Zwischen Felsen, Seen Und Wäldern
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GENUSSREISE Genussreise Fichtelgebirge Zwischen Felsen, das Interesse am Fichtelgebirge nicht nur bei mir ab. Bald herrschte wirtschaftliche Seen und Untergangsstimmung im ehemaligen »Zonenrandgebiet«. Dass die Urlauber nun kein Geld mehr daließen war die eine Sache, der Niedergang der Textil- und Por- Wäldern zellanindustrie und damit weggefallene Arbeitsplätze die andere, noch viel schwer- Die »steinreiche Ecke Bayerns« wird das Fichtel- wiegendere Sache. gebirge im Nordosten auch genannt. Wegen der Siebenstern blüht wieder Granitlandschaft, auf die man dort überall trifft. Glücklicherweise ist das Fichtelgebirge seit Dazwischen Wiesen, Felder, Wälder – jede Men- einigen Jahren wieder im behutsamen Auf- schwung, die Region mit dem hübschen ge erholsames Grün, das früher vor allem viele Siebenstern als Symbolblume lockt auch Berliner anlockte. Dazu gehörte auch Martina wieder Gäste an. So mancher Wirt war im letzten Jahr bestimmt nicht böse darüber, Tschirner. Inzwischen hat sie die Region wieder- dass die Deutschen ihren Sommerurlaub entdeckt. Auch kulinarisch, und mit Ausügen in im eigenen Land machten. Schön gelegene Seen laden ja auch heute noch zum Baden, die nahe Oberpfalz. Wälder und Wiesen zum Wandern ein. Im - weise« auch Skisport und entspannende GesundheitstageWinter locken Langlaufloipen, im Thermalbad. »normaler Und wie sieht’s mit gutem Essen und Trinken aus? Schnitzelfreunde werden selbstverständlich auch heute noch fündig, richtig gute Lokale gibt es aber endlich auch, mehr dazu später. Für Norbert Heim- beck, Convivienleiter von Slow Food Ober- franken, ist seine Region, zu der auch das Fichtelgebirge gehört, nicht erst heute kuli- rüher, das ist noch gar nicht so lange bracht, in den umliegenden Seen gebadet, narisch interessant: »Als Slowfoodies in her. Gemeint ist hier die Zeit vor der in den Wäldern gewandert, Blaubeeren der Genussregion Oberfranken freuen wir F Wende, vor dem Fall der Mauer. Die gesammelt und Pilze gesucht, im Felsenla- uns natürlich, in einer Region der Rekorde Zeit, als eine kleine oder große Reise nach byrinth der Luisenburg herumgekraxelt. zu leben! Gemessen an der Einwohnerzahl Oberfranken bzw. ins Fichtelgebirge für In Wirtshäusern essen zu gehen, war für – denn nur so kann man unterschiedlich viele Berliner mehr Natur, gute Luft zum uns seltener angesagt, lockte dort in den große Regionen vergleichen – gibt es in Atmen, einen weiten Blick ins Grüne und Siebzigern doch meist nur das »Rieschni« Oberfranken die meisten Bäcker- und Kon- ja, für nicht wenige einfach das Gefühl von (Riesenschnitzel) mit Kartoffelsalat. Regi- ditoreien, die meisten Metzgereien und die Freiheit bedeutete. onales wie Schäufele mit Klößen interes- meisten Brauereien der Welt. Wir haben Auch meinen Eltern ging das so. Wie sierte damals – leider – noch nicht. auch die meisten Brennereien und Mühlen manch andere kauften sie eine kleine Feri- Mit dem Ende der DDR, offenen Gren- sowie die meisten Teichwirte. Wir setzen enwohnung im Fichtelgebirge, in Mehlmei- zen und viel Unbekanntem, das es nun uns mit jeder Mahlzeit und mit jedem Ein- sel. Familienurlaube wurden dort ver- rund um Berlin zu entdecken gab, nahm kauf auf dem Wochenmarkt dafür ein, Fotos: AdobeStock, sonne_eckl AdobeStock, Fotos: 24 Slow Food | 02/2021 FICHTELGEBIRGE Wanderweg zwischen Felsen im Fichtelgebirge (oben); Fichtelsee bei Fichtelberg (S. 24). Slow Food | 02/2021 25 GENUSSREISE Roggengarten eingerichtet, um großen und kleinen Besuchern das Getreide nahezu- bringen. Beim Besuch in seinem Betrieb erzählt er mir mit einem Schmunzeln: »Ich wollte nie der Größte, aber immer der Beste sein – und alles anders machen als die ande- - trieb, in dritter Generation. Ursprung des ren.« Seit 1960 leitet er den Familienbe- nehmens war eine Konditorei und Leb- 1905 vom Großvater gegründeten Unter- sen Vollkornbrote und Pumpernickel die Backöfen.küchnerei, Dieseit Brote den 1950er-Jahren heute, klassisch verlas mit drei Tage gereiftem Natursauerteig, backen lange bei niedriger Temperatur und ruhen Mit seinem Projekt »Heimatbrot« (li.) will Andreas Fickenscher (re.) auch Bä- cker in anderen deutschen Regionen und verpackt werden. inspirieren. dannAber 48 auch Stunden, dem Lebkuchen bevor sie geschnittenist Leupoldt treu geblieben, »einem Hobby aus Tradi- tion, zumal der Nürnberger Lebkuchen am diese Vielfalt zu erhalten und dabei die Gusto in Turin vorgestellt. Mit Erfolg! Aussterben ist, weil es kaum noch Produ- Slow-Food-Kriterien ›gut, sauber und fair‹ Weniger glücklich ist der Brotsomme- zenten gibt«. »Wussten Sie, dass die Bedeu- hochzuhalten.« lier, dass es aktuell Probleme mit der tung von Lebkuchen ›Kuchen fürs Leben‹ Schwarzblauen Frankenwälder Kartoffel ist, der sich bestens als Krankenkost eig- Arche-Passagiere gibt. »Weil es durch den Klimawandel net?«, fragt mich seine Frau Laura, die aus dem Backofen immer wärmer wird, stimmen die Wachs- neben ihm sitzt. Wusste ich nicht! Und Darüber, dass der Trend zur Regionalität tumsbedingungen für diese regionale Kar- anscheinend schmecken sie auch gesun- nicht nur bei Verbrauchern und Touristen toffelsorte, die wir ja schützen wollen, ein- den Naschkatzen. Gebacken immer noch ankommt, sondern auch in den Betrieben, fach nicht mehr. Sie wächst nicht, somit mit der vom Großvater weitergegebenen freut sich Norbert Heimbeck sehr. Da gibt lohnt sich der Anbau nun leider auch nicht es beispielsweise das Projekt »Heimat- mehr. Wie sollen wir diesen Arche-Passa- meist schon wieder ausverkauft. »Und es brot« von Bäckermeister und Genusshand- gier noch retten?« sindGewürzmischung frische Lebkuchen, sind sie keine am 1. tiefgefrore September- werker Andreas Fickenscher aus Münch- Für sein »Heimatbrot« hat Andreas nen«, betont Franz Leupoldt stolz. berg. Neben regionalem Roggenmehl, Fickenscher schon eine Alternativlösung eigenem Sauerteig und Quellwasser aus in petto. Er denkt darüber nach, im Wech- Fleisch ist mein »Gemüse« dem Fichtelgebirge sind auch Arche-Pas- sel andere regionale Kartoffelsorten für die Was steht auf den Speisekarten im Fichtel- sagiere von Slow Food, also vom Ausster- Kruste zu verwenden. Das Verschwinden gebirge, in Oberfranken? Köstliche Schäu- ben bedrohte, regionale Spezialitäten, der Schwarzblauen aus Oberfranken fele, Fränkische Sonntagsbraten, Kron- und Bestandteile seiner Brotspezialität: die bedrückt ihn trotzdem, wieder ein biss- - Schwarzblaue Frankenwälder Kartoffel – chen weniger Artenvielfalt, für die er sich gerichte – meist mit Kloßbegleitung. Forel- geraspelt für eine aromatische Kartoffel- ja einsetzt. len,Krenfleisch manchmal (mit auchMeerrettichsauce), Karpfen für Fisch Wild- kruste – und Bamberger Rauchbier. freunde. Vegetarisches? Nun ja, auf Pilze Ergänzend dazu haben er und sein Lebkuchen und Vollkornbrot mit Semmelklößen im Sommer und Herbst backhaus.de Team zusammen mit Sternekoch Alexan- Auch Franz Leupoldt, Inhaber des Unter- oder auch Käsespätzle ist fast immer der Herrmann »Freindla«, Freunde aufs nehmens »Pema Vollkorn-Spezialitäten« Verlass – an Kreativität zu Fleischlosem Brot, entwickelt. Auch hier sind Arche-Pas- in Weißenstadt, schwört auf Zutaten der ist noch viel Luft nach oben. Daran sagiere mit von der Partie: Bamberger Region und die Zusammenarbeit mit regi- hat sich auch durch die Initiative Zwiebel in einem Brotaufstrich und Bam- onalen Erzeugergemeinschaften. Von dort »Essbares Fichtelgebirge«, einem Zusam- berger Spitzwirsing, süßsauer eingelegt. bezieht er Roggen aus naturschonendem menschluss von Köchen, die Wildkräuter Als Topping krönen »Bröckala« vom Stroh- Anbau, von Bioland-Landwirten aus Ober- verarbeiten, nicht viel verändert schwein die oberfränkische Stulle. Die franken welchen in Bioqualität. »Gold neue, regionale Spezialität hat Fickenscher der Region« nennt er den Roggen – und hat Also Fleisch, aber gut muss es sein! Im mit dem »Rogg-in« ein interaktives Infor- aktuellen(www.essbares-fichtelgebirge.de). Slow Food Genussführer wird die Fotos: Martina Tschirner, www.ckenschers- Food Veranstaltung Terra Madre Salone del mationszentrum mit angeschlossenem »Alte Wirtschaft an der Lamitz« in Kirchen- 2018 auch schon bei der letzten großen Slow 26 Slow Food | 02/2021 FICHTELGEBIRGE lamitz empfohlen – nichts wie hin! Bernd Eltern übernommen. Er verarbeitet Rhön- schaf,Neuberger Hühner hat und das Eier Lokal vom Bauernhof2013 von den der Familie. Rind und Schwein bekommt er von einer regionalen Metzgerei. »Beim Fleisch biete ich besondere Zuschnitte an, vom Schwein z.B. Segreto, das geheime Filet, und Presa, also das aromatische Schulter- stück wie beim spanischen Iberico«, erzählt er uns. Im angeschlossenen, von seiner Mutter geführten, gut sortierten eigener Produktion, tolle Butter und Koch- Hofladen wandern noch Eiernudeln aus käse von der Hofkäserei Neupert in den nach Kirchenlamitz ist zudem der Besuch Kreative Wildküche beim »Loisl« vonEinkaufsbeutel. Kartoffellehrpfad Für Ausflüge und Granitlabyrinth mit Kindern (oben); schick serviertes Schäufele in spannend. der »Bleaml Alm« (re.). Gutes vom Wild, auch Besonderes, steht im Gasthof »Zum Loisl« in Neugrün bei Mehlmeisel auf der Karte. Geräucherter Rehschinken zu mit Kräutern marinierten Teil unserer Schnäpse haben wir auch, die Steinpilz-Pickles ist so eine besondere Vor- für Einheimische als auch Angereiste. Im Feinbrennerei Culm, die machen das tat- - Sommererleben – sitztAnziehungspunkt es sich gut auf seit der 2011 Terrasse sowohl sächlich sehr gut.« det sich ein Wildgehege. Bernhard Raab verarbeitetspeise. Direkt in nebender Küche dem entwederGasthaus befindiese Kaiser