Kirchen Im Spannungsfeld Der Interessen Das Münster Zeitschrift Für Christliche Kunst Und Kunstwissenschaft
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B 20329 das ISSN 0027-299X 3/2018 münster 71. Jahrgang Zeitschrift für christliche Kunst und Kunst- wissenschaft Der Sakralraum als Touristenattraktion – Kirchen im Spannungsfeld der Interessen das münster Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft Inhalt 249 Editorial 288 Wer hat im Kirchenraum das Sagen? Harald Schlüter und Andreas Würbel Einige grundlegende Gedanken und Erfahrungen zu Kirchenführungen in kirchlicher Trägerschaft Schwerpunkt aus Regensburg Der Sakralraum als Touristenattraktion – Hagen Horoba Kirchen im Spannungsfeld der Interessen 293 Sakrales Welterbe und Tourismus 251 Kirchenführungen zwischen Sakralraum Wie bleiben wir Kirche angesichts und Touristenattraktion des touristischen Besucherandrangs? Harald Schlüter Michael Jansen 257 Elemente eines Leitbildes für den Speyerer Dom Alte Kunst Handlungsrahmen und Handlungsrichtlinien für Kirche und Denkmal 297 138 Kopien, aber kein Original Peter Schappert und Friederike Walter Die unentdeckte Popularität des Christoph Schwarz Wolfgang Minaty 262 Besuchersituation und Führungsbetrieb am Aachener Dom Birgitta Falk Berichte 267 Die Wieskirche zwischen Tourismusmagnet 322 GOTIK – Der Paderborner Dom und die Baukultur und Andachtsort des 13. Jahrhunderts in Europa Karl Müller-Hindelang Ausstellung im Paderborner Diözesanmuseum 271 Eintrittsgebühren in Kirchen – ja oder nein? (21.9.2018 bis 13.1.2019) Ein Erfahrungsbericht aus dem Wiener Stephansdom Christoph Stiegemann Klaus Brenner 326 Tagungsbericht 275 Eintrittsgebühren in Kirchen – ja oder nein? 3. Interdisziplinärer Doktorandenworkshop zu mittelalter Ein Erfahrungsbericht aus dem Berliner Dom lichen Sakralräumen vom 1. bis 7. Juni 2017 in Leifers, Südtirol Petra Zimmermann Theresa Jeroch 279 Besucherdienste am Würzburger Dom 328 Impressum, Ausblick und Bildnachweis Ein Erfahrungsbericht Alexandra Eck U3 Ausstellungs- und Veranstaltungskalender 283 Das Besucherzentrum Dom-Information Trier Kirchliche Formen der Besucherbetreuung Andrea Riesbeck Die Wieskirche zwischen Tourismusmagnet und Andachtsort Karl Müller-Hindelang 1 Die Wallfahrtskirche zum Gegeißelten Heiland auf der Wies wurde von 1745–1754 durch die Prämonstratenserabtei Steingaden erbaut. „Die Wies“ zählt heute laut UNESCO zu den nicht immer gut vertragen. Im Wesentlichen erkennen. Gruppen, denen von qualifizierten schönsten Rokokokirchen der Welt und zieht geht es um zwei Inhalte: Sightseeing und Reiseleitern nicht nur vordergründige Sensa- jährlich mehr als eine Million Besucher an. Seit Gebet. Für beide Seiten bietet die Wieskirche tionen, sondern auch Kultur und (religiöse) 1983 ist die Wieskirche UNESCO-Weltkulturer- Herausragendes: ein Gesamtkunstwerk, in Mentalität der Region vermittelt wurden, bestätte.“ So kann man es auf der Homepage dem das Rokoko zur Vollendung gelangt ist durchschreiten trotz des oft schmalen Zeit- des Bayerischen Fernsehens lesen und viele und zu Herzen gehende Gottesdienste, Me- budgets die Kirche mit Ruhe und Bedacht andere Internetseiten bestätigen diese Be- ditationen und Andachten. In der Wieskirche und erspüren die Wirkung des sakralen Rau- wertung. „Einzigartige Wallfahrtskirche mit- kann man aber auch beeindruckende Kon- mes anstatt möglichst schnell möglichst viele ten in der freien Natur“, „Eine Kirche zum Stau- zerte hören und selbstverständlich werden Selfies zu produzieren. Mit solchen Gästen nen ... hier schauen Sie in den Himmel“, „Ein die kirchlichen Feste in aller Feierlichkeit be- kommt es zu keinen Differenzen. Schwierig Juwel ...“, „Ein Muss“ sind nur einige der Aussa- gangen. Während Touristen das Weltkultur- wird es, wenn Menschen nicht mehr religiös gen im Reiseportal tripadvisor. erbe möglichst uneingeschränkt besichtigen sozialisiert oder einfach rücksichtslos sind Auch wenn – oder gerade weil die Wieskir- wollen, suchen Wallfahrer und Pilger einen und dann auch nicht unterscheiden, ob sie che ganz abgeschieden im Voralpenland liegt, Ort der Ruhe und des Glaubens. Der Über- sich in einer Kirche oder einem Freizeitpark kommen vorwiegend in den Sommermona- gang zwischen den Gruppen verläuft dabei befinden. Da fehlt es oft an der zu erwarten- ten hunderttausende Besucher einzeln oder fließend und die Kompatibilität hängt häufig den Ehrfurcht und die Betenden und Medi- in Gruppen hierher. Nun ist es ja zunächst ein- davon ab, mit welcher Vorbereitung die Gäste tierenden in der Kirche fühlen sich zurecht mal erfreulich, wenn eine Kirche großen Zu- ankommen. Gerade bei Busgruppen kann gestört. Deshalb kommt es immer wieder zu lauf hat. Allerdings bringen die Gäste der Wies man die Art und Weise der Einführung wäh- Konflikten, zu deren Vermeidung es perma- recht unterschiedliche Interessen mit, die sich rend der Anreise schon am Eingang zur Kirche nent neuer Ideen und Bemühungen bedarf. 268 Schwerpunkt Der Sakralraum als Touristenattraktion das münster 3/2018 Dies kann aber im Vorfeld im Büro der Wies- kirche erfragt werden und nicht wenige Bus- unternehmen machen von diesem Service gerne Gebrauch. Etliche Besucher nutzen aber auch die Gelegenheit zur Teilnahme an einer Führung, selbst wenn sie dies evtl. gar nicht geplant hatten. Das ist vor allem des- halb möglich, weil die Führungen durch die Wallfahrtskuratie in der Regel öffentlich sind. Die öffentlichen Führungen Da die Wieskirche von ihrer Ausstrahlung her und durch ihre exponierte Lage durchaus imposant wirkt, im Vergleich zu manchem Dom oder Münster größenmäßig aber doch überschaubar ist, sind die „Führungen“ nur in seltenen Ausnahmefällen (z.B. Schulklas- sen, Firmgruppen o.Ä.) mit Ortswechseln ver- bunden. In der Regel nehmen alle Teilnehmer einer Führung in den Kirchenbänken Platz und bekommen so die Kirche erklärt. Von Mai bis Oktober jeweils am Mittwoch, dem „Wall- fahrtstag“, werden solche Erklärungen um 11.00 Uhr und um 14.30 Uhr angeboten, aber auch wenn Führungen von Gruppen spe- ziell gebucht sind, können alle Interessierten daran teilhaben. Da die Erklärungen über Mik- rofon erfolgen, finden auch später Hinzukom- mende sofort die Ankündigungstafeln an den Eingängen bestätigt, wonach derzeit kein „Sightseeing“ möglich ist. Dennoch kommt es vor, dass einzelne Besucher scheinbar des Lesens bzw. Sehens von Piktogrammen nicht mächtig sind und ungeniert fotografierend und sogar blitzend durch die Kirche flanieren. Oder es kommen die ganz speziellen Reiselei- 2 : Die nahtlose Verbindung von Architektur und Ornamentik, feinster Stuck, ein grandioses Lichtspiel und ter, die ohne eigentlich gebotene Anmeldung die ermutigende Theologie faszinieren jedes Jahr Hunderttausende von Besuchern. selbst Erklärungen abgeben und dabei sogar so dreist sind, zur gerade öffentlich stattfin- Ein Besucherzentrum, wie es an vielen ande- Zeiten zur Besichtigung informiert werden. denden Führung lautstark eine Konkurrenz- ren Orten mittlerweile eingerichtet ist, würde Nach der Einführung hat es einige Wochen veranstaltung für ihre Gruppe zu inszenieren. hier sicherlich helfen, denn damit könnte gedauert, bis diese Regelung Wirkung zeigte, „Diese Kirche ist öffentlich – und damit haben der Besucherstrom etwas entzerrt werden. aber inzwischen halten sich immer mehr Rei- wir das Recht uns hier zu bewegen, wie es uns Gruppen könnten hier vorinformiert und ein- seunternehmen und Einzeltouristen an die- gefällt“ kann man dann auf entsprechende gestimmt werden – und es könnte mit einer ses Raster. Dabei gibt es drei „Zeitzonen“: Rot, Hinweise zu hören bekommen. Viele wissen ansprechenden Ausstellung ein zusätzliches Gelb und Grün – eben wie bei der Ampel. natürlich, dass die Kirche Eigentum des Frei- Angebot geschaffen werden, wenn die Kir- Während der grünen Zeiten ist das Besichti- staates Bayern ist und leiten aus diesem Sach- che gerade in ihrer eigentlichen Aufgabe er- gen der Kirche und damit auch das Umherge- verhalt eigenartige Ansprüche ab. Seit eini- füllt ist: ein Ort zu sein, an dem Sorgen und hen und Fotografieren (für den Privatbedarf) gen Wochen ist deshalb ein Sicherheitsdienst Nöte, Klagen und Bitten, aber auch Lob, Preis allen möglich. In roten Zeiten, die Gottes- beauftragt, um wenigstens die Liturgien vor und Dank vor Gott gebracht werden können. dienste und Führungen kennzeichnen, ist der Störungen zu schützen. Nach intensiven Bemühungen ruhen solche Zugang nur für die Mitfeiernden bzw. Teilneh- Pläne aber derzeit und es mussten einfachere mern erlaubt; ein Umhergehen in der Kirche Wege gefunden werden. und auch Film- bzw. Fotoaufnahmen sind in Komplexität diesen Zeiten untersagt. Diese Zeitzonen sind fest definiert, d.h., auch ein Tourist kann sich Die Koordination aller Notwendigkeiten und Die Ampelregelung darauf verlassen, dass er in der grünen Zone der berechtigten Interessen stellt für Kurat freien Zutritt hat. Die gelbe Zone ist dagegen Msgr. Gottfried Fellner und sein Team eine So führte die Wallfahrtskuratie vor ca. drei Jah- flexibel. Gelbe Zeiten können wegen einer enorme Herausforderung dar. Für bauliche ren eine sogenannte Ampelregelung ein, mit Führung oder einer Pilgermesse rot werden, Maßnahmen und die Erhaltung der Bausubs- der die Besucher schon im Vorfeld über die d.h. für die pure Besichtigung gesperrt sein. tanz ist das staatliche Landbauamt zuständig das münster 3/2018 Die Wieskirche zwischen Tourismusmagnet und Andachtsort Schwerpunkt 269 und natürlich muss das Denkmalamt alles ge- nehmigen. Seit der Auszeichnung zum Welt- kulturerbe im Jahr 1983 macht die UNESCO ihre Ansprüche geltend und die regiona- len und überregionalen Tourismusverbände haben auch Interessen. Für alle Maßnahmen sind Abstimmungen