Große Wassergasse 9 01744 Dippoldiswalde Tel. 0 35 04 / 61 85 85 [email protected] www.grueneliga-osterzgebirge.de NSG Weißeritztalhänge (449 Hektar, seit 1961, landesweite NSG-Register-Nummer: D38)

Das Naturschutzgebiet umfasst den überwie- genden Teil des wahrscheinlich größten, noch erhaltenen Komplexes naturnaher Waldgesell- schaften in Sachsen – direkt vor den Toren der forstlichen Hoch- schulausbildung in .

Die unterschied- lich steilen (z.T. sehr steilen) und in alle Himmels- richtungen exponierten Hänge der Wilden Weißeritz sorgen für ein vielgestaltiges Vegetationsmosaik. Intensive Forstwirtschaft, die den angrenzenden Tharandter Wald geprägt hat, war hier kaum möglich, so dass einige Buchenbestände heute über 200 Jahre alt und außerordentlich totholzreich sind. Das Naturschutzgebiet Weißeritztalhänge spielt eine große Rolle in Lehre und Forschung, und wird außerdem von vielen Ausflüglern besucht. Dennoch bietet es zahlreichen gefährdeten Trauerschnäpper Tier- und Pflanzenarten Lebensräume.

2 3 Nutzungsgeschichte Für verlustarme Flößerei allerdings durfte die Weißeritz fortan ganz und gar nicht mehr „wild“ sein. Funde aus der Jungsteinzeit und der Bronzezeit deuten darauf hin, dass Wie in fast allen Waldgebieten des Ost-Erzgebirges spielte auch hier die Köh- Tharandt womöglich schon sehr lange vor der ersten urkundlichen Erwäh- lerei eine große Rolle bei der Wald(über)nutzung. Noch heute wird jedes Jahr nung zum Altsiedelgebiet des Elbhügellandes gehörte. Der erste gesicherte Ende Mai im Breiten Grund ein Kohlemeiler angezündet und auf traditionelle Nachweis einer Burganlage indes stammt aus dem Jahr 1216. In dieser Zeit Weise Holzkohle hergestellt. Was jetzt Volksfestcharakter trägt, begann hier erlebte in und Dippoldiswalde der Silberbergbau eine erste Blütezeit, um 1850 als forstliches Lehrobjekt. außerdem fand die planmäßige bäuerliche Kolonisation der landwirtschaft- lich nutzbaren Hochflächen statt. Von den großen Waldrodungen wurde der Die einstmals weit verbreitete Mittel- und Tharandter Wald aufgrund seiner wenig fruchtbaren Porphyr- und Sand- Niederwaldwirtschaft hielt sich an den steinböden sowie seiner Zweckbestimmung als herrschaftliches Jagdgebiet Steilhängen der Erzgebirgstäler bis weit ins ausgenommen. Auch die steilen Hänge des Weißeritztales blieben dem Wald 20. Jahrhundert hinein. Vielen Laubbäumen vorbehalten. sieht man ihre Herkunft aus Stockausschlag noch heute an: Ein verdickter Stammfuß Im Weißeritztal begann der Bergbau wahrscheinlich erst im 15. Jahrhundert. oder die Mehrstämmigkeit einer Eiche, Zeitweilig waren in der Gegend um Edle Krone zwanzig Gruben aktiv, eine Linde, Esche oder eines Ahorns legen nahe, davon hieß „Edle Krone“. 1886 wurden die letzten Bemühungen zur Erzför- dass hier mal ein Baum abgesägt worden war derung eingestellt. Zurückgeblieben sind etliche alte Stolln, die heute ideale und dann „aus dem Stock“ (Stumpf) wieder Winterquartiere für Fledermäuse bieten. austrieb. Der Tharandter Doch konnte eine solche Waldnutzung Wald diente nicht keine „nachhaltige“ Versorgung der Wirt- nur als herrschaft- schaft mit Holz sicherstellen. Um dies zu liches Jagdgebiet (u.a. erreichen, setzte die kurfürstliche/königliche mit zeitweise vielen Regierung auf einen Thüringer Forstmann. hundert Rothirschen), Heinrich Cotta gründete 1811 die forstliche sondern musste auch Lehranstalt in Tharandt. Mit rechtwinkligen große Mengen Holz Flügeln und Schneisen begann im Tha- liefern. Unter anderem randter Wald die nahezu komplette Neu- zur Versorgung der einrichtung der sächsischen Staatswälder, Residenzstadt erfolgte deren Umwandlung in gleichaltrige Nadel- von 1521 bis 1875 der holz-Forstabteilungen, die, als „Hiebszüge“ Der „Altbau“ der zur TU Holztransport auf der gehörenden Fachrichtung angeordnet, fortan im Kahlschlagsverfahren Wilden Weißeritz. Am Forstwirtschaft bewirtschaftet wurden. Einher ging dies mit Steilhang „Bellmanns- Blick von Bellmannslos drastischen Verlusten der „biologischen Vielfalt“. auf die Forellenzuchtanlage im Weißeritztal los“ warf man die im Tharandter Wald Doch die Steilhänge des Weißeritztales widersetzten sich der schematischen geernteten Baumstäm- Waldbewirtschaftung. Stellenweise nutzten die Forstprofessoren die Weiße- me hinab ans Flussufer. ritzhänge für Experimente mit nichtheimischen Baumarten (z.B. Douglasien

4 5 und Rot-Eichen); auch wurden im 19. Jahrhundert wieder Eiben (am Judeich- 2002 suchte das Hochwasser auch Tharandt heim und richtete enorme denkmal) gepflanzt, die wahrscheinlich schon lange zuvor auch hier ausge- Zerstörungen an – trotz der vermeintlichen Sicherheit, die die Bewohner von storben waren. den oberhalb befindlichen Talsperren erwarteten. Fast alle vom Hochwasser neu geschaffenen natürlichen Strukturen wurden anschließend sofort besei- Der abwechslungsreiche Charakter des schroffen Weißeritztales blieb auch tigt, die Talstraße zum Teil deutlich breiter als zuvor wieder aufgebaut (auf den Romantikern nicht verborgen. Zahlreiche Ausflügler kamen in die Kosten des Weißeritzbetts). Gegend, die damals noch „Sächsische Schweiz“ genannt wurde. Tharandt entwickelte sich zum Badeort, woran heute noch die Bezeichnung „Badetal“ Die große Bedeutung der Weißeritzhänge für die Artenvielfalt sowie gleicher- für den Talabschnitt südlich des Ortskernes erinnert. maßen für forstliche Lehre und Forschung führten bereits 1961 zur Auswei- sung des Naturschutzgebietes. Ebenfalls in den 1960er Jahren wurde das Romantik und Erholungseignung angrenzende Landschaftsschutzgebiet „Tharandter Wald“ festgelegt. schwanden jedoch im 19. Jahr- hundert, als 1855 die Eisenbahn Inzwischen gehört das NSG zum FFH-Gebiet „Täler von Vereinigter und Tharandt erreichte, und vor allem, Wilder Weißeritz“ (entsprechend der sogenannten Fauna-Flora-Habitat- als diese 1862 weiter nach Freiberg Richtlinie der Europäischen Union) sowie zum EU-Vogelschutzgebiet „Weiße- gebaut wurde. Die steinkohlen- ritztäler“. Damit ist es Bestandteil des europäischen Schutzgebietsnetzwerks betriebenen Züge mussten, mit „Natura 2000“. mehreren vorgespannten Lokomo- tiven, einen beträchtlichen Hö- henunterschied überwinden, was mit enormen Rauchbelastungen Naturraum des engen Tales verbunden war. Das Naturschutzgebiet Weißeritzhänge befindet Es ist sicher kein Zufall, dass die Die Steilhänge widersetzten sich sich am Nordrand des Naturraumes Ost-Erzge- Rauchschadforschung Mitte des allzu intensiver forstlicher Nutzung. birge. Die Weißeritz umgeht den Vulkanit-Kom- 19. Jahrhunderts in Tharandt plex des Tharandter Waldes, dessen Porphyre ihren Ausgangspunkt hatte. Julius der Erosion wesentlich mehr Widerstand entge- Adolf Stöckhardt, Professor für Agricultur und Pflanzenchemie, gilt als der gensetzen als der umgebende Freiberger Graue Begründer dieses Wissenschaftszweigs, der hier noch große Bedeutung erlan- Gneis. Im Nordosten (z.B. Aussichtklippe Hein- gen sollte. Neben den aus den immer höheren Schornsteinen der Freiberger richseck) schneidet das NSG den sogenannten Schmelzhütten herüberwehenden Schadstoffen war Tharandt auch zunehmend „Quarzarmen Porphyr“ an, kleinflächig tritt auch von Freitaler Industrieabgasen betroffen, bis Anfang der 1990 Jahre. im Südosten ein Porphyrgang zutage. In seinem Die Verkehrserschließung des Weißeritztales setzt sich mit immer neuen, unteren Teil überschreitet das NSG die Natur­ negativen Nebenwirkungen bis in die Gegenwart fort. Der zum Naturschutz- raumgrenze und greift ins Döhlener Becken gebiet gehörende Backofenfelsen, ein überregional sehr bedeutendes Geotop, über. Am markanten Backofen-Felsen ist das wurde aus Gründen der Verkehrssicherung nahezu komplett „vernetzt“, im Rotliegend-Konglomerat aufgeschlossen (verkit- angrenzenden Waldhang ein großer Schutzzaun gegen möglichen Steinschlag tetes Abtragungsgeröll des „Ur-Erzgebirges“ – des verankert. Zum Schutz der Eisenbahn wiederum geschahen massive Eingriffe hiesigen Teils des Variszischen Gebirges, das im Der Backofenfelsen in Hains­ auf der rechten Hangseite südlich des Ortes. Unterperm – früher als „Rotliegend“ bezeichnet berg – ein bedeutendes Geotop

6 7 – intensiven Abtragungsprozessen unterlag). Die Ablagerungen in der Senke unter frisch austreibenden Bäumen am Fuße des einstigen Gebirgszuges fallen schneller der Erosion anheim als entlangwandern und sich an den der Gneis, so dass die Weißeritz hier eine weite Talwanne ausgeräumt hat. ersten Frühblühern erfreuen, wäh- rend beim Rückweg auf der gegen- Auffällig ist der nahezu rechtwinklige Richtungswechsel des Weißeritzlaufes in überliegenden Talseite womöglich Tharandt. Bis zum Beginn des Quartärs, also noch in erdgeschichtlich sehr jun- noch Schneereste den schattigen ger Vergangenheit, floss das Gewässer geradeaus , ungefähr entlang der heutigen Leitenweg säumen. Täler von Schloizbach und Wilder Sau. Doch dann senkte sich der Elbegraben. Ein nach Osten, zur Elbe, fließender Bach wurde damit immer energiereicher, Auch sonst sorgen die teilweise schnitt sich immer weiter nach Westen hin in die Landschaft ein, zunächst in schluchtartig eingeschnittenen „Tharandter Weißeritzknick“ die Rotliegend-Sedimente, dann auch in den Erzgebirgsgneis. Schließlich zapfte Nebenbachtälchen für ein wech- – vom Heinrichseck aus gesehen dieser West-Ost-Bach die bis dahin von Süd nach Nord fließende Weißeritz an selvolles Mosaik unterschiedlicher und lenkte sie von ihrer ursprünglichen Fließrichtung ab. Hangexpositionen und engräumig verzahnter Lokalklimata. Generell liegt das NSG noch im wärmegetönten, relativ trockenen Einflussgebiet des Elbtalkli- Der große Höhenunterschied vom unteren mas. Die Kontraste zu den montan geprägten Kaltluftwannen im Tharandter Erzgebirge zum abgesenkten Elbtalgraben Wald sind oft sehr auffällig. Bei stabilen Hochdruckwetterlagen, besonders förderte die weitere Tiefenerosion der Wilden an Wintermorgen, treten desöfteren Temperaturinversionen auf. Dann lagert Weißeritz, die heutige Talform entstand. An kühl-feuchter Nebel im Talgrund, allzuoft angereichert mit ungesunden Ver- den Flanken sind Felsen freigelegt (Katzen- kehrsabgasen, während man von der Johannishöhe oder dem Heinrichseck treppe, Bellmannslos, Stille Liebe, Johannis- einen wunderbaren Sonnenaufgang erleben kann. höhe u.a.), heute zum Teil interessante Aus- sichtspunkte. Dem geologisch sehr jungen Tharandt lag im Randbereich der elsterkaltzeitlichen Vereisung. Die Glet- Talcharakter entspricht auch das teilweise schervorstöße späterer Eiszeiten stoppten wesentlich weiter nördlich. Doch sehr steile Gefälle der Nebenbäche, die – wie lagerten sich hier, am Fuß des Erzgebirges, beträchtliche Mengen Löß ab – insbesondere der Harthebach – sogar mit Staub, der von starken Stürmen aus der vegetationsfreien Landschaft im Vor- kleinen Wasserfällen zur Weißeritz herabstür- feld der Eisfronten ausgeblasen und nach Süden geweht wurde. Dieser Löß zen. Die meisten Zuflüsse sind allerdings sehr ist als nährstoffreicher Lößlehm Bestandteil der landwirtschaftlich lukrativen kurz, mit kleinem Einzugsgebiet. Entspre- Böden der heutigen Hochflächen, z.B. bei Somsdorf und Großopitz. chend stark schwankt ihre Wasserführung, Diese fruchtbaren Böden werden intensiv landwirtschaftlich genutzt, bis hart die in trockenen Sommern auch ganz zum an die Hang-, Wald- und NSG-Grenze heran. Da auf den Äckern fast keine Erliegen kommen kann (ungünstig zum Bei- erosionshemmenden Landschaftsstrukturen mehr vorhanden sind, ziehen spiel für Feuersalamanderlarven). Starkniederschläge katastrophale Folgen für das Naturschutzgebiet nach sich. Der Talverlauf von West nach Ost zwischen Mit jedem Sommergewitter aufs Neue stürzt stick- und schadstoffbelasteter Tharandt und bedingt auffällige Schlamm die steilen Seitentälchen herab oder in kleinen Geländemulden klimatische Unterschiede zwischen dem über die Hangkante des Weißeritztals. Immer wieder gab und gibt es Bemü- rechten und dem linken Hangbereich, beson- hungen, einen erosionsbremsenden Schutzgürtel anzulegen (z.B. die Pflan- Wilde Weißeritz bei Edle Krone ders im zeitigen Frühling. Dann kann man zung von Sträuchern am Somsdorfer Pfarrteich durch die Grüne Liga Osterz- auf dem Brüderweg (südexponierter Hang) gebirge), doch war deren Umsetzung immer nur punktuell erfolgreich.

8 9 Die Wilde Weißeritz selbst weist nur noch sehr begrenzt natürliche Struk- Trockenheit die Konkurrenzkraft der Rot-Buchen, deren Platz dann mehr und turen auf. Die im Oberlauf gelegenen Talsperren samt Wasserkraftnutzung mehr von Hainbuchen eingenommen wird. Doch die Hainbuche ist, im Ge- beschränken die normale Fließgewässerdynamik. Dennoch – oder vielleicht gensatz zur (botanisch nur entfernt verwandten) Rot-Buche stockausschlags- gerade deshalb? – können extreme Hochwasserereignisse, wie 2002, die fähig und konnte deshalb vermutlich von Niederwaldwirtschaft profitieren. Weißeritzstädte Tharandt und Freital sehr hart treffen. Ob es sich bei den entsprechenden Beständen an den Weißeritztalhänge tatsächlich um „echte“ Eichen-Hainbuchenwälder handelt, ist daher zweifel- haft. Hier fallen vor allem Einblütiges Perlgras, Maiglöckchen und vereinzelt Frühlings-Platterbse auf. Vegetation Ebenfalls nicht „buchenfreundlich“ sind Als sogenannte „zonale Waldge- die flachgründigen, trockenen Oberhänge, sellschaft“ der nicht zu trockenen, wo bodensaure Hainsimsen-Eichenwälder nicht zu nassen und nicht zu ausgebildet sind. Auch die Eichen erreichen steilen Standorte wachsen auf den hier teilweise nur sehr bescheidene Höhen, Gneisböden des Ost-Erzgebirges krüppliger Wuchs zeugt von schwierigen Hainsimsen-Buchenmischwälder. Bedingungen. Auf Felsklippen machen sie Entsprechend der Höhenlage sind dann Platz für die noch duldsameren Kiefern. die Rot-Buchen hier vor allem mit Hier wachsen viele Heidelbeeren, teilweise Trauben-Eichen gemischt, wobei Heidekraut, besonders am Brüderweg fällt letztere sicher durch die jahrhun- im Frühjahr die Zypressen-Wolfsmilch auf. dertelange Nieder- und Mittelwald- Weniger saure, gut besonnte Bereiche werden wirtschaft gefördert wurde. Typische vom Färberginster-Traubeneichenwald ein- Lungenkraut Pflanzenarten im Hainsimsen- genommen. Neben der namensgebenden Art Eichen-Buchenwald sind: Schmal­ charakterisieren diesen die Weiße Schwal- blättrige Hainsimse, Drahtschmiele, benwurz, Pechnelke, Nickendes Leimkraut verschiedene Habichtskräuter, sowie, recht selten, Schwärzender Geißklee Wiesen-Wachtelweizen, Maiglöck- und Schwarze Platterbse. chen, Schattenblümchen, Vielblü- In Felsspalten gedeihen Tüpfelfarn und, nur tige Weißwurz, Wald-Reitgras. stellenweise, Nördlicher und Braunstieliger Nur stellenweise, besonders am Streifenfarn. schattigen Leitenweghang, zeigen Ebenfalls als problematisch für die ansonsten Wald-Schwingel, Goldnessel, Wald- Tüpfelfarn so konkurrenzstarke Rot-Buche erweisen sich Flattergras sowie, seltener, Waldmei- blockreiche Steilhänge. Für die empfind- ster Übergänge zu den Waldmeister- lichen Buchenwurzeln findet hier zu viel Bewegung in den labilen Steinböden Buchenwäldern weniger saurer, statt. An besonnten Südhängen setzen sich in der Regel die beiden Linden- nährstoffkräftigerer Standorte. arten durch. Die Ahorn-Sommerlinden-Hangschuttwälder sind im Gebiet Bär-Lauch Im Hügelland begrenzt sommerliche eng verflochten mit den sehr artenreichen, vielgestaltigen Schlucht- und

10 11 Schatthangwälder der feucht-kühlen Seitentälchen. Hier dominieren meist Tierwelt Esche und Berg-Ahorn, gemischt mit Spitz-Ahorn, Sommer-Linde, Berg- Ulme (aufgrund des „Ulmensterbens“ in besorgniserregendem Rückgang) und Vermutlich nutzten bereits von Beginn an die Meißner Markgrafen den einigen wenigen Weiß-Tannen. Die Weiß-Tanne war einst viel häufiger, fiel Tharandter Wald zum Jagdvergnügen. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts begann hier aber nachweisbar den Luftschadstoffen zum Opfer, beginnend mit der In- dann die Umwandlung zu einer Art Wildpark mit dem Jagdschloss Grillen- betriebnahme der Eisenbahn. Auf einem Exemplar am Harthebach wurde in burg im Zentrum. Immer mehr Rothirsche wurden gehalten, um die Waid- den 1980er Jahren die verschollen geglaubte Tannen-Mistel wiederentdeckt. Leidenschaften der sächsischen Herrscher zu befriedigen. Insbesondere von Aus der mannigfaltigen Bodenflora der Hangwälder sollen hervorgehoben Kurfürst Friedrich August I. („August, werden: Waldgeißbart, Moschuskraut, Goldnessel, Echtes Springkraut, Wald- der Starke“) sind Jagdszenen über- Bingelkraut, Mondviole, Hohler Lerchensporn, Lungenkraut, Scharbocks- liefert, die regelrechten Massenab- kraut, Buschwindröschen, Frauenfarn, Breitblättriger Dornfarn. schlachtungen gleichgekommen sein müssen. Auch der berüchtigte Gau- Fließend sind die Übergänge auch zu den meist ebenfalls eschen- und ahorn- leiter Martin Mutschmann erkor den dominierten Waldbeständen auf den nährstoffreichen Schwemmfächern am Tharandter Wald zu seinem „Hege- Unterhang. Im Frühjahr weithin zu riechen sind hier die Bärlauch-Teppiche. und Zuchtrevier“ - mit 800 Hirschen. Zu den bemerkenswerten Arten gehören weiterhin Einbeere, Haselwurz und Heute soll sich der Rotwildbestand bei Aronstab. etwa 40 Tieren belaufen. Deren Fraß- Vom eigentlich für die spuren sind auch im Naturschutzge- Bachaue zu erwartenden biet erkennbar. Viel häufiger kann der Hainmieren-Schwarzerlen- Wanderer Rehen und Wildschweinen Rothirsch Bachwald sind nur noch begegnen. Letztere finden im Sommer galerieartige Reste an der auf den angrenzenden Maisäckern überreichlich Futter, im Herbst und Winter Wilden Weißeritz erhal- wühlen sie dann unter Buchen im Boden auf der Suche nach Bucheckern. ten. Hier wachsen u.a. Außerdem gibt es noch einige der vor Jahrzehnten ausgesetzten Mufflons. Hain-Sternmiere, Rauer Große Bedeutung hat das Naturschutzgebiet für Fledermäuse. Es kommen Kälberkropf sowie Rote und Abendsegler, beide Bartfledermausarten, Bechsteinfledermaus, Braunes Lang- Weiße Pestwurz. Letztere ist ohr, Fransenfledermaus, Großes Mausohr und Mopsfledermaus vor. Die alten eigentlich eine Berglandsart, Bergbaustolln bieten ideale Winterquartiere. Die Kleine Hufeisennase – in die sich im kühlen Talgrund Sachsen und bundesweit vom Aussterben bedroht – wurde seit den 1980er hier bemerkenswert weit ins Jahren nicht mehr nachgewiesen. Hügelland hinein erstreckt. Bemerkenswerte Säugetiere am Gewässerlauf sind Fischotter und Wasserspitz- Von großer Bedeutung maus. Trotz erheblicher Verschlechterungen der Biotopstrukturen nach dem Schmetterlingstramete ist der außergewöhnliche – eine (buchen-)holzbewohnende Pilzart Hochwasser 2002 lassen sich an der Wilden Weißeritz regelmäßig Wasser- Totholzreichtum einiger amsel und Gebirgsstelze, gelegentlich auch Eisvogel beobachten. Graureiher Waldbereiche, für darauf ernähren sich u.a. von den im Fluss vorkommenden Bachforellen, die von angewiesene Tierarten eben- Anglern gehegt und „bewirtschaftet“ werden. Auch der – nach wie vor recht so wie für viele Pilze. seltene – Schwarzstorch holt sich einen Teil seines Futters aus der Weißeritz.

12 13 Mit den umfangreichen Sohlberäumungen im Zuge der „Hochwasserscha- weiteren Singvögeln im NSG gehören densbeseitigung“ haben die Fische die meisten ihrer Versteckmöglichkeiten Garten- und Waldbaumläufer, Zaun- eingebüßt. Trotzdem sind noch immer Groppen und wahrscheinlich auch könig, Misteldrossel, Waldlaubsänger, Bachneunaugen in der Weißeritz zu Hause. Schwanzmeise und mindestens zwei Dutzend weitere Arten. Den Gesang Als typische Libellenart der Gebirgsbäche zeigt sich der Nachtigall kann man noch in auch hier die Zweigestreifte Quelljungfer. Ebenso Freitaler Gärten vernehmen, weiter eine Großlibelle, aber eher an den Fließgewässern gebirgswärts kommt sie nicht mehr vor. des Tieflands zu Hause, ist die Grüne Keiljungfer. Raufußkauz Als sogenannte FFH-Art (geschützt entsprechend Von den Greifvögeln sind im Ge- der sogenannten Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie biet Sperber und Habicht sowie, im der EU) kommt ihr derzeit besondere Beachtung Wald-Feld-Grenzbereich, Rotmilan und Mäusebussard zu nennen, von den zu. Das gleiche gilt für die Spanische Flagge. Diese nächtlichen Beutegreifern (neben den beiden erwähnten Käuzen) auch noch auch als Russischer Bär bezeichnete Schmetter- Waldohreule und Waldkauz. Immer wieder gibt es Nachweise des Uhus, auch lingsart ist in den wärmegetönten Bereichen der während der Brutzeit, die nächsten bekannten Jungenaufzuchten befinden unteren Osterzgebirgstäler nicht selten, so auch sich aber außerhalb des NSG Weißeritztalhänge. Waldbrettspiel – eine der häufig auf Wasserdost und Doldenblütlern an der wenigen waldbewohnenden Der für sächsische Forstverhältnisse sehr große Altbaum- und Totholzreich- Weißeritz zu beobachten. Tagfalterarten tum spiegelt sich in einer außergewöhnlichen Vielfalt von Kleintieren wider, Zu den möglicherweise noch erzgebirgsweit indi- die auf entsprechende Habitate angewiesen sind. Der Hirschkäfer ist zwar seit viduenstärksten Vorkommen des Feuersalaman- langem verschollen, doch wartet das NSG mit zahlreichen, z.T. sehr seltenen ders zählen dessen Populationen im Pastritz- und im Breiten Grund. Nach Käfern auf. Dazu gehören Rosenkäfer, Grüner Edelscharrkäfer, Großer Reh- Sommergewittern oder warmen Herbstregen kann man hier mit ziemlicher schröter, Schwarzbrauner Kurzschröter, Sägebock, Hornissenbock, Schul- Sicherheit diese ansonsten von besorgniserregenden Rückgängen betroffenen terbock, Dorniger Wimperbock und weitere totholzbewohnende Bock- und Tiere entdecken. Blatthornkäfer. Blockreiche und felsige Hangabschnitte sind der Lebensraum von Reptilien, hier besonders Wald- und Zauneidechse, Blindschleiche und Glattnatter. Herausragende Bedeutung haben die struktur- und altbaumreichen Wälder des Naturschutzgebiets Weißeritztalhänge für eine artenreiche Vogelwelt. Fünf Spechtarten kommen vor: Schwarz-, Bunt-, Klein-, Grün- und Grau- specht. Bei den letzteren beiden ist die Überschneidung ihrer Areale bemer- kenswert, gilt der Grauspecht doch eher als Berglandsart, der Grünspecht hingegen als wärmeliebend. Spechthöhlen beziehen auch viele weitere Vögel, so Hohltaube, Raufuß- und Sperlingskauz sowie Kleiber, Trauer- und (selten) Zwergschnäpper, Kohl-, Blau-, Hauben- und Sumpfmeise. Im Unterschied zu letzterer zimmert sich die nahezu gleich aussehende Weidenmeise ihre Bruthöhlen selbst. Zu den Der Kopfhornschröter braucht Eichelbohrer legen ihre Eier altbaumreiche Laubwälder. in Eicheln.

14 15 Naturerlebnismöglichkeiten Ein umfangreiches Seminar- programm bietet die kleine Das Naturschutzgebiet ist durch ein dichtes Wegenetz erschlossen. Abgese- Gemeinschaft der Johannis- hen vom Niederleitenweg Tharandt-Freital/Hainsberg führen die meisten höhe – des Umweltbildungs- markierten Wanderwege aus dem Weißeritztal heraus, einerseits in den Tha- hauses der Grünen Liga. Zu randter Wald, andererseits Richtung Osten nach Somsdorf, Lübau und Borlas. den Schwerpunkten gehört Es existieren aber auch auf beiden naturverträgliche Landnut- Talseiten reizvolle Hangwege, teil- zung, die mit einem eigenen weise in Form leicht abenteuer- kleinen Landwirtschaftsun- licher Pfade. Sie erschließen dem ternehmen praktisch gelebt Wanderer das Naturschutzgebiet wird. Der Verein organisiert in seiner gesamten Ausdehnung auch jeden ersten und dritten (ca. 10 km zwischen und Sonnabend den Tharandter Hainsberg am Talgrund, auf den Naturmarkt. Hangwegen aufgrund der weit eingeschnittenen Seitentälchen erheblich länger). Besonders Brüderweg zwischen Tharandt und Freital zu empfehlen sind der Katzen- treppensteig und Pionierweg im Süden, mit einer der höchsten Konzentrationen stehenden Totholzes im Ost-Erzgebirge samt der darauf angewiesenen Fau- na und Pilzflora; außerdem der Bellmannslosweg (auf mehreren Wanderkarten nicht verzeichnet) sowie der Brüderweg von Tha- randt bis Hainsberg/West. Mehrere Aussichtspunkte laden Naturkundliche Wanderung der Grünen Liga zur Rast ein: Bellmannslos, Wald- Osterzgebirge zum Thema Totholz, 2014 blick/Stille Liebe, Heinrichseck, Johannishöhe, Backofenfelsen. Zwischen Burgruine bzw. Forstgarten Tharandt, Cottas Grab und Meilerplatz im Breiten Grund gibt es einige Informationstafeln. In den letzten Jahren sehr gut erschlossen und beschildert ist die Umgebung von Edle Krone, dank eines sehr rührigen Fördervereins mit Sitz im Bahnhofsgebäude. Ökozentrum Johannishöhe

16 17 Veranstaltungen informiert seit 1995 allmonatlich das „Grüne Blätt‘l“ (auch als PDF-Datei unter www.grueneliga-osterzgebirge.de abrufbar). Viel Wissenswertes über die Natur zwischen Gottleuba- und Flöhatal, zwi- schen Tharandter Wald und Nordböhmischem Becken bieten die vier Bände des Buchprojekts „Naturführer Ost-Erzgebirge“: Band 1: Pflanzen und Tiere des Ost-Erzgebirges Band 2: Natur des Ost-Erzgebirges im Überblick Band 3: Naturkundliche Wanderziele im Ost-Erzgebirge Die Grüne Liga Osterzgebirge e.V. organisiert jeden Monat mindestens eine Band 4: Naturschatz Ost-Erzgebirge – ein Bildband naturkundliche Wanderung, gemeinsam mit Fach- und Gebietskennern zu interessanten Lebensräumen der Region. Darüber und über viele weitere Und noch viel mehr Informationen gibt es unter www.osterzgebirge.org.

18 19 Weitere naturkundlich interessante Ziele Adressen in der Umgebung Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Referat Naturschutz (Untere Naturschutzbehörde) Weißeritzstraße 7, 01744 Dippoldiswalde; Teilweise eingeschlossen vom Naturschutzgebiet, wartet vor allem die Forst- Tel. 0 35 01 / 515-3430; bernard.hachmoeller@landratsamt-.de stadt Tharandt mit weiteren naturkundlichen Sehenswürdigkeiten auf. Wei- tere interessante Ausflugsziele lohnen Wanderungen in den Tharandter Wald, Staatsbetrieb Sachsenforst, Forstbezirk Bärenfels, Revier Tharandt den Rabenauer Grund und entlang der Wilden Weißeritz südlich des NSG: (Gebiet nördlich des Tiefen Grundes); Tel. 03 52 03 / 3 90 65, [email protected]; Forstbotanischer GartenTharandt Revier Grillenburg (südlich angrenzend); Tel. 03 52 03 / 3 90 62, (einschließlich Forstpark/„Nordamerika“) [email protected]; Burgruine Tharandt Adresse für beide Reviere: Mühlweg 2, 01737 Tharandt Spechtshausen Bibliothek und weitere Einrichtungen der TU Dresden, Bereich Forstwis- senschaften TU Dresden, Lehrstuhl Biodiversität und Naturschutz: Pienner Straße 7, NSG Rabenauer Grund 01737 Tharandt; Tel. 03 52 03 / 3 83 12 88; Heilsberger Park (mit bemerkenswertem Baumbestand) [email protected] „Geologisches Freilichtmuseum“ – Lehrpfad zwischen Kurort Hartha und Naturschutzinstitut Dresden: Weixdorfer Straße 15, 01129 Dresden; Mohorn-Grund Tel. 03 51 / 8 02 00 33, [email protected] Naturdenkmal Ascherhübel , Bodenlehrpfad am Ascherhübel Seerenbachtal mit Seerenteich und Seifenmoor Edle Krone e.V.: Tharandter Straße 56a, 01774 Klingenberg; Weißeritztal zwischen Klingenberg und Dorfhain, FND „Schatthangwald [email protected] Obercunnersdorf“ Förderverein Geologie im Tharandter Wald e.V.: Landbergstraße 20, Besucherbergwerk Aurora-Erbstolln und Bergbau-Lehrpfad im Weißeritztal 01737 Spechtshausen; Tel. 03 52 03 / 25 30; [email protected] Johannishöhe – Natürlich leben und lernen e.V.: Dresdner Straße 13a, 01737 Tharandt; Tel. 03 52 03 / 3 71 81; [email protected]; www.johannishöhe.de

Literatur SMUL (2009): Naturschutzgebiete in Sachsen, S. 574ff SCHMIDT-HAMMEL, Torsten (2007): Tal der Wilden Weißeritz zwischen Klingenberg und Freital; in: Naturführer Ost-Erzgebirge, „Indian Summer“ Seerenteich Band 3: Naturkundliche Wanderziele, Hrsg: Grüne Liga Osterzgebirge im Forstpark Tharandt Werte unserer Heimat (1973): Zwischen Tharandter Wald, Freital und Lockwitztal; Band 21

20 21 Lindenschwärmer

Keulhornblattwespe

Sumpfmeise

Spanische Flagge, auch als Russischer Bär bekannt

Rote Waldameise Austernseitling

22 23 www.osterzgebirge.org 2015, Grüne Liga Osterzgebirge e.V. Text: Jens Weber Fotos: Christoph Bieberstein, Lothar und Karin Brümmer, Jana Felbrich, Jan Gläßer, Jörg Lorenz, Gerold Pöhler, Jens Weber Satz und Layout: Olaf Sokatsch, [email protected] Spendenkonto bei der Ostsächsischen Sparkasse Dresden IBAN: DE51 8509 0000 4600 7810 01 BIC: GENODEF1DRS Die Grüne Liga Osterzgebirge ist als gemeinnützig anerkannt, Spenden sind deshalb von der Steuer absetzbar.

Diese Publikation wird im Rahmen des „Entwicklungs- programms für den ländlichen Raum im Freistaat Sachsen 2007 - 2013“ unter Beteiligung der Europäischen Union und dem Freistaat Sachsen, vertreten durch das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, durchgeführt. Europäische Union

Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums: Hier investiert Europa in die ländlichen Gebiete

www.eler.sachsen.de