Metamorphosen 29./30. 5. 2015 Köln Waltraud Meier, Mezzosopran Leitung: Marek Janowski 2
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Metamorphosen 29./30. 5. 2015 Köln Waltraud Meier, Mezzosopran Leitung: Marek Janowski 2 Freitag, 29. Mai 2015 Samstag, 30. Mai 2015 Waltraud Meier, Mezzosopran 20.00 Uhr wdr Sinfonieorchester Köln Kölner Philharmonie 19.00 Konzerteinführung Leitung: Marek Janowski Otto Hagedorn Metamorphosen hans pfitzner Vorspiele I – III aus der musikalischen Legende »Palestrina« paul hindemith Sinfonische Metamorphosen über Themen von Carl Maria von Weber I. Allegro II. Turandot: Scherzo III. Andantino IV. Marsch Pause richard wagner Fünf Gedichte von Mathilde Wesendonck für Singstimme und Orchester I. Der Engel II. Stehe still! III. Im Treibhaus Marek Janowski IV. Schmerzen V. Träume richard strauss Metamorphosen Die Pausenbeiträge »Zwischen- Studie für 23 Solostreicher töne« der Live-Übertragungen auf wdr 3 können Sie sich als Podcast unter podcast.wdr.de/ radio/ zwischentoene.xml Sendung: wdr 3 live (Fr) anhören und herunterladen. Auf den Seiten des wdr Sinfo- nieorches ters Köln unter wdr-sinfonieorchester.de Hören Sie dieses Konzert auch im finden Sie fünf Tage vorher das wdr 3 Konzertplayer: wdr3.de Programmheft zum jeweiligen Konzert. Das Mitschneiden von Bild und Ton während des Konzerts ist aufgrund des Urheberrechts nicht gestattet. 4 5 Eine Spätblüte der Romantik ist Hans Pfitzners der Komponist Adrian Leverkühn dem Teufel Palestrina. Künstlerdrama, Mysterien- und ausgerechnet im römischen Vorort Palestrina. Machtspiel, Satire und Todesverfallenheit: Die »metaphysische Stimmung« spricht Palestrina birgt all das – vor allem aber eine gleich aus den ersten Takten des Palestrina: eigenwillige, faszinierende Musik. Mitten im eine wundersame Klangwelt, die mit melan- Ersten Weltkrieg schrieb Pfitzner ein allegori- cholisch getönter Ruhe, einem feinen Gespinst sches Künstlerdrama: Der Renaissance-Kompo- von Solostreichern und einer holzschnitthaften nist Palestrina erhält den päpstlichen Auftrag, Harmonik merkwürdig aus der Zeit gefallen eine modellhafte Messe zu schreiben, von der ist. Pfitzner zitiert die Missa Papae Marcelli die Zukunft der Kirchenmusik abhängt. Pales- Palestrinas erst an einer späteren Stelle der trina lehnt den Auftrag ab, fühlt sich leer und Oper, aber er ruft schon hier ein archaisieren- ausgebrannt. Erst ein mystisches Erlebnis mit des Klangbild mit kirchentonartlichen Modi Boten aus dem Jenseits löst die schöpferische und asketischem Holzbläserton hervor. So Blockade. Palestrina erkennt seine Bestim- evoziert Pfitzner Renaissance-Musik in einer mung und wird als »Retter der Musik« gefeiert. künstlerischen Metamorphose. Das zweite Der unbequeme Pfitzner betrachtete den Vorspiel führt in die ausufernden Debatten Titelhelden unbescheiden als sein Alter Ego: des Trienter Konzils. Mit wütenden Bläser- den einsamen Künstler, der nur seiner Inspi- attacken fahren sich die pompös aufgebla- ration gehorcht, auch im Angesicht stärksten senen kirchlichen Würdenträger gegenseitig politischen Drucks. Später aber hat Pfitzner ins Wort und an die Gurgel. Im dritten Vorspiel sein eigenes Plädoyer für die Autonomie des herrscht resignative Schwermut, nachdem Hans Pfitzner (1869 – 1949) Künstlers entwertet: Der Siebzigjährige diente Palestrina die Messe im Schaffensrausch voll- sich willig dem Dritten Reich an und war umso endet hat. Ein zartes Thema in der Klarinette Vorspiele I – III aus der musika- verbitterter, dass Hitler und Goebbels für seine gehört seinem liebevollen Sohn Ighino, der durchgeistigte Musik keine Verwendung hat- dem Vater vom Triumph der Messe berichtet. lischen Legende »Palestrina« ten. Pfitzners extrem konservative, deutsch- Pfitzners Legendendeutung aber will es, dass nationale Gesinnung schlug in unbelehrbaren Palestrina sich ganz in seine wundersame Von der allmählichen Umgestaltung eines Menschen in blindwütigen Antisemitismus um. Auch des- innere Klangwelt zurückzieht. wegen ist der bis heute heftig diskutierte eine Pflanze, einen Stern oder ein Tier erzählt Ovid in »Fall Pfitzner« ein »deutscher Fall«. Thomas seinen Metamorphosen. Und Metamorphosen, diese Mann hat das nachvollzogen: Nach der Urauf- phantastischen Gestaltenwechsel, haben in der Kunst führung 1917 sinnierte Mann über Palestrina ihren festen Platz, denn hier reflektiert ein schaffender als »Schlussstein«: »Dieses Werk, etwas Letztes und mit Bewusstsein Letztes aus Mensch über vorgegebenes Material. Um diese Schling- der schopenhauerisch-wagnerischen Sphäre gewächse geistreicher Kombination, um blühende Aus- (…), seiner metaphysischen Stimmung, (…) wucherungen und welkende Seitenzweige rankt sich das es entspricht meinem eigensten Begriff der heutige Programm. Humanität (…) und meinen Gefühlen ist ein großer Gegenstand damit geboten.« Später allerdings deutete Mann die »dürerisch-faus- tischen Wesenszüge« des Stücks um: In sei- nem Doktor Faustus (1947) verschreibt sich 6 7 Paul Hindemith (1895 – 1963) Sinfonische Metamorphosen Hindemiths Sinfonische Metamorphosen über Der wiegende 6/8-Takt und die sanfte Instru- Themen von Carl Maria von Weber, geschrie- mentierung mit der von Weber besonders über Themen von Carl Maria ben 1943 im amerikanischen Exil, sind eine geschätzten Klarinette machen diesen Satz launige Annäherung an den bewunderten zum ruhenden Pol. Das Marschfinale, wieder von Weber Romantiker. In den vier Sätzen griff Hindemith auf Webers Klavierstücke op. 60 anspielend, bewusst nicht auf die »Hits« des Freischütz- scheint mit seinen drohenden Moll-Verfinste- Auch Paul Hindemith schrieb mit Mathis der Maler eine Komponisten, sondern auf weniger bekanntes rungen und gellenden Piccoloflöten ebenso Künstleroper in »metaphysischer Stimmung«. Doch Material aus Webers Turandot-Bühnenmusik wie im durchbruchartigen Dur-Umschwung Hindemith war kein grüblerischer Sonderling, sondern sowie auf vierhändige Klavierstücke zurück. die Welt Mahlers heraufzubeschwören (der Diese Themen übernahm Hindemith nicht ja Webers Die drei Pintos bearbeitete). Mit ein ausgesprochen heiterer Mensch, der gerne Karika- unverändert, sondern unterzog sie gleich seiner orchestralen Virtuosität zielt Hinde- turen zeichnete und auch etliche musikalische Scherze einer Verwandlung. Eingängige Rhythmen miths 1944 in New York uraufgeführtes Stück zu Papier brachte. Diese Gemütsverfassung bewahrte er und eine klar strukturierte Polyphonie sorgen auf die Brillanz amerikanischer Orchester. sich auch, als er aus Nazi-Deutschland als »entarteter« für unmittelbare Fasslichkeit. Mit ungarisch- Der tänzerische Impetus der Weber-Metamor- »zigeunerischem« Kolorit entzückt der erste phosen geht auf eine Idee des Choreografen Künstler emigrieren musste. Satz, der auf Webers Klavierstücke op. 60 Leonid Massine zurück. Doch nicht Massine, zurückgeht. Im humorigen Turandot-Scherzo sondern George Balanchine sollte später ein spielt die Flöte »chinesisch«-pentatonisch Ballett daraus kreieren. sich rankende Girlanden, unterstützt von einer Schlagzeuggruppe und im Trio von jazzi- gen Blechbläsern abgelöst. Das Andantino schöpft aus Webers Klavierstücken op. 10. 8 9 Richard Wagner (1813 – 1883) Fünf Gedichte von Mathilde In der »armen Pflanze« spiegelte sich wohl Wagner selbst hat nur das letzte Lied, Träume, die Dichterin dieser Verse selbst: Agnes in einer Orchesterfassung mit alternativer Wesendonck für Singstimme Luckemeyer, Kommerziensratstochter aus Solo-Violine vorgelegt – eine Geburtstags- Elberfeld, die sich in der Ehe mit dem Schwei- gabe für Mathilde. Der Dirigent und Kompo- und Orchester zer Fabrikanten Otto Wesendonck den Vorna- nist Felix Mottl, langjähriger Protagonist men seiner verstorbenen ersten Frau zulegen der Bayreuther Festspiele, schuf die üppige »Wohl, ich weiß es, arme Pflanze; ein Geschicke teilen musste. Und so wurde aus »Agnes Lucke- Orchesterfassung mit Tristan-getränkten wir«: ein nach Licht strebendes exotisches Gewächs meyer« schließlich »Mathilde Wesendonck«. Farben. Mottls Version setzt solistische ist Objekt der Betrachtung von Im Treibhaus aus den Während Otto das Pumpgenie Richard Wag- Glanzlichter, wie die Solo-Violine in Der Engel, ner großzügig mit Geld unterstützte, sorgte aber auch gelegentliche Vordergründigkeiten, Wesendonck-Liedern. Metamorphose im doppelten sich Mathilde um das geistige Wohl des so die martialische Trompetenfanfare beim Sinn: Wagner lässt aus den Wurzeln dieser »hoch- Gastes im »Asyl« der Zürcher Villa. In ihm traf »stolzen Siegesheld« in Schmerzen. In Der gewölbten Blätterkronen« eine ganze subtropische die schriftstellernde Mathilde Wesendonck Engel wird die Singstimme von den geteilten Landschaft entstehen. Und Im Treibhaus ist die musi- auf einen Seelenverwandten – oder zumindest Streichern auf sanften Flügeln gebettet. Das erhoffte sie das. Kein Zweifel, dass Wagner »sausende, brausende Rad der Zeit« von kalische Keimzelle von Tristan und Isolde. ihre Sehnsucht nach künstlerischer Erfüllung Stehe still! schnurrt vor allem in den Violinen. stimulierte – kein Zweifel auch, dass ihre Em- Wie der dritte Tristan-Aufzug beginnt das pathie seine schöpferischen Kräfte freisetzte. schmerzliche Sekundmotiv mit anschließend Eine einzige Projektionsfläche: sie verheiratet sich hochschraubendem Aufgang in Im Treib- mit Otto, er verheiratet mit Minna, zu zweit haus nur mit den Streichern, die Mottl noch nur selten unbeobachtet. Gerade aus der zusätzlich mit Dämpfern versieht. Das letzte (wahrscheinlich auch erotischen) Unerfülltheit Lied Träume, in der Tristan-Tonart As-dur, dieser Beziehung sog Wagner Inspiration für beließ Mottl in Wagners eigener Instrumen- seine unerhört sinnliche Klangwelt. Die Briefe tierung. Das