Die Wiener Ringstraße - Geschichte und Bedeutung

Barbara Dmytrasz, Klnus Madzak

Warum haben wir das Thema ,,Ringstraße - " ge~ählt?~ Ge,schichte wird auf der Ringstraße und hier speziell am Heldenplatz ungeheuer leben- dig, - es gibt eine Vergangenheit, aber viele Geschichten zu dieser Vergangenheit. Wie verläuft die Auswahl? Wie wurden die Schwerpunkte im kollektiven Gedächtnis ;etzt? Welche Impulse unterstützen diese Selektion? Was wurde vergessen, .,weggegebenG'? .s wurde ,,aufgehobenu - was ist wert erinnert zu werden und im Gedächtnis zu bleiben? Schließlich bleibt die Frage offen, ob man sich tatsächlich an das erinnert, was im (kul- rllen) Gedächtnis, im gemeinsamen Kulturverständnis einer Stadt, Nation. Gesellschaft. neration bleiben soll. In den vergangenen Schu!jahren setzten wir bei Architektur und Stadtplanung als „Ob,jek- tiv: ition von Geschichtsbewusstsein" an. Konkret wählten wir das Ensemble „Ringstraße - He Idenplatz" als Bezugspunkt. Wir haben uns damit für einen „Gedächtnisort" entschieden, der, wie kein anderer in Wien, dem Vergessen, Verdrängen, Wiedererinnern unterworfen ist, da Ier durch verschiedene politische Strömungen genutzt wurde und wird und somit im kom- mu nikativen Gedächtnis permanent, aber immer auf neue Weise, präsent ist.4 - Die Nähe dieser Argumente zur Fokussierung auf die eigene GegenwartIZukunft liegt auf der Hand.s Der zweite Grund für unsere Wahl ist: Die Wiener Ringstraße und der Heldenplatz (und das; damit verbundene Kaiserfonim) sind ein einzigartiges städtebaulich geschlossenes En!sernble, das Wien einerseits trennt und andererseits verbindet. Die und die V01.-rstädte - zwei städtebauliche Bereiche, die jeweils älter sind, wurden architektonisch verbunden, blieben aber gesellschaftlich getrennt. Damit lassen sich, ausgehend von der Ringstraße, vielfältige historische Fragen verfolgen. - Es bietet sich hier an, eine Fokus- sierung auf Vergangenes zu voll~iehen.~ Zudem: ,,Ringstraße und Heldenplatz" sind Darstellungen der Geschichtspolitik des 19. Jah irhunderts. Sie wurden stadtbeherrschend als Ausdruck einer monarchischen Idee, die deiitsch-österreichisch geprägt war. Da der strenge Historisnius verlangt, dass die äußere Foim mit dem Inhalt der Gebäude korrespondiert, ist die Ringstraße ein Paradebeispiel für -

' 2Barbara Dn~yrrasz(Hg.), Die Wiener Ringstraße am Beispiel des Kaiserforums - der Unigang mit Stadtplanung und Architektur. Förderung der Re- und De-Konstruktionskompetenz, Unveröffent- lichtes Skriptum des Arbeitskreises Wien. Wien 2003, S. 1. Ob dieser Ort auch noch in der Erinnerung unserer Schülerinnen und Schüler lebendig ist, soll eine in unserer Arbeit integrierte empirische Untersuchung zeigen. Am Beispiel der Wiener Ringstrasse und der Epochen der Gründerzeit erhebt die Studie, was die Ringstrasse und ihre Gebäude Wiener Schülerinnen und Schüler (zwischen 11 und 18 Jahren) bedeuten, inwiefern Unterricht die Einstel- lung beeinflusst. -Wir hoffen auf diese Art und Weise Hinweise darauf, ob Schülerinnen und Schü- ler sich tatsächlich an das erinnern, was im (kulturellen) Gedächtnis, im gemeinsanien Kultur- verstandnis einer Stadt, Nation, Gesellschaft und Generation bleiben soll. (Es handelt sich um ein von Barbara Jedliczka und Marion Szallai durchgeführtes und von der Osterreicliischen National- bank gefördertes Projekt.) 5 Das ,,Umnutzenu des Heldenplatzes kann aber auch in anderen Fokussierungen in den Blick genom- men werden. Wie gingen die Nazis konkret mit dem Heldenplatz um? (Fokus Vergangenheit). Wel- che „Formen" der Umnutzung verwenden Machthaber jeweils (Fokus Geschichte)? 6 Wer sich die Frage stellt, inwiefern auch heutige Bauten über unsere Gesellschaft berichten, wech- selt in den Fokm Gegenwart. Wer Wiener Stadtführer unterschiedlicher Epochen analysiert, um zu erkennen, welche Ringstraßenbauten wie dargestellt werden, bewegt sich im Fokus Geschichte. 86 ÖGL, 48. Jg. 2004, H. 2 den Unterricht, um die Aussage architektonischer bzw. städtebaulicher Formen zu de-kons- truieren. - Dies legt eine Fokussierung auf Geschichte nahe.' Für Österreich kann festgestellt" werden. dass solche Themen im Geschichtsunterricht noch recht wenig aufgegriffen werden. Auch das stellt einen Anreiz für Lehrerinnen und Lehrer dar, entsprechende Fortbildungsveranstaltungen zu besuchen. Auch dabei ist in Wien vorge- arbeitet worden: In den so genannten Wien-Seminaren von Barbara Dmytrasz (durchgeführt über das Pädagogische Institut der Stadt Wien) befasst sich die Lehrer- und Lehrerinnen- fortbildung für Allgemeinbildende Höhere Schulen seit einigen Jahren mit historisch interes- santen Aspekten der Stadt. Lehrer und Lehrerinnen sollen lernen, große und kleine Ereignis- se, aber auch historische Strukturen und Formen von Geschichtspolitik in Wien zu ver~rten.~ Wahrend aber bislang eher die inhaltliche Seite im Zentrum stand, sollen Geschichts- lehrer und -lehrerinnen nun angeregt werden, am Beispiel von „Ringstraße und Helden- platz" den reflektierten und selbst-reflexiven Unigang ihrer Schülerinnen und Schüler mit Geschichte zu fördern. Der Schwer~unktwird dabei auf die De-KonstrukLionskom~etenz gelegt. Allerdings ist sofort anzumerken. dass ein Ergebnis der arbeitskreis-internen Vorar- beiten für die Lehrer- und Lehreriiinenfortbildungsmaßnahmen war, dass es ein De-Kons- truieren ohne Re-Konstruieren nicht geben kann

Die historische Dimension - eine Einführung Einige kurze Hinweise zur „Ringstraße" in ihrer historischen Dimension sollen begründen' warum dieser Zugriff gewählt wurde, um Aussagen zum Geschichtsbewusstsein zu treffen. Die historischen Wurzeln der Ringstraße liegen im beginnenden 13. Jahrhundert, als unter den Babenbergern, bedingt durch die Erweiterung Wiens, ein neuer Mauerring ent- stand, der den Umfang der Stadt für die nächsten Jahrhunderte bestimmte. Bei anhaltender Türkengefahr nach der ersten Belagerung Wiens 1529 war es notwendig, die mittelalterli- che Mauer in eine modernere Befestigung umzubauen. 1672 vollendet, war die Stadt nun- mehr zur Gänze umgeben von einer gemauerten Befestigungsanlage mit Basteien, ergänzt durch ein System von Gräben und einer freien, der Reichweite der damaligen Geschütze entsprechenden offenen Schussfläche, dem Glacis. Erst durch die napoleonischen Kriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts und die Spren- gung der Burgbastei durch die französischen Truppen begann die Diskussion um die Frage der Schleifring der überholten Anlagen. Was Napoleon einst als sichtbares Zeichen einer militärischen Niederlage zelebrieren ließ, nämlich die Zerstörung der Befestigungsanla- gen. sollte somit zum Ausgangspunkt einer der größten städtebaulichen Leistungen des 19. Jahrhunderts werden: der Bau der Wiener Ringstraße. An1 tatsächlichen Beginn der Ringstraßenzeit stand ein Erlass von Kaiser Franz Joseph I. vom 20. Dezember 1857, in dein die Abtragung der Mauern und die Verbauung des Glacis angekündigt wurde, sodass die Barriere zwischen Innerer Stadt und den Vorstädten weg- fallen sollte. Die Verbindung zwischen beiden bildete ein breiter Kai an1 Donaukanal und ein halbkreisförniiger Boulevard um die Innere Stadt. Realisiert wurde das Vorhaben mit dem Beginn der Abbrucharbeiten in1 März 1858. iin Spätherbst 1859 wurde bereits die Trasse fixiert und die Straßenführung ausgesteckt. Mit der Errichtung einer Prachtstraße, gesäumt von Prunkbuuten, sollte die Vereinigung der heutigen Inneren Stadt mit den 1850 eingemeindeten Vorstädten vollzogen werden. Aus

ES ist aber auch der Wechsel in den Fokus Vergangenheit möglich: Die Wohnbauten werden dmi zur Quelle für z.B. Industrialisierung, soziale Frage ... Vnden begleitenden Skripten dominierten Sachinformaiionen' dazu kamen praxiserprobte Hinweise f'iir den Gescliichtsunterrict~L. Die Wietzrr RingstraJe - Geschiclite rrnd Becleutung 87

dem ausgeschriebenen städtebaulichen Wettbewerb. dem letztlich 85 Projekte zu Grunde lagen, gingen die Architekten Ludwig Förster, August Siccard von Siccardsburg und Eduard van der Nü11 als Sieger hervor, ausgeführt wurde jedoch keines der siegreichen Projekte. Das Baudepartement gestaltete aus den preisgekrönten Entwürfen ein eigenes Projekt. Mit seiner traditionellen Praterfahrt am 1. Mai 1865 konnte Franz Joseph den Straßen- zug, der mit einer Breite von 57 Metern und einer Länge von über vier Kilometern zu den größten Prunkstraßen der Welt zählt, feierlich eröffnen.

Der militärische Charakter der Wiener Ringstraße Der breite Straßenbau anstelle der einstigen Festungsanlage lässt sich mit der französi- schen Bezeichnung ,,Boulevard", was vom deutschen Wort „Bollwerk" abgeleitet ist, be- schreiben, womit letztendlich der militärische Charakter der Ringsiraße seinen sprüchli- chen Ausdruck findet. Der „RingLL.wie die Straße volkstüinlich genannt wird, ist auch keine runde Anlage, sondern ein Oktogon mit geraden Teilabschnitten. die jeweils für sich eine freie Schussstrecke für den militäi-ischen Einsatz gegen Aufständische bildeten (Kai- ser Franz Joseph I. bestieg im Revolutionsjahr 1848 den Thron)."Das Revolutions-Trauma von 1848 waren die Regierenden noch immer nicht losgeworden und so versuchte das Militär Projekt um Projekt und Entscheidung um Entscheidung mit Einsprüchen zu veräri- dern. Als Folge davon brach um die Verbauung des ehemaligen Paradeplatzes der Armee ein jahrelanger Konflikt aus, ehe das Neue Rathaus und die angrenzenden Bauten des Par- laments bzw. der Universität dank der Entscheidung des Kaisers gebaut werden durften. Es war wohl Ironie des Ringstraßen-Schicksals, dass man den) Militär die monumentale Brei- te von 57 Metern zu verdanken hatte, denn so wollte man wenigstens den Bau von Barrika- den erschweren und durch die Breite des Straßeiizuges Truppenverschiebungen erleich- tern. Kaiser Franz Joseph wusste auch, warum er den nach ihm benannten Kai so anlegen lie13, dass man die Donaukanalbrücken unter Artilleriebeschuss nehmen konnte. „Der mili- tärische Charakter der Ringstrasse geht auch aus der Begrenzung von Burg- bzw. Volks- garten und dem Heldenplatz hervor. Der Zaun des Burg- und Volksgartens hat tiefe Funda- mente, hohe Gitterstäbe mit Lanzetten und eine so hohe Steinbrüstung, dass die Infanterie, die zum Schutz und zur Verteidigung der einge- setzt war, dahinter hervorschießen konnte und trotzdem weitgehend gedeckt war.'''0 Militärischen .,SchutzMgenoss die Ringstraße durch ein sie umgebendes Festungsdreieck, dessen Basis zwei Defensivkasernen bildeten, die Franz- Josephs- und die Rossauer Kaserne, während etwas außerhalb auf den Höhen des Wienerberges das Ar- senal gebaut wurde. Alle diese Kasernen lagen in der Nähe von Bahnhöfen, sodass leicht Tiuppen nach Wien hätten gebracht werden können.

.,Dic Revolutioniire brachten 1848 rasch die Wiener Innenstadt in ihre Hand und benutzten die schon vcralteteii Befcstigungsnnlagen gegen das kaiserliche Militär . . . - damit war die Unzulä~iglichkeitder Befestigunpsanlagen ausreichend bewiesen“. In: Lhiyfrosz, ß~nrhara(Hg.), Die Wiener Riiigstiaße ain Beispiel des Kaiserfomms - der Uinpang mii Stadtplanung und Architektur. Fördeiuiig der Re- und Dekonstruktionskompetenz, Unveröffentlichtes Skriptum des Arbeitskreises Wien. Wien 2003. S. 4. E%eridrr. S. 5. 88 ÖGL, 48. Jg. 2004, H. 2

Die Bauten der Wiener Ringstraße

Die Ringstraße wird sehr oft mit der Bezeichnung „Pracht bzw. Prunkstraße" in Verbindung gcbracht, ohne zu reflektieren, wessen Prunk und wessen Pracht hier zur Schau gestellt wird. Geplant war sie als Repräsentation der kaiserlichen Macht; was aber sollte nach den von Österreich verlorenen Schlachten von Solferino und Königgrätz" und dem Ausgleich mit Ungarn von 1867 noch repräsentiert werden? Neben dem angeschlagenen Kaiserhaus waren es daher vor allem Politiker, erfolgreiche Bankiers und Industrielle, die die wirtschaftlichen und repräsentativen Chancen der Ringstraße erkannten. So errichtete inan in den folgenden Jahren entlang der „Prachtstraße" die Paläste der Regierung, Verwaltung, der Bildung und der Künste; und hier bauten auch die alte Aristokratie und das Bürgertum des Liberalismus jene Stadtpalais, die heute als Inbegriff der Wiener Ringstraßenkultur gelten. Finanziert wur- den die aufwendigen Bauten durch ein vom Kaiser ausgeklügeltes .System,den Stadterweiterungsfonds, der durch den Verkauf jener Bauparzellen, die durch die Zuschüttung der Gräben und die Einbeziehung des Glacis entstanden waren, finanziell gespeist wur- de. Insgesamt hattc der Stadterweiterungsfonds 2,4 Millionen Quadratmeter abgetreten, etwa 1.5 ~Mil- lionen davon für Straßenzüge, Plätze und Parkan- lagen und fast 380 000 Quadratmeter an Privatc, bei einer Einnahmensumme von rund 220 Millio- Oper . nen Kronen (nach Berechnungen von 191 1). Zieht . man von dem genannten Betrag die Gesanitkosten i - -1der Monumentalbauten von 105 Millionen und die Kosten von Straßen und Brücken von 5 Millionen ab, so bleibt eine Gewinnsumme von 110 Millio- nen Kronen über.12 Staatlicherseits legte man besonderen Wert dar- auf, dass im Bereich der neuen Ringstraße und ili- ren Nebenzonen vorwiegend luxuriös-repräsentati- ve Bauten entstanden, die ihrerseits, im Sinne des Historismus, durch R~ickgriffeauf verschiedene Baustile der Vergangenheit, ihrem jeweiligen Be- zug zur Geschichte Ausdruck verleihen sollten. Durch ,.geborgte Stilelemente" sollte zwischen dem neuen Bau und den historischen Leistungen der Ver- gangenheit eine Kontinuität hergestellt werden. Van der Nü11 und Siccardsbug wählten für das Opernhaus Elemente der florentinischen Renais- sance, um die Beziehung zur Entstehungszeit der Oper im 16. Jahrhundert herzustellen.

1' Solferino, südlich des Gardasees gelegen, steht als Kampfgebiet vom 24.06.1859 für die Niederlage des österreichischen Heeres gegen das piemont-sardinisch-frdnzösischePendant im italienischen Unabhängigkeitskampf, während Königgrätz, in der heutigen Tschechischen Republik gelegen, als Ort der Eiitscheidungsschlacht vom 03.07.1866 im preußisch-österreichischen Krieg in die Geschichte eingegangen ist. 12 Vgl. Kat-lheitiz Roschitz, Kaiserwalzer. Traum und Wirklichkeit der Ringstraße. Wien 1996, S. 71. Die Wiener- Ringstmße - Geschichte und Bedeutirng 89

Mi ttelalterliche Stilelemente fanden ihre Ver- wend1Iing bei Kirchen- und Schulbauten. So wur- de He inrich Ferstels Votivkirche13 ebenso im go- tischen Stil errichtet, wie Friedrich Schnlidts Aka- demisches Gymnasium und sein Hauptwerk, das Neue Rathaus, das den Glanz flämischer Bürger- macht: des Spätmittelalters auf die neue Ringstra- Rengesellschaft projizierte. Da,gegen schien die Renaissance als künstleri- sche h~Ianifestation des Humanismus geeignete Lö- sungen für Bildungs- und Kulturanstalten zu bie- ten; F'erstels Wiener Universität huldigte ebenso den R :enaissanceformen wie Theophil Hansens Musik cverein oder die Akademie der Bildenden Künst e. Im genannten Stil mit Anlehnung an den . itarienischen.. Palastbau wurde der ~ustiz~alaster- richtet. Irn antiken Stil mit der davor stehenden Pallas Athene, soll das Parlamentsgebäude an das klas- sische Athen als Geburtsort der Demokratie erin- nern.I4 Für Bauten des Kaiserhauses hielt man hinge- gen Barockformen für angemessen, gleichsam als Rückgriff auf die große Zeit des Hauses Habsburg. Das größte Bauvorhaben sollte allerdings das nach den Plänen von und Karl Hasenauer entworfene Palastkonzeot des nie voll- endeten Kaiserforums werden, eine aichitektoni- sche Zusammenfassung des Areals zwischen dem Leopoldinischen Trakt und den Hofstallungen. Entstehen sollte ein steinernes Denkmal für die dy- nastische Herrschaftsidee, geblieben sind die bei- den Hofmuseen und der Trakt der Neuen Hofburg, ein Torso also. Neue Hofburg

Die politisch-gesellschaftliche Nutzung der Wiener Ringstraße Diente der Ring von seiner baulichen Ausgestaltung her als Repräsentationsraum für Kai- ser, Adel und Bürgertum, so blieb den unterrepräsentierten sozialen Schichten, wie etwa dem Proletariat oder den späteren gesellschaftlichen Randgruppen, nur die öffentliche Nutzung des Freiraumes Ringstraße als Bühne der Selbstdarstellung.

13 Erzherzog Ferdinand iMax: „Es ist zu wünschen. dass dieses Gotteshaus im gothischen Style errichtet werde, welcher ohne Zweifel am besten geeignet ist dem Aufschwunge,und Reichrhume des christli- chen Gedankens durch die Baukunst einen Ausdruck zu geben." In: Oste/-reiclii.sclie.~Staatsarchiv (Hg.),Architektui zwischen Kiinst und Bürokratie. 125 Jahre Wiener Ringstrasse. Wien 1991, S. 31. 14 Den griechischen Stil, den dafür verwendete, rechtfertigte er mit den Worten: „Die Hellenen waren das erste Volk, welches die Freiheit und Gesetzmäßigkeit über Alles liebte, und ihr Stil ist auch derjenige, welcher neben der größten Strenge und Gesetzmäßigkeit zugleich die größte Freiheit in der Entwicklung zulässt." Siehe www.parlinkom.gv.at ÖGL, 48. Jg. 2004, H. 2

Die organisierte Arbeiterschaft hielt bereits vor und primär nach der Ausrufung der Ersten Republik ihren traditionellen Maiaufmarsch auf der Ringstraßels bzw. auf dem Rathausplatz ab,16 während Kaiserhaus, Kirche, Militär und Bauernschaft den Heldenplatz als Raum für öffentliche politische Manifestationen nutzten. Waren Sozialisten und Kom- munisten in der diktatorischen Phase der Ersten Republik (Ständestaat) von der öffentli- chen Zurschaustellung ausgespart, so monopolisierten die Bürgerlichen den Raum Ring- straße für ihre Zwecke, mussten aber dann nach dem im März 1938 den Natio- nalsozialisten den „Vortritt" lassen. Mit Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 und der wiedergewonnenen Selbstständigkeit der Republik Österreich 1955 erweiterte sich das soziale Spektrum jener Gruppen, die die Ring- straße für sich entdeckten. Neben den bereits bekannten Gästen nutzen nunmehr auch Homo- sexuelle (Regenbogenparade), Jugendliche (Free Party), Sportler (Marathon) sowie autono- me Gruppen im Verbund mit Parteiorganisationen (Lichtermeer) die zentrale Lage der Ring- straße und immer mehr in jüngster Vergangenheit auch den Heldenplatz für ihre Zwecke.

Literatur Architektur zwischen Kunst und Bürokratie. 125 Jahre Wiener RingstraBe, Ös~erreichisdiesSlunrsni-- chiv (Hg.). Wien 199 1. Barbarn Drnylrnsz (Hg.), Die Wiener Ringstraße am Beispiel des Kaiserforums -der Umgang mit Stadt- planung und Architektur. Förderung der Re- und De-Konstriiktionskompetenz. Unveröffentlichtes Skriptum des Arbeitskreises Wien. Wien 2003. Kluris ~Madzuk,Austromarxismus und Arbeitersportbewegung. Die Stellung und Bedeutung des Arbeiters- ports innerhalb der austromarxistischen Theorie und Praxis in der Zeit von 1918 bis 1934. Wien 2000. Karlheinz Roschirz. Kaiserwalzer. Traum und Wirklichkeit der Ringstraße. Wien 1996. Josef Weidenholzer, Auf dem Weg zu Neuen Menschen. Bildungs- und Kulturarbeit der österreichi- schen Sozialdemokratie in der Ersten Republik. Wien 1983, S. 2. Den reflektierten Umgang mit VergangenheitIGeschichtedurch Exkursionen fördern - das Beispiel: Wiener Heldenplatz. www.parlinkom.gv.at.

'\„Die Wahl der RingstraBe mit ihren Repräsentationsbauten als Aufniarschort dokumentierte sehr sinnfällig den Willen der Arbeiterbewegung, vom Staat Besitz zu ergreifen". Josef\Vci~Ieiiholzci-, Auf dem Weg zu >Neuen Menschen<.Bildungs- und Kulturarbeit der östen.eicliischen Sozialdenio- kratie in der Ersten Republik. Wien 1983, S. 190. Vgl. Klciits Madzak, Austroniarxismus und Arbeitersportbewegung. Die Stellung und Bedeutung des Arbeitersports innerhalb der austromarxistischen Theorie iind Praxis in der Zeit von 1918 bis 1934. Wien 2000, S. 97-98.