Volume 1-2016 ISSN 2191-3900

... geographische Open-Access Zeitschrift

A D P A L Lena Tillmann & Andreas Farwick Andreas Rienow Wien - Eine Stadt zwischen Tradi on und Stadt und Land im Fluss - Netzwerk zur Gestaltung Moderne einer nachhal gen Klimalandscha

Daniel Winter et al. R Landwirtscha im Wandel - Ist der Ökolandbau Lena Tillmann eine Alterna ve? Biodiversität und Klimawandel - Folgen für Deutschland Volker Mosbrugger et al. (2014) Jonas Birke Die Entstehungsgeschichte des Bergischen Daniel Winter Landes - Ein physisch geographischer Rundgang ArcGIS 10.3 GI Geoma k GmbH (2015) Inhalt

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser der GeoLoge,

mit großem Stolz präsentieren wir die aktuelle Ausgabe unserer geographi- schen Fachzeitschrift. In dieser findet ihr, neben zwei interessanten Rezensio- nen, auch spannende Publikationen mit physischem sowie humangeographi- schem Bezug. Mit Hilfe unserer jüngst geschaffenen Rubrik „Aus der Lehre“ wollen wir euch zusätzlich für anregende, hochschulinterne Module begeistern. Ab 2017 wird das Redaktionsteam durch die neuen Mitarbeiter Bianca Skow- ron, Patrick Matuszewski und Mike Schäfer tatkräftig ergänzt. Des Weiteren konnten wir freundlicherweise Herrn Thomas Nader aus dem Arbeitsbereich „Mobilität und demographischer Wandel“ als wissenschaftlichen Berater ge- winnen. Eure Haus- und Abschlussarbeiten, aber auch freiwillige Beiträge, sind für die nächste Ausgabe der GeoLoge natürlich weiterhin herzlich willkommen. Bei Fragen hierzu könnt ihr übrigens auch jederzeit zu unserer wöchentlich statt- findenden Sprechstunde vorbeikommen (Do. 10-11Uhr, NA 01/131).

Aus der Praxis

Jonas Birke Seite 4 - 11 Die Entstehungsgeschichte des Bergischen Landes - Ein physisch geographischer Rundgang

Lena Tillmann & Andreas Farwick Wien - Eine Stadt zwischen Tradition und Moderne Seite 12- 18

Daniel Winter, Philip Albrecht, Jannik Behr, Damaris Buschhaus, Marco Dessauer, Ares Exarcheas, Nils Hanne- mann, Stefanie Heinze, Alexander Huckestein, Nora Keller, Theresa Kessen, Pascal Schäper, Jan Staubach, Sebastian Stelzen, Jan Stürmann Landwirtschaft im Wandel - Ist der Ökolandbau eine Alternative? Seite 19- 26 Inhalt

Aus der Lehre

Andreas Rienow Stadt und Land im Fluss - Netzwerk zur Gestaltung einer nachhaltigen Klimalandschaft Seite 27

Rezension

Lena Tillmann Biodiversität und Klimawandel - Folgen für Deutschland Mosbrugger, Volker et al. (Hrsg.) (2014) Seite 28 - 31

Daniel Winter ArcGIS 10.3 GI Geoinformatik GmbH (Hrsg.) (2015) Seite 32 - 33

Impressum Seite 34 4

Jonas Birke Die Entstehungsgeschichte des Bergischen Landes - Ein physisch geographischer Rund- gang Aus der Praxis Kurzfassung: Das Bergische Land war in seiner Entstehung zahlreichen Prozessen ausgesetzt. Auf geomorpholo- gischer Ebene sind es vor allem tektonische Faltungs- und Hebungsprozesse sowie Störungen. Durch den Einfluss maritimer Vor- und Rückstöße, finden sich neben den Primärgesteinen Schiefer, Sand- und Tonstein auch Kalk- züge aus Riffablagerungen. Die am häufigsten vorkommenden Böden sind durch Ton-, Sand- und Schluffeinlage- rungen geprägt. Fruchtbare Lössböden befinden sich am Westrand. Die zahlreichen Flüsse und Bäche sind zudem maßgeblich für die heutigen Talformen verantwortlich. Vegetativ zeichnet sich das Gebiet durch eine starke Be- waldung im nicht besiedelten Raum aus. Mit seinen Hangmooren, Auen- und Heidegebieten sowie Feuchtwie- sen bietet es darüber hinaus einen facettenreichen Naturraum. Die Vielschichtigkeit der Landschaft bezogen auf Geomorphologie, Bodentypen, Mikroklima und Vegetation, macht das Bergische Land zu einem interessanten Ökosystem des Rheinischen Schiefergebirges.

Schlüsselwörter: Rheinisches Schiefergebirge, Bergisches Land, Geologie, Klima, Vegetation, Hydrologie, Pedo- logie

1 Einleitung 2 Das Bergische Land

Das Bergische Land stellt aufgrund seiner 2.1 Geographische Einordnung klimatischen und geologischen Gegeben- heiten ein besonderes Gebiet innerhalb des Das Bergische Land ist in drei Teilgebiete des rheinischen Schiefergebirges dar. Auch in Rheinischen Schiefergebirges gegliedert. Es Bezug auf seine orogenetische Entstehungs- befindet sich rechtsrheinisch und wird im Nor- geschichte weist es Besonderheiten auf und den von der und im Süden von der ist daher prädestiniert für eine detaillierte begrenzt. Westlich und östlich sind die natür- Betrachtung. Der folgende Artiekl gibt einen lichen Grenzen die rechtsrheinischen Rhein- Gesamtüberblick über die geologische Ent- terrassen und die . Insgesamt hat das stehungsgeschichte des Bergischen Landes. Bergische Land eine Ost-West-Ausdehnung Dazu zählt nicht nur die Orogenese, sondern von etwa 40 km und lässt sich in drei Teile auch die klimatische Entwicklung, die die- gliedern, das Ober-, Mittel- und Niederber- ses Gebiet bis heute beeinflusst. Des Weite- gische Land. Landschaftlich grenzt das Bergi- ren wird ein prägnanter Überblick über die sche Land im Westen an die Niederrheinische Böden und Gesteine des Bergischen Landes Bucht und im Osten an das . Im Sü- gegeben, wobei die Kalkvorkommen eine den folgt das Siegerland. Das Bergische Land besondere Berücksichtigung finden. An- ist geprägt durch eine hohe Besiedlungsdich- schließend erfolgt ein Querschnitt zur Hyd- te sowie eine kleinräumige forst- und land- rologie und Vegetation des Bergischen Lan- wirtschaftliche Nutzung (vgl. Ribbert 2012). des, um somit einen Gesamtüberblick über Klimatologisch befindet sich das Bergische die physisch geographischen Gegebenhei- Land in der Westwindzone, weist jedoch auf- ten dieses Untersuchungsgebietes zu geben. grund seiner Reliefform mit dem Phänomen des Steigungsregens ein besonderes Mikrokli- ma auf.

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2.2 Geologie und Orogenese des Bergischen te Gesteinsschichten des Bergischen Landes Landes datiert und stammen aus dem Unterdevon (450 Mio. Jahre vor heute). Sie bestehen aus Tektonisch betrachtet zählt das Bergische Ton- und Sandsteinen mit einer dunkelblau- Land als sogenanntes Muldenland, welches grauen Färbung. Diese Färbung resultiert aus durch eine Nordost- und Südwest Neigung abwechselnden oxidierenden und reduzie- der Mulden und Sättel geprägt ist. Zudem ist renden Bedingungen bei ihrer Entstehung, es durchzogen von Quer- und Längsbrücken die auf Sedimente eines flachen Gewässers der Gesteine, an denen sich das Wassernetz hinweisen (Grabert 1992). Die tiefsten gefun- dieses Gebietes orientiert. Insgesamt weist denen unterdevonischen Schichten gehen aus das Bergische Land einen nordvergenten Fal- der Gedinne-Stufe hervor. Sie bestehen aus tenbau auf. Das Oberbergische Land grenzt Ton- und Schluffsteinen sowie Rotschiefer. durch die Paffrather Kalkmulde im Nordwes- Ihre Herkunft wird dem Delta-Fächer eines ten an das Niederbergische Land und durch immensen Flusssystems des Devons zuge- die Bergische Überschiebung an das Mittel- schrieben. Namentlich sind hier die Hüing- bergische Land im Südosten (Grabert 1992). hauser-Schichten und die Bredeneck-Schich- Da das Bergische Land einen Teil des Rheini- ten zu nennen, in denen auch subaquatische schen Schiefergebirges bildet, ist die Entste- Vulkaniteinlagerungen gefunden wurden hungsgeschichte komplex, weshalb es zahl- konnten (Grabert 1992). Ebenfalls dem Unter- reiche Überschneidungen in der Orogenese devon zuzuordnen sind die Paseler-Schichten gibt. Dieses Kapitel wirft einen Blick auf die und die Wahnbach-Schichten aus Sand- und tektonischen Schichten des Bergischen Lan- Tonsteinen mit einer Schichtenmächtigkeit des, deren Entstehung immer im Kontext des von 3000 m. Die darauffolgende Emst-Stufe Rheinischen Schiefergebirges betrachtet wer- besteht aus Sandsteinen und karbonathalti- den muss. Abbildung 1 zeigt eine tektonische gen Tonsteinen, wie sie in den Odenspieler- Übersicht über das Bergische Land. und Remscheider-Schichten zu finden sind. Die Herscheider Schichten wurden als ältes- Zudem bilden die Remscheider-Schichten den sogenannten Remscheider Sattel. Dieser stellt die wichtigste Faltenstruktur des Bergischen Landes dar und befindet sich zwischen den Städten und . Der Sat- tel besteht aus stark geschieferten Gesteins- schichten und ist durch eine Schichtlücke von den anderen devonischen Gesteinen getrennt (Ribbert 2012). Die Schichten des Oberdevons teilen sich in zwei große Stufen auf, die sich im Oberbergi- schen Land finden lassen, die Frasnes-, und die Famenne-Stufe. Erstere wird durch eine Mas- senkalkablagerung am nördlichen Rand des Remscheider Sattels charakterisiert, welche von einer 35 m mächtigen Flinzschieferschicht überlagert wird. Die Famenne-Stufe besteht aus rötlichen Sandsteinschichten sowie eini- gen Kalkknollenablagerungen und bildet den Abb. 1: Tektonische Übersicht des Bergi- Übergang zu den -Schichten. Zudem schen Landes (Ribbert 2012) lassen sich dort Einlagerungen von Schwarz-

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Die Entstehungsgeschichte des Bergischen Landes - Ein physisch geographischer Rundgang schiefer und grünlich gefärbten Tonsteinen linen und Wannen zur Folge hatte. Die älteste finden. Diese Färbung lässt sich als Anzeichen aus diesen Prozessen entstandene Karsthöh- für eine Änderung der Wasserzirkulation des lenfüllung liegt bei Wülfrath. Die folgende Zeit oberdevonischen Meeres betrachten (Ribbert des Tertiärs war geprägt durch den Einschlag 2012). Die Schichten des Unterkarbons sind eines Meteoriten, infolgedessen es zu klimati- geprägt durch die tektonisch bedingte Zwei- schen Veränderungen und extraterrestrischen teilung des Rhenoherzynischen Beckens in Ablagerungen von Gesteinsaschen kam. Das ein Kohlenkalkschelf des Velberter Sattels und nun feuchte Klima führte zur Bodenlösung, das östlich gelegene Kulmbecken. Die rechts- sodass alttertiäre Rückstände als Saprolith rheinisch gelegene Kulm-Fazies besteht aus (Faulstein) entstanden (Ribbert 2012). Diese Alaunschiefer. Der Schiefer ist an dieser Stel- und weitere gelöste Rückstände führten zur le als Beweis für eine plötzliche Sauerstoff- Bildung einer Verwitterungsrinde, die jedoch freisetzung des Rhenoherzynischen Meeres aufgrund von Zertalungsprozessen innerhalb sowie einem gleichzeitigen Anstieg des Mee- des Bergischen Landes verschwand. Transges- resspiegels zu sehen. Der Kohlenkalk des Vel- sive Überlagerungen östlich von Düsseldorf berter Sattels besteht aus zwei verschiedenen enthalten Sandsteine, die an der Oberfläche Kalkarten. Eine autochthone, im Flachwasser Verwitterungsprozessen ausgesetzt waren. des Schelfs, gebildete Kalkschicht sowie eine Ein Vorstoß des Urmeeres bis nach Wülfrath durch Turbidite umgelagerte allochthone und Solingen führte zu weiteren marinen Kalkschicht (Ribbert 2012). Sedimentablagerungen im Bergischen Land Aus dem Oberkarbon finden sich Schichten (Ribbert 2012). aus Sand- und Tonsteinen, deren Ablagerun- Das anschließende Quartär war die maßgeb- gen die Karbonatproduktion des Kohlenkalks liche Zeitspanne für die Talbildung im Bergi- zum Erliegen gebracht haben. Einzige Ausnah- schen Land und des daraus resultierenden me bilden hierbei die Erlenrode-Schichten am heutigen Reliefs. Klimatologisch betrachtet ist Rand des Bergischen Landes, die aus einem diese Zeit durch die Weichseleiszeit geprägt Konglomerat von Quarzit-Bänken bestehen. worden. Der mehrfache Wechsel von Kalt- und In der geologischen Zeitspanne des Perms Warmzeiten korrelierte mit dem Wechsel von glich die Land-Wasser-Verteilung sowie das Akkumulations- und Verwitterungsprozessen Klima in Mitteleuropa dem heutigen tropi- der Gesteinsschichten. Das Inlandeis gelangte schen Klima, da sich das heutige Mitteleuropa im Pleistozän bis an den Nordrand des Rheini- nahe des Äquators befand. Aus den Zeitaltern schen Schiefergebirges und hinterließ Lößab- Perm, Trias und Jura lassen sich im Bergischen lagerungen und Dünensande an den Talhän- Land jedoch so gut wie keine Rückstände fin- gen. Zudem bildeten sich Schotterflächen, die den. Hier ist allein die Bildung des Großkon- dem Verlauf des Wassernetzes von Rhein und tinents Pangaea mit einem einhergehenden Wupper folgten. In den Tälern der Flüsse wur- heißen und trockenen Klima hervorzuheben den Sedimente wie Sand-, Schluff- und Ton- (Ribbert 2012). Die nächsten gefundenen stein akkumuliert (Grabert 1992). Die durch Schichten des Bergischen Landes lassen sich tiefen- und seitenerosive Prozesse entstan- der Kreidezeit zuordnen. Sie bestehen aus denen Täler folgten den Verläufen der Flüs- Ablagerungen von Kies-, Sand- und Tonstei- se in Form einer Terrassentreppe. Durch den nen sowie von Braunkohle und lassen sich am Rückgang des Eises blieben Grundmoränen Übergang der Niederrheinischen Bucht zum aus Schmelzwassersanden und Schluffen am Bergischen Land lokalisieren. Des Weiteren Nordrand des Bergischen Landes zurück, da kam es innerhalb der Kreidezeit zu Korrosi- das Eis nicht weiter vorgedrang. Zudem ent- onsprozessen an den devonischen Schichten standen im Pleistozän periglaziale Fließerden des Massenkalks, was die Entstehung von Do- und Lössböden am nördlichen und westlichen

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Rand des Bergischen Landes. Die der Eiszeit Einfluss genommen hat. Die Braunkohlebil- folgende Klimaerwärmung im Holozän führ- dungen, die im Bergischen Land zwar nur in te zu einer starken Bewaldung des gesamten geringem Maße vorhanden sind, beweisen Gebietes. Die in dieser Zeit entstandene Reli- die Existenz eines warm feuchten Klimas zur efform, das Klima und die Vegetation entspre- Zeit des Tertiärs. Insgesamt ist ein Rückschluss chen in etwa der heutigen Zeit und haben sich auf das Klima zur Zeit des Tertiärs explizit für seitdem wenig verändert (Ribbert 2012). das Bergische Land nur schwer möglich (Fey 1974). 2.3 Klimatologie des Bergischen Landes Heute ist das Bergische Land aufgrund sei- ner Lage in der Westwindzone durch ein ge- Das Bergische Land zeichnet sich durch ein mäßigtes Klima beeinflusst. Das Phänomen besonderes Mikroklima mit dem damit ein- des Steigungsregens geht auf die Reliefform hergehenden Phänomen des Steigungsregens des Bergischen Landes zurück. So verläuft die aus. Es war im Verlauf der verschiedenen Erd- Neigung vom höchsten Punkt von 800 m am zeitalter ständig wechselnden klimatischen kahlen Asten, im Sauerland über 500 m und Bedingungen ausgesetzt, die wiederum un- an der westfälischen Grenze bis auf 40 m über terschiedlichste Prozesse verursachten. Abbil- N.N. am Rhein. Durch diese Steigung sind die dung 2 gibt einen Überblick über die klima- Westwinde gezwungen an den orographi- tischen Veränderungen im Bergischen Land schen Barrieren aufzusteigen. Dabei kühlen während des Quartärs. sich die Luftmassen feuchtadiabatisch ab, Während des Quartärs waren diverse Wech- können weniger Wasser halten und geben die sel von Warm- und Kaltzeiten zu verzeichnen. überschüssige Feuchtigkeit in Form von Regen So ähneln die Hochflächen des Bergischen und Schnee ab. Diese Niederschläge spiegeln Landes bezüglich ihrer Genese den Flächen sich auch im Anstieg der Niederschlagsmen- in warmen und wechselfeuchten Gebieten gen von 500 mm in der Kölner Bucht, auf wie beispielsweise in Angola. Dies ist ein Indiz 1115 mm bei -Barmen und 1400 für das warm feuchte Klima des Tertiärs, das mm am kahlen Asten wieder (Knübel 1990). auf die Sedimentablagerungen einen großen Der Steigungsregen beeinflusst die klimati- schen Bedingungen des Bergischen Landes und ist prägend für das Mikroklima.

2.4 Gesteine und Böden des Bergischen Landes

Die naturräumlichen Gegebenheiten des Bergischen Landes, zeichneten sich zu Beginn der bodenbildenden Prozesse im 7. Jahrhun- dert n. Chr. durch eine starke Bewaldung von Buchen- und Eichenwäldern aus. Zudem wa- ren zu dieser Zeit Biotope wie Moore im nörd- lichen Teil des Bergischen Landes und Auen entlang der Flüsse vorzufinden. Anthropogen betrachtet wurde das Gebiet primär durch Forst- und Landwirtschaft sowie die Steinkoh- legewinnung ab dem 19. Jahrhundert geprägt. Abb. 2: Klimatische Übersicht für das Bergi- Letzteres führte zu einer erhöhten Boden- sche Land im Quartär (Ribbert 2012) abtragung, der Entstehung von Haldenflä-

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Die Entstehungsgeschichte des Bergischen Landes - Ein physisch geographischer Rundgang chen und dem Eintrag von Schwermetallen in manchen Teilen des Bergischen Landes (Rib- bert 2012). Heute ist eine landwirtschaftliche Nutzung nur noch am Westrand des Bergi- schen Landes zu finden, da sich dort frucht- bare Lösslehmgebiete befinden. Ein Großteil des Bergischen Landes wird durch eine starke Bewaldung charakterisiert. Insgesamt gibt es im Bergischen Land eine Vielzahl an schnell wechselnden Bodentypen (Ribbert 2012). Abbildung 3 zeigt die Lage der verschiedenen Bodengroßlandschaften des Bergischen Lan- des. Die im Bergischen Land am häufigsten vorkommenden Bodenarten befinden sich hauptsächlich auf den Großlandschaften der Ton-, Sand-, und Schluffsteine. Ausnahmen bilden die Lösslandschaften am Westrand, die Vulkanitvorkommen im Süden und die Auen- landschaften entlang der Flüsse. Die Lössböden am West- und Nordrand re- sultieren aus den äolischen Abtragungen der letzten Kaltzeit sowie dem Westwindtrans- port von Sand- und Schluffsedimenten. Auf- Abb. 3: Bodengroßlandschaften und ihre Lage grund erhöhter Erosionsprozesse verwitter- im Bergischen Land (Ribbert 2012) te der Löss bei und Pafffrath zu Lösslehm. Des Weiteren führten Tonanrei- und Vegen aus Flussablagerungen über den cherungen im Unterboden am Westrand des Kies- und Festgesteinen finden. Moorgebiete Bergischen Landes und auf der Mettmanner sind in Form von Niedermooren auf der Bergi- Lössplatte zur Entstehung von Parabraunerde. schen Heideterrasse, entlang der Flüsse Wup- Ein weiterer in den Lössgebieten vorhande- per, Ruhr, Dhünn, Agger und Sieg erkennbar. ner Bodentyp sind die Kolluvisole, die auf den Die Hangmoore im Oberbergischen Land re- landwirtschaftlich genutzten Flächen zu fin- sultieren zum Teil aus anthropogen bedingten den sind. Industrielle Stoffeinträge rund um Einflüssen an der Landschaft (Karthaus 1990). Solingen und Remscheid führten zur Bildung Bezüglich der Gesteinsarten lassen sich ne- von Podsol-Braunerden auf den Sandsteinen ben den typischen Schiefer-, Kalk- und Sand- des Oberkarbons (Ribbert 2012). Bei Wup- steinen auch Grauwacken, Eisenkies und pertal-Barmen und auf den Hochflächen des Schwerspat finden. In der Tiefe befinden sich Bergischen Landes finden sich hauptsächlich zudem in den Unter- und Mitteldevonischen Pseudogley-Braunerden in den Hangmulden. Schichten Vorkommen von vulkanischen Ge- Zudem sind auf den exponierten Hangflächen, steinen wie Diabas, die auf die vulkanischen Kuppen und Rippen vornehmlich Ranker als Aktivitäten im Devon zurückzuführen sind. Zeichen des Frühstadiums der Bodenbildung Innerhalb des Schiefers finden sich im Bergi- vorzufinden (Ribbert 2012). schen Land vor allem Alaun-, Mergel- und Kie- Die bereits erwähnten Biotope der Auen- selschiefer aus der Zeit des Oberdevons, die landschaften und Moorgebiete bringen weite- sich in rötlich gefärbten Schichten bis an die re Bodentypen mit sich. So lassen sich in den Oberfläche ziehen (vgl. Fliegel 1913). Talauen der Flüsse hauptsächlich Auengleyen

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2.5 Hydrologie des Bergischen Landes bis III als gut durchlässig eingestuft werden. Die Paffrather Kalkmulde hat dabei für die Der wichtigste Faktor bezüglich der Hydrolo- Trinkwasserversorgung eine hohe Relevanz. gie des Bergischen Landes sind seine Flüsse, Die bereits erwähnten mitteldevonischen die durch die charakteristischen Täler verlau- Karbonatgesteine im Oberbergischen Land fen und in den Rhein entwässern. Insgesamt weisen aufgrund der sandigen Konglomerate betrachtet lassen sich im Bergischen Land eine gute Wasserdurchlässigkeit auf. Des Wei- über 3000 Bäche und Wasserrinnen finden, teren fungiert der Kohlenkalk am nördlichs- die in die Ruhr und die Wupper oder direkt ten Rand des Bergischen Landes ebenfalls in den Rhein entwässern. Allein 1500 die- als Grundwasserleiter. Das Schwarzbachtal- ser Bäche befinden sich im Oberbergischen Konglomerat im kalksteinführenden Velberter Land. Das längste Fließgewässer des Nieder- Sattel gilt aufgrund seiner Beschaffenheit als bergischen Landes ist mit 47 km die Düssel einzig mögliches nutzbares Gestein für die (Knübel 1990). Zu diesen zählt neben Dhünn, Grundwasserleitung des Bergischen Landes Sieg, Agger und Ruhr vor allem die Wupper. (Ribbert 2012). Da die Wupper durch das gesamte Bergische Land verläuft, stellt sie einen der wichtigsten 2.6 Vegetation des Bergischen Landes Flüsse dar. Insgesamt hat die Wupper eine Länge von ca. 115 km (Ribbert 2012). Die dar- Die Vegetation des Bergischen Landes zeichnet aus entstandene Talform als auch der Verlauf sich durch eine starke Bewaldung aus. Der do- der Wupper sind den heutigen Gegebenhei- minierende Waldtyp ist der Rotbuchenwald. ten gleichzusetzen. Zwar ist die Wupper nach Die Buche ist resistent gegenüber hohen Nie- wie vor in ständigem Wandel, der jedoch vor derschlagsmengen und konnte sich aufgrund allem durch anthropogene Eingriffe einge- der klimatischen Bedingungen des Bergischen schränkt wird, sodass vom Pleistozän bis heu- Landes als dominierende Baumart durchset- te kaum Veränderungen zu finden sind (Leja & zen. Da diese Baumart eine dicht bewachsene Ricciardi 2010). Baumkrone aufweist, sorgt sie zudem für eine Eine weitere Facette der Hydrologie stellt das spezielle Krautschicht mit schattenliebenden Grundwasservorkommen eines Gebietes dar. Pflanzen. Im Frühjahr sind hier Pflanzenarten Da das Bergische Land durch schlechte grund- wie das Buschwindröschen zu finden. Im Som- wasserleitende Gesteine wie Sand,- Ton-, und mer hingegen die schattenliebenden Pflanzen Schluffstein gekennzeichnet ist, lassen sich wie beispielsweise Königsfarn oder Sauerklee die einzigen relevanten Grundwasservorkom- (Karthaus 1990). Weitere Baumarten, die im men unter den verkarsteten Karbonatgestein Bergischen Land zu finden sind, sind Eiche, am Übergang zum Sauerland, in den Talau- Winterlinde, Kirsche, Esche und Elsbeere (vgl. en der Flüsse und an der Grenze zur Nieder- Hassel 1991). Da die Humusböden über den rheinischen Bucht lokalisieren. Dies führt im Sand- und Tonsteinen des Bergischen Landes Bergischen Land zu einer unregelmäßigen nährstoffarm sind, finden sich hier Pflanzen- Grundwasserverteilung. So ist der Remschei- arten wie Frauenfarn und weiße Hainsimse. In der Sattel größtenteils durch schlechte was- den Kalksteingebieten existieren ausgeprägte serleitende Gesteinsschichten gekennzeich- Strauchschichten mit Haselnuss und Weiß- net und wird wie auch der südliche Teil des dorn sowie Krautschichten mit Pflanzenarten Bergischen Landes zwischen Klasse V und VI wie Perlgras, Waldlabkraut, Aronstab und di- (EU-Wasserrahmenrichtlinie) eingestuft (Rib- versen Orchideenarten. Durch Rodungen der bert 2012). Die wichtigsten Grundwasserfüh- Rotbuche gibt es inzwischen auch Laubmisch- renden Gebiete sind die Massenkalkvorkom- wälder mit Birken, Eichen und Hainbuchen. men im Bergischen Land, die in die Klassen I Dies führt zu einer stückweiten Verdrängung

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Die Entstehungsgeschichte des Bergischen Landes - Ein physisch geographischer Rundgang der Rotbuche und lässt Strauchschichten mit Die Vegetation der Heidegebiete des Bergi- Stechpalmen und Vogelbeere wachsen (Kart- schen Landes wurde beinahe vollständig auf- haus 1990). geforstet oder in Grünland umgewandelt. Neben den Wäldern existieren im Bergischen Typische Pflanzenarten der Heidegebiete Land zahlreiche weitere Biotope. Dazu zäh- sind Besenheide und Flechtenarten. Durch len Moorgebiete, Heidegebiete, Feuchtwie- die Nutzung dieser Gebiete als Weideflächen sen und Flussauen, aber auch anthropogen wurden die meisten Heidegebiete zu Mager- geschaffene Räume wie Obstwiesen, welche wiesen, die sich durch Pflanzenarten wie Arni- sich durch eine gänzlich andere Vegetation ka, Kreuzblümchen, Hornklee, Margerite und auszeichnet. Diese Vielzahl an verschiedenen diversen Grasarten charakterisieren (Kart- Naturräumen und deren Bedeutung für die haus 1990). An dieser aus den anthropogenen Region, spiegeln sich in der Einrichtung von Eingriffen resultierenden Veränderung der inzwischen über 14 Naturschutzgebieten al- Naturräume zeigt sich die enorme Relevanz leine im Oberbergischen Land wieder. Zu den der Einrichtung von Naturschutzgebieten, Schutzgebieten zählen auch Höhlensysteme die auch in der Zukunft vermehrt eingerich- und die Dolinenfelder der Karstgebiete (We- tet werden sollten, um die große Biodiversität ber 1990). Die Vegetation ist je nach Biotoptyp des Bergischen Landes schützen zu können. verschieden und muss gesondert betrachtet werden. So finden sich in den Auenwäldern Erlen als vorherrschende Baumart. Im Ober- bergischen Land existieren zudem sogenann- te Birkenbruchwälder mit Torfmoosen und Moorbirken. Die Hangmoore des Bergischen Landes beherbergen moortypische Pflanzen- arten wie Pfeifengras, Moorlilien, Ginster und Glockenheide. Entstanden sind diese Moor- gebiete durch eine Holzübernutzung einiger Flächen, sodass diese sich zu Moorgebieten entwickelten (Karthaus 1990).

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Literatur

Behrendt, K. (1998): Literatur über Natur und Landschaft des Bergischen Landes. Wuppertal.

Fey, M. (1974): Geomorphologische Untersuchungen im Bergischen Land. Düsseldorf.

Fliegel, G. (1913): Ein geologisches Profil durch das Rheinische Schiefergebirge. 2. Aufl. Köln.

Grabert, H. (1992): Erd- und Landschaftsgeschichte des Oberbergischen. Wuppertal.

Hassel, R. (1991): Fremdländeranbau im Burgholz – ein bundesdeutsches Experiment? In: Kolbe, W. (Hrsg.): Der Bergische Wald. Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Menschen. Wuppertal.

Karthaus, G. (1990): Mehr als Wald und Wiesen – Zur Vegetation des Oberbergischen. In: Kolbe, W. (Hrsg.): Das Bergische Land und seine Natur. Wuppertal. S. 27-35.

Knübel, H. (1990): Bäche, Flüsse, Wasserrinnen. Die Fließgewässer des Bergischen Landes. In: Kolbe, W. (Hrsg.): Das Bergische Land und seine Natur. Wuppertal. S. 6-18.

Kohlhaas, W. (1972): Geologie, Hydrogeologie und Wasserhaushalt des Massenkalkes im nördlichen Sauer- land und Bergischen Land. Aachen.

Kolbe, W. (Hrsg.) (1990): Das Bergische Land und seine Natur. Wuppertal.

Leja, M., Tesche-Ricciardi, N. (2010): Die Wupper. Amazonas im Bergischen Land. 2. Aufl. Remscheid.

Ribbert, K. (2012): Geologie im Rheinischen Schiefergebirge. Teil II: Bergisches Land. Krefeld.

Semmel, A. (2002): Rheinisches Schiefergebirge. In: Liedtke/Marcinek (Hrsg.): Physische Geographie Deutschlands. 3.Aufl. Stuttgart.

Weber, G. (1990): Naturschutzgebiete im Bergischen Land. In: Kolbe, W. (Hrsg.): Das Bergische Land und seine Natur. Wuppertal. S. 19-26.

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Lena Tillmann & Andreas Farwick Wien - Exkursion in eine Stadt zwischen Tradition und Moderne Aus der Praxis Kurzfassung: Wer an Wien denkt, hat oftmals typische Bilder vor Augen. Dazu gehören bei vielen die klassischen Häuserfassaden, aber auch die Kaffeehauskultur oder der Wiener Opernball. Obwohl die genannten Verknüpfun- gen mit der Geschichte Wiens fest verwoben sind, bilden sie nur einen Bruchteil der Stadt ab und dienen nicht selten der Selbstinszenierung. Die achttägige Exkursion in die Hauptstadt Österreichs zeigt, inwieweit sich die heutige Metropole noch an den alten Traditionen messen lässt und welchen neuen Herausforderungen und Prob- lemen sich die Stadtverwaltung stellen muss. Die Exkursion befasst sich dabei mit politischen, ökonomischen, so- zialen und städtebaulichen Themen und deckt die Entwicklung der Stadt von ihrer Gründung bis in die Neuzeit ab.

Schlüsselwörter: Österreich, Wien, Stadtgeographie, Stadtentwicklung, Architektur, Soziale Segregation

Einleitung Wien an. Der Themenschwerpunkt ist somit humangeographisch gesetzt, wobei auch das ie Stadt Wien hat viele Gesichter. Ge- Wiener Umland und die dafür entscheiden- Dschichtlich wie aktuell, architektonisch den landschaftlichen und ökologischen As- wie infrastrukturell, politisch wie ökonomisch, pekte nicht außer Acht gelassen werden. Ziel landschaftlich wie kulturell. Ihre Anfänge rei- der Exkursion ist es, den Studierenden alle chen bis fast 2000 Jahre zurück, als die Stadt stadtgeographisch relevanten Facetten der unter dem Namen „Vindobona“ durch ein Wiener Stadträume und Stadtentwicklung römisches Legionslager ihren Grundstein ge- nahe zu bringen, sodass ein umfassender Ein- setzt bekam. Im Zentrum der heutigen Alt- blick und ein zusammenhängendes Verständ- stadt lassen sich diesbezüglich noch histori- nis für Wien als Ganzes, historisch wie aktuell, sche Straßenstrukturen finden (Fassmann et gegeben ist. al. 2009: 13f). Aufgrund der günstig positio- nierten Lage an der Donau konnten Kaufleute Vorstellung des Projektes früh Güter über den Wasserweg nach Wien Aufgebaut wird das Modul durch ein einse- befördern, sodass die Stadt sich zu einem mestriges wöchentlich stattfindendes Semi- wichtigen Handelszentrum weiterentwickeln nar, im Rahmen dessen durch Referate die konnte. Mit der starken wirtschaftlichen -Ex notwendigen Basisinformationen vermittelt pansion gewann Wien zunehmend an politi- werden. Die Exkursion selbst ist in der vor- scher Macht. Über die Jahrhunderte hinweg lesungsfreien Zeit untergebracht und gehört formte sich aus der anschließend frühmittel- mit acht Tagen zu den kürzeren Exkursionen. alterlichen Stadt die florierende Metropole, Dies spiegelt sich im dicht gepackten Pro- wie sie heute existiert (Fassmann et al. 2009: gramm wieder. Direkt am Anreisetag wird 14). gegen Nachmittag/Abend ein erster Eindruck Durch das Modul „Urbane Räume“ erhal- des Viertels Favoriten vermittelt, in welchem ten die Studierenden erstmals Einblicke in sich das Hostel befindet. Abgerundet wird mögliche Entwicklungsformen von Städten, der Ankunftstag mit einem abendlichen Aus- bezogen auf ihr historisches, kulturelles und flug in die Innenstadt. Dank der beginnenden gesellschaftliches Wirkungsgefüge. Die- Ex Abendstunden lässt sich so das Lichtkonzept kursion wendet diese Punkte auf das Beispiel Wiens, als eines der modernsten der Welt,

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Lena Tillmann als Vorgeschmack auf die kommenden Tage, Heute beherbergt der Ring Gebäude der Poli- eindrucksvoll genießen (Magistrat der Stadt tik (Parlament, Rathaus, weitere Regierungs- Wien o.J.). gebäude), der Kultur (Staatsoper, Burgtheater, Der erste „richtige“ Exkursionstag befasst die neue Burg sowie mehrere Museen) und sich ausschließlich mit dem innersten und die Universität (Fassmann et al. 2009: 79). gleichzeitig ältesten Stadtteil Wiens, dem Mit der Wiener Secession spalteten sich ersten Gemeindebezirk. Der thematische 1897 erstmals bedeutende Künstler durch Start wird bei der mittelalterlichen Stadt ge- den Jugendstil von dem althergebrachten setzt. Gebäude, Gassen und einige weitere Klassizismus ab (Leopold Museum Privatstif- charakteristische Merkmale lassen sich bei tung o.J.) und gestalteten den Übergang vom genauerer Betrachtung auch heute noch wie- Historismus in die Moderne (Toman 2013: derfinden. Die Ruprechtskirche, dem heiligen 274). Gerade in den inneren Gemeindebezir- Rupert, dem Schutzpatron des Salzbergbaus ken lassen sich zahlreiche populäre Beispiele gewidmet (s. Abbildung 1), bildet hierfür als für die Gestaltung von Gebäuden im Zeichen eines der ältesten Gebäude der Stadt ein an- des Jugendstils finden und sind Auftakt des schauliches Beispiel (Fassmann et al. 2009: zweiten Exkursionstages. Doch auch die Ar- 61). Da die Innenstadt Wiens bis in das 19. chitektur der Zwischenkriegszeit, die Wiens Jahrhundert von einer Ringmauer umschlos- Stadtbild nachhaltig prägt, sollen die Studie- sen war (Fassmann et al. 2009: 19), sind im renden kennen lernen. ersten Gemeindebezirk Gebäude der Renais- sance und des Barocks besonders gut erhal- ten geblieben. Jede Stilepoche gibt Aufschluss über die gesellschaftlichen Rahmenbedingun- gen ihrer Zeit und zeigt bei genauerer Betrach- tung, wann sich die Stadt in welche Richtung ausgeweitet hat und welcher sozialen Schicht die Bewohner angehörten. Ein kurzer Zeitsprung auf ein aktuelles The- ma erfolgt im „Goldenen Quartier“. Die pres- tigeträchtige Lage im Zentrum des ersten Gemeindebezirks hat hochpreisige Einzelhan- delsmarken angezogen (Tourismusverband Wien o.J.). Die hier entstandene Konkurrenz zwischen der Wohnnutzung und dem tertiä- ren Sektor führte für die Anwohner zu nach- teiligen Verdrängungseffekten, zugunsten des Einzelhandels (Heineberg 2006: 117). Beson- ders eindrucksvoll zeigt sich dieser Effekt bei Abb.1: Statue des heiligen Rupert den Dachausbauten der Gebäude, welche (Foto: Lena Tillmann 2015) sich gut sichtbar von der teils klassischen Häu- serfassade abgrenzen und zur Wertsteigerung Aufgrund des hohen Anteils (vor-)gründer- („Upgrading“) des Gebäudes führen (Fass- zeitlicher Bausubstanz, ist die Stadterneue- mann et al. 2009: 44). rung ein wichtiges Thema für die kommuna- Abgeschlossen wird der Exkursionstag durch len Gebietsbetreuer. Viele Gebäude müssen die Erkundung der Ringstraße, auf deren Ge- saniert werden, was eine Verbesserung der biet sich das ehemalige Schussfeld vor der Wohnsituation darstellt, aber auch flächen- Ringmauer der mittelalterlichen Stadt befand. haft eine Aufwertung von Stadtteilen bedingt

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Wien-Eine Stadt zwischen Tradition und Moderne

(Fassmann et al. 2009: 147). Soziale Polarisati- menhängender Gebäudekomplex dieser Form on und Segregation werden begünstigt. Daher bieten die Karl-Marx-Höfe diesbezüglich ein soll soziale Nachhaltigkeit durch sanfte Stadt- Paradebeispiel. Im gleichen Gemeindebezirk erneuerung durchgesetzt werden, indem die Döbling, nur einen Steinwurf entfernt, steht Sanierung in einer abgeschwächten Form ge- die Villen-Kolonie auf der Hohen Warte. Zu- schieht, sodass die Wohnungen für die Mieter sammen mit der Cottage-Siedlung in Währing weiterhin bezahlbar bleiben (Fassmann et al. steht sie für den Wohnstil des Großbürger- 2009: 158f). Im 15. Gemeindebezirk wird zu tums, obgleich die Siedlung dort dem Vorbild diesem Thema am Nachmittag eine Führung des englischen Landhausstils nachempfunden mit einem ansässigen Gebietsbetreuer unter- ist. Das Tagesthema wird mit einem Einblick in nommen. Hier sollen die Studierenden einen das höfische Wohnen durch einen Besuch des Einblick in ein sozial schwächeres Stadtgebiet Schloss Schönbrunn abgerundet und beendet bekommen und Informationen über mögliche (s. Abbildung 2). Handlungsschritte erhalten, die es erlauben, durch Impulse Räume neu zu beleben und aufzuwerten um die Bürger zu begünstigen. Dabei erhalten die Studierenden einen Ein- blick, in welcher Form dies bereits für den 15. Gemeindebezirk geschafft wurde und wo sich Probleme, aber auch Potenziale, verstecken. Der dritte Exkursionstag steht im Zeichen der verschiedenen Wohnformen Wiens. Den Anfang macht der soziale Wohnungsbau mit einer Besichtigung der Karl-Marx-Höfe. Der Wiener Gemeindebau spielt eine entschei- dende Rolle hinsichtlich der Wohnungsfrage Abb. 2: Blick von der Gloriette auf Schloss in Wien, sowohl historisch als auch aktuell. Schönbrunn (Foto: Lena Tillman 2015) Etwa zur gleichen Zeit der Entwicklung des Ju- gendstils herrschte im Zuge der Industrieali- Der vierte Tag ist ein Projekttag. Nachdem sierung ein starker Andrang von Arbeitern aus die Studierenden nun die Stadt kennen ge- dem Umland. Innerhalb kürzester Zeit wur- lernt haben, sollen sie ihre Erfahrungen durch den die ehemaligen Vorstädte Wiens durch eine eigenständige Recherche ausweiten. Mietskasernen der Gründerzeit umlagert, in Vorbereitete Projekte mit aktuellem Themen- denen das Proletariat unterkam (Fassmann bezug werden aufgeteilt und die Gruppen er- et al. 2009: 150ff). Die Mietwohnungen besa- halten Zeit, sich mit ihrem Projekt vertraut zu ßen nur geringe Lebens- und Wohnstandards, machen. Im Vorfeld wurden verbindliche Ter- konnten aber gleichzeitig von der Arbeiter- mine mit Experten vor Ort arrangiert, sodass schicht kaum bezahlt werden. Die stetige die Studierenden sich bei ihnen die notwen- Wohnungsnot führte zu einer hohen Zahl an digen Informationen holen und über das Pro- Untermietern und sogenannten Schlafgän- jekt austauschen können. Zum Nachmittag gern (Häussermann & Siebel 2000: 72). Zur hin werden die einzelnen Projekte gemein- Verminderung der Wohnungsnot und „Ver- sam besichtigt und die zusammengetragenen besserung der katastrophalen Lebensbedin- Ergebnisse präsentiert. gungen“ (Toman 2013: 278) wurde mithilfe Die letzten beiden Tage der Exkursion be- der Wohnbausteuer Geld für den sozialen inhalten neben humangeographischen The- Wohnungsbau erwirtschaftet (SPÖ Landes- men zusätzlich physisch-geographische An- organisation Wien 2005). Als größter zusam- teile. So beginnt der vorletzte Exkursionstag

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Lena Tillmann mit einer Wanderung durch die Donauauen, welche durch einen ortserfahrenen Natio- nalparkmitarbeiter geleitet wird. Dieser gibt Auskunft über die Wichtigkeit der Donauauen für Wien, so gehören z.B. 24 % der Fläche des Nationalparks Donau-Auen zur Stadtfläche (Forstamt und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien o.J.). Trotz der nahegelegenen In- nenstadt bietet sich hier dem Auge eine völlig gegensätzliche Landschaft. Als Schutzzone für Tiere und Pflanzen, als Naherholungsgebiet für die Bürger und als Hochwasserschutzzone besitzt der Nationalpark wichtige Eigenschaf- Abb. 3: Impression der Gasometer-City ten. Als 1966 das Kraftwerk Hainburg auf dem (Foto: Lena Tillmann 2015) Areal entstehen sollte, wurde das Gebiet nach ehemaligen Gasspeichern wurde lediglich der erfolgreichen Durchsetzung vieler Wiener die Rundbaufassade aus rotem Backstein er- Bürgerinitiativen im Jahr 1996 gesetzlich un- halten. Der Innenraum wurde komplett ent- ter Schutz gestellt (Nationalpark Donau-Auen kernt und saniert. Das für den Standort neu GmbH o.J.). erarbeitete Konzept ist eine Verbindung der Für den Nachmittag steht ein Besuch der Gasometer untereinander und Unterbrin- Donau-City an. Als neues urbanes Zentrum gung mannigfaltiger Nutzungsmöglichkeiten. vereint der multifunktionale Stadtteil moder- So sind die oberen Etagen für den privaten ne Büro- und Gebäudekomplexe mit Versor- Wohnraum vorbehalten, während in den un- gungs- und Wohneinrichtungen. Der wich- teren Stockwerken unter anderem ein Ein- tigste Gebäudekomplex auf der Insel ist die kaufszentrum, ein Kino, eine Musikschule und UNO. Die Etablierung der Institution setzte eine Konzerthalle integriert wurden. Ein Ga- für Wien bedeutende Impulse zur Verstär- someter erhielt einen zusätzlichen Wohnan- kung politischer und ökonomischer Verflech- bau (s. Abbildung 3). Die Stadt erhofft sich die tungen im Zuge der Globalisierung. Zusätzlich Etablierung eines neuen Stadtteils und neue wurden durch den Zuzug weiterer öffentlicher Impulse für gesellschaftliches Leben vor Ort Institutionen sowie privater Unternehmen zu schaffen (Fassmann et al. 2009: 201ff). Hier zahlreiche neue Arbeitsplätze geschaffen. gilt es, den Studierenden ein größtenteils ge- Der Besuch spiegelt die moderne Stadtent- lungenes Projekt einer ehemaligen Brachflä- wicklung Wiens wieder, da die Donau-City zu che zu zeigen. Jeder der Seminarteilnehmer den jüngsten baulichen Entwicklungen Wiens soll sich dabei ein eigenständiges Bild über zählt (Fassmann et al. 2009: 337ff). Die Stu- den Erfolg und zum Teil auch Misserfolg des dierenden sollen einen Einblick in die aktuel- Projektes machen. le Stadtentwicklungspolitik erhalten und ler- Ein gegensätzliches Beispiel bietet in diesem nen, die nationale wie internationale Stellung Zusammenhang Sankt Marx. Der Standort ist Wiens als moderne Metropole besser ein- historisch durch die Fleischindustrie geprägt schätzen zu können. und beherbergte einst den zentralen Vieh- Der letzte Exkursionstag beginnt im Stadtteil markt Wiens. Die ursprünglichen Schlacht- Simmering und führt zur Gasometer-City. Der hallen, die bereits im 19. Jahrhundert erbaut Strukturwandel vom sekundären in den terti- wurden, sind in den 1970er Jahren durch teil- ären Sektor stellt die Stadt Wien noch heute weisen Abriss und Neubau verändert worden. vor die Herausforderung, dadurch brachge- Die Hallen sind eher abseits des Stadtzent- fallene Flächen zu revitalisieren. Von den rums gelegen, besitzen aber eine sehr gute

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Wien-Eine Stadt zwischen Tradition und Moderne infrastrukturelle Anbindung (Fassmann et al. sprechend lässt eine Großstadt wie Wien es 2009: 206f). Trotz einiger Ziele, konnte bislang nicht zu, dauerhaft standardisierte Aussagen noch keine längerfristige Nutzung für die Hal- über gegenwärtige Prozesse zu machen. Eben len gefunden werden, sodass diese trotz aller diese Dynamik macht die Stadt aber auch zu Bemühungen bis auf weiteres leer stehen. einem interessanten Anschauungsobjekt und Den Abschluss der Exkursion bildet ein Be- hilft, humangeographische Prozesse durch such der Wiener Weinberge mit anschlie- selbst gemachte Erfahrungen besser in einen ßendem Ausblick vom Leopoldsberg über die ganzheitlichen Kontext zu setzen. gesamte Stadt (s. Abbildung 4). Die im Vorse- Da die Exkursion überwiegend humangeo- minar und in der Exkursionswoche kennen ge- graphische Aspekte beinhaltet, ist sie für lernten Stadträume und Gebäude lassen sich Studierenden mit diesem Interessensschwer- hier in einem eindrucksvollen Panorama wie- punkt besonders geeignet. Mit der Donau und derfinden. Vom Leopoldsberg geht es zu Fuß den Donau-Auen kommt zwar auch ein kleiner zurück ins Tal nach Nussdorf, wo die Exkursion physisch-geographischer Aspekt hinein, je- bei einem gemeinsamen Abendessen ihr offi- doch sollte klar sein, dass die Exkursion über- zielles Ende findet. wiegend einen Fokus auf die Stadtgeographie setzt. Die kompakte Form des Programms in Wien ist sowohl positiv wie auch negativ zu bewerten. Negativ, weil das straff gespannte Programm wenig Zeit für eigene Entdeckun- gen zur Verfügung stellt und die Punkte sys- tematisch abgearbeitet werden. Es werden große Strecken zu Fuß zurückgelegt, was sich insbesondere aufgrund der kurzen Wege in der Innenstadt anbietet. Ein gutes Ausdauer- vermögen sowie bequemes und festes Schuh- werk sollten daher vorhanden sein. Wem das nicht genügt und wer Wien auf eigene Faust Abb. 4: Ausblick vom Leopoldsberg Richtung und im eigenen Tempo erleben möchte, kann Donau-City (Foto: Lena Tillmann 2015) sich im Anschluss der Exkursionswoche noch weiterhin dort aufhalten. Positiv ist durch die kurze und effizient gestaltete Aufenthaltszeit Kritische Betrachtung aber auch, dass insbesondere Studierende Die Exkursion und das dazugehörige Seminar mit kleinem Zeit- und Geldbudget in der Lage zielen auf die Fragstellung ab, welche Heraus- sind, eine Exkursion ins Ausland zu machen. forderungen und Problemstellungen die Stadt Wer nicht allzu weit von der Heimat entfernt Wien gegenwärtig bezogen auf ihre Entwick- eine interessante und abwechslungsreiche lung hat und wie sie damit umgeht. Insbeson- Woche in einer internationalen Großstadt er- dere im Bereich der sozialen Segregation und leben möchte, für den ist Wien genau richtig. der Gegenmaßnahmen der Gebietsbetreuung Die Stadt bietet durch ihre bewegte Geschich- im 15. Gemeindebezirk hat sich vor Ort ein te und die vielen gut erhaltenen historischen wesentlich differenzierteres Bild gezeigt, als Gebäude ein imposantes und themenreiches durch die vorherige Recherche wahrgenom- Antlitz, gleichzeitig besitzt sie aber auch eine men wurde. Städte entwickeln sich bisweilen moderne und internationale Atmosphäre. sehr schnell und Informationen über den ak- tuellen Zustand eines Projektes können be- Fazit reits nach kurzer Zeit überholt sein. Dement- Zusammenfassend lässt sich sagen, wer sich

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Lena Tillmann im Rahmen des Moduls „Regionale Geogra- phie“ für eine Exkursion nach Wien entschei- det, für den stehen zwei Dinge fest: Zum ei- nen muss ein straffer Zeitplan eingehalten und lange Fußmärsche in Kauf genommen werden, sodass eigene Interessen in der Frei- zeit nachzuholen sind. Zum anderen werden die Teilnehmer dafür mit einem einmaligen „Blick hinter die Fassaden“ des historischen und modernen Wiens belohnt, wie sie ihn selbstständig niemals erhalten hätten. Zu guter Letzt werden auch erstmals viele der theoretischen Aspekte aus den humangeo- graphischen Vorlesungen und Seminaren für die Studierenden sichtbar, denn viele Zusam- menhänge können erst durch das Besuchen der Schauplätze wirklich verstanden werden.

AutorInnen: Lena Tillmann, B.Sc. Studium Geographie M.Sc. Ruhr-Universität Bochum

Kontakt: [email protected]

Prof. Dr. Andreas Farwick Mobilität und demographischer Wandel Namensnennung-Nicht Kommerziell-Keine Bearbeitung Ruhr-Universität Bochum Sofern nicht anders angegeben, stehen die Texte dieser Seite unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 DE Lizenz Kontakt: [email protected]

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Wien-Eine Stadt zwischen Tradition und Moderne

Literatur

Fassmann et al. (2009): Wien – Städtebauliche Strukturen und gesellschaftliche Entwicklungen, Wien.

Häussermann, H., Siebel, W. (2000): Soziologie des Wohnens, Eine Einführung in Wandel und Ausdifferen- zierung des Wohnens, Weinheim, 2. Auflage.

Heineberg, H. (2006): Stadtgeographie, Paderborn, 3.Auflage.

Toman, R. (2013): Wien, Kunst und Architektur, Potsdam.

Magistrat der Stadt Wien (o.J.): Öffentliche Beleuchtung und Lichtdesign, Wien. https://www.wien.gv.at/verkehr/licht/beleuchtung/ [04.02.2016]

Leopold Museum (o.J.): Wien 1900 und Jugendstil, Wien. http://www.leopoldmuseum.org/de/sammlung- leopold/schwerpunkte/wien1900undjugendstil [04.02.2016]

Tourismusverband Wien (o.J.): Goldenes Quartier. https://www.wien.info/de/wien-fuer/luxurioeses-wien/goldenes-quartier [11.02.2016]

Sozialdemokratische Partei Österreichs (2005): Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie. http://www.dasrotewien.at/breitner-hugo.html [11.02.2016]

Nationalpark Donau-Auen GmbH (o.J.): Geschichte des NP Donau-Auen. http://www.donauauen-infothek.at/infothek/folder/geschichte-des-nationalpark-donau-auen.html [11.02.2016]

Forstamt und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien (o.J.): Lobau – Wiens Beitrag zum Nationalpark https://www.wien.gv.at/umwelt/wald/erholung/nationalpark/lobau/index.html [11.02.2016]

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Daniel Winter, Philip Albrecht, Jannik Behr, Damaris Buschhaus, Marco Dessauer, Ares Exarcheas, Nils Hannemann, Stefanie Hein- ze, Alexander Huckestein, Nora Keller, Theresa Kessen, Pascal Sch- äper, Jan Staubach Sebastian Stelzen, Jan Stürmann Landwirtschaft im Wandel Ist der Ökolandbau eine Alternative? Aus der Praxis Kurzfassung: Im Rahmen eines Studienprojektes untersuchten Studenten der Geographie (Ruhr-Universität Bo- chum) bodenkundliche Parameter von ökologisch und konventionell bewirtschafteten Böden. Dazu wurden physi- kalische, chemische und biologische Bodenparameter unter einem besonderen Augenmerk der Bodenfruchtbar- keit analysiert. Ziel des Projektes war es, Unterschiede der Bewirtschaftungsformen bezüglich der Auswirkungen auf die Bodenfruchtbarkeit aufzuzeigen. Um diese messbar zu machen, wurden bodenphysikalische, -chemische und -biologische Parameter, wie die Wasserhaltekapazität, die Menge des organischen Kohlenstoffs sowie die der mikrobiellen Biomasse und dessen Aktivität bestimmt und ausgewertet. Darüber hinaus wurden Oxidaseaktivitä- ten gemessen sowie der metabolische und mikrobielle Quotient berechnet. Die Versuchsergebnisse zeigen, dass ökologisch bewirtschaftete Böden, im Gegensatz zu konventionell bewirtschafteten, ein erhöhtes Bodenfrucht- barkeitspotential aufweisen und in allen Parametern günstigere Bodenbedingungen bieten.

Schlüsselwörter: Ökolandbau, Bodenfruchtbarkeit, mikrobielle Biomasse, mikrobielle Aktivität, metabolischer/ mikrobieller Quotient, organischer Kohlenstoff, Enzymaktivität

1 Einleitung Menschen pro Betrieb gewährleisten, im Jahr 1950 waren es nur 10 Menschen (Situations- Landwirtschaft, ein Leben zwischen Leis- bericht 2015). Dagegen steht der rückläufi- tungsdruck und Naturschutz. In Deutschland ge, aber dennoch hohe Flächenverbrauch für werden rund 47 % der Gesamtfläche landwirt- Siedlungs- und Verkehrsflächen (s. Abb. 1). schaftlich genutzt, davon 58 % für Futter-, und Daraus resultieren hohe Boden- und Pacht- nur 26 % für die Nahrungsmittelproduktion. preise, die den Landwirt in seiner Effektivität Auf Grundlage dieser Fläche muss ein Land- beeinträchtigen (Situationsbericht 2015). Da- wirt heute eine pro-Kopf Versorgung von 144 rüber hinaus führt das Bevölkerungswachs- tum zu einer erhöhten Nachfrage nach landwirtschaftlichen Pro- dukten bei steigendem Anspruch an Qualität und abnehmender Zahlungsbereitschaft (BMEL 2014). Um unter diesen Umständen effektiv arbeiten zu können, müs- sen sich die Landwirte speziali- sieren und ihre Betriebe vergrö- ßern. Das führt dazu, dass immer weniger Betriebe immer größere Flächen bewirtschaften und die Nutzung intensivieren (BMEL 2014). Bodendegradationen, Bio- Abb. 1: Flächennutzung in Deutschland (BMEL 2015) diversitätsminderung und Nitrat-

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Daniel Winter et al. belastungen sind das Ergebnis intensivster liegen können abiotische Einflussfaktoren, die Landwirtschaft und einem unangemessenen zu Unterschieden in der Bodenqualität führen Umgang mit dem Umweltmedium Boden (Wi- könnten, ausgeschlossen werden. Diese Flä- chern 2016). che befindet sich seit über zwanzig Jahren in Eine Alternative zur intensiven konventio- ökologischer Bewirtschaftung und erhielt die nellen Landwirtschaft stellt die ökologische letzte Kalkung im Jahr 2005 (Konventionell Bewirtschaftungsweise dar, die den -Natur 2010). Gedüngt wird die ökologische Fläche schutz stärker in die Betriebsabläufe mit ein- mit organischen Düngemitteln, wie Gülle, beziehen soll (NABU o.J.). Hierzu sollen u.a. Kompost und Festmist, während die konven- ein geschlossener Nährstoffkreislauf, eine tionelle Fläche mit Biogasgülle und vor allem Förderung der Bodenfruchtbarkeit sowie die mineralischem Düngern behandelt wird. Der Vermeidung von Agrarchemikalien die ökolo- Kornertrag der ökologischen Fläche liegt bei gische Wirtschaftsweise umweltverträglicher 5 t/ha (Triticale) und bei der konventionellen machen und Ressourcen schonen (s. Abb. 2). Fläche bei 10 t/ha (Winterweizen) (Wichern 2016). Die Probeentnahme erfolgte im März 2016 durch Studierende der Hochschule Rhein- Waal, in Form einer Mischprobe aus fünf Einstichen in einer Tiefe von 10 cm. Im Labor wurde die Analyse folgender bodenphysika- lischer,- chemischer, und –biologischer Para- meter durch vier Gruppen in einer Dreifach- bestimmung durchgeführt (Tab. 1). Für die Bearbeitung wurde der durch Löss geprägte, mittelschwere Boden zuvor auf 4 mm gesiebt. Abb. 2: Betriebskreislauf im Ökolandbau (Wichern 2016) 3 Ergebnisse 2 Projektvorstellung Die für die Ermittlung der Bodenfruchtbarkeit Innerhalb des Studienprojekts „Landwirt- relevanten Messgrößen werden im Folgen- schaft im Wandel – Ist Ökolandbau eine Alter- den näher erläutert und die erhobenen Er- native“ wurden Bodenproben unterschiedli- gebnisse vorgestellt. Zu Beginn der folgenden cher Bewirtschaftungsformen (konventionell Analyse wird darauf hingewiesen, dass die vs. ökologisch) auf bodenphysikalische, -che- Proben der Gruppe 3 bei der Probeentnahme mische und –biologische Messgrößen im bo- anscheinend vertauscht wurden und somit denkundlichen Labor des Geographischen in allen Analysen die konventionellen Böden Institutes der Ruhr-Universität Bochum un- analysiert wurden. Des Weiteren weisen die tersucht. Die Fragestellung dabei lautete, ob sich messbare Unterschiede zwischen ökolo- Tab. 1: Analysierte Bodenparameter und dazugehörige Messmethoden gischer und konventioneller Bewirtschaftung in Bezug auf die Bodenfruchtbarkeit feststel- len lassen. Die für die Untersuchung ausgewählten landwirtschaftlichen Flächen befinden sich im Raum Kleve und werden zum einen konventio- nell und zum anderen ökologisch bewirtschaf- tet. Da die Flächen in direkter Nachbarschaft

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Landwirtschaft im Wandel - Ist der Ökolandbau eine Alternative?

Daten der Basalatmung der Gruppen 1 und schen Materials steigern und somit das Was- 4, Messfehler auf. Um die Datenverteilung zu serspeichervermögen des Bodens verbessern beschreiben wurde ein Test auf Normalvertei- (Stahr 2008). Der geringere Anteil von Corg im lung der Daten nach Shapiro-Wilk durchge- konventionell bewirtschafteten Boden könnte führt. Die Daten wiesen eine annähernde Nor- auf die verringerte organische Düngung und malverteilung auf, so dass die signifikanten die Abfuhr der Erntereste vom Acker zurück- Unterschiede der Bodenparameter zwischen geführt werden, denn dieser Materialentzug den beiden Bewirtschaftungsformen mittels fördert die Mineralisation des bodeneigenen Varianzanalyse bestimmt werden konnten. Kohlenstoffs (Jörgensen 1995). Mineraldün- Zu den analysierten physikalischen Boden- ger liefern N, P und K jedoch kein C, welcher parametern gehört die Wasserhaltekapazität für den Aufbau der Biomasse der Mikroorga- (WHK), welche die maximale Wassermenge nismen benötigt wird (Jörgensen 1995). beschreibt, die gegen die Schwerkraft im Bo- Die Menge des organischen Kohlenstoffs gibt den gehalten werden kann. Die WHK ist unter Auskunft über das Potential eines Bodens, anderem abhängig von dem Anteil des orga- Nährstoffe durch mikrobielle Mineralisation, nischen Materials und der Textur (Laborskript für z.B. Pflanzen, bereitstellen zu können (La- 2016). Eine Vielzahl bodenbiologischer Pro- borskript 2016). In Abbildung 3 werden die zesse, welche im späteren Verlauf genauer er- signifikant höheren Corg Werte der ökologisch läutert werden, hängen wiederum vom Anteil bewirtschafteten Flächen dargestellt. Im Be- der wassergefüllten Poren ab. zug auf den Optimalbereich des Corg-Gehal- Abbildung 3 zeigt die Messergebnisse der tes nach Stahr et al. (2008) befinden sich die maximalen Wasserhaltekapazität in Verbin- Werte jedoch auf niedrigem Niveau, denn ein dung mit dem Anteil des organischen Kohlen- günstiger Gehalt an Corg im Boden wird mit 1,0 stoffs (Corg) im Boden. – 3,8 % angegeben.

Im Zuge der Bestimmung des Corg–Gehalts wurde auch der Gesamtstickstoff (Nt) im Bo- den bestimmt (Abb. 4). Die Ergebnisse zei- gen, dass Nt im ökologisch bewirtschafteten Boden höhere Werte erreicht als im konven- tionell bewirtschafteten. Das kann auf den organischen Dünger sowie die Stickstoffakku- Abb. 3: Mittlere Corg-Gehalte und WHKmax in ökolo- mulation durch besondere Fruchtfolgen zu- gisch und konventionell bewirtschafteten Böden. Feh- rückgeführt werden. Speziell beim Ökoland- lerbalken zeigen Standardfehler von n=3 bau besitzen stickstoffanreichernde Pflanzen Die Abbildung zeigt, dass die maximale wie Leguminosen (Klee, Ackerbohne) einen Wasserhaltekapazität, ebenso wie der Anteil hohen Stellenwert. des organischen Kohlenstoffs in ökologisch Die beiden folgenden Abbildungen zeigen die bewirtschafteten Böden höher liegen als in konventionell bewirtschafteten Böden. Auch die Varianzanalyse zeigt, dass die ökologische Bewirtschaftungsform zu signifikant (P<0,05) höheren Corg Gehalten gegenüber den kon- ventionell bewirtschafteten Böden führt. Die- se Steigerung könnte auf die Nährstoffversor- gung mit organischem Dünger zurückzuführen Abb. 4: Mittlerer Gesamtstickstoffgehalt in ökologisch sein, da abgestorbene Pflanzenteile (wie z.B. und konventionell bewirtschafteten Böden. Fehlerbal- Stroh bei Mistdüngung) den Anteil des organi- ken zeigen Standardfehler von n=3

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Daniel Winter et al. vergleichsweise hohen Aluminium- (Abb. 5) Die dazu gehörende mikrobielle Biomasse und Eisenwerte (Abb. 6), welche z.B. auf den C (Cmik) umfasst den Kohlenstoff, der in alle geologischen Untergrund zurückführbar sein Mikroorganismen, d.h. die Lebensgemein- könnten, der durch einen hohen Gehalt an Ei- schaft aus Bakterien, Pilzen, Algen und Pro- sen- und Aluminiumoxide gekennzeichnet ist. tozoen eingebaut ist (Jörgensen 1995). Dabei Der pH-Wert stellt ebenfalls einen wichti- nimmt die Trockensubstanz der Organismen ca. 0,04 % des Ackerbodens, bei einem Ge- wicht von etwa 2 t/ha, ein (Wichern 2016). Trotz des geringen Anteils stellt die mikrobi- elle Biomasse einen essentiellen Parameter des Bodensystems dar, da sie für die Mine- ralisation verantwortlich ist. Darüber hinaus stellt ihre eigene Biomasse einen Speicher für Abb. 5: Mittlerer Aluminiumgehalt in ökologisch und N, S und P dar (Jörgensen 1995). Die Menge konventionell bewirtschafteten Böden. Fehlerbalken des Cmik gibt Aufschluss über das Minerali- zeigen Standardfehler von n=3 sationspotential eines Bodens und somit auf die Bodenfruchtbarkeit eines Standortes. Des Weitern reagiert die mikrobielle Biomasse empfindlich auf Umweltveränderungen und kann dadurch als Indikator für sich ändernde Umweltbedingungen herangezogen werden (Jörgensen 1995). Abbildung 7 zeigt, dass die ökologisch be- Abb. 6: Mittlerer Eisengehalt in ökologisch und kon- wirtschafteten Böden einen deutlich höheren ventionell bewirtschafteten Böden. Fehlerbalken zei- Cmik-Gehalt aufweisen und somit auch ein gen Standardfehler von n=3 höheres Mineralisationspotential besitzen als gen chemischen Bodenparameter dar, denn konventionell bewirtschaftete Böden. Gefes- der Säuregrad eines Bodens entscheidet z.B. tigt wird das Ergebnis durch die Varianzana- über die Nährstoffverfügbarkeit (Stahr 2008). lyse, welche einen signifikant (P<0,05) höhe- Bezüglich der pH-Werte zeigt die Varianzana- re Cmik-Gehalt im ökologischen Boden zeigt. lyse, dass eine ökologische Bewirtschaftung Nach Stahr et al. (2008) weist der konventio- zu signifikant höheren pH-Werten führt. Dies nell bewirtschaftete Boden sehr geringe Cmik- könnte auf den organischen Kohlenstoffge- Gehalte auf, während der ökologische Boden halt zurückgeführt werden, da dieser den pH- optimale Gehalte für Ackerflächen zeigt. Wert z.B. aufgrund der Rückführung basischer Darüber hinaus wurde der mikrobielle Quo- Kationen durch die organische Düngung posi- tient (Cmik/Corg-Quotient) berechnet, um die tiv beeinflusst (Bachinger 1996, Heinze 2010). Kohlenstoff-Dynamik des Bodens zu veran- Der Korrelationskoeffizient von 0,92 zeigt bei einem Signifikanzniveau von 0,001, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen den pH- und den Corg-Werten besteht. Dennoch tendieren beide Böden zu leicht sauren Be- dingungen, befinden sich aber im typischen Bereich für Agrarböden (5,0 – 6,0) (Scheffer & Schachtschabel 2002). Abb. 7: Mittlere Cmik-Gehalte in ökologisch und kon- Im Folgenden werden die bodenbiologi- ventionell bewirtschafteten Böden. Fehlerbalken zei- schen Bodenparameter genauer analysiert. gen Standardfehler von n=3

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Landwirtschaft im Wandel - Ist der Ökolandbau eine Alternative? schaulichen. Dieser Quotient ist ein Indikator metabolischen Quotienten gilt, „je kleiner der für die Verfügbarkeit des organischen Subst- Quotient, desto weniger Substrat wird zu CO2 rates und beschreibt, in welchem Ausmaß die veratmet und desto größer ist der Substratan- Mikroorganismen den Kohlenstoff zum Auf- teil, der in die mikrobielle Biomasse inkorpo- bau und zur Erhaltung ihrer Biomasse nutzen riert wird“ (Jörgensen 1995, S. 138). Auch hier können (Jörgensen 1995). Der Mittelwert des müssen die Messfehler der Basalatmungsda-

Quotienten liegt im konventionellen Boden ten berücksichtig werden, jedoch ist der qCO2 bei 1,91 und im ökologischen bei 3,67, wo- im konventionellen (1,53) deutlich höher als durch auf eine höhere Substratverfügbarkeit im ökologischen Boden (0,75). Der qCO2 ist im ökologischen Boden geschlossen werden ein Indikator für mögliche Stressfaktoren wie kann (Jörgensen 1995). z.B. Komplexität des organischen Materials, Um die Aktivität der mikrobiellen Biomasse hohe Schwermetallkonzentrationen oder Säu- zu definieren wurde die Basalatmung, d.h. restress (niedriger pH). die Grundatmung der mikrobiellen Gemein- Als letzte Parameter werden die Peroxidase schaft, bestimmt. Aufgrund der oben genann- und Phenoloxidase vergleichend analysiert. ten Messfehler bei Gruppe 2 und 4 konnten Diese extrazellulären Enzyme werden unter nur die Ergebnisse der Gruppen 1 und 3 ver- anderem von Weißfäulepilzen ausgeschieden/ wendet werden. Die Basalatmung entsteht produziert und bauen komplexe organische durch den Abbau organischer Substanz durch Strukturen wie Lignin in Holz und Pflanzen- die mikrobielle Gemeinschaft und dem damit teilen ab (Laborskript 2016). Die umgewan- verbundenen Ausstoß von CO2. Abbildung 8 delten Stoffe können später von Pilzen und zeigt, dass die ökologischen Böden eine er- Mikroorganismen weiterverarbeitet werden. höhte Basalatmung gegenüber den konven- Die Ergebnisvermutung war, dass aufgrund tionell bewirtschafteten Böden aufweisen. des höheren Anteils organischen Materials Dies ist bei den Proben der Gruppe 3 nicht im ökologischen Boden auch die Enzymakti- ausgeprägt, da hier anscheinend die Proben vität höher ist. Entgegen dieser Vermutungen der ökologischen Variante mit der der kon- weist der konventionelle Boden eine höhere ventionellen vertauscht wurden. Doch die Enzymaktivität der Oxidasen auf als der öko- Basalatmung der Proben, die durch Gruppe 3 logisch bewirtschaftete Boden (Abb. 9). bearbeitet wurden, zeigt eine deutlich höhere Dies könnte durch den geringeren Eintrag Basalatmung. leicht verfügbarer organischer Materialien im Um die Energieeffizienz der Mikroorganis- konventionellen Landbau begründet liegen. men zu bestimmen, wird aus der zuvor be- Da leicht verfügbare Substrate in den Boden stimmten Basalatmung der metabolische gelangen, müssen die Mikroorganismen den

Quotient (qCO2) berechnet. Denn eine hohe bodeneigenen, bereits umgewandelten und Aktivität führt nicht zwangsweise zu einer dadurch schwerer zugänglichen Kohlenstoff hohen Effektivität (Jörgensen 1995). Bei dem abbauen.

Abb. 8: Mittlere Basalatmung in ökologisch und kon- Abb. 9: Mittlere Summarische Peroxidase in ökologisch ventionell bewirtschafteten Böden. Fehlerbalken zei- und konventionell bewirtschafteten Böden. Fehlerbal- gen Standardfehler von n=3 ken zeigen Standardfehler von n=3

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4 Kritische Betrachtung Um die Datengrundlage zu erweitern und neue Erkenntnisse zu gewinnen sollte die Stu- Die Ergebnisse sollten zum einen hinsichtlich die fortgeführt werden, denn eine weiterfüh- der geringen Laborerfahrung der Studieren- rende Forschung in diesem Bereich ist für den den, und somit unter Berücksichtigung von Bodenschutz unumgänglich. Die Forschung möglichen Messfehlern und zum anderen kann und sollte auch auf andere Standorte auf Grundlage der geringen Datenmenge be- ausgeweitet und die Effekte langzeitlich be- trachtet werden. Aufgrund der reduzierten trachtet werden. Datenmenge fallen „Ausreißer“ oder Mess- fehler sehr stark ins Gewicht und könnten somit die Ergebnisse verfälschen. Nichtsdes- toweniger sind die Unterschiede zwischen der konventionellen und der ökologischen Bewirtschaftung sehr deutlich. Auch im- Ver gleich mit vorherigen Studien zeigt sich, dass die Ergebnisse des Studienprojektes durchaus vergleichbar sind.

5 Fazit

Um dem Leistungsdruck der Gesellschaft Stand zu halten, gelingt der Umstieg in eine ökologische Betriebsweise nur schwer, denn diese Bewirtschaftungsform erzielt bei höhe- rem Personalaufwand und strengeren Aufla- gen geringere Erträge als die konventionelle Bewirtschaftungsform. Lediglich die höheren Produktpreise und Direktzahlungen der EU und dem Staat ermöglichen einen langwie- rigen Umstieg auf den Ökolandbau. In Bezug auf die Bodenfruchtbarkeit lässt sich jedoch festhalten, dass ökologisch bewirtschaftete Böden ein höheres Potential aufweisen und somit eine nachhaltigere Produktionsbasis liefern als eine konventionelle Wirtschafts- weise. Aus bodenkundlicher und naturschutz- fachlicher Sicht kann der Ökolandbau eine sinnvolle Alternative sein.

6 Ausblick

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Landwirtschaft im Wandel - Ist der Ökolandbau eine Alternative?

AutorInnen: Daniel Winter Nora Keller [email protected] [email protected]

Philip Albrecht Theresa Kessen [email protected] [email protected]

Jannik Behr Pascal Schäper [email protected] Pascal.Schä[email protected]

Damaris Buschhaus Jan Staubach (B.Sc.) [email protected] [email protected]

Marco Dessauer Sebastian Stelzen [email protected] [email protected]

Aris Exarcheas (B.Sc.) Jan Stürmann [email protected] Jan.Stü[email protected]

Nils Hannemann Dr. Stefanie Heinze [email protected] [email protected]

Alexander Huckestein [email protected]

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Daniel Winter et al.

Literatur

Bachinger, J. (1996): Einfluss unterschiedlicher Düngerarten (mioneralisch, organisch, biologisch-dynamisch) auf die zeitliche Dynamik und räumliche Verteilung von bodenchemischen und –mikrobiologischen Parame- tern der C- und N-Dynamik sowie auf das Pflanzen- und Wurzelwachstum von Winterroggen. Schriftenreihe: Band 7. IBDF, Darmstadt.

Blume, H.P. et al. (2010): Scheffer & Schachtschabel: Lehrbuch der Bodenkunde. Heidelberg Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) (2014): Landwirtschaft verstehen. Fakten und Hintergründe. Berlin.

Deutscher Bauernverband (2014/15): Situationsbericht 2015/15. Trends und Fakten zur Landwirtschaft. Berlin.

Heinze, S. (2010): Effects of fertilizer and spatial heterogeneity in soil pH on microbial biomass indices in a long-term field trial of organic agriculture. Plant and Soil 328, 203-215.

Jörgensen,R.G. (1995): Die quantitative Bestimmung der mikrobiellen Biomasse in Böden mit der Chloro- form-Fumigations-Extraktionsmethode. In: Göttinger bodenkundliche Berichte 104.

Naturschutzbund Deutschland e.V. (o.J.): Vorteile des Ökolandbaus. Basisinfos zur ökologischen Bewirt- schaftungsform. o.O.

Laborskript (2016): Physisch-geographisches Labor der Ruhr-Universität Bochum (Unveröffentlicht).

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Stahr, K. et al. (2008): Bodenkunde und Standortlehre. Grundwissen Bachelor. Stuttgart.

Vance, E.D. et al. (1987): An extraction method for measuring soil microbial biomass C. Soil Biology and Biochemistry 19, 703-707.

Wichern, F. (2016): Unveröffentlichtes Seminarmaterial. Einführung Boden. Kleve.

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Andreas Rienow Stadt und Land im Fluss - Netzwerk zur Ge- staltung einer nachhaltigen Klimalandschaft

as Thema Klimaschutz erfährt mittlerweile in der breiten Be- Dvölkerung eine hohe Akzeptanz und ist aus dem wissenschaft- lichen wie öffentlichen Diskurs nicht mehr wegzudenken. Hinzu kommen vielfältige Handlungsoptionen, von der politischen bis zur individuellen Ebene entwickelt und etabliert. Die meisten Bür- gerinnen und Bürger beschäftigen sich mit dem Thema der Klima- Aus der Lehre anpassung jedoch meist erst dann, wenn sie persönlich durch ein Starkregenereignis, ein Jahrhunderthochwasser, eine Trockenpe- riode oder einen Bäume-entwurzelnden Sturm unmittelbar von den Folgen des Klimawandels betroffen sind.

Um den Blick für eine freie Adaption zu öff- relevanter Landschaftsmerkmale und -verän- nen, reicht es nicht aus bei der allgemeinen derungen (wie beispielsweise die Verbauung Gefährdung stehen zu bleiben. Vielmehr soll- von Frischluftschneisen, die Errichtung neuer te der Klimawandel als Anlass genommen Windkraftanlagen, Anbau von Energiepflan- werden, die Öffentlichkeit zu neuen Ideen zen, die Ausprägung der Vegetation in Städ- und Kooperationsformen anzuleiten und vor- ten, Vegetationsdynamik und deren Verände- handene Veränderungspotenziale wahrzu- rung in urban-ruralen Transekten) detektiert. nehmen. Zusätzlich werden potenzielle Aktionsfelder Hier setzt das am 01.01.2017 startende For- für ein Crowd-Mapping eruiert und umge- schungsprojekt „KlimNet“ an. Ziel des Projek- setzt. Geleitet wird das Masterseminar von tes ist die Klimaanpassungskompetenz der Dr. Andreas Rienow und Dr. Frank Thonfeld. Bürgerinnen und Bürger zu steigern und in einem Handlungsleitfaden zu bündeln. Die Stadt Bonn bildet den Startpunkt und dient zu- sammen mit dem Ruhrgebiet als Modellregi- on. Die große räumliche Abdeckung sowie der Einbezug von vielen verschiedenen Akteuren Autor & Ansprechpartner: Dr. Andreas Rienow soll anschließend die Übertragbarkeit auf an- AG Geomatik - Geographisches Institut RUB dere Städte und Gemeinden ermöglichen. Die NA 7/134 AG Geomatik der Ruhr-Universität Bochum steht dabei in Kooperation mit dem Wissen- Kontakt: schaftsladen Bonn e.V. und der Arbeitsgruppe [email protected] +49234 - 32 24791 Fernerkundung des Geographischen Instituts der Universität Bonn. Im Rahmen des neuen Forschungsprojektes soll zudem für den Masterstudiengang (M.Sc.) Namensnennung-Nicht Kommerziell-Keine Bearbeitung der Geographie in Bochum im Sommersemes- Sofern nicht anders angegeben, stehen die Texte dieser ter 2017 ein Seminar mit dem Titel „Potentia- Seite unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 DE Lizenz le von Klimaanpassungsstrategien im Kontext des Landnutzungswandels in NRW“ stattfin- den. Im Seminar werden u.a. Hotspots klima-

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Lena Tillmann Klimawandel und Biodiversität Folgen für Deutschland Mosbrugger, Volker; Brasseur, Guy; Schaller, Michaela; Stri- brny, Bernhard (2014)

as Fachbuch „Klimawandel und Biodiversität“ von Volker DMosbrugger und den Mitherausgebern Guy Brasseur, Micha- ela Schaller und Bernhard Stribrny wurde bereits 2012 durch die wissenschaftliche Büchergesellschaft (WBG) veröffentlicht. Bei dem vorliegenden Exemplar handelt es sich um die 2. unverän- derte Auflage aus dem Jahr 2014. Über 109 AutorInnen wirkten Rezension an den insgesamt 423 Seiten mit, sodass ein umfassender Über- blick über die Themen der Biodiversität und des Klimawandels bezogen auf die Folgen für Flora, Fauna und die Gesellschaft Deutschlands gegeben werden kann.

Die aktuelle gesellschaftliche und politische im ersten Kapitel allgemeines Wissen zu Bio- Relevanz, welche das Buch verfolgt, zeigt sich diversität, Wetter und Klima, dem Treibhaus- durch seine namenhaften Befürworter: der effekt und der naturräumlichen Gliederung hessische Ministerpräsident Volker Bouffier Deutschlands vermittelt wird, widmen sich und die Bundesministerin für Bildung und Kapitel zwei und drei jeweils explizit dem Kli- Forschung Annette Schavan (Stand 2012). Wie ma- und dem Biodiversitätswandel. So wird beide betonen, sind die Erforschung der Pro- gleichzeitig die Problemstellung, als auch die zesse und Zusammenhänge des Klimawandels Zielführung des Buches erläutert: und dessen Folgen für die Gesellschaft nach Das Klima als Teilsystem der Erde, agiert in wie vor von großer Priorität. Nur durch die einer starken Wechselwirkung mit der Bio- Erforschung der Ursachen von Klimafolgen sphäre. Der Faktor Mensch hat insbesondere lassen sich die Auswirkungen des menschli- durch die zunehmende Landinanspruchnah- chen Handelns auf die Umwelt herleiten. Ne- me, Landnutzungsintensivierung und den ben einem allgemeinen Überblick über den Ressourcenverbrauch das Vorkommen natur- aktuellen natur- und sozialwissenschaftlichen naher Habitate eingeschränkt. Ein Umstand, Kenntnisstand aus der Grundlagenforschung, der die Sicherung und somit den Erhalt der bietet das Buch zudem zahlreiche Handlungs- noch verbliebenen Biodiversität Deutschlands optionen und Empfehlungen für Politik, Wirt- zu einer umso notwendigeren Aufgabe macht. schaft und Gesellschaft. Unterstützt werden Auf die sich mit dem Klimawandel einstellen- die Aussagen des Buches durch zahlreiche den Veränderungen im Klimasystem müssen Darstellungen, Diagramme und Karten, wel- sich Pflanzen, Tiere und Menschen anpassen che unter anderem Forschungsergebnisse, können. Aufgrund der relativ kurzen Zeitspan- Trends und aktuelle Prognosen anschaulich ne in welcher sich die klimatischen und natur- darstellen. räumlichen Veränderungen vollziehen, profi- Aufgeteilt ist der Inhalt des Buches in insge- tieren daher insbesondere Generalisten und samt 15 Kapitel mit den jeweiligen Unterkapi- bereits auf das kommende Klima angepasste teln. Die ersten drei Kapitel dienen dabei als Arten. Einführung in den Themenkomplex. Während Die Kapitel vier bis sechs behandeln den Le-

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Lena Tillmann bensraum Wasser. Hier stehen das Grundwas- nahmen entwickeln zu können. ser, Oberflächenwasser (Bäche, Seen, Flüsse) Im weiteren Verlauf behandelt Kapitel 11 den und der marine Lebensraum (Nord- und Ost- Lebensraum Stadt, mit Blick auf die natürlich see) im Vordergrund. Wasser als eine Grund- in ihr stattfindenden Prozesse und ihre Rolle voraussetzung für Leben, reguliert an Land im rezenten Klima- und Biodiversitätswandel. die Trinkwasserversorgung, ebenso wie die Gerade in Städten mit einer hohen Bebau- Bodenfruchtbarkeit und der damit einherge- ungsdichte und Flächenversiegelung existiert hende Bodenertrag. Für Deutschland konkret ein erhöhter Temperaturgradient zwischen bedeutet dies eine stärkere Fokussierung auf Stadt und Umland. Diese sogenannten städ- das Schutzgut Boden. Durch seine Kulturland- tischen Wärmeinseln werden durch den anth- schaften geprägt, wird fast die Hälfte der ge- ropogenen Klimawandel zusätzlich verstärkt. samten Landesfläche (17 Mio. ha) landwirt- Kommen hohe Emissionswerte durch Abwär- schaftlich genutzt. Wie für die Landwirtschaft me und Luftverunreinigungen hinzu, erzeugt gilt auch für die Forstwirtschaft ein Umden- der fehlende Luftaustausch innerhalb der ken hin zu einer Stärkung der Biodiversität, Atmosphärenschichten die Verschlechterung gerade bei den intensiv wirtschaftlich genutz- der lufthygienischen Situation. Für die Stadt ten Flächen. Ein zu homogenes Pflanzenbild Essen wird beispielsweise eine Erhöhung der erhöht die Vulnerabilität gegenüber Schäd- jährlichen Temperaturmittelwerte um 2,3 K lingen, Krankheiten, extremen Wetterereig- erwartet. Städtische Grün-, Frei- und Wasser- nissen oder neu einwandernden, möglicher- flächen besitzen aus diesem Grund eine hohe weise invasiven, Arten. Den Autoren zufolge, hilft hier nur ein Wandel zur nachhaltigen Bewirtschaftung, gefördert mit Subventionen und Richtlinien aus der Politik und durch ver- ändertes Kaufverhalten und Aufklärung der Gesellschaft. Während an Land zu wenig Wasser zu Tro- ckenstress führt, gilt in der Nord- und Ostsee das Gegenteil. Mehr Wasser, welches durch das Abschmelzen der Polarkappen den Anstieg des Meeresspeigels bedingt, führt zu einer Veränderung des pH-Wertes, des Salzgehaltes und der Temperatur des Wassers. Dies wiede- rum wirkt sich direkt auf die sich im Meer be- findenden Mikroorganismen aus und hat eine Beeinflussung der gesamten Nahrungskette der Meerestiere zur Folge. Das Weltnaturerbe Wattenmeer, als eines der weltweit bedeu- tendsten Gebiete für Brut- und Zugvögel, ist gänzlich vom regelmäßigen Trockenfallen des Watts abhängig. Inwieweit die Flora in der Lage ist, auf diese Veränderung zu reagieren, Literatur: ist dabei noch nicht zur Gänze geklärt. Die Mosbrugger, Volker; Brasseur, Guy; Schaller, Handlungsmaßnahmen in diesem Fall bezie- Michaela; Stribrny, Bernhard (2014): Klimawandel und Biodiversität - Folgen für Deutschland; Wissen- hen sich daher vor allem auf die verstärkte schaftliche Buchgesellschaft; Darmstadt. Erforschung der Anpassungsmöglichkeit der wandernden Vögel, um sinnvolle Schutzmaß- ISBN: 9783534263868

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Klimawandel und Biodiversität - Folgen für Deutschland

Klimarelevanz, da sie Verdunstungsmöglich- nachhaltige Nutzung der Ressourcen anstre- keiten schaffen, welche sich positiv auf das ben zu können. Im letzten Kapitel fassen die Klima auswirken und zudem das Wohlbefin- Herausgeber noch einmal alle relevanten den der Bürgerinnen und Bürger steigert. Ne- Aussagen des Buches zusammen und geben ben der CO2-Verminderung mittels Sanierung Auskunft über den vorhandenen Forschungs- des Gebäudebestandes, Verringerung des und Entwicklungsbedarf sowie mögliche motorisierten Individualverkehrs mittels ein Handlungsempfehlungen. Zum Schluss fügen verbessertes ÖPNV-Angebot und der Struktu- sie ein gemeinsames Fazit ein, in dem sie sich rierung der Stadt hin zu einer besseren Durch- noch einmal kritisch mit den Prognosen ausei- lüftung, wird unter anderem die Verringerung nander setzen und ihre Einschätzung zu dem der Versiegelung durch einen erhöhten Anteil Themenkomplex ausführen. von Stadtgrün empfohlen. Bei dem Buch „Biodiversität und Klimawan- Kapitel 12 befasst sich mit den Auswirkun- del“ handelt es sich um ein sehr detailliert gen des Klima- und Biodiversitätswandels ausgearbeitetes Werk. Die Herausgeber ha- auf die menschliche Gesundheit. Im Zuge ben versucht alle für das Thema relevanten des projizierten Klimawandels ist mit erhöh- Lebensbereiche abzudecken und die mögli- ten Risiken durch Extremwetterereignisse zu chen Folgen für Mensch und Natur daraus rechnen, dazu zählen unter anderem Hitzepe- abzuleiten. Nationale wie internationale Stu- rioden, Stürme und Hochwasser. Daher liegt dien und Forschungsergebnisse wurden her- der Handlungsschwerpunkt insbesondere im angezogen, um auf möglichst fundierter Basis Bereich der Überwachung und Frühwarnung argumentieren zu können. Insbesondere für zum rechtzeitigen Erkennen von möglichen Leser, die sich intensiver mit einzelnen The- Gefahren. Im 13. Kapitel geht es um die An- menbereichen befassen wollen, ist dies vor- passung und Mitigation (Milderung) von Ziel- teilhaft. Durch die regelmäßigen Zusammen- konflikten und Synergien mit Biodiversität fassungen am Ende eines jeden Kapitels kann und Naturschutzzielen. Schutzmaßnahmen, aber auch schnell ein allgemeiner Überblick beispielsweise beim Hochwasserschutz, kön- gewonnen werden. Für alle über den Inhalt nen zu Lasten der Biodiversität ausfallen. Es des Buches hinausgehenden Informationen, gilt daher die gesellschaftlichen Schutzziele findet sich am Ende eines jeden Kapitels zu- mit dem Erhalt und der Vielfalt der Natur auf dem eine Übersicht der genutzten Quellen einen möglichst großen gemeinsamen Nen- und ihrer Autoren, sodass gezielte Recher- ner zu bringen. Da der Mensch in nahezu al- chen zu den jeweiligen Themenbereichen er- len Lebensbereichen die Schutzziele tangiert, leichtert werden. handelt es sich dabei um eine gesellschaftli- Am Anfang der Kapitel steht immer eine kur- che Querschnittsaufgabe. ze Einführung in die Thematik. Anschließend Das vorletzte Kapitel befasst sich mit der wird anhand mindestens einer Problemstel- gesellschaftlichen Wahrnehmung des Klima- lung erläutert, wie sich die Klimaveränderung und Biodiversitätswandels. Hierbei stehen auf den Biodiversitätswandel auswirkt und vor allem die Herausforderungen der Politik welche Folgen sich daraus konkret für den im Vordergrund, den Bedarf an Klimaschutz- Mensch und die Natur ergeben können. Dabei maßnahmen mit den jeweiligen sozio-ökono- scheuen sich die Autoren nicht, Schwierigkei- mischen und sozio-kulturellen Anforderungen ten oder Ungereimtheiten des aktuellen For- abzuwägen. Zur besseren Verknüpfung der schungsstandes anzuprangern und die Gren- Entscheidungsebenen sind Politik, Verwal- zen der Entwicklung von Forschungsansätzen tung, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und- Wis aufzuzeigen. Beendet wird ein jedes (Unter-) senschaft auf das unter anderem in diesem Kapitel durch die notwendigen und möglichen Buch generierte Wissen angewiesen, um eine Maßnahmen für Politik, Gesellschaft und For-

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Lena Tillmann schung sowie einer Zusammenfassung. Ebenso wie die Kapitel ist das gesamte Buch Autor: thematisch wie formal sehr strukturiert und Lena Tillmann, B.Sc. übersichtlich aufgebaut. Die zahlreichen ge- Studium Geographie M.Sc. wählten Graphiken veranschaulichen sehr gut Ruhr-Universität Bochum den Inhalt des Textes und dienen zum Ver- ständnis des Kapitelinhaltes. Grundsätzlich ist Kontakt: [email protected] das Buch angelegt, um eine möglichst breite Leserschaft zu erreichen. Dank der vielen Ein- führungstexte und der guten Übersicht kön- nen auch Neueinsteiger viel Wissen aus den Inhalten schöpfen. Ebenso ermöglichen die Namensnennung-Nicht Kommerziell-Keine Bearbeitung Sofern nicht anders angegeben, stehen die Texte dieser teilweise sehr detaillierten Angaben über die Seite unter einer Creative Commons Namensnennung Studieninhalte, bereits mit dem Thema ver- 3.0 DE Lizenz trauten Lesern, für einen Teilbereich speziali- sierte Informationen zu erhalten. Eine auf Deutschland zugeschnittene Fachli- teratur in diesem Umfang und einem derar- tigen Themenspektrum zu erhalten, ist eher ungewöhnlich. Dank der vielen Vergleiche, gibt das Buch einen guten Überblick über den aktuellen Forschungsstand und stellt Progno- sen nachvollziehbar dar. Zwar kann natürlich nur im Groben auf die einzelnen Regionen Deutschlands und nicht explizit auf lokale Ge- biete eingegangen werden, für den Umfang der Themen erscheint dies aber angemessen. Die unterschiedliche Tiefe mit der die einzel- nen Themen behandelt werden, macht es ei- nem breiten Leserspektrum möglich, die für sie am interessantesten Informationen her- auszufiltern.

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Daniel Winter ArcGIS 10.3 GI Geoinformatik GmbH (Hrsg.) (2015)

rodukte geographischer Informationssysteme (GIS) beeinflus- Psen und erleichtern unseren Alltag und stellen einen essenzi- ellen Teil der modernen Gesellschaft dar. Diese rechnergestütz- ten Informationssysteme haben besonders für Geographen eine hohe Bedeutung und sind heutzutage unumgänglich. Zur Anwen- Rezension dung kommen sie dabei in der physisch- sowie humangeogra- phischen Theorie und Praxis sowie in darüber hinaus reichenden Umwelt- und Wirtschaftsbereichen.

Auch im Privatleben ist die Nutzung von GIS- weitergehend erklärt. basierten Produkten unvermeidbar. Damit Das erste Kapitel zeigt eine kurze Einfüh- sind nicht zwingend alltägliche Nutzungen wie rung in die ArcGIS Produktpalette und die Ge- das direkte Lesen einer Karte gemeint, son- schichte der Software. In diesem werden die dern vielmehr die unbewusste „Nutzung“ der einzelnen Anwendungen für einen Gesamt- Produkte auf Grundlage von Raumanalysen überblick angesprochen und prägnant erläu- mit GIS. Darunter fallen beispielsweise der tert. Standort des nächstgelegenen Supermarktes Im zweiten Kapitel erfolgt eine Einführung oder des Sendemastes, der für einen optima- in die Grundlagen, es werden Erläuterungen len Empfang des eigenen Smartphones sorgt. zur Anwendung der Datentypen und Forma- Auf dem freien Markt gibt es eine Vielzahl te sowie Basiswissen zu den Datenbanken von geographischen Informationssystemen, dargestellt. Hierbei werden z.B. Unterschie- von denen die Software „ArcGIS“ von ESRI de zwischen Vektor- und Rasterdaten sowie (Environmental Systems Research Institute) anderen differenzierten Dateiformaten be- die häufigste Anwendung findet. Der Sam- handelt. Darüber hinaus wird der Aufbau der melbegriff „ArcGIS“ beinhaltet eine breite GIS-Projekte dargestellt und ein Vorschlag für Produktpalette an unterschiedlichster -Soft einen übersichtlichen Ordneraufbau unter- ware. Die folgende Rezension bezieht sich breitet. auf das deutschsprachige Handbuch „ArcGIS Kapitel drei ist am umfangreichsten und be- 10.3“ aus dem Wichmann-Verlag. handelt gleichzeitig den wichtigsten Bereich In einem Umfang von 889 Seiten themati- von ArcGIS. Zu Beginn wird die Benutzer- siert das neu erschienene Handbuch die Ver- oberfläche erläutert, anschließend die ein- sion 10.3 für den Anwendungsbereich „Arc- zelnen Register, Menüs und Werkzeugleisten GIS for Desktop und Standard“ sowie einige von ArcMap. Dabei erfolgt die Beschreibung Funktionen von „ArcGIS Online für Desktop- schrittweise mit einer Erläuterung des jewei- anwender“. Die umfangreiche Anleitung ist ligen Arbeitsschrittes. Abbildungen der- Ar jedoch auch für die vorherigen Versionen (bis beitsfenster helfen zur Orientierung und ver- 10.0) einsetzbar. Für ältere Versionen ist das anschaulichen das Vorgehen in Begleitung zur Buch nur bedingt anwendbar, da die graphi- textlichen Erläuterung. Somit zeigt zu Beginn sche Benutzeroberfläche mit der Version 10.0 eine Abbildung die Benutzeroberfläche, auf grundlegend überarbeitet wurde. In insge- der die anschließenden Erläuterungen auf- samt 13 Kapiteln wird die Software schrittwei- bauen. se erläutert sowie darüber hinaus mit Tipps Im vierten Kapitel werden die Anwendungs-

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Daniel Winter möglichkeiten des ArcCatalog erläutert. Auch sowie Anforderungen an die Datenstruktur hier werden Benutzeroberfläche, Menüleiste, und Transformation werden in Kapitel Elf ge- Werkzeugleiste sowie die Datenverwaltung nau erläutert. thematisiert. Amtliche Geodaten finden ihre Erläuterung Der Inhalt des fünften Kapitels beruht auf im zwölften Kapitel. Vorgestellt werden das dem Datenbanksystem von ArcGIS, der Geo- amtlich topographisch-kartographische In- database, mit den einzelnen Typen und Ele- formationssystem, digitale Kartenprodukte menten. Darüber hinaus werden auch dessen (DLM,DGM, usw.), das amtliche Liegenschafts- Eigenschaften beschrieben. katasterinformationssystem, das amtliche Koordinatensysteme und Transformatio- Festpunktinformationssystem sowie die Nut- nen und dessen Anwendungsmöglichkeiten, zungsbedingungen dieser Daten. finden ihre Beschreibung im sechsten Kapi- Das dreizehnte Kapitel beinhaltet Down- tel. Hier werden allgemeine Grundlagen zu load-, Installations- sowie Konfigurationsan- Koordinatensystemen und Projekten sowie weisungen für „ArcGIS 10.3 for Desktop“. Im Begriffe wie dem „Geodätischem Datum“ ge- Anhang finden sich durchaus wichtige Hinwei- nauer erläutert. Es folgen Informationen zu se zu Tastenkürzeln und weiteren nützlichen Koordinatensystemen bei ArcGIS sowie die Anwendungen, die der Vereinfachung des Transformation dieser in ArcGIS Projekte. Des Umgangs mit ArcGIS dienen. weiteren werden mögliche Fehlerquellen an- Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich gesprochen und Lösungen vorgeschlagen. Das siebte Kapitel beinhaltet Anleitungen zur Nutzung der ArcToolbox. Dazu zählen beispielsweise Selektierungen, Puffer und Werkzeuge wie dem ModelBuilder oder Da- tentransformationswerkzeuge. Zusätzlich werden die Script-Sprachen Python und ArcPy thematisiert. ArcGIS-Online wird im achten Kapitel erläu- tert. Dabei reichen die Erläuterungen von der Organisation der Inhalte bis hin zur Kartenbe- arbeitung (WebMap). In dem kurzen neunten Kapitel werden die Erweiterungen von ArcGIS beschrieben. Dazu gehören der 3D-Analyst, Publisher, ArcRea- der sowie GISconnector für Excel. Als ein Bei- spiel wird ArcScan vorgestellt. Dieses Feature ermöglicht die Vektorisierung von Daten in ArcGIS. Das anwendungsbezogene Kapitel Zehn stellt 13 Übungsaufgaben mit Lösungen be- reit, wodurch der Nutzer auf 225 Seiten sei- ne erlernten Fähigkeiten bei unterschiedlich Literatur: komplexen Übungsaufgaben auf die Probe GI Geoinformatik GmbH (Hrsg.) (2015): ArcGIS 10.3. stellen kann. Auch hier wird der Lösungsweg Das deutschsprachige Handbuch für ArcGIS for De- durch Abbildungen der Benutzeroberfläche stop Basic und Standard.; Verlag Wichmann; Ort. veranschaulicht. ISBN: 978-3-87907-588-1 Die Datennutzung mit mobilen Endgeräten

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ArcGIS 10.3 um die fünfte Auflage. Die Inhalte wurden so- buch eine ideale Grundlage zur Erleichterung mit durch ein erfahrenes Forscherteam der GI des Umgangs mit der Software. Insbesondere Informatik GmbH weiterentwickelt und auf Studierende können sich über Seminarinhalte den neusten Stand gebracht. Im Zuge der Um- hinaus weiter mit der Software auseinander strukturierung der Benutzeroberfläche wurde setzen und finden in dem Buch eine zusätz- auch das Handbuch selbst daran angepasst. liche Möglichkeit nach Problemlösungen zu So verlagerte sich das Installationskapitel an suchen. Lediglich der Preis von 88€ ist für das das Ende des Handbuches, wodurch sich der allgemeine studentische Budget etwas hoch, Charakter des Handbuches verbesserte, denn stellt aber für GIS-Interessierte eine lohnens- das Installationskapitel wird nur zu Beginn be- werte Investition dar. nötigt und muss anschließend nicht wieder- holt übersprungen werden. Auf der Seite 258 befindet sich ein Fehldruck, denn hier wurde die Seite 237 erneut gedruckt. Normalerweise würde die Werkzeugleiste „Bearbeitung eines geometrischen Netzwerks“ erklärt werden. Die GI-Geoinformatik stellt aus diesem Grund auf ihrer Internetseite eine PDF-Datei mit dem fehlenden Inhalt als kostenlosen Download zur Verfügung. Über den Inhalt des Buches hinaus fällt die Verarbeitung angenehm auf, denn das Buch besitzt einen festen Einband. Um das Handbuch auch mobil und digital nut- zen zu können, lässt sich der Titel zusätzlich als E-Book erwerben. Wer das Printprodukt bereits erworben hat erhält 60 % Nachlass auf den Preis des E-Books. In Verbindung mit der mobilen ArcGIS Nutzung könnte diese Option eine durchaus sinnvolle Investition darstellen. Um einen praxisbezogenen Einstieg in Arc- GIS 10.3 zu erhalten lässt sich das Handbuch zweifellos empfehlen. Für die Nutzung der Software als Experte sollten Werke ausge- wählt werden, welche sich noch intensiver Autor: mit der Software auseinandersetzen. 550 far- Daniel Winter bige Abbildungen und die schrittweisen Be- Studium Geographie B.Sc. Ruhr-Universität Bochum arbeitungsanleitungen veranschaulichen die Software durchaus. Der bedeutendste Vorteil Kontakt: für die Benutzung des Handbuches ist, dass es [email protected] in Deutsch verfasst wurde. Aktuell ist es zu- dem das einzige deutschsprachige Handbuch für das Programm ArcGIS 10.3. Da die Inhal- Namensnennung-Nicht Kommerziell-Keine Bearbeitung te problemlos auf die früheren Versionen bis Sofern nicht anders angegeben, stehen die Texte dieser 10.0 angewandt werden können, ist es univer- Seite unter einer Creative Commons Namensnennung sal für diese einsetzbar. Weil die Anwendung 3.0 DE Lizenz von ArcGIS in der modernen Geographie be- reits zum Status quo gehört, bietet das Hand-

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VOM PARKETT IN DIE LOGE Ob im Kino, Theater oder Stadion, die Loge ermöglicht durch ihre Lage eine besondere Per- spektive auf das Geschehen zu nehmen und so die Dinge besser beobachten zu können − vorausgesetzt man verfügt über das entsprechende Ticket. Genauso soll auch die Zeitschrift GeoLoge dazu beitragen, eine besondere, wissenschaftlich-analytische Perspektive auf das fachliche Geschehen zu erlangen. Studierende bekommen die Möglichkeit, bereits während des Studiums aus der „Parkett-Perspektive“ heraus und in die Loge einzutreten. Die Eintritts- karte hierzu erhalten sie durch das Verfassen wissenschaftlicher Beiträge.

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Verantwortlich: Stephanie Bednarz, B.Sc. Geographisches Institut Ruhr-Universität Bochum Universitätsstraße 150 44780 Bochum Redaktion: Stephanie Bednarz (B.Sc.), René Hohmann (B.Sc.) und Lena Tillmann (B.Sc.) Layout: Stephanie Bednarz (B.Sc.), René Hohmann (B.Sc.) und Lena Tillmann (B.Sc.) Titelbild: Lena Tillmann (Bearbeitung durch René Hohmann) Herausgeberin: Stephanie Bednarz, B.Sc. Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. Jan Cermak Prof. Dr. Frank Dickmann Dr. Christiane Döll Prof. Dr. Andreas Farwick Prof. Dr. Uta Hohn Prof. Dr. Carsten Jürgens Dr. Götz Heinrich Loos Prof. Dr. Bernd Marschner Prof. Dr. Leif O. Mönter Dr. Astrid Seckelmann Prof. Dr. Harald Zepp ISSN: 2191-3900 Die GeoLoge erscheint am Geographischen Institut der Ruhr-Universität Bochum und ist im Internet über http://GeoLoge.Geographie.RUB.de abrufbar.

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