Kassiber an Den Doktorvater Erinnerungen Zum Dritten Todestag Des Bonner Archäologen Nikolaus Himmelmann
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BABESCH 91 (2016), 247-258. doi: 10.2143/BAB.91.0.3175653 Kassiber an den Doktorvater Erinnerungen zum dritten Todestag des Bonner Archäologen Nikolaus Himmelmann Stephan Lehmann Zusammenfassung Einer der bedeutendsten Klassischen Archäologen der Nachkriegszeit, Nikolaus Himmelmann, starb im Jahr 2013. Als sein Schüler versuche ich, im Lichte meiner persönlichen und fachlichen Erinnerungen dem akademischen Lehrer und berühmten Wissenschaftler hier ein kleines Denkmal zu setzen. Seit seiner Promotion im Jahre 1954 arbeitete Himmelmann - später auch als Professor an der Bonner Universität - bis zu seinem Tode für sein Fach. Die vielen internationalen Ehrungen weisen auf seine Anerkennung als Archäologe hin und die zahllosen Publikationen zeugen von der eminenten Bedeutung als Wissenschaftler. Kaum ein zentrales Thema der antiken Kunst und Kultur, zu dem er sich nicht geäußert hätte. Im Zentrum seiner Arbeit stand aber immer die Bedeu- tung der griechischen Religion für die jeweilige Kunst- und Lebenswelt, die Reflektion archäologischer Methodik und vor allem die Darstellung des Menschen von der homerischen Zeit bis zur Gegenwart. Hierbei interessierte ihn zum einen die realistische Darstellungsweise des antiken Menschen in der Kunst, etwa als Sklave und Handwerker, wie auch die idealisierende künstlerische Darstellung von Athleten, Intellektuellen und Politikern. Die Ausstellung ‘Herrscher und Athlet’ im Akademischen Kunstmuseum Bonn aus dem Jahr 1989 bedeutete für ihn, dem die Arbeit mit dem archäologischen Gegenstand von besonderer Bedeutung war, einen Höhepunkt. Zweifellos war Himmelmann von seiner fachlichen Ausstrahlung ein kosmopolitischer und zugleich deutsch- deutscher Archäologe, der auch von seiner akademischen Herkunft wie auch von seinem Selbstverständnis her, die bedeutenden Traditionen der Archäologie durch den Eisernen Vorhang nicht unterbrochen sah. Seine kul- turkritischen Überlegungen zur utopischen Vergangenheit der Archäologie in der modernen Kultur aus dem Jahr 1976 sollten eine über die Fachgrenzen hinaus wirkungsmächtige Veröffentlichung werden. Hier zeigt er sich als Gelehrter, der die politischen und kulturellen Veränderungen seiner Zeit sensibel wahrnahm und inter- pretierte. Zentraler Leitsatz für sein Schaffen war: ‘Theoretische Überlegungen werden in der Archäologie immer eine dienende Rolle haben und können der konkreten Problematik der Denkmäler nur folgen’. Am 19. Dezember 2013 verstarb mit Nikolaus Laufbahn in einem Land verlief, das tief vom Himmelmann der renommierteste deutsche verlorenen Zweiten Weltkrieg gezeichnet und Archäologe der Nachkriegszeit. In seinem luziden dann bald in zwei Staaten geteilt war, die sich - Nekrolog vom Januar 2014 hat Helmut Kyrieleis auch wissenschaftlich und wissenschaftspolitisch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Leis- - immer weiter voneinander entfernten, um tungen dieses herausragenden Wissenschaftlers 1989/90 unerwartet und in einer unglaublichen gewürdigt, der freilich auch ein wirkungsmächti- Geschwindigkeit wieder zu einem Land zusam- ger akademischer Lehrer war (Abb. 1).1 menzuwachsen. Die nachfolgenden Erinnerungen gelten dem- Die äußeren Stationen der wissenschaftlichen nach nicht nur dem exzellenten Wissenschaftler, Laufbahn von Nikolaus Himmelmann sind sondern auch dem herausragenden Hochschul- schnell genannt:3 Er hat ab dem Jahr 1950 Klassi- lehrer Himmelmann. Angesichts der im Jahr 1999 sche Archäologie an den Universitäten Marburg in Bologna beschlossenen europäischen Hoch- und Basel sowie in München studiert, wo er schulreform und deren Folgen für die deutschen bereits im Jahr 1954 bei Ernst Buschor mit einer Universitäten und Hochschulen schildern sie frei- Arbeit zum bekannten spätklassischen Ilissos- lich auch eine mittlerweile untergegangene Relief in Athen promoviert wurde (Abb. 2).4 Nach deutsch-deutsche Wissenschaftslandschaft.2 Denn einer Tätigkeit an der Glyptothek in München meine persönlichen und die fachlichen Erinne- und einer einjährigen Studienreise durch Län- rungen an Himmelmann gelten einem bedeuten- der des Mittelmeerraumes, die ihm durch das den Archäologen und Hochschullehrer, dessen angesehene Reisestipendium des Deutschen 247 Abb. 1. Gruppenbild ‘Schüler mit Meister’ anlässlich des 80. Geburtstages von Nikolaus Himmelmann am 31. Januar 2009. Aufgenommen im Akademischen Abb. 2. Spätklassisches Grabrelief vom Ilissos (National- Kunstmuseum Bonn auf der Treppe zur Bibliothek museum Athen), das einen jung Verstorbenen mit sei- (Foto W. Klein). nem trauernden Vater zeigt, Gipsabguß im Treppenhaus des Archäologischen Museums der Martin-Luther-Uni- Archäologischen Instituts ermöglicht worden war, versität Halle-Wittenberg (Foto St. Lehmann). wirkte er seit dem Jahr 1956 als Assistent von Friedrich Matz am Archäologischen Seminar der Universität Marburg. Dort hat er sich im Jahr 1958, also noch vor Vollendung des 30. Lebensjahrs, mit einer Untersuchung zum klassischen Götterbild habilitiert.5 Im Jahr 1962 folgte er einem Ruf auf die Professur für Klassische Archäologie an die Universität des Saarlandes, von wo er 1966 auf den Lehrstuhl an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn wechselte. In dieser Position, die auch mit der Direktion des Akademischen Kunstmuseums der Universität verbunden war, lehrte und wirkte Himmelmann bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1994 (Abb. 3). Die fächerübergreifende und internationale Abb. 3. Ansicht des Akademischen Kunstmuseums von Reputation, die Himmelmann auf Grund seiner der Hofgartenseite. Die mehrmals erweiterte Alte Anato- herausragenden Forschungen genoss, spiegeln sich mie von 1825 beherbergt heute die Antikensammlung auch und besonders in seiner Wahl in verschie- der Universität Bonn sowie das Archäologische Institut dene wissenschaftliche Akademien wider. So war mit Bibliothek und Hörsaal (Foto St. Lehmann). 248 er Mitglied der Mainzer Akademie der Wissen- nungsvortrags auf dem in Berlin stattfindenden schaften und Literatur seit 1967, zunächst als XIII. Internationalen Kongress für Klassische ordentliches Mitglied und ab dem Jahr 1974 dann Archäologie zu halten.9 als korrespondierendes Mitglied, da er in diesem Himmelmann gab verschiedene Festschriften Jahr zum ordentlichen Mitglied der Nordrhein- und Sammelbände heraus und war von 1966– Westfälischen Akademie der Wissenschaften und 1977 Mitherausgeber des Gnomon. Kritische Zeit- Künste in Düsseldorf gewählt wurde. Seit 1986 schrift für die gesamte klassische Altertumswissen- war er Corresponding Fellow der British Aca- schaft. Ferner gab er zusammen mit Géza Alföldy demy in London und im Jahr 2003 wählte ihn die und Frank Kolb eine der Reihen der ‘Antiquitas’ Accademia dei Lincei in Rom zu ihrem Mitglied. heraus.10 In den Jahren von 1977 bis 1987 stand er Im Jahr 1981 wurde er Member am Institute for als Vorsitzender dem geschichtsträchtigen ’Verein Advanced Study in Princeton und 1988 wählte von Altertumsfreunden im Rheinland’ vor. In die- ihn der Rat der Archäologischen Gesellschaft in ser Zeit gelang die finanzielle Sicherung für die seit Athen zum Ehrenmitglied. Für seine wissen- 1842 erscheinenden Bonner Jahrbücher, die ursprüng- schaftlichen Verdienste wurde Himmelmann lich allein vom Verein herausgegeben wurden. zudem die Ehrendoktorwürde von den Universi- Aus Platzgründen kann hier nicht ausführlich täten in Athen (1987) und Thessaloniki (1996) auf die Forschungsinteressen und archäologischen zuerkannt. Im Jahre 1990 verlieh ihm die Helleni- Themenbereiche eingegangen werden, denen sich sche Republik den Phönix-Orden, einen griechi- Himmelmann zeit seines Forscherlebens widmete. schen Verdienstorden für Ausländer, und schließ- Deshalb will ich mich im Folgenden auf drei Inte- lich ehrte ihn die Italienische Republik im Jahr ressenfelder konzentrieren, die mir besonders 1993 durch die Verleihung des Komturkreuzes zu wichtig erscheinen, weil sie deutlich hervortreten ihrem Verdienstorden. und thematisch einen Großteil seiner Publikatio- In einem Interview, das der amerikanische His- nen bestimmen. toriker Richard Cándida Smith im Jahr 1995 mit Immer wieder und aus unterschiedlichen Pers- Himmelmann führte, betonte dieser überraschend pektiven kommt er auf den religiösen und politi- und dennoch bezeichnend für ihn, wie wichtig schen Gehalt der Bildwelt der attischen Grabreliefs ihm seine langjährige Mitgliedschaft in einer nicht klassischer Zeit zurück.11 Hierin eingebunden sind offiziellen, sondern informellen Gelehrten-Gesell- zugleich archäologische Beobachtungen zur grie- schaft, nämlich im Bonner Wissenschaftlichen chischen Religionsgeschichte. Damit einher geht Kränzchen war: ‘… I am a member of a small das ihn ebenfalls seit seiner Promotion beschäfti- club of scholars in Bonn. The club was founded gende Thema der wissenschaftlich-archäologi- in the middle of the nineteenth century. We dicuss schen Methodik.12 Wie sehr er sich hierbei auch things seven times a year; it’s a sort of private dem Studium der zeitgenössischen Philosophie, academy. It includes scientists and historians, Geschichts- und Religionsforschung sowie Sozio- jurists, philologists, and myself. …’.6 Diese tradi- logie widmete, geht aus dem oben erwähnten tionsreiche und exklusive Vereinigung Bonner Interview mit Smith eindringlich hervor.13 Professoren unterschiedlicher Fächer trifft sich bis Himmelmanns Forschungen zur Darstellung des heute privat zu zwanglosem wissenschaftlichen Menschen in der antiken Kunst und dem Nach- Austausch und Diskussion ihrer Forschungser- wirken dieser Darstellungen ist der wirkungs- gebnisse, die in einer