Sonntag, 31. Mai 2015 (20:05-21:00 Uhr), KW 22 Deutschlandfunk / Abt. Hörspiel/Hintergrund Kultur

FREISTIL

Superman – Und wie er in die Welt kam Von Lorenz Schröter Redaktion: Klaus Pilger [Produktion DLF 2012]

M a n u s k r i p t

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- ggf. unkorrigiertes Exemplar -

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Zusp.: Raketenstart-Atmo

Superman: Wer bin ich?

Erzähler: Another thrilling Story.... Geburt eines Mythos!...

Zusp.: Pow!

Sprecherin: Sado-Maso Science Fiction Underground!

Zusp.: Wumm!

Erzähler: Mafia! Jüdische Nazis!

Zusp.: Smash!

Sprecherin: ... and a multi-million Dollar-Deal.

Erzähler: Superman – Und wie er in die Welt kam.

Sprecherin: Ein Feature von Lorenz Schröter

Erzähler: Cleveland, Ohio. Der erste Donnerstag im Juni 1932: Mitchell Siegel, ein jüdischer Immigrant aus Litauen, will seinen Second-Hand-Kleiderladen abschließen. Es ist kurz nach acht Uhr abends.

(Comic-Atmo)

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Bösewicht: Her mit der Knete!

Zusp: Zwei Schüsse.

Mann: Oh!

(Comic-Atmo/Ende)

Essayist: In unserem kollektiven Gedächtnis ist nur Platz für eine sehr beschränkte Anzahl von Archetypen, lebensübergroße Figuren, die für jede Generation neu geboren werden wie die morgendlich dem Meerschaum entsteigende Venus, und damit zum Weltkulturerbe unseres Geschichtenerzählens wurden: Moses, Parsifal, der Graf von Monte Christo, Frankensteins Monster. Der vielleicht letzte und jüngste Archetyp ist...

Zitat: „It´s a bird... it´s a plane... It´s Superman!“ .

Erzähler: Am Tag nach dem tödlichen Raubüberfall auf den Kleiderladen erschien im Cleveland Plain Dealer ein Leserbrief: Man solle härter gegen das Verbrechen vorgehen soll. Geschrieben von einem gewissen A Punkt. L Punkt Luther. Und wie dieser Leserbriefschreiber hieß auch:

Zitat. : „The mad scientist who wanted present a grip of terror...“

Bösewicht: schlimmster Gegner, ein verrückter Wissenschaftler, !

Erzähler: , damals 15 Jahre alt, hat nie über den Tod seines Vaters Mitchell gesprochen.

Zitat: „It is a job for Superman.“

Sprecherin: Superman ist das Produkt einer Nerd-Kultur, von detailbesessenen Fans. Auch heute widmen Nerds ihre Jugend einer obskuren Leidenschaften: Videospiele, Sport-Statistiken und besonders 3

gerne Science Fiction. Ein Begriff, den übrigens 1905 ein gewisser Monokel tragender Dandy namens Hugo Gernsback erfunden hatte, Sohn jüdischer Einwanderer aus Luxemburg. In seinem Magazin Amazing Stories standen – neben Geschichten von H. G. Wells oder Jules Verne – Beschreibungen von Raketen, Funkgeräten, dem Fernsehen, Radar und der Jukebox – Jahre bevor sie Wirklichkeit wurden.

Erzähler: Jerry Siegel schwärmte für Douglas Fairbanks, liebte Tarzan-Comics, und war ein Fan der Amazing Stories. Er schrieb Geschichten, klebte die Seiten zusammen und versuchte seine Cosmic Stories an seiner Schule zu verkaufen. Er hatte gerade das Fanzine erfunden.

Sprecherin: Die Anhänger der Amazing Stories und von Science Fiction nannten sich Fans. Als erste. Die andern, die für Autos oder Filmstars schwärmten, machten es ihnen nach und nannten sich ebenfalls Fans.

Erzähler: Cleveland Ohio, 1932. , Sohn jüdischer Einwanderer aus Russland, war klein, kurzsichtig, ängstlich, still, schlecht in der Schule und dazu noch bitterarm. Im Winter trug er drei Pullover, war die Miete fällig wurde bei den Shusters gefastet. Joe zeichnete ununterbrochen. Das Papier kam aus dem Abfalleimer, noch blutig vom Fleisch, das darin eingewickelt worden war. Ein einziger Cartoon hat es in die Schülerzeitschrift geschafft. In der Redaktion lernt er Jerry kennen.

Sprecherin: Jerry und Joe Shuster werden das – direkt nach einer Batman Ausgabe – teuerste Druckerzeugnis des Zwanzigsten Jahrhunderts schaffen, welches mit den Worten beginnt:

Mann: Als sein ferner Planet starb setzte ein Wissenschaftler sein kleines Kind in eine Rakete, die er zur Erde sandte.

Erzähler: Doch vorher, im Januar 1933...

Zusp. Marschmusik, 30. Januar 1933, Berlin (darüber)

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Bösewicht: Ein böses, machtgieriges Grinsen überzog Supermans Gesicht.

Erzähler: In der von Jerry selbstverlegten Kurzgeschichte The Reign of the Superman...

Bösewicht: Another Thrilling Story By The Writer of „Snaring the Master“!

Erzähler: ...verleiht ein perfider Wissenschaftler einem Obdachlosen...

Zusp. (Applaus, Hitler) „Und unsere Gegner sagen frei heraus, Deutschland soll untergehen und Deutschland kann ihnen nur eine Antwort geben. Deutschland wird siegen und Deutschland wird... (Applaus)

Bösewicht: I can read your mind!

Erzähler: ....telepathische und telekinetische Kräfte.

Erzähler: In dieser Kurzgeschichte ist Superman noch ein böser Glatzkopf, der beinahe die ganze Welt erobert und zerstört.

Bösewicht: ....Force ideas into people´s heads, and throw my vision to any spot in the universe.

Bösewicht: Menschen meinen Willen aufzwingen und meine Überzeugung überall hin verbreiten.

Erzähler: Jerry und Joe hatten den Namen Superman von Nietzsches Übermenschen übernommen.

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Sprecherin: Ab etwa 1920 wurden in jeder amerikanischen Zeitung Comics abgebildet, kleine Fortsetzungsgeschichten in gleichgroßen Panels. Diese Vier-Bilder-Geschichten wurden als Lizenz in Comic-Heften nachgedruckt.

Erzähler: Da wollten Jerry und Joe hin. Auf die Funny Pages. Unermüdlich schickten sie ihre Geschichten ein, jahrelang hagelte es Absagen.

Essayist: Aus Jerry´s kruder Bildung, – die Lokalzeitung Plain Dealer, Fritz Langs Film Metropolis, Comics und Pulp Fiction– , erhob sich wie der aus Lehm geschaffene Adam oder der gleichfalls aus Lehm bestehende Golem, der urbane Mythos Amerikas: Superman.

Erzähler: Währenddessen in : Warum, dachten sich und Jack Liebowitz, auch sie Söhne jiddisch sprechender Schneider aus den Ghettos und Shtetels Osteuropas, mit guten Verbindungen zur jüdischen Lower Eastside-Mafia, also Meyer-Lansky, Bugsy Siegel, Arnold Rothstein.... Warum dachten sich also Donenfeld und Liebowitz, die bisher Magazine für Kunststudenten herausgaben. Warum dachten sich also der hartgesottene Harry Donenfeld und sein Buchhalter, der ehemalige Funktionär der sozialistischen Damenbekleidungsgewerkschaft Jack Liebowitz... Warum nicht original Comics zeichnen lassen und so die Lizenz an die Zeitungsverleger sparen? Und hatten da nicht zwei Jungs aus Cleveland, Ohio etwas eingeschickt?

(Comic-Atmo)

Superman: Du schlägst keine Frauen!

Zusp.: Bash!

Superman: Du wolltest es!

Zusp.: Posh!

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Zusp. „Faster than a speeding bullet! More powerful than a locomotive! Able to leap tall buildings in a single bound! This amazing stranger visitor from planet Krypton, the man of steel! Superman“

Essayist: Der Cowboy war ein Mythos der Grenze und der unendlichen Weite. 19. Jahrhundert. Superman hingegen kam aus der Kleinstadt Smallville in die Großstadt Metropolis. 20. Jahrhundert. Der Alien Superman, seine Wurzeln lagen weit, weit entfernt auf dem Planeten Krypton, war ein Immigrant, wie die Väter vieler Superhelden-Erfinder: Jiddisch sprechende Neuankömmlinge, die mit ihrer doppelten Identität rangen: da ihre alte Kultur, die sie nicht verlieren wollten: Europa, das Shtetl, Smallville – das verkörpert Superman; und hier das Neue, das sie werden wollten: Amerikaner. „Urban“ sein wie Clark Kent.

Erzähler: April 1938: Auf dem Cover von Action Comic Number One stemmt ein muskulöser Mann mit rotem Cape, blauen Ganzkörperstrumpfhosen und einem S auf der Brust scheinbar mühelos ein Auto in die Luft und droht es zu zerschmettern. Heute würde ein gut erhaltenes Exemplar dieses Heftes über drei Millionen Euro kosten.

Essayist: Seit Anbeginn des Geschichtenerzählens gibt es Helden mit übernatürlichen Kräften, Gilgamesch, Herkules, Graf Dracula.

Erzähler: Die Titel-Geschichte von Action Comic Number One war über dreizehn farbige Seiten ausgebreitet. Die Kästchen mal länger, dynamisch der Handlung angepasst, mit Details wie Nahaufnahmen im Kino und Montagen wie im expressionistischen Film.

Essayist: Superman war der erste Superheld. Ausgestattet mit übermenschlichen Kräften, kugelsicher...

Zusp.: Zwei Schüsse

Essayist: ...bekämpft er das Verbrechen und, das war neu, Superman besaß eine geheime Identität.

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Erzähler: Jerry Siegel und Joe Shuster verkauften Superman für 130 Dollar an Donenfelds Action Comic, die wenig später DC Comics heißen sollten. Die erste 200.000er Auflage war schnell verkauft, die Händler bestellten nach, innerhalb weniger Monate wurde eine Millionenauflage vertrieben.

(Comic-Atmo)

Bösewicht: Was ist das? Ein Wirbelsturm?

Zusp.: Swash!

Bösewicht: Meine Kräfte... sie verschwinden!

Superman: Eine unwiderstehliche Kraft trifft auf ein unbewegliches Objekt.

Zusp.: Boing!

Superman: Zum letzten mal! Da hast du es!

Zusp.: Crash!

Bösewicht. Oo-ouch!

Zusp.: Smash

Lois Lane: Bis dann Superman! Und danke für die Story!

Superman: Dank nicht zu früh! Ich glaube, Clark Kent hat die Story schneller als du!

Sprecherin: Mit dem Erfolg von Superman kamen all die anderen: The Phantom, The Shadow, Captain Future... 8

Erzähler: Die Verleger von Superman verklagten die Nachahmer. Richter Learned Hand definierte bei einem Plagiatsverfahren gegen Wonderman:

Mann: Superhelden verfügen über Wunderkräfte und Geschwindigkeit, sie sind unverletzbar, tragen einen Codenamen...

Sprecherin: Captain America, Batman, Wonder Woman... Es wurden immer mehr und sie ließen sich von keinem Gericht aufhalten.

Mann: ...Und ein Kostüm, ansonsten treten sie als normale Bürger auf.

Essayist: Secret Identity. Spiderman, Batman und alle anderen Superhelden verkleiden ihre wahre Identität und tragen eine Maske, wenn sie ihre Abenteuer bestehen. Superman ist anders. Er tarnt sich als Clark Kent, trägt eine Brille, um als unsichtbarer Mann in der Masse aufzugehen. Der Anzug schützt sein wahres Ich. Darunter, Supermans Uniform ist eigentlich nur blau angemalte Haut, ist er nackt.

Essayist: Tarzan, Superman, Conan der Barbar, He-man - Comic Leser, Jungs in der Pubertät, scheinen sie zu lieben, die muskulösen Männer in den knappen Hosen.

Sprecherin: Es waren Hunderte Superhelden, die die Übeltäter bekämpften. Die Verbrecher schienen merkwürdigerweise trotz all der Superhelden nie auszugehen.

(Comic-Atmo)

Zusp.: Posh! Wumm! Crash!

Zusp. (Musik, Wochenschau 1941) „In den frühen Morgenstunden des 22. Juni trat die deutsche Wehrmacht in breiter Front zum Angriff an um die heimtückische Bedrohung des Reiches und

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Europas durch die bolschewistischen Verräter abzuschlagen. Die Grenzbefestigungen werden bereits in den ersten Tagen durchstoßen. (Schüsse, Musik)

Erzähler: Der Bösewicht im Superman-Kosmos heißt Lex Luthor:

(Comic Atmo)

Bösewicht: Ich werde die Welt beherrschen!

Sprecherin: Dann ging alles ganz schnell.

Erzähler: Innerhalb weniger Hefte wurde Superman stärker, bekam einen Röntgen- und Hitzeblick, einen Eisatem und ein Supergehör.

Sprecherin: Warum aber griff Superman nicht in den Krieg ein und zermanschte die Nazis?

Erzähler: Einmal schnappt er sich Hitler und den japanischen Premierminister Tojo, schüttelt sie durch. Doch:

(Comic-Atmo)

Superman: Den Krieg wird der größte Held aller Zeiten gewinnen: Der amerikanische Soldat!

Erzähler: Einmal zerstört Superman deutsche Panzer, ein andermal U-Boote. Doch nur auf dem Titelbild.

Essayist: Verlag und Autoren wollten keine Geschichten, wie Superman die Nazis vernichtet. Er würde sonst zu gott-gleich wirken.

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Erzähler: In den ersten Heften konnte Superman nur sehr weit springen, dann lernte er fliegen – schnell wie das Licht.

Essayist: Fliegen. Der Amerikaner ist mobil. Ein Cowboy zieht nach Westen, Kerouac trampt durch den Kontinent...

Essayist: Easy Rider, die Astronauten...

Mann: Die nahe Verbindung des Fliegens mit der Vorstellung des Vogels macht es verständlich...

Essayist: Sigmund Freud: Traumdeutungen.

Mann: ... dass der Fliegetraum bei Männern meist eine grobsinnliche Bedeutung hat.

Erzähler: Meist fliegt Superman allein. Doch manchmal darf mit.

Essayist: Lois Lane war einst eine Kleine-Jungs-quälendes Biest, wie sie jeder pubertierende Junge kennt und fürchtet. Als die Männer in der echten Welt in den Krieg und Frauen vom Herd ins Büro zogen, stieg Lois Lane zur Pulitzerpreis-gekrönten Starreporterin auf.

Zusp. „But chief I would like the chance to crack the story on my own. Hm. Thanks chief.“

(Comic-Atmo)

Superman: Wie wäre es? Wir zwei? Heut abend? 11

Lois Lane: Oh Clark, ich musste den ganzen Tag Geschichten schreiben, zwing mich nicht, dir auch eine aufzutischen!

Superman: Warte Lois!

Mann: Doch Lois behandelt ihn wie Luft.

(Comic-Atmo/Ende)

Erzähler: Joe Shuster und Jerry Siegel verdienten gut, sehr gut. 50 0000 bis 75 000 Dollar im Jahr, heute wären das über eine halbe Million Euro. Ihre Verleger, Harry Donenfeld und Jack Liebowitz von DC Comics verdienten jedoch mehr mit Superman. Sehr viel mehr. 1941 über zweieinhalb Millionen Dollar.

(Comic-Atmo)

Bösewicht: Er ist unverwundbar! Zerstört die Erde!

Superman: Jetzt werde ich ihm einheizen!

Essayist: Superman altert nicht. Er kann nicht sterben. Sein Liebesleben ist ein statisches Nicht-Können. Er macht keine Entwicklung durch, er lernt nichts hinzu, er kommt nie in Versuchung und handelt stets moralisch. Wie übrigens auch Engel.

(Comic-Atmo)

Superman: Die Sonne schmilzt die Weltraum-Wolke! Ich werde mein Schloss im All nicht behalten! Da lauern unbekannte Space-Monster!

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Erzähler: Jerry und Joe waren reich und berühmt, aber auch wütend. Denn die Rechte an Superman besaß DC Comics und sonst niemand. Superman im Radio, auf Milchtüten, in 200 Sonntagsausgaben, auf Toastbrot und Spielzeugpistolen. Ein Zeichenstudio unter Joe Shuster war mit der immensen Produktion beschäftigt, Redakteure kümmerten sich um neue Geschichten.

Sprecherin: Die Bösewichter hießen: the Vulture, the Laugher und The Pranktser und die Scharlachrote Witwe. Am schlimmsten aber war Mr. Mxyxtplk, der nur besiegt werden kann, wenn Mxyxtplk seinen eigenen Namen rückwärts spricht: kel-tip-zix-um.

Essayist: Seine dramaturgische Einfalt macht Superman einzigartig, –von Adam an hatten Helden Fehler und Neurosen– , und wegen seiner Unbesiegbarkeit zum Horror für jeden Geschichtenerzähler.

Erzähler: Der Buchhalter Jack Liebowitz pochte auf den Vertrag und sagte: Geht zurück zu euren Schreibtischen und arbeitet. Jerry und Joe, aufgestachelt von einem windigen Anwalt, klagten 1948. Sie versuchten Bob Kane, den Erfinder von Batman zu gewinnen, ebenfalls zu klagen. Bob aber rannte sofort zu Harry Donenfeld, drohte ihm ebenfalls einen Copyright-Prozess an, er wäre nämlich bei Vertragsabschluss noch minderjährig gewesen, eine Geburtsurkunde gäbe es nicht, aber seine Eltern wären bereit zu schwören... Batman-Erfinder Bob Kane bekam seinen Vertrag. Jerry und Joe verloren. Den Prozess. Ihren hochdotierten Job bei DC. Ihren Namen unter den Superman-Comics.

Zusp. „You were great in your day, Superman“

Bösewicht: Du hattest deine Zeit Superman. Jetzt ist Zahltag.

Essayist: Superman-Geschichten waren von Anfang an auch Geschichten über das Erzählen. Nicht umsonst ist er als Clark Kent Reporter und beschreibt die Gefahren, die er als Superman beseitigt. Mit Lois Lane hat er seine Biographin stets dabei. Superman redet oft mit sich selber, oder redet er mit dem Leser?

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Erzähler: Einmal liest Superman Comics im Zug: (Comic-Atmo)

Lois Lane: Du liest ja Comics, wusste ich gar nicht.

Erzähler: Die Figuren aus der Geschichte...

Lois Lane: Komisch, wie diese seltsamen Figuren dich faszinieren. Wie diese schreckliche Riese Torgo. So einer kann doch gar nicht existieren.

Erzähler: ... Sie rauben plötzlich Banken aus!

Mann: Mein Gott! Es ist Torgo!

Erzähler: Mein Alptraum ist, meinte Jerry Siegel nach dem verlorenen Prozess, dass Zugsmith, so hieß ihr Anwalt, der sie angestachelt hatte ihren Verleger Harry Donenfeld zu verklagen, dass Zugsmith zu Harry gegangen sei und gefragt habe, was es ihn wert sei, wenn er uns, Siegel und Shuster, loswerden würde.

Essayist: Superman bleibt stets seinem Ideal eines ritterlichen Junggesellen treu, der sich, wenn ihm die Welt und der Weiberkram zu viel wird, in sein Schloss der Einsamkeit am Nordpol zurückzieht.

Superman: Hier kann ich mich zurückziehen.

Erzähler: Jerry wurde von einem anderen Comic-Verlag angestellt, in der Hoffnung dem Superman-Erfinder würde eine ebenso übermächtige Figur einfallen. Doch in seinem Jungen-Hirn war wohl nur für einen großen Traum Platz. Er wurde gefeuert und schlug sich als Werbetexter einigermaßen durch, doch Joe... 14

Zusp.: Musik hoch

Erzähler: Zeichner Joe Shuster lebte auf Parkbänken, verwahrlost, einsam, sein Augenlicht verlosch langsam. Manchmal arbeitete er als Laufbursche. Eines Tages lieferte er eine Druckvorlage bei seinem alten Arbeitgeber DC-Comics ab. Harry Donenfeld gab ihm 20 Dollar unter der Bedingung, nie wieder im Verlag zu erscheinen.

Essayist: 1947 kamen die Männer aus dem Krieg zurück und die Frauen hatten Geschmack am Berufsleben gefunden, da denkt auch Lois Lane, – einmal in einem Traum, einmal nach einer Bluttransfusion–, sie besäße ebenfalls Superkräfte.

Lois Lane: Endlich! Abenteuer, Aufregung, Romantik! Ich bin Superwoman!

Essayist: Sie bildet sich ein, sie könne alleine fliegen, springt aus dem Fenster... und schnell muss Superman sie auffangen.

Zusp.: Wush

Essayist: Anfang der Fünfziger Jahre, in der echten Welt ist Sigmund Freud längst populär, vermutet die schlaue Lois Lane langsam, das Clark Kents wahre Identität Superman sein könnte und sammelt wie ein Privatdetektiv entsprechende Indizien.

Lois Lane: Bist du..., bist du Superman?

Erzähler: Eines Tages kam ein geheimnisvoller Fremder auf Joe Shuster zu: Clancy. Kein Vorname. Bis heute weiß man nicht wer dieser Clancy war... Der geheimnisvolle Fremde heuerte Joe für ein `spezielles´ Magazin an: Night of Horror.

Zusp.: Umblättern/Zeichenstift über Papier

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Erzähler: Ein Mann, der aussieht wie Douglas Fairbanks, reißt einer Blondine, die wie Rita Hayworth aussieht, die Bluse herunter.

(Comic-Atmo)

Zusp.: Peitschenknallen

Bösewicht: Der Schlag der Peitsche brannte wie heißer Draht!

Sprecherin: Jede Geschichte hat ihren Bösewicht. Im Superman-Drama ist diese Rolle nicht etwa mit Harry Donenfeld besetzt, der Verleger, der zwei kleinen Jungs die Chance ihres Lebens gegeben hatte und auch nicht sein hartherziger, ehemals sozialistischer Buchhalter Jack Liebowitz, der später Playboy und Mad verlegen würde... das Böse kam aus Deutschland: Frederic Wertham!

Bösewicht: Comics schildern mit perversem Vergnügen sexuellen Sadismus. So lernen die Kinder Sado-Maso.

Sprecherin: Frederic Wertham war Psychiater, ein Wissenschaftler wie der größenwahnsinnige Lex Luthor. Für die Fans war Wertham der größte Übeltäter aller Zeiten, der Mann, der den Comic ermordete:

Bösewicht: In den Comics hat üblicherweise ein Bösewicht, ein Ausländer natürlich, ein halbnacktes Mädchen in seiner Gewalt. Zur Vorspeise bekommt sie Schläge ins Gesicht. Dann sagt er: Du wirst mich lieben und mir gehorchen, nachdem du ein Dutzend Peitschenhiebe auf dein schönen Po bekommen hast!

Zusp.: Peitschenknallen

Sprecherin: In München als Friedrich Wertheimer geboren, war Wertham einer dieser Klavierspieler und Goetheleser aus gutem Haus. Sein Weltbestseller hieß „Die Verführung der Unschuldigen“...

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Bösewicht: Ich kannte einen Zwölfjährigen, der seine Schwester auszog und mit ihr Sex haben wollte. Sie war neun.

Zusp.: Peitschenknallen

Bösewicht: Ein 13-jähriger Lustmörder an einem sechsjährigem Mädchen verlangte im Gefängnis nach Comics.

Zusp.: Peitschenknallen

Sprecherin: Sommer 1954. Vier Teenager zogen nachts durch den Park, peitschten junge Frauen bis zur Bewusstlosigkeit und zündeten Obdachlose an. Einem gewissen Reinhold Ulrickson schlugen sie den Schädel ein. Dem auf einer Parkbank schlafenden Obdachlosen Willard Menter verbrannten sie mit Feuerzeugen die Fußsohle und jedes Mal, wenn sich das Opfer wehrte, schlugen sie ihn zusammen. Dann wurde Menter gezwungen in den East River zu steigen, wo der Nichtschwimmer ertrank.

Sprecherin: Frederic Wertham besuchte den Anführer der Jugendgang Jack Koslow in seiner Gefängniszelle, und hier wird die ganze Geschichte noch irrer, denn Jack war bekennender Hitler-Fan, trug ein Hitlerbärtchen und er war Jude! Wie seine drei Mittäter. Einer davon zudem Bodybuilder und Sohn eines Schneiders wie Joe Shuster. Frederic Wertham hatte Comics mitgebracht, unter anderem Nights of Horror, dem Sado-Maso-Fetisch-Magazin. Ob er denn solche Comics lese, fragte Wertham den Jungen. Die Antwort war Ja. Sie hätten sogar eine Szene aus Nights of Horror nachgespielt, bei der das Opfer zwischen den Schlägen die Füße des Täters hätte küssen müssen.

Bösewicht: Wie gefällt dir das? Und das?

Erzähler: Ein eindeutiger Beleg für Werthams These!

Zusp.: Peitschenknallen

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Sprecherin: Wenn man außer acht lässt, dass der hochintelligente Jack Koslov auch Nietzsche, Thomas Mann und Spinoza gern und ausführlich gelesen hatte.

Erzähler: Jahrzehntelang war das Sado-Maso-Magazin Nights of Horror vergessen. Bis ein paar Comic- Freaks erkannten: Diese Zeichnungen – das ist eindeutig der Stil Joe Shusters.

Lois Lane: Sklave, mein Wille sei dein Wille!

Erzähler: Ein Mann, der wie Clark Kent aussieht, das kantige Kinn, die breiten Schultern, küsst den Schuh einer Frau, die wie Lois Lane aussieht.

(Comic-Atmo)

Lois Lane: Wie gefällt dir das? Und das?

Erzähler: Doch nie sieht man Kratzer, Körperhaare oder primäre Geschlechtsmerkmale.

Essayist: Es ist der alte, bis heute wogende Kampf um die Frage, ob die Darstellung von Gewalt beim Rezipienten Gewalt auslösen würde. Ob Ego-Shooter-Computerspiele zu Amokläufen animieren würden, ob Pornographie zu Vergewaltigungen führe. Und ob und wie Jugendliche mit einem „Zugangserschwerungsgesetz“ vor Kinderpornographie im Internet geschützt werden sollten.

Zusp.: Peitschenknallen

Essayist: Es gibt vier Glaubensrichtungen, alle mit Dutzenden wissenschaftlichen Untersuchungen belegt: Gewaltdarstellung bewirke Gewalt.

Zusp.: Peitschenknallen

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Essayist: Gewaltdarstellung helfe Gewaltbereiten, Gewalt auszuüben, friedliche oder ängstliche Charaktere hingegen würden abgeschreckt.

Zusp.: Peitschenknallen

Essayist: Gewaltdarstellung habe keinerlei Einfluss auf das Verhalten. Oder viertens, Gewaltdarstellung helfe Gewalt-Phantasien gefahrlos und rein theoretisch auszuleben.

Erzähler: Frederic Wertham hatte sich in der Rezipientenforschung festgelegt.

Zusp.: Peitschenknallen

Wertham/Bösewicht: Superman hat ein S auf seiner Brust. Wir sollen wohl dankbar sein, dass es kein Nazi SS ist.

Sprecherin: Und die Leute glaubten ihm! , der wie sein Captain America mit der Waffe in der Hand gegen Hitler gekämpft hatte, er und all die anderen Superhelden-Erfinder und deren Verleger waren Juden! Harte Jungs von der Straße, die zu fünft in winzigen Zimmern aufgewachsen waren. Und sie musste sich von sonatenklimpernden Bildungsbürger-Juden, die nicht in den Krieg gezogen waren, vorwerfen lassen, sie seien Nazis.

Sprecherin: Der US Senat setzte 1954 eine Untersuchung an – mit Wertham als Zeugen der Anklage. Die Comic-Verlage wurden gezwungen sich entlang eines Comic Codes selbst zu zensieren. Verboten wurde Gesetzeshüter und Regierungsbeamte als böse oder korrupt zu zeigen.

Superman: Ich kämpfe für die Wahrheit, die Gerechtigkeit und den American Way of life!

Lois Lane (lacht): Dann musst du aber gegen jeden Politiker antreten!

Erzähler: Werwölfe, Vampire, Zombies wurden verboten. 19

Sprecherin: Es war die Zeit der Kommunistenjagd, die McCarthy-Ära. Es kam zu Buchverbrennungen. Blue Beetle, Green Mask, Silver Scorpion und all die anderen Superhelden von DC und Marvel-Comics gingen stapelweise in Flammen auf.

Zusp. (Musik) „So you want a story? I give you the greatest story of destruction the world has ever known.“ (Musik)

Sprecherin: Wertham erkannte auch als Erster eine mögliche homoerotische Beziehung zwischen Batman und Robin –allerdings fand er das gar nicht gut.

Bösewicht: Manchmal, wenn Batman verwundet worden ist, sitzt Robin neben ihm. Sie leben in einer prunkvollen Gegend mit schönen Blumen in großen Vasen. Batman im Schlafanzug. Ein Traum für Homosexuelle.

Erzähler: Diese hautengen Kostüme. Die rein männliche Welt... Aber man kann das Superhelden-Genre auch gaaanz anders sehen:

Zusp. „Look at me Kal-El... the Kryptonian prophecy will at last be fulfilled...“

Sprecherin Vater unser, der du bist im Himmel...

Essayist: Superman wurde von seinem überirdischen Vater vom Himmel auf die Erde geschickt. Aufgezogen wurde er von den Kents, ursprünglich hieß die Mutter Mary, die wie die Jungfrau zu einem Kinde kam. Erst später wurde sie in Martha umbenannt. Der Vater hieß zwar nicht Josef, aber immerhin Jonathan. Als junger Mann zog Superman von der Kleinstadt Smallville/ Bethlehem in die Hauptstadt Metropolis/Jerusalem und wirkte Wunder, oft zum Verdruss der staatlichen Gewalt. Bei Superman geht das Böse an sich selbst zugrunde, Tugend wird belohnt, Laster bestraft, Triebverzicht ist nötig: Eine klassische Theodizee also.

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Zusp. „The world doesnt need a saviour. And neither do I. Listen, what did you hear? Nothing I hear everything. You wrote that the world doesn't need a savior. But every day I hear people crying for one.“

Superman: Was hörst du?

Lois Lane: Ich höre nichts.

Superman: Ich höre alles. Du meinst, die Welt braucht keinen Retter. Aber ich höre sie schreien, jeden Tag.

Essayist: Supermans Geburtsname auf Krypton war Kal-el. Im Hebräischen heißt das Stimme Gottes, oder, mit anders ausgesprochenem K: Alles was Gott ist. Die zweite Silbe, El bedeutet im Hebräischen `von Gott´. Wie in den Namen der Erzengel: Ari-el, Rapha- el, Gabri-el und Micha-el.

Zusp. „The son becomes the father... the father becomes the son... farewell forever... Kal-El... remember me my son.“

Sprecherin: Dein Reich komme.

Essayist: Im Kampf des Stählernen gegen Doomsday, eine apokalyptische Killermaschine, findet man zahllose Anspielungen auf die Offenbarung des Johannes.

Sprecherin: Mit dem Comic-Code Mitte der 50er Jahre verschwanden die meisten Superhelden, sterben konnten sie ja nicht. Nur drei aus dem Goldenen Zeitalter überlebten: Superman, Batman, Wonder Woman.

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Essayist: Lois Lane verwandelte sich in jeden Alptraum, den ein Mann träumen kann: zu einer `Heirate- mich´- Superman-Stalkerin oder, in einer Folge aus dem Jahr 1966, in ein bizarres Insekt:

(Comic-Atmo)

Lois Lane: Ich verwandle mich in eine Fliege aus Kryptonit!

Essayist: Lois Lane hat einen menschlichen Oberkörper und den Rumpf einer Gottesanbeterin, die bekanntlich Männer nach dem Geschlechtsverkehr verspeisen.

Sprecherin: Die 60er Jahren erleben neue Superhelden. Sie ignorieren den bescheuerten Comic Code. Das silbernes Zeitalter der Comics beginnt: Spiderman, die Fantastische Vier, die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen, the incredible Hulk, Grüne Laterne, Flash...

Essayist: Lois Lane wird unabhängig. Ihre lebenslange Leidenschaft für Superman lässt nach und sie ist einfach eine moderne Heldin. Superman und Lois sind ein gut eingespieltes Team und wie in einer alten Ehe spielt Sex, -also auch kein Sex-, nicht mehr die große Rolle.

Sprecherin: Roy Lichtenstein malte Comics als Pop Art. Er kopierte besonders gern Irv Novick, den Erfinder des Superhelden Shield. Roy und Irv, müßig zu erwähnen, dass sie beide jüdisch waren, hatten sich im Krieg kennengelernt. Roy, Sohn eines Immobilienmaklers von der Upper East Side, bekam Tausende für seine Kunst, der in Armut geboren Irv 20 Dollar für die Vorlage des berühmten WHAAM! wo ein Jagflugzeug ein anders abschießt.

Zusp.: Wham!

Essayist: Superman ist für das Gute und gegen das Böse. Tiefer geht seine Persönlichkeit nicht. Er hat keine Traumata wie Spiderman oder Batman. Das macht Superman zu einer idealen Projektionsfläche, weniger zu einer Identifikationsfigur, mit der man Mitleiden kann. Um Superman muss man nie Angst haben. Das ist dramaturgisch gesehen seine Achillesverse. Vergleichbar dem Paradox: Wenn

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Gott allmächtig ist, warum gibt es dann das Böse? Will er es, dann ist er nicht gut, kann er es nicht verhindern, dann ist Gott nicht allmächtig.

Essayist: In den Comics der 60er Jahren wird immer mehr des für Superman tödlichen Kryptonits entdeckt, ein bis dahin sehr seltenes Metall.

Superman: Ich werde schwach! Das kann doch nicht an diesem roten Stein liegen? Kryptonit ist grün.

Sprecherin: Doch auch die Hochkultur meldete sich in den 60er und 70er Jahren wieder zu Wort:

Bösewicht: Filme, die nach einem stereotypen Muster von Wunscherfüllung und Normbestätigung funktionieren, leisten wenig mehr als eine placebohafte Ruhigstellung.

Sprecherin: Es ist das alte Lied.

Bösewicht: Inmitten von Kriegen, Seuchen und Naturkatastrophen entscheidet sich der Mann aus Stahl ausgerechnet für die Rettung des amerikanischen Großkapitals.

Essayist: So wie sich Superman verändert und damit auch das Geschichtenerzählen, so ändert sich auch das Erzählen über das Erzählen. Wenn also Medienkritiker meinen:

Bösewicht: Es handelt sich bei dem Film vorrangig um auf einen auf kommerziellen Erfolg gebürsteten Streifen ohne diskurskritische Tendenzen.

Essayist: Wenn also diese Medienkritiker meinen, Superman müsste diskurskritisch sein, übersehen sie, dass Superman auf eine für die Medienkritiker unsichtbare Weise immer schon diskurskritisch war, die Geschichten – auf eine andere Art zwar als die Philosophen Alain Robbe-Grillet oder Jean- François Lyotard – postmodern waren: Verwirrende Erzählstrukturen, chaotische Zeitsprünge, verdächtige Erzähler... 23

Lyotard spricht vom Ende der großen Erzählungen in der Philosophie und fordert den Chor der gleichberechtigten nebeneinander wirkenden Perspektiven. Wie im Comic. Nur leider können manche Medienkritiker nicht lesen:

Bösewicht: Durch die Identifizierung mit dem Superhelden können Allmachtsfantasien und Aggressionen ausgelebt werden.

Essayist: Die kritische Medientheorie der 70er wurde so selbst zu einer Erzählung über das Gute und das Böse. Und so verwandelte sich Wertheims Angst vor der Verführung der Unschuldigen in Faschismus/Kapitalismuskritik. Supermans Gegner traten in immer neuer Gestalt auf.

Erzähler: DC-Comics und damit Superman wurden 1969 von Warner Brothers gekauft. Jerry klagte weiter gegen Warner, versandte tausend Briefe, schrieb an jede Zeitung. Nur ein kiffender 21-Jähriger kalifornisch-philippinischer Hippie, Herausgeber eines sehr kleinen Underground-Comics antwortete. Nach dem Interview in Cobblestone griff die erste Zeitung die alte Geschichte von Jerry und Joe auf, dann kam das Fernsehen.

Sprecherin: Es war der alte Kampf David gegen Goliath. Warner gegen Siegel und Shuster. Und ein Gesetz des Geschichtenerzählens ist, dass in der Geschichte stets David gewinnt.

Erzähler: Es wurde ungemütlich für Warner. Das Recht hatten sie auf ihrer Seite, aber die Gunst der Nerds, der Leute, die in ihren neuen Superman-Film gehen sollten, die lagen bei zwei alten, armen Männern, die vor Äonen den Göttervater des amerikanischen Olymp geschaffen hatten. Ein anderer Jerry, einer von der alten Comic-Garde, er hatte Robin, den jungen Freund Batmans erfunden, dieser Jerry Robinson war Präsident der National Cartoonist Society und nahm sich in Superhelden-Manier der Armen und Schwachen an, in diesem Fall Siegel und Shuster. Er rief die Schriftsteller Norman Mailer und Kurt Vonnegut an. Das gute Amerika erwachte. Der Widerstand gegen Warner nahm Fahrt auf.

Essayist: Der ständige Faschismus-Vorwurf ist auch am Mann aus Stahl nicht spurlos vorbeigegangen. Im Superman-Film von 1978 ist er ein Held mit Schwächen und Leidenschaften. Und Teil einer Bürgerbewegung. 24

Zusp. „This country is save again Superman. Thanks to you. No Sir, don´t thank me, Ward. We are all part of the same team.“

Superman Wir gehören alle zum selben Team!

Sprecherin: Währenddessen in New York, wenige Tage vor dem Filmstart:

Erzähler: 1978: Jack Liebowitz sitzt im Aufsichtsrat von Warner, der ehemalige Buchhalter hatte seinen Anteil bei DC gegen einen Anteil bei Warner eingetauscht. Jack Liebwitz bot Jerry und Joe 10 000 Dollar Jahresrente an. Dann 15 000. Dann 20 000. Aber nicht die Rechte. Nicht die Namensnennung. Das war sein letztes Angebot. Morgen würde es nicht mehr gelten.

Erzähler: Joe und Jerry konnten nicht mehr. Sie waren krank. Doch der andere Jerry, Robinson, gab nicht auf. Um Mitternacht rief er Jack Liebowitz an: Gib ihnen den Credit und Warner ist der good guy. Und Liebowitz gab nach: Okay, sie kriegen ihren Credit. In den Comics und den Filmen. Aber nicht auf Spielzeug und Merchandising. Und seitdem steht unter dem Mann aus Stahl wieder Shuster und Siegel.

Sprecherin: Joe, Jerry und die anderen, Jack Kirby, Bob Kane und die übrigen Autoren und Zeichner des Goldenen und des Silbernen Zeitalters wurden zu Stars und dann zu Superstars auf Comic- Festivals mit tausenden von Fans. Die Preise für alte Ausgaben stiegen.

(Comic-Atmo)

Bösewicht (abgehackt, stammeln): Us do opposite of all earthy things. Wir machen alles gegen normale Welt.

Essayist: Superman-Geschichten kämpfen stets gegen die Unbesiegbarkeit ihres Helden.

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Bösewicht: Us hate beauty! Us love ugliness!

Erzähler: Mit Bizzarro erhält Superman eine Frankenstein-Version seiner selbst mit spiegelverkehrten S auf der Brust.

Bösewicht: Wir gegen Schönheit. Wir für Hässlichkeit.

Erzähler: Superman kämpft gegen Magie, dagegen ist er machtlos; gegen Gestalten aus anderen Dimensionen und den Zeitfänger.

(Comic-Atmo)

Bösewicht: Ich bin alles was war, alles was ist und was sein wird. Ich bin alles was sein könnte und alles was gewesen sein könnte. Nenn mich Time Trapper.

(Comic-Atmo)

Erzähler: Vor Milliarden Jahren, auf dem Planeten Maltus lebte eine blauhäutige Rasse. Unter ihnen der ehrgeizige und unsterbliche Krona.

Sprecherin: Superhelden müssen sich der Zeit anpassen. Der Superman der 40er Jahre war ein anderer als der aus den 60ern. Sie lebten in Parallelwelten.

Zusp.: Kra-wumm

Erzähler: Mit einer Zeitreise-Maschine reist Krona zum Beginn des Universums, doch damit spaltet Krona das Universum in ein Multiversum.

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Sprecherin: In der Superman-Serie `Crisis on Infinite Earths´...

Zusp.: Ush!

Erzähler: Zwei mächtige Gestalten entstehen: Monitor und Anti-Monitor.

Sprecherin: In `Krise der Parallelerden´ wird erklärt, warum Superman so viele sich widersprechende Abenteuer erlebt hat.

Zusp.: Whao-hao!

Erzähler: Es war einmal der böse Anti-Montor. Er erobert mit Anti-Materie eine Welt nach der andern.

Sprecherin: Denn die Welt war in viele Paralleluniversen aufgespaltet. Earth Zero, Earth eins bis drei sowie Earth 154, 1198, 1863. In jeder dieser Welten spielt eine andere Version der Superman-Geschichte.

Erzähler: Der Gegner von Anti-Monitor heißt Monitor. Er kann fünf Universen retten, und damit die darin lebenden Superhelden.

Zusp.: Hui-huiiii!

Erzähler: Lex Luthor und andere Superschurken versuchen die Erde zu zerstören.

Erzähler: Dann verbünden sich Superschurken und Superhelden um den verrückten Wissenschaftler Krona aufzuhalten. Damit er nicht zum Beginn des Universums reisen kann und damit das Multiversum auslöst.

Zusp.: Crash!

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Erzähler: Nach einem gewaltigen Kampf vereinter Superhelden verglüht Anti-Monitor in einer Supernova.

Sprecherin: Und während in der echten Welt das Sowjetsystem zusammenbrach, verschwand auch das üble Multiverse der parallelen Superman-Welten.

Erzähler: Superman und Lois Lane entkommen in einer Paradies-Dimension.

Sprecherin: Das Ende des Multiversum gebiert ein einheitliches Universum, mit einem Superman und einer Geschichte.

Essayist: Als wäre die Postmoderne überwunden.

Sprecherin: Diese Zeitenwende wird im Comic-Kosmos als Postcrisis bezeichnet. Es gibt nur noch eine Welt und nur einen Superman. Das war auch gut für junge, neue Leser, denen das ganze Durcheinander der verschiedenen Welten zu kompliziert geworden war.

Zusp.: Crash!

Lois: Halt aus!

Erzähler: 1992 stirbt Joe Shuster.

Lois Lane: Du hast es geschafft! Du hast uns alle gerettet!

Erzähler: Aber auch Superman stirbt.

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Erzähler: In der Serie `Supermans Tod´ reisst in einem apokalyptischen Endkampf der Mann aus Stahl Doomsday, das Monster, das alles Leben vernichtet, mit in den Tod.

Mann: Aber es ist zu spät. Denn das ist der Tag.

Erzähler: Superman ist tot. Diese Meldung wird in jeder amerikanischen Nachrichtensendung verbreitet. Drei Millionen Hefte mit dem zerrissenen Cape an der Fahnenstange werden verkauft.

Sprecherin: Die Verleger von Superman sind erstaunt. Wissen die nicht, dass Superhelden manchmal sterben und dann wieder auferstehen?

Erzähler: Ein Jahr später ist Superman wieder da, dank eines Opfer von einem mysteriösen letzten Sohn Kryptons.

Erzähler: Jerry Siegel stirbt 1996.

Zusp.: Kuss

Erzähler: Und Superman heiratet Lois Lane. 57 Jahre hat sie darauf gewartet.

Sprecherin: Auf Comic-Conventions, Veranstaltungen mit über 100 000 Teilnehmern, werden die Zeichenstile verschiedener Comic-Künstler wie bei Weinverkostungen besprochen. Die Preise für Originalausgaben und für nicht ganz so originale steigen dementsprechend. Und seit Jahren ist das rote S auf gelbem Grund das weltweit meist verkaufte Logo-T-Shirt.

Superman: Ich werde morgen vor den Vereinten Nationen verkünden, dass ich meine amerikanische Staatsbürgerschaft ablege. Ich bin es leid, ein Werkzeug der amerikanischen Außenpolitik zu sein.

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Erzähler: 2011, in Action Comic 900, gibt Superman seine US-Staatsbürgerschaft ab.

Superman: Wahrheit, Gerechtigkeit, der amerikanische Weg... Das ist nicht genug. Die Welt ist zu klein dafür. Zu vernetzt.

Erzähler: Und erneut schreit die amerikanische Öffentlichkeit auf. Auf Internet-Foren beschweren sich die Fans, was denn die linksliberalen Schreiber ihren Helden haben sagen lassen und ob Superman überhaupt jemals die amerikanische Staatsangehörigkeit besessen habe.

Essayist: Superman ist längst Teil eines kollektiven Bewusstseins, das zwischen fiktiven und realen Personen nicht mehr unterscheidet.

Sprecherin: Es wird immer Nerds geben: Jungs auf Gamer-Conventions, Chemiebaukasten- und Jugend- forscht-Freaks, Typen, die aus Zahnstochern in dreißigjähriger Arbeit San Francisco nachbauen, und detailwütige Comic-Fans, die sich in dunklen Räumen aufhalten. Da wo keine Mädchen sind, mit ihrer eigenen Sprache und ihren eigenen Blogs. Dank ihnen, den Nerds hat allein der ewige Widersacher Lex Luthor in dem ihm gewidmeten Wikipedia-Eintrag drei Mal so viele Quellenangaben wie der Wikipedia- Text über Günther Grass.

Erzähler: Eine gut erhaltene Erstausgabe von Superman ist laut einer Online-Börse für Comichefte über drei Millionen Dollar wert, kaum weniger als eine Shakespeare-Erstausgabe. In den Auktionsergebnissen für Comics rangieren hinter Batman und Superman weitere zehn Superhelden-Comics, bis weit nach Spiderman, Hulk und X-Man das erste Walt Disney Comic auftaucht, für geraden einmal 116 000 Dollar.

Essayist: Heute ziehen sich Nerds grinsende weiße Masken über und agieren als globales Gehirn mit Schwarmintelligenz und nennen sich Anonymous.

Zusp. “We are Anonymous. We are Legion. We do not forgive. We do not forget. Expect us!”

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Essayist: Das weltweit agierende Kollektiv von Hackern griff die Websites von Scientology, den Kreditkartenunternehmen Visa und Mastercard, sowie der Regierung Simbabwes an. Im digitalen Metropolis können diese Hacker hinter den Masken von Anonymous selbst zu strafenden Superhelden mit geheimer Identität werden.

Erzähler: Die Erben von Shuster und Siegel besitzen nach einem neuerlichen Gerichtsurteil die Rechte an der Superman-Erstausgabe und der damit verbundenen Geschichten bis 1939. Die neuen Versionen danach und die internationale Vermarktung gehören DC Comics und damit Time Warner. Beide Rechteinhaber könnten zum Entsetzen der Leser ihre jeweils eigenen Superman-Reihen produzieren. Das Multiverse wäre zurück!

Essayist: Copyright ist das neue Kryptonite.

Sprecherin: Das Superhelden-Genre lebt weiter, es gibt jüdische, ein Dutzend schwule, über fünfzig schwarze, ein paar transgender-lesbische, und zwar solche mit Lippenstift und ohne; sowie Latino- Superhelden. Und ein paar, die sind einfach himmelblau, innen motorisiert und kommen vom Ende der Welt.

Sprecherin: In der ältesten ununterbrochenen Comic Serie der Welt erscheint Monat für Monat eine neue Folge von Superman.

Superman: Wer bin ich?

ENDE

Das war: „Superman – Und wie er in die Welt kam“. Von: Lorenz Schröter Es sprachen: Gregor Höppner 31

Edda Fischer Simon Roden Camilla Renschke Robert Steudtner Und Martin Bross Ton und Technik: Wolfgang Rixius, Christoph Bette und Katrin Fidorra Regie: Robert Steudtner Redaktion: Klaus Pilger. Produktion: Deutschlandfunk 2012

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