Theodor-Wolff-Preis
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Theodor-Wolff-Preis Journalistenpreis der deutschen Zeitungen Die nominierten Beiträge 2020 Haben Sie ein #Meisterstück gelesen oder sogar geschrieben? Posten oder twittern Sie besonders gute Zeitungsartikel unter #Meisterstück und setzen Sie damit ein Zeichen für herausragenden Journalismus! #Meisterstück ist eine gemeinsame Initiative von BDZV und dem Journalistenpreis der deutschen Zeitungen – Theodor-Wolff-Preis. www.bdzv.de/meisterstueck Theodor-Wolff-Preis 2020 Journalistenpreis der deutschen Zeitungen Nominierte 2020 Berlin 2020 Vorwort »Journalistenpreise zu vergeben war auch schon leichter«, so hieß vor einem Jahr, mit Blick auf den Relotius-Skandal, der erste Satz unseres Vorwortes. Den nehmen wir einfach noch einmal, könnte man heute sagen. Nicht wegen des Fälschers Relotius, natürlich nicht. Aber wegen des Corona-Virus, das Auswahl und Verleihung der diesjährigen Theodor-Wolff-Preise mächtig durcheinander- gewirbelt hat. In diesem Jahr war (fast) nichts, wie es sonst ist. Preisträger und preisgekrönte Texte gibt es trotzdem. Klar ist: Das Covid-19-Virus war und ist tödlich für Tausende von Menschen in Deutschland und weiterhin lebensbedrohlich für viele Medien. Da gibt es nichts zu lachen. Trotzdem wurde auch gelacht bei den diesjährigen Jury-Sitzungen, es sitzen da ja auch nur Menschen. Die Juroren haderten mit der Technik bei Video-Schaltkonferenzen, nicht alle unter ihnen sind »digital natives«. Sie hader- ten zudem mit den besonderen Regeln und beschränkten Möglichkeiten, sich in den Auswahlrunden Gehör und in ihrem Sinne Durchschlagskraft zu verschaffen. Mit dem Finger aufzeigen, um dranzukommen, das hatte man das letzte Mal in der Schule. Aber trotz aller Widrigkeiten kam die Jury wie jedes Jahr zum Ziel: Aus 376 Einreichungen wurden im April 15 nominierte Texte, beeindruckend und preiswürdig allesamt, weshalb es die Jury jedes Mal aufs Neue freut, dass den Autoren dieser Texte allein durch die Nominierung Aufmerksamkeit und Applaus zuteil wird. Und am Ende, am 17. Juni, wurden aus diesen nominierten Stücken fünf preisgekrönte Texte ermittelt, jeder einzelne herausragend in seiner Klasse. Wie üblich fielen Auswahl und Kür in den beiden Kategorien Reportage regi- onal und überregional sehr schwer. Hier laufen jedes Jahr Texte in Zahl und Qualität ein, dass es die reine Freude ist. Es zeigt die Kraft und Kunst der ein- zelnen Redaktionen wie die Vielfalt und Tiefe der deutschen Presselandschaft. Das sucht in Europa seinesgleichen. Minutiöse Rekonstruktionen waren unter den Texten, bewegende Schicksalsbeschreibungen, aber auch im allerbesten Sinne klassische Auslandsreportagen, deren Autoren es unter dem allgemeinen Kostendruck in vielen Redaktionen extra schwer haben. In den beiden Kommentar-Kategorien (regional/überregional) gab es im Text-Jahrgang 2019 mehr Breite und Stärke als in früheren Jahren. »Aber es geht noch besser«, möchte man Autoren und Chefredakteuren trotzdem zuru- fen. Der Theodor-Wolff-Preis ist gerade auch ein Preis für politische Kommen- tare oder Kommentatoren, und er soll es bleiben: Sauber argumentierte Kom- mentierung ist das Rückgrat aller politischer Debatten. Sie ist zentraler Teil der »checks and balances« einer parlamentarischen Demokratie – und das erst recht in Zeiten von gesellschaftlichem Ausnahmezustand und massiven Eingrif- fen in bürgerliche Grundfreiheiten. Sauber zu argumentieren und für einen Standpunkt energisch, aber respektvoll zu plädieren, das ist auch die beste Impfung gegen all‘ das Gift von »fake news«, Hass und Verschwörungstheorien, sei es auf den Plätzen oder in den einschlägigen Foren. Die Einreichungen zum Thema des Jahres, »Klimawandel«, haben die Jury ebenfalls beeindruckt. Sie reichten von sehr umfassend, aber erfrischend pointiert geschriebenen Essays zu Reportagen aus dem absoluten Nahfeld der Autorinnen und Autoren, aus ihrem Alltag. Wir sind uns sicher: Auch wenn Erderwärmung, Klimaschutz oder Fridays For Future von der Pandemie zeitweilig aus dem Fokus der Aufmerksamkeit verdrängt wurden – die allermeisten dieser Texte zu unserem Thema des Jahres werden Bestand haben. Allein deswegen erweisen sie sich des Namenspatrons unseres Preises würdig. Denn es geht immer um nachhallenden Journalismus und Texte, die in Erinnerung bleiben, die Bestand haben. Wir werden sehen, ob »Corona« das Thema des Jahres in der Ausschreibung 2020 wird. Grund genug zur Nachlese gibt es bestimmt, und seien es jene er- neuerten Vorwürfe, wonach die Medien – vergleichbar dem Jahr 2015 in der Flüchtlingskrise – ihrem Auftrag nicht gerecht geworden seien. Sie hätten sich bereitwillig, willfährig geradezu, in den Dienst von Regierung und Behörden gestellt, als diese ab März 2020 gegen das Virus und seine Verbreitung kämpf- ten. Das sind Vorwürfe, die leider nicht ausschließlich von den ortsüblichen Verschwörungstheoretikern und politischen Hasspredigern erhoben werden. Vielleicht kann der Theodor-Wolff-Preis des kommenden Jahres ein Forum sein, diesen Fragen mit journalistischen Mitteln auf den Grund zu gehen. Schließlich geht es wie zu Theodor Wolffs Zeiten um das Fundament einer freien, demokra- tischen Gesellschaft, wenn es um die freie Presse geht – die eben keine »Lü- genpresse« ist und ebenso wenig eine Schönwetter-Presse sein will. Helmut Heinen Nikolaus Blome Vorsitzender des Kuratoriums Vorsitzender der Jury Inhalt Seite Thomas Löffelholz Über den Tag hinaus Der Journalistenpreis der deutschen Zeitungen – Theodor-Wolff-Preis 7 Bernd Sösemann »... so schwebt über jeder Wahrheit noch ein letztes Vielleicht« Zum Leben und Werk von Theodor Wolff 21 Die Nominierten und ihre Arbeiten Katja Füchsel Verdammt 43 Gregor Haschnik Wie starb Jan H.? 57 Constantin Lummitsch Ein Gedicht für Paula 77 Amrai Coen und Nicola Meier Ein tödliches Versäumnis 89 Tina Kaiser Nahkampf 111 Harald Maass Totale Kontrolle 131 Maritta Adam-Tkalec Leben als Opfer 149 Hans-Georg Gottfried Dittmann Rückruf 153 Anna Sauerbrey Wir Alltagsidioten 157 Hernán D. Caro Deutschland – Ein Annäherungsversuch 165 6 Inhalt Seite Andreas Rosenfelder Das Ende der Institutionen 173 Julia Schaaf Frauen, lasst die Vollzeit! Und Männer: Ihr auch! 189 Uwe Jean Heuser Alles auf einmal 197 Marcus Jauer Bis sie versinken 213 Katrin Langhans Bis zum Umfallen 231 Preisträger 1962 bis 2019 251 Kuratorium und Jury 282 Über den Tag hinaus Der Journalistenpreis der deutschen Zeitungen – Theodor-Wolff-Preis Von Thomas Löffelholz Die Mauer teilt an jenem 13. August 1961 eine Stadt. Und eine Straße. Die Bernauer Straße in Berlin schneidet sie der Länge nach durch. Auf der einen Seite mauern sie die Fenster zu. Der junge Reporter beschreibt die Tragödien jener Tage. Auf den Pflastersteinen, dort wo eine 53-jährige Frau aus dem Fenster zu Tode stürzte, liegen noch Blumen; ein junger Mann springt in panischer Flucht vom Dach. Er verfehlt das Sprungtuch und stirbt. Von einem Fenster auf der westlichen Straßenseite winkt ein Vater der Tochter auf der anderen Seite zu, wendet sich – von Gefühlen überwältigt – ab und geht. Er kann nicht mehr. Der Reporter gibt dem Impuls des Augenblicks nach. Er winkt der unbekannten jun- gen Frau zu. Wann wird sie den Vater wiedersehen? »Im Berliner Wedding stirbt eine Straße«, titelt die Zeitung. Der Bericht wird mit einem der ersten zehn Theodor-Wolff-Preise ausgezeich- net, die 1962 zum ersten Mal vergeben wurden. Der Verleger ist von der Ehre, die da seinem Redakteur zuteil wird, nicht rundum begeis tert. »Dann werden Sie uns ja bald verlassen«, fürchtet er. Unbegründete Sorge. Der Preisträger bleibt noch 33 Jahre, die meisten davon als Chef redakteur. Die Jury hatte ein Talent erkannt. Journalistenpreise – inzwischen gibt es rund 200 – waren anderthalb Jahr- zehnte nach dem Ende der Nazizeit rar. Von einigen kleineren Preisen abgesehen, von denen inzwischen wohl keiner mehr existiert, war der Theodor-Wolff-Preis die erste bedeutende Auszeichnung für Journalisten, die in der Bundesrepublik ausgeschrieben wurde. Und er wurde zur renommiertesten. Dass man nicht früher Lorbeeren verteilte, kann niemanden wundern. Jour- nalisten, Verleger und auch die Bürger hatten andere Sorgen. Man war noch einmal davongekommen. Man konnte – nach zwölf Jahren der Zensur und der Verbote – die eigene Meinung wieder frei sagen. Man konnte wieder alles lesen, und zwar nicht mehr nur zwischen den Zeilen. Warum Preise vergeben für etwas, was eine Gnade schien? Und: Warum Preise für einen Beruf vergeben, dem das Festliche, nach Auszeichnung Heischende fremd ist? Journalisten sind Tagschrei- ber, der Name sagt es. Was sie tun ist vergänglich. Der gedankenreichste Leit- artikel, die pa ckendste Reportage werden sehr schnell ein Stück Altpapier. Ja, die Zeitung ist – soweit das möglich ist – in unseren Jahren sogar noch etwas vergänglicher geworden. Denn wir sind ja »live« dabei, wenn olympische Medaillen gewonnen, Tore geschossen, Könige gekrönt werden. Parlaments- 8 Thomas Löffelholz debatten entwickeln sich in der Ecke unseres Wohnzimmers, dort, wo wir morgen in Vettels Cockpit mit Tempo 300 um den Hockenheim-Ring rasen werden. Die Türme des World-Trade-Center stürzten vor unseren Augen zusammen – nur Sekundenbruchteile später als in Lower Manhattan. Und noch ehe die erste Wahl urne geöffnet ist, erfahren wir Schlag 18 Uhr, wie eine Wahl ausgegangen ist. Ganz schön alt: die Zeitung von heute! Unterstützung vom Bundesverfassungsgericht Warum dem Flüchtigen Kränze flechten? Und dann auch noch für Journalisten! Ihr Sozialprestige ist gering. Meinungsumfragen zeigen sie traditionell auf den hinteren Plätzen. Zwar haben sie in