Pressespiegel 14.09.2017

WAS ICH IMMER SCHON MAL SAGEN WOLLTE..

...ABER IHR EUCH NICHT GETRAUT HABT! von Max Merker/Christoph Rath/Martin Bieri www.bernetta.net/presseschau/wasichimmer

Produktion & Diffusion Bernetta Theaterproduktionen Ramun Bernetta Wasserwerkstrasse 96 | CH-8037 Zürich +41 44 440 66 07 | +41 79 959 08 99 [email protected] www.bernetta.net Was ich immer schon mal sagen wollte, aber Ihr Euch nicht getraut habt!

KRITIKEN

«Worum gings gleich nochmal? Ach, ja genau. Sich mit Christoph Rath und Max Merker um den Verstand lachen.» P.S., Thierry Frochaux, 19.05.2017

«Für so ein Ding, eine Identitätskünstler-Kopienshow mit Mehrwert, sind Rath und Merker sicher die richtigen. Unterstützt von Stefanie Liniger und Martin Bieri, zeigen sie den Schneid, den es braucht, um eine Hommage ohne Hofieren auf die Bühne zu hebeln.» Tages Anzeiger, Alexandra Kedves, 02.05.2017

VORSCHAUEN

Regisseur Max Merker: „In Krisenzeiten hat der Narr Konjunktur“.» Luzerner Zeitung, Julia Stephan, 27.04.2017

«Unsere Angst vor dem Beschiss» ZüriTipp, Eva Hediger, 26.04.2017

www.bernetta.net/maxmerker 14.09.17

Tages-Anzeiger – Dienstag, 2. Mai 2017 Kultur & Gesellschaft 35

Das wütende braune Mädchen Es ist höchste Zeit, die Musik von Xenia Rubinos zu entdecken. Die New Yorkerin singt gebrochene Pophits über die Erfahrung der Latinos in den USA. Am Wochenende besuchte sie erstmals die Deutschschweiz.

Christoph Fellmann zu Mexiko bauen. Der Name des US-Prä- mone oder Beyoncé, über die Bürger- Stans sidenten fällt kein einziges Mal, als Xe- rechtsbewegung und Black Lives Matter. nia Rubinos noch eine halbe Stunde vor Es ist schon erstaunlich, wozu die Konzertbeginn geduldig Fragen beant- Die Zersplitterung der Latinos Märkte fähig sind. So liegt es ja nicht un- wortet. «Das ist schon frustrierend», sagt sie. bedingt auf der Hand, in einem ehema- Lieber spricht sie von der «gegenwär- «Wenn ein Präsidentschaftskandidat in ligen Käselager im alten katholischen tigen Situation». Die Umschreibung hat der nationalen Fernsehdebatte die Me- Stammland zu stehen und sich ein Lied auch den Vorteil, dass sie nicht ausblen- xikaner als ‹Bad Hombres› bezeichnet anzuhören über Ethnizitäten in New det, was schon während der Amtszeit und wenig später die Frauen beleidigt, Yorker Küchenmannschaften. Aber es von Barack Obama ein Teil der «Situa- dann gibt es am nächsten Tag viel Soli- ist Festivalzeit, es sind die Stanser Mu- tion» war – die Polizeigewalt oder der darität für die Frauen und wenig für die siktage. Und die haben nicht nur marok- spezifische Sexismus gegenüber farbi- Mexikaner.» Aber die Geschichte der La- kanische Ritualmusik, hippe Berliner gen Frauen, wie Rubinos ihn in «I Won’t tinos in den USA sei nun mal eine andere Chansons und sogar voralpine Alphorn- Say» beschreibt. In diesem Song zitiert als die der Afroamerikaner. «Unsere musik in den Nidwaldner Hauptort ge- sie einen Essay der Jazzsängerin Abbey Community ist sehr viel fragmentierter bracht; sondern auch Xenia Rubinos, Lincoln von 1966, eine Klage unter ande- eine knapp über 30-jährige Sängerin aus rem darüber, wie leicht auch schwarze Das schwarze Amerika Brooklyn, New York. Sie stöckelt mit Lo- Frauen den von Weissen definierten sei viel besser darin, sich ckenhaar, Kussmund, Winkhand über Schönheitsidealen verfallen. Rubinos die Bühne – und in einem roten Overall, holt den Vorwurf in unsere Zeit und zu vernetzen, eine eigene der irritierend an die Sträflingskleider in singt: «Ich wollte mich selbst sehen, Kultur zu schaffen als die Guantánamo erinnert. Das Publikum aber ich wurde geblendet von meinem johlt und hüpft, als Rubinos daran erin- Selfie.» Was die schwarze Sängerin Ab- Latinos, sagt Rubinos. nert, dass Latinos nicht nur Küchen be- bey Lincoln wohl zum Women’s March dienen: «Braun wischt dein Haus / Braun gesagt hätte? «Oh, sie hätte ihn bestimmt holt den Abfall / Braun putzt sogar dei- gemocht. Sie hätte vermutlich aber auch – sprachlich, kulturell, politisch. Was nem Grossvater den Arsch.» gesagt, dass noch ein weiter Weg zu mar- man nur schon daran merkt, wie unwohl Man findet das Lied auf «Black Terry schieren ist. Es gibt zum Beispiel immer ich mich jetzt gerade fühle, da ich für Cat», dem Album, das Xenia Rubinos im noch einen starken weissen Feminis- ‹die Latinos› sprechen soll. Es gibt diese letzten Sommer herausgegeben hat. Es mus, der farbige Frauen ausschliesst.» Solidarität nicht. Das schwarze Amerika war eine beeindruckende Veröffentli- ist sehr viel besser darin, sich zu vernet- chung voller stupender Popsongs aus Angst vor dem «Latin»-Klischee zen, Themen zu setzen und Bewegun- Jazz, Rhythm & Blues, Funk, Hip-Hop Die Mutter von Xenia Rubinos stammt gen aufzubauen.» Es gebe zwar zuneh- und Rock; gespielt in einem so freihän- aus Puerto Rico, der Vater aus Kuba. Zu mend Blogs und Komitees, die versuch- digen, aber nachdrücklichen Groove, Hause lief klassische Musik, aber auch ten, die Latinos zu vernetzen und ihre dass man an Prince und seine New Salsa, Merengue, Rumba. Trotzdem ist Erfahrung zu bündeln. «Aber die Wahr- das schlimmste Klischee, mit der man heit ist: Wir werden nie so etwas wie Jazz Das neue Album der ihr kommen kann (und immer wieder hervorbringen.» Und vielleicht auch nie Seconda besticht mit kommt), ihre Musik als «Latin» zu be- so viel Erfolg haben wie Beyoncé oder zeichnen. Sie singt zwar gelegentlich Solange. Während deren Alben gefeiert stupenden Popsongs, die Spanisch, und es gibt auf dem Album ge- wurden, blieb «Black Terry Cat» ohne politische Schlagkraft samplete Kastagnetten. Oder Maracas, grosses Echo. die aber eher zu funky gespielt sind wie Und so steht Xenia Rubinos mit einer haben. bei Bo Diddley, als dass sie nach süd- Rumpfband auf der Bühne des Chäsla- amerikanischem Zierrat klängen. gers. Gitarren und Chöre werden am Klar, Rubinos wuchs mit dem R & B Keyboard abgerufen, während Marco Power Generation denken durfte. Und: und dem Hip-Hop der Neunzigerjahre Buccelli am Schlagzeug und Jack Hill am Das Album hat den gleichen politischen auf und mit Mariah Carey im Autoradio. Bass einen impertinenten Groove verle- Punch wie die Platten von Solange und Dann hat sie Jazz studiert, und man gen. Die Musik ist sehr amerikanisch Beyoncé Knowles, von Alicia Keys oder könnte nicht sagen, obs eher Ella Fitzge- und sehr fragmentiert. Uneben, billig A Tribe Called Quest, die ebenfalls 2016 rald oder Missy Elliott zu verdanken ist, und doch elegant. Laut, aggressiv und erschienen sind; mit dem Unterschied wie rhythmisch ihr Gesang ist, wie sehr immer wieder lustig. Sie spielt mit Patois nur, dass Rubinos nicht über die afro- er den Groove der Songs mitdefiniert. und Latino-Klischees und antwortet da- amerikanische Erfahrung singt, sondern Aber das alles bedeutet ja doch auch, rauf mit dem frohen Poprefrain von über die der Latinos in den USA: «Braun dass die Latinos in den USA keine Musik «Laugh Clown»: «Ich weiss, dass das Kli- baut deine Mauer», heisst es noch; und hervorgebracht haben mit dem kulturel- schee alt ist, aber ich spüre es auf mei- natürlich handelt die Zeile von der bö- len Einfluss und der Softpower von Jazz ner Haut.» Der Pegel der Party steigt. sen Ironie, dass es bei weitem nicht oder Hip-Hop. Und wenn sich Rubinos «Wie buchstabierst du Angry Brown weisse Bauarbeiter sein werden, die Do- über politische Musik auslässt, spricht Girl?», ruft Rubinos. Und die Menge ver- nald Trumps angekündigte Grenzmauer Xenia Rubinos punchte sich im roten Overall durch Stans. Foto: Raisa Durandi auch sie über Abbey Lincoln, Nina Si- sucht immerhin, mitzusingen.

Kurz & kritisch Theater dazu. Hilfe holen sie sich dafür bei aber auch nicht zu trashig fürs Tragi- Konzerte gerplatz. Und auch die junge Irène Mit Kaufman und Knausgård einem Crack der künstlerischen Selbst- sche, das in den verehrten Künstlerfigu- Zürichs Jazzer turtelten mit Schweizer war fast täglich zu Gast im das Heute zerlegen entblössung: beim norwegischen Autor ren steckt – und in der Erkenntnis, dass Londoner Kollegen Africana. Vielleicht auch deshalb into- Karl Ove Knausgård, der in sechs auto- wir alle im gleichen Raum festhängen, nierte Irène Schweizer am Samstag oft Zürich, Winkelwiese – Nach der 75-mi- biografischen Mammutromanen den Ge- alle in einer bösen Komödie mittun. Zürich, Theater Neumarkt – Es war der südafrikanische Weisen auf dem Klavier. nütigen Uraufführung von «Was ich im- ständnisgestus bis zum Äussersten aus- Anders gesagt: Rath und Merker können argentinische Autor Julio Cortázar, der Lichtdurchflutete Zweiakkordmusik, mer schon mal sagen wollte ... aber ihr reizt. Auch Knausgård spielen sie in der komisch. Dennoch: Für die Langstrecke den Jazz einst «Grenzüberspringer» liedhafte Melodien. Versöhnlich, fast et- euch nicht getraut habt!» im Theater Winkelwiese nach, lassen ihn lesen, sich eines Theaterabends ist die intelligent- nannte: In der Leichtigkeit des Jazz, mit was harmlos wirkend. Nur dann und Winkelwiese muss man sie sofort wie- verweigern. imitative Nummernjonglage ungeeignet. immer wieder anderen Musiksprachen wann ging die Musik ab ins Freie. Da dersehen: die kurzen Videoclips mit Für so ein Ding, eine Identitätskünst- Was die zwei Performer schon immer Verbindungen einzugehen, sah er einen hörte man das, was Irène Schweizer im- dem US-amerikanischen Ausnahme-En- ler-Kopienshow mit Mehrwert, sind die mal sagen wollten, haben sie im Lauf der seiner Wesenszüge. Für Zürich hat der mer noch auszeichnet: freie Eruptionen, tertainer , der 1984 starb Rath und Merker sicher die richtigen. Soiree so oft, so kurlig und crazy gesagt, Musikautor (und jetzige kantonale Kul- Cluster, kataraktisches Spiel. – seine Auftritte bei Unterstützt von Stefanie Liniger und dass uns die Puste ausgeht. Und auf der turförderer) Heinrich Baumgartner auf- Wo Schweizer mit Moholo gleichsam oder in der TV-Serie «Taxi» zum Bei- Martin Bieri, zeigen sie den Schneid, Bühne lümmelt sich das Läppische. gezeigt, wie Jazz bereits in den 1920ern eine globale Zürcher Vergangenheit auf spiel. Erinnern Sie sich? Wie Kaufman den es braucht, um eine Hommage ohne Alexandra Kedves ein Stück Welt- und Afro-Kultur nach Zü- die Bühne brachte, stand das Tandem da seinen hilflosen Ausländer Latka mit Hofieren auf die Bühne zu hebeln. Sie rich brachte. Daran musste nun denken, mit Flo Stoffner und Evan Parker buch- der Kieksstimme gibt! Oder seinen rü- sind sich nicht zu ernst für Geblödel, Bis 12. Mai. wer am Samstag im Zürcher Theater stäblich für die Zukunft eines weltoffe- pelhaften mit dem schreck- Neumarkt die Konzerte von Zürcher Mu- nen Jazz-Zürichs. Noch klangen sie bei lichen Schnurrbart; einen beckenkrei- sikern mit Vertretern der Londoner Im- ihrem wohl ersten Zusammentreffen senden Elvis-Imitator aus der Provinz provisationsszene verfolgte: Gitarrist durchaus unausgegoren; der junge, un- und einen ebenso provinziellen halb- Flo Stoffner spielte im Duo mit Tenor- beirrte E-Gitarrist mit den vielen span- nackten Schwertschlucker mit den ge- saxofonist Evan Parker; der Zürcher Alt- nenden Gitarrenfrickeln und der engli- stählten Muskeln; und nicht zuletzt sein saxofonist Omri Ziegele im Trio mit zwei sche Saxofontüftler mit seinen verästel- eigenes Andy-Alter-Ego mit dem legen- englischen Kollegen an Drums und Kon- ten Loops haben hörbar noch kein strin- dären «I love Grandma»-Sweater. trabass; Irène Schweizer wiederum im gentes gemeinsames Vokabular entwi- Über Kaufmans Komik des Unkomi- Duo mit Drummer Louis Moholo. ckelt. Und doch glaubte man hier an schen, die das Format der Late-Night- Zu diesen Konzerten hatte es ein Vor- eine Zukunft: Stoffner und Parker pass- Shows und Sitcoms, in denen er zu se- spiel gegeben: Im April hatte der Londo- ten von ihrer Grundästhetik her nämlich hen war, regelmässig sprengte, sind ner Jazzclub Vortex die Türen fürs Zür- fraglos ganz ausgezeichnet zusammen. ganze Bücher geschrieben worden. Und Intakt-Label geöffnet. Es spielten Zu einer kompakten Bandsprache immer wieder haben Comedians ver- während satten zwölf Tagen die Bands hatte dagegen Omri Ziegele schon gefun- sucht, diesen ungreifbaren, sperrigen, aus dem Hause Intakt, öfter kams zu Be- den: Das war schlüssige Gegenwart. Das mal nachtschwarzen, mal nebelgrauen gegnungen mit Londoner Musikern. Das funkenstiebende Bass-Schlagzeug-Ge- Humor zu reproduzieren. Jetzt konnten Wochenende im Neumarkt war ein Zür- spann aus John Edwards und Mark San- es zwei Wahlschweizer nicht lassen: Max cher Nachhall dazu – Auftakt mit Irène ders bot das ideale Umfeld für den Hitz- Merker, 1976 in München geboren, und Schweizer und Louis Moholo, und es kopf Omri Ziegele, für diesen abstrakten Christoph Rath, 1979 in Graz geboren, hätte keinen passenderen Auftritt geben Expressionisten auf dem Saxofon. Das ziehen den Abend als kaufmansches können. Denn prägend für die Zürcher war oft grandios. Und man hörte ein Nummerntheater auf, zitieren ihr gros- Jazzgeschichte sind die Sechzigerjahre Trio zwischen London und Zürich, von ses Vorbild mit teilweise perückenhaar- im Jazzclub Africana: Südafrikanische dem man sich wünscht, dass es weiter- kleiner Exaktheit, mischen dann wieder Exilanten wie Dollar Brand oder Louis existiert und Grenzen überspringt. ihre eigene Selbstreflexionsrhetorik Raths Clifton (links) und Merkers Knausgård im Tapetentür-Gag. Foto: Leonard Krättli Moholo musizierten damals beim Predi- Christoph Merki 27. April 2017, 04:39 Regisseur Max Merker: «In Krisenzeiten hat der Narr Konjunktur» Max Merker im Bühnenbild im Theater Winkelwiese in Zürich. (Bild: Roger Grütter (25. April 2017))

KLEINTHEATER LUZERN ⋅⋅ Dank Max Merker darf im Mai auch eine Co- Produktion des Luzerner Kleintheaters ans Schweizer Theatertreffen. Kurz vor seiner Premiere in Zürich erklärt uns der Theatermacher, was er bei den Recherchen über Trump und die Empörten gelernt hat.

Julia Stephan [email protected] Dienstagmittag, Theater Winkelwiese in Zürich. Max Merker (40) steht im Bühnenbild seines neuen Stückes, eine Backsteinmauer im Rücken, die leeren Publikumsstühle im Blick. Seine Crew ist ausgeflogen. Kostümshopping. Einziger Bühnenpartner: eine müde Zimmerpflanze.

Am Samstag feiert in diesem Setting sein neues Stück «Was ich immer schon mal sagen wollte ...» Premiere. Der Mann, der mit einer Buster-Keaton-Hommage und einem Stück über die Marx-Brothers auch schon das Luzerner Kleintheaterpublikum begeistert hat, wird sich darin mit seinem Bühnenpartner Christoph Rath abermals in einen US-Comedian versetzen: den Anti-Komiker Andy Kaufman, den im Film «Man On The Moon» kongenial verkörperte.

Spontaner Sprung auf die Bühne

Dass er eines Tages mal so selbstverständlich und körperbetont über eine Bühne toben würde, hatte er als Lebensziel nie direkt angepeilt. Als Germanistikstudent wagte er während einer Theaterhospitanz spontan den Sprung vom Regiepult auf die Bühne. Ein Sprung mit schweren Folgen. Fortan gab er den professionellen Clown. Die Regisseurin empfahl ihm die Dimitri-Schule.

Für den süddeutschen Spross einer Ingenieursfamilie war das zu exotisch. Doch mit einem später aufgenommenen Studium in Physical Theatre an der Folkwang-Universität in Essen «hat sich die Macht des Konkreten doch noch bei mir durchgesetzt». Merker wurde zum Schrecken seiner Eltern und zur Freude der Theaterwelt Schauspieler und Regisseur.

«An den Marx Brothers fasziniert, dass sie das Leben zur Farce erklärten.»

Max Merker, Regisseur und Schauspieler

Gerade hat er am Luzerner Theater beim Kinderstück «Robin Hood» Regie geführt. Eine ​Inszenierung am Theater Biel-Solothurn darf zum Heidelberger Stückemarkt, der Marx-Brothers-Abend «Before I speak I have ​something to say» im Mai ans Schweizer Theatertreffen. Merkers Handschrift, die darin besteht, die Humoressenz historischer Komikerpersönlichkeiten hintersinnig auf einen Theaterabend einzudampfen und auf ihre Zeitgeistigkeit zu befragen, kommt an. «An den Marx Brothers hat mich fasziniert, dass sie das Leben zur Farce erklärten», sagt Merker, während ihm der eingerahmte Friedrich Dürrenmatt hinter der Theaterbar verschwörerisch zuzuzwinkern scheint. Dass die Marx Brothers mit ihrem fröhlich performten Zynismus jeder anderen Realität die Existenz verweigert hätten, mache sie so aktuell, so Merker. Man bräuchte sich nur aktuelle Politsendungen wie die «Arena» anzuschauen.

Raue Weltwetterlage gibt Merker Aufschwung

Merker, der im Studium darunter litt, dass der Komödie traditionell nicht derselbe Ernst zukommt wie der Tragödie, sieht aufgrund der rauen Weltwetterlage gute Zeiten für sein Genre. «In Krisenzeiten hat der Narr Hochkonjunktur», ist er sicher. Viele Intellektuelle würden nach der Trump-Wahl ihre Hoffnungen auf Komiker setzen. Denn die könnten die grossen und so verführerisch stimmigen Erzählungen des Populismus in Frage stellen und entlarven. In ihrem Marx-Bro​thers-Reenactment gelang das Merker und seinem Bühnenpartner Matthias Schoch, indem sie, sobald der Zuschauer sich an historischen Verweisen zu den Marx-Brothers-Filmen festgebissen hatte, den Erzählfluss auf der Bühne mit sinnbefreiten Musikeinlagen unterbrachen.

Im neuen Stück wagt Merker sich an den norwegischen Bestsellerautor Karl Ove Knausgård und dessen monumentalen Romanzyklus, den er als Text eines Beleidigten liest, sowie an den Komiker Andy Kaufman. «Was ich schon immer mal sagen wollte ...» ist der Versuch, den Anti​reflex auf politische Überkorrektheit, diesen Gestus des Wutbürgers, zu entlarven, der sich entlädt in Sätzen wie «Das muss endlich mal gesagt sein».

«Wenn der deutsche AfD-Politiker Björn Höcke in einer Talksendung seine Deutschlandfahne über die Lehne hängt, damit aus der inhaltlichen Debatte aussteigt und sich über die Reaktionen der anderen beschwert, kann man seine Strategie mit den genialen Mitteln eines Andy Kaufman wunderbar blosslegen», so Merker. Kaufman beschwerte sich in gespielter Empörung gerne heulend beim Publikum, wenn das seine schlechten Witze nicht gut fand.

Diesen Artikel finden Sie unter: http://www.luzernerzeitung.ch/nachrichten/kultur/In-Krisenzeiten-hat-der-Narr- Konjunktur;art9643,1016705 «Unsere Angst vor dem Beschiss» - News Züritipp: Bühne - tagesanzeiger.ch 14.09.17, 1456

«Unsere Angst vor dem Beschiss» Max Merker erzählt dem «Züritipp», weshalb er in seinem Stück einen Comedian spielt.

Eva Hediger 26.04.2017

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Aus den Schauspielern Christoph Rath und Max Merker (rechts) werden Comedians.

«Christoph Rath und ich sprechen auf der Bühne total ehrlich, ehrlich. Oder sagen wir: fiktiv ehrlich, fiktiv intim. Ich sage beispielsweise nicht, dass mich Katzen sexuell erregen – auch wenn das stimmen würde. Aber was ist schon ehrliches Sprechen? Damit setzen wir uns im Stück auseinander. Es ist im Moment ja fast eine Masche, dass alle sagen: ‹Ich bin voll ehrlich› oder ‹Das wird man wohl noch sagen dürfen?...›. Das Phänomen ist besonders kennzeichnend für einen populistischen Politikstil, der gerade Konjunktur hat. Dieses ständige Bestätigen der eigenen Ehrlichkeit entlarven wir.

Das Ausstellen einer scheinbaren Ehrlichkeit kommt daher, dass alle dauernd das Gefühl haben, betrogen zu werden oder zu kurz zu kommen. Unsere grösste Angst – ich schliesse mich da nicht aus – scheint jene vor dem ständigen Beschiss zu sein, ohne das sagen zu dürfen. Und wenn es dann endlich einer ausspricht, hat man das tolle Gefühl, dass sich endlich etwas ändern würde. Man kann sich geradezu berauschen an der eigenen Empörung. Deshalb passt es, dass wir als Stand-up-

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Comedians auftreten: Stand-up-Comedians sprechen ihr Publikum direkt an. Sie sind Einzelgänger, die versuchen, das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Mittelmässige und schlechte Komiker beschweren sich dabei in ihren Programmen dauernd über Nichtigkeiten. Auch Christoph fragt das Publikum oft: ‹Das kennen Sie doch auch?!› Ein gutes Stand-up-Programm funktioniert oft durch das kollektive Gefühl des Gekränktseins.

Für unseren Abend haben wir uns mit dem amerikanischen Performance-Künstler Andy Kaufman auseinandergesetzt. Er spielte bereits früh mit einer irritierenden ambivalenten Opferhaltung, mit Ehrlichkeit und Inszenierung. Dabei versuchte er ständig, die Grenzen des eigenen Genres aufzulösen. Auch unsere zweite Inspiration, der Autor Karl Ove Knausgård, spielt mit den Grenzen seines Genres. Er benutzt das Medium des total ehrlichen Romans, man weiss nicht genau, was Fiktion und was tatsächlich autobiografisch ist, um sein Beleidigtsein zu zelebrieren. Er sieht sich als Einzelgänger in einer feindlichen Welt, ähnlich einem literarischen Stand-up- Comedian, der alleine auf der Bühne steht und bereit ist, sich vor der Welt respektive dem Publikum zu beweisen. Denn wenn man glaubt, nichts mehr zu verlieren zu haben, kann man es immer noch allen zeigen.»

Samstag, 20 Uhr, Winkelwiese. (Zueritipp)

Erstellt: 26.04.2017, 16:54 Uhr

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