Schwein(E) Gehabt Auf Der Saitenstraße Loreena Mckennitt in Der Jahrhunderthalle Frankfurt Helmut Massenkeil Baut Installation in Galerie Metzger FRANKFURT
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Donnerstag, 15. März 2007 KULTUR Schwein(e) gehabt Auf der Saitenstraße Loreena McKennitt in der Jahrhunderthalle Frankfurt Helmut Massenkeil baut Installation in Galerie Metzger FRANKFURT. Es heißt, dort beginne die Tournee der nahezu eine Dekade zurück- JOHANNESBERG. Schweine, wohin das gut zu erkennen. Weiße Abdrücke von Ewigkeit, wo sich zwei parallel verlau- liegenden bis ins Detail gleicht – sogar die Auge blickt: Auf dem Boden, in den Trö- Schweinehälften ziehen sich wie ein selt- fende Linien berühren. Was scheinbar so Musiker haben wieder ihre Plätze auf der gen, an den Wänden des ehemaligen sames Muster über den Boden aus ge- unmöglich scheint: Mit Linien – was ja Bühne –, ist »An ancient muse« als Ge- Stalles tummeln sich die Tiere. Mal als brannten Lehmziegeln. Massenkeil hat letztlich auch Straßen, Flüsse, Saiten samtkunstwerk doch in sich geschlosse- gebrannte Keramik, mal als Abdruck auf hierfür Hasenleim mit Champagnerkrei- sein können – hat die Wirklichkeit viele ner, geradliniger, stringenter. Das be- dem Fußboden oder als Eisenguss: Das de vermischt, die er durch eine Schablone Beispiele, dass es immer wieder Wege in gründet sich vor alle in dem größeren Borstenvieh bevölkert das Entrée der malt. Die Rückwand des Stalles ist mit die Ewigkeit gibt. Freiraum, den McKennitt ihren neun Galerie Metzger in Johannesberg. »Pig- rosa Schweinen bemalt, die sich in rosa- Brian Hughes an seinen Gitarren, der Mitmusikern lässt: Die Kompositionen Home Home-Pig« nennt der Aschaffen- roten Wolken auflösen– Träume von Oud und der Bouzouki, Hugh Marsh an- geraten so im Live-Spiel nicht zuletzt burger Künstler Helmut Massenkeil sein glücklichen Rüsseltieren. »Das Ganze der Violine streichen zwei solche paralle- durch den wuchtigen Einsatz der Schlag- entstehendes Raumbild, das er anläss- soll subtil wirken, das ist mir wichtig, et- le Linien mit ihren Saiteninstrumenten werke – Tal Bergman, Rick Lazar und Do- lich des zehnjährigen Bestehens des was mit dem Holzhammer vermitteln zu und der Berührungspunkt ist dort, wo nald Quan an den Trommel und Perkus- Kunstraumes vor Ort entwickelt. wollen ist nicht meine Art«, sagt er. Als er Loreena McKennitt die Töne in ihrer el- sions-Batterien – energetischer, körper- »Ich will dem Publikum bewusst ma- das erste Mal vor Ort war, wusste er, dass fengleichen Stimme bündelt und sie in betonter, im ursprünglichen Wortsinn chen, was das hier mal früher war: ein er etwas Anderes, etwas Neues machen Klangkaskaden in den Raum ergießt. So die Saiten der Empfindungen berühren- Schweinestall. Gemauert, stabil, jedem musste. »Ich konnte da nicht einfach so ist denn das Konzert der kanadischen der. Wetter trotzend, ein Gebäude mit Cha- mein Zeug reinstellen, dafür war der Bardin mit ihrer Band am Montag in der Und doch ist es letztlich die Komponis- rakter und einem Gesicht. Heutige Ställe Raum zu eigen«, erklärt der Künstler. ausverkauften Jahrhunderthalle Frank- tin, die die Linien der Musik und der da- sehen doch alle gleich aus – aus Stahl- Schweinehälften – rosa, braune, furt eines für die Ewigkeit: weil sich über rin verborgenen Philosophie zusammen- oder Kunststoffkonstruktionen. Eben schwarz-weiß gescheckte oder getüpfelte dem basslastigen Fundament von Ben führt: die Zeitlosigkeit keltischer, osma- praktisch, aber glatt und kalt. Mit meiner – sind in einer kleinen Holzkiste mit Grossman (Hurdy Gurdy) und Tim Land- nischer und maghrebinischer Rhythmen Installation möchte ich auch die heutigen durchsichtigem Deckel eng zusammen- Helmut Massenkeil ers (Bass) die beiden Eckpunkte Hughes mit indianischem Schamanengesang, eu- Haltungsbedingungen von Schweinen, gepfercht: Massenkeils zarter Hinweis und seine Schwei- und Marsh – jener mit Unterstützung von ropäischem Barock und Metal-Beat eint überhaupt von Nutztieren, unter einem auf das knallharte Geschäft mit dem ne: Der 1949 in Caroline Lavelle am Cello und Sokratis und so eine universelle Mäanderland- kritischen Blickwinkel betrachten«, er- Fleisch der Tiere – und auf deren Leiden- Oberlahnstein ge- Sinopoulus mit Lyra und griechischer schaft schafft, in der einem lebenden Or- klärt der Bildhauer. Massenhaltung in weg bis zum Schlachttag. borene Künstler Laute – mit ihren Saitenspielen immer ganismus alles auseinanderfließt und im viel zu engen Ställen mit Spaltböden ge- Von einem Band hört man Grunzen, lebt und arbeitet wieder aufeinander zu bewegen, obwohl Saitenspiel und Trommelpuls wieder zu- hört heute zur Regel in der konventionel- Kauen, Schnorcheln, Wiehern: tierische seit 1980 in jeder der beiden für sich selbst in Harmo- sammenströmt. len Schweinezucht und -mast. Das ist Laute, die Massenkeil zu einer eigen- Aschaffenburg. nie versinkt und eine Klanglinie von So sicher ist Loreena McKennitt sich zwar hygienisch, aber meilenweit von der artigen Toncollage verfremdet hat. Selbst 2006 erhielt der nachhallender und nicht endend wollen- denn ihres Weges, dass sie nach einem Natur und einer artgerechten Tierhal- die klingen nicht mehr wie in der Natur, Bildhauer gemein- der Schönheit zeichnet. orgiastisch aufbrausenden »The old way« tung entfernt, weil die Tiere einem extre- sondern wie aus einer Konserve. Und sam mit seiner Neun Jahre nach ihrer grandiosen aus einem frühen Album mit einem an men Stress ausgesetzt sind. sind zusätzlich ein Verweis auf die ur- Lebensgefährtin »Book-of-secrets«-Tour also ist die im Lautmalerei mählich versickernden »Ne- In dem Schweinestall von früher war sprüngliche Funktion des Ortes. Leise Andrea Müller den Februar 50 Jahre alt gewordene Har- ver ending road« des aktuellen »Ancient- noch Beschaulichkeit angesagt, die Tiere Melancholie macht sich breit, wenn man Kulturpreis der fenistin, Pianistin und Akkordeonspiele- muse«-Albums das Konzert beenden konnten sich bewegen, sich suhlen und den Stall betritt. Früher grunzten hier Stadt Aschaffen- rin Loreena McKennitt wieder auf Kon- kann – und mit dem Shakespeare-Zitat Kontakt mit den anderen pflegen, wie sie wirklich mal zufrieden Schweine an den burg. In der zertreise. Nach dem Titel ihres neuen Al- als Zugabe, alles auf dieser Welt werde zu wollten. Diese Gemütlichkeit konter- Trögen, heute dient der Stall als Galerie- Johannesberger bums »An ancient muse« beschreitet sie – Staub zerfallen, denn alles Sein sei ver- kariert Massenkeil mit den vielen kleinen raum. Helmut Massenkeils unaufdring- Galerie Metzger nach mehreren Todesfällen in der Fami- gänglich. Keramikschweinchen, die auf den Sand- liche Installation erinnert an die Vergan- entwirft er derzeit lie und dem darauf folgenden Rückzug Die Wirklichkeit aber ist manchmal ei- steinmauern hocken, in Kästen einge- genheit des Ortes – ohne die Gegenwart eine Installation in ins Private – nun den Weg auf der aus ne ganz andere: Dieser Abend beispiels- sperrt sind und auf Haufen von Bau- in Frage zu stellen. Bettina Kneller einem alten Sagen gewobenen und Kulturen verbin- weise ist für die Ewigkeit, weil aus der schaum sitzen, die sich in den alten Sand- Schweinestall denden Seidenstraße aus dem Nahen in Parallelität von Melodien und Gefühlen steintrögen auftürmen. Unappetitlich Eröffnung der Ausstellung am 22. April, 11 (oben). Dazu hat den Fernen Osten: aus dem Nichts der ein Gleichklang entstand. Mehr – und das quillt die Kunststoffmasse über den Rand B Uhr mit einer Einführung von Brigitte Schad. der Künstler jede seelischen Leere mit fein gesponnenen ist selten genug – kann Musik nicht leis- der Tröge – wie krank machende Futter. Bis 15. Mai geöffnet jeweils Mittwoch 15 bis 19 Menge Keramiken Mythen und Märchen in die Unendlich- ten. Stefan Reis »Vielleicht färbe ich es giftgrün ein, Uhr, Samstag 15 bis 17 Uhr, Sonntag 11 bis 17 in Schweineform keit der Klangwelten und selbst bei den Uhr und nach telefonischer Vereinbarung unter stillen Passagen vom lebensmutigen Dur mal sehen, wie das aussieht«, erläutert ຜ 06021/460224; Gang durch die Ausstellung mit in dem Raum ver- Loreena McKennitt: An ancient muse, CD der Künstler. Alles ist im Werden, im Helmut Massenkeil am Mittwoch, 16. Mai, um 18 teilt (unten). geprägt. B 2006 – Live in Paris and Toronto 1998, Dop- Entstehen, aber die Grundidee ist schon Uhr. Fotos: Bettina Kneller Und obwohl die Kulisse der aktuellen pel-CD (beide (Quinlan Records) KUL02.