SWR2 Musikstunde
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SWR2 MANUSKRIPT SWR2 Musikstunde „Joachim Raff“ Finale in Frankfurt (5) Mit Jörg Lengersdorf Sendung: Freitag, 12. Mai 2017 Redaktion: Ulla Zierau Produktion: SWR 2017 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Musikstunde können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen.Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2- Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 1 SWR2 Musikstunde mit Jörg Lengersdorf Freitag, 12. Mai 2017 „Joachim Raff“ Finale in Frankfurt (5) Mit Jörg Lengersdorf, heute geht es um… Mitte der 1870er schreibt Dirigent Walter Damrosch aus den USA an Raff: „Es wimmelt hier von Raff. Ihre Sinfonien sind hier so bekannt wie irgend Beethovensche…“. Die Londoner Konzertbühnen wollen Raff persönlich als Dirigenten seiner Sinfonien gewinnen. Meister Raff könne in London „sich eines glänzenden Rufs und Beifalls erfreuen.“ Als der Dichter Iwan Turgenjew die dritte Sinfonie im Konzert hört, schickt er Raff einige ausgewählte Schriften mit persönlicher Widmung. Es gibt sogar Fans, die Raff brieflich um fotografierte Autogrammkarten bitten, was der stets ablehnt. Er mag sich nicht ablichten lassen. Kritiker rechnen Raff Mitte der Siebziger vor, dass er allein in den letzten fünf Jahren ab 1870 knapp 50 Werke und Zyklen mit Opuszahlen verfasst habe. Das sei Massenproduktion. Raff reagiert auf die Kritik gereizt: Mozart sei jünger gestorben, und habe mehr geschrieben. Er sei bei aller Arbeitswut die Sorgfalt in Person… Musik 1, 3.00min Raff, Joseph Joachim (1822 - 1882) 3. Satz, Erklärung, aus: Quartett Nr. 7 D-Dur, op. 192 Nr. 2 „Schöne Müllerin“ Mannheimer Streichquartett M0018705 Das Mannheimer Streichquartett mit der „Erklärung“ aus Raffs Liebesgeschichte für Streichquartett, „schöne Müllerin“. Dieses Streichquartett op. 192 ist sein erfolgreichstes Quartett, und auch an diesem Stück zeigt sich wie so häufig: Raff ist der Mann für Programmmusik, für Klänge, denen eine Handlung zugrunde liegt. Sämtliche späten Sinfonien von Raff folgen einem solchen Programm, das Publikum liebt es. Dennoch gibt es auch die andere Seite von Raff, den steifen Schulmeister. 2 Ab 1874 beginnt er, Werke von Bach zu bearbeiten, und wieder einmal ist es die seltsame Überheblichkeit, die an Raffs Vorwort zur ersten Ausgabe irritiert, so schreibt er wörtlich: „Bachs Kompositionen für Violine haben einen so bedeutenden polyphonen Gehalt, dass die Vermutung nahe liegt, sie möchten ursprünglich gar nicht für Violine sein. Die zahlreichen Ansätze und Verstümmelungen müssen selbst dem Laien auffallen… Dem polyphonen Gehalt nachzuspüren und … flüssig zu machen, war nun der Zweck gegenwärtiger Bearbeitung.“ Sinngemäß meint Raff wohl, so wie es bei Bach stehe, könne es unmöglich gemeint sein, das gehe doch besser… Musik 2, 2.44min Johann Sebastian Bach Letzter Satz aus Suite für Cello solo C Dur Joachim Raff, Bearbeiter Alexander Zolotarev, Klavier Label AK 0 632101 000629 Alexander Zolotarev mit Joachim Raffs Klavierbearbeitung des letzten Satzes aus Bachs Cellosuite C Dur. Obwohl Raff mit seinen vielen programmatischen Werken durchaus der neudeutschen Schule um Richard Wagner und Franz Liszt zuzuordnen ist, gibt er lebenslang seine Bewunderung für die Klassiker nicht auf. Die eigentümliche Doppelnatur, die Raff in der zweiten Hälfte des 19. Jhds zwischen den Stühlen der Neuerer und der Traditionalisten sitzen lässt, wird von einem Zeitgenossen treffend beschrieben: Raffs Anliegen sei es, neuen Wein in alte Schläuche zu füllen. Andererseits ist es aber gerade diese Raffsche Neutralität, die ihn Ende der 1870er Jahre für eine prestigeträchtige Position prädestiniert: Ein reicher Frankfurter Musikliebhaber, Doktor Johann Peter Hoch, hat der Stadt Frankfurt sein Vermögen überlassen zur Gründung einer Musikschule. Das Stiftungskuratorium bietet Joachim Raff 1877 die Position des Direktors an. 3 Im Sommer kündigt Doris Raff ihr Engagement am Wiesbadener Theater nach über 20 Jahren Tätigkeit. Es ist die erste feste Anstellung, die ihrem Mann angeboten wird, er ist inzwischen 55 Jahre alt. Natürlich nimmt er an, die Raffs werden Frankfurter. Vorher nimmt die Familie noch einmal Urlaub in der Heimat von Joachims Kindheit. Es geht in die Schweiz. Musik 3, 5.33min Raff, Joachim (1822 - 1882) 1. Satz: aus: Sinfonie Nr. 7 B-Dur, op. 201, „aus den Alpen“ Orchester Philharmonia Hungarica Dirigent Albert, Werner Andreas Philharmonia Hungarica unter Werner Andreas Albert mit dem Kopfsatz aus Raffs sogenannter „Alpensinfonie“, einer Wanderung durch Landschaften der Schweiz. Nach dem 2wöchigen Urlaub nimmt Joachim Raff die Arbeit am neugegründeten Frankfurter Konservatorium mit gewohnt besessener Intensität auf. Er ist nicht nur Rektor des Instituts, sondern vereint aus lauter Eifer gleich mehrere Funktionen in sich. Er ist sein eigener Sekretär, leitet die Notenbibliothek, unterrichtet Studenten und spielt Hans Dampf in allen Gassen. Wenn der Hausmeister krank sei, heize ihr Joachim auch die Konservatoriumsöfen, so scherzt jedenfalls Ehefrau Doris. Dabei lässt Raff sich keine der außerordentlichen Tätigkeiten zusätzlich bezahlen, ganz im Gegenteil, er spart Gelder für seine Vision einer hervorragenden Ausbildung am Konservatorium. Und ihm gelingt ein Coup: mit Clara Schumann und Sänger Julius Stockhausen verpflichtet er zwei der gefeiertsten Virtuosen Europas als Lehrer. Professor Stockhausen erhält dafür ein erheblich höheres Gehalt als sein Rektor Raff. Raff wird als Rektor respektiert, aber nicht von allen Lehrern gemocht. Clara Schumanns Verhältnis zu Raff bleibt kühl. Sie hegt grundsätzliches Mißtrauen gegenüber ehemaligen Liszt Jüngern. Noch nach Raffs Tod ist das zu spüren. Als Clara Schumann bei Raffs Beerdigung gefragt wird, welches Raff Werk sie auf einer Gedenkfeier spielen wolle, antwortet sie dem Fragenden: „Schlagen sie eines vor, ich kenne kein Werk von Raff.“ 4 Musik 4, 2.22min Raff, Joachim (1822 - 1882) (Libretto) Benedetto Marcello. Lyrische Oper in 3 Aufzügen, WoO 47 Solist Joswig, Margarete Mezzosopran Orchester SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern Dirigent Nowak, Grzegorz M0027399 „Liebes Fischlein, glaub daran, all Dein Glück ist nur ein Wahn“, der erste Auftritt aus Joachim Raffs Oper „Benedetto Marcello“, aus Wiesbadener Tagen, mit Margarete Joswig und dem SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern unter Gzregorz Nowak. Eine der ganz wenigen Raff Opern, die es im 20. Jahrhundert noch zu einer Aufführung gebracht haben. Glücklicherweise ist diese Aufnahme von den herbstlichen Musiktagen Bad Urach 2002 im SWR Archiv aufzutreiben. Mindestens einmal, nach einer Aufführung Raffs mit dem Frankfurter Museumsorchester in den 1870er Jahren, interessiert sich Clara Schumann doch nachweislich für seine Musik. Sie fragt, ob Raff ihr einmal die Partitur ausleihen wolle. Raff quittiert die Bitte mit höflicher Verbeugung, versäumt es dann aber wochenlang, der Kollegin die Noten zuzustellen. Als Ehefrau Doris ihren Mann an die Partitur für Frau Schumann erinnert, antwortet Raff: „Ach, Frau Schumann braucht gar nicht zu wissen, dass ich komponiere…“. Es ist Raffs ausgesprochen seltsames Verständnis von Bescheidenheit und übersensiblem Künstlerstolz, welches auch dazu führt, dass es sogar einigen Konservatoriumsstudenten unbekannt bleibt, dass ihr Rektor auch komponiert. So verbietet Raff zum Beispiel ausdrücklich Lehrern wie Schülern das Einstudieren oder Aufführen seiner Werke im Konservatorium. Er wolle nicht, dass der Eindruck entstehe, er missbrauche die Anstalt zu eigenen Werbezwecken, erklärt Raff einem Kollegen. Auch vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass schon zu Raffs Lebzeiten manche seiner Werke weniger vergessen, als schlicht übersehen werden. 5 Musik 5, 5.12min 1. Satz: Der erste Schnee. Allegro aus: Sinfonie Nr. 11 a-Moll, op. 214 Symphonies 8 - 11 "Four Seasons" "Jahreszeiten-Sinfonien" Orchester Philharmonia Hungarica Dirigent Albert, Werner Andreas M0032975 Philharmonia Hungarica unter Werner Andreas Albert mit „Der erste Schnee“, aus der sogenannten „Wintersinfonie“ von Joachim Raff. In Raffs späten Jahren klärt sich das zuletzt häufigen Umschwüngen ausgesetzte Verhältnis zu Franz Liszt. 1879 kommt Liszt mehrmals nach Frankfurt, lässt sich gerührt Raffs Töchterchen vorführen, die bereits am Konservatorium Klavierunterricht erhält. Sichtlich stolz schreibt Liszt der Fürstin Wittgenstein von der glänzenden Institution, die sein Schüler Raff da aufgebaut habe. Bei einem weiteren Besuch, zu dem Raff Aufführungen Lisztscher Stücke organisiert, gibt Liszt nach einem Festbankett noch eine private Soiree im Hause Raffs. Clara Schumann, anders als ihr verstorbener Ehemann Robert, ist eine entschiedene Gegnerin von Liszts Musik, trotzdem lässt sie sich bei der Gelegenheit mit Meister Liszt vierhändig hören. Ein Studentenchor singt im Raffschen Treppenhaus ein Ständchen für Liszt. Nachdem der Meister auf Drängen einer studentischen Abordnung auch noch eine Zugabe am Klavier gibt, erklärt Raff gerührt: „Seht: von heute habt ihr den künftigen etwas voraus: Ihr habt Liszt noch gehört!“. Liszt ist 68 Jahre alt, Raff 57. Musik 6, 1.46min