Corona Magazine #354 (7/2020)

Verlag in Farbe und Bunt Beschreibung & Impressum

Das Corona Magazine ist ein traditionsreiches und nicht- kommerzielles Online-Projekt, das seit 1997 die Freunde von Science-Fiction, Phantastik, Wissenschaft, Kunst und guter Unterhaltung mit Informationen und Hintergründen, Analysen und Kommentaren versorgt. Seit dem Wechsel zum Verlag in Farbe und Bunt erscheint es im zeitgemäßen E-Book-Gewand.

Autoren Uwe Anton, Reiner Krauss (Wisser), Bettina Petrik, Thorsten Walch, Reinhard Prahl, Alexandra Trinley, Oliver Koch, Andreas Dannhauer, Lieven L. Litaer, Birgit Schwenger, Sven Wedekin, Kai Melhorn, Armin Rößler, C. R. Schmidt, Bernd Perplies, Hermann Ritter, Carsten Schmitt, Hartmut T. Klages, Frank Stein, Bastian Ludwig, Peter R. Krüger, Jacqueline Mayerhofer, Lujayne Sealya, Eric Zerm, Ansgar Imme, Jens Krohnen, Michael Kleu, R. J. DeWinter, Tim de Sade, R. M. Amerein, Michael Wilhelm, Pia Fauerbach, Marco Golüke & Brandon Q. Morris

Herausgeber & Chefredakteur Der Verleger, Medienjournalist & Autor Björn Sülter schreibt Romane (Beyond Berlin, Ein Fall für die Patchwork Kids), Biographien (Hallo, Herr Kaiser! Das Leben ist wilder, als man denkt) & preisgekrönte Sachbücher (Es lebe Star Trek, Die Star-Trek-Chronik), ist Headwriter und Experte für

2 SYFY und mit Kolumnen und Artikeln bei Quotenmeter, Serienjunkies, in der GEEK! oder im FedCon Insider ver- treten. Dazu präsentiert er seine beliebten Podcasts Planet Trek fm und Der dreiköpfige Affe, ist Herausgeber und Chefredak- teur des Printmagazins TV-Klassiker und als Hörbuchspre- cher (Der Earl von Gaudibert, Dunkle Begegnungen, Star Trek - The Next Generation: Q sind herzlich ausgeladen) und Moderator aktiv. Er lebt mit Frau, Tochter, Pferden, Hunden & Katze auf einem Bauernhof irgendwo im Nirgendwo Schleswig-Holsteins.

Ausgabe #354, Juli 2020

3 1. Auflage, 2020 ISBN 978-3-95936-239-9 © Juli 2020 / Alle Rechte vorbehalten. in Farbe und Bunt Verlag Björn Sülter Am Bokholt 9 | 24251 Osdorf www.ifub-verlag.de / www.ifubshop.com

Herausgeber & Chefredakteur | Björn Sülter E-Book-Satz | EM Cedes & Reiner Krauss Lektorat | Bettina Petrik, Telma Vahey & René Spreer Cover | EM Cedes Cover-Foto | Unsplash.com

Corona Webseite | www.corona-magazine.de Kontakt | [email protected]

Weitere Kontaktmöglichkeiten/Webseiten [email protected] http://www.ifub-verlag.de/ https://www.ifubshop.com/

Nachdruck und Vervielfältigung, auch einzelner Artikel oder Auszüge, ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages gestattet. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Zeichnungen kann keine Gewährleistung übernommen werden. Namentlich gekennzeichnete Beitrage geben nur

4 die Meinung des Verfassers wieder und stimmen nicht zwangsläufig mit den Ansichten der Redaktion und des Herausgebers überein.

5 Editorial: Overkill-Alarm?

Liebe Leserinnen und Leser, einen Monat später als eigentlich geplant erscheint nun endlich das neue Corona Magazine; als ehrenamtlich geführtes Projekt können wir leider auf Ausfälle nicht so schnell reagieren wie wir uns das wünschen würden. Daher freuen wir uns immer über Neuzugänge in der Redaktion, im Lektorat oder beim Satz. Bei Interesse kontaktieren Sie uns gerne. Wir freuen uns auf Sie! Dafür haben wir aber mit fast 350 Seiten erneut ein span- nendes, vielfältiges Magazin für Sie gezaubert, das mit 6 dem Bereich Blue Box jetzt sogar Doctor-Who-Fans zu ihrem Recht kommen lässt! Sie meinen, das sei Overkill? Mitnich- ten. Unsere Redaktion deckt derart viele Themenbereiche ab, dass der Umfang kein Wunder und absolut berechtigt ist. Overkill findet eher anderswo statt: Das Star-Wars-Fran- chise hat mit Solo und dem unter den Erwartungen gelaufe- nen Abschluss der Skywalker-Saga bereits einen veritablen Schuss vor den Bug erhalten. Doch auch im anderen großen Sternenfranchise gilt es langsam, die spitzen Ohren offen zu halten. Was Alex Kurtzman und sein Team dort aktuell für die Fans vorbereiten, muss man sich einmal genauer vor Augen führen. Von 1966 bis 2005 (und somit in 39 Jahren) gab es sechs Star-Trek-Serien (wenn man die erste Zeichentrickserie mit- zählt) und zehn Kinofilme. Nach vier Jahren Pause startete dann 2009 die Rebootkinoreihe, 2017 neue TV-Abenteuer. Seitdem heißt es für die Crew der Discovery bereits »ab in die dritte Staffe« (ab 16. Oktober bei Netflix), Star Trek: Picard steuert auf das zweite Jahr in 2021 zu, Star Trek: Lower Decks nimmt in wenigen Tagen in den USA den Dienst auf (und wurde bereits für zwei Staffeln bestellt), Star Trek: Prodigy soll ab 2021 bei Nickelodeon junge Fans abholen, Star Trek: Strange New Worlds wird ab Herbst 2021 Pike, Spock und Nummer Eins auf ihren Abenteuern begleiten und die Sektion-31-Serie mit Michelle Yeoh ist ebenso wenig vom Tisch wie weitere Kinofilme. Obendrauf hat man selbst- verständlich auch schon weitere Short Treks zugesagt.

7 Zum Mitschreiben: Das wären sieben (!) neue Serienfor- mate, die innerhalb von vier (!) Jahren ihren Anfang nehmen. Irrsinn? Kalkül? Eher Letzteres. Kurtzman und Co versuchen schlicht, in allen denkbaren Spielarten Output zu liefern: Eher klassisch angehauchtes Trek (Picard und Strange New Worlds), neuartig-modernes Trek (Discovery, Sektion 31), Animation für Erwachsene (Lower Decks) und Kinder (Prodigy) sowie gänzlich neue Formate (Short Treks). Wollen wir wetten, dass auch das Konzept für eine Akade- mie-Serie für das Teenager-Publikum noch in der Schublade liegt? Ob das am Ende qualitativ ausgewogen möglich ist, das Fandom, ob der vielen verschiedenen Vorlieben der Fans, zerreißt, oder zum eingangs erwähnten Overkill und Shut- down führt, muss heute noch offenbleiben. Die aktuelle Vorstellung von 23 Wochen Star Trek in Folge bis in die erste Januarwoche hinein ist in jedem Fall span- nend und auch irgendwie elektrisierend, oder? Hoffen wir, dass der Rausch anhält und nicht (zu schnell) in den obligatorischen (und befürchteten) Kater umschlägt.

Bleiben Sie trekkig, gesund und uns gewogen!

Ihr Björn Sülter Herausgeber & Chefredakteur

8 Termine: Treffen sie uns!

Die Corona-Pandemie macht auch vor unseren Messe- plänen selbstverständlich nicht halt. Aus diesem Grund bitten wir leider an dieser Stelle um Geduld, bis neue und verbindliche Termine kommuniziert werden können.

Sollte die FedCon in diesem Jahr beispielsweise noch statt- finden, werden wir dort vertreten sein.

9 Tipps fürs Lesevergnügen

»Ich habe gar keinen eBook-Reader« ist eine häufig gehörte Aussage, wenn es darum geht warum ein phantastisch interessierter Mensch noch kein neues Corona Magazine gesehen und gelesen hat.

Beispielsweise sind Kindle Paperwhite und Tolino tolle eBook-Reader, sie können tausende von Büchern in einem schmalen, robusten Gerät mitnehmen und dank mattem eInk-Display und dezenter Hintergrundbeleuchtung sowohl in der Sonne am Strand als auch abends, ohne Taschen- lampe, im Bett lesen.

Jede Ausgabe ihres Corona Magazines kann ganz selbstver- ständlich auch auf ihrem Smartphone, iPhone oder Compu- ter geschaut und gelesen werden. Hier haben sie gar die volle Farbkraft unserer Bilder in den Beiträgen.

10 Wie das geht? Amazon-Kunden installieren sich idealer- weise die Kindle-App oder schauen im Browser selbst, genau wie beim Tolino webreader. Windows 10 Nutzer können gar ein lokales eBook ganz einfach mit dem integ- rierten Edge-Browser öffnen.

Schauen sie uns somit in Zukunft auf vielen Geräten und sagen sie es allen weiter, die noch nicht wussten wie sie uns lesen können und freuen sie sich somit auf ein Magazin von und in »Farbe und Bunt«.

Kindle-App für Windows und iOS https://www.amazon.de/kindle-dbs/fd/kcp

© Amazon

Tolino webReader https://mytolino.de/tolino-webreader-ebooks-online- lesen/

11 © myTolino

Ihr Reiner Krauss Autor und eBook-Gestaltung

12 Podcast Deep Inside

Wir machen Licht! Das Corona Magazine präsentiert mit Deep Inside einen eigenen Podcast zu all den Themen, die uns und Sie bereits seit über zwanzig Jahren interessieren. Von phantastischen Geschichten, Romanen, Sachbüchern oder Hörerlebnissen bis hin zu den Bereichen Wissenschaft, Kunst oder Popkultur deckt Gastgeber Reiner Krauss (Wisser) alle Bereiche der Phantastik mit spannenden Gästen ab.

13 Via Soundcloud: https://soundcloud.com/user-104747826

Via Anchor: https://anchor.fm/deep-inside-by-corona-magazine

Via RSS-Feed: https://rss.acast.com/deep-inside

14 Podcast Planet Trek fm

Ein weiterer Podcast, der vom Verlag in Farbe und Bunt präsentiert wird, ist seit 2017 Planet Trek fm von und mit Björn Sülter. In bisher rund 50 Ausgaben bespricht der Moderator und Gastgeber mit seinen illustren Gästen wie den Autoren und Übersetzern Christian Humberg, Mike Hillenbrand, Lieven L. Litaer oder Claudia Kern alle Themen rund um Trek, die uns Fans ohnehin im Kopf herumschwirren. Neben übergeordneten Themen gibt es auch immer fri- sche Besprechungen aktueller Serienepisoden; kritisch, humorvoll, aber immer fair.

Via Webpage: http://www.planettrekfm.de

15 Via Soundcloud: https://soundcloud.com/user-412263487

Via RSS-Feed: https://rss.acast.com/planet-trek

16 Podcast Der dreiköpfige Affe

Ebenfalls eine Produktion vom Verlag in Farbe und Bunt ist Der dreiköpfige Affe – Lebensanomalien, Nerdtum & Bana- nen von und mit Björn Sülter. Der Gastgeber empfängt in seinem neuen Personality- Podcast Gäste aus allen Lebensbereichen, um mit ihnen offen und ehrlich über das Leben, Gefühle und Geschichten zu sprechen. Im Dreiköpfigen Affen geht es darum, aufeinander zuzu- gehen, sich für seinen Gegenüber zu interessieren, einander zuzuhören, zu hinterfragen und einen gemeinsamen Nenner zu finden. Es geht um das, was uns als Gemeinschaft stark macht, was uns im Miteinander hilft. Der Podcast wird in loser Folge fortgesetzt und sich in jeder Ausgabe um ein interessantes Thema oder einen interessanten Menschen (im besten Falle um beides) drehen.

Via Webpage: http://www.affencast.de

17 Via Soundcloud: https://soundcloud.com/user-412263487

Via RSS-Feed: https://rss.acast.com/der-dreikoepfige-affe

18 Topthema Science-Fiction vs Science-Fact: Star Wars im Lichte der Realität von Reiner Krauss

Die Science-Fiction ist seit jeher eine beliebte Quelle, um den Leuten den Glauben zu vermitteln, dass »nichts unmöglich ist«. Doch selbst für Toyota war dies einst nur eine schöne Werbeaussage, die dort ihre Grenzen hatte, wo auch jene der Physik liegen. Der gemeine fähige Autofahrer weiß das genauso wie ein Sebastian Vettel.

»Möge die Macht mit dir sein!« – Ist deshalb nichts unmöglich?

Die beliebte Science-Fiction-Filmreihe Star Wars (seit 1977) bietet dem Zuseher viele großartige Ideen, deren Umsetzung deshalb so potentiell möglich klingt, weil die Drehbuch-Autoren sich auch realer physikalischer Theorien bedienen. Man vergisst dabei jedoch allzu schnell, dass dort, wo die naturgegebenen physikalischen Grenzen einsetzen, die gedanklichen Freiheiten des Autors gerade erst beginnen. Man darf deshalb nie vergessen, welchen Gegebenheiten das reale Universum gehorcht. In diesem Zusammenhang

19 stellt sich gar nicht die Frage, warum es sich so verhält, sondern höchstens, wie es sich verhält. Energie ist Energie: Sogar in Millionen von Jahren, wenn der Mensch sehr viel mehr über die Physik gelernt haben wird als heute, werden die Energieanforderungen für eine Reise quer durch die Galaxis immer noch dieselben sein; und die Energie, die benötigt wird, um die Gravitation nach dem Willen des Menschen zu verbiegen, scheint größer zu sein als alle in der Galaxis vorhandene Energie. Dies ist auch der Grund, warum die meisten Wissenschaftler es so unwahrscheinlich finden, dass die Erde jemals von Außerirdischen besucht worden ist, insbesondere von Außerirdischen mit einer hinreichend hoch entwickelten Zivilisation und Technologie. Was sollen diese denn bisher hier angestellt haben? Metallobjekte in menschlichen Körpern hinterlassen, gelegentliche Entführungen und abgedrehte Experimente – so ein großer Aufwand für ein so geringes Ergebnis? Was für den Freund der Ufologie eine plausible Erklärung scheint, ist für Physiker die am wenigsten plausible, einfach, weil das irdische Wunschdenken wesentlich geringere Anforderungen stellt als interstellare Reisen sie voraussetzen. Man könnte natürlich auch annehmen – was allerdings nicht mal die meisten Science-Fiction-Autoren tun –, es würden nicht überall die gleichen physikalischen Gesetze im Universum gelten, und andere Wesen hätten einen Weg gefunden, solch weite Strecken anderen Naturgesetzen folgend zu überwinden, oder es wäre gelungen, die 20 Gravitationskräfte aufzuheben. Doch spätestens wenn diese imaginären Außerirdischen den durch den Menschen beobachtbaren Kosmos erreicht hätten, würden die gleichen physikalischen Gesetze auch für sie gelten. Wie also das Problem lösen? Nun, Star Wars-Erfinder George Lucas beispielsweise hat den Hyperraum-Sprung für Schiffe wie den Rasenden Falken und seine Sternenzerstörer erdacht, um diese Gesetze geschickt zu umgehen. Diese Antriebsidee soll es einem erlauben, von einem Punkt zum anderen schneller als mit Lichtgeschwindigkeit zu reisen.

Der Apfel fällt vom Baum

Doch der Autor dieses Artikels will diese tollen Theorien der Science-Fiction kurz hinter sich lassen und stattdessen den einfachen Fall eines Apfels vom Baum betrachten. Dieser Apfel fällt immer auf den Boden und nicht aufwärts. Das war vor hunderten von Jahren schon so, das ist heute so und das wird in weiteren tausenden von Jahren noch so sein. Die Physik entwickelt sich nicht in revolutionären Sprüngen, die das bisherige Wissen einfach wegwischt, sondern in einer stetigen Evolution, die auf dem bis dorthin gesammelten Wissen aufbaut. Die Newtonschen Gesetze werden in Millionen von Jahren noch ebenso gelten wie heute, ganz gleich, welche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse die Zukunft auch bringt. Wenn auf der Erde ein Apfel vom Baum fällt, wird er immer nach unten fallen, selbst wenn ein solcher Apfel nicht Newton auf den Kopf 21 gefallen wäre und er deshalb nicht das Gravitationsgesetz entwickelt hätte. Das Wünschenswerte zugunsten des tatsächlichen Geschehens verwerfen – das ist die Herausforderung des aufgeschlossenen Menschen heute und in Zukunft. Darum bleibt nur, immer zwischen Science und Fiction zu unterscheiden.

© Lucasfilm Ltd./Disney

»Das größte Geschenk, das die Wissenschaft der Menschheit vermacht hat, ist meiner Meinung nach das Wissen, dass – ob es uns gefällt oder nicht – das Universum wirklich so ist, wie es ist. Manchmal ist es rätselhaft, manchmal banal. Darum sind die wirklich Aufgeschlossenen nicht jene, die sich unkritisch ein Universum zusammenbasteln, das ihren eigenen Lieblingstheorien und Wünschen entspricht.«

22 - Lawrence Krauss, Professor für Physik und Astronomie an der Case Western Reserve University, Cleveland, Ohio

Doch woher kommt der Wunsch, Fiktion mit Realität zu vermischen?

Eine gewisse Technikbegeisterung kommt gerade bei Science-Fiction-Fans sehr häufig vor. Viele Science-Fiction-Autoren sind dabei auch gerne Vorreiter von tollen Ideen, die Raumschiffe im All mit Überlichtgeschwindigkeit von Planet zu Planet reisen lassen. All diese Ideen sind geboren aus dem Wunsch, die unvorstellbaren Entfernungen des Universums schneller zu überbrücken. Doch ist das überhaupt realisierbar? Genau solche Ideen sind es, die den Menschen oft viel zu schnell dazu verleiten, zu denken, man könnte sich über nahezu alles eines Tages hinwegsetzen. Als gerne angeführter Beleg für die Allmacht der Technik und damit des scheinbar unendlichen Erfindungsreichtums des menschlichen Geists dient gerne die Luft- und Raumfahrt. Betrachtet man das Ganze aber nüchtern und emotionsfrei, erkennt man schnell: Nichts an dieser ist wirklich geheimnisvoll oder gar ein Wunder. Die Menschen lernen jedoch stetig und Stück für Stück dazu (meistens jedenfalls). Anschließend benutzen sie das neu gewonnene Wissen, die Dinge um sich herum – die es aber schon seit ewigen Zeiten gibt – für sich hilfreich (und gewinnbringend) nutzbar zu machen. 23 Nicht mehr und nicht weniger

Nur ein Beispiel: Als der Mensch erkannt hat, dass die Atmosphäre der Erde aus Gasen besteht und diese jeweils einen bestimmten Aggregatszustand von einem oder mehreren Stoffen darstellen, konnte er in Folge auch Geräte (Hilfsmittel) erdenken, die genau diese Gase für ihn nutzbar gemacht haben. Solange der Mensch davon aber noch keine Vorstellung hatte – und nur deshalb –, war dies nicht möglich. Das Wasser und die Meere der Erde sind der Lebensraum von Fischen. Diese Tiere nutzen den flüssigen Aggregatzustand von Wasser, um sich darin zu bewegen. Dazu entwickelten sie im Laufe ihrer Entstehung Flossen. Die »Flossen« von Vögeln sind deren Flügel. Nichts anderes stellt ein Flügel eines Flugzeuges dar. Ein Raumschiff, das die Atmosphäre verlässt, kann mit Flossen oder Flügeln aber schlagartig nichts mehr anfangen. Sobald es den Orbit erreicht, sind seine Flügel (wie beim Space Shuttle) im luftleeren Raum wirkungs- und nutzlos. Allein das Prinzip des Rückstoßes ermöglicht nun eine Bewegung im Raum (luftleeres, gasfreies Vakuum) – auch das musste man aber erst verstehen lernen, um es technisch umsetzen zu können.

Man darf nicht übermütig werden

24 Wie simpel Technik sein kann, zeigt sich am Beispiel der Atomenergie. Obwohl der Mensch erkannt hat, dass es möglich ist, Atome zu verschmelzen und damit Energie in Form von Wärme frei zusetzen, benutzt er dieses Wissen in Wahrheit dazu, um ganz primitiv Wasser zu Dampf zu erhitzen, um wiederum Turbinen anzutreiben und damit Strom zu erzeugen. Ob man also ein Feuerchen aus Holz, Kohle, Erdöl oder sonstigen brennbaren Elementen erzeugt, ist letztendlich egal. Wie rückständig doch ach so moderne Technik sein kann, wenn man etwas genauer hinschaut. Technische Fortschritte hat man also immer nur dann erzielt, wenn man die Gegebenheiten der Natur und des Universums ein Stück weit verstehen gelernt hat. Nun, wenn die konventionelle Wissenschaft keine Antwort bietet, kann man sich dann endlich dem Phantastischen als einer Möglichkeit des Auswegs zuwenden?

»Ja, solange das Phantastische nicht unmöglich ist!« - Lawrence Krauss

25 © Lucasfilm Ltd./Disney

Was bedeutet das alles aber nun für die »Macht«?

»Die Macht ist es, die dem Jedi seine Stärke gibt. Es ist ein Energiefeld, das alle lebenden Dinge erzeugen. Es umgibt uns, es durchdringt uns. Es hält die Galaxis zusammen.« So erklärt Obi-Wan Kenobi (Alec Guinness) im ersten Film Krieg der Sterne die Natur der Macht. In der realen Welt könnte man sich diese mystische Idee am ehesten noch in Form der derzeit unbekannten »dunklen Materie und Energie« vorstellen. Doch dabei bleibt zu beachten, dass sogenannte »dunkle Energie« nur den Platzhalter für eine Wissenslücke darstellt, die das Universum so wie es ist vervollständigt. Das reale Universum wird nie fiktive »Macht«-Fähigkeiten haben, denn diese entspringen der reinen Fantasie von Lucas, und so wird es auch immer bleiben. Schade eigentlich.

26 Weiterführende Informationen zum Thema: https://www.focus.de/familie/schule/schulbuecher-und-l ehrer-seien-schuld-professor-klagt-an-schulen-sind-vertrott elungsanstalten_id_8496720.html - Artikel zum Thema »Keine Unterscheidung zwischen Realität und Science Fiction« https://jedipedia.fandom.com/wiki/Hyperraum - Eintrag auf Jedipedia zum Hyperraum

27 Echo-Station – Die Star-Wars-Ecke

Ressortleiter Reiner Krauss

Herzlich willkommen zu dieser neuen Rubrik im Corona Magazine, die ganz in der Tradition unserer Star-Trek-Ecke Unendliche Weiten das andere große Sternenfranchise beleuchten wird. Federführend ist in diesem Bereich unser Redakteur Reiner Krauss, den Sie bereits von seinen kenntnisreichen und spannenden Wissenschaftsartikeln kennen. Wir wünschen gute Unterhaltung!

Die verrücktesten Star-Wars-Fans und ihre Ideen: X-Flügler im Garten und AT-AT vor der Haustür von Reiner Krauss

28 Die originale Star Wars-Trilogie (1977-1983) wurde einst an vielen Orten gedreht, Innenaufnahmen im Studio entstanden zumeist jedoch in England in den Elstree Studios sowie den Pinewood Studios. Das mag einer der Gründe sein, warum in Großbritannien sehr viele Menschen Star Wars-Fans geworden sind; es erklärt allerdings nicht ihre Liebe für die riesigen Dinge aus jenem Universum. Ein haushoher AT-AT-Kampfläufer (im Star Wars-Universum die Abkürzung für Allterrain-Angriffstransporter) im Vorgarten zu haben, oder einen X-Flügler (der Begriff für den T-65B-X-Flügler der Incom-Gesellschaft) in realer Größe hinter dem Haus und über den Gartenzaun fliegen zu lassen, das sind Highlights, die sich nur echte Nerds gönnen und leisten mögen.

Bilder sagen diesbezüglich weit mehr als tausend Worte, haben Sie also nachfolgend viel Spaß beim Staunen ...

29 © www.solutions4cleaning.co.uk

© www.urbanghostsmedia.com

30 © BBC

Newsdroide Von Reiner Krauss

© Lucasfilm Ltd./Disney | »Selbst ich kann ihrer Logik bisweilen nicht folgen.«

31 The Mandalorian – Zweite Staffel im Herbst 2020

Die zweite Staffel von The Mandalorian (seit 2019) wird im Oktober 2020 Premiere bei Disney+ haben, bestätigte Bob Iger, ehemaliger CEO und jetziger Vorstandsvorsitzende der The Walt Disney Company.

© Lucasfilm Ltd./Disney+

»Baby Yoda« – Das Kind des Jahres jetzt für zuhause

Es ist das Gesicht, das tausend Memes auslöste. In der The Mandalorian-Serie wird die Figur nur »das Kind« genannt, sie wurde aber auch als »Baby Yoda« weltweit berühmt. Das

32 Überraschungsdebüt des Kindes, eines mysteriösen Außerirdischen, der von Kopfgeldjägern im Auftrag imperialer Interessen verfolgt wird, erfolgte bereits in der Premierenfolge von The Mandalorian, Kapitel 1: Der Mandalorianer – und jetzt ist es endlich als offizielle vielgefragte Puppe erhältlich. Bei shopDisney (https://www.shopdisney.com) gibt es neuen weichen Plüsch, und im App Store kann man jetzt offizielle Aufkleber mit der gesamten Crew von The Mandalorian erwerben. Hasbro hat außerdem eine neue Reihe von Star Wars-Produkten mit dem Kind präsentiert, die seit Mai 2020 ausgeliefert werden können.

© Lucasfilm Ltd./Disney+

Mehr Star Wars wird kommen

33 Ein neues Star-Wars-Projekt steht wieder einmal in den Startlöchern, diesmal eines mit Taika Waititi als Regisseur. Der talentierte Neuseeländer hat sich in den letzten Jahren mit Projekten wie Thor: Tag der Entscheidung (2017), Jojo Rabbit (2019) und auch bereits mit dem Staffelfinale von The Mandalorian hervorgetan. Waititi wird nicht nur als Regisseur, sondern auch als Co-Autor tätig sein, an der Seite von Krysty Wilson-Cairns (Penny Dreadful).

© Getty Images | Comic Con

Star Wars-Darsteller John Boyega mit Mut und Meinung

Viele Rassen und Wesen bevölkern seit jeher das Star Wars-Universum. Der Schauspieler und Darsteller des Finn, John Boyega äußerte sich nun unlängst emotional wie folgt bei einer Kundgebung in London, vor tausenden Beteiligten an der Demonstration zur Bewegung Black Lives Matter, die

34 anlässlich von US-Polizeigewalt und der Tötung von George Floyd wieder verstärkt aktiv geworden ist: »Ich will, dass ihr versteht, wie schmerzhaft es ist, jeden Tag daran erinnert zu werden, dass deine Rasse nichts zählt. Wir können uns alle zusammenschließen, um dies zu einer besseren Welt zu machen. Ich spreche zu euch vom Herzen. Schaut, ich weiß nicht, ob ich danach noch Karriere machen kann.« Und wie er das kann! Tags darauf erhielt Boyega Zuspruch aus ganz Hollywood. Einige Filmemacher twitterten, dass sie in Zukunft gerne mit dem Schauspieler zusammenarbeiten wollen. Produzenten von Star Wars nannten ihren Protagonisten einen »Helden«. Und Star Wars-Legende Mark Hamill (Batman) twitterte, er sei noch nie stolzer auf Boyega gewesen.

© Lucasfilm Ltd./Disney+

Weiterführende Informationen zum Thema:

35 https://www.starwars.com/news - Offizielle Star Wars-Webseite

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37 Künstler auf die Bühne!: Cosplayer aus Star Wars und anderen Universen von Lujayne Sealya

© LS

38 Kennen Sie sie? Die faszinierende Art von Künstler aus dem Fandom, die man auf diversen Events das ganze Jahr über trifft und deren Kreationen einen auch auf den virtuellen Tummelplätzen wie Facebook oder Instagram immer wieder zum Staunen bringen? Die Autorin dieses Artikels findet, es gibt da draußen so viele talentierte Cosplayer, Propmaker, Sammler, Fotografen, Designer, Zeichner, Illustratoren, Autoren etc., die ihre Leidenschaft mit sehr viel Herzblut pflegen, und einige davon möchte sie Ihnen ab dieser Ausgabe in einer neuen Interview-Reihe des Corona Magazine vorstellen!

Anfangen möchte sie mit ihrem langjährigen Cosplay-Kollegen Martin Gogulski (Künstlername »GoGo Cosplay«). Gogulski ist ein Urgestein der Szene, denn er machte schon Cosplay, als das Ganze noch einfach folgendermaßen beschrieben wurde: »Wir ziehen uns ein Kostüm an und haben gemeinsam Spaß.« Gogulskis Kreationen sind vielfältig, wahnsinnig detailverliebt und könnten direkt aus der jeweiligen Fiktion entsprungen sein. Gogulski hat schon mehrere Kostüm-Versionen der Figuren , Deadpool, Spider-Man (sämtliche aus dem Marvel-Universum), Firestorm und Flash (beide aus dem DC Comics-Universum) realisiert, dazu einen Sandtrooper und Stormtrooper (beide aus dem Star Wars-Universum), er hat aber auch schon Spaßprojekte wie Cinderella umgesetzt.

39 Freundlicherweise hat sich Gogulski Zeit für ein Gespräch mit der Redaktion genommen.

© Thomas Kilian (Soulcatcher Photography)

Lujayne Sealya (LS): Martin, wenn man dich erlebt, erscheint es einem ja, als würde dir die Begeisterung für dein Hobby nie ausgehen. Seit wann machst du Cosplay und was gefällt dir daran?

Martin Gogulski (MG): Puh ... ich würde sagen, wirklich aktiv im Kostüm unterwegs bin ich seit 1999. Damals noch in meinem ersten Stormtrooper. Davor hatte ich zwar hier und da für den Fasching schon mal Kostüme gemacht, aber das würde ich noch nicht als »Cosplay« bezeichnen. Ich stamme ohnehin aus einer Zeit, in der hierzulande niemand diesen Begriff kannte. Wir waren einfach Fans in Kostümen.

40 Was mir daran gefällt? Gute Frage. Ich denke, es sind verschiedene Aspekte. Einerseits war ich von Kindheit ohnehin schon immer von den verschiedenen Kostümen in Fiktionen fasziniert, andererseits ist es eine prima Abwechslung von meinem Arbeitsalltag. Ich kann meine Kreativität ausleben, verschiedene neue Techniken und Materialien kennenlernen, und man trifft einfach durch das Hobby extrem viele coole Leute.

41 © Daniel Dornhöfer (Dornhoefer Photography) | FedCon 2016

LS: Was war das aufwändigste oder schwierigste Kostümteil, das du je fabriziert hast?

MG: Nicht einfach zu beantworten, da ich eigentlich keines habe, bei dem der Aufwand wirklich klein gewesen wäre. Ich würde sagen, das Schwierigste ist tatsächlich eines, das ich bis heute nicht fertiggestellt habe. Ich habe angefangen, elektrisch ausklappbare Flügel für Hawkman (ebenfalls aus den DC-Comics bekannt) zu bauen. Es funktioniert soweit auch schon alles, inklusive Fernbedienung etc., aber ich bin mit der Form der Flügel nicht ganz so zufrieden, und das ganze Gestell steht jetzt schon eine Weile im Keller.

LS: Da hört man den Perfektionisten in dir heraus. Was war denn das sonderbarste Teil, das du je für ein Kostüm organisieren oder herstellen musstest?

MG: Normalerweise würde ich sagen, alles, was ich aus Latex oder Silikon herstellen musste, fühlt sich immer irgendwie komisch an. Aber tatsächlich würde ich sagen, das sonderbarste Teil war ein Ganzkörper-Spandex-Anzug aus dem Fetisch-Bereich ... Glänzend mit leichten Schuppen. Kam nie wirklich zum Einsatz, aber damals fand ich es eine super Idee. Ich hoffe, die Bilder der Anprobe werden niemals in der Öffentlichkeit auftauchen.

42 LS: Also, ich würde die sehen wollen! Wenn du dir einen neuen Blockbuster ansiehst, hast du manchmal den Verdacht, die Kostümbildner aus der Filmproduktion denken sich, »Egal ob das funktionell ist, Hauptsache, es schaut auf der Leinwand gut aus«? Oder aber vielleicht: »Mal sehen, ob das einer nachmachen kann!«

MG: Da bin ich mir sogar sehr sicher. Ich möchte wetten, die Designer – oder das Team – denken sich absichtlich irgendwelche perfiden Kleinigkeiten aus, mit denen sie alle jene in den Wahnsinn treiben wollen, die dann diese Kostüme nachbauen.

LS: Würdest du mittels Cosplay auch einen Charakter porträtieren, der nicht deinem Wesen entspricht?

MG: Ich würde sagen, keiner der Charaktere, die ich darstelle, entsprecht wirklich meinem Wesen. Weder bin ich der heroische Pfadfinder wie Captain America, noch ein eiskalter Killer wie ein Stormtrooper oder ein durchgeknallter Irrer wie der Hobgoblin (Marvel-Universum). Bei mir ist der Reiz das Kostüm an sich. Es gibt aber Genres, zu denen ich irgendwie keinen Zugang finde und die mich dementsprechend nicht reizen. Animes gehören da zum Beispiel dazu. Damit kann ich einfach nichts anfangen. Das überlasse ich dann doch eher der jüngeren Generation.

43 © MG

LS: Du hast ja für die 501st Legion, die German Garrison, schon einmal das Amt des XO ausgeführt, sprich, du warst da der »Vize-Chef«. Und du hast auch viele weitere ehrenamtliche Tätigkeiten immer wieder einmal übernommen. Momentan investierst du sehr viel Zeit in den

44 Aufbau einer Young Avengers-Gruppe. Ganz generell bist du im Kostümbau immer für einen guten Tipp und für Ratschläge zu haben. Wieso betreibst du so viel unentgeltlichen Aufwand für andere?

MG: Ich habe keine Freunde und führe ein sehr einsames Leben, was ich so zu kompensieren versuche? Spaß ... Das kann ich nicht genau erklären. Eigentlich ist das total irre, weil ja doch einiges an Freizeit dafür drauf geht. Aber es macht mir einfach Spaß, Wissen und Erfahrungen weiterzugeben oder etwas aufzubauen, etwas zu erschaffen. Dinge in die Wege zu leiten.

LS: Hattest du schon kuriose Erlebnisse in Sachen Cosplay?

MG: Ich denke, diese kleinen What-the-fuck-Momente kennt ja jeder. In lustiger Erinnerung sind mir aber zwei Begebenheiten geblieben: 1. Eine Halloween Party vor einigen Jahren; ich stand im Stormtrooper-Kostüm auf der Straße und hab frische Luft geschnappt. Auf einmal merkte ich eine Hand an meinem – durch Plastik geschützten – Gesäß und drehte mich um. Eine ältere Dame grinste mich an, sagte noch »Knackiger Arsch ist das ja schon« und ging weiter. 2. Eine Promo-Aktion für die erste Version vom Spiel Injustice stand an. Ich stand in meinem ersten Captain-America-Kostüm wieder mal draußen auf der Straße, und ein altes Ehepaar lief vorbei. Sie meinte dann in meine Richtung: »Das ist doch dieser Spider-Man!« Okay, 45 falscher Charakter aber immerhin, richtiges Universum. Und da die Dame locker um die 70 war, fand ich es sehr toll, dass sie diese Charaktere überhaupt kennt.

© MG | Comic Con Stuttgart 2017

LS: Apropos Alter: Denkst du, die Cosplay-Szene hat sich in den letzten Jahren geändert, auch was ihre Mitglieder angeht?

MG: Hat sie, definitiv. Sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Positiv ist auf jeden Fall, dass man heute Möglichkeiten, Quellen, Materialien usw. hat, von denen man vor 20 Jahren nur träumten konnte. Auch, dass das Ganze kein merkwürdiges Nischen-Hobby mehr ist, sondern immer mehr gesellschaftliche Akzeptanz findet. Daraus resultiert allerdings auch direkt der negative Aspekt. Da das

46 Ganze immer mehr zum Mainstream wird, denken viele, dass sie dieses Hobby unbedingt nutzen müssen, um berühmt zu werden und sind dann enttäuscht, wenn sie nicht der eine von Tausend sind, der es schafft. Da fehlt irgendwie die Liebe zum Hobby, und Kostüme verkommen – teilweise – zur Massenware. Umso mehr stechen dann aber die hervor, die sich wirklich damit auseinandersetzen. Gekaufte Kostüme sind nicht automatisch schlecht, aber es gibt einen Unterschied zwischen einem Samstagnachmittag-Kauf mit zwei Mausklicks und der Arbeit von Leuten, die sich lange hinsetzen, recherchieren, vergleichen, Referenzen heranziehen usw.

LS: Gibt es Pläne für die Zukunft, die du noch unbedingt umsetzen möchtest?

MG: Bestimmt noch einige, aber ich lege mich immer nur ungern vorher exakt fest. Vieles entscheide ich spontan. Für dieses Jahr habe ich mir erst einmal nur noch ein weiteres Kostüm vorgenommen. Aber im Hinterkopf sind da schon noch so ein oder zwei andere. Man hat ja leider dieses Jahr viel Zeit zum Bauen.

LS: Ja, das stimmt leider. Aber hoffentlich sehen wir uns bald wieder auf einem Event, vielleicht im Herbst, und da bin ich gespannt, was du als nächstes zauberst!

Vielen Dank an Gogulski für das Interview!

47 Weiterführende Informationen zum Thema: https://www.facebook.com/GoGoCosplayGermany/ - Facebook-Seite Martin Gogulski https://www.instagram.com/gogocosplay_germany/ - Instagram-Seite Martin Gogulski

48 Unendliche Weiten – Die Star-Trek- Ecke

Ressortleiter Thorsten Walch

Kolumne: Utopischer als Utopie? von Thorsten Walch

Ein immer wiederkehrendes Thema in Kreisen, in denen über das Star Trek-Universum diskutiert wird, ist der sich verändernde Stil in dem Lieblings-Franchise von so vielen Corona Magazine-Lesern. Erste Anfänge unternahmen diesbezüglich bereits Star Trek: Deep Space Nine (1993–1999) und später Star Trek: 49 Enterprise (2001–2005): In diesen Serien wurde gezeigt, dass die Roddenberry’sche Zukunftswelt durchaus auch ihre Schattenseiten hat. Aber dort beschränkte man sich wenigstens auf einzelne Sektoren, außerhalb derer alles wie gehabt lief. So richtig zur Sache ging es bezüglich düsterer Handlungsstränge erst mit Star Trek: Discovery ab dem Jahr 2017. In dieser Reihe wurde eine oft zweifelhafte, mitunter schmutzige und häufig ganz und gar nicht wünschenswerte Lesart dieses Universums gezeigt, die trotz großen Anklangs vielerorts nicht wenigen Stamm-Trekkies überaus bitter aufstieß. Und Star Trek: Picard (seit 2020) setzte dem allem noch die Krone auf, tastete man in dieser Serie doch die eigentlich über viele, wenn nicht alle Zweifel erhabene friedliche und überlegene Zukunftswelt des 24. Jahrhunderts der Ära Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert (1987–1994) an. Die Sternenflotte, während der Laufzeit von letztgenannter Serie neben ihrem wissenschaftlichen Forschungsauftrag immer auch der Verfechter galaktischer Gerechtigkeit, wurde hier plötzlich als eine Versammlung von jedwedes Risiko fürchtenden Drückebergern dargestellt. Und Jean-Luc Picard (Sir Patrick Stewart) selbst war auf einmal ein bitterer alter Mann, der die Ideale seines langen Lebens verraten sah. Keine strahlende Zukunft mehr also, wie man sie sich in den 1980er- und 1990er-Jahren so gern vorgestellt hatte.

»All good things …« 50 »… must come to an end!«, hat der omnipotente Q (John de Lancie) einst Picard in der letzten TV-Episoden von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert gelehrt. Rückblickend scheint es beinahe so, als hätten die Drehbuchautoren Ronald D. Moore (Battlestar Galactica) und Brannon Braga (The Orville) damals prophetisch in die Zukunft des Franchise geblickt, als sie dem Lieblings-Pseudo-Gottwesen von so vielen diese Worte in den Mund legten. Denn während bei der seinerzeit bereits anderthalb Jahre laufenden Nachfolgeserie Deep Space Nine von Anfang an ein wesentlich dunklerer Ton vorherrschte, verfinsterte sich spätestens ab dem Film Star Trek: Der erste Kontakt (1996) auch über dem restlichen Roddenberry’schen Universum der Himmel. Der Grund dafür ist recht einfach: Der Zuschauergeschmack ist im Laufe der Zeit nicht immer der gleiche geblieben. War die Menschheit in den 1980er-Jahren trotz der nicht eben wenigen Krisen dieses Jahrzehnts noch allgemein eher hoffnungsfroh gestimmt, verlangte es einem dank des unaufhaltsam näher rückenden neuen Jahrtausends zunehmend nach Realismus auch in der Science-Fiction. Das Publikum war erwachsener geworden, nicht allein gemessen in Jahren, und das galt auch für Trekkies. Viele der oftmals recht vereinfacht erscheinenden Patentlösungen, die Captain Picard und seine Crew zur Klärung von mitunter ziemlich komplexen Problemen bereithielten, wirkten in der zunehmend moderneren Zeit 51 einfach nicht mehr realistisch genug. Konflikte lassen sich in der Realität eben nicht im Handumdrehen beilegen, weil nicht alle Beteiligten trotz aller Widrigkeiten stets vernünftig bleiben. Mit anderen Worten: Star Trek trat ab der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre in eine neue Phase ein, sowohl in seinen Kino- als auch in den TV-Inkarnationen. Nach Deep Space Nine gab es auch bei Star Trek: Raumschiff Voyager (1995–2001) immer wieder Episoden, in denen Captain und Crew eine Situation nicht für alle Parteien gleichermaßen befriedigend zu lösen vermochten. Dieser Trend setzte sich in der nachfolgenden Serie Enterprise (dem Titel von dieser wurde erst später das »Star Trek« vorangesetzt) fort. Zwar konnte Enterprise es in Sachen Düsterkeit nicht mit der im Jahr 2004 gestarteten Neuauflage von Battlestar Galactica aufnehmen, doch ging man mit Fröhlichkeit und allzu schöngefärbter Zukunftsdarstellung à la Captain James T. Kirk (William Shatner) und in den Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert-Anfängen deutlich sparsamer um.

Bereits damals wurden erste Fanstimmen laut, denen die seinerzeit neueste Serie schlicht zu pessimistisch geschrieben erschien. Schließlich sollte Star Trek doch eine durch und durch positive Zukunft schildern! Und nicht andeuten, dass man manche Probleme der Gegenwart bis ins in diesem Fall 22. Jahrhundert immer noch nicht gelöst hatte.

52 Doch: Kann man eine Utopie überhaupt noch utopischer machen, ohne dabei vollends unglaubwürdig zu werden?

Das neue Star Trek – Teil 1

So richtig groß wurde das Thema im Star Trek-Fandom allerdings erst, als die USS Discovery erstmals auf Reisen ging. Zwar hatten auch die drei Filme der Kelvin-Zeitlinie genannten Reboot-Reihe (2009-2016) für diverse Kontroversen gesorgt, doch ging es in diesen nicht vordergründig um den zunehmend düsteren Stil im Roddenberry’schen Universum. Ähnlich wie schon Enterprise zeigte auch Discovery die Zukunftswelt vor Kirks Enterprise, wenngleich schon recht früh auch die Hoffnung auf eine aller-, allererste Begegnung mit dem ikonischen Raumschiff geweckt wurde. Doch diesmal war die neue Serie nicht nur andeutungsweise düster, sondern hob den bedrückenden Ton des gesamten Franchise auf eine neue Stufe. Das 23. Jahrhundert, 10 Jahre vor dem Vertrag von Organia, der Begegnung mit Khan (Ricardo Montalbán) und vielem weiterem mehr, zeigte komplett andere Facetten als die, die man in den fünf vorherigen Serien und der Kinofilmreihe mal in höherem, mal in niedrigerem Maße gesehen hatte. Die Welt von Ex-Commander Michael Burnham (Sonequa Martin-Green), ihrer früheren Vorgesetzten Captain Georgiou (Michelle Yeoh) und ihrem neuen Kommandanten Captain Lorca (Jason Isaacs) war schmutzig, aber so richtig. 53 Eigentlich gab es so gut wie niemanden in der neuen Crew, der von Anfang an zum Hauptsympathisanten für das Publikum wurde. Burnham selbst war eine gefühlskalt wirkende Verräterin; Lorca präsentierte sich als verhaltener Despot. Der Kelpianer Saru (Doug Jones) enervierte nicht selten durch sein übertriebenes Misstrauen gegenüber so gut wie allem und jedem, was für Kadett Sylvia Tilly (Mary Wiseman) in gleichem, wenn nicht gar in höherem Maße galt, und Wissenschaftsoffizier Lt. Paul Stamets (Anthony Rapp) trug seine Arroganz recht offen zur Schau. »Das soll Star Trek sein?«, ging sodann ein Aufschrei durch die Fan-Szene. Erst im Verlauf der ersten Staffel wurden mehr und mehr charakterliche Züge der neuen Figuren offenbart, die eine zunehmende Identifikation mit ihnen erlaubten. Insbesondere Burnham, Saru, Tilly und Stamets gewannen an sympathischen Zügen, wenngleich Lorca geheimnisvoll und zurückgezogen blieb … aus gutem Grund, wie sich am Ende des ersten Jahres der neuen Serie herausstellte.

54 © CBS All Access / Netflix

Doch die gezeigte Zukunftswelt an sich, angesiedelt nur wenige Jahre vor dem bonbonfarbenen Szenario der klassischen Originalserie, blieb schmutzig. Die Klingonen waren keine rauflustigen Rabauken mehr, sondern hatten sich zu Gestalten entwickelt, die man sich mitunter auch in einem Horrorfilm vorstellen kann; einschließlich kannibalischer Verhaltensweisen. Harry Mudd (Rainn Wilson), in der später-früheren Originalserie ein augenzwinkernder und zumindest grenzwertig sympathischer Halunke, zeigte sich hier als gierig-schmieriger Gangster, der selbst für kleine persönliche Vorteile über Leichen geht. Und der Krieg gegen die Klingonen bestand nicht aus Schilderungen von Verlusten auf der Hauptbrücke des Schiffes, sondern wurde oftmals recht anschaulich gezeigt. Aus »Das soll Star Trek sein?« in Fan-Kreisen wurde nun vielfach gar ein »Star Trek ist tot!« 55 Das neue Star Trek – Teil 2

Discovery blieb auch in der zweiten Staffel umstritten, obwohl man in dieser die Machart deutlich stärker den gewohnten (Star Trek-)Strukturen anglich. Die Abenteuer der neuen Crew versprühten wieder mehr ein Gefühl von »… to boldly go …« und dem sogenannten »Sense Of Wonder«, und mit Captain Kirks Vorgänger Captain Christopher Pike (Anson Mount) als neuem Kommandanten und einem verjüngten Mister Spock (Ethan Peck) kamen altbekannte Charaktere an Bord. Dennoch entwickelte sich Discovery auch in seinem zweiten Jahr nicht zu einer neuzeitlichen »Next Generation«. Andererseits jedoch blieb den Fans immer wieder die Aussage der Macher als Trost, dass es sich bei Discovery eben um die relative Vergangenheit der Star Trek-Zukunftswelt handelt. Gut, dann gab es eben auch dunkle Zeiten, ehe es im Universum, auf der Welt und im ganzen Rest endlich besser wurde.

Doch dann kamen aufsehenerregende Gerüchte auf, die sich schon kurze Zeit später in Fakten verwandeln sollten: Star Trek-Altstar Stewart, damals auch bereits stattliche 78 Jahre alt, verkündete bekanntlich auf einer großen Fan-Veranstaltung, dass man an einer weiteren neuen Franchise-Serie mit ihm selbst in seiner ikonischen Rolle als Picard (der mittlerweile allerdings kein Captain mehr sein würde) arbeitete. Endlich, dachten sich da viele! Endlich 56 würde Star Trek also in der Form zurückkehren, in der ein Großteil der Fans das Roddenberry’sche Universum kennen- und lieben gelernt hatte. »The Over-Next Generation« stand in den Startlöchern! Es war allerdings Stewart selbst, der diese Hoffnungen bald nach ihrem ersten zarten Aufkommen zerschlug. Die neue Serie, so erzählte er in Interviews, werde abgesehen von der Hauptfigur und dem erneuten Schauplatz des 24. Jahrhunderts nichts mit der beliebten zweiten Star Trek-Serie zu tun haben. Das 24. Jahrhundert werde in einer weiterentwickelten Form geschildert werden, und Picard würde nicht mehr der Mann sein, den die Fans einst kennengelernt hatten. »Ach, so schlimm kann ‘s schon nicht sein!«, lautete der Tenor der meisten Fan-Antworten sodann. Anders, ja. Aber doch genau wie früher, oder? Spätestens am 24. Januar 2020 starb diese Hoffnung jedoch, als (nach Testvorführungen vor ausgewähltem Publikum) hierzulande die erste Episode von Picard beim Streaming-Dienst Amazon Prime zu sehen war. Nein, das war definitiv kein The Over-Next Generation, nicht einmal ein bisschen. Es war nicht einmal eine Raumschiff-Show. Es war die Geschichte eines verbitterten, altgewordenen Helden von einst, der erkennen muss, dass sich ein Großteil seines ruhmreichen Wirkens in der Vergangenheit durch veränderte galaktisch-politische Umstände in Rauch aufgelöst hatte. Dem in einer wichtigen persönlichen Mission Hilfe von denjenigen verweigert wurde, deren Fahne er jahrzehntelang stolz erhobenen 57 Hauptes getragen hatte. Und der sich in einer Zukunftswelt wiederfand, die (gar nicht so) plötzlich nicht mehr allzu viel bot, dass erstrebenswert schien. Was dann geschah, ist (nicht) geradezu vorstellbar: »Das soll Star Trek sein?«, wurde erneut geschrien.

Utopischer als Utopie?

Was genau sie denn erwartet haben, möchte der Kolumnist nun gern die vielen enttäuschten Trekkies fragen, die sich in diversen sozialen Netzwerken bitter über das neue Star Trek beklagen. Enttäuschen kann man schließlich nur jemanden, der zuvor getäuscht worden ist, und genau das hatte Stewart ja durch seine Aussagen im Vorfeld verhindern wollen. Doch wie so oft hatte man seine Worte relativiert und letztlich ignoriert und sich gesagt, dass schon Picard drin sein würde, wo Picard draufsteht. Nichts da. Die Zukunft im Star Trek-Universum hat sich verfinstert. Nichts ist mehr so, wie es einmal gewesen ist, alles hat sich zum Schlechteren verändert, das wurde bereits zu Beginn dieser Kolumne gesagt. Aber warum? Aus welchem Grund verspricht Star Trek nicht mehr die farbenfrohe Zukunftswelt, in der Probleme aller Art nur noch auf ein Minimum reduziert auftreten?

Erstens und sicherlich am wichtigsten: Star Trek, das sollte man auch und gerade als Trekkie niemals vergessen, war immer und zu allen Zeiten seines Bestehens ein Spiegel der Epoche, in der die jeweilige Serie entstand. Sei es die Zeit 58 des Kalten Krieges zwischen den Mächten des Westens und des Ostens, sei es die fortschreitende Automatisierung und der damit verbundene Segen, seien es aber auch die Nachteile, und sei es das immer wieder aufkeimende Problem von Rassismus und Faschismus oder die noch immer bestehende Rechte-Ungleichheit zwischen den Geschlechtern … All diese ganz realen Alltagsprobleme fanden stets ihre Entsprechung im Roddenberry’schen Universum, selbstverständlich verpackt in ansprechende Geschichten, die auch den nötigen Unterhaltungsaspekt beinhalteten. Kurz gesagt: Die reale heutige Welt ist alles andere als rosig. Eine Aufzählung der drängendsten aktuellen Probleme zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Kolumne soll dem Leser erspart bleiben, aber ganz gewiss handelt es sich dabei nicht um die Frage, wie man einer eventuellen außerirdischen Invasion am besten begegnen kann und sollte. Picard zeigt eine Welt, in der sich vertraute Ansichten und damit verbundene Bilder in ihr Gegenteil verkehrt haben und in der diejenigen, die in dieser Welt leben, mit den neuen Gegebenheiten fertig werden müssen. Da geht es aber auch um das Älterwerden, ein Thema, über das insgesamt nicht allzu gern und oft gesprochen wird, das aber allgegenwärtig ist. Und das sicherlich nicht wenige Trekkies inzwischen betreffen dürfte, die Picard und die Crew der USS Enterprise NCC-1701-D von Beginn ihrer Reise an begleitet haben. Und es geht um Bedrohungen, die wie aus dem Nichts auftauchen und auf Umstände 59 zurückgehen, die man vielleicht noch vor Kurzem nicht als sonderlich gefährlich wahrgenommen hat … die jedoch von einem Moment auf den anderen sehr viel präsenter sind, als jedem allgemein lieb sein sollte. Zweitens: Ist die Zukunftswelt in Picard nüchtern betrachtet wirklich so düster? Man sieht die Serie aus der Perspektive ihrer Hauptfiguren, die in eine spannende Geschichte mit deutlichen Mystery-Aspekten verwickelt sind. Die Sternenflotte als eine Institution, die die Erforschung bisher unbekannter Winkel der Galaxis vorantreibt, ist ein Stück weit von dieser Aufgabe zurückgetreten, da eine Situation der drängenderen Probleme eingetreten ist. Und natürlich sind anfangs noch unbekannte außerirdische Geheimorganisationen ebenfalls in das Ganze verstrickt. Vom Alltagsleben in dieser Zukunft bekommt man in der neuen Serie jedoch nicht viel zu sehen. Vielleicht ist das 24. Jahrhundert in Picard ja gar nicht so düster wie viele glauben, erkennen zu können? Auf der Erde und den anderen Föderationsplaneten wird dank Replikatoren und anderweitiger überlegener Technologien auch weiterhin keine Not herrschen, und auf den möglicherweise vielen armen Planeten, die noch niemand entdeckt hat, haben eventuelle Missstände auch schon vor dem Untergang des romulanischen Imperiums geherrscht und wurden insgesamt in keiner Weise dadurch beeinflusst. Wirkt die Familie Riker-Troi (beziehungsweise Troi-Riker) abgesehen von ihrer persönlichen Tragödie in irgendeiner Weise unglücklich? Ist das Leben in der Over-Next Generation-Welt, die gar keine solche ist, seit der letzten 60 Folge von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert schlechter geworden? Das darf stark angezweifelt werden. Soll heißen: Die Welt als solche hat sich nicht zum Schlechteren verändert, die Utopie selbst wurde nicht wirklich angetastet. Entwarnung an dieser Stelle an alle Schwarzseher! Drittens: Wie hätte man eine Zukunftswelt nach Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert denn anders zeigen sollen? Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert präsentierte eine mehr oder weniger perfekte Zukunft, der man bei genauer Betrachtung nichts mehr an Gutem hätte hinzufügen können. Einfach deshalb, weil bereits alles vorhanden war. Wie hätte man das aufpolieren sollen? Indem man am altgewohnten Stil festgehalten hätte? Ein kleiner Blick über den Tellerrand hinaus ist an dieser Stelle sicher angebracht: Ein solches Szenario zeigt uns die Serie The Orville (seit 2017), die (immer wieder einmal) als derzeit schärfste Konkurrenz für Star Trek genannt wird. Der Stil von Seth MacFarlanes (Futurama: Leela und die Enzyklopoden) Version einer Utopie erinnert in vielem ziemlich eindeutig an das große Vorbild Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert, was der Macher und Hauptdarsteller auch gar nicht bestreitet. Aber: The Orville ist trotz vieler ernster Untertöne recht eindeutig eine Satire (nicht zu verwechseln mit einer Parodie, die hier weniger existiert!). Denn anders kann man eine derartig poppige Zukunftswelt nicht mehr im modernen Fernsehen mit Serien wie Game of Thrones: Das Lied von Eis und Feuer 61 (2011–2019), The Walking Dead (seit 2010) und Breaking Bad (2008–2013) präsentieren. Bis heute kassiert die Serie hierfür übrigens jede Menge Schelte, und bei weitem nicht allein Lob. Hätten die Star Trek-Fans um des Stils willen eine satirisch angehauchte Serie akzeptiert? Über diese Frage möge sich jeder Trekkie seine eigenen Gedanken machen. Der Verfasser dieses Artikels jedenfalls ist froh darüber, dass bisher keine Serie produziert wurde, die sich noch fortschrittlicher gibt als es bei Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert der Fall gewesen ist, die versucht, päpstlicher als der Papst zu sein.

Die Zukunft

Das neue, düsterer gefärbte Star Trek ist ein Ergebnis des veränderten Zuschauergeschmacks, der jedoch mit verschiedensten Kritikpunkten an der Serienhandlung nicht viel zu tun hat. So eine Kritik wäre eine völlig andere Sache und wird vielleicht das Thema einer der kommenden Kolumnen sein. Die Sache mit dem veränderten Publikumsgeschmack kann man als Fan der älteren Franchise-Serien mögen oder man kann sie ablehnen. Tatsache jedoch ist, dass sich kein TV- oder Filmproduzent der Welt allein an dem Willen der Fans seiner Werke orientieren wird. Selbst bei absoluten Überfliegern in Sachen Erfolg reicht eine Fanbase allein niemals dazu aus, um eine Serie oder einen Film zu einem Erfolg zu machen, da ist immer auch die Unterstützung des 62 allgemeinen Publikums gefragt. Und aus diesem Grund sehen die neuen Serien optisch und stilistisch so aus, wie sie aussehen. Star Trek hat in all seinen Serien die Wichtigkeit der Weiterentwicklung hervorgehoben. Und wenn das Star Trek-Universum eins tut, dann ist es, sich kontinuierlich weiter zu entwickeln. Star Trek ist nicht nur eine einzelne Serie, sondern ein aus bald zehn TV-Serien und einer irgendwann sicher wieder weiterlaufenden Kinofilmreihe bestehendes Großfranchise. Man wird es auch in Zukunft nicht restlos allen Trekkie-Fraktionen recht machen können. Aber manchmal kann es schon hilfreich sein, Dinge aus einem veränderten Blickwinkel heraus zu betrachten.

Federation News von Thorsten Walch

Auch für diese Ausgabe des Corona Magazine gilt in Sachen Star Trek-News das Motto »Qualität vor Quantität«. Es gibt vergleichsweise wenige Neuigkeiten, dafür jedoch haben es einige davon wirklich in sich!

Neue Serie Star Trek: Strange New Worlds angekündigt

Mitte Mai gab die Verantwortlichen des Senders CBS All Access, offiziell bekannt, dass man eine neue Serie namens Star Trek: Strange New Worlds bestellt hätte. Die insgesamt elfte Serie des Franchise (wenn man das angekündigte 63 Spin-off zu Star Trek: Discovery [seit 2017] über die »Sektion 31« sowie die beiden Animationsserien mitrechnet) wird die Abenteuer der klassischen U.S.S. Enterprise unter dem Kommando von Captain Christopher Pike (Anson Mount) zum Thema haben. Sie soll zehn Jahre vor der Dienstübernahme von Captain James T. Kirk (William Shatner) angesiedelt sein. Eine erhebliche Rolle spielte bei dieser Entscheidung eine großangelegte Fan-Petition, die bereits im vergangenen Jahr im World Wide Web die Runde machte. Die Hauptrolle in Strange New Worlds wird erneut Mount (Marvel’s Inhumans) spielen, der diese bereits in der zweiten Staffel von Discovery verkörperte. Ihm zur Seite stehen auch diesmal Rebecca Romijn (X-Men-Filme) als seine geheimnisvolle Erste Offizierin Nummer Eins sowie Ethan Peck (In Time – Deine Zeit läuft ab) als der neue Mister Spock. Die neue Serie soll sich inhaltlich deutlicher an den Motiven des klassischen Star Trek orientieren als etwa an Discovery.

Alte und neue Gesichter im Produktionsteam von Star Trek: Strange New Worlds

Neben der Mitwirkung der schon bestens im Star Trek-Universum bekannten Persönlichkeiten Alex Kurtzman und Akiva Goldsman (der auch das Drehbuch zum Pilotfilm von Strange New Worlds nach einer gemeinsamen Idee von ihm selbst, von Kurtzman sowie von Drehbuchautorin Jenny Lumet schreiben wird) werden die beiden zusammen mit Lumet (The Mummy), Henry Alonso Myers (Chuck), Heather 64 Kadin (Sleepy Hollow), Rod Roddenberry (Mission Erde: Sie sind unter uns) sowie Trevor Roth (White Room: 02B3) auch das Produktionsteam bilden. Jonathan Frakes (bekannt als Commander William T. Riker aus Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert) wird auch bei Episoden von Strange New Worlds die Regie übernehmen, was er bei Discovery und Star Trek: Picard (seit 2020) bereits des Öfteren getan hat.

Noch kein Starttermin für Star Trek: Strange New Worlds

Einen genauen Starttermin für die genannte neue Serie gibt es bislang noch nicht, wenngleich besonders enthusiastische (Fan-) Kreise im Internet bereits von einem Serienstart im Jahr 2021 sprechen. Es steht allerdings bereits fest, dass Strange New Worlds so wie auch Discovery und Picard in den USA beim Streaming-Anbieter CBS veröffentlich werden wird. Hierzulande dürfte es sich aller Wahrscheinlichkeit nach beim ausstrahlenden Sender erneut um Netflix oder den Konkurrenten Amazon Prime handeln.

Noch kein Starttermin für Staffel 3 von Star Trek: Discovery

Bei Redaktionsschluss lag nach wie vor noch kein Starttermin für die dritte Staffel von Discovery vor. Es ist jedoch durchaus davon auszugehen, dass dieser noch in diesem Jahr liegen wird. Ausgestrahlt wird wohl sicher wieder in den USA bei CBS und hierzulande bei Netflix. 65 Dr. Culber verstärkt in seiner Funktion als Arzt in Star Trek: Discovery

Schauspieler Wilson Cruz (Pushing Daisies) ließ in einem Interview verlauten, dass der von ihm dargestellte Dr. Hugh Culber in der kommenden dritten Discovery-Staffel deutlich mehr in seiner Funktion als Bordarzt des Schiffes zu tun bekommen und seine Rolle insgesamt größer ausfallen wird als bisher. Dabei werde die Entwicklung seines Charakters, der in Staffel 2 bekanntlich sozusagen von den Toten wiederaufersteht, weiter in den Fokus der Figur rücken.

Die Rückkehr des Captain Lorca?

Jason Isaacs (Armageddon – Das jüngste Gericht) zeigte sich in einem kürzlich stattgefundenen Interview durchaus interessiert daran, in seine Rolle als Captain Gabriel Lorca in Discovery zurückzukehren. Bekanntermaßen handelte es sich bei dem Lorca der ersten Staffel um eine Person aus dem Spiegel-Universum, was die Frage nach dessen Entsprechung im normalen Universum aufwirft. Allerdings, so Isaacs, müsste eine entsprechende Geschichte interessant genug für ihn sein, damit er ein weiteres Mal die Uniform anlegt. Entsprechende Gespräche hätte es jedoch durchaus bereits gegeben.

Jonathan Frakes in Staffel 2 von Star Trek: Picard auch vor der Kamera? 66 Frakes wurde inzwischen als Regisseur für Episoden der zweiten Staffel von Picard bestätigt. In einem Interview verlieh er nun seiner Hoffnung Ausdruck, dass der von ihm dargestellte Riker in der zweiten Staffel auch mit von der Partie sein werde. Bezüglich der Rückkehr auch von anderen Charakteren aus Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert in Staffel 2 von Picard gibt es bisher lediglich Gerüchte.

Start von Staffel 2 von Star Trek: Picard im Jahr 2021?

Auch über den Starttermin der zweiten Staffel von Picard gibt es bislang lediglich Gerüchte. Diese besagen, dass es Anfang 2021 so weit sein könnte. Aufgrund der leider nach wie vor anhaltenden Coronavirus-Pandemie mussten die bereits begonnenen Dreharbeiten für Staffel 2 gestoppt werden, diese könnten jedoch demnächst eventuell fortgesetzt werden.

Star Trek: Short Treks und What We Left Behind in Deutschland noch nicht angekündigt

Die Blu-ray-Veröffentlichung der neun an Discovery anknüpfenden sogenannten Star Trek: Short Treks (die Kurzepisode Children Of Mars, die ein Prequel zu Picard darstellt, ist auf der Scheibe nicht enthalten und dürfte sich vermutlich später in den Specials der Veröffentlichung von jener Serie finden lassen) lässt hierzulande nach wie vor auf 67 sich warten. Während die Blu-ray in den USA bereits seit Anfang Juni erhältlich ist, gibt es bisher noch keine Ankündigung einer Veröffentlichung in Deutschland. Gleiches gilt für den Dokumentarfilm What We Left Behind zur Serie Star Trek: Deep Space Nine (1993–1999), der im vergangenen Jahr hierzulande nur als Sondervorstellung in verschiedenen Kinos gezeigt wurde und in den USA vor bereits fast einem Jahr auf Silberscheibe herauskam. Ob und wann diese Werke hierzulande erscheinen, steht in den sprichwörtlichen Sternen.

Brent Spiner und Ethan Peck in neuer Horror-Serie

Brent Spiner (Data in Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert und Dr. Altan Inigo Soong in Picard) sowie Peck (Spock demnächst auch in Strange New Worlds) wirken beide in der neue Horror/-Serie Penny Dreadful: City Of Angels mit. Diese ist seit diesem Jahr in den USA beim Sender Showtime und hierzulande fast zeitgleich bei Sky On Demand zu sehen. Die Serie ist ein Spin-off des erfolgreichen Vorgängers Penny Dreadful (2014-2016) und handelt von einer durch eine Dämonin angezettelte Mordserie im Los Angeles des Jahres 1938. Spiner spielt den strengen Polizeichef Ned Vanderhoff, Peck ist als Hermann Ackermann, stellvertretender Leiter des faschistischen deutsch-amerikanischen Bundes, zu sehen. Beide Figuren haben tragende Nebenrollen in der Serie.

Kirk oder nicht Kirk … 68 Ließ Altstar Shatner kürzlich noch allseits verlauten, dass er endgültig mit seiner Rolle als Captain Kirk abgeschlossen habe, äußerte er nun in einem Interview, dass er einer Rückkehr in die ikonischste Rolle seines Lebens auch im Alter von mittlerweile 89 Jahren nicht abgeneigt sei. Bei einer Serie würde er nicht mitmachen, so Shatner in dem Interview mit www.metro.co.uk. Wenn die Rolle schlecht geschrieben sein oder möglicherweise nur ein Cameo darstellen würde, in dem er sein Gesicht zeigen soll, wäre er nicht dazu bereit. Wenn die Umstände jedoch stimmen würden, sei er durchaus interessiert. Wäre es unter Umständen möglich, dass »The Shat« selbst nicht so ganz weiß, was er nun am liebsten möchte?

Die schwere Vergangenheit von George Takei

George Takei (Hikaru Sulu in der klassischen Originalserie Raumschiff Enterprise) gilt seit vielen Jahren als politisch aktiver Vorkämpfer für Menschenrechte in den USA. Sein neuester Beitrag hierzu ist die auf seinen Kindheitserinnerungen basierende Graphic Novel They Called us Enemy, die von den Autoren und Zeichnern Justin Eisinger, Steven Scott und Harmony Becker herausgebracht wurde und seit kurzem auch in deutscher Fassung beim Cross Cult-Verlag vorliegt. Erzählt wird die Geschichte des damals vierjährigen Takei, der 1942 nach dem Angriff auf Pearl Harbor mit seiner Familie und unzähligen anderen US-Amerikanern japanischer Abstammung in 69 Internierungslagern zusammengepfercht wurde, da man sie für Verbündete des Feindes gehalten hat.

Die Star Trek Chronik 1 – Star Trek Enterprise erschienen

Seit Ende Mai ist mit Die Star Trek Chronik 1 – Star Trek Enterprise der erste Teil einer neuen Sachbuchreihe im Verlag in Farbe und Bunt von Björn Sülter erschienen, in dem nach und nach alle Serien des Lieblingsuniversums von so vielen Corona Magazine-Lesern ausführlich vorgestellt werden sollen. Neben dem unter vielem anderem auch als Herausgeber des vorliegenden Magazins fungierenden Star Trek-Experten Sülter haben die Autoren Reinhard Prahl und Thorsten Walch an dem 536 Seiten starken Wälzer mitgearbeitet. Band 1 behandelt, der geplanten chronologischen Reihenfolge geschuldet, die eigentlich fünfte Star Trek-Serie Star Trek: Enterprise (2001–2005).

Kurz notiert: Kurioses aus der Welt von Star Trek von R.J. DeWinter

Wussten Sie's schon? In nachstehendem Artikel werden Sie einige Fakten zum Lieblingsfranchise von vielen Corona Magazine-Lesern erfahren, die Sie vielleicht noch nie gehört haben.

70 George R. R. Martin bei Star Trek

George R. R. Martin, der Schöpfer von Game of Thrones: Das Lied von Eis und Feuer (2011–2019), wäre beinahe in den Autorenstab von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert (1987–1994) aufgenommen worden. Er wurde beim Star Trek-Produzenten Maurice Hurley vorstellig, der ihm sagte: »Ich weiß nicht, wer Sie sind. Können Sie mir Referenzen nennen?« Martin sagte ihm daraufhin: »Ich komme gerade von der Twilight Zone, für die ich eine Zeitlang geschrieben habe. Davor habe ich Romane und Kurzgeschichten verfasst. In erster Linie bin ich ein Science-Fiction-Autor.« Hurley meinte daraufhin: »Oh, also Star Trek ist keine Science-Fiction-Serie, sondern eine Serie, in der es um die Leute geht.« Martin daraufhin bissig: »Keine Science-Fiction? Dann müssen mich die Phaser und Photonentorpedos getäuscht haben.« Wie unschwer zu erraten sein dürfte: Er bekam den Job nicht.

Amanda McBroom, die Captain Phillipa Louvois in der Folge Wem gehört Data? (1989) von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert gespielt hat, hat auch musikalisches Talent. Sie hat einen zeitlosen Klassiker komponiert: The Rose. Dieser Song war die Titelmelodie des gleichnamigen

71 Films aus dem Jahr 1979, und McBroom gewann einen »Golden Globe« dafür.

Kuriose Titel

Heute vergibt der Autor dieses Artikels zudem diverse kuriose Titel an Mitwirkende im Star Trek-Universum.

Der Titel als »körperlich größter weiblicher Star Trek-Star« etwa geht an Suzie Plakson. Sie hat mehrere Rollen gespielt, die bekannteste davon ist wohl die der Klingonin K‘Ehleyr in Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert. Mit 1,87 m war sie bisher die größte weibliche Schauspielerin im ganzen Star Trek-Universum.

Als Kontrast dazu der »kleinste männliche Star Trek-Star«: Viele denken hier sicher sofort an Michael Dunn, der die Rolle des Hofnarren Alexander in Platons Stiefkinder (1968) aus Raumschiff Enterprise (1966–1969) gespielt hat. Mit seinen 1,17 m war Dunn jedoch gut 30 cm größer als der tatsächlich kleinste männliche Star, der je in Star Trek aufgetreten ist. Es handelt sich um Angelo Rossitto, der nur 89 cm groß war. Sie können ihn im Zuschauersaal im Gericht von Q (John de Lancie) in Der Mächtige (1987) aus Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert bewundern.

Der Titel des »am frühesten geborenen Star Trek-Stars« geht wiederum an Felix Locher, der am 16. Juli 1882 72 geboren wurde. Er war Schweizer, seine Geburtsstadt war Bern. Er spielte Robert Johnson in Wie schnell die Zeit vergeht (1967) aus Raumschiff Enterprise, den Leiter der Kolonie auf Gamma Hydra IV. Der Planet gerät in einen Kometenschweif, und die Strahlung lässt die Kolonisten rapide altern. Johnson selbst verstarb mit 29 Jahren im Lazarett der Enterprise an Altersschwäche.

Ein weiterer Titel, und zwar ein ungleich traurigerer, geht an Leonard Mudie. Er war der allererste Star Trek-Star, der verstorben ist, und zwar bereits am 14. April 1965 – gut anderthalb Jahre bevor Star Trek das erste Mal über die Bildschirme flimmerte. Mudie spielte im ursprünglichen Pilotfilm Der Käfig (1988) einen der Überlebenden der SS Columbia. Generell sind viele von den Schauspielern aus Der Käfig früh gestorben. Jeffrey Hunter, der Captain Christopher Pike gespielt hat, verstarb bereits 1969, weshalb Star Trek mangels eines Captains womöglich nie im Kino gelandet wäre – zumindest hätte diese Tatsache den Kinogang schwieriger gemacht. Hunter war der achte Star Trek-Todesfall überhaupt. Schiffsarzt Phillip Boyce, gespielt von John Hoyt, verstarb 1991. Und Transporterchief Pitcairn, dargestellt von Clegg Hoyt, starb sogar schon im Jahr 1967.

Der »älteste heute noch lebende Star Trek-Star« ist Norman Lloyd, Picards Archäologieprofessor Richard Galen aus Das fehlende Fragment (1993) in Raumschiff Enterprise – Das 73 nächste Jahrhundert. Er ist heute stolze 105 Jahre alt; am 8. November wird er 106.

Weitere Trivialitäten

Nun wendet sich der Autor dieses Artikels aber spaßigeren Themen zu.

Erinnern Sie sich an die Namen der Pakleds aus Das Herz eines Captains (1989) in Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert? Diese heißen Grebnedlog (Christopher Collins) und Reginod (Leslie Morris). Fällt Ihnen hier etwas auf? Lesen Sie die Namen mal rückwärts: Goldenberg und Doniger. Drehbuchautor Robert L. McCullough (Time Trax – Zurück in die Zukunft) hieß früher mit Nachnamen Goldenberg, und sein bester Schulfreund hieß Donager. Eine interessante Methode, sich selbst und seine Freunde in einer Episode zu verewigen!

Jaylahs (Sofia Boutella) Name aus Star Trek Beyond (2016) hingegen leitet sich von der Schauspielerin Jennifer Lawrence ab. Die Drehbuchautoren waren von Lawrence' Leistung im Kinofilm Winter‘s Bone (2010) so begeistert, dass sie den Charakter kurzerhand »J-Law« nannten. Einige Überarbeitungen später wurde daraus dann Jaylah.

Admiral Maxwell Forrest (Vaughn Armstrong) aus Star Trek: Enterprise (2001–2005) war eine Hommage an DeForest Kelley, dem beliebten Darsteller des Dr. Leonard McCoy aus 74 der klassischen Serie Raumschiff Enterprise. Und sein Untergebener Commander Williams (Jim Fitzpatrick), der in vier Enterprise-Folgen zu sehen ist, wurde nach »Captain James T. Kirk« William Shatner benannt.

Diana Muldaur, deren bekannteste Star Trek-Rolle wohl die der Schiffsärztin Dr. Katherine Pulaski aus der zweiten TNG-Staffel ist, hat in Hollywood mehrere beeindruckende Positionen bekleidet. Sie war Vorstandsmitglied der Screen Actors Guild (also der Schauspieler-Gewerkschaft) und diente als Präsidentin der International Academy of Television Arts & Sciences; sie war die erste Frau, die diesen Rang innehatte. Beides spielte sich kurz vor ihren Auftritten in Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert ab.

Gaststars

Im Lauf der Zeit hatte Star Trek generell sehr interessante Gäste. Da man von den meisten dieser Gäste im Allgemeinen schon einmal gehört hat, hier einige Auftritte, die in Fankreisen vielleicht nicht ganz so sehr bekannt sind: - Carlo Ancelotti, der italienische Fußballtrainer, hatte einen Hintergrundauftritt als Arzt auf der Sternenbasis Yorktown in Star Trek Beyond. - Jeff Bezos, Gründer und Geschäftsführer von Amazon, spielte ein außerirdisches Sternenflottenmitglied, ebenfalls in Star Trek Beyond. Name der Figur: Bezos. Leider kann man ihn unter seiner Maske kaum erkennen. Bezos ist übrigens eingefleischter Star Trek-Fan. 75 - Der Rocksänger Iggy Pop hatte in Der glorreiche Ferengi (1997) aus Star Trek: Deep Space Nine (1993–1999) eine Sprechrolle als ein Vorta namens Yelgrun.

In Star Trek sind zudem drei echte Astronauten aufgetreten. Die erste Astronautin war Mae Jemison, die Lieutenant Palmer in Riker : 2 = ? (1993) aus Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert gespielt hat. Jemison war die erste farbige Amerikanerin im All gewesen. Danach kamen Michael Fincke und Terry Wayne Virts dazu, die einen Auftritt in der finalen Enterprise-Folge Dies sind die Abenteuer (2005) hatten.

Erinnern Sie sich an das todkranke kleine Mädchen Lucille Harewood in den ersten Minuten von Star Trek Into Darkness (2013)? Dieses wurde gespielt von Anjini Taneja Azhar, die dieses Erlebnis so begeistert hat, dass sie jetzt selbst in die Filmbranche einsteigen und sich als Regisseurin, Produzentin, Schauspielerin und Drehbuchautorin etablieren möchte. Sie hat bereits mehrere Kurzfilme gedreht und dafür Preise erhalten. Die Filme können Sie sich auf ihrer Website unter www.anjiniazharfilms.com anschauen.

Susan Gibney kennt man vor allem als Dr. Leah Brahms, als die sie in zwei Folgen von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert aufgetreten ist. Aber wussten Sie, dass Gibney auch für die Rolle von Captain Kathryn Janeway

76 (Kate Mulgrew) in Betracht gezogen wurde? Sie wurde mit der Begründung abgelehnt, sie wäre zu jung. Später war sie eine der finalen Kandidatinnen für die Rolle der Seven of Nine (Jeri Ryan) sowie für die Borg-Königin, aber auch da wurde sie abgelehnt.

Die Serie Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion (1966) ist ja bekannt für ihre abenteuerlichen Requisiten – aber auch die Borg hatten im Laufe der Zeit recht amüsante Gegenstände in ihren Welten verbaut. Im ersten Borg-Schiff, das der Zuschauer zu sehen bekam (in der Folge Zeitsprung mit Q [1989] aus Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert), konnte man an den Wänden 5,25″-Floppy Disketten bestaunen.

Wer erinnert sich nicht an die USS Reliant, Khan Noonien Singhs (Ricardo Montalbán) Schiff aus Star Trek II: Der Zorn des Khan (1982)? Wussten Sie, wie es zu der schnittigen Form des Schiffs mit den sich unten befindlichen Warpgondeln gekommen ist? Ursprünglich hätte die Reliant eine ältere Variante der altbekannten Constitution-Klasse werden sollen, mit leicht abgewandelter Konfiguration. Als der Erstentwurf zur Absegnung an Produzent Harve Bennett geschickt wurde, hielt er den Bogen versehentlich verkehrt herum. Ihm gefiel das Design, und er setzte sein Okay darunter. Danach haderte das Designteam mit sich, ob man Bennett den Entwurf nochmal zuschicken sollte oder nicht, aber da die Zeit so knapp war, behielt man letzten Endes die verdrehte Form bei. 77 Der Rest ist Geschichte.

Wer den elften Kinofilm namens Star Trek (2009) auf Englisch sieht, dem kommt eine Stimme auf Neros (Eric Bana) Schiff sicher sehr bekannt vor. Jeder bekämpft sich, alles Mögliche explodiert, und plötzlich hört man eine wohlbekannte Stimme aus dem Off – es ist Wil Wheaton (Wesley Crusher in Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert), der da spricht! Und er spricht gleich mehrere von Neros Besatzungsmitgliedern. Ein netter Auftritt, aber extrem ablenkend, wenn man seine Stimme gut kennt.

Die Vasquez Rocks sind eine berühmte Felsformation in den Sierra Pelona Mountains in der Nähe von Los Angeles. Sie sind in zahllosen Serien und Filmen zu sehen, und sehr oft auch in Star Trek. Hier kämpfte Captain Kirk gegen einen Gorn, hier wurden Szenen aus Star Trek: Treffen der Generationen (1994) gedreht, hier wohnte Raffi Musiker (Michelle Hurd) in ihrem Wohnwagen in der Serie Star Trek: Picard (seit 2020), und vieles mehr! Was nicht ganz so bekannt ist: Auch die Stadt auf dem Planeten Vulkan, die man im elften Kinofilm Star Trek sieht, ist an den Vasquez Rocks festgemacht, die man zusätzlich auch nochmal im Hintergrund sieht.

Erinnern Sie sich an die verspielte Titelmelodie von Picard? Und erinnern Sie sich an die Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert-Folge Das zweite Leben (1992)? In dieser spielt Kamins (Patrick Stewart) Sohn Batai (Daniel 78 Stewart) auf der Flöte, kurz bevor Kamin ihn besorgt nach draußen ruft, weil er erfahren hat, dass Batai die Schule aufgeben will. Die Melodie, die Batai spielt, bildet die ersten Töne der Titelmelodie von Picard. Eine sehr liebenswerte Hommage.

Weitere Kuriositäten

Abschließend noch fünf Science-Fiction-Kuriositäten aus der echten Welt:

Der Mars-Mond Deimos hat eine Fluchtgeschwindigkeit von nur 5,2 m/s. Wenn Sie dort Anlauf nehmen und hochspringen, könnten Sie versehentlich ins All davonfliegen.

Weil in der Erdumlaufbahn Schwerelosigkeit herrscht, merken Astronauten nicht, wenn ihre Blase voll ist. Dies hat früher zu unangenehmen Situationen geführt – heute gehen Astronauten pünktlich alle zwei Stunden auf die Toilette.

Für die Vulkanier unter Ihnen: Wird das Migräne-Medikament Sumatriptan hochdosiert eingenommen, kann sich das Blut dunkelgrün verfärben. Durch das Medikament kommt es zu einer so genannten Sulfhämoglobinämie, was im Grunde bedeutet, dass sich das Hämoglobin mit Schwefel vermischt. Keinesfalls nachmachen!

79 Der Stern Alpha Delphini trägt den Namen Sualocin, der Stern Beta Delphini den Namen Rotanev. Sind diese Namen nicht seltsam? Liest man sie rückwärts, kommt »Nicolaus Venator« heraus. Übersetzt auf Deutsch heißt das »Nikolaus Jäger«. Und auf Italienisch? »Niccolò Cacciatore« – der italienische Astronom, der den beiden Sternen (vermutlich augenzwinkernd) diese Namen gab.

Astronomen können generell durchaus exzentrisch sein. Der Astronom Tycho Brahe sticht hier besonders hervor. Zum Beispiel hatte er einen »hellseherischen« Zwerg, der zu seinen Füßen saß und die Zukunft weissagte, während Brahe speiste. Er hielt sich auch einen Elch als Haustier – dieser stieg eines Tages die Treppe hinauf, entdeckte oben ein Fass mit Alkohol, trank sich halb besinnungslos und stürzte danach die Treppe hinab, woran er leider verstarb. Besonders bekannt ist Brahes eigener Tod: Bei einem Festmahl am Hofe von Kaiser Rudolf II. trank er so viel, dass er ein Problem mit seiner Blase bekam. Aber laut der Hofetikette durften die Gäste erst aufstehen, wenn der Gastgeber die Tafel verließ, also blieb Brahe sitzen. Als er dann endlich durfte, konnte er nicht mehr. Fünf Tage später starb er – seine Blase war gerissen; er starb an einer inneren Vergiftung.

80 Lieblingsfolgen – Teil 6 Auch in dieser Ausgabe stellt Ihnen wieder einer der Redakteure des Corona Magazine seine Lieblings Star Trek-Episode vor.

Who Watches the Watchers (Der Gott der Mintakaner) aus Star Trek: The Next Generation von Sven Wedekin

Worum geht es?

Die Enterprise empfängt einen Notruf der antropologischen Forschungsstation auf dem Planeten Mintaka III. Diese ist einst von der Föderation eingerichtet worden, um die Bewohner des Planeten, die sich auf den technischen Stand der Bronzezeit befinden, zu beobachten. Hierzu verfügt die Station über eine Tarnvorrichtung, damit sie von den Mintakanern nicht entdeckt werden kann. Nachdem diese jedoch in Folge einer Explosion ausgefallen ist, wurde einer der Forscher aus der Station geschleudert und von dem Mintakaner Liko (Ray Wise) und dessen Tochter (Pamela Segall) aufgefunden. Als die Enterprise am Ort des Geschehens eintrifft und ein Außenteam auf die Oberfläche beamt, um dem bewusstlosen Crewmitglied zu helfen, stürzt Liko vor Schreck von einem Felsvorsprung, als er sieht, wie die

81 Fremden scheinbar wie aus dem Nichts erscheinen, und wird dabei schwer verletzt. Dr. Beverly Crusher (Gates McFadden) lässt Liko daraufhin unter Missachtung der Obersten Direktive auf die Krankenstation der Enterprise beamen, um seine Wunden zu versorgen. Während der Behandlung wird dieser kurz wach und sieht Captain Jean-Luc Picard (Sir Patrick Stewart), als dieser sich mit Crusher darüber berät, wie man Likos Gedächtnis löschen kann, damit er sich nicht mehr an seinen Aufenthalt auf der Enterprise erinnert. Doch nachdem man Liko zurück in sein Heimatdorf gebracht hat, stellt sich heraus, dass die Löschung nicht erfolgreich war: Er kann sich an alles erinnern und glaubt, dass es sich bei Picard um ein göttliches Wesen handelt, das ihm mit Hilfe eines Wunders das Leben gerettet hat. Liko versucht die Bewohner seines Dorfes – die schon vor langer Zeit den Glauben an Götter verloren haben – davon zu überzeugen, dass »der Picard« wirklich existiert und sie sich seinem Willen beugen müssen. Um zu verhindern, dass die Mintakaner anfangen, ihn als einen Gott anzubeten, beschließt Picard, Nuria (Kathryn Leigh Scott) – die Anführerin von Likos Dorf – auf die Enterprise zu holen, um ihr klarzumachen, dass auch er nur ein normales sterbliches Wesen ist, das den Tod nicht zu besiegen vermag.

Die Kehrseiten des Glaubens

82 Star Trek (seit 1966) und die Religion, das war schon immer ein recht heikles Thema. Es ist ja bereits hinlänglich bekannt, dass Gene Roddenberry jeden direkten Kommentar zu spirituellen Fragestellungen in seiner Serie vermeiden wollte. Anders als etwa Star Wars (seit 1977) besitzt Star Trek keinerlei mythischen Elemente, vor allem da Roddenberry selbst kein besonders religiöser Mensch war. Wenn es doch einmal eine Episode gab, die sich mit entsprechenden Themen auseinandersetzte, dann waren diese stets religionskritisch, und zwar egal, in welcher der vielen TV-Inkarnationen des Franchise dies der Fall war. Die Episode Der Gott der Mintakaner aus der dritten Staffel von Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert (1987–1994) macht da keine Ausnahme. Der Glaube an die Existenz göttlicher Mächte wird hier ganz klar als Folge einer primitiven Sicht der Welt dargestellt, die die Frauen und Männer der Sternenflotte längst hinter sich gelassen haben, während hingegen die Mintakaner auf ihren Entwicklungsstand noch für den Glauben an übernatürliche Wesen, die über ihr Schicksal bestimmen, empfänglich sind. Wie Picard im Gespräch mit Nuria jedoch unmissverständlich deutlich macht, werden die Mintakaner höchstwahrscheinlich irgendwann selbst ins All reisen und jene Technologien entwickeln, die ihnen im Moment noch so phantastisch und wundersam erscheinen. Doch wird dies eben auch den Verlust des Glaubens an Götter mit sich bringen. Die Episode lässt keinen Zweifel an den vielen negativen Aspekten, den der Glaube an eine willkürliche, allmächtige 83 Gottheit mit sich bringt, vor allem die Angst vor Strafe, wenn Gläubige sich gegen deren Willen stellen oder gar anfangen, an ihrer Existenz zu zweifeln. Wie man es von Star Trek kennt, zeigt die Folge auf, dass in allen denkenden Wesen im Universum das Potential schlummert, über sich selbst hinauszuwachsen und das All mit seinen Wundern und Geheimnissen zu erforschen. Dass dieser Vorgang auch mit den Tod von Religion einhergeht, ist eine Botschaft der Episode, die für manch frommen Zuschauer wahrscheinlich schwer zu verdauen sein wird. Aber es ist unbestreitbar, dass der Fortschritt der Wissenschaften in der Geschichte der Menschheit immer mehr dafür gesorgt hat, dass die klassischen Religionen an Einfluss verloren haben, da vieles, was man über das Universum herausgefunden hat, in krassem Widerspruch zu den Inhalten der heiligen Schriften der großen Weltreligionen steht. Doch Der Gott der Mintakaner stellt dieses Loslösen von althergebrachten Glaubenssystemen als einen Akt der Befreiung dar. Er ermöglicht es den Mintakanern erst, ihre Fähigkeiten zu erkennen und zu begreifen, dass auch sie eines Tages in der Lage sein werden, ihren Planeten zu verlassen. Sie haben damit denselben Weg vor sich, den die Menschen bereits gegangen sind und dadurch die utopische Gesellschaft aufgebaut haben, wie man sie in den verschiedenen Versionen von Star Trek sieht. Die Episode zeigt mit einer seltenen Deutlichkeit auf, dass die Abschaffung der Religion ein wichtiger Baustein auf dem Weg hin zu einer solchen Gesellschaft ist.

84 Daher ist diese Episode Star Trek in Reinkultur: Sie stellt eine Analogie auf die reale Welt dar und beschäftigt sich allegorisch mit einem Problem, das gerade in der heutigen Zeit von brennender Aktualität ist. Die Geschichte lehrt, dass religiöser Fundamentalismus in jeglicher Form schon immer ein Hindernis für den kulturellen und wissenschaftlichen Fortschritt der Menschheit darstellte. Insofern beweist die Folge einmal mehr, dass Star Trek eben mehr ist als bloßes Entertainment. In ihren besten Momenten hat das Franchise in der Tat eine erzieherische Funktion, indem es gerade auch jüngere Zuschauer für komplexe gesellschaftliche, soziale und politische Themen sensibilisiert.

Auf den Weg in eine bessere Zukunft(?)

Dies lässt sich auch daraus ablesen, dass sich Der Gott der Mintakaner einmal mehr mit der Problematik der Obersten Direktive auseinandersetzt. Dieses Handlungselement ist zwar seit den Tagen der Originalserie Raumschiff Enterprise (1966–1969) immer wieder einmal eingesetzt worden – tatsächlich sogar so oft, dass es manchen Fans vielleicht schon zum Halse heraushängt –, jedoch entfaltet es in dieser Folge sein ganzes dramatisches Potential, denn es zeigt, was für wahrlich weltbewegende Konsequenzen es haben kann, wenn sich die Sternenflotte mit ihrer überlegenen Technologie in die Angelegenheiten primitiverer Völker einmischt. Man kann gar nicht oft genug betonen, wie groß die 85 Verantwortung ist, die die Sternenflotte hat, wenn sie im Namen der Wissenschaft den Kontakt mit fremden Zivilisationen sucht. Da Verantwortungsbewusstsein eine Eigenschaft ist, die den Mächtigen der realen Welt in zunehmendem Maße abhanden zu kommen scheint, ist es umso wichtiger, dass auch fiktionale Formate wie Star Trek verdeutlichen, wie wichtig es ist, sich der Verantwortung zu stellen, die das Erlangen von Macht durch den wissenschaftlichen Fortschritt mit sich bringt. Die Menschen des 24. Jahrhunderts haben diese Lektion gelernt, und es bleibt zu hoffen, dass dies auch den Mintakanern gelingt. Vor allem jedoch ist es den Menschen des 21. Jahrhunderts zu wünschen, dass es ihnen gelingt, die Ketten, in die Aberglaube und Fundamentalismus sie gelegt haben, zu sprengen und für die Kinder eine Zukunft zu erschaffen, in denen man das Leben und die Neugierde auf die Welt jenseits des Himmels als die wichtigsten Werte betrachtet, die man hat.

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88 Die Stars aus Star Trek in anderen Rollen: Teil 47: David Ajala von Thorsten Walch

Erstmals soll es diesmal in dieser Kolumne nicht um einen bereits aus einer der Star Trek-Serien bekannten Darsteller gehen, sondern um einen aus einer noch kommenden. Der gebürtige Brite David Ajala wird in der kommenden dritten Staffel von Star Trek: Discovery (seit 2017) die Besetzung als Cleveland »Book« Booker ergänzen. Booker ist ein Mann aus dem 31. Jahrhundert des Star Trek-Universums, in das es das titelgebende Raumschiff am Ende der zweiten Serienstaffel bekanntlich verschlagen hat. Abgesehen von dem Namen der Figur, die Ajala darstellen wird, ist bisher nichts weiter über sie bekannt. Die bisher veröffentlichten Bilder und der Teaser zu Staffel 3 lassen jedoch darauf schließen, dass es sich bei Book um einen Verbündeten handeln wird. So oder so dürfte Ajala eine gute Wahl für die Rolle sein, da er bereits einige Erfahrung im TV des phantastischen Genres, und zwar in Rollen aller Gesinnungen, sammeln konnte.

Mitglied der Royal Shakespeare Company

Der am 21. Mai 1986 als Kind zweier nigerianisch-stämmiger Schauspieler im Londoner Stadtteil Hackney geborene Ajala 89 zeigte schon sehr früh Interesse an der darstellenden Kunst. Nach Beendigung seiner Schulausbildung studierte er zunächst am renommierten Londoner Anna Scher Theatre das Schauspielfach und erhielt anschließend ein Stipendium für die Courtyard Theatre Drama School, ebenfalls in der englischen Hauptstadt.

© Fandom / David Ajala

Bedingt durch seine hoch angesehene Ausbildung konnte er sich der Royal Shakespeare Company anschließen. Hier war er in einer Vielzahl von Stücken des englischen Dichterkönigs zu sehen, darunter Ein

90 Mittsommernachtstraum sowie die 2008er Aufführung von Hamlet, in der »Picard« Sir Patrick Stewart den Geist von Hamlets Vaters darstellte.

Vor der Kamera

Etwa zur gleichen Zeit trat Ajala erstmals auch als Darsteller vor die Kamera. In dem unabhängig produzierten Ghetto-Drama Streets Of London – Kidulthood von 2006 spielte er die zwar kleine aber wichtige Rolle des Desmond, die er auch in der Fortsetzung Streets Of London – Tag der Vergeltung zwei Jahre später übernahm. 2007 spielte er zwischenzeitlich in 18 Episoden der finalen Staffel der im Fußball-Milieu angesiedelten Drama-Serie Dream Team die Rolle des Sean Campbell. 2008 folgte ein Gastauftritt in der langlebigen Krimiserie The Bill. Im gleichen Jahr zog es Ajala erstmals nach Hollywood: In Christopher Nolans Batman-Film The Dark Knight war er in einer winzigen Mini-Rolle zu sehen.

Rollen in Film und Fernsehen

Auch danach waren Ajalas Film- und Fernsehrollen unterschiedlich groß. Eine Hauptrolle spielte er in der hierzulande nicht gezeigten, in der Hip-Hop-Szene angesiedelten Sitcom Trexx and Flipside, in der Ajala die Rolle des Flipside darstellte. Die Serie brachte es allerdings auf lediglich sechs Episoden.

91 Es folgten Auftritte in den Serien Doctor Who (2010), Silent Witness, Coming Up und Misfits (alle von 2011) sowie die Hauptrolle im Film Following Footsteps, und eine Nebenrolle in der Tragikomödie Zwei an einem Tag (ebenfalls beide von 2011). 2012 folgten die Filme Payback Season und Payback – Tag der Rache (die trotz der Ähnlichkeit der Titel nichts miteinander zu tun haben) sowie ein Serienauftritt in Dr. Monroe. 2013 schloss sich zunächst ein Gastauftritt in Death In Paradise an, dann kamen Episoden der Anthologie-Serien Black Mirror und Law & Order: UK dazu. Im Kino konnte man Ajala im selben Jahr in einer kleinen Rolle in Fast & Furious 6 sowie in dem Gefängnisdrama Mauern der Gewalt sehen.

Ajala in Serie

2014 folgte eine neue, wenn auch leider erneut kurzzeitige Serienrolle für Ajala. In der Dramaserie Black Box spielte er in den lediglich 13 Episoden den freundlichen Koch Will Van Renseller. Außerdem wirkte er in dem Thriller Emulsion aus dem gleichen Jahr mit. Ein ausgesprochener Flop wurde 2015 der Science-Fiction-Film Jupiter Ascending, in dem Ajala in der Rolle des Ibis zu sehen war. In der 2016 entstandenen fünfteiligen Historien-Fantasy-Serie Beowulf spielte er danach die Rolle des Rate und war im gleichen Jahr ferner im SchleFaZ-Anwärter Kill Command – Die Zukunft ist unbesiegbar sowie in dem Filmdrama

92 Brotherhood zu sehen, außerdem in Episoden der Serien Hooten & The Lady und The Break. Danach erhielt Ajala weitere TV-Hauptrollen sowie wiederkehrende Gastrollen. In der Mystery-Serie Falling , deren 20 Episoden umfassende zwei Staffeln zwischen 2016 und 2018 entstanden, ist Ajala in der Rolle des Burton zu sehen gewesen. In den 10 Episoden der Serie Nightflyers (2018) nach einer Vorlage von George R. R. Martin (Game of Thrones: Das Lied von Eis und Feuer) spielt Ajala den geheimnisvollen Raumschiff-Captain Roy Eris. In der auf den gleichnamigen DC-Comics basierenden Serie Supergirl hingegen war Ajala in sieben zwischen 2018 und 2019 entstandenen Episoden als der böse Manchester Black zu sehen. Ajalas bisher letzte Rolle war die eines namenlosen Einbrechers in der schrillen Comedy-Serie Urban Myths, die bei uns bislang noch nicht zu sehen gewesen ist. Bereits im Juli 2019 wurde seitens des Discovery-Produktionsstabes bekanntgegeben, dass Ajala in der Rolle des Booker einsteigen wird. Neben der Schauspielerei lieh Ajala seine Stimme auch Charakteren in den beiden 2017 erschienenen Videospielen Mass Effect: Andromeda sowie Need for Speed: Payback.

Privates

Bereits seit 2010 ist Ajala mit Bloggerin und YouTuberin Terri Martin verheiratet. Die beiden sind Eltern der Söhne Elijah

93 und Toby; die Familie besitzt Wohnsitze in London sowie in Los Angeles und New York City.

Qo'noS kulinarisch – Ein kulinarischer Führer für die klingonische Heimatwelt von Tim Beutler aka Star Smutje

Hach ja, die Klingonen. Wer kennt sie nicht? Zugegeben war der Autor dieses Artikels zuerst skeptisch, was eine Reise in das Herz dieses Kriegerimperiums im Zuge seiner Artikelreihe anging, doch die Einladung eines anderen Koches konnte er natürlich nicht ablehnen.

Begegnung der anderen Art

Im Bezirk der sogenannten Großen Halle befindet sich das Restaurant, das das Ziel der Reise war. So wunderte es den Autor dieses Artikels als allererstes einmal, dass dieses Haus gar keine Fenster hatte. Kein Geschäft oder Restaurant dort hat außen Fenster! Und überall wird man freundlich mit einem »Nuq-neH!« empfangen, eine Begrüßung, die so viel heißt wie: »Was willst du?« An diesem Ort geht man also grundsätzlich davon aus, dass der Gast weiß, was er möchte. Mutig!

94 Ein Wort der Warnung an dieser Stelle: Wer leichte Kost oder gar vegetarische Kost sucht, der ist auf Qo'noS komplett falsch! Die Kost des Kriegervolkes ist deftig und fleischlastig! Dazu kommt, dass klingonische Köche wohl mit die stolzesten Köche sind, die der Autor dieses Artikels kennt. Natürlich ist ein jeder Koch so, doch bei den Klingonen ist das noch eine Stufe extremer. Es kommt nicht selten vor, dass Köche und Gäste miteinander kämpfen. Dabei mögen diese Köche eigentlich gute Herausforderungen, und wenn man gleich bei der Essensausgabe schon sagt, dass das auf dem Teller mies aussieht, reagiert der Koch meist mit Gelächter. Während Klingonen stets das frischeste vom Frischen bekommen, wird für Nicht-Klingonen zumeist etwas »sanfter« gekocht. Wenn man neugierig ist, sollte man also unbedingt echtes klingonisches Essen verlangen, am besten natürlich auf Klingonisch. Und das ist auch schon das Stichwort: frisch! Das »Targ« an jenem Abend auf dem Teller des Autors dieses Artikels war am Morgen wohl noch in der Targ-Grube des Restaurants zu finden gewesen. Wohl keine andere Spezies achtet so sehr auf frische Zutaten wie dieses Kriegervolk. Züchter, Wirte und auch Haushalte versuchen immer, alles zuhause zu haben, um sich selbst zu versorgen. Denn gutes Essen hebt die Moral eines Kriegers, und das ist wichtig.

Begleitung beim Essen 95 Eine weitere Besonderheit bei diesem Volk ist, das der Chefkoch am Abend besondere Arien und Lieder vorträgt. Oftmals stimmen die Gäste mit ein, und es entsteht eine ungeheuer lebendige Atmosphäre. Und je weiter der Abend voran schreitet, umso lebendiger wird sie. Restaurants sind nicht nur Orte zum Essen, sie sind Kulturspots. Zudem sind sie neutrale Zonen, da hier keine Rivalitäten unter den einzelnen Häusern gelten dürfen. Und hier wird auch Politik betrieben, wobei der Wirt manchmal auch als Zeuge oder Schlichter fungiert.

Das Menü

Doch nun kommt der Autor dieses Artikels zu den kulinarischen Aspekten der Reise. Und er startet mit etwas, das in keinem klingonischen Restaurant, geschweige denn auf einem Essenstisch fehlen darf: Die Grapoksauce! Egal ob Bregitlunge, Racht, Gagh oder Pipius-Klaue: Gerne wird ein guter Schuss dieser leicht milchig bis bräunlichen Sauce darüber gegeben. Die sehr intensive Sauce besteht aus einer Kraftbrühe, die aus Targ-Knochen gekocht worden ist, aus Blutwein und diversen Gewürzen. Die Sauce gestaltet sich regional unterschiedlich. Im nördlichen Teil der Welt ist sie etwas dickflüssiger und hat erdige Geschmacksnuancen, während die Version in der Hauptstadt etwas säuerlicher mundet. Derzeit besonders beliebt auf dem Planeten ist eine Sauce aus der Ketha-Provinz, die vom Haus des Martok vertrieben wird: 96 Sie hat einen fruchtig-erdigen Geschmack, da ihr etwas Saft von der Zilm'kach, einer klingonischen Frucht und gern gesehenen Beilage, zugesetzt wird.

Wieder schwer im Kommen ist derzeit auch die Geschmorte Bok-Ratten-Leber. Dieser Nager ist überall im Reich anzutreffen, und er hat die Größe einer irdischen Bisamratte. Diese ist im Normalfall sehr zäh, weswegen das lange Schmoren in einem Sud aus Knochenbrühe die beste Zubereitungsart darstellt. Sollte die Leber bitter schmecken, so war die Ratte schon zu lange tot. Ein Affront in der klingonischen Küche! Wenn so ein Fall eintrifft, bestellen Sie sich Blutwein. Viel davon! Und da der Autor dieses Artikels gerade dabei ist: Alkoholische Getränke zu konsumieren, ist normal! Wer sich nicht mit Blutwein betrinken will, der kann zum Warnog greifen. Dies ist ein dunkles, reichhaltiges Bier, ähnlich dem irdischen Stout. Auch dieses Getränk erfährt derzeit in Klingonen-Kreisen ein kleines Revival.

Wer jetzt aber denkt, dass die Klingonen sehr stur beim Essen sind, der täuscht sich. Gerne nutzen Klingonen Errungenschaften anderer Völker für sich. Gegrillte Krada-Keule mit einer Kruste aus vulkanischer Minze, Gladst mit Dutara-Wurzel oder die Rokeg-Blutpastete mit irdischen ... Um ihren Gästen etwas zu bieten, probieren die Klingonen immer neue Kreationen aus. Es lohnt sich also, beim Restaurantbesuch auch mal zu fragen, was die Küche so bereithält, das nicht traditionell ist. 97 Traditionsessen

Nun mag sich der eine oder andere Leser fragen: Was ist denn jetzt eigentlich mit dem berüchtigten Gagh? Nun, diese Schlangenwürmer schmecken am besten, wenn sie lebendig gegessen werden. Allerdings gibt es von diesem Gericht mehr als 51 Sorten, und so unterscheiden sich auch die Zubereitungsmethoden. So wird Wistan Gagh zum Beispiel in Targ-Blut eingelegt. Auf keinen Fall verwechseln sollte man Gagh und Racht. Bei Letzterem handelt es sich um kleinere Würmer. Diese müssen frisch und quicklebendig sein. Sterben diese, schmecken sie leicht nach Ammoniak. Dafür haben die Klingonen sogar ein eigenes Sprichwort: »Es gibt nichts Schlimmeres als halbtotes Racht!«

Gagh für die Erdenmenschen des 21. Jahrhunderts

Wenn man sich nun in der realen Welt gerne so ein Essen nachkochen will, wie bekommt man die Wirkung der lebendigen Gagh hin? Es steht ja bekanntlich nicht jeder darauf, sich Würmer aus dem Garten zu holen. Und Nudeln haben zwar die Konsistenz von Würmern, doch muss man sie dafür zuerst stark verkochen. Und Nudeln passen zur klingonischen Küche ohnehin nicht so ganz, denkt jedenfalls der Autor dieses Artikels. Daher folgt nun nachstehend das Star Smutje-Rezept für eine gute Portion Gagh: 98 Was man benötigt

Gagh: 500 g Rouladenfleisch (Oberschale) 3 g Bonitoflocken

Marinade: 2,5 TL Austernsauce 2 TL helle Sojasauce 1 TL Shaoxing Wein 2 TL Salz 1 TL Zucker 1 TL weißer Pfeffer Prise geriebener Ingwer 0,5 EL Speisestärke

Sauce: 250 ml halbtrockener Rotwein 1 EL dunkle Miso-Paste

Die Zubereitung

1) Rollen Sie zunächst die Rouladenlappen auf und schneiden Sie sie in 3 bis 4 mm breite Streifen.

2) Bereiten Sie in einem Beutel die Marinade zu. Vermengen Sie alle Zutaten, bis eine homogene Flüssigkeit entsteht. Geben Sie die Fleischstreifen hinzu und lassen Sie sie 99 mindestens eine Stunde im Kühlschrank ziehen, noch besser über Nacht. Wichtig: Holen Sie das Fleisch ca. 20 Minuten vor Zubereitung aus dem Kühlschrank, damit es Zimmertemperatur bekommen kann.

2 EL Raps oder Erdnussöl in einer Pfanne/min. einem Wok bei hoher Hitze erhitzen, sodass es 180 Grad hat; braten Sie nun das Fleisch in kleinen Chargen für gesamt je 45 Sekunden an, sodass es Farbe bekommt. Nicht länger! Sonst wird das Fleisch zäh!

Wenn das Fleisch gebraten wurde, löschen Sie die Pfanne mit dem Rotwein ab und schaben Sie den Pfannenboden ab, sodass sich die Röststoffe lösen. Geben Sie die Miso-Paste hinzu und lösen Sie sie auf. Das Ganze 4 Minuten kochen lassen, sodass sich der Alkohol verflüchtigt. Geben Sie das Fleisch wieder hinzu und lassen Sie es köcheln, bis die Sauce die gewünschte Konsistenz hat.

Geben Sie das »Gagh« auf einen Teller oder in eine Schüssel und geben Sie etwas heiße Sauce darüber. Nun streuen Sie sofort die Bonitoflocken darüber. Bonitoflocken sind getrocknete und geschabte Flocken des Bonito-Thunfisches. Wenn diese hauchfeinen Flocken auf ein heißes Gericht gestreut werden, beginnen sie sich im aufsteigenden Dampf zu bewegen. Dadurch entsteht eine Optik, als ob sich das Gagh bewegen würde.

Lassen Sie es sich schmecken! 100 Übrigens: Auf dem YouTube-Kanal des Autors dieses Artikels können Sie sehen, wie er das genannte Gericht zubereitet.

Weiterführende Informationen zum Thema: https://youtu.be/eH2n-ejUe9w - YouTube-Video Gagh-Zubereitung Star Smutje

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102 Blue Box – Die Doctor-Who-Ecke

Ressortleiter Peter R. Krüger

Herzlich willkommen zu einer weiteren neuen Rubrik im Corona Magazine, die zukünftig auch die zahlreichen Fans von Doctor Who zu ihrem Recht kommen lassen wird. Neben Star Trek, Star Wars und Perry Rhodan laden wir damit eine weitere starke Fangruppe zu uns ein. Einsteigen und anschnallen!

Hinter der blauen Tür #1: Ein Blick in die TARDIS von Peter R. Krüger

Bezüglich des Themas der langlebigen TV-Serie Doctor Who (seit 1963) lassen sich naturgemäß Bücher füllen. Fans in

103 Großbritannien haben das große Glück, dass es zu »ihrer« Serie sogar ganze Schränke voll von Büchern gibt. Romane, Comics, Sachbücher, Kinderbücher ... Eine ganze Palette steht seit Jahrzehnten für die britischen Liebhaber zum Erwerb bereit. Was wurde hingegen im deutschsprachigen Raum diesbezüglich veröffentlicht? Ein paar Comics und Romane. Und sonst? Ein Kochbuch. Richtig gelesen. Der deutsche Fan wird mit einem Kochbuch abgespeist. Da geht doch noch mehr. Viel mehr!

Für das Corona Magazin wirft sich der Autor dieses Artikels also ab dieser Ausgabe in einer neuen Artikel-Reihe in einen viel zu kurzen Anzug mit Fliege, setzt sich einen coolen Fes (auch Fez genannt) auf den Kopf und öffnet die Tür der TARDIS, um jeweils verschiedene Themen aus Doctor Who näher zu beleuchten.

Und was liegt näher, als mit der TARDIS selbst anzufangen?

104 In diesem Sinne: Willkommen hinter der »blauen Tür«.

Das Schiff

Der Titel dieser Artikelreihe lag übrigens gleich recht nahe, weil die TARDIS bekanntermaßen eine blaue Telefonzelle ist und der Seher und Leser am liebsten immer in diese hinein- bzw. aus dieser heraussehen möchte. Doctor Who-Fans kennen den Begriff natürlich von Anfang an, doch manch ein Leser mag damit noch nichts anfangen können, daher folgt nachstehend eine kurze Erklärung.

Ein jeder Science-Fiction-Held braucht ein Raumschiff. Ganz klar. Es gibt keinen solchen Helden, der etwas auf sich hält und ohne Raumschiff unterwegs ist. Captain Kirk (William Shatner) hat die Enterprise, Darth Vader (David Prowse) seinen Todesstern … Ach nein, den hat er ja gleich zweimal verloren. Verloren hat auch Cliff Allister

105 McLane (Dietmar Schönherr) seine Orion, ganze sieben Mal sogar. Buck Rogers (Gil Gerard) hingegen hat sein Space Shuttle, und die Crew rund um Captain Malcolm »Mal« Reynolds (Nathan Fillion) fliegt mit der Serenity durch die Galaxie, während Commander Adama (Lorne Greene) die Galactica in die Schlacht gegen die Zylonen führt. Selbst die Titelhelden von Guardians of the Galaxy (2014) haben ein Raumschiff. Das beste von all diesen Schiffen ist aber definitiv die TARDIS! Schüttelt der eine oder andere Leser gerade mit dem Kopf? Nun, vielleicht sieht die TARDIS nicht so schön aus wie die Enterprise. Sie macht auch nicht so viel kaputt wie ein Todesstern. Aber sie kann etwas, das kein anderes dieser Schiffe kann: durch Zeit und Raum reisen! Der Doctor selbst nennt sie in der Serie übrigens auch schon mal einen »total abgefahrenen, rockenden, Dimensionen ignorierenden Sternenkreuzer«.

Im Original steht die Abkürzung TARDIS in Wahrheit allerdings für: Time And Relative Dimensions In Space

106 Fast perfekt trefflich wurde die Bedeutung dann hierzulande folgendermaßen eingedeutscht: Trips aufgrund relativer Dimensionen im Sternenzelt

Der »Trip« ist zwar erst wieder ein englisches Wort, doch die Bedeutung des Ganzen ist klar, und letztlich ist die Abkürzung so auch für Deutsche nutzbar. Andernfalls müsste der Fan hierzulande nämlich immer von einer »ZURDIW« sprechen: Zeit Und Relative Dimensionen Im Weltraum

Das wäre zwar korrekt, klingt aber bescheuert.

107 »Harry, hol schon mal die ZURDIW« … Nein, selbst Oberinspektor Stephan Derrick (Horst Tappert) würde sich bei dieser Bezeichnung weigern, seinen Chauffeur loszuschicken. Dann lieber mit einem »Trip« leben.

Die Geschichte

Obwohl der Doctor selbst im Laufe seiner Abenteuer gelegentlich abweichende Versionen der Geschichte erzählt, wie er zu diesem Raumschiff gekommen sei (er hat sogar schon mal behauptet, er habe sie selbst erfunden), besagt die eigentliche Erzählung dieses wundersamen Zeitreisenden, dass er eines Tages an einer ganzen Reihe von diesen Schiffen entlanggegangen ist und schließlich diese eine von seinem Heimatplaneten Gallifrey gestohlen hat.

108 Womit er allerdings nicht gerechnet hat, war, dass dieses Raumschiff einen defekten Chamäleon-Schaltkreis hat. So ein Schaltkreis sorgt eigentlich dafür, dass sich das Schiff so tarnen kann, dass es in der Landezone nicht auffällt. Diese TARDIS hat sich stattdessen beim ersten Abenteuer in Raum und Zeit in eine britische Polizeinotrufzelle der 1950er-Jahre verwandelt, und dabei ist es geblieben. In den 1960er-Jahren war dies sogar noch eine recht gute Tarnung, da allein in London zu Beginn der Serie tatsächlich noch rund 700 Polizeinotrufzellen platziert waren. Nach und nach verschwanden diese jedoch. Inzwischen ist die TARDIS die einzige Polizeinotrufzelle, die noch ab und an auftaucht womit sie zu dem größten Wahrzeichen der Serie wurde. In der sogenannten Classic-Serie hat der Doctor einmal versucht, den Chamäleon-Schaltkreis zu reparieren, woraufhin sich die TARDIS – naturgemäß sehr auffällig – als Orgelpfeife materialisierte. So kehrte man lieber zum Status quo zurück.

109 Viel Freude macht dem Doctor stets das Erstaunen seiner Begleiter oder Gäste, wenn sie feststellen, dass die TARDIS von innen viel größer als von außen ist. Erklärt wird das Ganze damit, dass die TARDIS dimensional transzendent ist, also die Außenhülle in einer anderen Dimension existiert als die Räume im Inneren.

Zur Entstehung einer TARDIS in der Serie muss zudem festgehalten werden, dass diese Schiffe nicht etwa gebaut werden, so wie andere. Nein, sie werden gezüchtet. Sie werden geboren und beziehen ihre fast unerschöpfliche Energie aus dem Zentrum eines künstlichen Schwarzen Lochs, das unter den Timelords, zu denen der Doctor gehört, auch als »Auge der Harmonie« bekannt ist. Scotty (James Doohan) in Raumschiff Enterprise (1966–1969) würde es vermutlich einfach »Maschinenraum« nennen.

Die TARDIS besitzt unzählige Räume. Der bekannteste ist natürlich der Kontrollraum, in dem der größte Teil der Handlung stattfindet, wenn die TARDIS von innen gezeigt wird. Aber im Laufe der Serie und auch der Romane wurden durchaus schon andere Räume gezeigt oder beschrieben. Unter anderem ein begehbarer Kleiderschrank, ein Wohnzimmer, ein Badezimmer mit Schwimmbecken, eine Krankenstation, eine Kunstgalerie, eine Bibliothek und, und, und. 110 Auf dem Planeten Gallifrey sind 305 Modelle der TARDIS registriert. Die TARDIS des Doctors gehört nicht dazu und wäre sohin Modell 306. Da er sein Schiff nie gewechselt hat, muss die TARDIS mindestens genauso alt wie er sein, was bedeutet, dass dieses Schiff schon seit über 900 Jahren existiert. Immer wieder hat es dabei kleine Updates an der Außenhülle erhalten, oder auch größere Veränderungen im Innenbereich.

Wie eine TARDIS mit funktionierendem Chamäleon-Schaltkreis aussieht, kann man übrigens bei der Figur des Masters sehen, oder eben nicht. Das klingt seltsam, entspricht aber der Funktion des Schaltkreises. Denn der Master verfügt, wenn er mit einer TARDIS auftaucht, in der Regel über ein funktionierendes Exemplar. Natürlich gelingt es dem Zuschauer, wenn der Master etwas unaufmerksam ist, die Verwandlung seiner TARDIS zu

111 beobachten, aber das sollte man ihm besser nie verraten. Er könnte ungehalten reagieren.

Das Design des wichtigsten Teils der TARDIS, der Kommandokonsole, wurde in all den Jahrzehnten zwar ab und zu geändert, doch blieb es stets dabei, dass die TARDIS eigentlich immer von – je nach Auslegung – drei bis sechs Timelords bedient werden sollte. Ausschlaggebend für diesen Fakt ist die Einordnung der einzelnen Bedienelemente in sechs Gruppen, wie man es in der Serie auch anhand der Anordnung im Sechseck (Hexagon) erahnen kann. Tatsächlich hatte sich einst schon der erste Doctor William Hartnell beim Dreh darum bemüht, für jede Tätigkeit und jede Funktion jeweils ganz bestimmte Hebel und Knöpfe auf der Konsole zu bedienen, weil er nicht wollte, dass einem Zuschauer auffallen könnte, dass ein Hebel einmal für Zeitreisen und ein anderes Mal zum Schließen von Türen benutzt wurde. So kam es, dass im Laufe der Zeit die sechs Kontrollfelder genau der »Ruderkontrolle« bzw. der Steuerung, der Navigation, der Diagnose, der Kommunikation, der Herstellung und der Maschinentechnik zugeordnet wurden.

112 Auch wenn es noch viel mehr zur TARDIS zu erzählen gäbe, muss der Autor dieses Artikels nun die kleine Führung durch das beste Raumschiff des Universums beenden. Der Doctor muss ja schließlich weitere Abenteuer erleben, und dazu braucht er seine TARDIS.

Möglicherweise wird es in einer anderen Ausgabe dieser Artikelreihe noch einen genaueren Blick auf bestimmte Bereiche der TARDIS geben; doch vorerst haben Sie zumindest einen kleinen Überblick bekommen, was dieses Schiff kann und was es ist.

Wie wird es weitergehen?

In Hinter der blauen Tür werden von nun an verschiedene Themen aus der beliebten britischen Science-Fiction-Serie beleuchtet werden. Der Master, die Daleks, Reisen in Zeit und Raum, die Begleiter, Vorgänge hinter den Kulissen oder

113 auch der Blick auf neue Geschehnisse rund um Jodie Whittaker als aktuelle Inkarnation des Doctors werden hier ihren Platz finden.

Reisen Sie also mit uns, wenn es nächstes Mal heißt: Hinter der blauen Tür – Folge 2: Der Doctor und das liebe Vieh?

DVD-Rezension: Doctor Who – Der zweite Doktor: Das Grab der Cybermen – Ein Klassiker wird aufgetaut Von Peter R. Krüger

Eine Expedition entdeckt auf dem Planeten Telos das sogenannte Grab der Cybermen. Während die meisten Forschungsmitglieder gar nicht wissen, was ihnen da bevorsteht, wird ihr Leben ganz bewusst in Gefahr gebracht. Beim Grab der Cybermen angekommen scheint die Bedienung der einzelnen Hebel und Knöpfe von diesem vorerst unklar zu sein. Doch als die Cybermen aus ihrem Tiefkühlschlaf aufgeweckt werden, nimmt die Bedrohung durch die Maschinenmenschen ihren Lauf. Störenfried hierbei ist aber glücklicherweise der Doctor (Patrick Troughton), zusammen mit seinen beiden

114 Begleitern Victoria Waterfield (Deborah Watling) und Jamie McCrimmon (Frazer Hines).

Ein altes Abenteuer auf neuer Scheibe

In Form von vier Episoden zu je 25 Minuten baut sich auf der frisch veröffentlichten DVD Doctor Who – Der zweite Doktor: Das Grab der Cybermen ein klassisches Doctor Who-Abenteuer auf. Die lange verloren geglaubte Episode wurde kürzlich in Hongkong wiederentdeckt und zunächst für die Veröffentlichung in Großbritannien restauriert. Für das deutsche Publikum hat sich einmal mehr Polyband die Mühe gemacht, eine sehr gute Synchronisation herzustellen und das Abenteuer mit einer zusätzlichen Bonus-DVD zu garnieren. Mit an Bord ist auch

115 wieder Michael Schwarzmaier (Hatschipuh), die deutsche Stimme der Doctors der klassischen Serie.

Die Ausgabe liegt in der hochwertigen Mediabox inkl. Booklet vor, in dem sich noch einige interessante Informationen zu diesen Episoden finden lassen.

Interessantes am Rande

Fans von Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion (1966) wissen ja längst um den Kult rund um Bügeleisen und andere einfache Tricks. Auch bei besagten aufbereiteten Doctor Who-Folgen werden einfache Holzscheiben, Strumpfmasken und Plastikfolien eingesetzt. Das tut dem Charme dieses Abenteuers aber keinen Abbruch.

116 Eine sehr gelungene Arbeit!

117 Phantastisches Sehen

Ressortleiterin Bettina Petrik

Review: The Expanse: Erste Staffel von R. M. Amerein

Rund 200 Jahre in der Zukunft hat sich die Menschheit im gesamten Sonnensystem ausgebreitet. Das Terraforming-Projekt auf dem Mars ist im vollen Gange, dort hat sich eine eigene Zivilisation gebildet, die sich von der Erde losgesagt hat. Außerdem gibt es die Gürtler, die auf Raumstationen am Asteroidengürtel leben und ebenfalls eine autonome Gesellschaft bilden. Es herrschen Differenzen zwischen all diesen Fraktionen, und inmitten dieser Probleme taucht auch noch ein völlig neues Problem auf: Die Tochter eines Reichen wird vermisst, und auf der Suche nach ihr ereignen sich so einige Überraschungen.

118 So taucht man in die Welt von The Expanse (seit 2015) ein.

Der Inhalt

Die erste Staffel wird aus drei Perspektiven erzählt. Da wäre einmal der Ermittler Josephus »Joe« Miller (Thomas Jane), die Crew der späteren Rocinante, angeführt von James »Jim« Holden (Steven Strait) und dann noch Chrisjen Avasarala (Shohreh Aghdashloo), eine Politikerin der Erde. Alle Handlungsstränge rund um diese jeweiligen Personen werden eine Zeitlang für sich alleine behandelt und erst gegen Ende zusammengeführt.

© Amazon Prime

119 Zusätzliche Fakten

Die Serie wurde zunächst auf SyFy und Netflix ausgestrahlt. Als SyFy keine vierte Staffel mehr in sein Programm aufnehmen wollte, wurde die Serie für Amazon Prime weiter produziert. Die bisherigen vier Staffeln gibt es in Deutschland auch nur über Amazon Prime Video zu sehen.

The Expanse basiert auf einer Buchreihe zweier Schriftsteller, die unter dem Pseudonym James S. A. Corey veröffentlichen. Beide sind auch Mitproduzenten der Serie. Die Autorin dieses Artikels hat die Bücher allerdings (noch) nicht gelesen, daher ist ihr ein Vergleich der Serie mit diesen nicht möglich.

Die Meinung der Redaktion

The Expanse hat die Autorin dieses Artikels durch ein detailreiches Setting beeindruckt. Viele wissenschaftliche Fakten werden in der Produktion eingebaut, wie beispielsweise die Tatsache, dass sich der menschliche Körper bei geringerer Gravitation verändert. Die Gürtler etwa leben seit Generationen nur auf Raumstationen. Mit Schwerelosigkeit haben sie kein Problem, aber setzen sie Fuß auf einen Planeten, werden sie durch die herrschende Anziehungskraft schier zusammengepresst, was zur Folter für den ganzen Organismus wird.

120 Auch die wenigen Raumschiffschlachten, die in der Serie vorkommen, kann man sich durchaus so realistisch vorstellen (es gibt keine flinken Jäger, es ist alles etwas schwerfälliger, und alles muss genau koordiniert werden). Solche Anpassungen an die tatsächlichen Begebenheiten der herrschenden Physik liebt die Autorin dieses Artikels, ganz egal, ob dann noch etwas phantastischere Elemente hinzukommen, wie es hier eben der Fall ist, oder nicht.

Ganz groß sind der Meinung der Autorin dieses Artikels nach die Charaktere. Sie hat zu jedem schnell einen Draht aufbauen können. Logischerweise lernt man sie in der ersten Staffel erst einmal kennen; die Intention von so manch einer Figur bleibt noch im Verborgenen. Doch das ist auch vollkommen in Ordnung. Es gibt natürlich Stereotype (korrupter Bulle, machtgierige Politikerin, der Haudrauf ...), aber diese sind nicht so plump gestaltet, dass die Autorin dieses Artikels sich daran gestört hätte. Alle haben ihr eigenes Päckchen zu tragen und liefern individuelle Eigenschaften. Übrigens ist die Autorin dieses Artikels ein großer Fan von Amos Burton (Wes Chatham), und sie weiß aus dem Online-Leben, dass es da nicht nur ihr so geht …

121 © Amazon Prime

Die Handlung der Serie ist und bleibt bis zum Ende unglaublich spannend. Dadurch, dass sie aus drei verschiedenen Sichtweisen erzählt wird, bekommt sie viel Tiefe. Der Punkt, an dem die Stränge zusammengeführt werden, war großartig für die Autorin dieses Artikels. Man hat im Vorfeld ja schon so lange darauf gewartet, dass sich endlich alle treffen und zusammenarbeiten – und nun geschieht es.

Insgesamt kann sie sagen, dass schon nach Folge 1 der Grundstein bei ihr dafür gelegt war, dass sie ein absoluter Fan von The Expanse wurde.

122 Die Serie ist etwas für alle, die einen Mix aus realistischer und phantastischerer Science-Fiction mögen, die ein Herz für tiefschichtige Charaktere und detailreiche Settings haben – und auch für jene, die einer Serie etwas Zeit geben, sich aufzubauen. Sie ist nichts für zwischendurch, nicht geeignet als Unterhaltung nebenbei beim Bügeln oder Ähnlichem, sondern durchaus dazu gedacht, dass man sich richtig mit ihr auseinandersetzt.

Von der Autorin dieses Artikels gibt es also die volle Punktzahl für die erste Staffel und eine klare Serien-Empfehlung!

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124 Perlentaucher-Reihe: Die große persönliche Rückschau auf Akte X: Die unheimlichen Fälle des FBI – Staffel 2 und die Perfektionierung des eigenen Serien-Stils von Eric Zerm

Im März 1995 – also vor 25 Jahren – endete mit der Folge Das Labor die erste Staffel der Serie Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI (seit 1993) im deutschen Fernsehen, und diese Episode deutete mit ihren drastischen Wendungen bereits an, dass da noch Großes auf das Publikum zukommen würde. Für die Redaktion des Corona Magazine ist dieses Jubiläum Anlass genug für eine ausführliche und auch persönliche Rückschau auf diesen modernen Serien-Klassiker, und auch dafür, sich die Serie Staffel für Staffel – mit Stift und Notizblock bewaffnet – mal wieder anzusehen. Weiter geht es in dieser Ausgabe der Artikelreihe nun mit Staffel 3. In dieser perfektioniert die Serie ihren Stil, und die Verschwörungs-Rahmenhandlung schreitet in großen Schritten voran.

Worum geht's?

125 Am Anfang von Staffel 3 steht der Abschluss des Anasazi-Dreiteilers, mit dem die zweite Staffel seinerzeit beendet wurde. Das Publikum erlebt hierbei eine gnadenlose und für die FBI-Ermittler Fox Mulder (David Duchovny) und Dana Scully (Gillian Anderson) lebensgefährliche Hetzjagd. Die Verschwörer tun alles, um zu verhindern, dass die geheimen Ufo-Akten, die auf ein Digital-Band heruntergeladen wurden, veröffentlicht werden. Zu ihren Opfern gehört nach Bill Mulder (Peter Donat), dem Vater von Fox Mulder, auch Scullys Schwester Melissa Scully (Melinda McGraw), die von einem spanisch aussehenden Killer (Lenno Britos) erschossen wird. Am Ende stoßen Mulder und Scully auf eine ganze Lagerhalle voller Akten, in denen offenbar große Teile der Bevölkerung katalogisiert sind.

© Fox / Pro7

126 Im Zweiteiler Die Autopsie/Der Zug (in der damals auf Video veröffentlichten Spielfilmfassung heißt er übrigens 82517, das ist die Nummer des Eisenbahnwagons, der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist), im weiteren Zweiteiler Der Feind – Teil 1/Der Feind – Teil 2 sowie im Zweiteiler Der Tag steht schon fest/Herrenvolk (die Spielfilmfassung heißt wiederum Master Plan) werden verschiedene Aspekte der Serien-Mythologie weitererzählt. 82517 greift unter anderem Scullys Entführung in Staffel 2 wieder auf. Scully stößt auf eine Gruppe Frauen, denen wie ihr ein Implantat in den Nacken eingesetzt worden ist. Eine von ihnen – Betsy Hagopian – ist inzwischen schwer krank (womit die Serie bereits die Grundlage für eine tragische Entwicklung in der vierten Staffel legt). Mulder wiederum folgt der Spur einer Ufo-Bergungs-Mission des Schiffes Talapus. In Der Feind stößt später die Crew eines französischen Forschungsschiffes an der Bergungsstelle der Talapus auf eine ölig schwarze und offenbar intelligente Substanz, die von diesem Moment an ein fester Bestandteil der Serien-Mythologie ist.

Im Master Plan-Zweiteiler, der den Übergang zur vierten Staffel bildet, erfährt das Publikum, dass die Verschwörer offenbar mit den Gestaltenwandler-Aliens (die im Zweiteiler Die Kolonie – Teil 1/Die Kolonie – Teil 2 in der zweiten Staffel eingeführt wurden) kooperieren. Es scheint um einen groß angelegten Plan zu gehen, die Erde zu kolonisieren. Bezüglich des Tags, an dem der Master Plan in seine 127 Endphase geht, bediente sich Serien-Schöpfer Chris Carter im weiteren Verlauf der Serie bei jenem Datum, an dem der oft zitierte Maya-Kalender endet: am 21. Dezember 2012. Dies tat er, ohne zu ahnen, dass er sich damit für die Staffeln 10 und 11, die nach einer 13-jährigen Pause ab dem Jahr 2015 entstanden, eine gewaltige erzählerische Hypothek aufhalsen würde.

In den Einzelfolgen der dritten Staffel löste sich Akte X allmählich davon, populäre Geister- und Horror-Legenden zu verarbeiten und begann damit, eigene Mysterien zu erschaffen. Die Folge Parallele erzählt zum Beispiel von einer geheimnisvollen Verbindung zwischen einem gekidnappten Mädchen und einem früheren Entführungsopfer. Der Psychothriller Groteske stellt wiederum die Frage, was mit dem Verstand eines Ermittlers geschieht, der sich über Jahre hinweg in die kranke Psyche eines Serienkillers hineindenkt. Mein Wille sei dein Wille beschäftigt sich mit Suggestion. Im Zentrum steht jemand namens Robert Patrick Modell (Robert Wisden), der anderen Menschen nur durch seine Stimme seinen Willen aufzwingen kann. In einer der intensivsten Szenen bringt er einen Polizisten dazu, sich mit Benzin zu übergießen und sich anzuzünden. In einer anderen Szene suggeriert er dem Agenten Frank Burst (Vic Polizos), dass seine Adern durch seine ungesunde Lebensweise völlig verschlissen und verstopft sind. Die Folge: Burst erleidet einen tödlichen Herzinfarkt. 128 Höllengeld ist wiederum ein düsterer Thriller, der komplett ohne Mystery-Elemente auskommt. Im Zentrum steht ein makabres Spiel in China-Town. Den Mitspielern werden hohe Gewinne versprochen, wenn sie ihre Organe als Einsatz setzen.

Erwähnenswertes

Die dritte Staffel hat stilistisch eine gewaltige Bandbreite. Sie reicht von Paranoia-Thrillern wie Anasazi und Die Autopsie/Der Zug über Horror-Schocker wie Fett und Die Liste und Dramen wie Parallele und Offenbarung bis hin zu schrägen Komödien wie Krieg der Koprophagen, Energie oder Andere Wahrheiten.

Die Folge Der Hellseher schafft wiederum einen bemerkenswerten Spagat zwischen Humor und Melancholie. Im Zentrum steht der Hellseher Clyde Bruckman (Peter Boyle), der es leid ist, ständig den Tod anderer Menschen vorhersagen zu können, ohne irgendetwas daran ändern zu können. In der Folge Blitzschlag treten zwei spätere Hollywood-Stars auf: Jack Black (King Kong) und Giovanni Ribisi (Avatar – Aufbruch nach Pandora). Ribisi spielt einen hochgradig gestörten Jugendlichen, der gefährliche Kräfte entwickelt, nachdem er vom Blitz getroffen wurde. In der Todestrakt-Folge Die Liste spielt der amerikanische Charakterdarsteller J.T. Walsh als gnadenloser Gefängnisdirektor Leo Brodeur eine zentrale Rolle. In der 129 Verschwörungs-Serie Dark Skies – Tödliche Bedrohung, die ab 1996 im Fahrwasser von Akte X entstand, spielte er dann eine Hauptrolle. Virgil Incanto (Timothy Carhart), der seinen weiblichen Opfern das Fettgewebe aussaugt ist eine Variation des leberverspeisenden Mutanten Eugene Victor Tooms (Doug Hutchison) aus der ersten Staffel. Die Horror-Effekte dieser Schocker-Folge sind aber noch wesentlich drastischer. Eine Autopsie-Szene zeigt eine skelettiere Leiche, deren Gewebe sich quasi verflüssigt hat. Zugleich greift die Folge Fett eine Schattenseite des damals noch sehr neu anmutenden Online-Datings auf und übersteigert sie ins düstere Extrem.

Im Zweiteiler Die Autopsie/Der Zug ist zum ersten Mal Agent Pendrell (Brendan Beiser) zu sehen. Es wird angedeutet, dass er eine Schwäche für Scully hat. In diesem Zweiteiler ist auch erneut Mulders Mentor Senator Richard Matheson (Raymond J. Barry) zu sehen, den das Publikum seit der ersten Folge von Staffel 2 kennt. Nachdem er einen wichtigen Hinweis geliefert hat, verschwindet er scheinbar spurlos. In der sechsten Staffel hat er seinen dritten und letzten Auftritt in der Serie. In diesem Zweiteiler wird zudem angedeutet, dass Scullys Entführung in der zweiten Staffel gar nichts mit Aliens zu tun hatte, sondern mit skrupellosen Experimenten eines japanischen Wissenschaftlers, der im Zweiten Weltkrieg zur Einheit 731 gehört hat. Die entstellten Menschen, die am Anfang von Der Zug von einem Erschießungskommando

130 ermordet werden, waren ebenfalls Opfer dieser Experimente.

Eine wichtige Mulder-Folge ist Parallele. Das Schicksal des früheren Entführungsopfers Lucy Householder (Tracy Ellis) geht Mulder dank seiner Erfahrungen mit der Entführung seiner Schwester so nahe, dass er sich als einziger für sie einsetzt. Als Householder am Ende der Folge für die junge Amy Jacobs (Jewel Staite) in den Tod geht, ist er völlig am Ende. Die Darstellerin von Jacobs kennt ein großes Fan-Publikum übrigens heutzutage von der Science-Fiction-Serie Firefly: Der Aufbruch der Serenity, die 2002 entstand. Darin spielt sie die sympathische Ingenieurin Kaylee Frye. Sie spielte zudem in mehr als 30 Folgen der Serie Stargate: Atlantis mit.

Eine wichtige Scully-Folge wiederum ist Offenbarung. Die Geschichte thematisiert Scullys Religiosität. Diese Folge zeigt das Duo Mulder/Scully mit quasi vertauschten Rollen. Scully ist tief berührt vom Schicksal eines Jungen (Kevin Zegers), der an den Händen Stigmata zeigt und ist bereit, dies als religiöses Zeichen zu akzeptieren, während Mulder auf den Aspekt der Religiosität mit Spott und Zynismus reagiert. Die Folge endet damit, dass Scully zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder zur Beichte geht.

131 Im Zweiteiler Der Feind gibt es internationale Schauplätze. Ein Teil der Handlung spielt in Hongkong. (das Drehteam musste Vancouver für diese Szenen aber nicht verlassen). Der Name des französischen Schiffes Piper Maru in diesem Zweiteiler ist der Name von Andersons Tochter, die am 25. September 1994 zur Welt gekommen war. Laut www.spookyverse.de ist Serienschöpfer Carter ihr Patenonkel. In diesem Zweiteiler bekommt übrigens der spanisch aussehende Killer einen Namen: Luis Cardinal. Der Augenblick, als Scully den Mörder ihrer Schwester Melissa stellt und ihn mit ihrer Pistole bedroht, ist einer der intensivsten Scully-Szenen der ganzen Staffel. Das intelligente schwarze Öl, das in diesem Zweiteiler eingeführt wird, bekam im späteren Serien-Verlauf die Bezeichnung »Purity«. Das heißt, es ist jene Substanz, gegen die der Impfstoff »Purity Control« (erstmals in der Folge Das Labor am Ende der ersten Staffel erwähnt) entwickelt wurde. In diesem Zweiteiler trifft Mulder auch wieder auf Alex Krycek (Nicholas Lea), den Mörder seines Vaters. Kryceks Schicksal bleibt in der dritten Staffel im Dunkeln: Der Krebskandidat (William B. Davis) lässt ihn in den Tiefen eines ehemaligen Atombunkers zurück.

In der Folge Heimsuchung steht erstmals Mitch Pileggis Figur Director Walter Skinner im Mittelpunkt. Das Publikum erfährt, dass er verheiratet ist und sich von seiner Frau Sharon Skinner (Jennifer Hetrick) wegen seiner Arbeit, bei 132 der er häufig zwischen allen Stühlen sitzt, entfremdet hat. Die Folge greift auch Skinners Todeserfahrungen im Vietnam-Krieg wieder auf, von denen er Mulder in Staffel 2 erzählt hat. In der Folge wird zudem angedeutet, dass Skinner, weil er sich immer wieder schützend vor die Arbeit an den X-Akten stellt, bei den Verschwörern in Ungnade gefallen ist. Ermorden können sie ihn nicht, da ansonsten der Inhalt der Ufo-Akten bekannt werden würde, also wollen sie seinen Ruf zerstören.

In der dritten Staffel hat Scully vorübergehend einen kleinen Hund namens Queequeg (benannt nach der gleichnamigen Figur aus dem Roman Moby-Dick). Dies ist der Hund des Hellsehers Bruckman (Peter Boyle) aus Der Hellseher. In Krieg der Koprophagen hat sie ihre liebe Not, das zappelige Tier an einem freien Wochenende zu waschen. In Der See muss sie den Spitz mit zur Arbeit nehmen, weil sie auf die Schnelle keinen Hundesitter finden konnte. Wer die Folge kennt, weiß, dass das für Queequeg nicht gut ausgeht.

Der Zweiteiler Der Tag steht schon fest/Herrenvolk führt Bienen als Überträger eines offenbar tödlichen Virus ein. Darüber hinaus kehrt der von Brian Thompson gespielte Gestaltenwandler und Kopfgeldjäger in die Serie zurück. Er ist auf der Jagd nach einem zweiten Gestaltenwandler (gespielt von Roy Thinnes), der sich Jeremiah Smith nennt und die Kräfte eines Wunderheilers hat. Das Publikum sieht in diesem Zweiteiler auch das Sommerhaus der Familie Mulder auf Rhode Island. In einer 133 Szene erfährt das Publikum zudem, dass sich der Krebskandidat und Teena Mulder (Rebecca Toolan) kennen und diese vor langer Zeit offenbar eine Affäre hatten. Das heizte beim Publikum damals die Spekulation an, dass der Raucher Mulders wahrer Vater sein könnte. Mulder sieht auf einer geheimnisvollen Farm einen Klon seiner Schwester Samantha. Im Gegensatz zu der Samantha in Die Kolonie (Staffel 2) ist dieser allerdings noch ein Kind. Mulders Informant, der brutale Mr. X (Steven Williams), haucht sein Leben aus, liefert im Sterben aber noch einen Hinweis auf eine weitere Quelle: Marita Covarrubias, eine Angestellte der Vereinten Nationen.

Persönliche Highlights Mit den Mythologie-Folgen Anasazi, Die Autopsie/Der Zug und Der Feind zeigt die Serie wieder einmal meisterhafte Paranoia-Thriller. Die Autopsie/Der Zug funktioniert zudem im zweiten Teil auch perfekt im Action-Bereich. Ein Großteil der Geschichte spielt in einem verschlossenen Eisenbahnwagon, in dem sich Mulder und ein NSA-Agent über Stunden hinweg gegenseitig belauern, während sie zugleich aufeinander angewiesen sind. Der Zweiteiler Der Tag steht schon fest/Herrenvolk fällt dagegen qualitativ leider ab. Trotzdem enthält er einen der besten Dialoge der gesamten Serie (ein Gespräch zwischen dem Krebskandidaten und dem gefangenen Smith).

134 Bei den Einzelfolgen bleibt beispielsweise der düstere Psychothriller Groteske im Gedächtnis. Darin spielt Levani Outchaneichvili einen Mann, der in seinem Wahn, vom Bösen besessen zu sein, völlig irre geworden ist. Das Böse in ihm treibt ihn zu grausamen Morden, bei denen er die Gesichter seiner Opfer zerschneidet. Mein Wille sei dein Wille gipfelt wiederum in einer nervenzerreißenden Szene, in der Mulder durch den »Pusher« (Robert Wisden) dazu gezwungen wird, russisches Roulette zu spielen; mit seinem Kopf und dem Kopf von Scully als Einsatz. Der See enthält wiederum einen wundervollen Dialog zwischen Mulder und Scully über Mulders Gründe, auf der rastlosen Suche nach »der Wahrheit« zu sein. Auch Offenbarung und Parallele loten jeweils den Charakter der beiden zentralen Figuren der Serie auf sehr emotionale Weise aus.

Auf der anderen Seite der Stil-Bandbreite stehen die von Darin Morgan geschriebenen Mystery-Komödien Der Hellseher, Krieg der Koprophagen und Andere Wahrheiten sowie die von Carter geschriebene Episode Energie. Krieg der Koprophagen ist eine wundervolle Hommage an die Krieg der Welten-Hysterie, die Orson Welles berühmtes Hörspiel zu Halloween 1938 ausgelöst hat. Andere Wahrheiten ist ein raffiniertes Puzzle, das mit unterschiedlich empfundenen und erzählten Versionen der Wahrheit spielt. Zudem enthält diese Episode einen schönen Insider-Gag: Das T-Shirt, das der Nerd Blaine 135 Faulkner (Allan Zinyk) trägt, zeigt das Logo der Serie Space 2063 (1995–1996), die von den Akte X-Schreibern Glen Morgan und James Wong produziert wurde. Energie lotet auf sehr schräge Weise aus, was geschehen würde, wenn sich bestimmte Eigenschaften der Menschen unter einem äußeren Einfluss ins Riesenhafte verstärken. Mulder und Scully geraten dabei in einen grotesken Dauer-Zoff. Zudem beginnt Scully zu rauchen und wird rasend eifersüchtig. Mulder hingegen kippt billigen Vodka und ist drauf und dran, mit Detective Angela White (Dana Wheeler-Nicholson) im Bett zu landen, die geradezu über ihn herfällt. Der Hellseher verbindet auf wunderbare Weise Humor und Schwermut, und präsentiert mit »The Stupendous Yappi« (Jaap Broeker) zudem die herrliche Parodie eines Fernseh-Hellsehers (der in Andere Wahrheiten noch einen zweiten Auftritt hat).

Wie immer an dieser Stelle lautet die Devise: Fortsetzung folgt …

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137 Perlentaucher: Westworld von Thorsten Walch

Es ist wahrlich keine leichte Aufgabe, in der heutigen Zeit eine innovative neue Science-Fiction-Fernsehserie herauszubringen. Zu groß ist die Konkurrenz durch gleich mehrere Versionen des Star Trek-Franchise (seit 1966) oder durch eine Realverfilmungs-Serie aus dem Star Wars-Kosmos (seit 1977), um nur ein zwei der Platzhirsche namentlich zu nennen. Doch »nicht ganz leicht« bedeutet nicht »unmöglich«. Ganz ohne Zweifel hat die für den TV-Multi HBO (kurz für »Home Box Office«) produzierte Serie Westworld seit ihrem US-Start im Jahr 2016 ihren eigenen Platz in den Reihen der modernen Klassiker gefunden. Die Ausstrahlung der dritten Staffel wurde Anfang Mai 2020 beendet; eine vierte Staffel ist bereits gesichert. Und das, obwohl das Serienkonzept ganz und gar kein neues ist – jedenfalls nicht ganz …

Anfänge im Kino

Im Jahre 1973, als sich der Science-Fiction-Kinofilm dank Vorreitern wie der Planet der Affen-Filmreihe (seit 1968) oder Stanley Kubricks grandiosem 2001: Odyssee im Weltraum (1968) gerade erst aus dem B-Movie-Bereich herauslöste, sorgte ein ungewöhnlicher Streifen für ansehnliche Erfolge an den Kinokassen: Westworld handelte

138 von einem Freizeitpark einer nahen Zukunft, in dem die Besucher in unterschiedliche Epochen der menschlichen Geschichte reisen konnten, etwa in das alte Rom oder das europäische Mittelalter.

© MGM

Der populärste Themenbereich von Delos, wie der Freizeitpark hieß, war der Wilde Westen: Stilgerecht gekleidet und bewaffnet konnten dort Abenteuer in der amerikanischen Pionierzeit des 19. Jahrhunderts erlebt werden. Die einzigen Bewohner der einzelnen Szenarien waren neben den Besuchern optisch 100%ig authentisch wirkende aber emotionslose Roboter, gegen die man unter anderem in Duellen antreten konnte. Natürlich waren die Roboter auf ein beständiges Verlieren programmiert, obwohl sie mit zumindest begrenzt funktionsfähigen Waffen 139 hantierten. Menschen konnten sie mit diesen jedoch nicht schaden. Eines Tages kam es zu einer Computerfehlfunktion in Delos, und ein finsterer Revolverheld (Yul Brynner) machte nun seinerseits Jagd auf die beiden Freunde Peter Martin (Richard Benjamin) und John Blane (James Brolin). Regie geführt und das Drehbuch geschrieben hatte bei diesem Machwerk ein gewisser Michael Crichton (verstorben im Jahr 2008), ein über zwei Meter großes Multitalent, das nach einem Medizin- und Biologiestudium Autor geworden war und unter anderem die Romanvorlage für den Film Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All (1971) verfasst hatte. 1991 sollte Crichton den erfolgreichen Science-Fiction-Roman DinoPark verfassen, der zwei Jahre später von Steven Spielberg als Jurassic Park verfilmt einer der größten Kinoerfolge seiner Zeit werden sollte. Westworld hingegen war nach der TV-Produktion Pursuit von 1972 Crichtons erste Regie-Arbeit an einem Kinofilm. Da Crichtons Regiedebüt schwarze Zahlen geschrieben hatte, schickte man vier Jahre später die von Richard T. Heffron inszenierte Fortsetzung Futureworld – Das Land von Übermorgen hinterher. Der eher als futuristischer Krimi konzipierte Film mit Peter Fonda (Die Reise zum Mittelpunkt der Erde) und Blythe Danner (Paul – Ein Alien auf der Flucht) in den Hauptrollen konnte dem Vorgänger allerdings nicht auch nur ansatzweise das Wasser reichen und erzählte eine Geschichte, die außer dem inzwischen wieder intakten Freizeitpark Delos als Schauplatz nichts mit Westworld zu tun hatte. Als Gimmick tauchte lediglich Brynner in einer 140 verzichtbaren Traumsequenz noch einmal als der Revolverheld auf. 1980 versuchte man dann erstmals, Westworld wiederzubeleben: CBS (damals noch an 20th Century Studios angeschlossen) produzierte die Serie Beyond Westworld, die handlungsmäßig direkt an den Originalfilm anschloss und die Fortsetzung komplett ignorierte. Im Mittelpunkt der Handlung standen erneut die revoltierenden Roboter von Delos. Die Serie wurde allerdings ein ziemlicher Flop, und man stellte sie nach lediglich fünf je 60-minütigen Folgen wieder ein; auch schaffte sie es nie über den großen Teich nach Deutschland. Lediglich eine einzelne Folge wurde in die Zusatzmaterialien auf der deutschen Blu-ray-Veröffentlichung von Westworld hineingepackt. Und dann geschah lange Zeit nichts … bis Jonathan Nolan (Interstellar) und J. J. Abrams (Lost) kamen.

Ein eingespieltes Team

Nolan, der jüngere Bruder des Erfolgsregisseurs Christopher Nolan (Batman Begins) und Abrams hatten bereits zwischen 2011 und 2016 bei der Mystery-Serie Person of Interest erfolgreich zusammengearbeitet. Nolan selbst erarbeitete zunächst zusammen mit seiner Ehefrau Lisa Joy (bekannt als Drehbuchautorin, Produzentin und Regisseurin unter anderem der Mystery/Comedy-Serie Pushing Daisies) die Storyline für die geplante Serie. Diese sollte wesentlich tiefer in die an sich komplizierte Materie eindringen, als es 141 die beiden Kinofilme und die alte TV-Serie getan hatten. Ein plattes Reboot sollte das Ganze auf gar keinen Fall werden. Einen Bestandteil der vielschichtigen Handlung sollte unter anderem die Frage danach darstellen, ob künstliches Leben ebenfalls echtes Leben sei; nein, die Produktion sollte sich bei Weitem nicht allein auf Action-Aspekte beschränken. Zum eigentlichen Produktionsstab kamen neben Nolan, Joy und Abrams unter anderem Jerry Weintraub (Legend of Tarzan), Richard J. Lewis (Superboy) sowie Bryan Burk und Athena Wickham hinzu, die bei verschiedenen Gelegenheiten (unter anderem bei Star Wars: Das Erwachen der Macht) bereits mit Abrams zusammengearbeitet hatten. Abrams' Firma Bad Robot Productions sollte gemeinsam mit Warner Bros. Television und Jerry Weintraub Productions auch Westworld realisieren. Der Produktionsaufwand würde ein ähnlich hoher sein wie der für die Fantasy-Serie Game of Thrones: Das Lied von Eis und Feuer, die zwischen 2011 und 2019 ebenfalls für den Sendermulti HBO realisiert worden war. Und es gab noch andere Gemeinsamkeit mit Game of Thrones: Da die Sender der HBO-Gruppe lediglich als Pay-TV buchbar sind, unterliegen sie nicht den strengen Vorschriften der amerikanischen Fernsehpolitik und können neben ziemlich derber Brutalität auch sehr offenherzige Sex-Szenen zeigen, was für das restliche US-Fernsehen schlicht ein Ding der Unmöglichkeit ist. Das hatte man bei Game of Thrones zur Genüge ausgenutzt, und auch bei Westworld wollte man sich diese Möglichkeit offenlassen. 142 Erfolgreicher Start

Nach mehr als zwei Jahren Produktionszeit war es dann am 3. Oktober 2016 bei HBO in den USA soweit: Die erste von insgesamt zehn Episoden der ersten Staffel, die den Übertitel Das Labyrinth (im Original The Maze genannt) trug, erlebte ihre Premiere. In Deutschland musste man allerdings noch bis zum 2. Februar 2017 warten, ehe Sky Atlantic HD (der hiesige Vertragspartner von HBO) nachzog. Schon von den ersten Momenten an bemerkte der Zuschauer deutlich das immens hohe Budget, das satte 100 Millionen US-Dollar für nur die eine Staffel betragen hatte. Nolan hatte darauf bestanden, dass die Serie auf 35-mm-Film gedreht werden sollte, obwohl sich das Rohmaterial hierfür mittlerweile nur noch vergleichsweise schwer beschaffen lässt. Die Dreharbeiten hatten in und rund um Los Angeles, in den Warner Bros- und Universal Studios stattgefunden, aber auch auf der Paramount Ranch in den Santa Monica Mountains und der Melody Ranch in Santa Clarita. Die Kulisse der Westernstadt Sweetwater (eine Hommage an den Italo-Western-Klassiker Spiel mir das Lied vom Tod [1968], der in einer Stadt mit diesem Namen spielte) auf der Melody Ranch hatte bereits im Neo-Western-Streifen Django Unchained (2012) von Quentin Tarantino sowie im Remake von Die glorreichen Sieben (2016) Verwendung gefunden. Für die Serie Westworld wurde sie jedoch ein weiteres Mal umgebaut und aufgewertet. 143 Den hohen Produktionskosten angemessen waren weiter zumindest die beiden männlichen Hauptdarsteller der Serie. Diese sind ausgesprochene Filmstars: Der damals bereits 79-jährige Brite Sir Anthony Hopkins war unter anderem als mörderischer Psychiater Dr. Hannibal Lecter in drei Verfilmungen der Romane von Thomas Harris zu sehen gewesen. Sein Kollege Ed Harris hatte hingegen in Blockbustern wie Apollo 13 (1995), The Rock – Fels der Entscheidung (1996) und A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn (2001) mitgewirkt.

© HBO

Hauptdarstellerin Evan Rachel Wood hingegen ist ein ehemaliger Kinderstar und hatte in ihrem Erwachsenenalter in Filmen wie The Wrestler – Ruhm, Liebe, Schmerz (2008) und TV-Serien wie True (2009-2011) mitgewirkt (die übrigens ebenfalls von HBO in Auftrag gegeben worden war).

144 So wie schon bei Game of Thrones waren auch die Episoden von Westworld unterschiedlich lang; sie hatten eine Laufzeit von zwischen 56 und 70 Minuten. Der Serien-Soundtrack stammte von dem iranisch-stämmigen deutschen Komponisten Ramin Djawadi, dessen bekannteste Komposition zweifellos die Musik zu Game of Thrones gewesen war.

Worum geht es?

Wie schon in den Kinofilmen und in der ersten kurzen Serie geht es in Westworld um den futuristischen Erlebnispark Delos, vom dem man erst später erfährt, dass er sich gar nicht in den USA, sondern auf einer entlegenen Insel im chinesischen Meer befindet. Gegründet von dem Milliardär James Delos (Peter Mullan) bevölkern hier die von dem exzentrischen Wissenschaftler Dr. Robert »Bob« Ford (Hopkins) und seinem Team geschaffenen sogenannten »Hosts« verschiedene Welten der Vergangenheit; darunter den Wilden Westen als Hauptattraktion und auch das mittelalterliche Japan. Die Hosts sind völlig menschlich wirkende Bio-Androiden, die auch eigene Empfindungen simulieren können. Immer wieder werden die Hosts von verrohten Besuchern des Parks in vielerlei Hinsicht, darunter auch sexuell, misshandelt und müssen anschließend von Bio-Ingenieur Dr. Bernard Lowe (Jeffrey Wright) und seinem Team wieder instandgesetzt werden.

145 Eines Tages beginnt der als Rancher-Tochter Dolores Abernathy (Wood) agierende Host, sich gegen die Übergriffe durch die Menschen zu wehren, und mehr und mehr Hosts schließen sich ihr an. Sie beginnen damit, Jagd auf die Besucher von Delos zu machen. Dies wird genauestens von dem geheimnisvollen »Mann in Schwarz« (Harris) beobachtet, der seine ganz eigenen Ziele zu verfolgen scheint. Auf seine Weise ist er das neuzeitliche Pendant von Brynners Revolverheld. Das Gleiche gilt auch für Ford selbst, und im Grunde genommen für den größten Teil der überaus zahlreichen agierenden Charaktere der Serie …

Das Mysterium des Lebens

Viel mehr sollte man an dieser Stelle nicht über die Handlung verraten, die über die erste Staffel hinaus zunehmend an Komplexität gewinnt. Neben der schon angesprochenen Frage nach der »wahren« Art von Leben sorgt auch zunehmend die Frage danach, wer eigentlich ein Host ist und wer ein Mensch, für Spannung und den Mystery-Faktor gleichermaßen. Einige menschlich erscheinende Charaktere erweisen sich als Kunstmenschen, während ein paar der vermeintlichen Hosts im Gegenzug echte Menschen sind. Hinzu kommt eine Vielzahl von Schlüsselszenen, deren Bedeutung dem Zuschauer sich erst etliche Episoden, wenn nicht gleich eine ganze Staffel später erschließt. Dies führt schon in Staffel 1 zu etlichen sich auftuenden Rätseln.

146 Trotz des Western-Szenarios fühlten sich angesichts dessen geneigte Science-Fiction-Fans des Öfteren an den Filmklassiker Blade Runner (1982) erinnert, in dem es – wenn auch natürlich in einem komplett unterschiedlichen Setting – um eine sehr ähnliche Fragestellung ging. Auf alle Fälle hob sich die Serie von Anfang an weit vom Bereich der oft üblichen seichten Unterhaltung ab und war ferner auch nicht für Gelegenheitszuschauer geeignet, die sich nur unregelmäßig TV-Episoden anschauen. Bereits ein paar verpasste Szenen einer Folge können dafür sorgen, dass der unaufmerksame Zuschauer komplett den Faden verliert. Trotz reichlich actionreicher Szenen stehen dabei stets der philosophische Ansatz im Vordergrund, und natürlich der Spannungsfaktor, der die Zuschauer schon nach dem Ende von Staffel 1 gespannt zurückließ.

Staffel 2

Bereits während der erfolgreichen Laufzeit von Staffel 1 stand fest, dass es eine Fortsetzung der Serie geben würde. Diese wurde im November 2016 seitens HBO offiziell in Auftrag gegeben. Da die Staffel erneut mit hohem Produktionsaufwand realisiert wurde, dauerte es bis zum April 2018, ehe sie in den USA von HBO ausgestrahlt wurde. Diesmal fand die deutsche Premiere bei Sky Atlantic HD bereits jeweils am Folgetag statt. Staffel 2, diesmal mit dem Übertitel Das Tor (The Door), gestaltete sich in Sachen Handlung ähnlich mysteriös wie 147 die erste, wobei diesmal der »Mann in Schwarz« im Gegensatz zu Ford mehr in den Vordergrund der Handlung rückte und Erstaunliches über seine Hintergründe offenbart wurde. Eine wichtige Rolle spielte diesmal auch die unglückliche Maeve (Thandie Newton), die ein für einen Host ganz besonders tragisches Schicksal erleiden muss. Da ein Teil der zweiten Staffel (neben dem Indien der Kolonialzeit) in der Simulation des mittelalterlichen Japan spielt, gesellten sich die japanischen Schauspieler Hiroyuki Sanada (Army of the Dead), Rinko Kikuchi (Pacific Rim-Filme), Tao Okamoto (Wolverine: Weg des Kriegers) und Masayoshi Haneda (Edge of Tomorrow – Live. Die. Repeat) in tragenden Nebenrollen zur bisherigen Besetzung hinzu. Auch Staffel 2 umfasste, so wie die vorhergehende, zehn Episoden in unterschiedlicher Lauflänge.

Staffel 3

Zwischen März und Mai 2020 war nun mit Neue Welt (The New World) die dritte Staffel von Westworld auf HBO bzw. Sky Atlantic HD sowie auf der hauseigenen Streaming-Plattform Sky On Demand zu sehen. Der größte Teil der neuesten Staffel (die im Gegensatz zu den beiden ersten nur acht Folgen umfasst) spielt außerhalb der Vergangenheitsszenarien von Delos, in der unbestimmten Zukunftswelt, in der der Vergnügungspark existiert. Zentrales Thema ist diesmal der Befreiungskampf der sich immer zahlreicher ihrer selbst bewusst werdenden 148 Hosts unter der Führung von Abernathy, die Hilfe von dem glücklosen Computerprogrammierer Caleb Nichols (Aaron Paul) erhalten. Eine wichtige Rolle spielt auch der französische Großindustrielle Engerraund Serac (Vincent Cassel), der nach dem Wechsel in der Chefetage nunmehr zu den Bossen von Delos gehört. Die Handlungsbeschreibung an dieser Stelle bleibt aus reinen Spannungsgründen erneut eher vage, da es in Staffel 3 einige Wendungen gibt, die man für den interessierten Zuschauer nicht vorwegnehmen sollte.

Erneut wurde bereits während der Ausstrahlung von Staffel 3 bestätigt, dass die Serie um eine vierte Staffel verlängert werden wird. Es ist anzunehmen, dass die Fans und Zuschauer bis 2022 darauf warten müssen, da die Produktion bisher stets jeweils zwei Jahre in Anspruch genommen hat. Es bleibt auf jeden Fall ungemein spannend in dem faszinierenden Serienkosmos, der dem Begriff »Science« in »Science-Fiction« eine besondere Note verleiht. Allerdings muss Zuschauern mit einer Vorliebe für eher unkomplizierte TV-Unterhaltung entschieden von der sich teilweise auf mehreren, nur vage miteinander verwobenen Handlungsebenen abspielenden Serie abgeraten werden: Westworld verlangt seinen Zusehern einiges an echter Konzentration ab. Dafür wird man jedoch mit einer sich kontinuierlich steigernden Spannungskurve und einer durchwegs ausgezeichneten Besetzung belohnt (aufgrund der großen 149 Anzahl konnten an dieser Stelle nur einige wenige der Darsteller genannt werden). Die bislang 28 Episoden von Westworld können auf Sky On Demand angesehen werden, wobei die Folgen der zweiten Hälfte von Staffel 3 aufgrund der Coronavirus-Krise bisher nicht synchronisiert worden sind und so nur im englischen Original vorliegen. Staffel 1 und Staffel 2 sind auch bereits bei Warner Home Video auf DVD und Blu-ray erschienen, die Veröffentlichung von Staffel 3 auf Silberscheibe dürfte noch in diesem Jahr erfolgen.

150 Werbung

151 Im Interview mit Jürgen Kaiser: Wenn die Leidenschaft einen Namen trägt von Reinhard Prahl

Science-Fiction-Fans und insbesondere Star Trek-Fans stellen ja bisweilen gern verrückte Dinge an, um ihr Hobby auszuleben. Da wird gepostet, gebaut, gezeichnet, gephotoshopt, gepodcastet oder auch gefilmt, bis die Schwarte kracht. In dieser Hinsicht ganz besonders irre, im positiven Sinne, ist anscheinend der 39-jährige Jürgen Kaiser. Drei Jahre Zeit steckte er in die Entwicklung seines Stop-Motion-Fanfilms Star Trek Enterprise: Der Zeitspiegel (2008) und noch einmal acht weitere in den nächsten Teil des Zweiteilers (2016). Die Stunden, die der engagierte Jungproduzent in seine Projekte investiert hat, lassen sich kaum messen. Noch verrückter erscheint einem das Ganze, wenn man bedenkt, dass Kaiser und seine Freunde die Filme als voll Berufstätige in ihrer knappen Freizeit realisiert haben. Was dabei herausgekommen ist, konnten inzwischen weltweit tausende Fans bewundern. Kaisers Werke waren unter anderem auf der FedCon zu sehen, und sogar im Nachtprogramm von Tele 5. Wie kommt man aber denn eigentlich dazu, Sets in Puppengröße aus Papier, Kunststoff, Holz und Leim zu bauen

152 und die Gliedmaßen von Actionfiguren in höchster Präzision Stück für Stück zu bewegen und zu fotografieren? Warum setzt man sich hin und tüftelt monatelang an einer Geschichte, entwickelt daraus ein Skript, sucht Sprecher, komponiert, mischt und so weiter und so fort? Wegen der Chance, einmal ganz groß rauszukommen, wird das sicherlich nicht geschehen. Kaiser ist eben Fan aus Leidenschaft, ein Mensch, der sich der Liebe zum Filmemachen, zu Star Trek und neuerdings auch zum Ghostbusters-Franchise verschrieben hat. Im Interview mit der Redaktion des Corona Magazine erzählt der Schweinfurter, was ihn umtreibt.

Reinhard Prahl (RP): Hallo, Jürgen! Du hast dir ja in der Star Trek-Szene mit deinen tollen Filmen einen Namen gemacht. Wie kam es eigentlich, dass du dich auf so eine alte Filmtechnik wie Stop-Motion besonnen hast?

Jürgen Kaiser (JK): Stop-Motion-Filme haben mich schon immer Interessiert. Das fing mit Unser Sandmännchen an und ging über die Jahre weiter mit Sindbads siebente Reise. Die Skelett-Szenen waren für mich sehr spannend, und ich wollte zu gerne wissen, wie die das gemacht haben. Also fing ich an, Making-ofs anzuschauen, um mehr darüber herauszubekommen, wie Filme entstehen, z. B. Tim Burtons Corpse Bride – Hochzeit mit einer Leiche oder die Wallace & Gromit-Reihe. Als dann Jahre später, im Februar 2005 bekanntgegeben wurde, dass die Serie Star Trek Enterprise gegen Ende 153 desselben Jahres eingestellt werden würde, wollte ich zu gerne etwas Eigenes machen, weil ich die Serie einfach toll finde und auch sehr schockiert war, dass sie bald zu Ende gehen würde! Damals waren die sogenannten Brickfilme sehr aktuell, aber ich wollte etwas Neues ausprobieren und dann eben mit Actionfiguren einen Film drehen.

RP: Deine Filme sind eine ausgefeilte Mischung aus Stop-Motion, Set- und Propbau sowie computeranimierten Spezialeffekten. Entsprechend hat es jeweils Jahre gedauert, Teil 1 und Teil 2 deines Projekts fertigzustellen. Wie kommt man auf die verrückte Idee, so viel Freizeit in ein Hobby zu stecken?

JK: Es ist einfach immer wieder schön zu sehen, wie aus einer Idee etwas Konkretes entsteht. Es macht sehr viel Spaß, und es ist spannend, die Entwicklung des fortschreitenden Prozesses des Films zu sehen, neue Leute kennenzulernen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Ohne dieses Projekt würde ich einige tolle Leute heute gar nicht kennen, und dafür bin ich sehr dankbar.

RP: Die Erstellung deiner Filme war in dieser hohen Qualität nur möglich, weil du offensichtlich ein Multitalent bist. Du bastelst, baust, schreibst, fotografierst, filmst, photoshopst und führst Regie. Erzähle uns doch einfach einmal wenig über dich!

154 Jürgen Kaiser

JK: Mein Name ist Jürgen Kaiser ich bin 39 Jahre alt und seit ca. 27 Jahren Star Trek-Fan. Ich bezeichne mich allerdings mehr als stiller Fan. Star Trek Enterprise: Der Zeitspiegel war bei mir die Lernphase. Mit Star Trek Enterprise II: Der Anfang vom Ende wurde es da schon professioneller, mit richtigen Synchronsprechern etc. Und bei unserem aktuellen Projekt

155 Ghostbusters: Der Stop-Motion Fan Film steigern wir uns nochmal; da werden auch Sets gebaut, deren Umsetzung ohne die Erfahrung aus dem älteren Projekt nicht möglich wären.

RP: Der Zeitspiegel wurde für seine tollen Bilder sehr gelobt, erhielt aber auch für die Synchronisation viel Kritik. Du hast darauf reagiert, indem du für Der Anfang vom Ende talentierte Profisprecher um dich herum versammelt hast. War es nicht schwierig, so vielbeschäftigte Künstler für ein Fanprojekt zu gewinnen?

JK: Sagen wir mal so: Es war etwas leichter, als für Star Trek Enterprise: Der Zeitspiegel Leute zu finden. Bei der Produktion von Der Anfang vom Ende konnte man wenigstens schon etwas vorzeigen und zeigen, dass man ein Projekt auch zu Ende bringt, selbst wenn es mehre Jahre dauert. Zudem hatte ich sehr viel Glück, dass Sabrina Heuer-Diakow sich für die Rolle von T’Pol beworben hatte und wir uns sofort bei unserem Treffen auf der FedCon sehr gut verstanden haben. Zum Glück konnte ich sie mehr und mehr für das Projekt begeistern. So wurde aus einer Sprecherbewerbung eine Co-Produzentin, und später führte sie mit ihrer Erfahrung Sprecher-Regie und fragte ihre Kollegen, ob sie uns für unser Projekt ihre Stimme leihen könnten.

156 RP: Du wurdest für Teil 1 und 2 des Films 2008 und 2016 jeweils mit dem »Amateurfilm-Forum Movie Award« und für Teil 2 darüber hinaus noch mit dem »TELE5 Sonderpreis« vom »Camgaroo Award« für den »besten Film über alle Kategorien« geehrt. Wie fühlt man sich, wenn man sich plötzlich so in seiner Arbeit bestätigt sieht?

© Paramount / CBS

JK: Es war schon eine große Ehre, für einen Stop-Motion-Film für den »Camgaroo Award« 2016 überhaupt nominiert zu werden, und dann tatsächlich den

157 Preis für den besten Film über alle Kategorien zu gewinnen. Das Beste an der ganzen Sache war ja natürlich der Gewinn: eine TV-Ausstrahlung bei Tele 5, was dann ja auch am 2. Januar 2017 um 02:00 Uhr nachts passierte. Als wir dann noch die Einschaltquote von Tele 5 bekommen haben (ca. 70.000 Zuschauer bei einem Marktanteil von 2,5 %), war die Euphorie sehr groß, und ab da war auch klar: Jetzt möchte ich weitermachen, ein neuer Film muss her. Eigentlich war gar kein neues Filmprojekt geplant; nach acht Jahren Produktionszeit war ich froh, diesen Film zu Ende gebracht zu haben. Dann merkte ich aber, dass ich mit Star Trek Enterprise II: Der Anfang vom Ende mehr erreicht hatte, als ich mir jemals zuvor hatte vorstellen können. Wenn man dann noch so viele Ideen im Kopf hat und die gerne verwirklichen will, macht man eben weiter.

RP: Vor einiger Zeit haben bekanntlich CBS und Paramount Pictures ihre Fanfilm-Guidelines nach einem Rechtsstreit mit den Machern von Auftakt zu Axanar angepasst. Eine Fortsetzung deiner Arbeit an Star Trek Enterprise wurde damit so gut wie unmöglich. Wie hast du die Situation damals erlebt?

JK: Star Trek Enterprise II: Der Anfang vom Ende war gerade einmal zwei Wochen auf YouTube, als diese Nachricht kam. Ich hatte damals definitiv Angst und Panik, dass wir den Film nach acht Jahren Produktionszeit wieder würden runternehmen müssen. Der Film wurde für eine kurze Zeit 158 auch tatsächlich von CBS wegen Urheberrechtsverletzung gesperrt. Genauer gesagt wegen der Abmischung, was wir überhaupt nicht verstanden haben, weil gerade diese überwiegend von uns selbst erstellt worden war. Nach zwei Wochen kam dann die erlösende Nachricht, dass alle Fanfilme, die vor der Veröffentlichung der Richtlinien auf YouTube gestellt worden waren, von CBS geduldet werden. Somit sind wir tatsächlich weltweit der letzte Fanfilm, der auf einer originalen Serie von Star Trek basiert.

RP: Dein neuestes, vielversprechendes Projekt ist ja eben ein Ghostbusters-Fanfilm. Warum ausgerechnet Ghostbusters?

JK: Ghostbusters war eigentlich gar nicht so geplant wie es jetzt produziert wird. Eigentlich wollte ich nur einen kurzen Clip drehen, mit der Fahrstuhlszene aus dem ersten Teil. Aber wir durften ja plötzlich kein Star Trek mehr produzieren, obwohl wir eigentlich bereits eine Online-Serie in Planung gehabt hatten. Die erste Staffel mit fünf Folgen war sogar schon als Drehbuch fertiggeschrieben worden. Ghostbusters ist ein Film, der mich sehr geprägt und fasziniert hat. Es ist einmal mehr ein Kindheitstraum, diesen Film zu produzieren. Es macht einfach Riesenspaß.

RP: Wie läuft das eigentlich mit den Rechten, zumal ja im März 2021 ein neuer Ghostbusters-Film erscheinen soll? Stehst du da mit Sony in Kontakt? 159 © Sony Pictures

JK: Ja, ich stehe mit Sony Deutschland in Kontakt, und die Leute da sind sehr begeistert über das Filmprojekt. Sony ist in dieser Sache nicht so streng wie CBS. Da steht man mehr zu seinen Fans und begrüßt Fanfilme. Ich bin gespannt, wie sich das in den nächsten Jahren so weiterentwickelt, zumal wir auch mit Paramount Pictures Deutschland zuerst ein sehr gutes Verhältnis hatten.

RP: Wie weit ist die Arbeit gediegen? Wann dürfen wir mit der Veröffentlich des vollständigen Films rechnen?

JK: Das wird noch eine ganze Weile dauern. Der Film wird ja wieder von uns in der Freizeit produziert und nicht in Vollzeit. Ich möchte wieder etwas Besonders auf die Beine stellen, und das braucht nun einmal Zeit. 160 RP: Danke für das interessante Gespräch und viel Erfolg mit Ghostbusters, lieber Jürgen.

JK: Ich habe zu danken!

161 Phantastisches Spielen

ALONE – Einsames Erwachen: Die Umkehr bekannter Spielmechaniken von Peter R. Krüger

Bei ALONE handelt es sich um einen Science-Fiction Dungeon Crawler der anderen Art. Der Titel verrät die Besonderheit bereits, denn es gibt hier, anders als in anderen Spielen, nur einen einzigen Helden, dafür aber bis zu drei Mitspieler, die versuchen können, den einsamen Helden in diesem Spiel zu erledigen.

Zunächst sei anzumerken, dass die aktuelle Lage rund um den Corona-Virus es mir und meinen Spielkomplizen bisher unmöglich gemacht hat, dieses Spiel tatsächlich auf Herz und Nieren zu testen. Und dennoch soll ALONE nicht totgeschwiegen werden, bis sich die Lage normalisiert. ALONE bietet einiges Potential, um die Zeit bis zur gemeinsamen Spielrunde gut überbrücken zu können.

Der Inhalt

Wie in vielen anderen getesteten Spielen der letzten Zeit weist auch ALONE eine Vielzahl an Material auf, das das

162 Spielerherz höherschlagen lässt: 23 Miniaturen, 3 Regelhefte, 1 Szenarioheft, 1 Heldentableau, 1 Sichtschirm, 8 Würfel, 2 Kartenteile, 21 Ausrüstungskarten, 4 Charakterkarten, 104 Reaktionskarten, 24 Missionskarten, 4 Referenzkarten, 1 Kompassmarker, 10 Türen mit Standfüßen, 1 Anführermarker, mehr als 100 weitere Marker und mehr als 30 Sektorteile. Für Ordnung in der Box sogen mehrere Plastikschalen, die die Grundbedürfnisse ordnungsliebender Spieler zufriedenstellen dürften. Aufmerksamkeit erregen hier vor allem aber die 3 Regelhefte, das Szenarioheft und die 23 detaillierten Miniaturen.

Die Regelhefte

163 Der Heidelberger Spieleverlag bietet den Service, sich alle Regelhefte und auch das Szenarioheft herunterladen zu können, so dass sich alle Mitspieler separat in ihre Rollen einlesen können. Als erstes steht hierfür ein Regel-Intro bereit. Ein Regelheft für alle Spieler, das den Aufbau und die Grundregeln erklärt. Danach wird es spezifischer. Das Heldenkompendium und das Gegenstück, das Kompendium der bösen Mächte, stimmen die Spieler auf ihre Rollen am Spieltisch ein. Schließlich folgt dann noch das Szenarioheft, um die richtige Stimmung aufzubauen und eine richtige Abenteuerkampagne zu präsentieren.

Das Spiel

164 Hier handelt es sich um ein Zukunftsszenario. Das Raumschiff, in dem die vier Heldencharaktere zu einem fernen Planeten unterwegs waren, havarierte und so musste die Mannschaft mit ihren Rettungskapseln notlanden. Nur ein Charakter wacht nach der Notlandung auf, doch wo sind die anderen? Was ist mit ihnen geschehen? Nach und nach wird die Kampagne den Weg weisen und allen Spielerfiguren ihren Platz in der Kampagne bieten. Es ist möglich, dass entweder ein Spieler alle Szenarien allein als einer der Helden spielt (je nach Szenario unterschiedlich) oder dass der Spieler mit dem jeweiligen Charakter wechselt, so dass alle Mitspieler in den Genuss kommen, sowohl Held als auch finsterer Schurke zu sein. Ein entscheidendes Element des Spiels besteht darin, dass der Heldencharakter nicht wie wild um sich ballert. Er kommt besser weiter, wenn er Hinweise sammelt und versucht, Hinterhalte der bösen Mächte zu umgehen.

Die Miniaturen

Von den vier Helden bis hin zum scheußlichen Bossgegner sind alle Plastikminiaturen schön detailliert gestaltet. Gerade jetzt, da gemeinsames Spielen noch eingeschränkt ist, kann man die Zeit hervorragend nutzen, um den Miniaturen mit etwas Grundierung und Acrylfarben Leben einzuhauchen. Denn dafür bieten sie sich regelrecht an. Tabletopspieler kennen das Prozedere aus dem FF, für Brettspieler gehört das Bemalen von Spielfiguren nicht 165 unbedingt zum Standard. Doch es ist weniger schwer, als es den Anschein hat. Etwas Übung braucht man jedoch schon.

Das ganze Spiel kann man natürlich einfach so auspacken und drauflos spielen. Keine Frage.

Doch da ja gerade sowieso das gemeinsame Spielen mit Freunden aktuell wenig bis gar nicht möglich ist, wie wäre es denn damit, die Miniaturen schonmal stimmungsvoll zu bemalen? Sie wissen nicht wie? Dann folgen hier ein paar grundlegende Tipps:

Ein paar Sachen benötigen Sie. Dünne Pinsel, eine Farbpalette (eine, die man auf den Tisch abstellen kann,

166 weil Sie beide Hände zum Bemalen benötigen – ansonsten gehen auch kleine Schälchen, die Sie »versauen« können), Grundierungsfarbe (ein sogenannter »Primer«) und dann noch die gewünschten Acrylfarben. Nehmen Sie bloß keine Lackfarben, die sind für diese Art der Bemalung nicht geeignet. Eine Standlupe kann sich auch gut machen, um die Details beim Bemalen besser abgrenzen zu können. Stellen und legen Sie sich dann noch ein Schälchen mit Wasser und ein fusselfreies Tuch bereit, um den Pinsel zwischendurch zu säubern. Das Tuch wird definitiv sehr bunt werden, also nehmen Sie besser nicht das Lieblingsgeschirrhandtuch, sondern das, was sowieso bald weggeworfen gehört.

Ein, zwei Übungsfiguren können auch nicht schaden, um ein Gefühl für die Sache zu bekommen. Suchen Sie einfach nach Tabletop Miniaturen.

Haben Sie alles zusammen, können Sie loslegen. Als erstes müssen die Figuren grundiert werden. Sie fragen sich warum? Weil die Farbe sonst nicht auf dem Untergrund hält. Der Primer besitzt eine besondere Konsistenz, um die Oberfläche der Figuren vorzubereiten und die Farben gut aufzunehmen. Gerade wenn Sie sich neu mit diesem Thema befassen, ist weißer Primer zu bevorzugen, damit Sie die Details beim eigentlichen Bemalen besser erkennen können. Lassen Sie stets die Figuren trocknen, bevor Sie den nächsten Schritt gehen.

167 Nach dem Grundieren ist das eigentliche Bemalen dran. Lassen Sie sich dafür Zeit, es ist nicht schlimm, wenn Sie für einzelne Figuren mehrere Tage brauchen. Hier kommt es nicht auf Schnelligkeit an. Das Ergebnis soll ja gut werden. Haben Sie alles nach Ihren Vorstellungen bemalt, können Sie dem Ganzen noch das i-Tüpfelchen verpassen. Hier heißt das Zauberwort »Shader«, mit dem Sie für akzentuierte Schattierungen sorgen können. Die Kunst dabei liegt in der Menge des benutzten Shaders. Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Probieren Sie auch das lieber erst einmal an Ihren Übungsfiguren aus, um auch dafür ein Gefühl zu entwickeln.

Zu guter Letzt sollten die Figuren noch versiegelt werden, damit sich die Farbe nicht gleich wieder abgreift, sobald das Spiel startet. Auch hier gibt es professionelle

168 Versiegelungsfarben, aber eine einfache und effiziente Methode ist es, die Figuren abschließend rundum mit Haarspray einzusprühen. Kostet weniger und funktioniert genauso gut.

Wer hierbei eine neue Leidenschaft entdeckt hat, für den sind dann auch die Erweiterungspacks von besonderem Interesse.

Die Erweiterungen

Drei stimmungsvolle Erweiterungen gibt es für das ALONE Grundspiel. Die »Alpha Expansion«, »Avatar Expansion« und die »Deep Expansion«. Zusammengenommen warten hier nochmal insgesamt 18 neue Miniaturen, erweiterte Spieloptionen für beide Seiten und neue Missionen auf die Spieler, um eigene Szenarien zu kreieren und sich daran auszuprobieren.

169 Fazit

ALONE macht im Vorfeld alles richtig. Es stellt bekannte Spielmechaniken auf den Kopf, indem es mehrere »Dungeonmaster« und nur einen Spieler gibt. Das weckt die Neugier. Das Spielmaterial ist hochwertig und die Miniaturen sauber detailliert. Die Miniaturen lassen sich auch im bemalten Zustand gut aufbewahren, weil der Heidelbär den Packungen (auch den Erweiterungen) vorgeformte Plastikeinsätze spendiert. Die Regeln wirken in der Theorie verständlich, die praktische Umsetzung konnte leider noch nicht getestet werden. Für den Moment bleibt es bei der Tendenzeinschätzung und die sieht für ALONE wirklich gut aus.

170 Die Empfehlung lautet, die Regelhefte kostenfrei beim Heidelbär herunterzuladen und durchzulesen. Wenn hier Interesse geweckt wird, kann man die Zeit durchaus mit dem Bemalen der Figuren überbrücken, oder einfach die Spielebox für den nächsten erlaubten Spieleabend bereitstellen.

Wettstreit der KIs: Black Angel von Kai Melhorn

Black Angel fällt ins Auge: große, schwere Box, auffallende Optik. Die Mechaniken sprechen für ein lupenreines Euro-Game, und die Autoren, die auch das viel gelobte

171 Troyes (mittelalterliches Setting) entworfen haben, für ein Spiel mit Tiefgang. Dazu noch ein Designer, dem es immer gelingt, den Kern des Spiels zu treffen. Kann da was schiefgehen? Das Ziel soll gewesen sein, kein 08/15-Weltraumspiel zu entwerfen. Das ist zweifellos gelungen.

Black Angel erzählt die Geschichte des gleichnamigen Raumschiffs, welches sich auf einen beschwerlichen Weg zum Planeten Spes aufgemacht hat. Dieses Schiff hat keine geringere Aufgabe, als das Überleben der menschlichen Spezies zu sichern und das Erbgut der Menschheit bis zum neuen Heimatplaneten zu bringen. Die Steuerung des Schiffs wird gleich mehreren künstlichen Intelligenzen überlassen, denn die Nationen der Erde ließen es sich nicht nehmen, jeweils eine eigene KI zu entwickeln, die nun alle gleichzeitig für das Wohl des Schiffes und der wertvollen Fracht zuständig sind. Im Laufe der Jahre hat sich die Menschheit sowohl Freunde als auch Feinde gemacht, und daher werden die Ressourcen der Black Angel genutzt, um auf gemeinsame Missionen zu gehen und Handel zu betreiben. Die Feinde der Menschheit aber wittern ihre Chance, greifen das Schiff gnadenlos an und versuchen, es zu zerstören, bevor es auf Spes ankommt.

Im Rahmen dieser Geschichte übernehmen die Spieler die Rolle der KIs. Sie schicken Roboter auf Missionen, entwickeln Technologien, wehren die Reaver (die Angreifer) ab und reparieren das Schiff. So gesehen wäre das ein 172 wunderbares Setting für ein kooperatives Spiel, in dem gemeinsam um das Überleben der Menschheit gekämpft wird. Das Spiel ist aber nicht kooperativ und dementsprechend wird es notwendig, dass die KIs miteinander im Wettstreit sind. Aber warum sollte es einen Wettstreit zwischen KIs geben? Und überhaupt ist die Vorstellung, eine künstliche Intelligenz zu spielen, nicht übermäßig reizvoll, oder? Die Antwort ist nicht einfach und wurde schon kontrovers diskutiert. Die effizienteste KI, die am Ende der Reise die meisten Systemprotokolle (SP) gesammelt hat, darf die Menschheit auf Spes in ihre blühende Zukunft führen. Die Beste gewinnt. Das wars.

Ich bin von der Story nicht übermäßig begeistert, aber ich finde sie auch nicht schrecklich. Mit ein wenig Fantasie ist

173 die Story auch noch ausbaubar und der Wettstreit sowie das Misstrauen der Nationen gegeneinander werden förmlich greifbar. Warum man jedoch auch gewinnen kann, wenn die Black Angel zerstört wird, und warum man nach einer langen, guten Zusammenarbeit (der Flug soll laut Anleitung 1000 Jahre dauern) dann unbedingt alle bis auf eine KI abschalten will, sei dahingestellt.

Die Verpackung verspricht Spielspaß für ein bis vier Spieler ab zwölf Jahren und eine Dauer von 60 bis 120 Minuten. Diese Angaben sind in meinen Augen realistisch, aber natürlich hängt die Spieldauer stark vom Grübelfaktor der Mitspieler ab. Es gibt eine Menge zu beachten und jede Entscheidung könnte man gleich schon wieder bereuen, wenn man nicht alles durchdacht hat. Dementsprechend kann man mit zwölf zwar wahrscheinlich schon mitspielen, aber meine erste Wahl wäre Black Angel in dieser Altersgruppe eher nicht.

Das Material

Gut finde ich die gesamte Haptik und zu einem großen Teil die Optik. Die Würfel bilden das zentrale Element des Spiels und sind entsprechend wertig. Eine weitere wichtige Rolle übernehmen die Roboter und die Raumschiffe, und die sind tatsächlich ganz wunderbar. Die kleinen Robbis werden entweder an Bord der Black Angel eingesetzt oder in ihren Raumschiffen auf Mission geschickt. Für die Missionen werden die Roboter in die Schiffe gesetzt und passen dort 174 unglaublich gut hinein. Fertigungstechnisch toll gemacht, denn die Toleranz ist hier wirklich minimal und mir ist keine Kombination untergekommen, wo der Roboter nicht optimal in das Raumschiff gepasst hätte. Die Karten im Spiel werden auf vielfältige Art und Weise auf dem Tisch verbreitet und haben dafür die richtige Größe und Stärke. Die Pappteile, Marker und Diamanten sind auch ganz nett, wenn auch nichts Besonderes.

Der Aufbau der Spielfläche ist hingegen tatsächlich keine Alltagskost. Während das klassische Spielbrett das Innere der Black Angel darstellt, wo sich alles um Würfel, Aktionsfelder und die Invasion der Reaver dreht, liegt daneben ein eigenständiger Spielplan, der die Reise der Black Angel simuliert. Der Weltraum besteht aus Pappteilen, die aneinandergelegt werden und so eine große Fläche ergeben. Zu bestimmten Zeiten nimmt man eines dieser Pappteile von hinten weg, dreht es um und legt es auf der anderen Seite an. Dann rückt man die Black Angel, die in Form einer schönen Plastikminiatur in der Mitte Feldes aufgestellt wurde, ebenfalls ein Feld nach vorn. So bewegt sie sich immer weiter durch den Raum und schließlich taucht am Ende die neue Heimatwelt auf und das Spiel nähert sich dem Ende. Die gestarteten Raumschiffe bewegen sich dort ebenfalls um das Mutterschiff herum, sodass neben dem Aktionsauswahlmechanismus noch ein weiterer Aspekt mit Bewegung im Weltraum hinzukommt.

175 Weniger überzeugt bin ich von der Anleitung, denn nicht immer ist mir klar, wo ich ein bestimmtes Detail nachlesen kann. Teilweise werden Aktionen auch nur im Anhang in der Detailtiefe erklärt, wie man es sich für die Hauptanleitung gewünscht hätte. Zudem lässt die Spielerhilfe eine ganz Aktion weg, die auch in der Anleitung schon zu kurz kommt. Ansonsten ist das kleine Heft aber durchaus verständlich geschrieben und übersichtlich gestaltet.

Die Farbwahl ist aber in jedem Fall gewöhnungsbedürftig, da sie mich doch arg an die alten Zeiten mit meiner CGA-Grafikkarte erinnert. Weiß, pink, türkis und dunkelrot sind schon harter Tobak für die Spielerfarben. Allerdings hat diese seltsame Farbwahl den positiven Nebeneffekt, dass auch Farbenblinde damit gut auskommen müssten (zur

176 Überprüfung habe ich eine App verwendet, die verschiedene Fehlsichtigkeiten im Farbspektrum simuliert). Am Schluss seien noch die ganzen Symbole erwähnt, die ein Spieler lernen muss. Es gibt reichlich davon und nicht alle sind sofort verständlich. Hier benötigt man etwas Zeit, um sich hineinzudenken, und man sollte den recht handlichen Anhang immer griffbereit haben, auf dem alle Karten und Plättchen einzeln erklärt werden.

Zusammengefasst bin ich mit dem Material sehr zufrieden, die Anleitung und die Spielerhilfe sind jedoch nicht perfekt gelungen.

Das Spiel

Nachdem der Aufbau erledigt wurde, wirft jeder Spieler seine drei Startwürfel, je einen der drei verfügbaren Farben, und legt sie in den persönlichen Bereich. Jede Runde muss man sich dann zwischen zwei verschiedenen Phasen entscheiden. In der Phase, die normalerweise gespielt wird, führt man Aktionen aus, in der anderen setzt man Teile des Spielfeldes zurück, bewaffnet sich mit neuen Würfeln und bewegt das Raumschiff weiter. In der nächsten Runde geht es dann wieder mit der anderen Phase weiter, in der man einen Würfel einsetzt, die entsprechende Aktion durchführt und ihn dann wieder in den allgemeinen Vorrat zurücklegt. Der Wert des Würfels (null bis drei) bestimmt dabei die Stärke der Aktion, was natürlich dazu führt, dass man auch mal Pech haben kann. 177 Allerdings gibt es Möglichkeiten, mehr aus seinem Ergebnis zu machen. Zunächst kann man eine bestimmte Ressource nutzen und einem anderen Spieler einen seiner Würfel abkaufen. Hat dieser nicht vorher schon ebenfalls eine Ressource investiert und den Würfel geschützt, kann er sich auch nicht dagegen zur Wehr setzen. Außerdem gibt es Schrott, der bei Reparaturen des Schiffes anfällt und gesammelt werden kann. Gibt man einen Schrottwürfel aus, lassen sich ausschließlich eigene Würfel auf die andere Seite drehen, die grundsätzlich um zwei Punkte stärker oder schwächer ist. Somit lässt sich also viel Pech kompensieren, und manchmal ist es sogar gut, weniger hohe Werte zu würfeln. Dieser Mechanismus funktioniert prima und hält das Spiel spannend. Der Blick aufs Brett zeigt recht schnell,

178 mit welchen Würfeln man wahrscheinlich planen kann. Dennoch ist es immer wieder spannend, wenn die Gegner an der Reihe sind und sie sich für einen Würfel entscheiden. Es gibt allerdings auch frustrierende Momente, in denen absehbar ist, dass man die letzte wichtige Aktion nicht mehr ausführen kann.

Die verfügbaren Aktionen sind insgesamt überschaubar. Man kann Raumschiffe starten und im All Missionen erledigen. Diese geben entweder später einen Bonus oder können ebenfalls per Würfel aktiviert werden. Dadurch bekommt man Ressourcen, Raumschiffe oder auch Roboter, und natürlich ist das auch eine gute Möglichkeit Siegpunkte zu erlangen. Diese beiden Aktionen stehen mit jeder Würfelfarbe zur Verfügung, sie müssen dann nur zu der Missionskarte passen, die zum Einsatz kommen soll.

Die dritte Aktion ist je Farbe individuell. Mit gelb kann man Technologien erforschen, mit grün marodierende Reaver vom Schiff vertreiben und mit grau kann man die Schäden reparieren, die sie dort angerichtet haben. Jede dieser Aktionen liefert ihren eigenen Beitrag für das Erlangen von Siegpunkten.

Abgesehen von Missionen kommt für den Gewinn von Punkten ein Technologiespielbrett ins Spiel, das jeder vor sich liegen hat. Dort werden Technologien platziert, die durch den Einsatz von Schrott aktiviert werden können. Es gibt auch Spezialtechnologien, die nur der Generierung von 179 Siegpunkten dienen, aber leider nicht uneingeschränkt genutzt werden können. Nur wenn man sich durch Weltraummissionen bei anderen Völkern verdient gemacht hat, bekommt man mehr Siegpunkte. Dieser Mechanismus klingt reizvoll, will aber einfach nicht so recht in das Konzept passen und wirkt deswegen ein wenig zu sehr hineingepresst. Zudem scheint die Arbeit, die man investieren muss, für den Gewinn zu hoch zu sein.

In Summe ergibt sich durch die Verzahnung aller möglichen Aktionen ein äußerst interessantes Puzzle. Wie in einem Spiel dieser Art meistens der Fall, hat man immer zu wenig Aktionen und immer hapert es an irgendwas. Dazu kommt die Planung der Aktionen, die auch immer die Möglichkeiten der anderen Spieler mit einbeziehen muss. Es ist auf der einen Seite wunderbar, könnte meiner Meinung

180 nach für den einen oder anderen Spieler aber auch zu viel Verzahnung sein. Zu selten gelingt eine Aktionskette so, wie man es sich wünschen würde, niemals hat man das Gefühl, den großen Wurf geschafft zu haben. Dennoch krabbelt man an der Siegpunktleiste Stück für Stück nach oben und es kommt irgendwann zum spannenden Finale. Schließlich geht es den anderen Spielern häufig nicht viel besser. Auch der Solo-Modus hat seinen Reiz, und es gelang mir nicht auf Anhieb, den virtuellen Gegner zu schlagen. Ganz ohne glücklich gezogene Karten wäre mir ein Sieg bisher vielleicht gar nicht gelungen.

Fazit

Black Angel ist ein außergewöhnlicher Titel. Die Interaktion in beiden Spielflächen, das Klauen der Würfel, der rotierende Spielplan und nicht zuletzt auch die Optik laden zu Diskussionen förmlich ein. Fast jeder Mechanismus und viele Designentscheidungen haben das Potenzial, die Spielerschaft zu spalten. Ich finde das Spiel trotz eines gewissen Frustpotentials und an einigen Stellen mechanisch wirkender Verzahnung aber gelungen und werde es gern noch einige Male spielen. Wem kann ich Black Angel nun also ans Herz legen? Wer sich gern in komplexe Spiele hineindenkt und es mag, ein Spiel zu verstehen, seine Strategien zu optimieren und es schlussendlich meistern zu können, hat hier eine Nuss zu knacken. Ich bin jedenfalls noch dabei.

181 Black Angel Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 12 Jahren Sébastien Dujardin, Xavier Georges, Alain Orban Asmodee 2019 EAN: 3558380065364 Sprache: Deutsch Preis: EUR 67,99

182 Gaia Project: „Netter Planet – Den nehmen wir!“ von Peter R. Krüger

Das Zitat aus der Science-Fiction-Komödie Mars Attacks! passt für dieses Spiel wie die besagte Faust aufs Auge. Schließlich gehört es in diesem Spiel dazu, sich mit seinem ausgewählten Volk von Weltraumfahrern in der Galaxie auszubreiten.

Doch aktuell stellt sich vielen Brettspielern die Frage, wie man derzeit eigentlich Spiele spielen kann, wenn man sich doch nicht treffen darf? Eben diese Problematik betrifft auch Rezensionsexemplare. Meine Spielkomplizen hätten zwar Zeit, treffen ist aber derzeit nicht drin. Auch wenn es in den Fingern juckt: Vernunft geht vor! Zum Glück gibt es aber bei manchen Spielen die Möglichkeit eines Solospiels. So auch beim Spiel Gaia Project, für welches hier nun eine Rezension folgt.

183 Gaia Project ist ein strategisches Aufbauspiel aus dem Hause Feuerland Verlagsgesellschaft mbH und wartet nicht nur mit einer Unmenge an Spielmaterial auf, sondern auch mit der sogenannten Automa-Solospiel-Variante. Solospiel? Das klingt bei Brettspielen meist eher langweilig. Ist aber bei gut durchdachten Regeln nicht der Fall.

Worum geht es?

Jeder Spieler übernimmt in diesem Spiel eines von 14 wählbaren Völkern, um die Planeten einer Galaxie zu besiedeln, dabei Forschung zu betreiben und das eigene Volk weiterzuentwickeln. Spieler von einschlägigen Computerspielen mögen hier vielleicht gleich an Games wie

184 Master of Orion oder Galactic Civilizations denken und liegen damit gar nicht so verkehrt. Diese Spiele gelten als Vertreter des sogenannten 4X-Genres (engl. explore, expand, exploit, exterminate = Auskundschaften, Ausbreiten, Ausbeuten, Auslöschen). Gaia Project verfolgt ähnliche Strategien, allerdings muss man die Formel hier auf 3X reduzieren. Denn Auslöschen, also ein kriegerischer Eroberungsfeldzug, bleibt hier außen vor. Und das ist auch gut so!

Das Material

10 Raumteile als variables Spielfeld, 7 doppelseitige Völkertableaus für die Mitspieler, ein gemeinsames Forschungstableau und ein Wertungstableau stellen die Basis des Spiels dar. Dazu kommen noch 147 detaillierte Gebäude und Einheiten, über 300 Spielsteine und mehr als 120 Plättchen aus Karton. Alles stabil und gut verarbeitet. Für das Solospiel stehen dann noch 30 Automa- und Spielhilfekarten bereit. Was bei der Menge an Material besonders positiv auffällt ist nicht nur die gute Verarbeitung des Spielmaterials, sondern auch, dass die »Feuerländer« gleich mitgedacht und einen Satz Klemmtüten beilegt haben, damit man das ganze Material auch passend sortiert halten kann. So staunt man nicht nur über die Materialmenge, sondern freut sich auch gleich, dass dieses nicht wie verrückt durch den Karton schleudert, wenn man dann

185 irgendwann das Spiel wieder für eine Spielrunde zu seinen Freunden mitnehmen kann.

Das Solospiel

Wie bereits erwähnt verbietet sich aktuell eine gemeinsame Spielrunde mit Freunden. Und obwohl der Solomodus sicher nicht für eine solche Situation konzipiert wurde, war die Gelegenheit günstig, Gaia Project allein zu spielen.

Das Wichtigste, das man hierbei benötigt, ist Zeit. Sowohl der Aufbau des Spiels verschlingt gerade beim ersten Mal einiges an Zeit als auch die Durchführung der ersten Runden. Denn dieses Spiel ist komplex. Und obwohl die Automa-Regeln versuchen, die einzelnen Schritte logisch

186 aufzuführen und den Spieler damit durch die ersten Züge zu führen, bleiben dem Neuling in manchen Situationen einige Fragezeichen im Gesicht stehen. Hier haben wir (OK, im Solomodus »ich«) den Schwachpunkt des Spiels entdeckt: Wer sich allein durchwuseln muss, wird an manchen Stellen nicht drum herumkommen, sich durch die Regelhefte zu blättern. Auch das verschlingt einiges an Zeit. Hat man aber die ersten zwei Runden geschafft (wir reden hier bestimmt von einer Stunde, die beim ersten Solospiel dafür verstreichen kann), beginnt sich ein Funken Vertrautheit in der Spielmechanik auszubreiten. Um an dieser Stelle nochmal die 4X-Computerspiele zum Vergleich hinzuzuziehen, ist noch eine Gemeinsamkeit festzustellen. Man muss sich in das Spiel einarbeiten. Das kann eine Zeit lang den Spielspaß etwas dämpfen, doch sollte man seine erste Partie wirklich als Lernspiel ansehen. Im Solotestspiel wurden die Empfehlungen der Automa-Regeln eingehalten und tatsächlich steigerte sich der Spielspaß ab der dritten Runde langsam. Der Spielablauf wurde klarer, die Mechanik einleuchtender und auch die Aktionen des automatschen Gegenspielers in gewisser Weise nachvollziehbar.

187 Der automatische Gegner

Hat man die Lernkurve nach den ersten Runden genommen (aber längst noch nicht gemeistert), werden nicht nur die eigenen Züge planbarer, sondern auch die Gefahren, die im automatischen Gegner stecken. Der kann nämlich Runde für Runde mehr Aktionen durchführen und sich, wenn das Spiel schlecht läuft, zum Ende des Spiels rasant ausbreiten und verbessern. Bis dahin hat sich aber der Spaßfaktor bereits eingestellt und man merkt, welches Potential in diesem Spiel steckt. Tatsächlich kann man sich bei den Aktionen des Automa-Gegners genauso freuen oder ärgern, als würde ein echter Mitspieler versuchen, einem den Rang abzulaufen. Das kann so weit gehen, dass man sich, nachdem der

188 Gegner wieder einen Forschungsfortschritt errungen oder einen neuen Planeten besiedelt hat, irgendwie eine riesige Weltraumflotte wünscht, um den Gegner von Planeten zu jagen, die man doch für sich selbst im nächsten Zug einnehmen wollte. Raumflotten gibt es jedoch nicht, denn dieses Spiel setzt auf den sportlichen Wettstreit. Wer am Ende die meisten Punkte hat, hat die Partie gewonnen. Für Spieler, die anderen gern Steine in den Weg legen, mag dieses Prinzip weniger reizvoll sein. Wer sich jedoch gern in einem fairen Wettstreit messen möchte, hat ja immer noch die Gelegenheit, dem Gegner Forschungsfortschritte oder Planeten streitig zu machen, ohne dass es zu einem (spielerischen) bewaffneten Konflikt kommt.

189 Fazit

Es gibt bei diesem Spiel mehrere Phasen, die man durchläuft. Zuerst das einfache Staunen darüber, wie viel Material in dieser Box geliefert wird. Dann die Vorfreude beim Aufbauen, gefolgt von einer Motivationsbremse beim Erlernen des Spiels. Das liegt tatsächlich aber eher daran, dass eine übersichtliche Kurzregel oder eine Frage-&-Antwort-Beilage (FAQ) fehlt. Etwas Zeit zum Einlesen in die Regeln muss man unbedingt mitbringen, um in die nächste Phase zu kommen. Und die lautet aufsteigender Spielspaß, sobald man die Möglichkeiten des Spiels durchdrungen hat. Und selbst wenn man das Spiel verliert, ist nun auf einmal die Motivation da, es noch einmal versuchen zu wollen. Vielleicht mit einem anderen Volk für sich selbst, oder gegen einen anderen Gegner. Vielleicht ändert man auch den Spielplan, also die Galaxie.

Freunde von Aufbauspielen kommen hier absolut auf ihre Kosten. Wer zudem die Thematik der friedlichen Eroberung einer Galaxie und des Wettstreits um technologischen Fortschritt interessant findet, für den dürfte Gaia Project ein Volltreffer sein. Nur eben den Willen, sich in die Spielmechanik einzuarbeiten, sollte man mitbringen, damit der Spielspaß folgen kann.

190 Wettrennen ins All: Lift Off von Bastian Ludwig

»T minus 10 Minuten.« – »3-2-1-Go!« – »Houston, wir haben ein Problem!« – »Ground Control to Major Tom.« … Na ja, so richtig sitzt der Astronautenjargon vielleicht noch nicht, aber kein Grund, nicht Chef einer eigenen Raumfahrtagentur zu werden und sich mit der Konkurrenz ein Wettrennen um die Eroberung des Alls zu liefern.

Bei Lift Off übernehmen die Spieler die Leitung konkurrierender Raumfahrtagenturen in einem vage an das 191 Space Race der 1960er-Jahre erinnernden Szenario. Ihr Ziel besteht darin, möglichst erfolgreiche Missionen durchzuführen und dafür Siegpunkte einzukassieren. Bevor eine Mission ins All starten kann, will aber einiges organisiert werden: Man schart ein Team aus Spezialisten um sich, das neue Technologien erforscht, das Labor ausbaut, das Raumschiff einsatzbereit macht oder auch einfach nur das nötige Kleingeld heranschafft. Anschließend wählt man Missionen aus, und wenn man alle Voraussetzungen erfüllt hat, heißt es auch schon: Ignition and … Lift Off! Hat man eine Mission ins All gebracht, bringt das wiederum gewisse Vorteile und Siegpunkte. So baut man seine Raumfahrtagentur Stück für Stück aus, um immer aufwendigere und ertragreichere Missionen umzusetzen. Massig Siegpunkte gibt es auch für spezielle Ziele, die man zu Spielbeginn bekommt und bei Spielende erfüllt haben muss. Ein weiteres Betätigungsfeld ist der Bau einer Raumstation, an der alle Spieler gemeinsam werkeln.

Lift Off ist ein Strategiespiel mit hervorragender Balance zwischen Zugänglichkeit und Spieltiefe. Es gibt nicht wenige Baustellen, die man im Auge behalten muss, weil eine Mission daran scheitern kann: zu wenig Geld, nicht die richtigen Technologien, nicht genug Traglast in der Rakete, die falschen Missionen gewählt. Trotzdem sind die einzelnen Spielelemente so nachvollziehbar und in ihrem Zusammenspiel so verständlich, dass man als Spieler niemals überfordert ist. Sucht man nach Orientierung, kann man sich außerdem an die individuellen Spielziele der 192 Marke »Sammle möglichst viele blaue Technikkarten« oder »Bringe möglichst viele Missionen des Levels 3 ins All« halten.

Zusatzantriebe und mehr Laderaum: Je besser die Rakete, desto aufwendiger die Missionen.

Lift Off erlaubt üblicherweise, dass man sich auf die jeweils aktuelle der insgesamt acht Spielrunden konzentriert. Größere Planungen über mehrere Runden hinaus oder gar bis zum Spielende hin sind – abseits von der Verfolgung der individuellen Spielziele – kaum nötig.

193 Jede Runde für sich sollte man dafür aber umso gewissenhafter planen. Beispiel Geld. Man benötigt Geld für die Raketenstarts, quasi Abschluss und Höhepunkt jeder Spielrunde, aber auch schon vorher, um zum Beispiel die Rakete auszubauen. Da Geld nie in Hülle und Fülle vorhanden ist, ist genaue Buchführung wichtig. Baut man zum Beispiel einen neuen Laderaum in die Rakete, um mehr Last transportieren zu können, erhöhen sich auch die Kosten für einen Start. Ist man nun aber so vorausschauend, mit dem ersten Raketenstart einen Kommunikationssatelliten ins All zu schießen, durch den man ein effizienteres Triebwerk bekommt, das die Startkosten wieder senkt, reicht das Budget dann vielleicht gerade so für einen zweiten Start. Jede Mission will also genau durchkalkuliert werden.

Mit den richtigen Spezialisten greift man schon bald nach den Sternen …

194 Macht man dabei mal einen Fehler, ist das ärgerlich und bringt einen ins Trudeln, wirft einen aber nicht aus der Bahn, denn Lift Off verzeiht Fehler großzügig. Trifft man mal eine schlechte Entscheidung, kann man sich damit kaum Möglichkeiten verbauen, sondern sie vertagen. Dadurch wird man nie völlig abgehängt. Zumindest bei meinen Testspielen waren alle Spieler nach der Endabrechnung auf der Punkteleiste sehr nah beieinander – ein Zeichen für eine gut ausbalancierte, faire Mechanik.

Sieht man Lift Off als Strategiespiel für Gelegenheitsspieler, gibt es wenig zu bekritteln. Hardcore-Strategen mag neben der untergeordneten Langzeitplanung allerdings der recht hohe Glücksfaktor stören, denn sowohl bei den Spezialisten als auch den Missionen darf man nur aus einem zuvor verdeckt gezogenen Set wählen – ganz genau weiß man also nie, was man bekommt und wohin die Reise gehen wird.

195 … und mir nichts, dir nichts hat man den Erdorbit mit Weltraumschrott zugemüllt.

Der Autor Jeroen Vandersteen ist Mathematiker bei der ESA, eine verkopfte Raumfahrtsimulation ist Lift Off aber nicht geworden, sondern vielmehr ein humoristisches Weltraumabenteuer. Perfekt unterstützt wird das durch die zauberhafte Grafik von Nache Ramos. Sonderlich plastisch ist das Spielmaterial zwar nicht, besteht es doch größtenteils aus Karten und Plättchen, die allerdings sehr liebevoll in einem retrofuturistischen Design gehalten sind, das aus den 1960er-Jahren stammen könnte. Hingucker sind dabei die Raumstation, die immer weiterwächst, und die Rakete, die man Stück für Stück ausbauen kann.

Kooperation trotz Konkurrenz: An der Raumstation bauen alle Agenturen gemeinsam.

196 Fazit: Lift Off ist ein auch für Gelegenheitsspieler zugängliches Strategiespiel mit deutlichem Glücksfaktor, schönem Szenario und putziger Präsentation.

Lift Off Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren Jeroen Vandersteen, Nache Ramos, Andreas Resch, Kreativbunker Hans im Glück 2018 EAN: 4015566018174 Sprache: Deutsch Preis: EUR 52,99

Point-and-Click ganz ohne PC: Adventure Games – Die Vulkaninsel von Michael Wilhelm

Mysteriöse Vorfälle auf einer Vulkaninsel, geheimnisvolle Artefakte, eine gerissene Schmugglerbande und vier jugendliche Heldinnen und Helden. Klingt nach den Zutaten eines Jugend-Abenteuerromans. Ist aber der Plot des neuesten Adventure Games aus dem Hause Kosmos.

Nachdem wir uns in den Vorgängerspielen Das Verlies und Die Monochrome AG durch ein mittelalterliches, phantastisch angehauchtes Setting beziehungsweise einen

197 Science-Thriller gerätselt haben, übernehmen wir dieses Mal vier Studenten, die in den späten 1980ern in einem etwas ungewöhnlichen Seminar an einer kleinen Insel-Universität studieren, wahrscheinlich irgendwo im spanischen oder lateinamerikanischen Raum. Zwei weibliche und zwei männliche Figuren stehen zur Auswahl, jede mit einem bestimmten Studien-Schwerpunkt und einem korrespondierenden Element (was im Spielverlauf bei manchen Erkundungsaktionen durchaus von Belang sein kann).

Viel aufzubauen gibt es zu Beginn nicht. Vom Stapel der großformatigen Ortskarten wird die erste offen ausgelegt. Die restlichen Karten werden als verdeckte Stapel bereitgelegt. Der umfangreichste davon ist der 90 Karten dicke Stapel der Abenteuerkarten (nummeriert von 10 bis 99). Das sind vor allem Gegenstände, die im Laufe des Spiels gefunden und miteinander oder mit Orten auf den Ortskarten kombiniert werden wollen. Außerdem gibt es noch einen Missions- und einen Zeitstapel sowie einige kleinformatige Zusatz-Ortskarten.

Wir beginnen das Spiel auf der ersten liebevoll illustrierten Ortskarte, die den Parkplatz am Schluchteingang zeigt. Dort sollten wir eigentlich mit unserem Dozenten Piku Abreu die Exkursion beginnen. Doch der ist leider verhindert, also beginnen wir selbst mit der Erkundung. Das geht prinzipiell allein oder mit bis zu vier Spielern. Im Spiel allein sollte man

198 zwei Figuren führen, da man an ein paar Stellen in der Geschichte sonst nicht weiterkommt.

Auf den Ortskarten sind Stellen, die untersucht werden können, mit dreistelligen Zahlen markiert. Im 92-seitigen Abenteuerbuch gibt es zu jeder Nummer einen Eintrag, der zur Erkundung vorgelesen wird. Manchmal findet man einen Gegenstand, der dann aus dem Stapel der nummerierten Abenteuerkarten genommen werden kann. Oder man erhält mal wichtigere, mal weniger wichtigere Informationen. Manchmal wird auch einfach nur etwas erzählt, das zur Story und Atmosphäre beiträgt. Wie in den beiden Vorgängern bedient sich auch Die Vulkaninsel einem gut durchdachten System für das Kombinieren von Gegenständen und Orten. Dann werden nämlich die Zahlen der beiden Karten oder Orte in Reihe gesetzt und ein vier- oder fünfstelliger Eintrag vorgelesen. Manche Kombinationen sind sehr logisch und gut nachvollziehbar, andere durchaus etwas skurriler, sodass man etwas rumprobieren muss, bis man weiterkommt. Im schlimmsten Falle, wenn man gänzlich auf dem Schlauch steht, gibt es eine Liste mit (spoiler-freien) Hinweisen im Regelheftchen.

199 Reihum machen die Spieler eine Aktion, das heißt sie können einen Ort auf einer offenbarten Ortskarte erkunden oder zwei Abenteuerkarten kombinieren oder eine Abenteuerkarte mit einer Stelle auf einer Ortskarte kombinieren. Die Story schreitet voran, indem neue Abenteuerkarten gefunden und neue Ortskarten zugänglich gemacht werden. Dann wird jedes Mal eine Einführung für die neue Ortskarte vorgelesen und die zu erkundenden Bereiche auf der Ortskarte beschrieben. Am Ende jedes Kapitels gibt es eine kleine Wertung für erreichte Zwischenziele und gefundene Abenteuerkarten.

Man sollte sich schon mehrere Abende (oder einen sehr langen Abend) Zeit nehmen, um die vier Kapitel lange

200 Geschichte der Vulkaninsel mit variablem Showdown durchzuspielen. Veranschlagt werden 75 Minuten je Kapitel, beim langen dritten Kapitel 150 Minuten. Je nach den im Verlauf getroffenen Entscheidungen gibt es zwei unterschiedliche Schlusskapitel. Und auch schon in den ersten Kapiteln gibt es verschiedene Entscheidungen zu treffen, die beispielsweise über erhaltene Abenteuerkarten den späteren Spielverlauf beeinflussen.

Der Spielstand kann unkompliziert »gespeichert« werden, indem man die Kartenauslage zu Kapitelende fotografiert oder notiert, welche Karten verfügbar waren. Prinzipiell geht das auch mitten im Kapitel, stimmiger und unproblematischer ist es allerdings an den vorgesehenen Stellen zwischen den Kapiteln.

Zumindest zweimal durchspielen sollte man Die Vulkaninsel, da man sonst eines der beiden völlig unterschiedlichen Schlusskapitel verpasst. Naja, prinzipiell kann man auch den Spielstand im dritten Kapitel speichern oder reaktivieren. Aber vielleicht hat man ja auch in den vorigen Kapiteln noch Lust, was anderes auszuprobieren oder will die Geschichte mit anderen Spielfiguren spielen.

Mit insgesamt fast vier Stunden Spielzeit für bis zu vier Spieler bieten die Adventure Games ein ordentliches Preis-Leistungs-Verhältnis. Mit einem Kino-Besuch (der in der aktuellen Corona-Krise sowieso nicht möglich ist) wäre man schon deutlich mehr Geld los. Sehr ansehnlich ist auch 201 wieder das Spielmaterial. Die Illustrationen sind detailreich und stimmungsvoll. Und es macht viel Spaß, sich am Kombinieren von Abenteuerkarten und Orten zu versuchen. Manchmal kommen dabei echt witzige Sachen raus. Und wer besonders aufmerksam ist, kann auch noch das eine oder andere Easter Egg entdecken, ganz zu schweigen von den vielen Anleihen an Klassiker aus dem Abenteuer-Genre, insbesondere Indiana Jones und die Point-and-click-Adventures aus der guten alten Zeit.

Fazit: Auch Die Vulkaninsel bietet wieder eine spannende und kurzweilige interaktive Abenteuergeschichte. Zwei, drei abendfüllende Knobelrunden sind sicher, wenn man auf den 202 Spuren der Schmugglerbande und des fehlenden Archäologen die exotischen Schauplätze erforscht. Und dann gibt es ja auch noch den Vulkan …

Achtung: Laut Kosmos hat sich in das Spiel leider ein Fehler eingeschlichen. Dieser wird behoben, wenn man sich das »Missions-Update« von der Kosmos-Seite herunterlädt: https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/kosmos.de/media/ pdf/d7/1e/e4/Adventure-Games-Vulkaninsel-Missions-Upda te_2020.pdf

Adventure Games – Die Vulkaninsel Kartenspiel für 1 bis 4 Spieler ab 12 Jahren Phil Walker-Harding, Matthew Dunstan, Chihiro Mori Kosmos 2019 EAN: 4002051693169 Sprache: Deutsch Preis: EUR 14,99

203 Phantastisches Lesen Eisblöcke und Bleisphäre – Aktuelles aus dem Perryversum von Alexandra Trinley

Im Mai und im Juni gab es einen von Susan Schwartz und Christian Montillon gemeinsam verfassten Viererblock. Die Romane tragen die Titel Zeut (PR 3062) und Ceres (PR 3063), Ferrol (PR 3064) und Beteigeuze (PR 3065). Sie beschäftigen sich mit der Situation im neu entdeckten Dyoversum, lassen vertraute Völker und Orte mit veränderten Merkmalen auftreten und stellen eine Verbindung zwischen diesem Paralleluniversum und der »normalen« Milchstraße her, die bislang nur angedeutet worden war. Sie sind recht kurzweilig zu lesen. Der Verfasserin dieser Kolumne gefiel Ceres besonders gut. Es gibt zum Vierteiler ein

204 Videointerview mit den beiden Autoren. (Link im Anschluss, Anm. d. Red.) Weitere große Themen waren das hundertjährige Jubiläum eines der Seriengründer und der einwöchige Online-Con PROW, die Perry Rhodan Online Woche.

100 Jahre Clark Darlton

Viel Wirbel gab es um »100 Jahre Clark Darlton«. Am 13. Juni 1920 in Koblenz geboren, nahm Walter Ernsting den Künstlernamen Clark Darlton unter besonderen Umständen an: Damals galt ernsthaft, dass nur Amerikaner Science-Fiction schreiben können. Eine entsprechend gepfefferte Absage erhielt Übersetzer Ernsting, als er im Jahre 1955 seinen Verleger fragte, ob er nicht auch mal einen selbst geschriebenen Roman einreichen könnte. Damals gab es kein Internet, Informationen brauchten Zeit, um sich zu verbreiten. So ward Clark Darlton geboren, jener amerikanische Schriftsteller, dessen Roman Walter Ernsting alsbald in deutscher Übersetzung einreichte. Unter dem Titel UFO am Nachthimmel verkaufte er sich gut genug, um den Wutausbruch seines Chefs zu dämpfen, als dieser herausbekam, dass er nun doch Ernstings eigenen Roman veröffentlicht hatte. Der Übersetzer durfte weitere Romane schreiben und blieb Clark Darlton. Gemeinsam mit K.H. Scheer wurde er zum Seriengründer, um 1961 Perry Rhodan auf den Weg zu bringen. Das wohl bleibendste Erbe des leidenschaftlichen Gegners von Drill und Gehorsam war die Gestaltung des Mausbibers Gucky. 205 Zeichner Johnny Bruck hat die beiden zur Feier von Darltons sechzigstem Geburtstag auf dem Titelbild von Band 1007 verewigt. Übrigens wurde er auch von K.H. Scheer in die Serie geschrieben, und zwar als der Chaos produzierende Para-Teleschizomat Walty Klackton mit seinem twilzenden Ottomanen Otto. Unter anderem erschien auf dem von Ben Calvin Hary betreuten YouTube-Kanal der Perry Rhodan-Redaktion eine schön gestaltete Biographie des Seriengründers. (Link im Anschluss, Anm. d. Red.)

© Pabel-Moewig Verlag / alle Bilder des Beitrags 206 Haluter auf Drangwäsche

Dem bereits angesprochenen Dyoversum-Vierteiler folgt ein Doppelband von Michael Marcus Thurner: Band 3066 trägt den Titel Drangwäsche. Zwischenstopp auf einer langen Reise – ein Haluter tobt sich aus. Dem folgt Die Ägidenwelt. Er ist der Niemands-Konsul – er herrscht über ein ganzes Volk. Es ist ein Zwischenstopp-Roman, der uns ungewöhnliche Völker vorstellt. Die Handlung beginnt, als die RAS TSCHUBAI auf dem Rückweg in die Milchstraße bereits 160 Millionen Lichtjahre

207 zurückgelegt und noch 112 Millionen Lichtjahre vor sich hat. Der Haluter Icho Tolot muss dringend von Bord, denn er verspürt das Herannahen einer Drangwäsche. Und in diesem Zustand würde er das Schiff demolieren. Der eine oder andere wird sich an Band 200 erinnern, in dem Icho Tolot in die Serie kam. Kein anderer als der nervenstarke Arkonide Atlan war entsetzt, als der 3,50 Meter große und 2,50 Meter breite, vierarmige Gigant aus seinem Raumschiff kam, hatte er dessen Artgenossen doch Jahrtausende zuvor als tobende Bestien kennengelernt, die seine Soldaten aufrieben. Nun, sie hatten gerade jenen Spaß gehabt, den sich die sonst friedliebenden Besitzer zweier einander ergänzender Gehirne nur selten gönnen, die Drangwäsche eben. Da werden Haluter unkontrollierbar. Und weil sie mühelos durch Terkonitstahlwände laufen und im Vakuum überdauern können, wenn sie die Struktur ihrer Körper verhärten, und weil sie sich auch von Felsbrocken ernähren können, sind Haluter auf Drangwäsche nichts, was man aus der Nähe erleben sollte. In diesem speziellen Fall gibt es einen Planeten voll friedliebender Vogelwesen, die von ungeheuer aggressiven Jülziish ohne erkennbaren Grund abgeschlachtet werden. So dient Tolots Drangwäsche einem guten Zweck: Er kämpft gegen die Aggressoren, so dass sein nur notdürftig vernunftgesteuertes Aggressionsverhalten halbwegs gerechtfertigt erscheint. Trotzdem agiert Tolot in strategischen Belangen mit einer Klarheit, die durchaus rechtfertigen würde, dass er das Ausleben seines 208 Zerstörungstriebs ab und zu kritisch reflektiert. Tut er aber nicht. Dass die Anwesenheit der Jülziish – für ehemalige Leser und Kenner der frühen Romane: das sind die tellerköpfigen Blues – in dieser weit von der Milchstraße entfernten Region des Perryversums ausgesprochen schwer zu erklären ist, wird noch einmal verstärkt, als auch Terraner auftauchen. Abgesehen von den hühnerartigen Planetenbewohnern gibt es in Tolots Reichweite vor allem nichtbiologisches Leben, weshalb er in seinem Zerstörungsrausch kaum einen tötet, der vorher richtig lebt und der »gut« ist. Unsere Reisegruppe trifft auf die Villanova-Terraner. Es sind eine Art Imitationen, die positronische Komponenten in ihren Gehirnen haben. Auf der Ägidenwelt empfangen ihre Herrscher, Tipa 8-Riordan und Alaska 9-Saedelaere, die Besucher aus der Milchstraße in einer Hauptstadt namens Neu-Terrania. Tolot wiederum wird vom Posbi Gustav begleitet und dem Zain-Konstrukt Annba, das eigentlich nicht wirklich eine Funktion in der Handlung hat. Es sieht aber schön exotisch aus. Mit den Posbis haben die Zain-Konstrukte sich zur Union Positronisch-biologischer Zivilisationen (UPZ) zusammengeschlossen. Sie sind Humanoide, die wie aus Bernstein geschliffene Statuen wirken, mit einer Vielzahl von Einschlüssen technischer Natur im Inneren. Die beiden Romane sind gut getaktet. Icho Tolot darf sich mal richtig austoben, wobei er sich allerdings genug unter Kontrolle hat, um strategisch vorzugehen und zwischen 209 Verbündeten und Feinden zu unterscheiden. Die Villanova-Terraner lassen Erinnerungen an frühere Zeiten als Zerrbild aufleben, mit sprachlichen Eigenheiten, den bekannten, um Zahlen ergänzten Namen und so weiter. Es stellt sich die Frage, was ihre ungewöhnliche Zivilisation genau an der Stelle des Kosmos, an der die RAS TSCHUBAI Halt machen muss, zu suchen hat. Die Zain-Konstrukte sollen im weiteren Verlauf des Zyklus ja noch eine wichtige Rolle spielen.

Monkey und der Schulterreiter

210 Was ist ein Schulterreiter? Einer, der seinen Träger unsichtbar beeinflusst. Hier heißt er Saessbekker und ist ein parabegabter Phersune. Er tritt als Wesen ohne physische Anwesenheit auf, das sich im Körper Übernommener einnistet und ihnen in dieser Zeit als ihr bester Freund erscheint. Die Phersunen an sich sind ein Hilfsvolk der Chaosmächte. Es sind Humanoide mit blassblauer Haut, Linsenaugen und einer Art Hirschgeweih auf dem Kopf, was man bei Saessbekker naturgemäß selten zu sehen bekommt. Uwe Anton führt mit der Schilderung des Kampfes gegen den körperlosen Schulterreiter Michael Marcus Thurners Die Dunkle Schwere (PR 3061) weiter. Hauptpersonen sind Lordadmiral Monkey, der auf dem Titelbild von Swen Papenbrock zu sehen ist, und Zemina Paath. Der Oxtorner und die Thesan haben sich angefreundet. Das ist ungewöhnlich, da Monkeys emotionale Seite nicht allzu ausgeprägt ist. Der durch einen Zellaktivator unsterbliche Oxtorner ist Lordadmiral, also oberster Chef der USO, eines straff aufgebauten intergalaktischen Geheimdienstes. Für eine Schwerkraft von 4,8 Gravos gebaut, kann er sich sogar einem schlecht gelaunten Haluter in den Weg stellen. Das kommt ihm im Roman bei den Auseinandersetzungen mit den Tomopaten zugute. Noch dazu hat Monkey seit einem Unfall Kameraaugen, die er klickend die Einstellung verändern lässt, um zusätzlich Kälte zu verbreiten. Und ja, er hat an Zemina Paath Gefallen gefunden. Die beiden mögen einander. 211 Die Thesan ist eine zentrale Figur im aktuellen Zyklus, weil sie direkt bei Rhodans Aufwachen nach dem Zeitsprung von 500 Jahren an Bord der RAS TSCHUBAI war, wegen ihres fehlenden Gehirnteils jedoch nicht wusste, wie sie dorthin kam. Inzwischen hat man herausgefunden, dass die Thesan sehr unbeliebt sind, da sie offensichtlich an den mysteriösen Verschiebungen und Veränderungen der letzten Jahrhunderte beteiligt waren. Schauplatz des Romans ist der Planet Cavtha, den die Bordpositronik der NIKE QUINTO findet, nachdem Saessbekker den Plasmaanteil übernommen hatte. Es gibt dort Dakkarkome, was Saessbekker interessieren könnte, stammt dieses Gerät zur Fernkommunikation doch von den Cappins, die gleichfalls ihre Bewusstseine auf einen Wirt übertragen können. Durch die betont emotionslosen Hauptpersonen, die gelegentlich Besorgnis füreinander zeigen, und die Unmöglichkeit einer räumlichen Progression wegen der Fähigkeit des Körperwechsels binden die Saphir-Heptagone die Handlung zusammen. Es sind Hinterlassenschaften der verschwundenen Urbevölkerung Cavthas; wenn man die betritt, hört man Gedankenstimmen. Die siebeneckigen Flächen mit einer Kantenlänge von 480 Metern, die mit einer saphirblauen Schicht überzogen sind, geben stimmungsvolle visuelle Markierungen, welche die fehlenden Emotionen ein Stück weit ersetzen.

212 Prinzessin Jasmyne

Arkon-Verehrerin Verena Themsen hat einen Prinzessinnen-Roman geschrieben! Jasmyne da Ariga ist Atlans Enkelin, und als Kristallprinzessin ebenso entschlossen und fähig wie gestylt. Themsen liebt Romane mit persönlichen Entwicklungen, während man von der Datenverwalterin der Serie erwartet, dass sie ihren naturwissenschaftlichen Hintergrund einbringt. Hier hat sie beide Fähigkeiten kombiniert. Die rasante, gut aufgebaute Actionhandlung enthält zahlreiche

213 technische Gimmicks wie Frisierroboter und detailliert beschriebene bei einer Raumschlacht in Segmente zerfallende Raumschiffe. Jasmyne trifft auf Monkey und Zemina Paath. Im Folgeroman Die Physik des Friedens (PR 3070) von Michelle Stern treten noch dazu Atlan da Gonozal und Gucky auf. Bei der bekanntermaßen engen Zusammenarbeit der beiden Autorinnen ist zu erwarten, dass sich die Romane eng aneinander anschließen. Sie spielen sehr tief im Innern der arkonidischen Feudalkultur. Mehr zum Roman von Verena Themsen persönlich: Noch immer führt Roman Schleifer zu jedem Roman der Erstauflage Interviews durch (Link im Anschluss, Anm. d. Red.). Hier einige Ausschnitte aus dem Gespräch über PR 3069: Roman Schleifer: Du beleuchtest sehr gefühlvoll den inneren Widerstreit der Kristallprinzessin zwischen Verantwortung und eigenem Leben – wie würdest du mit der Verantwortung als Imperatorentochter umgehen? Verena Themsen: Ich würde auf Murnark die Entwicklung eines unendlichen Unwahrscheinlichkeitsdrives in Auftrag geben, damit ich pünktlich zur Thronbesteigung eine Paralyso-Matic-Bombe werfen und mich mit dem Schiff und einer gutaussehenden Ingenieurin davon machen kann. Ersatzweise nähme ich auch einen gutaussehenden Ingenieur. Oder beides. RS: Anfangs war Zemina Paaths Rolle zwielichtig, vor allem von Atlan wurde sie misstrauisch beäugt. Bislang

214 kennt niemand die Rolle der Thesan während des Raubes der Erde. Wieso ist Monkey ihr gegenüber so kuschelweich? VT: Das wüsste Monkey selbst auch sehr gerne. Wir können spekulieren: Sie sind beide auf ihre Art zwar eingebunden, aber doch allein, beide auf ihre Art scheinbar zufrieden damit, vielleicht aber auch nur aus Notwendigkeit daran gewöhnt. Beide sind sich ihrer selbst sicher, relativ unemotional und unaufdringlich; somit können beide sich beim jeweils anderen darauf verlassen, dass er nie zur dauerhaften Last wird, selbst wenn man einmal Halt gewährt. Sie ergänzen sich andererseits darin, dass Zemina die empathische und Monkey der Logiker ist. Monkey ist Kontrolle wichtig; Zemina hat einen Teil der Kontrolle über ihr Leben mit ihren Erinnerungen verloren. Vielleicht fasziniert ihn ihr unaufgeregter Umgang mit dieser Tatsache, und dass sie das kein Stück weniger selbstsicher wirken lässt, selbst wenn sie sich selbst manchmal in Frage stellt. RS: Zitat: »Die Anzugautomatik schloss automatisch den Helm und band das eingedrungene Wasser in Speicherschichten.« In der Perrypedia habe ich dazu nichts gefunden – wie funktioniert das technisch? VT: Selbst jetzt gibt es schon Pulver, die Flüssigkeiten binden. Baue so etwas in deinen Anzug ein, et voilà. Bindet übrigens auch prächtig den Schweiß. Wird dann alles der Rückführung zugeführt oder bei Gelegenheit abgedampft, wenn zu viel Flüssigkeit da ist.

215 Weiter geht es mit Atlan und Jasmyne da Ariga in Michelle Sterns Roman Xirashos Tiefen (PR 3071). Das Titelbild von Dominic Beyerle ist beeindruckend. Der Untertitel lautet Atlan im System der verborgenen Welt – einer ungeheuren Verschwörung auf der Spur. Nachdem Perry Rhodan bereits seit einiger Zeit von einer Enkelin begleitet wird, hat nun auch Atlan eine bekommen. Lebhafte Anteilnahme erzeugte Leo Lukas bereits mit dem Titel Der Ilt muss sterben! Gucky auf der Ausweglosen Straße – und im Bann des cairanischen Para-Schocks (PR 3072).

216 Leo Lukas wurde zum Mörder einer kleinen pelzigen Kreatur, die desorientiert herumstolperte und dabei von blutrünstigen Tomopaten zerfleischt wurde. Die Zuschauer erkannten den seit sieben Tagen vermissten Mausbiber, und damit begann das Problem. Guckys Tod – eingebettet in einen Zyklus mit dem Leitmotiv der Fake News, in einer Welt voll paralleler Schauplätze, unübersichtlicher Entrückungen und gezielter Täuschung, und in Szene gesetzt wie ein billiges Showpiece von jenem unerfahrenen Autor (wie hieß er noch gleich? Leo Lukas? [Achtung Ironie!]) – hat uns in der vergangenen Woche einen Shitstorm beschert, der seinesgleichen sucht und hoffentlich nicht findet. Expokrat Vandemaan meldete sich in ungewohnter Schnelligkeit und Klarheit zu Wort: Der echte Gucky lebt, es starb ein Imitat, und Vandemaan hat wichtige und deutlichere Hinweise darauf im Vorroman zu überprüfen vergessen. Er verließ sich darauf, dass die Cairaner mittlerweile oft genug als Meister der Täuschung auftraten und dass den Lesern oft genug gesagt worden war, dass Gucky nichts passieren könne. Auch die ständigen Hinweise aufs Klonen in mehreren Romanen der vergangenen Monate hätten nach Ansicht der Expokraten auf den Trick der Cairaner aufmerksam machen sollen. Pustekuchen! Gucky spricht die Leser auf eine Art und Weise an, die Textkenntnis und Logik vollständig außer Kraft setzt. Wenn man sich genug beruhigt, um den Roman unvoreingenommen lesen zu können, liest man eine schöne Liebesgeschichte, die erst am Schluss des Romans von jener

217 unappetitlichen Splatterszene überlagert wird, die seitdem die Gemüter aufwühlt. (Link im Anschluss, Anm. d. Red.)

Ausblicke

Dem plakativen Mord folgen ein deutlich emotionalerer Roman von Michael Marcus Thurner Auf der grünen Welt. Rettungsaktion auf einem gesperrten Planeten – sie begegnen dem Wächter (PR 3073) und zwei mit Anklängen an Philip K. Dick verfasste Romane von Uwe Anton Der imaginäre Imperator. Sie stoßen nach Arkon V vor – es ist ein Akt der Verzweiflung (PR 3074) und Die Warnung der

218 Signatin. Gefährliche Experimente der Naats – die Bleisphäre reagiert (PR 3075). Viel Arkon also, ehe es mit dem Dyoversum weitergeht. Etwas ganz Besonderes stellt Inmitten der Lichtfülle. Im Zentrum der cairanischen Macht – terranische Mutanten versuchen zu infiltrieren (PR 3076) dar, denn Arndt Ellmer ist der Autor. Fünf Jahre lang war der langjährige Leserkontaktseiten-Onkel und Autor von über 200 Romanen der Erstauflage von der Bildfläche verschwunden. Er besuchte Cons, war sichtlich krank. Zur allgemeinen Freude ist er nun genesen und setzt seine Arbeit an der Serie fort. Ein ausführliches Interview über die vergangenen fünf Jahre und den jetzigen Status findet sich in der SOL 99, der Mitgliederzeitschrift der PRFZ, die Mitte August erscheint. Verena Themsen schrieb Unter dem Weißen Schirm. Die Cairanerin fürchtet um ihren Sohn – und muss die Terraner jagen (PR 3077). Daran schließt sich der dritte Vierteiler dieses Zyklus an, und er wurde erneut von Susan Schwartz und Christian Montillon gemeinsam verfasst. Die ersten beiden Romane heißen Pluto. Die galaktische Tastung – Terraner brechen zu einer fernen Welt auf (PR 3078) und Yenren. Auf der Welt der Staubfürsten – sie entdecken die Aquamarin-Stele (PR 3079). Susan Schwartz gab während der Perry Rhodan Online Woche ihrer Begeisterung für die Wüste Ausdruck. Was hat es mit den Eisblöcken im Dyoversum auf sich? Werden wir erfahren, was dort die überlichtschnelle Raumfahrt fast unmöglich macht? Und welche Verbindung hat dieses Eis im Linearraum zur Lage in der Milchstraße? So 219 langsam müssten die vielen Schauplätze und Geheimnisse des Zyklus angegangen werden.

Guckys Tod – ein Fake? Einen Überblick bietet der Newsletter der PRFZ 36, der aus aktuellem Anlass öffentlich ist. https://www.proc.org/newsletter-36-der-pr-fanzentrale-e rschienen-aus-aktuellem-anlass-fuer-alle/

Video-Interview mit Susan Schwartz und Christian Montillon: https://www.proc.org/das-live-video-interview-mit-uschi-zie tsch-und-christoph-dittert/

Autor, Träumer, Visionär: Die Clark Darlton-Story: https://www.youtube.com/watch?v=XnxtoGAWHto

Clark Darlton in der Perrypedia: https://www.perrypedia.de/wiki/Clark_Darlton

Die Interviewreihen auf PROC: https://www.proc.org

Lese- und Hörproben zu den aktuellen Romanen: https://perry-rhodan.net/produkte/erstauflage

220 Comic-Kolumne: Das war Ihr Leben! von Uwe Anton

In letzter Zeit kommen immer mehr Comics auf den Markt, die Lebensgeschichten erzählen – oder zumindest Ausschnitte daraus. Es sind keine Biographien, auch wenn man sie aufgrund der Klappentexte dafür halten könnte, z. B. bei H. P. Lovecraft – He Who Wrote in the Darkness, geschrieben vom Franzosen Alex Nikolavitch (*1971), der auch schon für den amerikanischen Markt gearbeitet hat, und gezeichnet von dem hierzulande eher unbekannten argentinischen Team Gervasio, Carlos Aón und Lara Lee. »Die betörend seltsame und überraschende

221 Lebensgeschichte von H. P. Lovecraft, zum ersten Mal lebendig im Graphic Novel-Format präsentiert«, beschreibt aber keineswegs das gesamte Leben des amerikanischen Autors (1890 – 1937), sondern beginnt mit dessen Umzug nach Brooklyn (New York) im Jahr 1925.

© Pegasus Books

Nikolavitch entpuppt sich als profunder Kenner von Lovecrafts Biographie und Werk, der auch vor kritischen

222 Aussagen über den Autor nicht zurückschreckt. Lovecraft war ein höchst konservativer »Gentleman« aus Providence, Rhode Island, als Kind überbehütet, verhätschelt und mitunter auch mal in Mädchenkleider gewandet. Aufgezogen wurde er nach dem frühen Tod seines Vaters von der Mutter und nach deren Tod (beide Eltern starben in einer Heilanstalt) vom Großvater und zwei Tanten, die die Missetaten nahtlos fortsetzten. Wenn man den Biographien Glauben schenken kann, schrieb er schon mit sechs Jahren erste Geschichten und verfasste mit 14 eine Amateurzeitschrift über Astronomie. 1923 erschien mit Dagon seine erste professionelle Veröffentlichung in dem Pulp-Magazin Weird Tales, in dem er bis zu seinem Tod fast ausschließlich veröffentlichte. (Ausnahmen wie Die Farbe aus dem All, 1927 im Magazin Amazing Stories veröffentlicht, bestätigen die Regel.) Lovecraft schrieb »normale« Horrorstories, Traumgeschichten und »Mythos«-Geschichten und gilt als Begründer des Cthulhu-Mythos, auch wenn diese Bezeichnung erst nach seinem Tod von seinen Verlegern ersonnen wurde. Des Weiteren verfasste er fast 90.000 teils sehr umfangreiche Briefe an befreundete Leser und Kollegen wie Robert E. Howard (Conan) und den jungen ehrfürchtigen Robert Bloch (Psycho). Sein Einfluss ist bis heute ungebrochen: Noch immer erscheinen jährlich zahlreiche Romane und Anthologien, die den Cthulhu-Mythos erweitern, und sein Werk wurde (teilweise sehr frei) in etwa 80 Filmen adaptiert. (Zuletzt erregte der gelungene Die Farbe aus dem All mit Nicolas Cages 223 Beachtung.) Unsterblich wurde er allein schon durch die berühmte Aussage: »Das älteste und stärkste Gefühl der Menschheit ist Furcht, und die älteste und stärkste Form der Furcht ist die Furcht vor dem Unbekannten.« Jedenfalls war Brooklyn dem Autor sofort verhasst. Er verarbeitete den Stadtteil in der Geschichte The Horror at Red Hook, in der ein Polizist Ritualmorde aufklären muss, und legt ihm entlarvende Worte in den Mund. Die hohen Ziegelsteingebäude versetzen ihn in Panik, die Bewohner des Stadtteils sind schmierige Immigranten, Untermenschen fast, die schmuggeln, illegale Einwanderer beherbergen und weitere scheußliche Verbrechen begehen. Lovecraft bleibt hier aber eher zurückhaltend; solchen Rassismus findet man in zahlreichen, wenn nicht sogar den meisten Pulp-Geschichten aus dieser Zeit. Er entsprach damals durchaus dem gesellschaftlichen Konsens. Damit sind die Fronten klar, doch Nikolavitch zeigt deutlich die Ambiguität des Autors auf: Bei einem Essen in einem Automatenrestaurant zieht er über Juden her, obwohl einer der befreundeten Anwesenden Jude ist, genau wie übrigens Lovecrafts Gattin. Die Ehe scheitert, Lovecraft kehrt zurück nach Providence, heim in den Schoß der vertrauten Umgebung, setzt sein Leben fort, schreibt seine bekanntesten Geschichten und weiterhin Briefe, Briefe, Briefe. Er verdient sich den spärlichen Lebensunterhalt mit dem Lektorat von Anfängerwerken, bis er an Darmkrebs erkrankt und 1937 stirbt. Der Band endet mit einem weiteren berühmten Zitat des Autors: »Es ist nicht tot, was ewig liegt, bis dass die Zeit den Tod besiegt.« 224 Das alles präsentiert H. P. Lovecraft – He Who Wrote in the Darkness nicht gerade in einem fotorealistischen Stil, aber in einem, der die klare Linie pflegt; man kann die Gesichter deutlich voneinander unterscheiden, und sie weisen tatsächlich eine frappierende Ähnlichkeit mit den historischen Personen auf, die man ja zur Genüge von historischen Fotos kennt. Bei den wenigen langen Darstellungen aus Lovecrafts Texten, die der Band zeigt, wurden die Seitengestaltung und die Farbgebung leicht verändert, so dass der Leser hier deutlich zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden kann. Optisch ergänzen die Zeichnungen also die inhaltlichen Finessen. Eine Stelle aus Lovecrafts Briefwechsel, der Nikolavitch wohlbekannt sein muss, verblüfft auch den Kenner der fantastischen Literatur dieser Zeit (oder den, der sich für einen hält). Immer wieder wurden den Conan-Stories des Autors Robert E. Howard faschistoide Tendenzen und Grundzüge vorgeworfen. Nikolavitch zitiert aus einem Brief R. E. Howards an H. P. Lovecraft: »Mein lieber Howard, du wirfst mir vor, ›die Entwicklung der Menschheit zu hassen‹, weil ich dem Faschismus misstraue. Aber es kann keine Toleranz für ein System geben, dessen Befürworter alle, die nicht einer Meinung mit ihnen sind, als ›Feinde der Menschheit‹ bezeichnen. […] Zivilisierte Nationen haben niemals, niemals eigensüchtige Motive für Metzeleien, Vergewaltigungen und Plünderungen; die haben nur schreckliche Barbaren.« Unerwartete Worte des Conan-Schöpfers, wenngleich diese Barbaren dann eins seiner Hauptthemen wurden. 225 H. P. Lovecraft – He Who Wrote in the Darkness ist eine sehr gelungene Graphic Novel, die dem Leser das (späte) Leben und Werk von H. P. Lovecraft zumindest in groben Zügen näher bringt und ein großes Publikum verdient hat.

Den Anspruch, eine Biografie von David Bowie in Comic-Form geschaffen zu haben, erheben die Texter Steve Horton und Mike Allred (* 1969) für ihr Bowie – Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume keineswegs. Sie wollen lediglich, so der Klappentext, »den Aufstieg von David Bowies [sic!] von der Dunkelheit zum Ruhm, sowie über den Aufstieg und Fall von Ziggy Stardust, Bowies Alter Ego« schildern. So setzt dieser Band mit einem Konzert am 3. Juli 1973 im Hammersmith Odeon in London ein; Bowie [1947 – 2016] war damals schon hauptsächlich wegen seines Konzeptalbums The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars (1972) auf dem Zenit seines ersten Ruhms; die Musikzeitschrift Melody Maker bezeichnete Ziggy als das »maßgebliche Album der 1970er Jahre«. Als schicksalsträchtig gilt dieses Konzert, weil Bowie dabei nicht nur das Ende von Ziggy Stardust, sondern auch das seiner eigenen Karriere erklärte und zudem unangekündigt seine gesamte Band entließ. Dann allerdings verzettelt sich dieser Comic-Roman gewaltig. Die Verkündung des Karriereendes zieht sich mit Einzelseiten durch den gesamten Band, der in Rückblenden beschreibt, wie es zu Ziggys Entstehung kam, fast, als wäre Bowie – Sternenstaub ursprünglich als vierbändige Comicbook-Serie geplant gewesen. Natürlich geht der 226 Comic auf das Phänomen Bowie ein: »Als visuell erstklassiger Performer trotzte er mit seiner psychedelisch anmutenden Ästhetik allen Klischees und Schubladen … überlebensgroß und schillernd, erschien seine Persönlichkeit manchmal fast surreal.« Aber klar herausgearbeitet ist das keineswegs. Hier wird höllisch viel Aufmerksamkeit vom Leser eingefordert, und das Ende, der Kampf der Ziggy-Persönlichkeit gegen die Bowie-Persönlichkeit, gleitet dann vollends ab ins oben angesprochene Surreale – und damit auch ein wenig ins Unverständliche. Sehr gewagt ist auch das Fazit des Klappentextes: »Das Ende von Ziggy verändert schließlich nicht nur Bowie, sondern auch die Welt selbst.« Ist das nicht ein wenig hochgegriffen, überschätzt der Verlag Bowies Bedeutung hier nicht maßlos? Für die Popkultur ist sie zweifellos gewaltig, aber gleich für die Welt selbst … Mike Allred gab für Sternenstaub den minimalistischen Strich, den er bislang fast durchgehend pflegte (und dem der Verfasser dieser Zeilen nicht das Geringste abgewinnen kann), zum Glück auf. Einige Seiten, vor allem jene, die Bowie in concert zeigen, sind fast fotorealistisch gehalten, was auch weitgehend für die Darstellung von Bowies Gesicht gilt. Die meisten Passagen des Bandes zeigen einen realistischen, eingängigen Stil, der den Leser packt und Erinnerungen in ihm hoch ruft, falls er sich denn eingehender mit Bowie beschäftigt hat. (Zumindest beim Verfasser, der Bowie zum ersten Mal live am 8. April 1976 in der Düsseldorfer Philipshalle gesehen hat, war das der Fall.)

227 Insgesamt fragt man sich jedoch: Was will der Autor uns damit sagen?

© Cross Cult

Irgendwie ist das passend. Das hat man sich bei David Bowie schließlich auch oft genug gefragt. Eine Notiz am Rande: Eine »richtige« Comic-Biographie über David Bowie gibt es auch: Tribute: David Bowie von den Autoren Mike Lynch und Michael L. Frizell und den 228 Zeichnern George Amaru und Vincenzo Sansone, ein schmales Heftchen von gerade einmal 25 Seiten bei Storm Entertainment. Ein Sammelband mit mehreren Stories, die von verschiedenen Teams stammen, ist das schon wesentlich dickere Spiders & Stardust – A Tribute to David Bowie bei Firelight Comics, das aber in völlig unterschiedlichen Stilrichtungen kurze Stories verschiedener Teams präsentiert, »die von David Bowie inspiriert sind und die Kreativität seiner Musik ehren.« Tribute erzählt die Lebensgeschichte des Künstlers recht einfallslos und gradlinig vom Anfang (»David Robert Jones was born on the 8th of January 1947 …«) bis zum Ende (»David Bowie was laid to rest in a private ceremony …) und grafisch sehr konventionell, was das Bändchen ziemlich langweilig geraten lässt. Spiders & Stardust kann auch nicht so richtig überzeugen, weder grafisch bei der Darstellung des Künstlers als auch handlungstechnisch bei den einzelnen, zum Teil doch sehr frei entlehnten Stories. Herausgegeben wurde dieser Sammelband, der ebenfalls im amerikanischen Comicbook-Format erschien, von Kurt Belcher. Und in deutschen Landen arbeitet Reinhard Kleist an einem großen zweibändigen Bowie-Projekt. Das soll allerdings erst Anfang 2022 bei Carlsen erscheinen und ist dann wieder ein ganz anderes Kaliber.

Eine Comic-Biografie wurde nun auch von Rene Goscinny veröffentlicht, und das ist eine #richtige#. Goscinny war, um Wildschweine nach einem kleinen gallischen Dorf an der 229 Küste zu tragen, der Mit-Erfinder und erste Texter von Asterix und weiteren Serien wie Lucky Luke oder Umpah-Pah. Er verstarb 1977 im Alter von 51 Jahren bei einer Routineuntersuchung auf dem Fahrradergometer seines Arztes; da war seine Tochter Anne neun Jahre alt. Der Illustratorin Catel Muller (*1964) erzählte sie vom Leben ihres Vaters, und die hat die Berichte in eine ausschweifende Comic-Biografie umgesetzt.

© Carlson

Vielleicht in eine zu ausschweifende. Mag Goscinny auch eine unglaubliche Bedeutung für die französische und

230 internationale Comic-Szene gehabt haben, stellt sich die Frage, ob man sein Leben so detailliert nacherzählen muss, wie Catel es getan hat. Ist es nötig, die Überfahrt seiner Familie nach Argentinien, wo sie einige Jahre verbrachte, so facettenreich zu schildern und zu zeigen, wie der Kapitän den kleinen Rene am Bauch krault? Muss man wirklich einen Laurel-und-Hardy-Film auf zwei Seiten wiedergeben, hätte eine es nicht auch getan? Muss man frühe Skizzen des jungen Künstlers tatsächlich auf fast zehn Seiten (und später noch mehr) zeigen? Man könnte den Eindruck haben, dass die Illustratorin sich nicht entscheiden konnte, was für ihre Comic-Biografie wichtig ist und was nicht. Oder aber, dass sie an dem Zwang litt, alles weiterzugeben, was sie erfahren hat. Hier hätte eine sorgfältigere Gewichtung das Lesevergnügen gewaltig gesteigert. Vor allem, wenn es auf das Ende zugeht. Die Erfindung des kleinen Galliers und seines großen, Steine schleppenden Busenfreundes wird nur ganz knapp abgehandelt. Man hätte es Goscinny gegönnt, wenn er sich länger an dem großen Erfolg von Asterix hätte erfreuen können, nicht nur im wahren Leben, sondern auch in diesem Comic. Die letzten Jahre seines Lebens werden nicht gerade rund geschildert. Die Biografie ist in einem eher cartoonhaften Stil gehalten, der aber ein Wiedererkennen sämtlicher Personen problemlos ermöglicht. Sie ist (wen wundert das bei der Informationsquelle?) warmherzig und einfühlsam und spart kritische Aspekte größtenteils aus. Erlaubt sei noch die Frage, wieso dieser Band nicht beim Asterix-Hausverlag, 231 sondern einem großen Konkurrenzunternehmen erschienen ist. Waren die Hamburger einfach schneller, oder passte die Biografie nicht ins Veröffentlichungskonzept von Ehapa? Oder gab es andere, vielleicht inhaltliche Gründe, beim Teutates?

Alex Nikolavitch/Gervasio, Carlos Aón, Lara Lee H. P. Lovecraft – He Who Wrote in the Darkness Pegasus Books, New York 2018, 109 S., 25.95 $

Michael Allred, Steve Horton Bowie – Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume Cross Cult, Ludwigsburg 2020, unpaginiert, 35.00 €

Catel (d.i. Catel Muller) Die Geschichte der Goscinnys – Geburt eines Galliers Carlsen, Hamburg 2020, 335 S., 28.00 €

Links zu den Covern: https://www.amazon.de/H-P-Lovecraft-Darkness-Graphic/d p/1681778556 https://www.google.de/search?q=allred+bowie&tbm=isch& source=iu&ictx=1&fir=9nrZ3TizSWlffM%253A%252CKuthJgX VfYwylM%252C%252Fg%252F11f1905c0q&vet=1&usg=AI4_ -kS9nzgd6oqOzR-5yeFAxikrLgs0cw&sa=X&ved=2ahUKEwioic 232 O-nZ_pAhUryYUKHU3oAOQQ_B0wE3oECAsQAw#imgrc=9nr Z3TizSWlffM: https://www.google.de/search?source=univ&tbm=isch&q=c atel+muller+goscinny&sa=X&ved=2ahUKEwi99qWa3avpAh WOjKQKHYciBaEQsAR6BAgKEAE&biw=1920&bih=913#imgrc =d6k1NQgoy1eA4M

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234 PROW – Die Perry Rhodan Online Woche von Alexandra Trinley

Ein besonderes Event fand vom 13. bis 19.07.2020 statt. Die ganze Woche hindurch gab es jeden Abend Live-Videokonferenzen mit Perry Rhodan-Autoren und weiteren Machern der Serie, Veranstalter waren die PRFZ und der Stammtisch Wien. Die Exposéautoren Wim Vandemaan und Christian Montillon nahmen teil sowie zahlreiche Autoren der Erstauflage – das ist die Hauptserie – und Autoren der aktuellen Miniserie Mission SOL 2. Auch Risszeichner waren virtuell vor Ort und beantworteten die Fragen der Fans. Der Schwesterserie Perry Rhodan NEO war ein ganzer Abend gewidmet. Ganz besonders erfreulich war, dass Andreas Eschbach, der Verfasser der bei Fischer Tor erschienenen Rhodan-Biographie, ebenfalls an zwei Abenden Zeit für PROW fand. (Link im Anschluss, Anm. d. Red). Die Verfasserin dieses Conberichts empfand nach den Aufregungen um den Mausbibermord, der den direkt vor der Veranstaltung erstellten Newsletter der PRFZ 36 (Link im Anschluss, Anm. D. Red.) zu einer anstrengenden Wackelpartie machte, keinen gesteigerten Wunsch nach einer Woche mit täglich vierstündigen Online-Panels und meldete sich nur für einige ausgewählte an. Doch wie es sich für ein gutes Team gehört, bekam sie unaufgefordert

235 alle Links zugeschickt – und hat tatsächlich kaum ein Panel verpasst. Es hat richtig Spaß gemacht. Allerdings hätte sie sich eine Aufteilung auf zwei Wochen oder zwischendrin einen Tag Pause gewünscht, weil vier Stunden pro Tag doch recht viel waren. Der Spaß der ersten Tage entstand erst mal, weil endlich wieder ein Fandom-Treffen da war, es gab bekannte Gesichter und der Chat bot die Möglichkeit, neben den laufenden Panels ein wenig zu schwätzen. Zusätzlichen Spaß bot der Running Gag, der losgetreten wurde, als ein Ehrengast während seines Vortrags aufstand, um ein Buch zu holen. Kleidsame Shorts rückten in den Erfassungsbereich der Kamera, worauf unweigerlich jeden Tag angespielt wurde – werden Fans je erwachsen? Unterhaltsam waren auch die sachten Schnarchtöne, die eine Viertelstunde lang ein im Vorfeld aufgezeichnetes Panel untermalten, der sich auf einem Sofa im Hintergrund räkelnde Hund Beagle und Expeditionen von Ehepartnern zum Kühlschrank, die in ein weiteres Panel akzentuierten. Jeder war ja zuhause. Die Atmosphäre war gut, die Handhabung von Zoom einfach, und ein Con daheim hat durchaus praktische Vorteile. Kommen wir zu den Inhalten, sprich, dem, was in den Panels gesagt wurde. Die Perry Rhodan Online Woche begann am Montag um 18 Uhr mit einem Treffen von Fandom-Aktiven, die Graphiken und Stammtische vorstellten und ein wenig plauderten. Raimund Peter hat den üblichen ConOpener gemacht, diesmal zu Mission SOL 2, er ist auf YouTube. Um 19 Uhr war der Expokrat Wim 236 Vandemaan an der Reihe. Wie es seine Art ist, plauderte er drei Stunden lang über die Serie in ihrer Gesamtheit und stellte wieder einmal seine Theorie der »Großen Fünf« dar, denen eh nichts passieren darf: der Held Rhodan, sein bester Freund Bull, der ehemalige Feind und exotische Freund Atlan, der liebevolle Riese Icho Tolot und das kleine Pelzwesen Gucky. Weil es ihn wunderte, dass die Aufregung um den in Szene gesetzten Tod des Mausbibers so hochgekocht war. Vandemaan kann vor dem Hintergrund seines detailliert-enzyklopädischen Wissens über die Serie nachvollziehbar machen, warum er wirklich nicht auf die Idee kam, jemand könne sich von Guckys Tod überzeugen lassen. Und er spricht großartig, weiß wirklich viel. Technische Fehler bei der Planung des Mausbibertods hat er eingeräumt, auf das Herausarbeiten der cairanischen Fake-Strategie hingewiesen. Die Verfasserin dieser Kolumne hält die Fehleinschätzung des Effekts trotzdem für Instinktlosigkeit. Im März, als der Abschnitt geplant wurde, war die Pandemie schon da. Mit angespannten Nerven hätte gerechnet werden müssen. Wobei am Samstag Chefredakteur Klaus N. Frick exakt die Situation der Pandemie für die technischen Fehler verantwortlich machte. Am Dienstag berichtete Susan Schwartz von den Entwicklungen rund ums Dyoversum, was umso aufschlussreicher war, als sie Vandemaans Vortrag nicht beigewohnt hatte (man kann bei Zoom sehen, wer da ist). Nahm man ihre und Vandemaans Aussagen zusammen, so wurde die Sache ausgesprochen interessant, wobei 237 trotzdem vieles angedeutet blieb. Die übliche perfekte Absprache gab es jedoch nicht. Ha! Einige begründete Vermutungen: Die interessanten Eisblöcke, die in jenem Paralleluniversum die überlichtschnelle Raumfahrt behindern, werden wohl Thema werden, sind also mehr als nur ein Kunstgriff, um das Setting überschaubar zu halten, und von den Baustellen des in der Bleisphäre verkapselten Arkon-Systems und der Tefroderreiche wird sich wohl eins in den neuen Zyklus retten, während die andere aufgeräumt wird – jedenfalls legen die Andeutungen dies nahe. Und von den Zain-Konstrukten, jenen honiggelben positronischen Intelligenzen, werden wir mehr hören. Danach ging es drei Stunden lang um die aktuelle Perry Rhodan-Miniserie Mission SOL 2. Eine Fortsetzung ist geplant, aber nicht im direkten Anschluss. Kai Hirdt, Olaf Brill, Ben Calvin Hary und Dietmar Schmidt plauderten lebhaft. Schmidt hatte sich das Titelbild unserer Fanpublikation Blicke auf OLYMP als Hintergrundbild gewählt. Sie enthält seine Story zum jungen Mehandor Raslon, die in Band 4 der Miniserie Olymp von 2018 nicht fertig erzählt wurde, und viel Zusatzmaterial. (Link im Anschluss, Anm. d. Red.) Am Mittwoch berichteten Maikel Das und Olaf Brill viel Interessantes über die Perry-Comics der Alligatorfarm, wobei Kai Hirdt viel beisteuerte. Ein langes Interview mit Expokrat Christian Montillon war in der Vorwoche aufgezeichnet worden. Danach berichtete Autor Michael Marcus Thurner von seinem Vorhaben »Altes Eisen auf Reisen – das Projekt meines Lebens«. Der 57jährige möchte 238 im kommenden Jahr eine Art Weltreise per Motorrad unternehmen und sucht Sponsoren. (Link im Anschluss, Anm. d. Red.) Am Donnerstag plauderten der Reihe nach Uwe Anton, Michelle Stern und Dennis Mathiak über die Hauptserie, während der Freitag mit Rainer Schorm, Lucy Guth und Ben Calvin Hary im Zeichen von Perry Rhodan NEO stand – nach einer Demonstration des Perry Rhodan-Sammelkartenspiels, das eine ähnliche Faszination auszuüben scheint wie Fußball, nach den vollständig konzentrierten Gesichtern der männlichen Teilnehmer auf den Schirmen zu urteilen. Am Samstag waren Verena Themsen und ihr Risszeichnungsteam am Start, und das war wirklich hochinteressant, weil Themsen die technische Beraterin und Datenverwalterin der Hauptserie ist und ihren Hintergrund als Physikerin einsetzt, um die Technologie des Perryversums mit Konstanten zu versehen. Ihre gewissenhafte Art macht von vornherein seichten Smalltalk unmöglich, Themsen weiß, wovon sie spricht. Bei diesem wie bei anderen Panels sekundierte der technische Berater vor allem von NEO und den Miniserien, Peter Dachgruber. An Risszeichnern waren Gregor Paulmann und Gregor Sedlag da. Paulmann zeigte die Entwicklung der THORA von ersten Skizzen bis hin zur fertigen Risszeichnung samt der Übernahme aufs Titelbild von PR 3013 durch Arndt Drechsler. Sedlag, der als Künstler unter den Risszeichnern gilt, beschrieb sich als Lumpensammler, der in der Serie nach Zeugs sucht – wie dem cairanischen Vital-Suppressor, dessen zeichnerische Entstehung er darlegte. 239 Chefredakteur Klaus N. Frick nahm in einem aufgezeichneten Interview Stellung zur Gucky-Krise und der Umwandlung des Perry Rhodan-Verlags in eine KG. Im Juni 2020 war bekannt geworden, dass die dem Verlagsgebäude angeschlossene Druckerei, die Firma VPM Druck GmbH & Co KG, wo die Perry Rhodan-Romane seit Jahrzehnten gedruckt werden, Ende August schließt. Der Konzern sieht den Offset-Druck als Auslaufmodell. Der Pabel-Moewig Verlag wandert nach Hamburg, so dass dort alle Frauenzeitschriften, vor allem Yellows mit Klatsch und Tratsch, zusammengefasst werden. Servicezeitschriften, das sind z. B. Rätselhefte, gehen an einen anderen Verlag. Die Rhodan-Redaktion darf im nunmehr recht leeren Gebäude bleiben, und das Sichern der Archive – des »Großen Verlagsarchivs«, des Handarchivs mit z. B. der Exposésammlung und des Verkaufsarchivs steht an. Aufgaben müssen schon deshalb neu verteilt werden, weil Klaus Bollhöfener bald in Rente geht. Die Situation scheint sich aber zu stabilisieren. Bemerkungen zur Serienhandlung ergänzten die bisherigen Panels, wobei man deutlich merkte, wo die Informationen zusammenlaufen. Das Vorgehen der Cairaner, das zum Tod des Mausbibers führte, hätte deutlicher als Fake vorbereitet werden müssen, wobei Frick sinnierte, dass wegen der Pandemie seit zwei Treffen im Januar und März mit Telefon und Videokonferenzen gearbeitet wurde, was wohl die Ursache für die aktuellen Probleme sei, weil im direkten Kontakt solche Fehler vermieden worden wären. Die Handlung des nächsten 240 Zyklus wird sich auf die Lokale Gruppe konzentrieren, die Zain-Konstrukte bleiben. Natürlich durfte eine Diskussion um die Rhodan-Verfilmung nicht fehlen. Sie fehlt ja eigentlich nie.

Andreas Eschbach, dessen bei Fischer-TOR erschienenes Hardcover Perry Rhodan. Das größte Abenteuer gerade den Kurd-Laßwitz-Preis gewonnen hat, eröffnete am Sonntag den letzten Tag der Perry Rhodan Online Woche. Er erinnerte sich an die erste Begegnung mit Frick, bei der dieser noch grüne Haare hatte, und erinnerte sich an seine Heftromane. Nach seiner Lieblingsfigur befragt, nannte er Reginald Bull als Ewigen Zweiten, der im Gegensatz zu Rhodan auch mal durch die Kneipen ziehen kann. Noch dazu irrt sich Perry nie auf Dauer, was ihn zu einer besonders schwer zu gestaltenden Figur macht. Ein Roman, in dem er Gucky tötet? Gern, »such is life«. Spannend wäre, einen Haluter zu töten, weil das richtig schwer wäre. Witzig die Bemerkung zu seinem 800-Seiten-Wälzer: »Ich hatte jetzt nicht das Gefühl, dass man groß was hätte wegstreichen können.« Eschbachs eigener aktueller Roman handelt von Menschen mit Flügeln, für die der Boden gefährlich ist, wofür ihm die Möwen vor seinem Fenster viel Inspiration boten. Stephen King bewundert er für die spannende Darstellung des Alltäglichen. Es folgte Olaf Brill mit Auskünften zur Kurzgeschichtenreihe Stellaris. Wie ist solch eine Geschichte beschaffen, wie sollte sie sein, wie reicht man sie ein, was gibt den Ausschlag für eine Veröffentlichung. Zu guter Letzt 241 stellte sich Leo Lukas, der den Roman Der Ilt muss sterben! (PR 3072) verfasst hat und dafür mit wütenden Leserreaktionen überschüttet wurde, der Diskussion. Sicher lag es an der gründlichen Aufarbeitung der vergangenen Tage, dass es hier eigentlich nicht viel Neues zu sagen gab. Last but not least kam Rainer Nagel zu Wort, dessen Panel am Vortag ausgefallen war. Und pünktlich um 22:03 Uhr war dann Schluss. Fazit: Eine Online-Woche mit vier Stunden Veranstaltung am Tag ist anstrengend, aber ein echtes Erlebnis. Der Initiator und Moderator Roman Schleifer hat exzellente Arbeit geleistet.

PRFZ: http://www.prfz.de/home.html

Newsletter der PRFZ 36 zum freien Download: https://www.proc.org/newsletter-36-der-pr-fanzentrale-e rschienen-aus-aktuellem-anlass-fuer-alle/

Michael Marcus Thurners Reiseprojekt: https://mmthurner.wordpress.com/2020/07/16/das-ist-d as-projekt-meines-lebens-teil-1/

Blicke auf OLYMP. Hintergründe zu einer PERRY RHODAN-Miniserie: http://www.terranischer-club-eden.com/special/olymp.html

242 Übersetzen hoch Drei: Im Gespräch mit Perry Rhodan-Autor Dietmar Schmidt

Der Autor und Übersetzer Dietmar Schmidt verfasste die Bände 7 und 10 der aktuellen Perry Rhodan-Miniserie Mission SOL 2. 1963 in Oberhausen geboren, lebt er heute in Bonn. Der Redaktion des Corona Magazine gab er Auskunft zu seiner Übersetzertätigkeit und seinem neuen Perry Rhodan-Roman, der den Titel Drei hoch Psi trägt.

Alexandra Trinley: Dietmar, stimmt mein Eindruck, dass du wie viele andere Autoren übers Lektorieren und Übersetzen zum eigenen Schreiben kamst? Dietmar Schmidt: Oh, ich habe schon geschrieben, lange bevor ich ans Übersetzen kam. Das ging noch auf dem Gymnasium los. Was dort entstand, haben nur einige Freunde zu Gesicht bekommen, und das wird auch so bleiben. Im Hauptstudium ging mir die Zeit zum Schreiben aus, und eine Lücke entstand, die durch das Übersetzen gefüllt wurde. Das Übersetzen hat meinen Schreibstil aber nachhaltig beeinflusst.

AT: Was hast du studiert? DS: Chemie. Schon während der Doktorarbeit habe ich Fachartikel übersetzt, und später kamen dann Kurzgeschichten und Romane hinzu. Mein erster Roman war

243 natürlich superdringend, und irgendwie ist es seitdem so geblieben.

AT: Was übersetzt du, und aus welcher Sprache? DS: Aus dem Englischen, wie es bei Quereinsteigern sehr verbreitet ist. Angefangen habe ich mit SF und Fantasy und jahrelang ausschließlich auf dem Gebiet gearbeitet, bis ich auch für andere Genres angefragt wurde. Heute übersetze ich Thriller, historische Romane, Jugendbücher und ganz selten auch noch mal etwas Phantastisches. Ich habe sogar ein paar Liebesromane übersetzt.

AT: Wie geht ein Übersetzer vor? Liest du erst einmal den gesamten Roman? DS: Eigentlich nicht. Ich will mir nicht die Spannung nehmen, und vor allem möchte ich mich nicht versehentlich verplappern und etwa Hinweise geben, die der Autor gar nicht beabsichtigt hat. Da bin ich vielleicht ein wenig paranoid, seit mir als Leser mal ein Roman untergekommen ist, bei dem die Pointe im Klappentext verraten wurde. Natürlich gibt es Romane, die muss man erst einmal lesen. Das merkt man aber auch recht schnell. Wenn mit wiederkehrenden Motiven gespielt wird, sollte man besser wissen, wohin sich das Ganze entwickelt. Das Fremdenhaus von Reginald Hill ist dafür ein Beispiel, ein Werk, das Elemente des historischen Romans, des Kriminalromans und der Geistergeschichte vereinigt.

244 Dietmar Schmidt

AT: Zum Umgang mit den Ursprungstexten: Welches Verhältnis haben Übersetzung und Original? DS: Zum Übersetzen sind zahlreiche Bücher erschienen, wir können hier nur einiges anreißen. Übersetzer werden manchmal als Vermittler zwischen Quellsprache und Zielsprache bezeichnet. Das klingt recht abstrakt, aber bedeutet zum Beispiel, dass der Leser bei der Lektüre am besten gar nicht bemerken sollte, eine Übersetzung vor sich zu haben. Eine gute Übersetzung wird sich deswegen aber vom Original unterscheiden. Abweichungen sind

245 unvermeidlich, und meiner Meinung nach fährt man gut damit, wenn man vom Original so weit abweicht wie nötig und so nahe dran bleibt wie möglich.

AT: Wie gehst du mit Anglizismen um? DS: Eigenarten der englischen Sprache sollten vermieden werden, Eigenarten der deutschen (Standard-)Sprache berücksichtigt und ausgenutzt. Man trifft im Original manchmal auf Formulierungen, die uns recht farbig erscheinen, für den Muttersprachler aber nur phrasenartig benutzte, verbreiteter stehende Ausdrücke sind. Auch wenn dann der Drang entsteht, eine originelle Formulierung in der Übersetzung zu finden, ist ein lapidarer Ausdruck besser: Eine besondere Formulierung zieht die Aufmerksamkeit auf sich, setzt sozusagen ein Glanzlicht. Der Autor hat in seinem Buch an der betreffenden Stelle aber gar kein Glanzlicht gesetzt, sondern einen wenig bemerkenswerten Übergang geschaffen. Das sollte dann auch im Deutschen so sein. Wichtig ist es gleichzeitig, durch die Wortwahl die Stimmung des Originals herüberzubringen, was wiederum Schwierigkeiten mit sich bringen kann.

AT: Gibst du uns ein Beispiel? DS: Ganz zu Anfang meiner Laufbahn wurde ich mit der Übersetzung der Honor-Harrington-Serie von David Weber beauftragt. Zu Anfang hat diese Serie ein maritimes Flair, vergleichbar mit den Büchern um Horatio Hornblower von C. S. Forester. Das Problem ist nur, dass das Maritime im Deutschen lange nicht so tief verankert ist wie im 246 Englischen. Ein Seekadett wurde bei der britischen Marine als »Snotty« bezeichnet, als Rotznase, wobei bei diesem Wort auch der Vorwurf einer gewissen Hochnäsigkeit mitschwingt, und in David Webers Universum hatte sich dieser abschätzige Begriff auf die Raumkadetten übertragen. In der deutschen Übersetzung der Hornblower-Romane heißt der Seekadett »Kakerlak« – auch kein besonders freundliches Wort, aber historisch gerechtfertigt. So nannten die Matrosen der kaiserlichen Marine die jungen Offizieranwärter. Das habe ich übernommen, und wie ich dann später sah, als es so etwas wie Internetforen gab, war vielen Lesern einfach nicht klar, wieso. Aber zu dieser Zeit entsprach die Stimmung der Honor-Harrington-Serie ohnehin nicht mehr den Hornblower-Romanen, sondern spiegelte das Wettrüsten im 2. Weltkrieg und danach wider.

AT: Wie ist der Umgang mit Fachbegriffen? DS: Das Englische hat eine andere Entwicklung hinter sich als das Deutsche. Ein Beispiel: Für viele medizinische Begriffe gibt es kein eigenes englisches Wort. Tritt im Englischen eine Bezeichnung mit lateinischen Wurzeln auf, sollte man sich sehr gut überlegen, ob man das im Deutschen beibehält. Ich erinnere mich an einen Roman, den ich auf Deutsch gelesen habe, in dem jemand ein neues Pankreas brauchte. Das war ein recht einfacher Mensch, aber er redete ständig von seinem neuen Pankreas-Transplantat, und jeder um ihn herum, auch alles einfache Menschen, schien genau zu verstehen, was er 247 meinte. Nur ich musste ins Lexikon schauen, was ein Pankreas überhaupt ist. Ich fand dann, es wäre stimmiger gewesen, den Begriff »Bauchspeicheldrüse« zu benutzen. Das Wort ist in der Zielsprache einfach gängiger. Ein anderes Beispiel: Im Mittelalter trug man – teilweise bis ins 16. Jahrhundert – in den ehemaligen römischen Gebieten grobe Wollhemden, die auf der römischen Tunika beruhten und von Historikern auch so bezeichnet werden. Aber liest man das Wort Tunika, hat man eben Römer vor Augen und nicht zum Beispiel Angelsachsen usw. Der Begriff »Hemd« liefert da ein besseres Bild. Auch in manchem SF-Roman liest man, dass Soldaten »Tuniken« tragen. Dabei handelt es sich allerdings um eine Fehlübersetzung, denn im Englischen bedeutet tunic auch Uniformjacke.

AT: Das beeinflusst den Film im Kopf deutlich. Aber sag mal, wie viel Aufwand betreibt man bei historischen Romanen mit Recherche? DS: Man recherchiert dabei grundsätzlich mehr als für einen Liebesroman oder ein Jugendbuch. Auch hier ist es wichtig, die korrekte deutsche Schreibweise zu finden. Und man braucht ein gewisses Gefühl für die historische Epoche. Siehe das Beispiel mit den Hemden.

248 © Pabel-Moewig Verlag

AT: Sprechen wir über die aktuelle Perry Rhodan-Miniserie Mission SOL 2. Dein Band 7 trägt den Titel Drei hoch Psi. Wie leicht oder schwer ist das Gestalten von Psi-Kräften im Roman? DS: Gar nicht schwer, wenn man sich vorher zurechtlegt, was gerade geht und wo die Grenzen sind, und darauf die Handlung aufbaut. Ich habe in Drei hoch Psi allerdings den Vorteil, dass die Psi-Kräfte nur von außen beschrieben werden. Etwa Guckys Schmerzensteleportation zu schildern ist da schon eine ganz andere Herausforderung.

249 AT: Das Titelbild zeigt einen Menschen, der düster und zugleich unternehmungslustig dreinschaut. Wer ist das? DS: Es handelt sich um Perry Rhodan.

AT: Der Mann mit den vielen Gesichtern. Wie eng hast du beim Erstellen des Titelbilds mit Arndt Drechsler zusammengearbeitet? DS: Ich habe eine Auswahl an möglichen Szenen für ein Titelbild an Klaus N. Frick durchgegeben. Er sortiert aus, was ungeeignet ist, und gibt den Rest an Arndt weiter. Arndt sucht sich dann heraus, was ihn am meisten interessiert.

AT: Wo spielt überhaupt diese zweite Miniserie rund um die Abenteuer des Hantelschiffs, und worum geht es? DS: Wir befinden uns in der Galaxis Yahouna, die etwa 54 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt ist. Die Sterneninsel gehört zur Mächtigkeitsballung, also dem Einflussbereich der Superintelligenz BARIL. BARIL hat sich dem Ausgleich zwischen den Ordnungs- und den Chaosmächten des Universums verschrieben. In der Perry Rhodan-Serie gab es einmal ein Konzept des Dritten Weges, dessen Anhänger sich weder mit den einen noch den anderen einließen. BARIL folgt einem anderen Ansatz: Sie arbeitet, wie es scheint, durchaus für die eine oder andere Seite, aber am Ende muss der Ausgleich stehen. Bislang hatte BARIL für die Kosmokraten agiert, nun aber scheint die Superintelligenz mit der Terminalen Kolonne TRAITOR zusammenzuarbeiten, einem militärischen Arm der Chaotarchen. TRAITOR hatte etwa 200 Jahre zuvor 250 versucht, die Milchstraße zu erobern und als Ressourcenquelle für die Erschaffung einer Negasphäre auszubeuten, eines Machtmittels der Chaosmächte. Dass die Kolonne derart – in kosmischen Maßstäben – nahe zur Milchstraße abermals in unserem Universum aktiv wird, kann Perry Rhodan nicht gefallen.

AT: Was ist denn eine Negasphäre? DS: Eine Negasphäre ist in der Perry Rhodan-Serie eine kosmische Region, in der die kosmische Ordnung nicht aufrechterhalten werden kann, ein Ort des Chaos und der Willkür. In einer Negasphäre existieren keine Naturgesetze, keine Logik und keine Kausalität mehr. Man kann sagen, dass dort das Universum zerfällt. Mehrere Negasphären können auf lange Sicht zu einem Universum führen, in dem das Chaos herrscht – was von den Chaotarchen langfristig angestrebt wird.

AT: Und die Chaotarchen sind die Gegenspieler der Kosmokraten. Auf welchen Ebenen spielt die Handlung? DS: An Handlungsebenen haben wir Rhodan, der als Orbiter in den Dienst A-Kuatonds getreten ist, einer Ritterin BARILS. Ein Orbiter ist die rechte Hand eines Ritters im Dienst höherer Mächte. Eine andere Handlungsebene sind Roi Dantons Vorstöße mit der Korvette CALAMAR in das Sphärenlabyrinth, ein Artefakt, das der Terminalen Kolonne ermöglicht, andere Universen zu erreichen, und zwar ohne dass es zu den dabei üblichen lähmenden Begleiterscheinungen kommt, dem Strangeness-Schock. 251 AT: Mit den Prar hat Bernd Perplies zwei Bände vorher ein eigenwilliges pelziges Volk gestaltet. Nun informiert uns die Verlagsankündigung, dass dein Roman auf dem Planeten eines unbedeutend erscheinenden Volks spielt. Sind das auch wieder die Prar? DS: Nein, in Drei hoch Psi geht es um eine andere Spezies mit einem explosiven Geheimnis. Mehr darf ich darüber nicht verraten.

AT: Außerdem soll der Zwergandroide Eroin Blitzer wieder eine Rolle spielen, beziehungsweise seine identische Zweitausgabe. Er arbeitet für die Kosmokraten, die Ordnungsmächte des Kosmos, also die »Guten«. Von Individualität halten die aber nicht viel, oder? DS: Als Ordnungsmächte folgen sie Plänen, deren Sinn sich uns als Bewohnern der niederen Ebenen kosmischer Entwicklung nicht erschließt. Man erinnere sich, dass Perry Rhodan beauftragt war, die Antworten auf die drei Ultimaten Fragen zu finden, und bei den ersten beiden feststellte, dass die Kosmokraten die Antworten bereits kennen mussten. Gleiches galt wohl für die Antwort auf die Frage, wer das GESETZ initiiert habe und was es bewirke. Rhodan sollte sie am Berg der Schöpfung erhalten und bemerkte in letzter Sekunde, dass sie wohl seinen Verstand sprengen würde. Selbst ein Ritter der Tiefe, ein nicht ganz austauschbarer Agent der Ordnungsmächte, war den Kosmokraten als Individuum also nichts wert; sie hätten es

252 in Kauf genommen, dass er sein Ich einbüßt, solange es ihren Plänen förderlich ist.

AT: Die Miniserie trägt den Arbeitstitel Labyrinth, vermutlich wegen der ständigen Zwiespältigkeit moralischer Entscheidungen in den ersten Bänden. Wo siehst du BARIL angesiedelt? DS: BARIL scheint auf verschlungenen Wegen zu ihrem Wunsch zu gelangen, einen Ausgleich zwischen Ordnung und Chaos zu erzielen. Der mäandrierende Pfad ähnelt vielleicht dem Weg durch ein Labyrinth. Der Arbeitstitel rührt aber wohl eher von dem Sphärenlabyrinth her, das im Mittelpunkt der Handlung steht.

AT: Gehörst du eigentlich auch zu den Leuten, die ihren ersten Rhodan-Roman lasen, nichts verstanden und davon so fasziniert waren, dass sie einfach weiterlesen mussten? DS: Mein erster PR-Roman war die Nummer 154 in der 4. Auflage, und damit gelang der Einstieg sehr leicht. Was du schilderst, ist mir dann bei meinem ersten Roman aus der 3. Auflage passiert, den ich voll Begeisterung noch in der gleichen Woche gekauft habe. Das war Nummer 398, die Handlung von hundert Heften schritt auf das Finale zu. Aber andererseits sah ich in dem Heft die erste Risszeichnung meines Lebens, und damit war es endgültig um mich geschehen. Aber wie kommst du auf diese Frage?

AT: Wegen der Massierung der Insider-Begriffe. Negasphäre, Terminale Kolonne, drei Ultimate Fragen, Ritter der Tiefe … 253 die aktuelle Miniserie greift die kosmische Ebene des Perryversums auf. Ist sie für ganz normale Leute, die einfach nur mal reinlesen möchten, überhaupt verständlich? DS: Die Perry Rhodan-Serie wird im kommenden Jahr (2021) sechzig Jahre alt. Deshalb gibt es einen Haufen Vorgeschichte und eine Menge »Fachterminologie«. Davon sollte man sich aber nicht abschrecken lassen. Gerade die Miniserien sind so konzipiert, dass man sie als Einsteiger*in lesen kann. Gleichzeitig wollen wir den Altfans, zu denen wir Autoren uns selbst zählen, ebenfalls etwas bieten. Deshalb kommen die angesprochenen Begrifflichkeiten durchaus vor, aber was für die Handlung wichtig ist, das wird auch in der Handlung erklärt. Und falls das nicht genügt, gibt es die ausgezeichnete Internetseite perrypedia.de, auf der man ausführlichere Erklärungen findet und auch erfährt, wo die Personen, Konzepte usw. zum ersten Mal vorgekommen sind. Um wieder auf meine eigenen Erfahrungen zurückzukommen: Nach ein paar Heften ist man immer in der Handlung, kennt die zugrundeliegenden Konzepte und verfolgt die Entwicklung mit. Das ist genau wie bei jedem anderen SF-Roman. In jedes neue Universum muss man sich ein wenig einlesen.

AT: Dann danke ich dir für die Auskünfte. DS: Und ich danke dir für deine Fragen. Ich möchte noch etwas hinzufügen: Was mich damals, als ich anfing, Perry Rhodan zu lesen, an der Serie so fasziniert und in den Bann 254 geschlagen hat, war die Erkenntnis, wie viel es dort für mich noch zu entdecken gab.

Lese- und Hörproben gibt es auf der Verlagsseite: https://perry-rhodan.net/produkte/miniserien/mission-sol- 2 Mission SOL 2 in der Perrypedia https://www.perrypedia.de/wiki/Mission_SOL_2_(Serie)

Das sockenfressende Monster in der Waschmaschine – Wie lerne ich zu unterscheiden zwischen Scifi, Fantasy, spirituellen, religiösen Ideen oder Verschwörungstheorien und tatsächlicher, objektiver Realität? von Reiner Krauss

»Du gehst mit offenen Augen und wachem Interesse durchs Leben. Dabei hast Du Fähigkeiten, Dinge und Situationen objektiv aus einer gewissen Distanz zu betrachten und sich nicht gleich mit allem zu identifizieren. Möglicherweise fällt es Dir schwer, sich zu entscheiden. Du kannst die Vor- und 255 Nachteile einer Situation sehr genau abwägen, aber du zögerst den letzten entscheidenden Schritt hinaus. Du bist objektiv, tolerant, kontaktfreudig und stets bereit, etwas Neues zu lernen. Austausch ist für Dich ein inneres Leitmotiv, sei es, dass Du Informationen sammelst und weitergibst oder das Du in einer konkreten Form Waren umsetzt. Du hast eine Begabung für Kommunikation und Vermittlung von Wissen und Information. Journalismus, Gespräche, Wissen, Handeln oder Bücher gehören zu deinem Leben. Im innersten Kern bist Du ein offener Mensch und magst das, was man allgemein unter Kultur versteht. Diese Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit im Großen wie im Kleinen könnte bewirken, dass Du im Leben Mühe hast eine klare Linie zu finden. Es gibt so vieles das dir sinnvoll und logisch erscheint; und das Leben stellt dich vor die Aufgabe, aus all der Vielfalt deine ganz persönliche Entscheidung zu treffen. Du wirkst auf Deine Mitmenschen geheimnisvoll und tiefgründig. Du lässt Dir nicht ohne weiteres in die Karten blicken, durchschaust andere jedoch recht schnell. In deinem Verhalten hast du etwas Forschendes und Grübelndes. Du stahlst Intensität aus, vermutlich auch im sexuellen Bereich. Möglicherweise reagieren andere darauf mit Zurückhaltung …« (Angepasster Auszug und Zitat aus Das sockenfressende Monster in der Waschmaschine)

256 © Alibri Verlag

Hast Du Dich wenigstens etwas wiedererkannt? Es kann gar nicht sein(!), das dieser Text in keiner Weise auf Dich zutrifft. Insbesondere wirst Du Dich in dem Text finden, wenn Du darin nach dir suchst. Das ist ein sogenannter »Barnum-Text«. Das Suchen nach den Bestätigungen die dich selbst beschreiben nennt man zu Deutsch »falsch auf sich beziehen«. Der Begriff »Barnum-Text« wurde einem Zirkusdirektor namens Barnum entliehen, mit der Devise »Wir haben für jeden etwas«. Als Barnum-Effekt bezeichnet, 257 dass man vage Aussagen, die allgemeingültig für alle sind, für sich selbst zutreffend akzeptiert. Bestes Beispiel wo dies massenhaft und täglich geschieht: Horoskope aller Art und Form. Dies ist ein Auszug und Beispiel aus einem genialen Buch: Das sockenfressende Monster in der Waschmaschine – Eine Einführung ins skeptische Denken von Christoph Bördlein (wissenschaftlich arbeitender Psychologe), der auch seine eigene Berufsbranche kritisch unter die Lupe nimmt. Ein wichtiger erster Schritt, um die Dinge der Welt und Umwelt richtig zu verstehen, damit wir nicht dauernd auf Scharlatane, Lügner und Fallensteller, Spinner oder Möchtegernwichtigtuer hereinfallen, ist diese erste Regel: Die Beweispflicht liegt beim Behauptenden! Du bist nicht dafür verantwortlich, Belege beispielsweise für die Behauptung »der Stein fällt immer nach unten« oder »UFOs sind Raumschiffe von außerirdischen Besuchern« zu suchen. Jeder, der eine Allaussage oder Existenzaussage trifft, muss für Belege und nachprüfbare Fakten sorgen – nicht umgekehrt. Unsere Aufgabe kann nur sein, diesen Beleg fair und unvoreingenommen zu prüfen. Das unterscheidet aber bereits das wissenschaftliche Vorgehen (was eigentlich jeder schon kann) von einem dogmatischen. Dass man also nicht grundlos glaubt oder ablehnt, sondern immer prüft. Ich behaupte: Du hast kein Glas Senf im Kühlschrank. Eine einfache wissenschaftliche Herangehensweise ist bereits, wenn ich nachsehe, ob ein Glas Senf im Kühlschrank ist oder nicht. Es gibt jedoch Behauptungen, die man eben nicht so 258 leicht nachprüfen kann. Carl Sagan hat das einmal auf die Spitze getrieben und behauptet, einen unsichtbaren, nicht-materiellen Drachen in seiner Garage zu haben. Das ist nicht widerlegbar, und damit nicht wissenschaftlich. Viele glauben etwas. Auch wenn es sehr viele sind, so ist es genauso wenig ein Beleg für die Richtigkeit (wie das Buch weiter anschaulich macht) von außergewöhnlichen Phänomenen oder einer Gottheit. Bedenke nun immer: Du musst nicht belegen, dass es etwas nicht gibt, sondern der Behaupter muss seine Belege nachprüfbar vorlegen, ansonsten ist das Modell oder die Vorstellung solange nicht identisch mit der realen Wirklichkeit. Wissenschaft ist somit eine Sammlung von Methoden, um sich bei Prüfungen von Vermutungen nicht zu täuschen. Zunächst wird im Buch erläutert, wie man überhaupt Vermutungen prüft. Auch die Wissenschaft als Methode wird erläutert und deren Kritikfähigkeit verdeutlicht, die größer ist als man annimmt. »Wahrheit ist relativ« und »Wahrnehmung sei nur ein Konstrukt« – auch solches wird anschaulich und belegbar verworfen. Außergewöhnliche Behauptungen, Para- und Pseudowissenschaften werden somit schneller erkannt und man lernt, die Spreu vom Weizen zu trennen. An folgenden Beispielen wird die oftmals geglaubte Richtigkeit von bestimmten Aussagen widerlegt:

• Hat der Mond Einfluss auf den Menschen? • Wahrsager und ihre Methodik • Der Bibel-Code; man findet, was man finden will 259 • Entführt von Außerirdischen – Träume und Realität durcheinander • Erinnerungsfehler – Eine Erinnerung wird aktiv und neu aufgebaut • Was sich richtig anhört ist nicht notwendigerweise richtig.

Wer ist nun anfälliger für paranormale Überzeugungen oder Verschwörungsthesen? Die Antwort ist ebenso einfach wie logisch: Alle diejenigen, die den Zufall nicht mögen und eine Kontrolle im Leben auch auf Unkontrollierbares übertragen möchten. Ein unglaublich hilfreiches und lehrreiches, zudem leichtverständliches Buch für alle, die wirklich eine sinnvolle Orientierungshilfe möchten in Zeiten, in denen immer mehr Fehlinformation, Aberglaube, Realitätsverlust und wirkliche »Fake-News« um sich greifen. Gar die Flucht vor zunehmenden Zukunftsängsten gehört dazu. In Zeiten der uneingeschränkt möglichen Verbreitung von »Unsinn ohne Gleichen«, dank des freien, oft ungeprüften Internets, bedarf es für viele eines dringend hilfreichen Leitfadens, um Nonsens von Sense zu unterscheiden. Eine leichtverständliche Hilfe und Anleitung bietet dieses Taschenbuch. Sehr zu empfehlen für jedermann!

Titel: Das sockenfressende Monster in der Waschmaschine Autor: Christoph Bördlein Umfang: 199 Seiten 260 Verlag: Alibri Verlag Gunnar Schedel Preis: 14,– Euro ISBN: 3-932710-34-7 Erstveröffentlichung: März 2002 Wo erhältlich? U.a. Amazon http://www.amazon.de/sockenfressende-Monster-Wasch maschine-Einführung-skeptische/dp/3932710347/ref=sr_1_ 1?s=books&ie=UTF8&qid=1366051718&sr=1-1&keywords= das+sockenfressende+monster+in+der+waschmaschine

Geister der Vergangenheit (Anthologie) von Peter R. Krüger

Eigentlich haben alle Anthologien eines gemeinsam: Es gibt darin immer Geschichten, die einem nicht ganz so gut gefallen. Das muss nicht heißen, dass diese Geschichten schlecht sind, sondern nur, dass sie den persönlichen Geschmack nicht ganz treffen.

261 Geister der Vergangenheit ist in dieser Hinsicht anders als alle anderen Anthologien, die ich bisher gelesen habe (und das waren schon einige). Hier gibt es nicht eine Geschichte, die mir nicht gefällt! Um das mal in Schulnoten auszudrücken: Es gibt ein paar Einsen, ganz viele Zweien und dann noch einige Dreien. Aber keine Vieren oder schlechter. Herausgeberin Sarina Wood, die selbst auch mit einer Geschichte vertreten ist, hat hier eine Sammlung an Geister- und Spukgeschichten zusammengetragen, die alte Legenden aus deutschen Landen aufgreifen und in unser heutiges Leben transportieren. Dabei gelingt es den Schriftstellern in 262 dieser Anthologie, sehr unterhaltsame Gruselgeschichten mit zum Teil Gänsehautgarantie zum Besten zu geben. Der Clou: Für jede Geschichte gibt es dann noch via QR-Code im Buch Hintergründe zu den einzelnen Legenden, die hier als Vorbild dienten. Es ist schwer, hier einen Favoriten auszumachen, aber wenn schon, dann würde ich vielleicht Die Last von Heike Schrapper und Ein König, brennend, sie zu warnen von Yansa Brünnling empfehlen. Was empfiehlt man nun als Fazit, wenn einem alles gefallen hat? Am besten: Zugreifen! Wer Geistergeschichten mag, vielleicht auch noch die alten Gespenstergeschichten, Comics oder die beliebte John Sinclair-Romanreihe kennt und schätzt, der kann wirklich bedenkenlos diese Anthologie kaufen. Für mich eine der besten Anthologien, die ich bisher gelesen habe. Dass das auch andere ähnlich sehen beweist, dass diese Anthologie Gewinner des Vincent Preis 2020 geworden ist.

Sternenlicht 1: Insel im Nichts von Peter R. Krüger

Im Dezember 2019 erschien der erste Teil der Sternenlicht-Romanreihe Insel im Nichts, geschrieben von Horst Hoffmann. Wer das Titelbild etwas genauer betrachtet, wird darauf ein Raumschiff erkennen, welches die Form einer fliegenden Untertasse hat … wobei, halt … 263 das ist nicht einfach ein Ufo. Bei genauerem Betrachten fällt es schließlich auf: Es handelt sich um ein Raumschiff der Orion-Klasse.

Orion? Klingelt da etwas? Ganz sicher denken Sie sofort an die beliebte TV-Serie Raumpatrouille Orion aus dem Jahr 1966. Horst Hoffmann könnte in diesem Zusammenhang auch ein Begriff sein, denn er hatte seinerzeit einige der Original-Romane aus der Orion-Romanserie geschrieben, in

264 der Hanns Kneifel schon die original Fernsehabenteuer in Romanform brachte. Sie haben recht! Zumindest fast. Wir bewegen uns in diesem Buch in einer Zeit weit über hundert Jahre nach der TV-Serie. Im Jahre 3166, über hundert Jahre nach den Kriegen gegen die Frogs ist das Sternenreich der Menschen in viele einzelne Reiche zerfallen. Hasardeure und Piraten herrschen nun und ein aufstrebendes neues Sternenreich, die Sternenlicht Vereinigung, erhebt sich. Eine neue Expansionsphase beginnt und riesige Expeditionsmutterschiffe stoßen in unerforschte Regionen der Galaxis vor. Auf diesen Expeditionsmutterschiffen sind jeweils vier Erkundungskreuzer der Orion-Klasse stationiert und in dieser Geschichte geht es um den Kreuzer mit dem Namen Winston Woodrow Wamsler und seine Crew, die sich einer neuen Bedrohung stellen muss, die ganze Sonnensysteme zu verschlingen droht. In diesem Roman wird eine Crew in ihr erstes Abenteuer geworfen, welches den wundersamen Abenteuern der ehemaligen Orion-Helden nacheifert. Die Helden müssen sich einer unbekannten Bedrohung stellen, die sich ganz anders darstellt als typische zweibeinige Gegner, die wie wild mit ihren Kanonen umherschießen. Verlagsleiter Erik Schreiber hatte auf Nachfrage erwähnt, dass er mit dieser Buchreihe eine Hommage an alte Orion-Abenteuer ins Leben rufen möchte, die den »Sense of wonder« wieder aufleben lassen, die die Originalserie auszeichnete.

265 In seinem Verlag erschienen auch Neuauflagen der ersten sieben Originalabenteuer der Raumpatrouille Orion von Hanns Kneifel und später dann die Jugendabenteuer, verfasst von Horst Hoffmann, zum ersten Mal als Sammelausgabe im Hardcover. Mittlerweile sind diese Bücher (bis auf Band 2 und 3 der Originalabenteuer) schon wieder vergriffen und selbst das hier vorgestellte Buch Sternenlicht 1: Insel im Nichts ist schon ein halbes Jahr nach Veröffentlichung nicht mehr erhältlich. Dennoch soll mit dieser Rezension auf diese neue Buchreihe aufmerksam gemacht werden. Insel im Nichts ist ein in sich abgeschlossener Roman, der aufzeigt, dass es noch viele abenteuerliche Geschichten zu erzählen gibt, die sich im Weltraum, zwischen den Sternen mit dem Mut und dem Charme der Charaktere der alten Orion-Serie und so manchen augenzwinkernden Verweisen auf das Original abspielen. Halten Sie die Augen offen! Schon bald kann ein neues Abenteuer erscheinen.

Interview mit R. M. Amerein: Akkretion – die Menschheit verlässt die Erde und findet neue trügerische Hoffnung von Reiner Krauss

266 »Wir sind der letzte Atemzug der Menschheit, Juna, wir müssen tun was nötig ist.«

Eine junge, aufstrebende Autorin hat einen gewaltigen Debüt-Roman veröffentlicht. Er hat mich in den Bann gezogen und gehört zu der jungen Rubrik »Hard-SF«, wo reale Wissenschaft in die Zukunft projiziert wird und daraus neue phantastische Geschichten entstehen. Lassen wir die Autorin nun selbst von sich und ihrem ersten Roman erzählen.

Reiner: Hallo Raphaela, vielen Dank für deine Zeit und für die Gelegenheit. Fangen wir doch mal gleich an: Wo genau kommst du her und wie kam es zum Schreiben eines SF-Romans?

Raphaela: Ich heiße Raphaela, bin 32 Jahre alt und wohnhaft in Köln. Meine Autorenlaufbahn begann schon ziemlich früh. Ich habe mir bereits vor der Grundschule Lesen und Schreiben beigebracht und Gedichte und Geschichten entworfen. Eine ist sogar mal in einer Zeitschrift erschienen. In den frühen 2000ern habe ich außerdem Geschichten zu Anthologie-Wettbewerben eingeschickt und hatte zwei Mal Erfolg. Damals war ich noch ausschließlich im Fantasy-Genre unterwegs. Von 2008 bis 2014 hatte ich aufgrund von Aus- und Weiterbildungen und anderem Kram leider eine Schreibblockade. In dieser Zeit fühlte ich mich nie ganz vollständig. Ich habe dann das Foren-Rollenspiel für mich entdeckt, was ich heute zu einem 267 meiner wichtigsten Hobbys zähle. Man kreiert dort mit vielen anderen Spielern auf Schreibbasis eigene Geschichten und Plots. Ich bin auch als Admin in zwei solchen Foren aktiv. Das hat mich sozusagen wieder zurück auf die Schreibschiene gebracht. Lange habe ich mich erstmal darauf fokussiert, einfach nur dabeizubleiben und eine Schreibroutine zu entwickeln.

© R.M. Amerein

Reiner: Um was geht es in Akkretion?

268 Raphaela: Die Erde ist unbewohnbar geworden und wird von den Menschen auf Archen verlassen. Zwei von ihnen kommen aber an einem ganz anderen Ort an, nicht am vorgesehenen Ziel Alpha Centauri. Ein Eisplanet scheint bewohnbar zu sein, weswegen sich die Besatzung dort niederlässt. Allerdings lauert eine noch ungesehene Gefahr im Sonnensystem, die bald zum Leben erwacht und den Protagonisten das Leben schwer macht. Man begleitet drei Generationen einer Familie, die Handlung des Buchs ist auf einen längeren Zeitraum ausgedehnt. Da wäre einmal der Astrophysiker Jaron und sein Sohn Noah. Die beiden haben kein leichtes Verhältnis zueinander. Als Dritte im Bunde gibt es Juna, die Enkelin von Jaron, welche den Gegenpol zu den beiden bildet. Es geht also nicht nur um die Gefahren des Sonnensystems, sondern auch um Familie, Hoffnung, Vergebung und um das, was die letzten Jahre der Erde mit den Menschen angestellt haben.

Reiner: Wie kam es nun zu Akkretion?

Raphaela: 2017 traf mich dann eine Romanidee, ganz unverhofft beim Spielen von Mass Effect: Andromeda. Ich habe ihr Zeit gegeben zu reifen, habe erstmal recherchiert und mir Wissen neu angelesen, das ich schon beinahe wieder vergessen hatte. Der Gedanke, dass dies das erste Buch sein könnte, welches ich auch veröffentlichen möchte, trieb mich an und ließ mich nicht los. Denn das

269 Autorendasein ist schon von klein auf mein größter Lebenstraum. Es gibt einen jährlichen »Schreibmonat«, den National Novel Writing Month, auch NaNoWriMo genannt. Dieser findet immer im November statt. Nachdem ich gut ein Jahr mit Recherche und Plotten verbracht hatte, fing ich 2018 dort endlich an zu schreiben. Entstanden ist da die erste Hälfte des Buches. Den Rest habe ich im Frühjahr 2019 getippt. Ich habe es Testlesen lassen und über Instagram eine Lektorin und eine Coverdesignerin gefunden, die sich meinem Debüt angenommen haben. So nahm das alles seinen Lauf, es sind aber letztlich gut drei Jahre vergangen, bis Akkretion für die Veröffentlichung bereit war. Ich habe mich übrigens bewusst fürs Selfpublishing entschieden. Im Sommer 2019 hatte ich noch bei einem Wettbewerb vom Piper-Verlag mitgemacht, dort aber schon den Gedanken gehabt, alles selbst auf die Beine stellen zu wollen. Ich schrieb noch eine Literaturagentur und einen weiteren Verlag an, bis ich mich dann fest dazu entschlossen habe, es selbst zu versuchen. Nicht aus Angst vor Absagen, sondern weil es sich innerlich richtig angefühlt hat. Möglicherweise ist es von Projekt zu Projekt unterschiedlich, ich möchte auch nicht ausschließen, dass ich mich irgendwann doch um den Verlagsweg bemühe. Mal sehen, was die Zukunft bringt.

Reiner: Woher kann man Akkretion beziehen?

270 Raphaela: Veröffentlicht habe ich den Print über Books on demand, worüber die Bücher auch vertrieben werden. Sie werden auf Bestellung gedruckt und geliefert. Somit ist Akkretion in den gängigen Online-Shops erhältlich und kann auch durch Nennung der ISBN-Nummer (978-3-75046-112-3) im Buchhandel vor Ort bestellt werden. Direkt im Laden wird man es wohl erstmal nicht finden, da man als Selfpublisher schon ziemlich Glück haben muss, es in die Auslage zu schaffen. Durch solche Vor-Ort-Bestellungen gibt es jedoch die Chance, dass Buchhandlungen auf das Buch aufmerksam werden. Das E-Book ist nur über Amazon und für den Kindle-Reader erhältlich, kann aber dafür per Kindle Unlimited auch gratis gelesen werden.

271 © Marie Graßhoff

Reiner: Wie kamst du eigentlich zum Genre und dem Scifi-Thema?

272 Raphaela: Klar, die wichtigste Frage: Warum habe ich einen Scifi-Roman geschrieben? Die Liebe zum Weltall, zu Scifi-Büchern, -Serien, -Filmen usw. ist mir in die Wiege gelegt worden. Mein Vater ist Physiker und Hobby-Astronom. Er ist mit meinem Bruder und mir schon früh in die Sternwarte und ins Planetarium gefahren. Wir sind regelmäßig mit Teleskop und Fernrohr losgezogen, um Himmelsobjekte zu beobachten, wie beispielsweise den Kometen Hale-Bopp im Jahre 1997. Die Faszination ist in der gesamten Familie vorhanden, weshalb wir viele Serien, Spiele und Filme gemeinsam genießen. Dennoch muss ich zugeben, dass ich eine Weile den Hauptfokus im Fantasy-Genre hatte und lange glaubte, dass ich auch nur darin schreiben werde. Ich habe dadurch einige coole Sachen im Scifi-Genre verpasst, was ich jetzt endlich nach und nach aufhole (Battlestar Galactica beispielsweise). Seit ich mit der Recherche für Akkretion begonnen habe, spüre ich auch wieder die alte Verbundenheit zum Weltraum und all seinen Wundern. Da ist wohl etwas fast Vergessenes in mir erwacht, dank der Arbeit am Roman.

Reiner: Was planst du jetzt für die literarische Zukunft?

Raphaela: Meine zukünftigen Projekte sind auch erstmal alle im Science-Fiction-Genre angesiedelt. So habe ich die Rohfassung eines Manuskripts im Bereich »Climate Fiction« beendet, welches im Sommer ins Lektorat geht. Wenn mein Zeitplan aufgeht, kommt die Veröffentlichung im Herbst oder Winter 2020. Die Story ist von Akkretion inspiriert, 273 spiegelt jedoch die Zeit vor dem Aufbruch von der Erde wider. Die Archen sind noch Rohbauten in der Werft und die Lage auf unserem Heimatplaneten ist zwar schon sehr verzweifelt, aber nicht hoffnungslos. Die Welt meiner Archen bieten noch mehr Potenzial, daher wird es definitiv noch mehr Bücher aus der Welt geben. Außerdem arbeite ich gerade an einer Trilogie, zu der ich noch nicht so viel sagen kann, außer dass Roboter eine große Rolle spielen werden. Und auch sonst habe ich genügend Ideen, so schnell geht mir der Stoff für neue Romane nicht aus.

Reiner: Vielen Dank, Raphaela, und wir lesen uns sicher in Zukunft noch viel öfter. Ich verrate nicht zu viel, wenn ich heute verkünden kann: Sie wird uns auch im Corona Magazine erhalten bleiben.

Weiterführende Links zum Thema: »Hier bin ich zu finden« Webseite: https://tintenfass.info/ Instagram: https://www.instagram.com/_tintenfass/ Facebook: https://www.facebook.com/rmamerein/

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275 Kurzgeschichte des Monats

Liebe Kurzgeschichten-Freunde, in unserer aktuellen Ausgabe gibt es gleich zwei Storys aus der Themenrunde »Diebe« zu lesen, beide von guten Bekannten. Nina Teller ist mit Von Superhelden und Superschurken diesmal auf dem dritten Platz gelandet, für Achim Stößer und Blauzahn gibt es die Silbermedaille. Den Sieger der »Diebe«-Runde präsentieren wir dann im kommenden Corona Magazine. Allen Lesern wünschen wir wieder viel Vergnügen bei der Lektüre und freuen uns genauso wie unsere Autoren über Rückmeldungen – ob per E-Mail oder in unserem Forum unter dem Dach des SF-Netzwerks (www.sf-netzwerk.de). Die nächsten Themen unseres regelmäßigen Story-Wettbewerbs lauten »Narren« (Einsendeschluss: 1. November 2020) und »Alle Wege führen nach Rom« (Einsendeschluss: 1. März 2021). Wer Interesse hat, sich mit einer bislang unveröffentlichten Kurzgeschichte (Science-Fiction, Fantasy, Horror, Phantastik – keine Fan-Fiction) zu beteiligen, die einen Umfang von 20.000 Zeichen nicht überschreitet, schickt seine Story (möglichst als rtf-Datei, bitte auf keinen Fall als pdf) rechtzeitig per E-Mail an die Kurzgeschichten-Redaktion, die unter [email protected] zu erreichen ist. Die nach Meinung der Jury (meistens) drei besten Geschichten werden im Corona Magazine veröffentlicht. 276 Armin Rößler

Von Superhelden und Superschurken von Nina Teller

Blut tropfte aus James’ Nase und folgte dem Wasser in den Abfluss. Das weiße Porzellan des Waschbeckens spiegelte die Leuchtstoffröhre neben dem Badezimmerschrank. James zog die Clownsmaske ab. An seiner Wange klaffte ein Riss, dort hatte ihn ein Stiefel getroffen. Sein Kinn knirschte, wenn er es vorsichtig bewegte. Es schien nichts gebrochen zu sein. Er befeuchtete die Hände, säuberte sein Gesicht und holte Tupfer und Jod hervor. Als er die Wunde versorgt hatte und seine Nase nicht mehr blutete, steckte er das Kostüm in einen Müllbeutel, den er später heimlich in den Keller zur anderen Schmutzwäsche bringen würde. James sank aufs Bett, das zu dem Zweizimmerappartement gehörte, das er im Herrenhaus am Meerbuscher Golfplatz bewohnte. Die Haustür knallte ins Schloss. »James?«, rief Christopher Pohlmann und ließ seinen Butler zusammenzucken. James sprang auf, wischte die Blutreste aus dem Waschbecken und befreite seine Wange vom überschüssigen Jod. Die Wunde fiel auf. Natürlich. Wie sollte er sie erklären?

277 »James? Sind Sie da?« »Ich komme.« Er streifte sich hastig das Hemd über und verknöpfte sich, hoffte jedoch, dass es nicht auffallen würde. Zwei Minuten später trat er in die Eingangshalle. »Sie wünschen?« Christopher sah weit weniger lädiert aus, als James angenommen hatte. Er stand Zigarillo rauchend an die Standuhr gelehnt und hatte sich die Maske abgenommen. Sein Kostüm war eine Anspielung an Batman, obwohl es — außer dem Butler — nicht viele Ähnlichkeiten gab. Christopher war kein Milliardärserbe, wenngleich seine Eltern vermögend waren, doch sie lebten noch und verbrachten diesen Sommer mit einer Reise durch Südamerika, weshalb das Herrenhaus ziemlich einsam war. »James, ich habe wieder einen vertrieben!« »Das ist wunderbar.« James nahm den Mantel entgegen, den Christopher — für einen Superheldennamen hatte er sich immer noch nicht entschieden — ihm entgegenstreckte. »Haben Sie ihn ordentlich vermöbelt?« »Was ist mit Ihrer Wange passiert?« Selbst das schummrige Licht konnte James nicht vor dieser Frage schützen. Nur gut, dass Christopher beim Kampf gegen den Horrorclown nicht sehen konnte, wohin er ihn getreten hatte. Manchmal war das Leben ironisch; Christopher hatte ständig damit zu kämpfen, seine Unsichtbarkeit zu kontrollieren, James hingegen wünschte sich gerade nichts sehnlicher, als unsichtbar zu werden.

278 »Ich habe Kartoffeln für den Salat geschält, den es morgen zu Ihrem großen Dinner gibt und … äh … bin abgerutscht. Ich bitte um Verzeihung.« »Das sieht übel aus, James.« Christopher bedeutete seinem Butler, ihm in das riesige Wohnzimmer zu folgen. »Vielleicht sollte sich das ein Arzt ansehen.« »Das kommt nur vom Jod. Ich habe es desinfiziert. Es wird gut verheilen.« James räusperte sich. Die Müdigkeit holte ihn ein. Zurzeit schlief er nicht viel, weil er entweder seinen Aufgaben im Haus nachkam oder sich nachts als Bösewicht verkleidete, um Christopher ein Erfolgserlebnis zu verschaffen. Sein Körper beschwerte sich dagegen, schließlich war er nicht mehr der Jüngste. James hatte für Christophers Familie gearbeitet, als dieser noch ein Kind gewesen war, hatte ihn zeitweise betreut und war zu einem Freund geworden. Ohne es damals zu ahnen, hatte ihm der Junge über eine schwere Zeit geholfen, als James seine erste und einzige Liebe an Speiseröhrenkrebs verloren hatte. »Setzen Sie sich«, sagte Christopher und deutete auf den Ohrensessel am Kamin. »Das ist sehr großzügig.« James warf einen Blick auf den Ultra-HD-Fernseher und die Blu-ray-Sammlung, die er direkt morgen abstauben sollte. Im Herrenhaus trafen nicht nur bei den Bewohnern Generationen aufeinander, auch die Einrichtung war stilvoll zusammengewürfelt, manches davon stammte noch aus dem Baujahr 1832. »Ich möchte meinen Sieg feiern.« Christopher ließ sich auf die graue Ledercouch hinab, schlug die Beine

279 übereinander und griff die Flasche Single Malt, die er immer auf dem Beistelltischchen stehen haben wollte. »Das haben Sie auch verdient. Die Stadt ist wieder ein bisschen sicherer geworden.« Christopher goss zwei Gläser ein und reichte James eines davon. In James’ Magen rumorte es, und wahrscheinlich war es keine gute Idee, sich Whisky auf sein Magengeschwür zu gießen, doch was im Leben, das sich gut anfühlte, war schon gesund? »Wie haben Sie den Abend verbracht?«, fragte Christopher, nachdem er einen großzügigen Schluck getrunken hatte. James’ schwitzende Finger glitten über das Glas. Hätte er sich doch nur die Zeit genommen, die weißen Handschuhe anzuziehen. Er griff nach seinem Kragen, zog ihn vom Hals weg. »Nachdem ich mit meinen Aufgaben fertig gewesen bin, habe ich gelesen. Harry Potter, der dritte Band. Ich kann einfach nicht genug davon bekommen.« »Und die Kartoffeln?« Christopher schaute ihn an. »Ja, die habe ich auch noch geschält.« Was war das nur für eine dämliche Ausrede gewesen? James versuchte, seinen Fuß stillzuhalten, doch es wollte ihm nicht gelingen. »Es hat ja nicht lange gedauert, wenn man von dem kleinen Unfall mal absieht.« »Sie sind eine gute Seele. Eigentlich sind Sie der einzige Mensch, der es gut mit mir meint.« Christopher starrte wieder auf sein Glas. »Ich bin ein Versager, da hat meine Mutter recht.« 280 »Sie wissen, dass ich Ihre Mutter sehr schätze, aber ich muss ihr da widersprechen.« »Sie wollen nur etwas sagen, das mich aufbaut. Das würdige ich, James, aber ich bin kein Kind mehr. Ich kann nicht mehr die Augen vor der Realität verschließen. Diese Kräfte … sie haben rein gar nichts verändert. Im Gegenteil! Alles ist den Bach hinuntergegangen.« Christopher stellte das Glas ab und stand auf. Seine unruhigen Schritte auf dem Eichenparkett spiegelten James’ rastlose Gedanken. »Ich finde nicht, dass Sie Ihre Augen verschließen«, sagte James. Sein Frack drückte unangenehm am Bauch, weil die Knöpfe nicht richtig saßen, außerdem hatte er dorthin auch einen Tritt abbekommen. Sein Körper brannte an vielen Stellen. Er würde blaue Flecken bekommen, vielleicht sogar ein paar Schwellungen. Meistens tat er sich nicht viel, wenn er mit Christopher kämpfte, was zum einen daran lag, dass James die Flucht antrat, bevor es gefährlich wurde, aber zum anderen auch daran, dass Christopher nicht das Zeug zu einem Superhelden hatte. Superkräfte allein reichten nicht. »Mein lieber James, ich bin mittlerweile siebenunddreißig, und ich habe nichts erreicht. Die Leute haben recht, wenn sie sagen, dass ich ein Arschloch bin. Jahrelang habe ich mich nicht darum geschert, was andere machen, was andere wollen. Es ist doch nur logisch, dass ich keine Freunde habe — zumindest keine, die nicht an meinem Geld interessiert sind. Ich habe keine Kinder, immer noch nicht, weil es nie mit den Frauen klappen will. Ich habe einen Beruf, den ich nicht liebe, und eine Berufung …« 281 James biss sich auf die Zunge. Statt zu sprechen, schwenkte er den Whisky, wartete. Zugegeben, wenn er den Jungen nicht schon im Kindesalter lieb gewonnen hätte, würde es ihm hin und wieder schwerfallen, weiter für ihn zu arbeiten. Phasenweise war Christopher frustriert, wütend, saß nur noch vor dem Fernseher und ertränkte sein Selbstmitleid mit Alkohol. Christopher schüttelte den Kopf. »Ich bin der schlechteste Superheld, den es jemals gegeben hat und geben wird.« Für einen Moment schaute er James an, dann setzte er seinen Weg durch das Zimmer fort. Hin und her. Her und hin. Immer wieder. »Es will einfach nicht klappen. Ich kann die verdammte Unsichtbarkeit nicht kontrollieren, dabei kann es doch nicht so schwer sein. Ich wollte etwas ändern, wollte Menschen helfen, wollte ein Held sein. Ich wollte endlich etwas anders machen! Meine Superkraft ist ein Witz. Es funktioniert nur dann, wenn es nicht funktionieren soll. Bei meinem letzten Date war ich so aufgeregt, dass ich, noch bevor der Kellner unsere Bestellung aufnehmen konnte, einfach verblasst bin. Puff und weg. Unsichtbar, in einer Situation, in der ich es ganz sicher nicht sein wollte. Stellen Sie sich das vor! Ich saß die ganze Zeit am Tisch, aber ich konnte nichts sagen, nichts machen. Ich konnte einfach nicht wieder sichtbar werden.« »Sie werden es noch lernen. Es dauert eben seine Zeit.« »Nein, nein, es … Ich hätte diese Kraft niemals annehmen sollen. Wissen Sie überhaupt, wie viel es mich gekostet hat?« Christopher setzte sich hin, trank einen Schluck, stand dann wieder auf. »Ich bin ein mieser Superheld. Ich sollte 282 Diebe fangen, Schurken vertreiben, Bösewichte dingfest machen. Stattdessen kann ich nicht einmal kontrollieren, wann ich sichtbar bin und wann nicht.« Er deutete auf sein linkes Bein, das flackerte, immer wieder verschwand und dann wieder aufblinkte, als hätte es einen Wackelkontakt. »Sehen Sie. Ich hab nicht das Zeug zu einem Superhelden.« James nahm einen Schluck Whisky. Seine Kopfhaut kribbelte. Was konnte er sagen? Was konnte er tun? Er konnte den Jungen nicht so niedergeschlagen sehen. Irgendwie musste James helfen können, wie er es immer dann tat, wenn er sich in ein Schurken-Kostüm zwängte und auf die Straße ging. »Aber Sie versuchen es«, sagte James. »Sie wollen etwas verändern.« »Wollen ist nicht dasselbe wie es tun.« Christopher zündete sich einen Zigarillo an und reichte James das Etui. »Danke, nein.« James starrte auf die Glut. Er fühlte sich gefangen in seiner Rolle als Butler und Ziehvater und seiner Rolle als Schurke. Irgendetwas musste er doch tun können, um Christopher glücklich zu machen. »Ich bin ein selbstbezogener Trottel«, sagte Christopher schließlich. »Mit Verlaub, aber das sehe ich nicht so.« »Doch, Sie sehen es so. Jeder mit ein bisschen Verstand sieht es so, nur ich selbst wollte es nicht wahrhaben. Ich hätte das Geld, das ich diesem schmierigen Wissenschaftler gezahlt habe, damit er mir die Superkräfte überträgt, spenden können. Damit hätte ich wesentlich mehr Menschen geholfen als mit all meinen jämmerlichen Versuchen.« Christopher strich die Falten in seinem Kostüm 283 glatt, zupfte daran. Der Zigarillo verglühte im Aschenbecher. »Darf ich Ihnen etwas beichten?« »Alles, was Sie möchten.« »Ich … ich weiß schon lange, dass Sie das sind.« James lief es kalt den Rücken hinunter. »Verzeihung? Dass ich wer bin?« »Alle. Die Diebe, die Einbrecher, die ganzen Superschurken, die die Stadt heimsuchen. Düsseldorf ist nicht Gotham City.« Christopher lachte trocken. James schüttelte den Kopf. »Ich weiß, dass Sie mir nur eine Freude machen möchten, einen Erfolg geben. Aber wie gesagt, ich bin kein Kind mehr, man muss mich nicht beim Monopoly gewinnen lassen. Wenn ich Erfolg haben will, muss ich ihn mir verdienen.« Er kratzte sich am Kinn. »Das mit Ihrem Gesicht tut mir leid. Ich wollte Sie nicht verletzen. Ich hätte aufhören müssen, das weiß ich, aber wie gesagt, ich bin ein selbstbezogener Trottel. Es ging mir weniger darum, den Menschen zu helfen, als mich gut zu fühlen, weil ich es getan habe. Das muss aufhören, James.« »Dann wollen Sie ab jetzt kein Superheld mehr sein?« Christopher goss sich einen zweiten Whisky ein. »Ich war noch nie einer, und das habe ich begriffen.« »Vielleicht kann ich Ihnen helfen, einen neuen Weg zu finden. Ich bin immer für Sie da.« »Das haben Sie bereits.« »Darf ich fragen womit?« »Ich werde lernen, mich aufzuopfern, so wie Sie es immer gemacht haben. Ich will ein netterer Mensch werden. 284 Erinnern Sie sich noch daran, was Sie mir damals an meinem neunten Geburtstag erzählt haben? Sie haben mir gesagt, dass ich auf mein Herz hören soll, dass ich dann schon herausfinde, ob ich Lisa mag und ob sie mich mag.« »Und jetzt wollen Sie Lisa aufsuchen? Hat sie nicht diesen Italiener geheiratet?« »Nein, jetzt will ich kein Spinner mehr sein. Ich will auf mein Herz hören, will endlich leben und mich nicht für einen Helden halten müssen, der ich nicht bin. Ich habe mich in eine Fantasie verkrochen, die es nicht gibt. Es hat mir zu viel Zeit gestohlen und Ihnen ebenfalls. Der wahre Dieb war ich, und das tut mir leid.« Christopher stand auf. »Ich werde jetzt bei meinem Date von letzter Woche anrufen, ihr sagen, warum ich verschwunden bin, ihr erklären, was für ein Trottel ich bin, und fragen, ob sie mich noch haben will. Ich glaube, wir passen zusammen. Ich kann nicht schon wieder vor einer Frau weglaufen. Ich muss endlich Verantwortung für meine Gefühle übernehmen.« »Das … nun, es freut mich, dass Sie sich dazu entschieden haben.« James versuchte zu lächeln, doch seine brennende und pochende Wange hielt ihn schnell davon ab. »Sie sollten Ihr Gesicht kühlen«, sagte Christopher im Hinausgehen. »Und morgen nehmen Sie sich frei. Ach was, die nächste Woche.« »Aber das Dinner. Ihre Gäste.« »Die können auch mit einem Essen vom Lieferdienst glücklich werden.« »Ich danke Ihnen vielmals, Christopher.«

285 »Nein. Ich muss mich bedanken. Und ich muss mich entschuldigen. Ich habe Ihnen so viele Probleme bereitet. Ich habe Ihnen den Feierabend gestohlen, Ihre wohlverdiente Ruhe. Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid.« James ging in sein Zimmer und streifte das Hemd ab. Den Müllbeutel mit dem Kostüm würde er gleich morgen früh in die Tonne werfen, nie wieder waschen. Die Zeit, dass er sich verkleiden musste, war vorbei. Er würde auch so ein Auge auf Christopher haben können, würde immer versuchen, eine Hilfe zu sein. James würde sich endlich wieder den Aufgaben widmen können, für die er ausgebildet worden war. Im Haus machte er eine bessere Figur als in dunklen Gassen. Sein Körper würde es ihm danken, denn er war kein Superschurke — und Christopher kein Superheld.

*

Über die Autorin:

Nina Teller wurde 1987 im Fichtelgebirge geboren und lebt jetzt im Teutoburger Wald, wo sie ihren Lebensgefährten mit der Ukulele terrorisiert, asiatische Gerichte ausprobiert und sich über jeden Schneetag freut. Zu ihren Lieblingsgenres gehören Horror, Thriller, Fantasy und Sci-Fi. Sie veröffentlicht Kurzgeschichten in Anthologien und Zeitschriften, unter anderem Shinrais Gebet in: Michael Schmidt (Hrsg.), Das Schiff der Spione, 2019. 286 https://www.ninateller.de/

Blauzahn von Achim Stößer

Ankertau setzte Blaubohnenmilch für einen Pudding auf, als das Telefon klingelte. Er lief zur Wand, an der der Apparat hing, dunkelgrün mit hellgrün-transparenter Wählscheibe, und meldete sich. »Weshalb ich anrufe, Tau …«, sagte Quarzerz unvermittelt, nachdem das Begrüßungsgeplänkel vorüber war. Endlich kam sie zur Sache. »Augenblick«, unterbrach Ankertau, denn die Milch begann überzukochen und zischte auf der Herdplatte. Er sprang zum Herd, schob rasch den Topf von der heißen Platte auf eine kalte und verzog das Gesicht. Dann klemmte er den Hörer zwischen Kopf und Schulter, was nicht ganz einfach war, da das Spiralkabel sich straff quer durch die Küche zog, verrührte ein paar Esslöffel Steinrübenstärke und Süßrohrzucker und einen halben Teelöffel gemahlene Cremeblüten mit kalter Milch. »Hast du heute Nacht schon etwas vor?«, fragte Quarzerz. »Bislang nicht. Worum geht’s?«, erwiderte Ankertau. Wie er dieses um den Dorfplatz Mäandern hasste. Er goss die Mischung in den Topf zur heißen Milch, während er mit einer Gabel umrührte. »Da ist dieser Springdrache.«

287 »Ja?« Der Pudding war angedickt, und Ankertau goss ihn in kalt ausgespülte Glasschälchen. »Eingepfercht in einem winzigen Verschlag. Ganz in der Nähe, bei Ogersheim in der Ostpfalz.« Ankertau hob die Brauen. So nah war die Ostpfalz nun nicht. Zwar waren Springdrachen beliebte Wach- und Hausdrachen; manche lebten fast wie Familienmitglieder oder Kinderersatz bei Leuten, die zugleich andere Drachen und Halbdrachen wie auch Oger, Engel, Kobolde usw. nur als Quelle für Nahrung, Kleidung, kurz: als Nutzgegenstände betrachteten. Doch viele Springdrachen wurden oft ihr Leben lang angekettet oder eingesperrt, nicht nur dort, überall. »Kommst du zur Sache, bitte«, sagte er nun direkt. »Ich koche gerade.« Eigentlich war der Pudding fertig und musste nur noch abkühlen, aber er hoffte, dass der Hinweis das Gespräch beschleunigen und somit abkürzen würde. »Ich muss ihn da herausholen.« »Dachte ich mir schon«, sagte Ankertau, während er kaltes Wasser in den Topf laufen ließ, um ihn zu spülen. »Und?« »Ich kann das nicht allein, Tau. Würdest du …« »Sicher. Du hast ja auch keinen Schreitwagen, glaube ich, oder?« Er nahm ein Schälchen des Puddings, der blassblau war wie seine bleiche Haut, und begann, ihn, obwohl er noch warm war, auf dem Weg ins Wohnzimmer auszulöffeln. »Gibt es denn scho…«, er schluckte, »… schon einen Aufnahmeplatz?« »Leider nicht. Aber er muss ganz dringend da raus, verstehst du? Ich dachte, du könntest vorübergehend …« 288 Ankertau ließ sich in einen Sessel fallen, der so nah an der Küche stand, dass das Spiralkabel des Telefons gerade noch reichte, und seufzte. »Klar. Wann und wo treffen wir uns?«

*

Die bleichen Äste der Bäume wirkten in der Dunkelheit wie Knochenfinger, die nach den vorüberziehenden Schreitwagen griffen. Der Wagen vor ihnen wirbelte das trockene Herbstlaub auf, die Scheinwerfer verwandelten die fliegenden gelben, orangen und roten Blätter in stiebende Funken eines Lagerfeuers. Die Fahrt zog sich auf der immer leerer werdenden Schreitwagenbahn dahin. Ankertau setzte gerade an, einen Lastschreitwagen zu überholen, als sich ohne Vorwarnung dessen Stoßstange löste und auf die Straße krachte. Ankertau warf rasch einen Blick in den Rückspiegel, stieg, als er sah, dass niemand ihnen folgte, auf die Bremse und brachte den Wagen fingerbreit vor dem Hindernis zum Stehen. Er fluchte. »Großartig«, sagte er. »Der Sohlenabrieb dürfte die Wagenbeine ruiniert haben.« Der Lastschreitwagen war verschwunden, weit und breit kein anderes Fahrzeug zu sehen. Ankertau ließ den Wagen auf den Seitenstreifen gehen, stieg aus, holte die Stoßstange und warf sie über die Leitplanke ins Gebüsch. Dann fuhren sie vorsichtig weiter. Immerhin konnte der Wagen noch laufen. Bald darauf verließen sie die Schreitwagenbahn an der Ausfahrt Steinbach, bogen ab und fuhren unmittelbar 289 durchs Nichts. Dunkelheit, nur hin und wieder rissen die Scheinwerfer für einen Augenblick ein Wilddrachenwechselschild aus der Schwärze. Eine Landstraße, die den Namen kaum verdiente. Hier und da sahen sie im Dunklen schemenhaft eingepferchte Mastdrachen oder auch große Herden Schneedrachen, die noch ein paar Dutzendtage gemästet werden mussten bis zum Allerlichtertag, doch in den Pferchen, um die ein Elektrozaun lief, blieben, weil ihre Flügel gestutzt waren, sodass sie nicht davonfliegen und entkommen konnten. »Da vorne nach dem Sägewerk musst du rechts«, unterbrach Quarzerz das Schweigen. Das Scheinwerferlicht ließ Bretterstapel und Sägemehlhaufen aus der Dunkelheit auftauchen, Ankertau bog ab. Sie fuhren noch anderthalb Tausendschritt, dann rief Quarzerz: »Da! Da ist es.« Ankertau bremste und ließ den Wagen auf dem schmalen Seitenstreifen am Waldrand auslaufen. Quarzerz nahm ihren Rucksack, und sie stiegen aus. Als Quarzerz die Tür zuschlug, zischte Ankertau ihr ein »Schsch!« zu, von einem Riesenbaum flogen Schwarzdrachen auf, die dort geschlafen hatten, um bei Tag Saat von den Feldern zu stibitzen, als der Lärm sie aufschreckte, und im Gehölz raschelte und knackte es, während wohl ein Ork oder ein Tatzelwurm sich davonstahl. Der herbstliche Wald roch modrig. Ankertau schloss vorsichtig und fast geräuschlos seine Tür. Er versuchte, die Dunkelheit zu durchdringen. Fast einen Tausendschritt entfernt schwebten ein paar schwach 290 erleuchtete Fenster in der Schwärze. Nur der dunkelblaue Himmel, an dem keiner der Monde leuchtete, ließ die Silhouetten der hügeligen Landschaft und des Hauses erahnen. Immerhin waren sie selbst so auch kaum zu entdecken. Wortlos überquerten sie die Straße und gingen querfeldein über die Äcker auf das Haus zu. Der Ackerboden war trocken, weil es schon länger nicht mehr geregnet hatte, dennoch sanken ihre Füße tief in die Erde ein, was das Gehen beschwerlich machte. Nicht weit entfernt flohen ein paar gespenstisch weiße Engel, die sich ängstlich in eine Kuhle gedrückt hatten, als die beiden ihnen zu nahe kamen. Auch ein Schleichdrache stakste über das Feld, zog aber unbeirrt weiter, nachdem er sie aus leuchtenden Augen kurz gemustert hatte. Als sie sich dem Haus bereits gefährlich genähert hatten, flüsterte Ankertau: »Wie weit denn noch?« »Hier muss es gleich sein«, antwortete Quarzerz ebenso leise. »Es ist ein Stück abseits, sie wollen wohl nicht durch das Fauchen gestört werden. Da!« Tatsächlich hörten sie in diesem Augenblick ein leises Geräusch, das von einem fauchenden Drachen stammen musste. Offenbar hatte das Tier sie bereits bemerkt. Kurz darauf standen sie vor einem verwitterten hölzernen Geräteschuppen. Das Fauchen war nun deutlich zu hören. Sie gingen herum zur anderen Seite, wo sie die Tür fanden. Ankertau hob die Taschenlampe und bedeckte sie vorn mit der Hand, sodass nur ein winziger schwacher Lichtfinger 291 herausstach. Dennoch blieb er darauf bedacht, das Licht mit seinem Körper in Richtung des Wohnhauses abzuschirmen. Einen Augenblick später schaltete er die Lampe schon wieder aus, er hatte genug gesehen. Die Tür war nur mit einem einfachen Riegel verschlossen, kein Schloss, das es aufzubrechen galt. Er schob den Riegel beiseite und öffnete vorsichtig die Brettertür, langsam, sodass das Knarzen der Scharniere sich in Grenzen hielt, und nur so weit, dass sie, als keine Drachennase im Spalt auftauchte, hineinschlüpfen konnten. Quarzerz schaltete ihre Taschenlampe ein. Weiß leuchtete der aufgewirbelte Staub wie winzige Schneeflocken in der Luft. An der Wand hingen rostige Hacken, Spaten, Rechen und Schaufeln. Im hinteren Bereich erkannten sie einen Verschlag, mit einer Tür abgetrennt, die aus Maschendraht, der auf einen hölzernen Rahmen gespannt war, bestand. Darin saß ein fauchender Springdrache, der sich verängstigt an die Hinterwand presste. Der Verschlag, gerade mal eine Armlänge breit und tief war so eng, dass er sich darin kaum umdrehen konnte. Aus dem Rucksack zog Quarzerz ein Gläschen Babybrei, Gelbwurz mit Kegelfrucht. Sie schraubte den Deckel ab, näherte sich vorsichtig dem Verschlag und hielt das Glas schräg an den Maschendraht. Der Drache verstummte, fauchte noch einmal auf. Dann schob er vorsichtig den Kopf vor und schnüffelte. Springdrachen gab es in den unterschiedlichsten Größen, Formen und Farben. Dieser hier war mittelgroß, sein Widerrist kaum mehr als kniehoch. 292 Ankertau hatte unterdessen ebenfalls seine Lampe eingeschaltet, um die Maschendrahttür zu untersuchen. Der Gestank war kaum zu ertragen, als er sich ihr näherte, der ganze Boden des Verschlags war mit Drachenkot bedeckt, der auch an den verkrusteten Füßen des Drachen klebte. In einer Ecke standen zwei Blechnäpfe neben einer Luke, die nur eine mit Drahtscharnieren befestigte Klappe an einem ausgesägten Rechteck in der Bretterwand war, groß genug, um die Näpfe hindurchzuschieben. Im Taschenlampenlicht sah Ankertau eine auffällige Zeichnung an der Flanke des grün schillernden Drachen, ein blaues Zackenmuster. Statt zu fauchen, züngelte der Drache nun. Seine Zunge schnellte heraus und fuhr wieder zurück, bis sie schließlich durch den Maschendraht ins Glas griff und den Brei herauszulecken begann. Die Scharniere der Tür bestanden nur aus dickem Draht, der Verschluss war nichts als ein Haken, der in eine Öse an der Wand griff. Überall an der Tür hingen dichte Schleier staubiger Fadenwurmgespinste, offenbar hatte sie seit Langem niemand mehr geöffnet. Ankertau hob den Haken aus der Öse und zog vorsichtig die Tür des Verschlags auf. Die Gespinstschleier dehnten sich ein wenig, dann zerrissen sie. Quarzerz hatte das Glas auf dem Boden abgestellt, nun legte sie dem Drachen, während dieser die Reste ausleckte, zu ihm hinuntergebeugt ein Geschirr um und sprach beruhigend auf ihn ein. Sie löschten die Taschenlampen. Ankertau öffnete die Schuppentür einen Spalt breit und spähte hinaus. Dann öffnete er sie und sie gingen zu dritt hinaus. 293 Kurz darauf fuhren sie davon, Quarzerz saß mit dem Drachen auf der Rückbank. »Das lief einfacher als erwartet«, sagte Ankertau, als sie auf die Schreitwagenbahn auffuhren. In diesem Augenblick sprang der Drache nach vorn auf Ankertaus Schoß, sodass dieser das Steuer verriss und gerade noch rechtzeitig bremsen konnte, bevor sie in die Leitplanke prallten, weil er wegen der abgeriebenen Sohlen besonders bedächtig gefahren war. »Ah«, sagte er in gespieltem Schrecken, während der Drache sein Gesicht ableckte. »Kannst du ihn bitte hinten behalten?« Gemeinsam bugsierten sie den zappelnden Drachen wieder auf den Rücksitz, und Quarzerz hielt ihn am Geschirr fest.

*

Ankertau lag am Dutzendtagende darauf halbwach im Bett. Singdrachengezwitscher hatte ihn geweckt, obwohl es draußen noch stockfinster und er todmüde war. Die nächtliche Aktion drei Tage zuvor hatte seinen Tag-Nacht-Rhythmus völlig durcheinander geworfen. Blauzahn hatte es sich am Fußende des Betts bequem gemacht, den Kopf auf die nach einer Dusche, die sie widerstrebend über sich hatte ergehen lassen, nun vom Kot befreiten Vorderbeine geschmiegt, und betrachtete Ankertau stoisch, bis es an der Tür läutete – sofort sprang sie auf und stürmte, die strahlend weißen Zähne entblößt, fauchend davon. »Ich komme«, rief Ankertau, während er seine Kleidung vom Boden aufsammelte und hineinschlüpfte. 294 Blauzahn hatte sich auf die Hinterbeine aufgerichtet, um fauchend mit den Krallen an der Tür zu kratzen. Ankertau hatte Mühe, sie zu öffnen. Quarzerz stand davor und stürmte sichtlich erregt herein. Ankertau brummte missgelaunt mit zusammengekniffenen Augen, das Höchstmaß an Begrüßung, das er in diesem Zustand zustande brachte. Blauzahn dagegen hieß Quarzerz tänzelnd und schwanzwedelnd willkommen, während sie an ihr hochsprang. »Wir stehen in der Presse«, sagte Quarzerz scharf, während sie mit der einen Hand Blauzahn kraulte und mit der anderen Ankertau eine zusammengerollte Zeitung entgegenstreckte. »Seite zehn.« Ankertau entfaltete die Zeitung umständlich. Es handelte sich um die Ogersheimer Ausgabe des Ostpfalzboten, nicht gerade Weltpresse. Noch immer verschlafen blätterte er, die Zeitung vor sich ausgestreckt, lustlos hin und her, ohne die angegebene Seite zu finden. »Was steht denn drin?«, fragte er, kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder. »Ein jammervoller Artikel über den dreisten Diebstahl eines geliebten Hausdrachen, den der Besitzer liebevoll vom Schlüpflingsalter an aufgezogen hat, die Kinder, die immer mit ihm gespielt hätten, seien nun todtraurig. Drei Spalten! Mit Bild!« Endlich fand Ankertau den Artikel. Das grob gerasterte, zweispaltige Schwarzweißfoto zeigte einen Mann in dunkler Winterkleidung, neben ihm im Schnee an einer Leine einen Springdrachenschlüpfling, trotz fehlender Farbe am Zackenmuster unschwer, wenn auch noch kindlich, als 295 Blauzahn zu erkennen. Ein neueres Foto hatten sie wohl nicht gehabt, es hätte auch nicht gut zu der rührseligen Geschichte gepasst. Endlich wurde sein Blick so klar, dass er zumindest den Titel entziffern konnte. Offenbar handelte es sich um ein reißerisches Zitat des armen Diebstahlopfers, das der Reporter, wie den ganzen Rest des Ammenmärchens, unhinterfragt übernommen hatte: »Dem Dieb sollen die Finger abfaulen!«

*

Über den Autor:

Achim Stößer studierte Informatik an der Universität Karlsruhe, wo er anschließend einige Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war, und hatte einen Lehrauftrag an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Seit 1988 veröffentlicht er in Anthologien und Zeitschriften, darunter in einigen Bänden der Science-Fiction-Reihe Wolfgang Jeschkes und mehrmals im Corona Magazine (zuletzt Quiz, 2/19, Uberman, 1/18, Torpor, 8/17, Schwerer als Luft, 9/16). Sein Erzählband Virulente Wirklichkeiten erschien 1997 im dot-Verlag. 1998 gründete er die Tierrechtsinitiative Maqi. So sind Antispeziesismus (und damit Veganismus), Antitheismus, Antirassismus, Antisexismus, Antifaschismus usw. Hauptthemen seiner Erzählungen und auch seiner Cartoons. Blauzahn ist Teil einer (weitgehend autobiografischen) 296 Fantasy-Reihe um die Tierrechsgruppe »Draqi«. Internet: https://achim-stoesser.de

297 Phantastische Wissenschaft

Ressortleiter Reiner Krauss

Subspace Link – Neues aus dem All

Ein Blick über unsere Köpfe

Beiträge von Reiner Krauss und R. M. Amerein

Neue galaktische Ausblicke und spannende Berichte über uns …

… davon berichtet seit vielen Jahren Ihr Reiner Krauss, doch seit dieser Ausgabe unterstützt ihn die neue Autorin R. M. Amerein (siehe Interview in dieser Ausgabe). Wir freuen uns auf viele weitere spektakuläre Beiträge von diesem jungen Team.

298 SpaceX – »Launch Amerika« CrewDragon mit US-Astronauten zur ISS

©: NASA / SpaceX / Walter Scriptunas II / Spaceflight Now

Die USA sind vielfach in den Schlagzeilen derzeit, oft mit negativen Nachrichten. Diesmal gibt es endlich auch gute Neuigkeiten. Die lang erwartete Rückkehr der bemannten Raumfahrt am Weltraumbahnhof Cape Canaveral von Florida war erst das fünfte Mal in der Geschichte der USA, dass Astronauten mit einem neuartigen Raumschiff in den Orbit flogen, und das erste Mal seit dem ersten Start der Raumfähre im Jahr 1981.

299 Mit dem Raumschiffkommandanten Doug Hurley auf dem linken Sitz und dem Astronautenveteranen Bob Behnken zu seiner Rechten hob das Raumschiff CrewDragon von SpaceX am Samstag, den 30. Mai 2020, um 15:22:45 Uhr EDT (19:22:45 Uhr GMT) von Startrampe 39A im Kennedy Space Center ab. Neun Minuten später befanden sich die Astronauten im Orbit und beendeten damit eine fast zehn Jahre währende Lücke in der menschlichen Raumfahrtkapazität der USA, die die NASA dazu zwang, der russischen Raumfahrtbehörde für Flüge zur Raumstation mit Sojus-Raumschiffen Transportkosten zu zahlen. Ein früherer Startversuch am Mittwoch wurde wegen der Gefahr eines Blitzes abgesagt

Hurley und Behnken zogen am Samstag in den Mannschaftsunterkünften der NASA ihre weißen, von SpaceX hergestellten Druckanzüge an und fuhren dann mit einem Tesla-Modell-X-Auto zu dem einige Kilometer entfernten Block 39A. Nachdem die Astronauten am historischen Startkomplex am Meer angekommen waren – dem Ausgangspunkt aller Apollo-Mondlandungsmissionen der NASA und der ersten und letzten Space-Shuttle-Flüge – fuhren sie mit einem Aufzug den Turm hinauf und gingen über einen 15 Meter langen Zugang, der warm war, um an Bord der CrewDragon-Kapsel zu gelangen.

300 ©: NASA / SpaceX

Ein halbes Dutzend SpaceX-Ingenieure, die dunkle Anzüge und Masken trugen, halfen Hurley und Behnken in ihre Sitze, schlossen die Luke der Dragon und evakuierten die Startrampe, bevor die Falcon 9 zum Start aufgetankt wurde. Neun Merlin-1D-Haupttriebwerke trieben die Falcon 9 nordöstlich vom Kennedy Space Center mit 1,7 Millionen Pfund Schub an, dann befeuerte ein einziges Merlin-Oberstufentriebwerk das Raumschiff CrewDragon in die Umlaufbahn. »Viel Spaß mit Ihrem neuen Raumschiff«, funkte Jason Aranha, ein Raumschiff-Kommunikator bei der Missionskontrolle von SpaceX in Hawthorne, Kalifornien.

301 ©: NASA / SpaceX / Digitales Touchpad-Cockpit der CrewDragon

Hurley und Behnken tauften die Kapsel »Endeavour« nach einer ausgemusterten NASA-Raumfähre. Das Raumschiff ist das dritte Raumfahrzeug, das nach dem Apollo 15-Kommandomodul und dem Shuttle-Orbiter den Namen »Endeavour« trägt. Rund 19 Stunden später dockte die CrewDragon erfolgreich an die Internationale Raumstation (ISS) an. Der erfolgreiche Start war ein Meilenstein für die NASA mit der Wiederherstellung des Zugangs der Besatzung von amerikanischem Boden in eine niedrige Erdumlaufbahn. Die neunjährige Lücke seit der letzten Shuttle-Mission im Jahr 2011 war die längste Zeitspanne seit dem ersten bemannten US-Raumflug 1961, in der die NASA keine Möglichkeit hatte, Besatzungen mit heimischen Raketen ins All zu schicken. (Parts by SpaceFlightNow)

302 ©: NASA / SpaceX / CrewDragon vor Docking an ISS

Weiterführende Informationen zum Thema: Whake-Up Song der Cabin-Crew vor Docking zur ISS: Black Sabbath – Planet Caravan https://youtu.be/SvrOzYtnLMA

SpaceX – Starship Mark 4 mit großem »Bumm« zerstört

303 ©: SpaceX

Erfolg und Misserfolg liegen nah beieinander. Am 29. Mai 2020 explodierte der vierte Prototyp der Starship-Rakete von SpaceX. Anders als bei seinen Vorgängern wurden alle Druck- und Triebwerktests erfolgreich abgeschlossen. Rund zwei Minuten danach tauchte jedoch ein massives Treibstoffleck auf, woraus flüssiges Methan entwich und sich entzündete. Dabei wurde nicht nur der Prototyp zerstört, sondern auch umliegende Anlagen. Bei einer Pressekonferenz wurde als Ursache ein fehlgeschlagener Test eines Schnelllöseventils angegeben.

Weiterführende Informationen zum Thema: Massive Explosion of a SpaceX Starship Prototype (SN4) at Boca Chica, Texas https://youtu.be/vIh4aLX3cZQ

304 ESA – Jan Wörner mit Kritik an Europas Raumfahrt

©: dpa / picture alliance / Geisler-Fotopress / Jens Krick / ESA-Chef Johann-Dietrich (Jan) Wörner

Der ESA-Chef übte im Rahmen der Berichterstattung zur erfolgreichen SpaceX CrewDragon-Mission während seines Beitrags deutliche Kritik am Vorgehen der Europäer und insbesondere an der Politik der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Unterstützung für die Raumfahrt. Auf die Frage des Moderators von PHOENIX-TV, warum die Europäer nicht auch so erfolgreich und so mutig sein könnten, antwortete er sinngemäß, dass es selbst schon schwierig ist, eine(n) neue(n) Mitarbeiter(in) einzustellen. Dabei wird immer gleich gefragt: »Muss das denn sein?« Mutige, inovative Schritte und auch mal das Risiko zu scheitern akzeptieren können, ist mit einer Behörde aus vielen europäischen Staaten mit diversen Interessen nicht

305 immer einfach. Der kleinste gemeinsame Nenner kommt am Ende dabei raus. Die kommende Ariane 6 ist so ein Nenner: Sie bleibt eine Einweg-Rakete, soll aber dank Produktionsmethoden aus dem Autobau und Massenfertigung viel günstiger sein als die bisherige Ariane 5. Doch derzeit gibt es nur die europäischen Pflichtaufträge für kommende Starts. Von vielen neuen Raketen ist noch nichts in Sicht. SpaceX hat die Raumfahrt im LEO (Low Earth Orbit) revolutioniert und schickt sich an, trotz Rückschlägen, zum Mond und zum Mars aufzubrechen. Europäer werden höchstens zahlende Passagiere sein.

Kosten der Raumfahrt im Vergleich: Das aktuelle Jahresbudget der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA beträgt rund 23 Milliarden US-Dollar (im Vergleich der US-Militärhaushalt: über 750 Mrd.). Die Ausgaben der europäischen Raumfahrtorganisation ESA belaufen sich auf geringere 6,68 Milliarden Euro (7,36 Mrd. Dollar).

Perseverance – Neuer Rover mit Mini-Hubschrauber zum Mars

306 ©: NASA / JPL / Marsrover Perseverance (künstlerische Darstellung)

Ein neuer Mars-Rover soll schon am 17. Juli 2020 starten. Er beruht auf der Konstruktion des erfolgreichen Marsrovers Curiosity. Diesmal hat er jedoch noch einen kleinen Begleiter dabei: einen Mini-Helikopter, Ingenuity genannt. Dieser wiegt nur rund 1,8 kg, ist so groß wie ein Softball und seine Rotoren drehen sich ca. zehnmal schneller als die eines Helikopters. Die Aufgabe von Perseverance ist es, wie seine Vorgänger Gesteins- und Bodenproben zu sammeln, die auf der Erde analysiert werden können.

Proxima Centauri – Weiterer Planet entdeckt?

307 ©: NASA / ESA / Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops

Laut einer Studie eines internationalen Forscherteams wurde bei unserem Nachbarstern Proxima Centauri wahrscheinlich ein weiterer Planet entdeckt. Endgültig bestätigt ist dies noch nicht. Sollte diese These belegt werden, würde er seine Sonne innerhalb von 5,15 Jahren umrunden. Proxima Centauri c soll 5,8 Mal so schwer wie die Erde sein und wäre daher der Kategorie Supererde zuzuordnen. Allerdings ist fraglich, ob er in der habitablen Zone

308 Spotlight: Das Sechseck am Nordpol des Saturn von Brandon Q. Morris

Der Jupiter hat seinen Großen Roten Fleck – der Saturn dafür sein gewaltiges Hexagon.

Am Nordpol des Ring-Planeten rotiert seit langer Zeit eine sechseckige Struktur, die 29.000 Kilometer durchmisst und für eine Umdrehung etwa zehn Stunden und 39 Minuten braucht (und damit etwas langsamer ist als der Saturn insgesamt). Damit ist das Hexagon deutlich größer als der Jupiter-Fleck mit seinen 16.000 Kilometern und mehr als doppelt so groß wie die Erdkugel. Entdeckt wurde die Struktur erstmals 1981 von Voyager 1.

Einen ausführlichen Blick auf das etwa 300 Kilometer tiefe Sechseck erlaubte ab 2006 die Cassini-Sonde von NASA und ESA. Klar scheint zu sein, dass das Hexagon von über 320 km/h schnellen Luftströmungen (Jetstreams) gebildet wird. Wie die ungewöhnliche Form entsteht, ist noch nicht völlig geklärt. Eine Ursache könnte darin liegen, dass die Windgeschwindigkeiten auf dem Saturn sich je nach Breitengrad stark unterscheiden. Bei Laborsimulationen in einem runden Wassertank entstanden ebenfalls regelmäßige Vielecke, wenn die Flüssigkeit in der Mitte schneller rotierte als am Rand. Andere Forscher schlagen

309 vor, dass ein einziger langsamer, relativ flacher Jetstream das sichtbare Muster erzeugen könnte. Das wird sich erst durch den Besuch einer weiteren Raumsonde klären lassen.

© UPV/EHU, Bild: JPL / Das Saturn Hexagon und seine Wolken-Struktur

Aber das Hexagon ist mehr als das, was auf den Fotos erkennbar ist. Darüber erstreckt sich nämlich noch ein ebenfalls bis zu 300 Kilometer hoher »Turm«, der ebenfalls sechseckige Form hat. Das beschreiben Forscher der Universität des Baskenlands in einem Paper. Die

310 Astronomen analysierten dazu zahlreiche Fotos von Cassini. »Die Cassini-Bilder erlaubten uns den Nachweis, dass sich über dem Hexagon ähnlich wie bei einem Sandwich bis zu sieben Schichten aufbauen, die sich von der Basis bis in eine Höhe von 300 Kilometern erstrecken«, sagt Professor Agustín Sánchez-Lavega, der die Studie leitete. Andere Eiswelten wie etwa Titan oder Pluto besitzen solche Schichten ebenfalls, aber nicht in so regelmäßiger Form. Vertikal durchmisst jede Schicht zwischen 7 und 18 Kilometer. Sie enthalten Teilchen in der Größenordnung von einem Mikrometer. Ihre chemische Zusammensetzung mutet exotisch an; wegen der niedrigen Temperaturen zwischen −120 und −180 Grad Celsius bestehen sie z. B. aus Kohlenwasserstoff-Eiskörnern wie Acetylen, Propan oder Butan.

Warum sind die Schichten so regelmäßig? Das könnte an der vertikalen Ausbreitung von atmosphärischen Gravitationswellen liegen, die Oszillationen in Dichte und Temperatur der Atmosphäre erzeugen. Das Phänomen hat nichts mit den Gravitationswellen der Raumzeit zu tun. Vielmehr handelt es sich um eine Erscheinung, die man etwa auch von Erde und Venus kennt. Auf der Erde werden sie in mittleren Breiten von 100 km/h schnellen Jetstreams erzeugt, auf der Venus wurden sie ebenfalls in den nördlichen Breiten nachgewiesen. Gravitationswellen entstehen, wenn Luft etwa beim Überqueren eines Gebirges angehoben wird und dadurch in eine dünnere Atmosphärenschicht gelangt. Die schwereren, weil 311 dichteren Blasen fallen dann durch ihre Schwerkraft (hier kommt die Gravitation ins Spiel) nach unten zurück, sodass eine periodische Schwingung entsteht. Wie jede Schwingung überträgt sie Energie und das auch über weite Strecken von bis zu einigen hundert Kilometern.

Über den Autor: Brandon Q. Morris ist Physiker und Science-Fiction-Autor. Unter hardsf.de schreibt er mehrmals wöchentlich über für SF-Leser interessante Wissenschaftsthemen aus Astrophysik und Kosmologie.

312 Phantastisches Hören

Hör mal – die Audible-Kolumne

von Reinhard Prahl

Ich bin Sammler. Ich liebe es, in meinen Film-, Buch- und Hörspielregalen zu stöbern, eine Serie oder einen Roman auszuwählen, das Cover zu begutachten und anschließend mit dem Genuss des erwählten Werks loszulegen. Darüber hinaus bereiten mir die erstaunten Blicke meiner Besucher immer wieder Momente der Freude, ja sogar Genugtuung. Irgendein verrücktes Hobby muss man schließlich haben. Die Sache hat aber leider auch mehrere Haken. Im Laufe der Jahre ist der Platzmangel erdrückend geworden und ich musste einen Teil meiner umfassenden Sammlung einmotten. Zudem beansprucht die Reinigung der Regale

313 viel Zeit. Ein wichtiger Aspekt ist zudem der unvermeidliche Plastikwahn, den ich durch meine Sammlerwut unweigerlich mitfördere. Als Alternative haben sich da schon vor Jahren Streaming-Plattformen wie Deezer und Spotify erwiesen. Man zahlt einfach eine gewisse Summe im Monat und kann das gesamte Angebot unbeschränkt nutzen. Der Nachteil: Wenn man einmal nicht bezahlt, bleiben die Boxen daheim stumm. Für Sammler, die sich ihre Hörbücher und Hörspiele gern öfter anhören und auf den Sammeleffekt nicht gänzlich verzichten möchten, ist Audible damit eine Art Offenbarung. Man erwirbt die gewünschten Produkte einfach digital und kann sie sooft genießen, wie man möchte. Dabei ist es ganz egal, ob man gerade für ein Abo zahlt oder nicht. Beide Modelle sind so beliebt, dass sie den CD-Markt und damit eine ganze Branche arg in Bedrängnis gebracht haben. Selbst Produzenten wie David Holy, den Fans oft für einen gestandenen CD-Veteran und -Fan halten, ist inzwischen ein Digital-Sammler geworden. Sicherlich, auch Holy stellt seine Hörspiele noch immer auch als CD zur Verfügung. Mehr noch. Er bietet auf seiner Website sogar einen Sammler-Aboservice an und Werke wie Die letzten Helden verfügen über ein liebevoll gestaltetes, mehrseitiges Booklet. Dazu gibt es diverse Extras und Goodies wie Exklusivfolgen und mehr.

314 Dennoch ist und bleibt die CD, so findet auch Holy, ein Auslaufmodell und platzsparendes Streaming oder Digitalsammeln nimmt einen immer größeren Raum im Leben der modernen Gesellschaft ein. Doch wie genau begegnet man als unabhängiger Produzent dieser Tatsache? Wie passt man sich den modernen Gegebenheiten an? Das und vieles mehr erzählt uns David Holy auf meiner virtuellen Interview-Couch am besten selbst.

Reinhard Prahl: Hallo David, du hast einen eher ungewöhnlichen Karrierestart hinter dir. Du hast dein BWL- und Japanologiestudium abgebrochen, um eine Ausbildung als Mediengestalter Bild und Ton zu absolvieren. Wie kam es damals zu diesem Sinneswandel? David Holy: Während meines Studiums verbrachte ich immer mehr Zeit mit 3D-Programmen und dem Computer und entdeckte dafür meine Leidenschaft. Die Entscheidung

315 fiel mir also nicht besonders schwer. Schlussendlich habe ich in BWL auch Mathe gehasst. Und BWL war überwiegend Mathe. Als ich in einer Mathearbeit kein sehr gutes Ergebnis lieferte, war schnell für mich klar, dass es wohl vernünftiger wäre, meine Zeit auf das zu konzentrieren, was mir wirklich liegt. Ich erwartete dadurch viel mehr Lebensqualität, Spaß und Leidenschaft. Monetär hat sich das sehr lange nicht gerade positiv ausgewirkt, bis es schlussendlich doch zu einem traumhaften Ergebnis führte. Ich bin einfach glücklich und zufrieden mit dem, was ich mache.

David Holy

RP: Dein erster Versuch, eine kommerzielle Hörspielserie zu etablieren, hieß Chronik der Verdammten. Leider blieb es bei einer von sechs geplanten Episoden. Warum? DH: Das ist eines der größten Missverständnisse meiner Hörspielgeschichte. Alle Hörer erwarteten, dass die erste Episode weitergeführt wird. Das war nie so geplant, sondern es war eine Anthologie-Serie, wie man das von TV-Serien wie Black Mirror kennt. Jede Folge war in sich

316 abgeschlossen. Auch wenn ich mir kleine Referenzen auf andere Folgen erlaubte. Alle Episoden sind jetzt Bestandteil der Serie Holy Horror. Dennoch haben wir aufgrund des Erfolgs der Geschichte der ersten Chronik-Episode geplant, diese in unsere Lovecraft-Serie zu etablieren. Hier bin ich aber noch in der Planungsphase und in der nächsten großen Redaktionssitzung werden wir das Thema abarbeiten.

RP: Mit der fantastischen Serie Die letzten Helden bist du dann so richtig durchgestartet. Die hohe Anzahl an Sprechern, aber auch die Länge der insgesamt 24 Episoden und 3 Specials war damals etwas ganz Neues im Hörspielgeschäft. Benötigt so ein Mammutprojekt nicht einen enormen Vorlauf an Zeit und Geld? DH: Die ersten Skripte habe ich 2005 geschrieben. Die damals als letzte Episode geplante Das Konzil der Elemente dürfte 2010 passiert sein. Der Vorlauf war weniger das Problem, die immensen Budgets, die das Ganze verschlungen hat, jedoch schon. Sobald die letzte Episode fertig ist, wird die Serie wohl weit über eine Million Euro gekostet haben.

RP: Das erscheint für eine Hörspielserie unglaublich hoch. DH: Das ist es auch. Aber wenn man es auf die Einzelteile herunterbricht nicht verwunderlich. Wir haben eine Laufzeit von geschätzten 70 Stunden. Es ist einfach die Masse: 50 Cover, hunderte von Sprechern, tausende von Studiostunden, Bearbeiter, Musik, Regie und natürlich auch Nebenkosten wie Telefon, Hotel. Am einfachsten versteht 317 man das am Beispiel des Bearbeiters. Dieser braucht mindestens einen Monat für eine qualitativ hochwertige Abmischung und Bearbeitung. Dafür muss ich einen Monatslohn bereitstellen. Multipliziert man das mit 70, erkennt man sehr schnell, wie das Budget in die Höhe schnellt. Es ist den Fans, die uns mit Abos unterstützen, zu verdanken, dass die Serie so ausgearbeitet werden konnte. Und vor allem auch, dass es jetzt neben der Hauptserie zwei weitere Handlungsstränge gibt, die jeweils über 60 Episoden verfügen.

RP: Für viele deiner Fans ist Die letzten Helden so etwas wie die »Mutter der Fantasy-Hörspielserie«. Nachdem du erst eine Spieldauer von insgesamt 30 Stunden angekündigt hattest, hast du dich schließlich für eine Ausweitung der Storyline entschieden. Am Ende kamen, wie du gerade erwähnt hast, rund 70 Stunden dabei heraus. Was führte zu der Entscheidung, die Geschichte fortzusetzen? DH: Es ist eine Kombination aus vielen Dingen. Nachdem der erste Akt so gut ankam und die weiteren vollständig andere Charaktere boten, war natürlich die Angst gegeben, dass die neuen Akte auf Ablehnung stießen. Und vor allem gab es das Problem mit dem verschwendeten Potential. Die Grundidee vor allem im 3. Akt gab so viel mehr her. Ich stehe kurz vor Abschluss dieses Mammutprojektes und freue mich wahnsinnig darauf. Auch wenn ich gespannt bin, wie die Menschen das Ende empfinden werden.

318 RP: Nach Heff der Chef und deiner sechsteiligen Serie Videospielhelden hast du mit Die Chronik der Drachenlanze und Die Legenden der Drachenlanze eine der bekanntesten und beliebtesten Buchreihen überhaupt vertont. Hast du dir als offensichtlicher Fantasy-Fan damit einen Traum erfüllt? DH: Die Drachenlanze-Bücher haben mich in meiner Jugend begleitet und waren ein wichtiger Bestandteil meiner Pubertät. Aus heutiger Sicht würde man mich wohl als Fanboy bezeichnen (lacht). Und natürlich habe ich mir nicht nur einen Traum damit erfüllt. Ich verbinde mit diesem Brand viele Erinnerungen. Das erste Buch hat mir damals meine Oma zu Weihnachten geschenkt und ich fand es stinklangweilig. So unfassbar langweilig. Da waren die Geschichten von R.A. Salvatore um Drizzt Do Urden schon spannender. Warum auch immer habe ich mir ein Buch nach dem anderen gekauft. Und irgendwann flippte der Fanschalter bei mir um. Eine der größten Enttäuschungen waren meine erworbenen englischen Audiobücher. Ich erwartete ein Hörspiel und erhielt ein Hörbuch.

319 RP: 2016 hast du dann Kai Meyers Merle-Trilogie von 2001/2002 vertont. Auch Arkadien und Die Sturmkönige sind inzwischen auf deiner Seite erhältlich. Erzähl uns ein wenig über die Zusammenarbeit mit Kai Meyer. DH: Kai Meyer liebt seine Stoffe und legt sehr viel Wert auf eine gute Umsetzung. Daher freut es mich schon einmal, dass wir das machen durften, da es immer auch ein Zugeständnis an unsere Fähigkeiten ist, eine ordentliche Adaption abzuliefern.

RP: Unterhalten wir uns ein wenig über Audible. Von Die letzten Helden kann man nur 14 von 24 Folgen erhalten. Wie kommt das? DH: Ganz einfach. Folge 15 ist noch nicht erschienen. Wir sind gerade in den letzten Zügen der Aufnahme. Zudem sind die Wanderer-Folgen zum Teil ABO Exklusiv. Eine Sache, die

320 wir fortführen wollen. Die neue Planung sieht für jedes Jahr eine kleine Sonderfolge für Abonnenten vor. Zuerst wollen wir aber die Serie zu einem Abschluss bringen. Folge 15 wird in kleine Episoden unterteilt. Aktuell gehen wir von 17 Einzelepisoden aus, die Monat für Monat veröffentlicht werden. Es geht auf jeden Fall dieses Jahr endlich weiter. Und die Fans müssen nicht mehr lange warten.

RP: Könntest du dir vorstellen, ähnlich wie Ivar Leon Menger oder Tommy Krappweis in Zukunft exklusiv für Audible zu produzieren? DH: Audible hat mich kontaktiert und ich war auch bereits vorstellig in Berlin. Es ist beeindruckend, was Audible auf die Beine gestellt hat. Amazon sei Dank kann man da aus dem Vollen schöpfen. Ich verfüge aber selbst über ausreichend finanzielle Mittel und möchte stets voller Rechteinhaber

321 meiner eigenen Produkte sein. Wer weiß aber, was die Zukunft bringt? Über die eine oder andere Form der Zusammenarbeit wird gerade verhandelt und natürlich würde es mich freuen, wenn wir da einen gemeinsamen Weg finden.

RP: Du hältst in Zeiten von Streaming und digitalen Vertriebsplattformen noch sehr an schön gestalteten CD-Boxen mit aufwendigen Booklets fest. Bist du da nicht ein wenig altmodisch, oder siegt immer wieder der Sammler in dir? DH: Wir richten uns nach der Marktgegebenheit. Fakt ist, dass durch die Streaming- und Downloadplattformen die CDs nur noch für Sammler interessant sind und in Zukunft dieses Medium sicher nur noch eine sehr kleine Rolle spielen wird. Damit wir aber CD-Begeisterte unterstützen können, ist eine gewisse kritische Menge an Direktbestellungen auf unserer Website nötig. In diesem Fall liefern wir gerne eine CD an die Fans aus. Das hat nichts mit altmodisch zu tun, sondern eher mit dem Faktor Nachfrage. Wir setzen voll auf digitale Vermarktung und sehen die CD eher als Auslaufmodell, das nur noch für Sammler interessant sein wird. Jahrelang haben wir an der Holy Hörspiel-APP gearbeitet, die mittlerweile auch schon in einem frühen Stadium erhältlich ist. Das Ganze kann man als Netflix für Hörspiele verstehen. Ich selbst sammle durchaus, aber mittlerweile eben digital.

322 RP: Du hattest vor einiger Zeit viele deiner Werke zu Werbezwecken auf YouTube kostenlos bereitgestellt und damit viele neue Fans erreicht. Die wundern sich nun darüber, dass sie deinen Kanal derzeit nicht mehr finden. Was ist passiert? DH: Der Kanal wurde wegen einer angeblichen Urheberrechtsverletzung eines Mitbewerbers gelöscht. Meine eingereichte Klage hat dazu geführt, dass dieser Mann diese Behauptung zu unterlassen hat. Sprich wir haben gewonnen. Er ist in Berufung gegangen, daher müssen wir abwarten, wie das ausgeht. Aber natürlich ist so etwas schade, lässt sich aber nicht ändern. Das Verhalten des Marktteilnehmers hat dazu geführt, dass nicht nur wir, sondern auch andere Mitbewerber rechtliche Schritte gegen seine Person unternehmen. Aus meiner Sicht kein gutes Zeichen für sein Verhalten und Geschäftsgebaren.

RP: Du produzierst immer sehr viel hinter den Kulissen. Kannst du etwas zu deinen neuen Serien sagen? Und warum wird überhaupt so viel produziert, ohne dass du die Fans im Vorfeld darüber informierst? DH: Aktuell sitzen wir an folgenden neuen Serien: Sherlock Holmes Legends, Karl May, Professor van Dusen, Die Fußballbande, Die Abenteuer der Letzten Helden, Die Letzten Helden: Die neue Welt und Holy Science Fiction. Neben diesen Serien haben wir noch zwei sehr große und überraschende Projekte in der Pipeline. Eine davon wird mit der Veröffentlichung der ersten Folgen noch dieses Jahr vorgestellt. Die andere wird wohl erst spät 2021/2022 323 veröffentlicht. Aktuell befinden sich über 200 Hörspiele in unserer Produktionspipeline. Da wir mit unserer APP auf ein Abo-Modell setzen, möchten wir den Hörern auch monatlich immer Neuheiten bieten können. Dies erfordert einfach eine lange Planungs- und Produktionsphase.

RP: Lieber David, vielen Dank, dass du dir die Zeit zur Beantwortung meiner Fragen genommen hast. DH: Gerne. Viel Spaß beim Hören unserer Werke.

Regisseur des Tons: Musikkomponisten des phantastischen Genres: Ramin Djawadi von Pia Feuerbach

Nach seinem Studium arbeitete Ramin Djawadi 2003 zunächst als Assistent für Klaus Badelt und wirkte unter anderem an Fluch der Karibik – Der Fluch der Black Pearl und Die Zeitmaschine mit. Durch diese Zusammenarbeit traf er 2004 auf Hans Zimmer, arrangierte gemeinsam mit ihm Teile der Filmmusik zu Thunderbirds und produzierte zusammen mit Robert »RZA« Diggs den Soundtrack zu Blade: Trinity.

324 2005 baute er die Zusammenarbeit mit Zimmer weiter aus, u. a. arbeiteten sie gemeinsam an Batman Begins und The Island. In diesem Jahr gelang es Ramin, aus dem Schatten Zimmers zu treten und komponierte die Serienmusik zu Prison Break. Für die Titelmusik wurde er mit einer Emmy-Nominierung geehrt.

Für seinen Soundtrack zu Marvels Iron Man im Jahr 2008 wurde er 2009 für den Grammy nominiert, musste sich jedoch seinem ehemaligen Lehrer Hans Zimmer zusammen mit James Newton Howard mit dem Soundtrack zu The Dark Knight geschlagen geben.

Produzent David Goyer, mit welchem er bereits bei Blade: Trinity zusammenarbeitete, engagierte ihn 2009 für die Musik zur Serie Flash Forward. Diese Komposition wurde ebenfalls mit einer Emmy-Nominierung belohnt.

2010 sprang Djawadi als kurzfristiger Ersatz für Matthew Bellamy ein, der ein Projekt inmitten der Arbeit abbrach, um mit seiner Band auf Tour zugehen. Innerhalb von nur zwei Wochen komponierte er den Soundtrack zu Kampf der Titanen. Dabei griff er auch auf bereits fertigkomponierte Stücke seiner Kollegen Geoff Zanell, Bobby Tahouri und Dominic Lewis zurück. Das Computerspiel Medal of Honor wurde 2010 ebenfalls von Djawadi vertont.

Dem gebürtigen Duisburger gelang 2011 nun final der große Durchbruch und er wurde einem noch breiteren Publikum 325 durch seine musikalische Untermalung der HBO-Serie Game of Thrones bekannt, für die er von 2011 – 2019 verantwortlich zeichnete.

2014 wurde er das erste Mal für die Vertonung der Serie mit einer weiteren Emmy-Nominierung für die Folge Der Berg und die Viper geehrt, 2017 gewann er schließlich den Emmy für den Soundtrack zur Folge Der Drache und der Wolf. Für die Komposition der 7. Staffel der Serie erhielt er 2018 erneut eine Grammy-Nominierung, zog aber gegen Justin Hurwitz und den Soundtrack zu La La Land den Kürzeren.

326 Neben seiner Arbeit an Game of Thrones komponierte er ab 2013 weiterhin die Musik für Guillermo del Torros Serie The Strain und arbeite mit del Torro im gleichen Jahr auch bei Pacific Rim zusammen. 2014 und 2015 blieben für die sonst so produktiven Verhältnisse im phantastischen Genre ruhig, 2014 entstand ausschließlich der Soundtrack zu Dracula: Untold.

2016 legte er dann mit den Musikproduktionen noch weiter zu und schrieb die Soundtracks zu The Great Wall, Warcraft und zur neuen HBO-Serie Westworld.

327 Für die Musik der 8. Staffel Game of Thrones erhielt er seine 3. Grammy-Nominierung. Erneut konnte sich Ramin Djawadi in dem starken Wettbewerb nicht durchsetzen, der Grammy ging an Hildur Guðnadóttir und ihre Musik zur Mini-Serie Chernobyl.

Zurzeit lebt Djawadi, Jahrgang 1974, mit Frau und Kindern in den Vereinigten Staaten und arbeitet an dem Soundtrack zu The Eternals aus dem Hause Marvel, der voraussichtlich 2021 in die Kinos kommen wird. Insgesamt hat er bereits mehr als 100 Filme und Serien in seiner bisherigen Laufbahn vertont.

328 Er ist zudem der weltweit erste Komponist für TV-Produktionen, der mit einem großen Live-Orchester auf US-Tour gegangen ist, u. a. mit seinen Soundtracks zu Game of Thrones.

Weiterführende Links: Offizielle Webseite: https://www.ramindjawadi.com Instagram: https://www.instagram.com/ramindjawadi_official/ Facebook: https://www.facebook.com/RaminDjawadiOfficial/ Twitter: https://twitter.com/Djawadi_Ramin

Hörspiel-Perlentaucher: Ring Raiders – Das kurze Leben des Victor Vector von Reinhard Prahl

Lang ist’s her In einer Zeit, als Streamingdienste noch ferne Zukunftsmusik waren, legten Kinder und Jugendliche noch eine Kassette oder ab den 1980er-Jahren eine CD in den Player ein, um das allabendliche Hörspiel zum Einschlafen zu genießen. Seit den 1970er-Jahren gab es Krimi- und Abenteuerreihen wie Die drei ??? oder Die fünf Freunde, die in Deutschland durch die gleichnamigen britischen 329 Fernsehserien Beliebtheit erlangt hatten. Science-Fiction für Mädchen und Jungen kam hingegen erst ab Anfang der 1980er-Jahre richtig in Mode, als Serien wie Jan Tenner, He-Man and the Masters of the Universe oder eben kurzlebigere Projekte wie Brave Starr oder die Ring Raiders auf den Markt kamen.

Victor Vector vs. Scorch Die Raiders sollten, wie viele andere Hörspielserien auch, eigentlich als Werbung für ein neues Spielzeug herhalten. In

330 diesem Fall handelte es sich um Flugzeuge, die echten Kampffliegern nachempfunden waren und zur besseren Handhabe mit einem Ring am Ende versehen waren. Hergestellt wurden die Spielzeuge von Matchbox. Zeitgleich mit dem Anlaufen des Verkaufs gab der Spielzeughersteller sowohl einen Cartoon als auch die hier vorgestellte Hörspielserie bei Ariola in Auftrag. Leider war das Gesamtkonzept nicht gut durchdacht, so bauten die Hörspiele und die Comics beispielsweise nicht aufeinander auf und zeigten daher auch nicht viele gemeinsame Orientierungspunkte. Rückblickend verwundert es also kaum, dass das Franchise für den Konzern ein Flop wurde und schnell wieder vom Markt verschwand. Das ist auch der Grund, warum leider nur sechs Ausgaben der kindgerechten und tontechnisch aufwendig produzierten Ring Raiders-Kassetten erschienen sind. Das ist eigentlich schade, denn die Abenteuer um Victor Vector, Yuri Kirkov, Max Miles, den väterlichen Freund Duffy und die anderen Ring Raiders hatte durchaus Potenzial. Die Piloten kämpften in den Geschichten gegen eine skrupellose Fliegerstaffel namens Skull Squadron, angeführt vom unehrenhaft aus der Airforce entlassenen Scorch alias Stanley Smith, der nun auf Rache sann.

Die Trägerschiffe Die sechs existierenden Episoden spielten aus Sicht des Produktionsjahres zehn Jahre in der Zukunft, also 1997, und bauten mehr oder weniger aufeinander auf. Nach und nach wurden neue Figuren und Flieger eingeführt, die oft über 331 besondere Fähigkeiten wie ungewöhnliche Tarn- und Nachtsichteigenschaften verfügten. Beide Parteien nannten darüber hinaus ein Trägerschiff ihr eigen, die sogar im All und in der Zeit operieren konnten, nämlich die Skull Squadron Mobile Base auf Seiten der Bösewichte und die Air Carrier Justice der Ring Raiders. Das Hauptmerkmal der Raumbasen, Zeitreisen zu unternehmen, diente natürlich dazu, alle möglichen bekannten und geschichtsträchtigen Flugzeuge und bekannten Piloten einzuführen und gewinnbringend an das Kind zu bringen. Zusätzlich sorgte der weitere Science-Fiction-Aspekt für einen gewissen Coolnessfaktor. So ziehen beide Staffeln in den Hörspielen immer wieder los, um in der Vergangenheit und Zukunft die fähigsten Piloten für ihren Kampf zu rekrutieren. Es versteht sich von selbst, dass die Guten dabei stets bei Victor Vector und seinen Kameraden landeten.

332 Etwas für Sammler Alles in allem ergaben sich so sechs recht unterhaltsame Abenteuer, die mit hochwertigen Soundeffekten und routinierten Sprechern ausgestattet waren. Klar, es gab coolere Hörspiele wie Commander Perkins oder Jan Tenner, und die Ring Raiders stellen nur eine in einer langen Liste gescheiterter Serien dar. Doch irgendwie wuchsen einem Victor, Duffy und die anderen doch ans Herz. Der Hauptgrund für das vorzeitige Aus dürfte daher wohl der Tatsache geschuldet sein, dass die Serie nicht vernünftig mit

333 den Cartoons und den Spielzeugen koordiniert wurde. Schade eigentlich, denn allein schon aus nostalgischen Erwägungen macht das Zuhören Spaß. Ein Ohr zu riskieren, dürfte nach über 30 Jahren allerdings nicht mehr so einfach sein. Die Kassetten sind heute nur noch auf diversen Versteigerungsplattformen zu bekommen. Die Preise pro Hörspiel bewegen sich mit rund 9 Euro in einem erschwinglichen Rahmen und dürften für Sammler vielleicht ganz interessant sein. Ob Ariola jemals, ähnlich wie der Maritim-Verlag, seine alten Hörspiele digitalisiert und auf dem Streaming- und Downloadmarkt anbietet, darf ernsthaft bezweifelt werden. Einem großen Publikum bleiben die Ring Raiders damit bis auf Weiteres wohl leider vorenthalten.

Die Hörspiele zu Masters of the Universe: Jetzt gibt es was auf die Ohren von Marco Golüke

Das Label Europa ist für Menschen, die in den 1980ern aufgewachsen sind, immer ein Begriff, wenn es um Hörspiele geht. Diese erfreuten sich in diesem Jahrzehnt einer immens großen Popularität.

334 Reihen wie Die drei ??? oder TKKG muss man den wenigsten Menschen vorstellen. Aber auch bei Hanni und Nanni, Fünf Freunde und Hui Buh, das Schlossgespenst klingeln bei vielen die Ohren. Während bei Konkurrenten häufig die Tonspuren der Serien verwendet und mit einem Erzähler zu einem Hörspiel geschnitten wurden, ging Europa einen anderen Weg. Die meisten ihrer Produktionen waren eigenständige Geschichten, die dem Hörer eine neue Handlung präsentierten. Das hatte zwar höhere Sprecherkosten zur Folge, aber auch eine gewisse kreative Freiheit.

Man entschied sich bei Europa also dafür, eine Lizenz für Masters of the Universe zu erwerben und produzierte zunächst fünf Folgen. Sie basierten inhaltlich noch auf den alten Minicomics, hatten also eine andere Hintergrundgeschichte als die heute bekannte mit dem Alter Ego von He-Man namens Prinz Adam. Ironischerweise wurde die erste Folge Sternenstaub später geschrieben und hatte bereits ebendiesen Hintergrund. Insgesamt gab es gerade zu Beginn etliche Abweichungen zur Geschichte in den Comics und der Trickserie, aber nach und nach wurden diese immer ähnlicher.

335 Ähnlich wie die Trickserie dienten auch die Hörspiele der Promotion der Spielzeugreihe. So wurden auch mal Charaktere ohne Sprechrolle einfach erwähnt, ebenso wie diverse Fahrzeuge. Eine kleine Eigenart der Hörspiele waren die unterschiedlichen Herkunftsgeschichten diverser Charaktere. Teilweise wurden einfach nur bestimmte Aspekte weggelassen, an anderer Stelle aber kräftig umgeschrieben. Dies betrifft sogar Fähigkeiten der Figuren und Fahrzeuge. So kann das Straßenfahrzeug Road Ripper, entgegen dem sogar recht eindeutigen Namen, fliegen. Als

336 erwachsener Fan bemerkt man selbstverständliche solche Kontinuitätsfehler, sowohl innerhalb der Hörspielreihe an sich als auch in Bezug zu den anderen Medien, dem kindlichen Fan war dies damals aber egal.

Ein Problem waren die spärlichen Informationen, die Autor H.G. Francis, bürgerlich Hans Gerhard Franciskowsky, von Mattel bekam. Der Autor schrieb sämtliche Episoden der Reihe teilweise ohne zu wissen, wie die Figuren überhaupt aussahen. Auch dies beflügelte natürlich die Kreativität des Schreibers, denn so konnte er He-Man sogar einen Vetter namens Goras verpassen oder eine Spiegelwelt namens Anti-Eternia erschaffen.

Ganze 37 Folgen schaffte die Reihe, bevor sie eingestellt wurde. In einem Gespräch erzählte die Regisseurin der Reihe, Heikedine Körting, dass die Reihe aufgrund schlechter werdender Verkaufszahlen eingestellt wurde, sie heute aber nur noch von solchen Zahlen träumen könnten. Zusätzlich zu den 37 Folgen der Hauptreihe gab es noch das Promo-Hörspiel Die Giganten des Universums, das allgemein als Folge 0 bezeichnet wird, und die Einführung in den ersten Reboot He-Man – Die neue Dimension.

Ein Hörspiel steigt und fällt mit seinen Sprechern und hier ließ es sich Europa nicht nehmen, bekannte Stimmen zu verpflichten. Norbert Langer war zu der Zeit vor allem für seine Arbeit als deutscher Sprecher von Tom Selleck und Burt Reynolds bekannt und später auch als Erzähler in der 337 Serie Wunderbare Jahre. Bei den Hörspielen lieh er in allen Ausgaben Prinz Adam und He-Man seine Stimme. Seinen Gegenspieler Skeletor vertonte überwiegend Peter Pasetti, der Hörfans auch als Erzähler bei den Drei ??? bekannt sein dürfte. Er musste krankheitsbedingt die Folge Höhle des Schreckens aussetzen. Vertreten wurde er von Franz-Josef Steffens, der später zum festen Sprecher von Mantenna und Grizzlor wurde. Auch in Die neue Dimension wurde Skeletor von einem anderen gesprochen, nämlich Jürgen Thormann, hier sind die Gründe aber unbekannt.

Auch die restlichen Sprecher waren keine Unbekannten. Horst Naumann machte in allen Episoden den Erzähler, Monika Gabriel sprach Teela, Karl Walter Diess lieh bei allen Auftritten ihrem Stiefvater Man-at-Arms die Stimme. In weiteren Rollen sprachen Christian Rode, Michael Grimm, Lutz Mackensy, Eric Vaessen und Andreas von der Meden Rollen, manchmal auch mehrere.

In der Reihe erschienen neben den regulären 37 und den zwei Promofolgen auch noch einige Sondereditionen. So gab es von zwei Folgen auch eine Version mit einem Einleitungstext, die bestimmten Figuren beilagen. Und bei Remus erschienen einige Folgen mit einem neuen Cover und einem begleitenden Ausmalbuch, das die Geschichte des Hörspiels umfasste.

338 Der Erfolg der Masters of the Universe als Spielzeug zog bekanntlich die Reihe She-Ra – Princess of Power nach sich, die Mädchen im Fokus hatte. Dies zog nicht nur eine eigene Trickserie mit sich, sondern auch eigene Hörspiele. Die Reihe schaffte leider nur zehn Ausgaben und wurde nicht so gut aufgenommen, wie die eigentliche Reihe. Auch hier sprachen wieder bekannte Namen mit, unter anderem Horst Naumann, der auch hier als Erzähler fungierte. Lutz Mackensy und Monika Gabriel waren ebenfalls bereits von den Masters of the Universe-Hörspielen bekannt. Auch hier

339 gab es mit Das Geheimnis des Kristallpalastes eine Promofolge, die einigen Figuren beilag.

Während die Cover von She-Ra – Princess of Power aus kleinen Dioramen der Figuren bestanden, waren die Cover der Masters of the Universe gezeichnet. Dies war natürlich nicht der einzige Unterschied zwischen den beiden Reihen. Während die She-Ra-Reihe häufig für ihren Kaffeeklatsch-trifft-Dallas-Charakter kritisiert wird, dominierten bei He-Man eben typischen Jungenthemen: Magier, Kämpfe, Monster.

Die Geschichten in Masters of the Universe griffen lose ineinander. In manchen Folgen wurde die Handlung aus dem Vorgänger aufgenommen, in anderen vergaß man, was man zwei Folgen vorher noch erzählt hatte. Es gab einen Zweiteiler und sogar einen Fünfteiler, mit dem die Reihe damals beendet wurde. Die Entscheidung dafür fiel aber erst nach der Veröffentlichung.

Es brauchte einige Jahre, bis neue Hörspiele erschienen. Im Zuge des sogenannten 200X-Reboots erschienen beim Label Hearoic zwei Hörspiele, die zwar Fanproduktionen darstellen, aber auf einem hohen Niveau spielen. Etliche Synchronsprecher der Trickserie zum Reboot konnten ihre Rollen auch in den Hörspielen sprechen. Die erste Folge Eine Falle für He-Man war ursprünglich sogar als Promofolge für die neuen Figuren gedacht, das klappte aber leider nicht. Hearoic bemühte sich sogar um eine Lizenz für neue 340 Hörspiele, bekommen hätten sie aber nur die Tonspur des Cartoons, was nicht interessant genug war.

Eine Neuauflage der alten Masters of the Universe-Hörspiele scheitert schon daran, dass Europa eine neue Lizenz kaufen müsste und viele der alten Dateien gar nicht mehr vorhanden sind.

Schwarze Sonne Nemesis – Ein Science-Fiction-Hörspiel von Andreas Götz von Michael Kleu

Das Hörspiel beginnt mit dem mit klassischer Musik unterlegten Start einer Rakete, die erfolgreich in den Weltraum geschossen wird. Danach ist die müde klingende Stimme eines Mannes zu hören, der Gregorius heißt und mehr als 2200 Jahre im Kälteschlaf verbracht hat. Die Menschheit ist zwischenzeitlich ausgestorben und Gregorius reist als letzter Überlebender in der Melancholia 2 durch den Weltraum. Er ist auf der Suche nach Nemesis, einem schwarzen Zwilling der Erdensonne. Denn Gregorius macht Nemesis für die Vernichtung der Menschheit verantwortlich. Er bezeichnet die schwarze Sonne als ein »Asteroidenkatapult«, eine »Planetenschleuder«, die erst das Aussterben der Dinosaurier ausgelöst habe, bevor sie

341 schließlich den Untergang der menschlichen Zivilisation bewirkt habe. Gregorius ist ein Wissenschaftler, der auf der Erde für seine Theorien von dem schwarzen Zwilling der Sonne ausgelacht worden ist. Dass er offensichtlich recht gehabt hat, ist ein schwacher Trost in der finsteren Einsamkeit des Weltalls. Angetrieben durch den Drang nach Vergeltung beginnt Gregorius, Nemesis als eine reale Person wahrzunehmen, die ihn wiederholt von seiner unerwünschten Annäherung abzuhalten versucht. Für ihn ist die Sonne ein »Biest«, später »eine finstere Geliebte mit dem Todeskuss auf den Lippen«, eine »alte Hexe« oder ein gar ein »schwarze[s] Miststück«. Ab Minute 4 wird Gregorius von seiner Suche nach Nemesis abgelenkt. Denn plötzlich hört er ein Summen, das von einer Fliege zu stammen scheint. Schnell ist die Urheberin gefangen: eine gemeine Stubenfliege. In einer spontanen Reaktion will Gregorius die Fliege töten, bevor ihm bewusst wird, dass das Tier wie er selbst das letzte Exemplar seiner Art darstellt. Und wie konnte es überhaupt in die Raumkapsel gelangen und über 2200 Jahre lang überleben? Es gibt keine wissenschaftlich haltbare Erklärung für die Anwesenheit der Fliege. Zunächst erfreut sich Gregorius daran, ein lebendiges Wesen bei sich zu wissen, doch dann kommt es bald schon zu einem tödlichen Konflikt. Gregorius verliert auf der Reise zunächst seine Geschmacksnerven und später auch seine Erinnerung. Hatte er Frau und Kinder? Er weiß es nicht mehr und eigentlich ist 342 es ihm mittlerweile auch egal. Allmählich scheint er dem Wahnsinn zu verfallen, als er endlich die schwarze Sonne Nemesis erreicht … Dem Autoren Andreas Götz ist mit diesem 32-minütigen Hörspiel ein großartiges Stück Science-Fiction-Unterhaltung gelungen, das hauptsächlich von seiner dichten Atmosphäre und der tollen Stimme von Schauspieler Sebastian Zimmler lebt, der den Gregorius spricht. Die Hintergrundgeräusche setzen sich aus Streichmusik, synthetischen Klängen, Herzschlag und metallischem Pulsieren zusammen und wirken zwar gelegentlich hoffungsvoll, erzeugen meist aber eine äußerst starke düster-paranoide Stimmung. Durch diese Geräuschkulisse fällt gar nicht so sehr auf, dass das Hörspiel fast ausschließlich aus von Gregorius bzw. Sebastian Zimmler gesprochenen Monologen besteht. Nur kurz hören wir die Stimme von der Schauspielerin und Synchronsprecherin Caroline Ebner, die im Hintergrund die biblische Genesis rezitiert. Inhaltlich konzentriert sich das Stück auf die jeweiligen Beziehungen zwischen Gregorius und der Stubenfliege bzw. Gregorius und der schwarzen Sonne Nemesis. Gerade die Personifizierung des geheimnisvollen Himmelskörpers erweist sich als ein sehr spannendes Story-Element. Bekanntlich werden Planeten, Sonnen, Asteroiden usw. traditionell gern nach Figuren der griechisch-römischen Mythologie benannt, was letztlich damit zusammenhängt, dass man bereits in Mesopotamien und im Alten Ägypten die Planeten mit Göttinnen und Göttern gleichgesetzt hat. Genau dies tut nun Andreas Götz, wenn er seinen Gregorius 343 die schwarze Sonne als weiblichen Charakter wahrnehmen lässt. Dabei kommt der Namenswahl eine große Bedeutung zu. Denn die Nemesis ist in der griechischen Mythologie die Göttin der gerechten Rache und des gerechten Zorns. In der modernen Popkultur wird sie jedoch nicht mehr in ihrer eigentlichen Bedeutung betrachtet, sondern als finstere Gegenspielerin oder gar als Todesengel angesehen. Somit übernimmt die schwarze Sonne im Hörspiel den Gegenpart zu unserer Sonne. Wie diese Leben schenkt, bringt jene Vernichtung. Es ist nicht weiter schlimm, dass auf eine genauere wissenschaftliche Erklärung hinsichtlich der schwarzen Sonne verzichtet wird. Denn die Geschichte lebt von der Anspielung auf die Mythologie. Überhaupt lässt Andreas Götz manche Frage offen. Doch beantwortet unsere Phantasie solche offenen Fragen ja oft wesentlich ergiebiger, als es der Autor oder die Autorin einer Geschichte hätte tun können. Das Hörspiel wurde am 6. September 2016 bei SWR2 Tandem ausgestrahlt. Regie führte Iris Drögekamp.

Interview mit Pamela: Fire Dancer – phantastischer Song mit phantastischer Stimme von Reiner Krauss

344 Susanne Ertl, eine wunderbare Phantastik-Autorin aus Österreich (siehe Interview-Beitrag im Corona Magazine 03/2017) sprach mich dieser Tage an, ob wir auch über Musik berichten wollen und können, denn sie hat dazu das Musik-Video gestaltet. Natürlich wollen wir und der Song behandelt nicht nur ein phantastisches Thema, sondern ist zudem noch phantastisch gut.

Fire Dancer heißt der Song. Doch wer ist die Künstlerin? – Pamela Hofbauer Ihre Freizeit nutzt Pamela am liebsten, um Freunde einzuladen und sie dabei kulinarisch und sehr gern mit asiatischen Gerichten zu verwöhnen. Neben ihrer Leidenschaft für das Kochen begeistert die Österreicherin sich aber auch für sportliche Aktivitäten und Urlaubsreisen. Im Winter zieht es Pamela vor allem zum Snowboarden auf die Pisten, den Rest des Jahres über verbringt die Sängerin ihre Urlaube gern in fernen Ländern wie Kuba oder Bali – doch auch in Italien fühlt sie sich vor allem wegen der vielfältigen Kulinarik wohl.

Die Entwicklung einer jungen Künstlerin aus Österreich. Pamelas Talent zeichnete sich schon in ihrer Kindheit ab – immerhin stammt die Sängerin aus einer musikalischen Familie. Mit ihren Klassenkameraden bildete sie mehrere Schülerband-Formationen, mit denen sie vor allem im Rock-Genre erste Bühnenerfahrungen sammelte. Auch für Hochzeiten wird die Österreicherin oft als Sängerin engagiert. Auf diesem Weg stieß sie letztendlich auf neue 345 Kontakte, die ihr die nächsten Schritte in die Musikbranche ebneten. Pamela veröffentlichte Songs in der Vergangenheit in Kooperationen mit anderen Künstlern, jedoch ist die Zeit nun reif für ihre Solokarriere.

© Michael Parak / Pamela Hofbauer

Lassen wir Pamela jetzt selbst von sich erzählen.

Reiner Krauss: Hallo Pamela vielen Dank für deine Zeit und für die Gelegenheit. Fragen wir doch mal gleich selbst: Wo genau kommst du her und wie kamst du zur Musik?

Pamela: Ich komme aus einem kleinen Nest namens Gföhl im Waldviertel in Niederösterreich (so wie auch Susanne) unweit der schönen Wachau.

346 Aufgewachsen als zweites Kind in einer musikalischen Familie kam ich dadurch sehr früh zur Musik. Allerdings erstmal nur als passiver Part. Meine Mutter unterrichtete Musik, mein Vater spielte und sang in einer kleinen Band, der man auf etlichen Festen in der Umgebung lauschen konnte, und meine Schwester singt seitdem ich denken kann auf Hochzeiten, Bällen und Veranstaltungen.

RK: Wie kamst du dann selbst zum Singen?

Pamela: Ich selbst begann erst in meiner Schulzeit in der Hotelfachschule in Krems ein bisschen zu singen. Erst mal in der Klasse, weil alle was von mir hören wollten, und infolge dessen in unserer ersten Schülerband (der Klassiker). Ich bin aber trotzdem meiner Ausbildung treu geblieben und arbeite in der Abendgastronomie, mixe Cocktails und schenke ein bisschen Bier ein. Das Singen war für mich immer ein riesengroßes Hobby.

RK: Wie ging es dann weiter und was magst du am liebsten für Musik?

Pamela: Ich lernte viele Leute in dieser Branche kennen und stand dann ab und zu im Studio, um Songs für DJs einzusingen. Erstmal nur im Dance-Bereich. Prinzipiell hör ich viele verschiedene Musikrichtungen (Schlager muss jetzt nicht so unbedingt sein).

347 Mir ist eine gute Stimme in einem Song sehr wichtig. Die muss mich berühren und im besten Fall Gänsehaut verursachen. Aufgewachsen bin ich mit der Rock-Musik der 1990er. Und das ist ein Genre, das mich mein Leben lang begleiten wird. Vor allem Alanis Morissette hat mich sehr geprägt. Frei nach dem Motto: Powerfrauen vor den Vorhang. Ich hör auch sehr gerne ältere Songs von Dean Martin, Shirley Bassey, Nancy Sinatra und und und. Meine letzten Konzerte waren Rammstein, AC/DC, aber auch Christina Aguilera oder Muse. Und ich liebe Musicals. Ich bin da flexibel.

RK: Was ist das Besondere an Musik für dich und deine Freude daran?

Pamela: Mir hat es immer gefallen, Emotionen mit Musik – und speziell Gesang – zu vermitteln. Das Schönste daran ist, wenn man mit seiner eigenen Stimme mal ein Tränchen aus den Augen seiner Zuhörer kitzeln kann. Das waren meine wundervollsten Momente, wenn das passiert ist.

RK: Wie kam es jüngst nun zum neuen Song Fire Dancer?

Pamela: Im Herbst 2019 lernte ich dann Patrick Düpree kennen, aus dessen Feder auch der Song zum Buch von Vanessa Heintz entstanden ist. Die Chemie hat von Anfang an gestimmt. Somit kam es dann, dass wir ein tolles Wochenende im schönen Saarland 348 verbracht und uns im Studio mit dem Fire Dancer ausgetobt haben.

© Michael Parak / Fire Dancer von Pamela

RK: Worum geht es in dem Song?

Pamela: Der Song erzählt vom Leben der Protagonistin Liliana. Aufgewachsen auf einer Farm in Australien musste sie mit ansehen, wie beide Eltern ermordet wurden, sie selbst missbraucht vom Pflegevater, ihrem Arzt und

349 verschleppt und gequält vom Mörder ihrer Eltern. Doch sie hat nie aufgegeben und sich trotz der Qualen immer gedacht: »Giving up is not an option!« Alle drei Bücher dieser Reihe haben mich sehr gefesselt. Ich glaube, jeder Mensch hat in seinem Leben Momente, an denen er denkt, dass es nicht weitergeht und dass alles keinen Sinn mehr macht. Deswegen spricht mir der Song auch aus der Seele.

RK: Wie kam es danach zu dem spektakulär gemachten Musikvideo?

Pamela: Als Fire Dancer dann veröffentlicht wurde, meinte Susanne (Ertl) zu mir, dass wir da noch ein kleines Video dazu bräuchten. Da die Ausgangsbeschränkungen bei uns in Österreich ja schon aufrecht waren, stellte ich mir das etwas schwierig vor. Völlig perplex und ahnungslos machte ich mich ans Werk und probierte mit den einfachsten Mitteln, wie einem zehn Jahre alten Laptop und einem Handy von vor drei Jahren, mal ein paar Videosequenzen zu drehen. Der Keller in meiner Wohnhausanlage und die Bar in der ich arbeite, kamen mir da sehr gelegen. Es sollte die Emotionen Lilianas in der Isolation ihrer »Gefängniszelle« und die daraus gewordene starke Frau widerspiegeln. Ich war nur sehr froh, dass mich kein Nachbar dabei gesehen hat.

350 Susanne hat dann großartige Arbeit geleistet und die fünfzig kleinen Videos zusammengestoppelt … und »TATAAAA« … da war’s dann fertig.

RK: Eine phantastische Aufnahme mit phantastischem Song und phantastischer Künstlerin, danke dir!

Pamela: War eine tolle Erfahrung für mich. Und ich freu mich natürlich schon auf mehr … Ich hoffe, ich konnte dir erstmal einen kleinen Einblick vermitteln. Ganz liebe Grüße, Pamela

Ein Nachwort zum Songinhalt und dessen Bedeutung vom Komponisten Patrick Düpree: »Fire Dancer ist bereits der dritte Trailer-Song zu der Thriller-Trilogie von Vanessa Heintz. Zu ihrem ersten Werk der Reihe Im Regen verbrannt, schrieb ich Burned in the Rain. Darauf folgte FROZEN IN THE DUST zum zweiten Buch Im Staub erfroren. Den aktuellen Song, Fire Dancer schrieb ich aus der Perspektive der Protagonistin im Buch. Er beschreibt den Charakter einer Kämpferin und Powerfrau, für die Aufgeben keine Option ist und entsprechend musste eine starke und aussagekräftige Stimme her. Pamela beweist dabei nicht bloß ihr Können als Sängerin, sondern gleichermaßen auch ihr schauspielerisches Vermögen. Die Songs habe ich den Büchern gewidmet, stehen natürlich am Ende auch für sich 351 selbst. So ist die Message im weiten Rahmen natürlich auch die gleiche wie in den Büchern: Niemals aufgeben im Leben!«

Jetzt heißt es sofort … reinhören und genießen! Original Rock-Version: https://bit.ly/FireDancerOriginal Club-Version: https://bit.ly/FireDancerTrap

Interpretin: Pamela Hofbauer / Komponist: Patrick Düpree / Musik-Video: Susanne Ertl / Fotos: Michael Parak

352 Mitarbeit am Corona?

Gerne und jederzeit!

Sie schreiben gerne und gut? Bringen Ihre Gedanken zielsicher auf den kreativen Höhepunkt, neigen zu nächtlicher Selbstkasteiung, um fingernagelkauend und schlaftrunken die wichtigste Deadline überhaupt einhalten zu können? (Damit meinen wir unsere...)

Toll, wissen Sie was?

Auf Sie haben wir gewartet!

Das Corona Magazine ist ein Online-Projekt, das zu einer Zeit entstanden ist, als 14.4er Modems noch schnell schienen, 64 MB RAM noch wirklich viel waren und das Internet noch den Geist des kostenlosen Informationsaustauschs in sich trug. Zumindest letzteres haben wir aus unseren Anfangszeiten bis in die Gegenwart gerettet. Das Corona Magazine ist nicht-kommerziell. Wir verdienen vielleicht Geld, wir bekommen es aber nicht. Das gilt dann leider auch - und wie so oft - für unsere Autoren, Webmaster, Chefredakteure und das Lektorat.

Warum sollte dann irgendjemand auf die Idee kommen, bei uns mitzumachen?

353 Nun, abgesehen von einer gewissen Dosis Masochismus und der zumeist angeborenen Sehnsucht nach der großen oder kleinen Bühne, verbindet die Mitarbeiter des Corona-Projekts vor allem eines: Der Spaß an der Sache. Obwohl wir im ganzen deutschsprachigen Europa verteilt sind, sind unsere Treffen stets feuchtfröhlich, unsere Chats und Telefonate meist inspirierend (oder zumindest transpirierend) und die Diskussionen in unseren Mailinglisten sind, so denn das Gros der Redakteure mal aus dem Quark kommt, das reinste Paradebeispiel für den Aufbau eines gelungenen Networking. Denn egal in welche Stadt man kommt - ein Corona-Redakteur ist meist schon da.

Wer sind wir eigentlich genau?

Es gab Zeiten und Projekte, da waren wir ein äußerst kunterbunter Haufen. Inzwischen sind wir nur noch bunt. Unsere Redaktion setzt sich aus ehrenamtlich arbeitenden Journalisten, Redakteuren, Lektoren und einer Handvoll von Menschen zusammen, die genau so was unheimlich gerne geworden wären, wenn die Medienbranche nicht so eine Knochenmühle wäre. Das bedeutet für jeden Interessierten, dass er oder sie immer eine Chance hat, dieser Ansammlung an Individuen beizutreten - wenn er mag und kann.

Eine Mail an [email protected] mit einem netten Betreff, wie z.B. »Hallo, da bin ich!« und einer kurzen

354 Vorstellung der eigenen Person reicht da völlig.

Wir freuen uns auf Sie!

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