen Gegensätze, die Geierwally die heimliche Tochter des Bärenjosefs brochen hat, bringt das schrecklich Schrille in miteinander im Einklang sind, die den Film derart für seine Geliebte hält. Daraufhin beschliesst sie Einklang. Der Film widerlegt das Klischee ästheti- auszeichnen. Die schrille, absurde Umgebung, die ihren Angebeteten und Vinzenz umzubringen. Vin- scher Bilder und verwischt die Grenzen zwischen Volkslieder und Pop-Parodien, die Trachtentraditi- zenz hingegen will aus Eifersucht den Bärenjosef gut und schlecht, schön und hässlich. on und Männer in Frauenkleidern brechen die ge- umbringen. Dieser wird von Geierwally gerettet Wer will denn schon hübsche Schauspieler, die wohnten Genres. und gesteht ihr seine Liebe. Kurze Zeit später ge- auch noch gut singen können? Die Parodie ist ein gelungenes Wagnis. Meiner hen die Beiden den Bund der Ehe ein und werden Dieser Trash ist nicht einfach nur Abfall. Beim Meinung nach könnten sich einige Filmschaffende glücklich. Zum Schluss wird das Chaos perfekt: genaueren Durchwühlen fi ndet man allerlei De- eine Scheibe davon abschneiden und über ihre Vor der Kirche reisst Bärenjosef ihr die Kleider likatessen. Sehr sympathisch ist beispielsweise eigenen Filme eine Prise Provokation streuen. So vom Leib, um seiner Liebe körperlichen Ausdruck schon der Anfang: Einzelne Schauspieler stellen würden die Zuschauer wenigstens niesen. zu verleihen, wodurch ein als Nonne verkleideter sich und ihre Rolle vor. Quält man seine Sehner- Ein guter Film kann auch gut sein, wenn er zum Mann ohnmächtig wird. Am Hochzeitstisch, auf ven ein wiederholtes Mal mit «Geierwally», so ent- Kotzen ist. dem Garfi eld-Pappbecher und eine aufblasbare deckt man scheinbar unauffällig skurrile Gegen-

30 ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 CCinémainéma TRATSCHUNDLABER

Von Sonja Wenger

■ Jeden Tag von Neuem stellt einen das Leben in öffentlichen Verkehrsmitteln ganz schön auf die Probe. Immer noch gratiser werden die immer gleichen knallharten Fragen gestellt. Auf der Suche nach dem Sinn des Lesens verzweifelte Taten be- gangen. Und im Namen der Unterhaltung im Can- yon der menschlichen Abgründe mit einer stets zu langen Leine Bungeejumping gespielt. Sei es die tiefschürfende Frage, was denn ein It- FILM Girl nicht ist, nicht kann und nicht tut. Sei es der ewig scheiternde Versuch, der «glücklichen Post» che: the argentine & guerrilla und dem «Hast-du-nicht-gesehen»-Magazin so et- was wie Informationsgehalt zu entreissen. Sei es Von Sonja Wenger Bild: zVg. die wochenlange kollektive Erinnerung und femi- ■ Was braucht es für eine Revolution? Mit welchen der zweite Teil setzt nicht etwa an, sondern macht nistische Analyse von fünfzig Jahren Barbie oder Methoden operiert eine Guerrilla? Wie rechtfertigt einen riesigen Zeitsprung und zeigt danach aus- das monatelange öffentliche Sterben einer Jade sie ihre Ideologie und vor allem: Was treibt sie an? schliesslich Ches letztes Lebensjahr in Bolivien. Goody. Klar ist danach nur wenig, doch dies mit al- In einer Zeit, in der soziale Unruhen nicht mehr nur Guevaras Versuche, Anfang der Sechzigerjahre im ler Wucht: Die Ware Mensch ist längst Realität. woanders passieren und eine Revolution keine reine Kongo eine Revolution nach kubanischem Muster Wissen tun wir es zwar schon immer, da musste Utopie mehr scheint, erhalten solche Fragen plötz- anzuzetteln, fallen genauso unter den Tisch wie jeg- nicht erst Lidl & Co. mit PR-Kampagne und Sklaven- lich eine neue Relevanz. liche politischen Ereignisse in Kuba zu dieser Zeit. löhnen in die Schweiz kommen. Nach nur hundert Was läge also näher, als die Antworten auf die- Seit der Uraufführung bei den Filmfestspielen Jahren scheint jenes historische Intermezzo, in dem se Fragen beim globalen Symbol der heldenhaften in Cannes 2008 wird Benicio del Toros schauspie- die Völker zumindest in diesem Teil der Welt über Revolution, bei Ernesto «Che» Guevara, zu suchen? lerische Leistung als Che zu Recht in den Himmel so etwas wie Demokratieverständnis oder soziale Besonders da diese mystifi zierte Figur ein umfang- gelobt – und das Filmdoppelpack gleichzeitig meist Sicherheit verfügten, bereits wieder auszuklingen. reiches Werk aus Tagebüchern und politischen in den Boden gestampft. Denn statt die Chance zu Und so schnell wie derzeit auf allen gesellschaftli- Schriften hinterlassen hat. Und erst recht, weil auch nutzen, Ches politisches Vermächtnis, seine Erfol- chen und politischen Ebenen ethische Grundsätze, 41 Jahre nach seiner Ermordung in Bolivien der Kult ge genauso wie sein Scheitern zu vermitteln, ver- Solidarität oder der Sinn für das Relevante über um Guevara ungebrochen ist. schenkt der Regisseur einen seltenen cineastischen Bord geschmissen werden, kann man nicht einmal Eigentlich eine ideale Ausgangslage für einen Glücksfall: Die Möglichkeit, eine hochdramatische ein Gratisblatt durchblättern. genialen Regisseur wie Steven Soderbergh, auf historische Persönlichkeit von einem hochtalentier- Gefangen in der höllischen Endlosschlaufe mit dessen Konto so komplexe Dramen wie «Traffi c», ten Darsteller noch einmal aufl eben zu lassen und Next Topmodel, Big Brother forever, DSDS, Musicstar zeitlose Unterhaltung wie die «Ocean’s-Eleven»- so einem modernen Publikum näher zu bringen. oder «Such-den-nächsten-Deppen»-Castingshow Trilogie, aber auch cineastische Experimente oder Doch genauso, wie del Toro nicht spielt, sondern wird jeder Fliegendreck und jedes Einzelschicksal Independent-Filme wie «Sex, Lies and Videotapes» Che Guevara verkörpert, führt Soderbergh nicht zur Sensation hochstilisiert. Ermahnungen an den gehen. Regie, sondern gefällt sich in der künstlerischen guten Geschmack bleiben Worthülsen. Die Bösen Sein neuester Wurf macht nun zwei aus eins. So Reduktion. Beinahe scheint die Verweigerung einer sind immer die anderen Boulevardmedien. Die Cas- kam bereits Ende März «Che: Part One» unter dem erkennbaren Dramaturgie vom ihm gewollt, zumin- ting-Teilnehmer sind je nach Saison selber schuld Titel «The Argentine» ins Kino, einen Monat spä- dest reicht er dem Publikum keine Hand bei Ver- oder Opfer der Medien. Und die Selbstrefl exion ter wird Teil zwei mit dem Titel «Guerrilla» folgen. ständnisfragen. Die Filme setzen nicht nur grosses derselben ist oft nur ein durchschaubarer Trick, den Doch eigentlich handelt es sich dabei um eine über Interesse, sondern auch viel Wissen voraus. So sind weniger schnellen mit atemloser Empörung den vierstündige Filmbiografi e mit pseudodokumentari- zu viele wichtige Ereignisse in Ches Leben einfach Wind aus den Segeln zu nehmen. schem Touch, die gerne episch wäre, aber vor allem ausgelassen. Weder bezieht Soderbergh Stellung, Andererseits: Was ist Klatsch schon wert, wenn episodisch funktioniert. Doch auch in anderen Be- noch mischt er Klischees auf – was an sich positiv er nicht weh tut – egal wem? Schliesslich bewirkt reichen schert sich Soderbergh erstaunlich wenig wäre. Doch da «Che» weder die Motivation noch Schmerz, dass man sich sehr lebendig fühlt. Wenn um Erwartungen oder Bedürfnisse. wirklich die Gedanken von Guevara refl ektiert, kön- also SVP-Bundesrat Ueli Maurer nicht mehr Merce- So ignoriert «The Argentine» jede Vorgeschich- nen auch seine Handlungen und die Gründe für den des fahren will, weil ihm wegen dem Bankgeheim- te und setzt 1955 ein, als der 27-jährige Argentinier später entstandenen Kult nicht kritisch diskutiert nis der deutsche Finanzminister an den Karren ge- Ernesto Guevara de la Serna in Mexiko Fidel und werden. fahren ist, fängt das Leben erst so richtig an. Nicht Raul Castro kennenlernt. Die Handlung dreht sich in Was bleibt ist eine eindrückliche schauspieleri- viele Länder haben trotz publizistischer Einöde der Folge um den Guerrillakampf auf Kuba, der 1959 sche Parforceleistung, die dennoch die Sehlust auf und Monopolisten-Ringelreihen noch immer eine zur Revolution führte, sowie den Wandel des Arztes eine harte Probe stellt. Zu kryptisch bleiben viele so unterhaltsame Regierung wie wir. Auch wenn Guevara in einen leidenschaftlichen Revolutionär. Szenen. Zu sehr ersticken weite Teile von «Che» in man eingestehen muss, dass der Leserkommentar Kommentarlos eingefl ochten sind dabei schwarz- einem Detailfetischismus, der wenig neue Informa- auf der Webseite der «Süddeutschen Zeitung» zu weiss gedrehte Sequenzen von einem Aufenthalt tionen und erst recht keine Antwort darauf bietet, einem Text über ein automatisches Hundeklo belie- Guevaras in New York und seiner Rede 1964 vor den wer die Ikone von Popkultur und 68er-Bewegung big adaptierbar ist: «Sind die Bürger dieses Landes Vereinten Nationen. wirklich war. Der Mythos bleibt einmal mehr unan- wirklich so blöd wie sie von den Politikern gehalten Der Film endet so abrupt, wie er beginnt. Doch getastet. werden?» ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 31 LLiteraturiteratur

Gustafsson, Lars: Frau Sorgendahls schöne weisse Arme. Roman. Aus dem Schwedischen von Verena Reichel. Lin, Tao: Gute Laune. Roman. Aus dem Zeh, Juli: Corpus Delicti – ein Prozess. Carl Hanser Verlag. München, 2009. Amerikanischen von Stephan Kleiner. Roman. Schöffl ing und Co. Frankfurt am 237 Seiten. Dumont Verlag. Köln, 2009. 158 Seiten. Main, 2009. 164 Seiten. ISBN 978-3-446-23273-0 ISBN 978-3-8321-8099-7 ISBN 978-3-89

Magischer Sommer im Västmanland Depressiver Leichtfuss Brave New World unter neuen Vorzeichen Lars Gustafsson: Frau Sorgedahls schöne weisse Tao Lin: Gute Laune. Roman. Aus dem Amerikani- Juli Zeh: Corpus Delicti – ein Prozess. Roman. Arme. Roman. Aus dem Schwedischen von Verena schen von Stephan Kleiner. Reichel.

■ Im neuesten Werk des Lyrikers, Romanciers ■ Tao Lin schreibt nicht nur einen äusserst er- ■ In der Mitte des 21. Jahrhunderts steht der und Philosophen reisen wir an der Hand eines folgreichen Blog namens «Reader of Depressing Körper beziehungsweise dessen Gesundhaltung siebzigjährigen Philosophieprofessors aus Oxford Books», welcher einen Besuch lohnt, sondern legt im Zentrum des Gesellschaftssystems «Die Metho- unter anderem in einen auch in Schweden schwü- mit «Gute Laune» nun sein literarisches Début in de». Eine Diktatur mit umgekehrten Vorzeichen, in len Sommer Anfang der 1950er-Jahre. Zeit und Deutsch vor. welcher immerwährende Gesundheit als Ziel und Ort sind keine trennenden Grössen mehr, sondern Andrew, gescheiterter College-Stundent in New ein unnötiger, zu früher Tod als Frevel gilt. Die Wis- ermöglichen ein Nebeneinander der Ereignisse. York, kehrt in seine Heimatstadt Orlando, Flori- senschaftlerin Mia Holl verliert ihren jüngeren Bru- So ist der alternde emeritierte Professor, in wel- da, zurück. Hier verdingt er sich als Auslieferer in der Moritz aufgrund einer falschen Anklage. Dieser chem wir, ohne diesem zu nahe treten zu wollen, Domino’s Pizzaservice und träumt, wenn nicht von begeht noch während der Inhaftierung Suizid. Mia ein Alter Ego des Autoren selbst vermuten dürfen, Sara, mit der er in New York ein einziges Date hat- verliert daraufhin jeglichen Halt und wird aus Sicht zugleich der Gymnasiast von achtzehn Jahren. te, von einer Karriere als Schriftsteller. Mit seinem des Systems, personifi ziert im smarten Kramer, zu Und wir werden an jene endlosen Sommer unserer besten Freund Steve fachsimpelt er über Amok- dessen Gegnerin, obwohl sie nur Mensch ist und eigenen Teenagertage erinnert, die von so etwas läufe, wobei die Pulitzerpreis-Gewinnerin Jhumpa einen kaum zu verarbeitenden Verlust zu verarbei- wie Langeweile gekennzeichnet waren, in denen Lahiri eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Mög- ten versucht. Doch Menschsein ist hier, wo der Urin aber auch alles möglich schien, in jenem fl irrenden licherweise eine Reminiszenz an eine andere Im- täglich beim Wasserlassen kontrolliert wird und je- Licht, das alles zugleich unwirklicher und wirkli- migrantin, welche mit der Schriftstellerei den so der Bürger, jede Bürgerin das Soll an sportlicher cher werden lässt. sehnlichst gewünschten Status des Erfolges er- Aktivität zu absolvieren hat, nicht vorgesehen. Gustafsson bedient sich zweier Erzählstränge, reicht hat. Aber Mia fi ndet in ihrem Verteidiger Rosentre- die sich, oft unvermittelt, ohne dass dies anhand Auf seinen Fahrten durch das sonnige Florida ter von unerwarteter Seite Unterstützung. der Textstruktur erkenntlich wäre, abwechseln. Ei- trifft er immer wieder auf Bären, Delphine, Hams- Der Juristin im Nebenberuf Juli Zeh gelingt hier ner Chronologie der Ereignisse ist der Autor dabei ter und anderes Getier, die ihre Leere mit Übergrif- das scheinbar Unmögliche: Nämlich eine zutiefst nur teilweise verpfl ichtet. Und doch ist es gerade fen an Schauspielern wie Sean Penn zu füllen ver- kritische Analyse des heutigen repressiven Wahns die Klarheit der Bilder aus der Vergangenheit, die suchen und Andrew zu einer Entdeckungsreise in im Namen der Gesundheit und wohin dieser in ihnen den Anschein des Träumerischen verleiht. ihre unterweltlichen Lebenswelten einladen. Diese seiner konsequenten Weiterführung führen kann; Die Erinnerung an die schöne Frau Sorgedahl, eine Passagen erinnern nicht von ungefähr an Autoren getarnt als Science-Fiction-Roman. Nicht zum verheiratete, kinderlose Ingenieurin, welche ihren wie Murakami oder Banana Yoshimoto. ersten und wahrscheinlich auch nicht zum letzten Spass an den jungen Gymnasiasten hat, ist an die- «Gute Laune» wird seinem Titel insofern ge- Mal dient eben dieses Genre dazu, aktuelle gesell- ser Stelle wirklicher, als der Alltag des Philosophen recht, als, obwohl an allen Fronten Hoffnungslosig- schaftliche Diskurse zu beleuchten und diese, ge- im beschaulichen Oxford im Jahr 2005. keit zu herrschen scheint, sich der junge Möchte- rade durch ihre Isolierung mittels der Darstellung Die Vielschichtigkeit des Romans hat dieser gernautor doch nicht unterkriegen lässt. Tao Lin innerhalb einer Kunstwelt, zusätzlich zu verdeut- nicht nur der Gleichzeitigkeit der Ereignisse zu hat hier einen äusserst liebenswerten Protagonis- lichen. Steht bei Aldous Huxley noch die perma- verdanken, sondern auch dem Umstand, dass der ten entstehen lassen. nente Befriedigung des Einzelnen im Zentrum, ist Ich-Erzähler hier zum Sprachrohr anderer Erzäh- Das Début Lins ist kein Roman, in welchem sich es in der heutigen Zeit nicht verwunderlich, dass ler wird. Wir lassen uns den Karneval der Stimmen die Ereignisse jagen, trotz der scheinbaren Hand- die Autorin die Thematik anhand des Körpers dis- gerne gefallen. lungsarmut strotzt die Story um Andrew jedoch nur kutiert. so von kuriosen Einfällen. Dennoch ist es kein «Ab- Einzig die Protagonistin Mia Holl hätte man sich surdistan», dass der 26-jährige Autor hier geschaf- zumindest zu Beginn des Romans weniger blutleer fen hat, dafür ist die Sehnsucht nach der grossen gewünscht, doch sie gewinnt, parallel zur Entwick- Liebe und der Traum vom Erfolg zu wirklich. lung ihres Falls, zunehmend an Tiefe.

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32 ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 KKulturultur & GGesellschaftesellschaft

KOLUMNE AUS DEM BAU... berufsdeklaration von Irina Mahlstein Bild: Barbara Ineichen ■ Neulich in der Kletterhalle, als ich mir gerade natürlich eine reumütige Entschuldigung seiner- das was damit zu tun hätte… Aber nein, er kommt einen Eintritt mit Legi bestellte, kam wieder ein- seits über seine fehlende Einsicht. Aber auf solche zu mir und meint nur: «Endlich mal jemand, mit mal mehr die Frage: «Was studierst du denn?» Dinge sollte man am besten gar nie hoffen. Denn dem man diskutieren kann.» Er meint sogar, dass Ich: «Habe mein Studium bereits abgeschlossen. anstelle einer netten Entschuldigung schmetterte er gerne mal für länger mit mir diskutieren möch- Mache nun eine Doktorarbeit.» Ich hoffte sehn- er mir entgegen, dass wir Akademiker sowieso von te. Ha! Doch gewonnen. Meine Arbeit ist also doch lichst, dass damit die Fragerei ein Ende hätte. Denn überhaupt nichts eine Ahnung hätten, da wir ja wichtig. Das Arschaufreissen den ganzen Tag, die schliesslich habe ich nirgends ein Schild erspäht, alle mit einem Röhrenblick durch die Welt schrei- vielen Abendstunden, die Wochenenden, die dafür auf welchem stand, dass man seine Berufstätigkeit ten. Wham! Das sass. drauf gehen, es lohnt sich also doch. deklarieren muss, um hier klettern zu können. Aber Daraufhin brach ich die Diskussion ab und ver- Tage später sitze ich an einem Wochenende zu nein, ich höre ihn schon fragen, was das Thema zog mich in die Umkleidekabine. Wütend schleu- Hause und versuche etwas zu arbeiten. Allerdings meiner Doktorarbeit sei. Ich: «Klimaforschung.» derte ich meine Tasche in eine Ecke und schnaubte schlagen alle meine Anstrengungen fehl, mei- Normalerweise kommen dann die niedlichen Be- vor mich hin. Wie habe ich es satt, mich ständig ne Gedanken irgendwie zu kanalisieren. Da sitze merkungen wie «Das wird mal ein wichtiges The- dafür rechtfertigen zu müssen, was ich arbeite. ich vor meinem Laptop und es geschieht einfach ma werden», oder einfach «Aha, sehr spannend». Wieso muss ich mir von irgendwelchen Daherge- nichts. Und während ich darauf warte, dass endlich Dieses Mal uferte allerdings alles aus. Auf mei- laufenen anhören, dass meine Arbeit nichts taugt eine Idee durch mein Hirn blitzt, geschieht noch ne kurze Antwort verdreht der Typ hinter dem und unnütz ist. Niemandem käme es in den Sinn, weniger. Da ist nur eine gähnende Leere und die- Tresen die Augen und skizziert mir in ein paar einem Schreiner zu sagen, dass er nun doch end- ses elende Gefühl, dass da auch in ferner Zukunft wenigen Sätzen, dass dies eh alles Quatsch ist lich damit aufhören solle, Tische herzustellen. Das nichts rauskommt. Oder das tagelange Warten auf und es gäbe doch gar keine physikalische Begrün- wäre ja absurd! Ich kann ja auch nichts dafür, dass Resultate, die der Rechner ausspucken sollte. Und dung, folglich alle meine Anstrengungen, die ich man Klimamodelle nicht in die Küche passen und während er rechnet, für Tage, da fragt man sich da während vieler schlecht bezahlter Stunden im mit einer hübschen Decke dekorieren kann! schon, was genau er da rechnet. Ob das denn stim- Bau unternehme, sind für nichts. Damit war mein Später beim Klettern kommt der Typ wieder men kann. Und dann, nach einer Woche, schaut Kampfgeist entzündet und innerhalb von wenigen auf mich zu, blickt mir fest in die Augen, und ich man sich die Zahlen an und man merkt, dass man Minuten hatte ich den Typ an die Wand diskutiert, denke nur, nun kommt es, mein Lieblingsargument ganz am Anfang im Code einen Vorzeichenfehler jedes seiner Argumente innert wenigen Sekunden gegen meine Arbeit: «Ihr schafft es ja nicht mal, drin hatte. Ich fühl mich grad so nutzlos. abgeschmettert. Wham! Erwatet hätte ich nun das Wetter für drei Tage vorherzusagen!». Als ob ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 33 KKulturultur & GGesellschaftesellschaft

KOLUMNE fundamentalismus unterschiebt man Von Peter J. Betts ■ Fundamentalismus unterschiebt man heute Praktiken der Gen-Biologie, beziehungsweise Gen- Nicht einfach lustig oder schlicht falsch, sondern hier vorwiegend gewissen (die weibliche Form ist technologie und deren Folgen im Anschauungsun- vielschichtig, vieldeutig. Mit einer Selbstverständ- in diesem Fall vermutlich eher unangebracht) Isla- terricht erfahren hat, heisst es: «Wenn ich je vom lichkeit hat die Ver-Hörerin oder der Ver-Hörer misten, sicher unter anderem auch zu Recht. Mir Totenacker der Evolution gesprochen habe, hier den Begriff «Neger» nicht mit «schwarz» verbun- scheint aber, Fundamentalismus als Krankheit, oft beschreite ich einen. Mitten auf der Insel, die sich den, sondern mit Geheimnis jenseits aller Rassen als Standfestigkeit fehlinterpretiert, sei sehr weit so gut als Paradies verkauft.» Folgen von getarn- oder Hautfarben. Ein kreativer, poetischer Titel: verbreitet: in Staaten, Parteien, politischen, religi- tem Fundamentalismus? Public Relation tritt an «Der weisse Neger Wumbaba». Denkt man. Aber ösen und ideologischen Credos (etwa «Politische die Stelle von Kommunikation. Jedenfalls steht jemand, für die oder den – aus mehr als nur ver- Korrektheit» oder «Kreationismus»); bei Men- nicht «Verständigung» im Vordergrund. Selbstver- ständlichen Gründen – der Begriff Neger zum schengruppen unterschiedlicher Herkunft oder ständlich ist es sinnvoll, wenn sich unter anderem Reizwort geworden ist, sieht auch hier nur, was zu Sprache oder verschiedenen Geschlechts; der «Schwarze Deutsche in Medien und Öffentlichkeit» sehen ihm oder ihr die Brille zu sehen erlaubt: Aus- Konfrontation von unterschiedlichen Dialekten, gegen «Beleidigungen, die für die Entmenschli- druck für Rassismus, und aus der Optik des Verlags Altersgruppen, Minoritäten, Majoritäten; bei ver- chung, Misshandlung, Herabwürdigung und Dis- zusätzlich: Ausbeutung einer eh schon getretenen schiedenen Ausprägungen sogar «fast» gleicher, kriminierung schwarzer Menschen» wehren oder Menschengruppe. Und so heisst denn die Petition trotzdem (deshalb?) unvereinbarer Glaubensfor- postulieren: «Die mit Rassismus verbundene Ent- «Stoppt den weissen Wumbaba» nicht der Kürze men; zwischen Menschengruppen verschiedener menschlichung gilt es zu beenden, nicht zu repro- wegen so, sondern weil die Unterzeichner (Warum Hautfarben jeweils den Andersfarbigen gegenüber, duzieren.» Diese beiden Zitate entnehme ich der nur Männer? Diskriminieren sie nur aus Eifer die aber besonders auch gegen jene, die Elemente Petition «Stoppt den weissen Wumbaba!» Was hat Frauen oder ist es ein verzeihlicher, unwesentli- beider oder mehrer Farben in sich vereinen. Über das mit Fundamentalismus zu tun? Lassen Sie mich cher Lapsus? Ist so eine kleine Diskriminierung das Potential unserer Kommunikationstechnologie versuchen zu erklären: Als Kind habe ich mich im- hier tolerierbar?) allein schon das Wort «Neger» schreibt Jürgen Neffe in seinem Werk «Darwin, mer über das Lied gewundert, das ich so gehört nicht schreiben können und sich dabei zugleich das Abenteuer des Lebens» (C. Bertelsmann) im und verstanden und mit Inbrunst weiter gesungen den Vorteil einhandeln, dass die Kürzung den Zu- Zusammenhang mit den Cocos-Inseln angesichts habe: «Von Ferne sei herzlich gegrü-üsset, du stil- sammenhang des Angefochtenen verwischt und eines weltweit funktionierenden öffentlichen les Geländer am See...». Ich wusste wohl, dass ein somit mehr Unterschriften bewirkt? Nicht zuletzt, Fernsprechapparates auf der unbewohnten «Di- Geländer am Seeufer Sinn machen könnte, nicht weil sich der Bezug zu Nebel, der Gedichtzeile, der rection Island»: «Als einzige Spezies können wir aber, was ein «Gelände» war, und das Rütli hatte Motivation der Ver-Sprecherin oder des Ver-Spre- uns über den gesamten Planeten unmittelbar für mich nichts bedeutet. Ich nehme an, auch Sie chers nicht nachvollziehbar wird. Demagogie? Sind miteinander verständigen. Welch eine Chance für haben sich schon bei Liedern ver-hört und waren nicht nur in der Liebe alle Mittel erlaubt, sondern eine intelligente Art, gemeinsam Ziele zu verwirk- vom anderen, von Ihnen erschaffenen Sinnzusam- auch im fundamentalistischen Aktivismus? Neffe lichen, wenn sie das Zeitalter von Krieg, Gewalt menhang überzeugt, während der Originaltext für schreibt: «Mauritius gibt es zweimal. Beide liegen und Unterdrückung hinter sich lassen könnte.» Sie wenig Sinn gemacht hätte. Axel Hacke ist vielen auf derselben Insel im Indischen Ozean, östlich «Verständigen’»sagt er, nicht einfach einander te- Ver-Hörern nachgegangen. Zum Beispiel dem – ei- von Madagaskar. Das eine ist das Ergebnis einer lefonieren. Und knüpft damit das ganze kulturelle genartigen Text «Weisst du wie viel Sternlein ste-e- Werbekampagne und verspricht nicht weniger als Evolutionspotential an eine Bedingung, die wohl hen an dem grossen Himmelszelt? Gott der He-err ‹Le paradis›. Im anderen zählen sie gerade noch weit weg von Fundamentalismus wäre. Ein paar hat sie gezä-älet...». Warum sollte der Herr die die letzten urwüchsigen Bäume...» Und: «In den Seiten weiter hinten schreibt er im Zusammenhang Sterne zählen, nachdem er sie geschaffen hat? Er Zeitungen tauchen Worte der Globalökonomie mit Mauritius: «(Ihr) Zusammenhalt entsteht durch ist ja allwissend. Anderseits wäre eine Erkenntnis auf. Onlineservices und Callcenter sollen das Land Toleranz. Eine multikulturelle Gesellschaft ohne ei- vielleicht sinnvoll: «Gott der Herr hat sieben Zäh- für das Outsourcing von Dienstleistungen von gene Kultur, ein Nebeneinander im Miteinander, wie ne...». Ein aufschlussreicher Gegensatz zu seiner Hochlohnländern attraktiv machen... Die Pfl an- es einmal auf der ganzen Welt Wirklichkeit werden Schöpfung von unzählbaren Sternen am grossen zen werden so verändert, dass Bauern ihr Saat- könnte. Die Geburtenrate ist so weit zurückgegan- Himmelszelt. Aus wenig viel machen oder so, etwa gut kaufen müssen, statt es selber von der Ernte gen, dass sich ein Ende des Wachstums absehen aus Lehm den Adam und dann aus der Rippe die abzuzweigen. Damit geraten sie nach Einführung lässt. Und das in einem Entwicklungsland, das zu Eva und was sonst noch im Wochenprogramm auf- von Kunstdünger und Pestiziden noch stärker in Afrika gehört...» Zwar wird eine «fotogene Garten- gelistet war. Mit Sicherheit keine Blasphemie, sonst die Abhängigkeit von grossen internationalen Kon- Eden-Exotik» vorgegaukelt. Und reich ist klar von wäre man ja nicht mit Demut und Wissensbereit- zernen. Und das, obwohl sich heute mit klassischer arm getrennt, Elend von Überfl uss; Neffe schreibt: schaft zur Sonntagsschule gegangen. Ver-Hören Zucht durch moderne Methoden wie dem ‹Marker «In einer der erfolgreichsten Imagekampagnen als Quelle der Schöpfungskraft. Dieses Phänomen Assisted Breeding› – da werden DNA-Daten zur Se- des globalen Tourismus hat sich das Land zum hat Hacke in seinem Buch verfolgt. Ein besonders lektion genutzt – in der Regel sehr viel effektiver Paradies mit Exklusivanspruch erklärt. Man bleibt poetischer Ver-Hörer diente dann als Titel seines und vor allem ungefährlicher neue Sorten herstel- unter sich...» Toleranz, offenbar getragen durch Buches im Kunstmann-Verlag. Aus «Der Mond ist len lassen.» Fundamentalismus hat viele Gesichter. gegenseitige Gleichgültigkeit, die Fundamentalis- aufgegangen» von Matthias Claudius wurden die Das gefährliche Problem dabei ist, welche Brille sie mus nicht ausschliesst, aber das Entwickeln einer beiden letzten Verse der ersten Strophe zu «Und jeweils tragen und mit welcher Ausschliesslichkeit, gemeinsamen Kultur verhindert. Und etwas später, aus den Wiesen steiget der weisse Neger Wum- wie durchlässig sie sind. Oder: Wie gut sich diese nachdem er die hier so üblichen wie gefährlichen baba» (anstatt «...der weisse Nebel wunderbar.»). Ausschliesslichkeit vermarkten lässt.

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WEITERBILDUNG kunst + therapie = kunsttherapie Von Barbara Neugel Bild: Pipilotti Rist «Sip my Ocean», 1996 (Videoinstallation) ■ So einfach ist es natürlich nicht, dass man sa- verwandten Berufsgruppen werden geprüft. Die- gegeben. Ein weiterer Punkt, der gemäss Sabine gen kann, dass Kunst und Therapie zusammen ser Aufbaustudiengang zieht also Leute an, die be- Ihle wichtig ist, ist dass man von den sogenann- Kunsttherapie ergeben. Da steckt schon viel mehr reits im Beruf stehen und eine eigene Berufsiden- ten «Schulen» in der Psychologie (beispielsweise dahinter. In der Schweiz gibt es zurzeit einige we- tität aufgebaut haben. Gemäss den Angaben von Freud, Jung usw.) weggehen und mehr auf die Wir- nige Aus- beziehungsweise Weiterbildungen, die Sabine Ihle wird es sehr unterschiedlich sein, was kung hin arbeiten möchte. Der Masterstudiengang sich mit Therapie und verschiedenen Arten von die Studierenden aus diesem Studium für sich her- ist also nicht an eine Schule angelehnt, sondern Kunst – sei es Malen, Arbeiten mit Ton usw. – aus- ausziehen. Auch der jeweilige Anwendungsbereich es ist eine schulübergreifende Ausbildung, und das einandersetzen. Diese Ausbildungen führen zu wird sehr unterschiedlich sein. Der Studiengang ist – gemäss Ihle – ein Novum für die Schweiz. Der nicht anerkannten Abschlüssen. Dies wird sich nun ist modular aufgebaut und beinhaltet Kunst-Praxis künstlerische Prozess und die Wirkung vom Anre- ab Wintersemester 2009 ändern. Am 31. August und Kunst-Theorie, Psychologische Theorie, Psy- gen solcher Prozesse bei PatientInnen sind wichtig. 2009 startet in Zürich die erste Weiterbildung in chopathologie, Therapie-Praxis, Therapie-Theorie Das schöpferische Potenzial steht im Zentrum. Die Kunsttherapie mit anerkanntem Master-Abschluss. sowie Supervision in der Gruppe, Selbsterfahrung Therapie ist patientenzentriert – ihre Vorlieben, Angeboten wird diese Ausbildung vom Institut für in der Gruppe, ein Praktikum (250 Stunden) und das, was sie gut können, das, was sie neu anfangen Angewandte Psychologie IAP (das zur Zürcher die Masterthesis (total 90 ECTS-Punkte). Hinzu möchten, stehen im Mittelpunkt. Hochschule für Angewandte Wissenschaften ge- kommen Supervision und Selbsterfahrung einzeln, Auf der Seite der Dozierenden stehen Namen hört) in Zusammenarbeit mit der ZHdK, der Zür- pro Jahr eine Praxis-Exkursion in eine ausgewählte wie Barbara Hochstrasser, Dr. med. FMH für Psy- cher Hochschule der Künste. Institution mit kunsttherapeutischem Angebot. Die chiatrie und Psychotherapie, Gesa Ziemer, Prof. Am Anfang stand, wie Sabine Ihle, Psychologin/ Weiterbildung ist als dreijähriges Teilzeitstudium im Bereich Kulturtheorie und Ästhetik, Georg Kunsttherapeutin und Mitglied der Studienleitung, aufgebaut mit einem festen Studientag pro Woche Franzen, Dr. phil. Fachpsychologe für Klinische sagt, die Vision, eine anerkannte Ausbildung in und zwei Blockveranstaltungen pro Semester. Die Psychotherapie, Pipilotti Rist, Künstlerin, u.a.m. Kunsttherapie anzubieten, die stark kunstbasiert Unterrichtsdaten richten sich weitgehend nach Nach fünf Jahren intensiver Vorbereitungszeit ist ist – im Gegensatz zu den anderen, bereits beste- dem Zürcher Schulkalender. Dadurch sollte sich etwas Neues in der Schweizer Bildungslandschaft henden Ausbildungen, die nicht anerkannt und die Ausbildung in die Berufstätigkeit und/oder ins entstanden, das auch zur Qualitätssicherung des eher heilpädagogisch oder pfl egerisch ausgerich- Familienleben integrieren lassen. Genaue Angaben Berufsstands der Kunsttherapie beitragen wird. Es tet sind. Das IAP schien dafür und für den psycho- enthält das «Detailprogramm Master of Advanced ist ein anspruchsvolles und interessantes Studium, logischen Teil eine gute Säule zu sein. Die Inter- Studies ZFH in Kunsttherapie» (Webadresse und in dem viel Neues gelernt und erfahren werden essen gingen von da aus in Richtung Kooperation Telefonnummer siehe unten). kann, das aber auch fordert, sich mit sich selber mit der ZHdK, zu den Dozierenden in bildender Sabine Ihle führt aus, dass in dieser Ausbildung und den eigenen Erfahrungen sowie mit den ei- Kunst und Kulturtheorie. Von der Ebene der Do- inhaltlich sowohl Kunst als auch Psychologie ver- genen Fähigkeiten des künstlerischen Gestaltens zierenden verschob sich die Angelegenheit auf die mittelt werden, dass die praktische künstlerische auseinanderzusetzen. Ebene der Direktionen der beiden Institutionen, Arbeit, das eigene künstlerische Gestalten, wichtig wo schliesslich auch der Entscheid zur Durchfüh- ist, und dass das Wissen individuell angewendet rung des Aufbaustudiengangs gefällt wurde. Die- werden kann. Die Module sind für alle die gleichen, ser Studiengang wendet sich an PsychologInnen, aber die Begleitung wird sehr unterschiedlich und ÄrztInnen und Personen mit künstlerischer Ausbil- individuell sein. Alle Module müssen absolviert, dung (mindestens Stufe Bachelor oder äquivalente alle Prüfungen müssen abgelegt werden. Aber Informationsveranstaltung: Montag, 11. Mai, IAP Ausbildung). Bewerbungen von Fachpersonen aus dennoch sind inhaltlich relativ grosse Freiheiten Info: www.iap.zhaw.ch ensuite - kulturmagazin Nr. 76 | April 09 35 KKulturultur & GGesellschaftesellschaft

the spirit korea – japan Von Lic. phil. Catherine Schlumberger - Ausstellung 3. Mai bis 30. Mai 2009

■ Japanische Kalligraphie und Malerei - Sanae Dan-Kook Universität in Seoul. 1974 bis 1981 Studien Sakamoto Sanae Sakamoto stammt aus Tokio. Als in Korea, 1981 bis 1999 weitere Studien und Arbeiten Meisterin der japanischen sowie der chinesischen in England, Frankreich und der Schweiz. Ab 2000 Kalligraphie lebt und arbeitet sie seit 1971 als frei- eigene Ateliers in der Schweiz, Frankreich und Ko- schaffende Künstlerin in der Schweiz. Von 1981 bis zu rea. Seit 1975 zahlreiche Ausstellungen im In- und ihrer Pensionierung unterrichtete sie an der Schule Ausland; viele seiner Werke sind in öffentlichen für Gestaltung Basel. Und seit dem Jahre 2000 auch Sammlungen in England, Deutschland, Frankreich, als Kursleiterin im Lassalle-Haus, dem international Holland und der Schweiz zu bewundern, was ihm bekannten Zen-Zentrum. auch zahlreiche Auszeichnungen eingebracht hat, Einzelausstellungen: In Japan, den USA, der u.a. Fletcher Challenge Ceramics Award, Award of Schweiz, in Deutschland und Österreich. Öffentliche merit 1993, Auckland; Werkbeitrag 1995, Kommission Arbeiten: Kurzentrum Bad Säckingen / Papiermuse- für Angewandte Kunst, Bern; Bayrischer Staatspreis um Basel / Kongresszentrum Davos, Swissair-Asia, 1996, München. Logo MD-11 (Flugzeug) / Fa. Habasit, Reinach, Kalli- graphiesammlung H. Götze, Heidelberg / VPOD, Ver- Kultur Arena Wittigkofen bands-Logo, Lassalle-Haus, Zug / Kunstsammlung Jupiterstrasse 15 Würth, D / Kunstsammlung Schüpbach, Steffi sburg, 3015 Bern Kunstsammlung der Kulturstiftung (KSU) Unterse- (Tram Nr. 3 bis Wittigkofen, Parkplätze vorhanden) en/Interlaken, DHC-Kosmetikfi rma (Japan/CH) / To- MO bis FR, 14 bis 18 Uhr, SA, yota, Event «40 Jahre Toyota Schweiz» www.sanae- SO und Feiertage 14 bis 17 Uhr sakamoto.ch Koreanische Keramikobjekte - Seungho Yang Vernissage 2. Mai, 18:00h bis 21:00h Seungho Yang geboren in Korea; Studium an der Info: www.kultur-arena-bern.ch Werbung tut weh - vor allem wenn man ensuite im ABO ZH 4/09 vergisst, zu Sie wissen nicht mehr wohin? ensuite - kulturmagazin im ABO lässt Sie Monat für Monat Kultur und Kunst entdecken (inklusive die Beilage artensuite)! ➜ buchen...

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