SWR2 Musikstunde
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SWR2 MANUSKRIPT SWR2 Musikstunde „Mehr als ein Ave Maria“ Charles Gounod zum 200. Geburtstag (4) Mit Christian Schruff Sendung: 14. Juni 2018 Redaktion: Dr. Ulla Zierau Produktion: SWR 2018 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Musikstunde können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2- Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de SWR2 Musikstunde mit Christian Schruff 11. Juni – 15. Juni 2018 „Mehr als ein Ave Maria“ Charles Gounod zum 200. Geburtstag (3) An diesem Donnerstag mit Christian Schruff. Herzlich willkommen zur 4. Folge der Reihe zum 200. Geburtstag des französischen Komponisten Charles Gounod: „Mehr als ein Ave Maria“. Heute geht’s um den lyrischen Musikdramatiker Gounod. Was tut man, damit die Kritiker nichts Negatives über ein Opernlibretto schreiben können? Ganz einfach: Man wählt einen Opernstoff, dessen Vorlage vom französischen Komödiengott Molière stammt, und ist dadurch quasi unangreifbar. „Der Arzt wider Willen“ - „Le médecin malgré lui“. So heißt nicht nur die Komödie aus dem 17. Jahrhundert, sondern auch die Oper von Charles Gounod. 1858 brauchte der nach zwei Reinfällen am Beginn seiner Laufbahn als Opernkomponist endlich einen Erfolg. Die Ouvertüre führt auch in ältere Zeiten zurück, am Anfang, dreht dann aber auf in bester Rossini-Manier. Musik 1 Take 01/ 001 5:59 Charles Gounod Le médecin malgré lui Orchestra Sinfonica di Roma Della RAI / Leitung: Nino Sanzogno ARCHIPEL/WALHALLA, WLCD0345, LC „Der Arzt wider Willen“ ist die dritte Oper von Charles Gounod, jedenfalls wenn es um die Reihenfolge der Uraufführungen geht. Doch als Gounod diese Komödie vertonte, da war die „lyrische Oper“ „Faust“ schon zu weiten Teilen fertig. Mit dem „Faust“, der in Deutschland „Margarethe“ heißt, damit man die Oper nicht mit Goethes Drama verwechseln kann, ist Gounod dann ein Jahr der Durchbruch gelungen, auch international. 2 Eigentlich sollte „Faust“ 1858 auf die Bühne des „Théatre lyrique“ kommen. Doch als ein Konkurrenztheater auch ein Stück aus dem Faust-Stoff herausbringen wollte, stoppte man das Projekt. Gounod wollte aber am „Faust“ festhalten, klopfte an bei der „Opéra“, wo schon seine beiden ersten Opern in Szene gegangen waren. Doch auch dort wollte man keine zweite Faust-Oper zur selben Zeit. Der „Arzt wider Willen“ war das Trostpflaster, angeboten vom Théatre lyrique. Dass ein in der Oper unerfahrener Komponist seine beiden ersten Bühnenwerke in der Pariser „Opéra“ herausbringen konnte, das war übrigens ziemlich außergewöhnlich. Normalerweise kamen in diesem ersten Haus am Platze nur bewährte Namen zum Zug. Gounod hatte aber eine besondere Fürsprecherin, die Sängerin Pauline Viardot, geborene Garcia. Sie war die Schwester der legendären Maria Malibran, die man auch die „erste Operndiva“ nennt. Gounod hatte Viardot in Rom kennengelernt. In seinen Erinnerungen schreibt Gounod: „Wie sonderbar! Ich hatte als zwölfjähriger Knabe in Rossinis „Othello“ die Malibran gehört, und diese Aufführung hatte in mir den sehnlichen Wunsch erweckt, mein Leben der Musik zu weihen; mit zweiundzwanzig Jahren lernte ich ihre Schwester, Madame Viardot, kennen, für die ich mit zweiunddreißg Jahren, die Rolle der Sappho schreiben sollte.“ Offenbar hatte der junge Rompreis-Stipendiat Eindruck gemacht auf die noch jüngere Sängerin. In Rom war Gounod aber auch elektrisiert von den Predigten des Dominikaners Lacordaire. Und zwar so sehr, dass für er über eine geistliche Laufbahn nachdachte. Pauline Viardot hat ihn von diesem Plan abgebracht. Sie verschaffte ihm, den man in Paris kaum kannte, den Auftrag der „Opéra“, einen kleinen Zwei-Akter zu schreiben, quasi eine Vor-Oper. Viardot hatte sich für die Hauptrolle vorgesehen, die antike griechische Lyrikerin Sappho. Am 16. April 1851 wurde „Sapho“ zum ersten Mal aufgeführt, die erste Oper von Charles Gounod. 3 Die Titelheldin Sappho war damals als Dichterin von Oden sehr en vogue. In der Oper wird sie in eine Verschwörungsgeschichte hineingezogen. Am Ende stürzt sie sich mit ihrer Harfe von einer Klippe ins Meer. Natürlich nicht, ohne ihr Instrument, das Attribut der Dichterin, noch einmal besungen zu haben: „Oh meine unsterbliche Harfe - O ma lyre immortelle.“ Es singt hier Marilyn Horne. Musik 2 CD 03/003 6:53 Charles Gounod „Sapho“, "Où suis-je?...O ma lyre immortelle" (3. Akt) Marilyn Horne, Mezzosopran L'Orchestre de la Suisse Romande / Leitung: Henry Lewis DECCA, 475 8493, LC00171 „Sapho“ sollte ein kleiner, ernster Zwei-Akter werden, ist am Ende aber eine abendfüllende Oper von drei Akten geworden. Gounod hat die Oper im Sommerhaus der Viardot komponiert, während sie auf Tournee war. Sein Bruder war gerade verstorben, Gounod musste die Vormundschaft von dessen Kindern übernehmen und seine alte Mutter trösten. Die konnte er mitnehmen auf den Landsitz der Viardots. Auch Viardots Freund, der russische Dichter Iwan Turgenjew war dort, hat wohl auch kommentiert und Gounod beraten. Im Nachhinein, Jahre nach dem nur mäßigen Erfolg der Premiere, gestand Gounod sich ein: „(Dem Werk) fehlte die Vertrautheit mit der Bühne, die Kenntnis und Beherrschung der theatralischen Effekte und gewandte Behandlung der Instrumentierung.“ Aber – auch das hat Gounod in seinen Erinnerungen festgehalten: „Das Werk ... führte mich bei den Künstlern vorteilhaft ein.“ In den kommenden zwanzig Jahren wird Gounod 10 Opern vollenden und ein paar weiter unvollendet aus der Hand legen. Dass seine erste Oper eine Dichterin als Titelheldin hat, mag Zufall gewesen sein. Doch Gounod wird der Komponist sein, der 4 die Deklamation des Wortes vor die vokale Artistik stellt. Das hat er auch in seinen Liedern getan. Hier, stellvertretend für das große Liedschaffen Gounods, das Lied „Au rossignol“. Gounod hat es 1867 auf ein Gedicht des von ihm sehr verehrten Dichters Alphonse de Lamartine komponiert. Die Nachtigall im Titel verführt Gounod nicht dazu, irgendwelche zwitschernden Kunststücke in die Singstimme zu legen. Hier eine Aufnahme, in der der Komponist Francis Poulenc den Bariton Pierre Bernac begleitet. Musik 3 CD 02/012 4:41 Charles Gounod Au rossignol Pierre Bernac (Bariton) / Francis Poulenc (Klavier) EMI CLASSICS, 569743-2, EAN0724356974326, LC06646 Francis Poulenc war im 20. Jahrhundert einer der Komponisten, die sich die Melodien Gounods zum Vorbild genommen haben. Obwohl „Sapho“ kein durchschlagender Erfolg war, bot die „Opéra“ Gounod ein weiteres Libretto an: „La Nonne sanglante“ – Die blutige Nonne. Das klingt noch Horror und in der Tat hatte der Librettist Eugène Scribe die Vorlage dafür im Horror- Bestseller des Engländers Matthew Gregory Lewis gefunden. Der hatte die Geschichte um einen Familienzwist mit Erotik, Gespenstischem und Magie vermengt. Viele Komponisten hatten die „blutige Nonne“ schon auf dem Schreibtisch: Gounods Lehrer Halévy, der damals tonangebende Meyerbeer, Berlioz und auch Verdi. Sie alle haben aber dankend abgelehnt. Gounod griff zu, komponierte eine mäßig schaurige Geisterszene im zweiten Akt und eine lyrische Cavatine für den Helden der Oper Rodolphe. 5 2008 hat das Theater Osnabrück „Die blutige Nonne“ ausgegraben und Gounods zweite Oper auch auf CD eingespielt. Musik 4 CD 01/011 02/007 5:39 Charles Gounod La Nonne Sanglante, - Intermède fantastique (2. Akt) - Cavatine des Rodolphe (3. Akt) “Un jour plus pur” Yoonki Baek (Tenor) = Rodolphe Chor des Theaters Osnabrück / Sinfonieorchester Osnabrück Hermann Bäumer CPO, 777388-2, EAN 0761203738823, LC08492 Es hatte damals, Mitte des 19. Jahrhunderts, schon effektvollere Geisterszenen auf der Bühne gegeben. Immerhin brachte es Gounods zweite Oper auf elf Aufführungen, die alle gut besucht waren. Als die Opéra einen neuen Intendanten bekam, flog die Nonne aus dem Spielplan und blieb unaufgeführt bis zur Wiedergeburt in Osnabrück 2008. Sie hören die SWR 2 Musikstunde. In dieser Woche geht’s um Charles Gounod, denn am Montag ist sein 200. Geburtstag. Nach der „blutigen Nonne“ kam der „Arzt wider Willen“, mit dem ich diese Sendung eröffnet habe. Dann hat Gounod an einer Oper „Iwan der Schreckliche“ gearbeitet. Die verschwand aber, weil nach einem Attentat auf Kaiser Louis Napoleon - in der „Opéra“! - kaum danach eine Werk dort auf die Bühne kommen konnte, in dem es um ein Mordkomplott gegen einen Herrscher gehen sollte. Die Musik recyclete Gounod später im „Faust“ und in seinen anderen Opern „Mireille“ und „Die Königin von Saba“. „La Reine de Saba“ - das war die erste Oper in Paris nach dem Fiasko, das Richard Wagner mit seinem „Tannhäuser“ dort erlebt hatte. Auch wenn die Oper im Orient spielt, gibt es im 2. Akt einen Walzer... 6 Musik 5 01/011 4:42 Charles Gounod La Reine de Saba Ballettwalzer, Akt 2 London Symphony Orchestra / Leitung: Richard Bonynge DECCA, 466431-2, EAN 0028946643129, LC00171 Noch vor der „Königin von Saba“ hatte Charles Gounod aus Baden-Baden den Auftrag bekommen, ein Pendant zu Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ zu schreiben, also eine Komödie, die sich locker und mit Bezügen auf die Gegenwart auf einen mythologischen Stoff stützt. „Philemon