Adivasi-Rundbrief 24 - Solidarität Mit Indiens Ureinwohnern - Hg.: Adivasi-Koordination in Deutschland E.V
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Adivasi-Rundbrief 24 - Solidarität mit Indiens Ureinwohnern - Hg.: Adivasi-Koordination in Deutschland e.V. Jugendheimstr.10, 34132 Kassel April 2005 Nr. 24/1: Gedenkfeiern im Jahr 2005: 150 Eindringlinge waren äußerst wichtige Glieder in Jahre Santal Hul (Santal-Rebellion) der Kette der Ausbeutung der Kolonialherren. Das ganze Jahr 2005 über werden die indige- Sie waren die maßgeblichen Instrumente, nen Völker in Jharkhand und anderen Teilen wodurch die indigenen Gemeinschaften und Indiens das 150. Jubiläum des Hul feiern - der Völker unter die Kontrolle der Kolonialwirtschaft Bewegung für soziale Gerechtigkeit, die von gebracht wurden. Seit den ersten Jahrzehnten den beiden Santal-Brüdern Sido und Kanhu des 19. Jahrhunderts hatte die Unzufriedenheit Murmu angeführt wurde. Am 30. Juni 1855 im Gebiet der heutigen Santal Parganas starteten 10.000 Santal aus der heutigen Re- (Bestandteil des Bundesstaates Jharkhand) gion Santal Parganas und andere unterdrückte zugenommen. Dies geschah vor dem Menschen eine historische Revolte gegen die Hintergrund der Unterdrückung und britische Kolonialmacht. Obwohl der Hul Ausbeutung der indigenen Santals durch die schließlich 1856 brutal niedergeschlagen Behörden wie durch die Zuwanderer. In dieser wurde, zog er einen dramatischen Wandel in Situation erwiesen sich Sido und Kanhu der Kolonialpolitik und ein neues politisches Murmu, zwei junge charismatische Füh- Bewußtsein unter den Adivasi nach sich, das rungspersönlichkeiten, als Hoffnungsträger für seither kontinuierlich zugenommen hat. Dies die Santals. Die beiden jungen Männer, die aus zeigt sich in den Forderungen nach politischer dem Dorf Bhognadih im Distrikt Sahibganj und kultureller Autonomie in Jharkhand, wel- stammten, hatten lange über die von den Un- ches im Jahr 2000 als eigener Bundesstaat er- terdrückern verübten Ungerechtigkeiten nach- richtet wurde wie auch im zunehmenden Ein- gedacht. Eine kleine Episode löste im Juli 1855 fordern von Stammesrechten auf nationaler und einen der stärksten Aufstände aus, mit denen internationaler Ebene. Mit dem "Forum Santal die britische Verwaltung in Indien je konfrontiert Hul 150" wurde ein Koordinationsgremium ein- war. Kurze Zeit zuvor, am 30. Juni 1855, hatte gerichtet, das aus Mitgliedern der Indian Con- sich ein große Versammlung von Santals unter federation of Indigenous and Tribal People der Führung von Sido und Kanhu Murmu für frei (ICITP), aus der All Santals Association, Delhi erklärt. Sie schworen, gegen die ausländischen und aus dem Centre for World Environmental Herrscher und deren Repräsentanten zu History an der Universität Sussex, England be- kämpfen. Die beiden Brüder waren in dieser steht. Stimmung von Enthusiasmus und Verteidi- http://www.sussex.ac.uk/development/1-4-5- gungs-Bereitschaft, als ein Polizeispion sie am 5.html - Ausdruck am 22.3.05 7. Juli stellte und sie festzunehmen versuchte. Die wütende Menge reagierte mit Gewalt und Der Santal Hul 1855 - 1857 tötete den Polizeispion und dessen Helfer. Die- Der Widerstand indigener Völker gegen die bri- ses Ereignis löste eine Reihe von Scharmützeln tische Herrschaft in Indien begann beinahe un- mit der Armee der East India Company aus und mittelbar, nachdem die East India Company in führte schließlich zu einem regelrechten Krieg. vielen Teilen des Landes die politische Macht Unter der Führung von Sido und Kanhu erziel- erlangt hatte. Die abgeschirmten Lebensräume ten die Santals ursprünglich erhebliche Gelän- der Ureinwohner wurden durch Eindringlinge degewinne und erlangten die Kontrolle über wie Geldverleiher, Händler und steuerpflichtige weite Gebiete - von Colgong im Westen bis in Bauern in ihren Grundfesten erschüttert. Diese die Rajmahal Hills im Osten und beinahe bis Adivasi-Rundbrief 24 - B - April 2005 nach Raniganj und Sainthia im Süden. Das Er- Historisch bedeutsam ist die Arbeitsmigration reichte konnte jedoch nicht gesichert werden, von Stammesangehörigen aus der Region da das Militär der East India Company sich als Chotanagpur im östlichen Zentralindien in die übermächtig erwies. 1856 schließlich unter- Teeplantagen nach Assam. Viele Plantagen drückte die britische Indienarmee den Aufstand, befinden sich heute in einer Krise. Von ehemals wobei ein begrenzter Widerstand bis 1857 fort- zwei Millionen Teepflückerinnen sind nur noch gesetzt wurde. Man glaubt, dass Sido von den rund 500.000 beschäftigt. Diese haben britischen Truppen aufgrund von Verrat festge- ungefähr fünf Millionen Familienangehörige zu nommen wurde und Kanhu bei einem Gefecht ernähren. Vor diesem Hintergrund kam die in Uparbanda. Beide wurden in der Ge- Arbeitsmigration nach Assam zum Erliegen und fangenschaft ermordet. Der Freiheitskampf der begann, sich in Richtung Stadt umzukehren. Santal (Santal Hul) hatte jedoch eine lange an- Die meisten jungen Frauen aus Adivasi- dauernde Auswirkung: Der Santal Parganas Familien verdingen sich von nun an eher als Tenancy Act [Gesetz zur Sicherung von Hausangestellte. Gemäß Schätzungen von Adivasi-Landbesitz, Anm. d. Übers.] war das Fachleuten sind allein aus dem Bundesstaat Resultat dieses Kampfes. Jharkhand seit der Unabhängigkeitserklärung Zusammenfassende Übersetzung aus der Bro- Indiens über zwölf Millionen Adivasi auf schüre der indischen Postverwaltung anläßlich Arbeitssuche außerhalb ihrer indigenen der Herausgabe einer Briefmarke zu Ehren von Gemeinschaft gegangen. Die indigene Sidho und Kanhu Murmu am 6.4.2002. Weitere Bevölkerung von Jharkhand wird momentan auf Informationen in: Mathew Areeparambil, sieben Millionen veranschlagt. In einigen Struggle for Swaraj, A History of Adivasi Gegenden Jharkhands hat die Zahl der jungen Movements in Jharkhand, Tribal Research and Frauen rapide abgenommen. Dem entspricht Training Centre Chaibasa, Jharkhand, 2002. ein steigender Bedarf an Hausangestellten Bezug: Johannes Laping, Christophstr.31, durch umfangreicher und wohlhabender 69214 Eppelheim, Tel. 06221-766 557, sarini- werdende Mittelschichten in den Städten. [email protected]. Preis: 12,00 Euro plus Versandkosten. Neu ankommende Adivasi-Frauen werden oft Santal Hul Forum: Dr D. Mardi, Hon. General bereits am Bahnhof erwartet. Sie gelten im Secretary, All India Santal Welfare and Cultural Vergleich zu jungen Frauen aus anderen sozio- Society, 16, Prem Nagar Market, New Delhi, kulturellen Milieus als ehrlicher und fleißiger. India 110 003, T: 0091-11-24644179, Die Motive auf Seiten der Adivasi für die Ar- [email protected] Dr. Daniel J. Rycroft, beitsmigration sind vielfältig. Zum einen bietet Centre for World Environmental History (B341), die Subsistenzwirtschaft der Adivasi-Gemein- School of Humanities, University of Sussex, schaften immer weniger Arbeits- und Einkom- Brighton, U.K. BN1 9QN T: 0044-1273-877654; mensmöglichkeiten für eine wachsende Bevöl- [email protected] kerung. Das Land wird nicht nur auf Grund des demographischen Drucks knapper, sondern auch durch vielfältige Formen der Ressourcen- Nr. 24/2: Ureinwohner verlieren auf dem ausbeutung durch Dritte. Kommerzielle Land an Perspektiven: Zahl der Adivasi- Landwirtschaft oder Bergbau sind dazu zwei Hausangestellten in den Städten nimmt zu Stichworte. Die Abwanderung stellt also einen Arbeitsmigration ist unter den indischen Urein- bedeutsamen Beitrag zum Lebensunterhalt der wohnern kein neues Phänomen. Doch seit die gesamten Familie dar. Außerdem müssen etwa Arbeit im ländlichen Raum und speziell auf alle Adivasi-Familien, die ihren Angehörigen ein Teeplantagen knapp wurde, stranden viele von Auskommen im traditionellen Kontext bieten ihnen in den Städten. Neue Arbeitsformen wollen, Land von nicht-indigenen Siedlern er- erfordern neue Organisationsformen. In Indien werben und dafür entsprechend Geld beschaf- organisieren sich neuerdings weibliche fen. Auf Seiten der Hausangestellten stehen Hausangestellte, die aus Adivasi-Familien neben der Verpflichtung gegenüber der Familie stammen. die Möglichkeiten im Vordergrund, aus den Ver- Adivasi-Rundbrief 24 - C - April 2005 hältnissen des Dorfes auszubrechen und am Eine andere Option ist die Gründung einer Ge- Konsum teilzuhaben. In Interviews mit Hausan- werkschaft wie im Bundesstaat Maharashtra, gestellten in Delhi wurden bedrückende Szena- und insgesamt das Bemühen, die offizielle Re- rien im Dorf mit betrunkenen Adivasi-Männern gistrierung als Hausangestellte zu erreichen, und aufdringlichen Nicht-Adivasi-Männern ge- was gesetzliche Mindeststandards bei der Be- nannt. Letztere versuchen, sich durch die Heirat zahlung und bei Arbeitszeiten bedeuten würde. mit einer Adivasi-Frau deren Landansprüche zu Ungelöst in der Bewertung bleibt die grundsätz- erwerben. Die Arbeit in der Stadt verbindet sich liche Frage nach der Ausrichtung der Unter- aber auch mit der Hoffnung auf Unbeschwert- stützung. Die karitative Hilfe für die Einzelper- heit, bessere Gesundheitsversorgung, gutes son steht im Geruch, einige Folgen des auf Essen, neue Kleider und nicht zuletzt mit der Ausbeutung zielenden Systems zwar zu mil- Möglichkeit, den Umgang mit Geld zu lernen. dern, aber das System als solches zu stützen. Die Abwanderung geschieht oft nicht spontan. Andererseits können die angeworbenen Frauen Allein in Delhi gibt es über 500 Agenturen, an nicht einfach auf das Land zurückgeschickt die eine Gebühr für die vermittelte Arbeitsstelle werden. Dies würde den gemeinschaftlichen zu entrichten ist. Häufig kommt es vor, dass die Kontext zwar stärken, die wirtschaftliche Tragö- Agentur eine andere Arbeit versprochen hat als die der Familien und Gemeinschaften aber ver- die jungen Frauen tatsächlich angeboten