Friedrich Kuhlau – Eine Kurzbiografi in 12 Abschnitte Basiert Auf Meinem Buch: Friedrich Kuhlau – Ein Deutscher Musiker in Kopenhagen
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Jørgen Erichsen Friedrich Kuhlau – eine Kurzbiografi in 12 Abschnitte basiert auf meinem Buch: Friedrich Kuhlau – ein deutscher Musiker in Kopenhagen. Eine Biogra- phie nach zeitgenössischen Dokumenten. Georg Olms Verlag, 2011 (416 Seiten) 1. Kindheit und Lehrzeit In der Musikgeschichte gibt es zahlreiche Beispiele dafür, daß Musikalität erblich ist, und daß eine Familie mehrere Generationen hindurch und in verschiedenen Verzweigungen auf die eine oder andere Art im Dienste der Musik gestanden hat. Eines dieser Beispiele ist die Familie Kuhlau. Nicht weniger als siebzehn Militärmusiker, Stadtmusiker, Organisten, Kapellmusiker und Komponisten dieses Namens kann man in Deutschland, Dänemark und Schweden finden. Die folgende Stammta- fel hat ihren Ausgangspunkt in Kuhlaus Großeltern väterlicherseits: Sowohl der Großvater als auch der Vater waren Militärmusiker, aber der Onkel Johann Daniel war Organist. Er zog als Erster der Familie 1784 nach Dänemark und wurde bald als Organist in der Buldofi Kirche in Aalborg angestellt zu werden. Zwei Jahre später, genauer am 11. September 1786, wurde der Hauptperson dieser Biographie in der kleinen norddeutschen Stadt Uelzen geboren, wohin der Vater um diese Zeit versetzt worden war. Er wurde auf den Namen Friedrich Daniel Ru- dolph Kuhlau getauft. Die Berufstätigkeit des Vaters führte zu häufigen Versetzungen, und das nächste Mal, wo wir von Fritz hören, wie er in der Familie genannt wurde, ist diese nach Lüneburg gezogen. 1 Hier geschah 1796 das Unglück, das Kuhlau doch selbst später als Glück bezeichnet, weil es we- sentlich dazu beitrug, seine Lebensbahn zu bestimmen. Eines Abends, als er in die Stadt geschickt worden war, um etwas in einer Flasche zu besorgen, fiel er so unglücklich, daß die Flasche zerbrach und die Scherben sich in sein rechtes Auge bohrten. Es mußte entfernt werden (auf den meisten Bildern sieht man deutlich, daß Kuhlau das rechte Auge fehlt). Um den Jungen von den Schmerzen abzulenken, hatten die Eltern ein kleines Klavier über seinem Bett angebracht, und es zeigte sich, wie es in einem älteren Lexikon so poetisch ausgedrückt wird, "daß seine Brust voll von schlum- mernden Äolsharfen war". Nach dem Krankenlager begann er mit Klavierunterricht beim Organis- ten der Heilig-Geist-Kirche in Lüneburg, Hartwig Ahrenbostel, und es dauerte nicht lange, bis er selbst versuchte zu komponieren. Wir springen nun zum Jahre 1805, wo Kuhlau Schüler des berühmten C.F.G. Schwencke in Ham- burg wurde. Dieser war Schüler von Carl Philip Emanuel Bach gewesen und hatte dessen Stellung als Hauptverantwortlicher der Kirchenmusik in Hamburg übernommen. Schwencke war selbst Komponist und gefürchtet als Kritiker, so daß es das höchste Lob war, als Schwencke vier Jahre später erklärte, er könne Kuhlau, der "grundmusikalisch in sowohl Gefühl und Verstand" sei, nichts mehr beibringen. Es war auch Schwencke, der ihm Zugang zu dem bedeutenden Musikverlag Breitkopf und Härtel in Leipzig verschaffte. Hier wurden unter anderem seine Klaviersonaten op.4, op.5a und op.8a heraus- gegeben, die in Länge und Schwierigkeitsgrad seinem großen Vorbild Beethoven nicht nachstehen. Aber auch inhaltlich werden diese Sonaten in der angesehenen Musikzeitschrift "Allgemeine musi- kalische Zeitung" himmelhoch gelobt, ja, Kuhlau wird sogar als ein "neuer Stern am Firmament der Musik" bezeichnet. Doch hatte er schon früher verschiedene Kompositionen an den lokalen Musikverlagen in Hamburg herausgegeben. Von den meisten dieser Veröffentlichungen distanzierte er sich jedoch später, und das ist die Erklärung dafür, daß mehreren von den frühen Opus-Nummern ein "a" oder "b" hinzuge- fügt wurde nachdem Kuhlau "reinen Tisch" gemacht hatte und seine Werke von Neuem nummerier- te. Gleichzeitig war Kuhlau auch als Pianist tätig, aber woher er die Ausbildung dazu hatte, ist unge- wiß. Tatsache ist, daß er bedeutende Fertigkeit erreichte und daß Konzertauftritte eine Reihe von Jahren für einen Teil seines Auskommens sorgten. Auch in Dänemark wurde er zuerst als Pianist bekannt, aber zunächst ist zu berichten, was ihn dorthin brachte. 2. Kuhlau zieht nach Kopenhagen Kuhlau wuchs auf zu einer Zeit, in der Napoleon ganz Europa verheerte. 1808 wurde Hamburg von den französischen Truppen besetzt, und 1810 wurde es in den napoleonischen Staat integriert. Da- mit unterlag die männliche Bevölkerung Hamburgs auch der französischen Militärdienstpflicht. Trotz des fehlenden Auges fühlte sich Kuhlau nicht davor geschützt auch einberufen zu werden, und am Ende des Jahres flüchtete er nach Dänemark. Aber auch Dänemark und speziell Kopenhagen waren stark vom Kriege geprägt. Immer noch lagen ganze Stadtteile in Ruinen nach dem Bombardement durch die Engländer 1807, eine Folge davon, daß Frederik 6. nicht das Verlangen der Engländer erfüllte, nämlich alle Verbindungen mit Frank- reich abzubrechen. Am 23. Januar 1811 treffen wir Kuhlau zum ersten Mal in Kopenhagen. Er gibt ein Konzert im Kö- niglichen Theater, wo er u.a. sein Klavierkonzert in C-Dur spielt, das viele Pianisten heute noch zu ihrem Repertoire rechnen. Es wurde mit großem Wohlgefallen aufgenommen, und das galt ebenso 2 in den musikalischen Kreisen der Stadt, zu welchen unter anderen Kunzen, Schall und Weyse ge- hörten. Obwohl er eigentlich Pläne hatte weiterzureisen nach Stockholm und St. Petersburg, ließ er sich überreden, sich in der dänischen Hauptstadt niederzulassen, verständlich, weil der König ihn zum königlichen Kammermusikus ernannte und die dänische Staatsbürgerschaft anbot. Kuhlau rechnete damit, daß die Ernennung zum königlichen Kammermusikus auch recht schnell zu einer besoldeten Stellung führen würde, aber da wurde er enttäuscht. Statt dessen mußte er seinen Unterhalt mit Konzerten und Klavierunterricht verdienen. Selbst als nach kurzer Zeit eine Stellung als Klavierlehrer am Theater frei wurde und sowohl der Kapellmeister Kunzen als auch der Hof- marschall Hauch Kuhlau warm empfahlen, bevorzugte der König einen anderen, über den wir heute lediglich wissen, daß er J.C.Förster hieß. Eine neue Verdienstmöglichkeit für Kuhlau öffnete sich, als Adam Oehlenschläger, einer der be- rühmtesten Dichter Dänemarks, ihm ein Opernlibretto anbot. So entstand "Die Räuberburg", die 1814 mit großem Erfolg uraufgeführt wurde. Der pekuniäre Gewinn war jedoch für Kuhlau gering, aber ermuntert von dem Erfolg, schrieb er nochmals ein Gesuch an den König - ein Gesuch, das nachteilige Folgen hatte, indem es eine Reihe von Jahren seine kreative Begabung und seine Mög- lichkeiten in Fesseln legte. Dieses Gesuch soll hier etwas verkürzt zitiert werden, aber es ist vorab zu bemerken, daß Kuhlau sich inzwischen verpflichtet hatte, für seine Eltern und für seine behinder- te Schwester zu sorgen, die ebenfalls vor den unerträglichen Verhältnissen in Hamburg geflohen waren. "Als es Seiner Königlichen Majestät allergnädigst gefiel, mich als Seinen Musikus anzustellen, be- kam ich meinen Posten ohne eine festgesetzte jährliche Gage. Dieser Umstand hat mich bisher ge- zwungen, zusammen mit Vater, Mutter und Schwester von endlosen Unterrichtsstunden zu leben, ein wahres Unglück für den schaffenden Künstler, der so gehindert wird, sein eigenes Talent zu entwickeln, und seine Mitbürger mit neuen Kompositionen zu erfreuen. Deshalb wage ich allerun- tertänigst ein Gesuch zu stellen um eine angemessene jährliche Gage, wogegen ich mich gerne dazu verpflichte, jeden Winter eine Oper zu liefern zur Aufführung auf dem Theater Ihrer königlichen Majestät." Der König nahm gnädigst das Angebot an, worauf in den nächsten Jahren die Opern "Zauberharfe", "Elisa" und "Lulu" erschienen; aber die 300 Reichstaler, die der König als passend empfand, stan- den in keinem Verhältnis zu der enormen Arbeit, die das Schreiben einer Oper erfordert. Kuhlau mußte sich deshalb weiterhin nach anderen Einnahmequellen umsehen. Außer Klavierunterricht arbeitete er nun für den Kopenhagener Musikverlag C.C.Lose, der gerade mit der Herausgabe eines der damals so populären "musikalischen Monatsblätter" begonnen hatte. Zum Monatsblatt " Nye Apollo" und dessen Nachfolger "Odeon" und "Musikalisches Theater-Journal" trug Kuhlau mit nicht weniger als 76 Kompositionen bei. Lieber hätte Kuhlau sich mit ernsthafter Musik beschäftigt, aber wie er es oft selbst ausdrückte: "Die Kunst geht nach Brot". Zwar ist nichts von dem, was Kuhlau auf diesem leichteren Gebiet schuf, ohne guten Geschmack, aber bedauerlich ist es doch, daß es eben diese Kompositionen sind, für die Kuhlau bei den meisten bekannt ist - und in erster Reihe die kleinen Sonatinen, die noch heute zum Standardrepertoire im Klavierunterricht gehören. Das entspricht ungefähr dem, daß man Beethoven nur erinnern würde für das kleine Klavierstück "Für Elise"! Aber trotz allem fand Kuhlau in diesen Jahren auch Zeit, "richtige Musik" zu schreiben, besonders Klaviersonaten und andere große Klavierkompositionen, aber oft mußte er sich in Bezug auf seine Honorarforderung auf den Musikverlag einstellen, um sie überhaupt herausgeben zu können. Des- halb wechselte er später von Breitkopf & Härtel zu anderen großen deutschen Musikverlagen, die 3 ihm günstigere Konditionen boten. Darauf kommen wir später zurück. Vorerst wollen wir einige Beispiele sehen, wie Kuhlaus erste Kompositionen im Ausland besprochen wurden. 3. Beispiele für Rezensionen in der "Allgemeine musikalische Zeitung" Die führende Musikzeitschrift zu Kuhlaus Zeit war die "Allgemeine musikalische Zeitung". Nicht lange, nachdem Kuhlau in Kopenhagen angekommen war, bat ihn der Redakteur um einen Artikel über das Musikleben in der dänischen