Elke Seefried Einführung: Theodor Heuss in Der
Elke Seefried Einführung: Theodor Heuss in der Defensive. Briefe 1933–1945 Im August 1934 erhielt Theodor Heuss eine Verwarnung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda. Nach dem Entzug seines Reichstagsman- dates und seiner Dozentur an der Deutschen Hochschule für Politik wirkte Heuss als Herausgeber der Zeitschrift „Die Hilfe“, deren Kurs im Propagandaministe- rium Anstoß erregte.1 Heuss wurde zu einem Gespräch mit dem Referenten Ernst Brauweiler ins Ministerium zitiert. An den Mitherausgeber der „Hilfe“, Walter Goetz, berichtete Heuss darüber brieflich: „Dr. B[rauweiler] empfing mich mit der Bemerkung, es handele sich um einen etwas schwierigen Fall [...]. Die Hilfe sei, gemessen an der politischen und publizistischen Gesamtheit, abseitig. [...] Diese Abseitigkeit gebe dem Staat drei Möglichkeiten, die Abseitigkeit ignorierend zu dulden, den Versuch der Assimilation zu machen oder zu vernichten.“ Es sei, so Brauweiler, typisch für Heuss, dass er in einem „interessanten“ Text „die Meinung über mangelnde Freiheit in Deutschland zum Ausdruck“ bringe. Heuss verteidigte sich, „daß die Abseitigkeit keine frei gewählte sei, sondern eine erzwungene“. Mit der Zeitschrift könne er einem Kreis von Menschen eine „ge- wisse moralische Anlehnung“ zukommen lassen angesichts der Diffamierung, der ihre Arbeit nun ausgesetzt sei, und er könne diesem Kreis auch ermöglichen, sich weiter öffentlich zu Wort zu melden. Grundsätzlich habe er betont, „daß kein Gebot und keine Diffamierung einen Deutschen von der bewußten sorgen- den Teilnahme an der politischen Entwicklung entlassen könne […]. Ich stellte fest, daß ich unter allen Umständen an dem autonomen Charakter einer wissenschaftlichen Haltung und einer künstlerischen Schöpfung festhalte, die ich außerhalb einer Partei- programmatik sähe“.2 An dieser Episode wird die spannungsreiche Lage deutlich, in der sich Angehörige des liberal-demokratischen Bürgertums im NS-Regime befanden.
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