Bruder Nixnutz
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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Tandem Genie und Leichtigkeit Paul McCartney – Porträt eines umtriebigen Multitalents Von Christiane Rebmann Sprecher: Hardy Faisst Sendung: Donnerstag, 7. September 2017, 19.20 Uhr Wiederholung aus dem Jahr 2012 Redaktion: Bettina Stender Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Tandem können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/tandem.xml Mitschnitte aller Sendungen der Redaktion SWR2 Tandem sind auf CD erhältlich beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden zum Preis von 12,50 Euro. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Bestellungen per E-Mail: [email protected] Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? 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Genie und Leichtigkeit – Portrait eines umtriebigen Multitalents. Eine Sendung von und mit Christiane Rebmann Wings / Silly Love Songs Für seine Anhänger ist er ein Genie. Die Kritiker jedoch warfen ihm gern vor, er schreibe belanglose Songs mit einfachen Melodien. In den zahlreichen Gesprächen, die ich mit Paul McCartney im Laufe der Jahre geführt habe, hat er sich oft ungefragt verteidigt. O-Ton Die Kritiker griffen mich vor allem an, weil ich für ihren Geschmack zu viele Liebeslieder schrieb. Sie fanden das total albern und zu sentimental. Aber ich dachte: Die Leute verlieben sich nun mal, sie heiraten und bekommen Babies. Und irgendwie scheinen sie das in Ordnung zu finden. Und ich stellte die Frage: Was kann an einem Liebeslied falsch sein? Der Song „Silly Love Songs“ wurde dann ja auch ein großer Hit. Also muss ja wohl auch er den Leuten gefallen haben. Aber die Kritiker haben mich ja eh immer gern niedergemetzelt. Sie dachten: Der Junge ist so schrecklich ehrlich. Das ist einfach zu kitschig, zu romantisch. Aber mir hat es nie was ausgemacht, kitschig zu sein. Es gibt viele Lieder, die man als zu romantisch bewerten könnte. „Cheek to Cheek“ von Fred Astaire ist auch extrem romantisch, es ist ein altmodischer Song, und ich liebe ihn. Fred Astaire / Cheek to cheek Paul McCartney kam am 18.Juni 1942 in Liverpool zur Welt. Seine Mutter brachte als Hebamme den größten Teil des Familieneinkommens nachhause. Als Paul 14 war, starb sie an den Folgen einer Brustkrebsoperation. Diese Tatsache sollte ihn später mit seinem Beatles Kollegen John Lennon verbinden. Auch er hatte früh seine Mutter verloren. McCartneys Vater hatte in den 20er Jahren die Jim Mac‘s Jazzband geleitet, er war Trompeter und Pianist. Von ihm bekam Paul sein erstes Instrument, eine Trompete, geschenkt, die er später gegen eine Gitarre eintauschte. 1957 nahm ihn John Lennon in die Band The Quarrymen auf, aus der drei Jahre später die Beatles hervorgingen. Es folgte eine sehr erfolgreiche Zeit mit der Band, die die Musikgeschichte des letzten Jahrhunderts maßgeblich beeinflusste. Anfangs verlief alles in sehr geordneten Bahnen, erinnert sich Paul McCartney. 2 O-Ton Damals hat man uns genau vorgeschrieben: wie wir unsere Platten zu machen hatten. Da hieß es: „Ihr seid am Montagmorgen um zehn Uhr hier. Dann habt ihr eine halbe Stunde Zeit zum Stimmen und um eure Verstärker in Gang zu setzen, eine Zigarette zu rauchen oder eine Tasse Tee zu trinken. Aber um 10 Uhr 30 müsst ihr bereit sein. Dann nehmt ihr den ersten Song auf. Man erwartete von uns, dass wir in den drei Stunden von 10.30 bis 13.30 zwei Songs aufnahmen. Und dann ging es eine Stunde zum Essen. Und dann nahm man in den drei Stunden von 14 Uhr 30 bis 17 Uhr 30 die nächsten beiden Songs auf. Und danach ging‘s nachhause. Abends wurde nicht gearbeitet. Wenn ich an die Zeit zurückdenke, habe ich positive Erinnerungen. Es war gut. Es war schnell. Wir hatten gar keine Zeit, Fehler zu machen. Oder zu denken: „meine Güte, ich habe die Nase voll. Ich will später weitermachen.“ Dafür war gar keine Zeit. Es gab auch keine Egoprobleme. Am Anfang mag es wenig Egoprobleme gegeben haben. Gegen Ende der Beatles Ära hatten sie sich so verfestigt, dass die Fab Four das Handtuch warfen Beatles / Yesterday Fünf Jahre nach dem Erscheinen des Hits „Yesterday“, den Paul McCartney für die Beatles schrieb und der mittlerweile über 2000 mal gecovert wurde, trennte sich die Band. Die meisten Fans und auch viele Kritiker schoben McCartney die Schuld dafür in die Schuhe. Kaum jemand wusste damals, dass in Wirklichkeit John Lennon den Startschuss für das Ende der Beatles gegeben hatte. McCartney hatte 1969 die US Fotografin Linda Eastman geheiratet. Sie half ihm, über die Trennung der Band wegzukommen. Und sie war auch bei den Aufnahmen seiner nächsten Alben dabei. Zum Beispiel bei der Arbeit an seinem zweiten Solowerk „RAM“, das 1971 erschien und 2012 in einer Remastered Version veröffentlicht wurde. Das Album wurde zwar von seinen Beatles Kollegen John Lennon und Ringo Starr vernichtend kritisiert, doch es erschloss McCartney den Zugang zu neuen Anhängern. „RAM“ gilt auch heute noch unter jungen Musikern als Meisterwerk. So schätzt die junge US Band Fun. die virtuosen Kompositionen: O-Ton Fun Ich lernte Songschreiben, indem ich immer wieder zu den Songs des Albums mitsang, erzählt Nate Ruess, der Sänger der Band. Uncle Albert/Admiral Halsey Aus dem Soloprojekt Paul McCartney wurde die Band Wings, deren Kern aus einem Trio bestand. Dass der Ex Beatle seine musikalisch nicht besonders versierte Ehefrau mit ins Studio und auf die Bühne nahm, brachte ihm Spott ein. Bänder mit der schräg klingenden isolierten Gesangsspur ihres Parts machten die Runde. Die US-Amerikanerin, die aus einer reichen Rechtsanwaltsfamilie stammte, hatte erfolgreich als Fotografin gearbeitet. Als Musikerin hatte sie keine Erfahrung. Aber McCartney verteidigte ihren Einsatz auch später immer wieder. 3 O-Ton Viele fragten sich: Was will diese Frau da oben auf der Bühne. Aber ich sagte: Sie ist meine Freundin und meine Ehefrau und mein Kumpel. Sie war einfach ein sehr wichtiger Bestandteil der Band. Sie war eine der ersten Frauen, die in einer Band auftraten, inzwischen ist das ja nichts Ungewöhnliches mehr. Sie war immerhin die erste Fotografin, die für den Rolling Stone arbeitete. Sie ebnete in New York Fotografinnen wie Annie Leibowitz und Diane Arbus den Weg. Frauen wie Annie Lennox und Allannah von den Thompson Twins haben später gesagt: Ich sah Linda da auf der Bühne und dachte: „Wunderbar, Es ist okay, als Frau in einer Band aufzutreten. Bis zu dem Zeitpunkt hatte es zwar viele Solosängerinnen gegeben, aber nicht sehr viele Frauen in Bands. 1971 provozierte McCartney mit dem Song „Give ireland back to the irish“ aus dem ersten Wings album „Wild life“. O-Ton Den Song „Give Ireland Back To The Irish“ schrieb ich, weil es der erste politische Augenblick in meinem Leben war, den ich als solchen bewusst erlebte. 1972, als die britische Armee in Londonderry 13 katholische Zivilisten tötete. Die britische Armee hatte davor sicher auch schon eine Menge Unfug getrieben. Aber ich hatte es nicht so wahrgenommen. Dies hier passierte quasi vor unserer Haustür. Ich bin ja ein Liverpool Ire. Meine Familie kommt ursprünglich aus Irland. Meine Mutter war mit elf nach Liverpool gezogen. Wenn man in Liverpool aufwuchs, mochte man die Iren. Das war selbstverständlich. Wir haben oft gewitzelt: Liverpool ist die Hauptstadt von Irland. Und als das mit dem Bloody Sunday geschah, hat mich das schockiert. Und es hat Millionen weitere Menschen schockiert. Damals schoss mir dieser Satz durch den Kopf: Gebt Irland zurück an die Iren. Was ja leider so noch immer nicht passiert ist. Ich halte es deshalb immer noch für wichtig, diesen Song zu singen. Give Ireland Back to the Irish O-Ton Der Chef meiner Plattenfirma warnte mich damals: „Du solltest den Song nicht veröffentlichen“. Und ich sagte: „Das ist aber sehr wichtig für mich.“ Wir brachten den Song raus. Er kam auf den Index. Die BBC durfte ihn nicht spielen. Die Moderatoren durften nicht mal den Titel erwähnen. So was Blödsinniges! Es hat schon eine gewisse Ironie, dass das Lied dann in Irland und Spanien auf Platz Eins der Charts landete. Wahrscheinlich haben die Separatisten ganze Arbeit geleistet und das Lager leer gekauft Als McCartney die Wings gründete, war er ein reicher Mann, konnte aber wegen der Streitigkeiten mit dem ehemaligen Manager der Beatles nur über einen Teil seines Vermögens verfügen. Dieses Handicap kam ihm damals gar nicht so ungelegen. Denn er wollte sowieso zurück zum einfachen Leben. Er bezog mit Linda und deren Tochter aus erster Ehe einen zerfallenen Bauernhof in Schottland. Und für die erste Wings Tour packte er später die mittlerweile drei Kinder, die Musiker und die Instrumente in den Tourbus und klapperte spontan die Uni-Städte ab. Einer der Roadies klopfte irgendwo bei der Verwaltung an die Tür und fragte: „Ich habe Paul McCartney und die Wings im Auto. Dürfen wir auftreten?“ erzählt er, „meistens dachte der Mann, der Roadie wäre ein 4 Irrer.