EUROPÄISCHE KOMMISSION

Brüssel, den 23.5.2011 K(2011) 3620 endgültig

Betrifft: Staatliche Beihilfe - Deutschland (Sachsen-Anhalt) - Beihilfe Nr. SA.32775 (2011/N) - Anwendung der Grundsätze für eine nationale Rahmenrichtlinie zur Gewährung staatlicher Zuwendungen zur Bewältigung von durch Naturkatastrophen verursachten Schäden in der Landwirtschaft / Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Bewältigung von Hochwasserschäden in der Landwirtschaft – Hochwasser im September/Oktober 2010 in Sachsen-Anhalt

Sehr geehrter Herr Bundesminister, die Europäische Kommission beehrt sich, Deutschland mitzuteilen, dass sie nach Prüfung der von Ihren Behörden vorgelegten Informationen beschlossen hat, gegen die oben bezeichnete Beihilfe keine Einwände zu erheben, da sie mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vereinbar ist. Der Entscheidung der Kommission liegen folgende Erwägungen zugrunde:

1. VERFAHREN

(1) Die oben genannte Beihilfemaßnahme wurde der Kommission gemäß Artikel 108 Absatz 3 AEUV mit Schreiben der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union vom 24. März 2011, eingegangen am selben Tag, notifiziert.

(2) Die notifizierte Maßnahme betrifft Beihilfen, die gemäß den Grundsätzen für eine nationale Rahmenrichtlinie zur Gewährung staatlicher Zuwendungen zur Bewältigung von durch Naturkatastrophen verursachten Schäden in der Landwirtschaft gewährt werden sollen. Die Kommission hat diese Grundsätze in Bezug auf die landwirtschaftliche Erzeugung mit der Entscheidung K(2009)1139 vom 18. Februar 2009 (staatliche Beihilfe N 568/2008) genehmigt.

S. E. Herrn Dr. Guido Westerwelle Bundesminister des Auswärtigen Werderscher Markt 1 D - 10117 BERLIN

Commission européenne, B-1049 Bruxelles – Europese Commissie, B-1049 Brussel – Belgium Telephone: 32 (0) 2 299.11.11

2. BESCHREIBUNG

2.1. Bezeichnung

(3) Anwendung der Grundsätze für eine nationale Rahmenrichtlinie zur Gewährung staatlicher Zuwendungen zur Bewältigung von durch Naturkatastrophen verursachten Schäden in der Landwirtschaft / Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Bewältigung von Hochwasserschäden in der Landwirtschaft – Hochwasser im September/Oktober 2010 in Sachsen-Anhalt

2.2. Zweck der Beihilfe

(4) Ausgleich von Schäden, die im September/Oktober 2010 durch Hochwasser in Sachsen-Anhalt (Landkreise und ) entstanden sind.

2.3. Haushaltsmittel

(5) Gesamtbetrag: 0,3 Mio. EUR.

2.4. Laufzeit

(6) Ab dem Datum der Genehmigung durch die Kommission bis zum 30. Juni 2012.

2.5. Empfänger

(7) 11 bis 50 landwirtschaftliche Erzeuger.

2.6. Nationale Rechtsgrundlage

(8) Haushaltsordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 30. April 1991.

(9) Verwaltungsvorschriften des Landes Sachsen-Anhalt zur Landeshaushaltsordnung.

(10) Grundsätze für eine nationale Rahmenrichtlinie zur Gewährung staatlicher Zuwendungen zur Bewältigung von durch Naturkatastrophen oder widrige Witterungsverhältnisse verursachten Schäden in der Landwirtschaft (nachstehend „die Rahmenrichtlinie“).

2.7. Beihilfeintensität

(11) 100 % der beihilfefähigen Schäden gemäß der Rahmenrichtlinie.

2.8. Beihilfemaßnahme

(12) In der Rahmenrichtlinie sind die Bedingungen und Modalitäten von Ausgleichs- zahlungen an landwirtschaftliche Erzeuger festgelegt, die für Schäden an der landwirtschaftlichen Erzeugung aufgrund von Hochwasser, Erdrutschen, Bergstürzen, Lawinen, Erdbeben und Stürmen u.a. gewährt werden. Die bereits genehmigte Rahmenrichtlinie bleibt unverändert.

(13) Gemäß Nummer 16 der Genehmigungsentscheidung K(2009)1139 werden alle Naturkatastrophen, für die landwirtschaftlichen Erzeugern im Rahmen der notifizierten Grundsätze ein Ausgleich gewährt werden soll, der Kommission getrennt mitgeteilt, wobei den Notifizierungen überprüfte Informationen über das Vorliegen einer Naturkatastrophe, der Nachweis des direkten Zusammenhangs zwischen dem durch die Naturkatastrophe verursachten Schaden und der staatlichen Beihilfe, eine

2 genaue Beurteilung des Schadens und der Nachweis des Ausschlusses einer Überkompensation beizufügen sind.

(14) Die deutschen Behörden haben das in Sachsen-Anhalt Ende September/Anfang Oktober 2010 aufgetretene Hochwasser als Naturkatastrophe mitgeteilt. Besonders stark betroffen waren die Landkreise Wittenberg und Saalekreis.

(15) Wie die deutschen Behörden dokumentieren, sorgte das Tiefdruckgebiet „Lya“ zwischen dem 24. September und dem 27. September 2010 für erhebliche Niederschlagsmengen. Auswirkungen hatten diese Niederschläge insbesondere für die Einzugsgebiete der , der Schwarzen und der Weißen Elster. Am 26. September 2010 um 11.30 Uhr gab der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt aufgrund der vom Deutschen Wetterdienst für die Region angekündigten schweren Unwetter eine erste Hochwasserwarnung für das Einzugsgebiet der Schwarzen Elster heraus. Nach den am Pegel Löben zwischen dem 27. September (1.00 Uhr) und dem 5. Oktober 2010 (14.00 Uhr) gemessenen Werten erreichte der Wasserstand der Schwarzen Elster die höchste Alarmstufe (Alarmstufe 4). Der Wasserstand am Pegel Löben erreichte den höchsten Stand, der je gemessen wurde. Dieser hohe Wasserstand verursachte am 30. September 2010 zwischen den Ortschaften Meuselko und Premensdorf einen Deichbruch auf einer Länge von 12 Metern, was erhebliche Überflutungen im Landkreis Wittenberg zur Folge hatte. Gemäß der Lagemeldung Nr. 1 des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe für Oktober 2010 waren mehrere Ortschaften in den Landkreisen Wittenberg und Saalekreis von diesem Hochwasser besonders stark betroffen.

(16) Wie die deutschen Behörden belegen, waren in den genannten Landkreisen 20 landwirtschaftliche Unternehmen mit einer Fläche von 3400 ha von den Schäden betroffen.

(17) Die Beihilfe wird in Form von Zinsvergünstigungen für Darlehen zur Deckung der erheblichen Schäden in Höhe von rund 1,2 Mio. EUR gezahlt, die das Hochwasser in landwirtschaftlichen Betrieben in den Landkreisen Wittenberg und Saalekreis hervorgerufen hat.

(18) Nach Angaben der deutschen Behörden werden die Beihilfen nur für direkt durch das Hochwasser verursachte Schäden an landwirtschaftlichen Gebäuden und Anlagen, Inventar und landwirtschaftlichem Produktionsinventar und für Einkommensverluste gewährt.

(19) Der ausgleichsfähige Schaden wird durch Abzug von Versicherungszahlungen und sonstigen für denselben Schaden geleisteten Ausgleichszahlungen von der überprüften Schadenssumme berechnet. Damit die Einhaltung der Kumulierungsvorschriften gewährleistet ist, muss der Antragsteller der zuständigen Kommunalbehörde alle Beihilfezahlungen angeben, die er zur Deckung derselben beihilfefähigen Kosten erhalten hat.

(20) Die deutschen Behörden haben erklärt, dass die Bewertung des Schadens und die Gewährung des Ausgleichs im Einklang mit der Rahmenrichtlinie erfolgen und alle sonstigen Bedingungen der Kommissionsentscheidung K(2009)1139 eingehalten werden.

3 3. BEWERTUNG

3.1. Vorliegen einer staatlichen Beihilfe

(21) Artikel 107 Absatz 1 AEUV findet Anwendung, wenn eine Maßnahme bestimmten Unternehmen wirtschaftliche Vorteile verschafft, die sie unter normalen Geschäftsbedingungen nicht erhalten würden, wenn die Beihilfe bestimmten Unternehmen von einem Mitgliedstaat oder aus staatlichen Mitteln gewährt wird und wenn sie geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen und Wettbewerbsverzerrungen zu verursachen.

(22) Auf den ersten Blick scheinen diese Bedingungen erfüllt.

(23) Die Maßnahme wird aus staatlichen Mitteln finanziert. Sie kommt bestimmten Unternehmen (Landwirten in den Landkreisen Wittenberg und Saalekreis in Sachsen- Anhalt) zugute. Da die begünstigten Unternehmen auf einem stark wettbewerbs- orientierten internationalen Markt tätig sind, ist diese Maßnahme geeignet, den Wettbewerb zu verfälschen1 und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

(24) Die Maßnahme stellt somit eine Beihilfe dar, und Artikel 107 Absatz 1 AEUV findet Anwendung. Daher ist zu prüfen, ob von dem allgemeinen Grundsatz der Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen nach Artikel 107 Absatz 1 abgewichen werden kann.

3.2. Beihilfe zum Ausgleich von Verlusten, die Landwirten aufgrund von Naturkatastrophen entstanden sind

(25) Nach Artikel 107 Absatz 2 Buchstabe b AEUV sind Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind, mit dem Binnenmarkt vereinbar. Damit diese Ausnahmeregelung Anwendung finden kann, müssen die Beihilfemaßnahmen im Einklang mit den Rechtsvorschriften für staatliche Beihilfen stehen.

(26) Beihilfen zur Bewältigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Umstände entstanden sind, werden auf der Grundlage von Kapitel V.B.2. der Rahmenregelung der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen im Agrar- und Forstsektor 2007-20132 (nachstehend: „Rahmenregelung“) beurteilt.

(27) Wie unter Punkt 121 der Rahmenregelung dargelegt, hat die Kommission stets die Auffassung vertreten, dass die Begriffe „Naturkatastrophe“ und „außergewöhnliche Ereignisse“ gemäß Artikel 107 Absatz 2 Buchstabe b AEUV restriktiv auszulegen sind. Dies wurde vom Europäischen Gerichtshof bestätigt3. Die Kommission hat bisher akzeptiert, dass Erdbeben, Lawinen, Erdrutsche und Überschwemmungen als Naturkatastrophen anzusehen sind, sofern diese genau bestimmt werden können. Unter Punkt 122 ist festgelegt, dass die Kommission Vorschläge für die Gewährung

1 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs deutet die Verbesserung der Wettbewerbsposition eines Unternehmens aufgrund einer staatlichen Beihilfe im Allgemeinen auf eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber konkurrierenden Unternehmen hin, die keine solche Unterstützung erhalten (Rs. C-730/79, Slg. 1980, S. 2671, Rn. 11 und 12). 2 ABl. C 319 vom 27.12.2006, S. 1.

3 Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 11. November 2004 in der Rechtssache C-73/03, Spanien gegen Kommission, Randnr. 37; Urteil vom 23. Februar 2006 in den Rechtssachen C-346/03 und C-529/03, Giuseppe Atzeni u.a., Randnr. 79.

4 von Beihilfen gemäß Artikel 107 Absatz 2 Buchstabe b auch weiterhin von Fall zu Fall prüfen und dabei die bisherige Praxis in diesem Bereich berücksichtigen wird.

(28) Gemäß Punkt 123 wird die Kommission, sobald erwiesen ist, dass eine Naturkatastrophe oder ein außergewöhnliches Ereignis eingetreten ist, als Ausgleich für Sachschäden Beihilfen in Höhe von bis zu 100 % genehmigen. Entschädigungen sollten normalerweise auf Ebene der einzelnen Begünstigten berechnet werden. Um Überkompensierungen zu vermeiden, sind zu erwartende Zahlungen, beispielsweise aus Versicherungen, vom Beihilfebetrag abzuziehen. Die Kommission genehmigt auch Beihilfen, mit denen Landwirte für Einkommensverluste entschädigt werden sollen, die ihnen aufgrund der Vernichtung landwirtschaftlicher Betriebsmittel entstanden sind, vorausgesetzt, es kommt nicht zur Überkompensierung.

(29) Die deutschen Behörden haben mitgeteilt, dass die notifizierte Beihilfe nach der Rahmenrichtlinie gewährt wird, in der die Bedingungen für die Beihilfegewährung, die Methode für die Berechnung der Verluste und der Entschädigung enthalten sind. Die Kommission hat die Rahmenrichtlinie mit der Entscheidung K(2009)1139 vom 18. Februar 2009 (Beihilfefall N 568/2008) gemäß Kapitel V.B.2 der Rahmen- regelung genehmigt. Die Rahmenrichtlinie bleibt unverändert.

(30) Die Beihilfe wird im Einklang mit den Bedingungen der genehmigten Rahmenrichtlinie gewährt, und gemäß Nummer 16 der Genehmigungsentscheidung enthält die vorliegende Notifizierung nur Angaben zum Vorliegen und zur Schwere des Ereignisses (als Nachweis des Vorliegens einer Naturkatastrophe), zum Schaden und zum Ausschluss einer Überkompensation. Daher beschränkt sich die Bewertung auf die Überprüfung, ob eine Naturkatastrophe vorliegt, auf die Überprüfung des direkten Zusammenhangs zwischen der Naturkatastrophe und dem Schaden sowie auf die Kontrolle, dass keine Überkompensation vorliegt.

(31) Die deutschen Behörden haben erklärt, dass die eigentlichen Schäden durch das schwere Hochwasser in Sachsen-Anhalt Ende September/Anfang Oktober 2010 verursacht wurden. Es wurden ausreichende Angaben zum Vorliegen und zur Schwere des Ereignisses (Überprüfung durch den Landesbetrieb für Hochwasser- schutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt) sowie einschlägige Unterlagen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe übermittelt. Die von den deutschen Behörden gemeldeten außergewöhnlichen Katastrophenereignisse sind daher als Naturkatastrophe im Sinne von Artikel 107 Absatz 2 Buchstabe b anzusehen.

(32) Nach Angaben der deutschen Behörden sind nur Schäden ausgleichsfähig, die nachweislich durch das Hochwasser in den Landkreisen Wittenberg und Saalekreis entstanden sind. Es wurde eine ausreichende Beschreibung der Schäden an landwirtschaftlichen Gebäuden und Anlagen, Inventar und landwirtschaftlichem Produktionsinventar übermittelt, die sich auf rund 1,2 Mio. EUR belaufen (siehe Nummer 17). Die deutschen Behörden haben bestätigt, dass die Beihilfen entsprechend der Rahmenrichtlinie gewährt werden, insbesondere durch Ermittlung der Schäden, Überprüfung des kausalen Zusammenhangs zwischen der Naturkatastrophe und dem eingetretenen Schaden sowie Bewertung und Überprüfung des Werts des beihilfefähigen Schadens auf der Ebene des einzelnen Begünstigten. Die deutschen Behörden haben zugesichert, dass Einkommensverluste nur im Einklang mit der Rahmenregelung ausgeglichen werden (Beihilfefall N 568/2008). Darüber hinaus werden etwaige beispielsweise im Rahmen von bestehenden Versicherungen zu leistende Zahlungen vom Beihilfebetrag abgezogen.

5 (33) Aufgrund der obigen Erwägungen wird festgestellt, dass die notifizierte Beihilfe die Voraussetzungen nach Kapitel V.B.2 der Rahmenregelung erfüllt.

4. FAZIT

(34) Da die Maßnahme mit Kapitel V.B.2 der Rahmenreglung in Einklang steht, kann sie nach Artikel 107 Absatz 2 Buchstabe b AEUV als vereinbar mit dem Binnenmarkt angesehen werden. Die Kommission hat daher beschlossen, gegen die notifizierte Maßnahme keine Einwände zu erheben.

(35) Falls dieses Schreiben vertrauliche Angaben enthält, die nicht offengelegt werden sollen, werden Sie gebeten, die Kommission hiervon innerhalb von fünfzehn Arbeitstagen nach dessen Eingang unter Angabe von Gründen in Kenntnis zu setzen. Erhält die Kommission innerhalb der vorerwähnten Frist keinen derart begründeten Antrag, so geht sie davon aus, dass Sie mit der Veröffentlichung des vollständigen Wortlauts dieses Schreibens in der verbindlichen Sprachfassung auf der Internet-Seite http://ec.europa.eu/eu_law/state_aids/state_aids_texts_de.htm und der Weitergabe an Dritte einverstanden sind.

Der Antrag ist per Einschreiben oder Telefax an folgende Anschrift zu richten:

Europäische Kommission Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung Direktion M.2 Büro: Loi 130 /140 B-1049 Brüssel Fax-Nr.: +32 229-67672

Mit vorzüglicher Hochachtung Für die Kommission

Dacian CIOLOŞ Mitglied der Kommission

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