1 RHEINSTAHL-WERK in Sluttgarl-Feuerbach, Erbaut 1923 Von E
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1 RHEINSTAHL-WERK in Sluttgarl-Feuerbach, erbaut 1923 von E. Fahrenkamp, Pholo von 1925 aus: Stuttgart, Das Buch der Stadt, hrsg. v. F. Elsas, Stuttgart 1925. Judith Breuer/Gertrud Clostermann: Das Rheinstahl-Werk in Stuttgart-Feuerbach, ein früher Industriebau Emil Fahrenkamps Abriß oder Erhalt und Einbezug in die Neuplanung? Im Frühjahr vergangenen Jahres schrieb die Landes- te man in ein weiteres und ein engeres Planungsgebiet, hauptstadt Stuttgart, vertreten durch das Stadtpla- wobei der engere Planungsbereich das Areal zwischen nungsamt, für den Bereich des Pragsattels einen be- Siemens- und Heilbronner Straße im Norden, Prag- schränkten internationalen städtebaulichen Ideenwett- kreuzung im Osten, zwischen neu geführter Strese- bewerb aus zur Errichtung eines „intensiv genutzten mannstraße im Süden und Maybachstraße im Westen und vielfältigen Dienstleistungszentrums mit hohem umfaßt. Auf das im engeren Planungsbereich, und zwar stadtgestalterischem und funktionalem Anspruch". Als an der Ecke Siemens- und Rheinstahlstraße, stehende wichtigste Planungsziele wurden dabei vorgegeben, daß ehemalige Rheinstahl-Werk, ein als Kulturdenkmal die Projekte die Stadtgestalt Stuttgarts und die topo- ausgewiesener Bau von 1923, geht der Auslobungstext graphische Situation des Pragsattels zu berücksichtigen mit folgenden Worten ein: und sich nutzungsmäßig und gestalterisch in die Umge- bung einzubinden haben. „Im Gebiet Pragsattel. liegt die sogenannte Rheinstahl- halle mit einer Fläche von ca. 20000 nr. Die Halle ist bis Das Wettbewerbsgebiet, bislang Industriezone, glieder- heute mehrfach erweitert worden. Die ursprüngliche 2 GESAMTANSICHT des Rheinstahlwerks in Stuttgart-Feuerbach, Photo März 1991. 100 3 RHEINSTAHL-WERK in Stuttgart, Ansicht zur Rheinstahlstraße, Umzeichnung des Baugesuchs von 1922 durch Freie Planungs- gruppe 7. Stuttgart, 1990. 4 RHEINSTAHL-WERK in Stuttgart, Querschnitt durch die Halle, Umzeichnung des Baugesuchs von 1922 durch Freie Planungs- gruppe 7, Stuttgart, 1990. Halle, mit einer Fläche von ca. 3500 m2, wurde 1923 von mensstraße erhalten. Diese Bauteile sind Kulturdenkma- Architekt Prof. Emil Fahrenkamp im Stile des Expressio- le. Im Rahmen des Wettbewerbs können Vorschläge für nismus und der neuen Sachlichkeit errichtet. Die Halle die Integration der denkmalgeschützten Bauteile gemacht (eigentlich: der Komplex) umfaßt auch die angehängten werden. Ein Erhalt der heutigen Gesamthalle ist wegen Büro- und Wohngebäude. Von der ursprünglichen Halle der enormen Flächengröße weniger denkbar, aus diesem sind nur noch zwei originale Außenwände (expressionisti- Grund kann von der Möglichkeit einer Beseitigung ausge- scher Treppengiebel) und die Nebengebäude an der Sie- gangen werden." '""strane 5 LAGEPLAN des Stuttgarter Pragsattels von 1991 mit Kenn- zeichnung des denkmalgeschützten Rheinstahl-Werks und seines Origi- nalbestandes. Stadt Stuttgart, Stadtmessungsamt. 101 6 FASSADE DER HALLE des Rheinstahl-Werks in Stultgarl-Feuerbach zur Rheinstahlstraße, Photo März 1991. Dieser Ausschreibungstext ist dem Rheinstahl-Werk in wird, der denkmalschutzrechtlichen Entscheidung vor. seinem überkommenen originalen Bestand und seiner Im folgenden Beitrag wird daher ausführlich die Denk- Bedeutung nur unzureichend gerecht geworden. Auch maleigenschaft und der Originalitätswert des ehemali- greift der Auslobungstext, in dem die Erhaltung des Fa- gen Rheinstahl-Werks erläutert und damit das öffentli- brikkomplexes dem Belieben der Planer anheimgestellt che Interesse an seiner Erhaltung begründet. Anschlie- 7 DETAIL DER HALLENFASSADE des Rheinstahlwerks in 8 DETAIL VON HALLE UND BÜRO- UND WOHN- Stuttgart-Feuerbach, Photo März 1991. TRAKT des Rheinstahlwerks in Stuttgart-Feuerbach, Photo März 1991. 102 Bend werden anhand der im Oktober 1990 eingereich- gliederte Tempelfront erinnert, ebenfalls dem expres- ten Wettbewerbsbeiträge Lösungsmöglichkeiten dafür sionistischen Stilwollen entspringt. Ein wesentlicher aufgezeigt, wie im Zuge der Verwirklichung des aktuel- Zug der Neuen Sachlichkeit (alias: Neues Bauen oder len planerischen Ziels zugleich einer der prägnantesten Internationaler Stil) indes klingt in der großzügigen Industriebauten der zwanziger Jahre für Stuttgart erhal- Horizontalgliederung der Halle an. Die einzelnen Bau- ten werden kann. körper sind durch expressionistische und sachliche Ele- mente differenziert gegliedert, während ihre Gruppie- Das Rheinstahl-Werk und sein Denkmalwert rung ein ausgewogenes Gesamtbild ergibt. Damit stellt dieser Fabrikbau ein herausragendes Werk der Das Rheinstahl-Werk, bestehend aus Fabrikhalle sowie Moderne dar. In Erkenntnis seiner architekturwissen- Büro- und Wohngebäude, wurde 1923 im Osten schaftlichen und künstlerischen Bedeutung wurde das Feuerbachs, unweit einer der Haupteinfallstraßen Stutt- ehemalige Rheinstahl-Werk, bestehend aus der Halle in garts, der Heilbronner Straße, errichtet. Entwerfender ihrem originalen Umfang und dem Büro- und Wohn- Architekt war der in Düsseldorf tätige Professor Emil Fahrenkamp, Bauherrin die Rheinstahl-Handelsgesell- trakt, 1986 in die Liste der Kulturdenkmale Stuttgarts schaft Stuttgart, eine Tochter der Rheinischen Stahl- aufgenommen. werke Duisburg. Die örtliche Bauleitung oblag dem Der entwerfende Architekt, Emil Fahrenkamp, 1885 in Feuerbacher Architekten Carl Bengel. Aachen geboren und 1966 in Breitscheid bei Düsseldorf verstorben, hatte seine Ausbildung an der Technischen Der Komplex besteht aus der Lagerhalle, die mit ihrer Hochschule Aachen und an der Kunstgewerbeschule als Hauptschauseite ausgebildeten Schmalseite nach Düsseldorf bei Wilhelm Kreis erhalten. 1919 war Fah- Osten auf die Rheinstahlstraße orientiert ist, und dem renkamp als damals jüngster Professor an die Kunst- rechtwinklig an der Nordseite, gegen die Siemensstraße akademie Düsseldorf berufen worden. Berühmtheit er- anstoßenden L-förmigen Flügel mit den Büro- und langte er in den zwanziger und dreißiger Jahren mit Wohnräumen, wobei der niedrige Anbau an der Sie- Hotel-, Verwaltungs- und Industriebauten, durch erste mensstraße nachträglich, wahrscheinlich noch vor dem Preise bei städtebaulichen Wettbewerben und durch 2. Weltkrieg, entstand. Der Rheinstahl-Komplex ist all- Kirchenbauten. Zu seinen Werken zählen das Fabrikge- seitig mit Backstein, dem für den niederrheinischen Ar- bäude der Firma Bayer in Leverkusen von 1919 und chitekten Fahrenkamp vertrauten Baumaterial, verblen- zahlreiche Fabriken der Rheinischen Stahlwerke, die det. zwischen 1921 und 1924 entstanden; dazu gehören au- Die östliche Stirnseite der Halle zeichnen dabei ein ßer in Stuttgart Werke in Berlin, Dillenburg, Düssel- breitgelagerter Treppengiebel und in der Mitte sieben dorf, Duisburg, Frankfurt, Hamburg und Nürnberg. hohe, schmale, mit sechs Pfeilern alternierende Fenster Zwischen 1924 und 1930 entstand nach Fahrenkamps aus. Kunststeinsimse gliedern die Fassade dabei in we- Plänen das Haus Grenzwacht bzw. das heute sogenann- nige breite Horizontalabschnitte, wobei die Wandflä- te Alte Verwaltungsgebäude in Aachen, der erste Stahl- chen zu beiden Seiten der Mittelöffnung durch zwei in skelettbau Deutschlands. 1925 erlangte er beim Wettbe- einer Achse angeordnete flache Segmentkreisfenster werb um den Neubau des Düsseldorfer Rathauses den und je eine zweiseitige, spitz vorstoßende Wandvorlage ersten Preis. Der Bau wurde jedoch nicht ausgeführt. senkrecht gegliedert sind. Dekorativ gemauerte Fenster- 1926/27 entstand nach Fahrenkamps Entwurf das Pa- bögen und Mauerverbände sowie die strahlenförmigen lasthotel Breitenbacher Hof in Düsseldorf, welches im Sprossen der Stahlfenster setzen dabei zurückhaltende 2. Weltkrieg zerstört wurde. 1927 errang Fahrenkamp Akzente. den ersten Preis im Wettbewerb für den Völkerbundpa- last in Genf. Die hinter der Staffelgiebelfront zu erahnende, ur- sprünglich dreischiffige Halle, im überhöhten Mittel- 1928 errichtete Fahrenkamp sein wohl international be- schiff für einen Laufkran eingerichtet, trägt ein Eisen- rühmtestes Gebäude, das Kurhotel auf dem Monte fachwerkdach mit Glasoberlichten in Form kleiner Veritä in Ascona/Lago Maggiore. Als Bauherr zeichne- Walmdächer. Verantwortlicher Ingenieur für diese te Baron Eduard von der Heydt, Bankier Kaiser Wil- Konstruktion war der Stuttgarter Regierungsbaumeister helms II., Mäzen und einer der größten Kunstsammler Alfred Jackson. Erschlossen wurde und wird die Halle seiner Zeit. Das hell verputzte Gebäude, das sich in durch ein Tor an der nördlichen Traufseite, unmittelbar Terrassen bzw. Loggien und großen Fenstern zum Tal seitlich der Giebelfront. öffnet, stellt eine der gelungensten Schöpfungen des neuen sachlichen Bauens dar. Mit der Errichtung die- Der anschließende zweigeschossige Büro- und Wohn- ses Hotels steigerte sich um ein weiteres die Attraktivi- trakt schließt an der Nordostecke zur Siemensstraße tät des Monte Veritä, der bereits seit der Jahrhundert- mit einem den Komplex überragenden, viergeschossi- wende Refugium und Treffpunkt von Revolutionären, gen Bauteil mit Walmdach ab. Die Gliederung erfolgt Lebensreformem und Künstlern, wie Wladimir Iljitsch bei diesem Flügel vorwiegend in der Vertikalen, und Lenin, Leo Trotzki, Erich Mühsam, Rudolf Steiner, Ste- zwar durch jeweils zwischen den Fensterachsen ange- fan George, Hermann Hesse, Hans Arp und Paul Klee, brachte zweiseitige Wandvorlagen sowie durch jeweils war. Im gleichen Jahr, 1928, erbaute Fahrenkamp in über den Fensterachsen aufsitzende Gaupen. Mülheim an der Ruhr die Marienkirche, die am Sche- Der Gebäudekomplex verbindet also in seiner Gestal-