Autor: MOSER Martin

Das bedingungslose Grundeinkommen im Ländervergleich Utopie oder Notwendigkeit?

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts

Eingereicht an der

Umwelt-, Regional- und Bildungswissenschaftlichen Fakultät

Karl-Franzens-Universität Graz

Gutachter: HÖLLINGER Franz, Ao.Univ.-Prof. Dr.phil. Institut für Soziologie

2020

Inhalt: Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein umstrittenes Modell einer Sozialreform, in dem alle Bürger/innen bedingungslos eine Geldsumme vom Staat erhalten sollen, die ausreicht, um die Grundbedürfnisse zu decken und steuerfinanziert ist. Diese Masterarbeit soll einen Überblick über die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen schaffen, indem Argumente dafür und dagegen erörtert werden. Im ersten Teil der Arbeit wird die wissenschaftliche Literatur zum Thema aufgearbeitet. Die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen bewegt sich auf einer sachlichen und einer ideologischen Ebene. Auf der sachlichen Ebene wird diskutiert, ob und wie das bedingungslose Grundeinkommen finanzierbar ist und ob die Auswirkungen einer Einführung, wie etwa die vermeintlich sinkende Arbeitsleistung, für die Gesellschaft tragbar wären. Auf der ideologischen Ebene wird diskutiert, ob das Konzept des BGE gerecht ist und ob dessen Einführung die Leben der Menschen tatsächlich verbessern würde. Realpolitisch gab es bereits einige Versuche, wie etwa in den USA oder aktueller auch in Finnland, jedoch wurde das bedingungslose Grundeinkommen nirgends längerfristig eingeführt.

Im empirischen Teil der Arbeit wird anhand einer Sekundärdatenanalyse einer internationalen Fragebogenstudie der Frage nachgegangen, inwiefern und warum sich die Debatte zwischen ausgewählten EU-Mitgliedsländern unterscheidet. Für die Sekundärdatenanalyse wurden die Länder Österreich, Deutschland, Finnland, Dänemark, Belgien, Irland und Spanien für eine nähere Analyse ausgewählt. Außerdem wird untersucht, ob soziodemografische Faktoren einen Einfluss auf die Einstellung, das Wissen und die Argumente bezüglich des Grundeinkommens haben.

Es scheint einen positiven Zusammenhang zwischen der Präsenz der Debatte in einem Land und der Zustimmung zu geben. In Ländern, in denen sich Leute gut mit dem BGE auskennen, wie etwa Finnland, ist die Zustimmung tendenziell höher. Ein weiterer Einflussfaktor ist wohl der soziopolitische Rahmen der Länder. Es finden sich Hinweise, dass die reale Erfahrung durch einen Versuch mit dem BGE in Finnland zur positiven Einstellung gegenüber dem BGE führt. Die relativ starke Ablehnung des BGE in Dänemark dürfte damit zusammenhängen, dass in diesem Land Sozialleistungen eng an Erwerbsarbeit gebunden sind.

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Abstract: The is a controversial model of social reform, in which all citizens are to receive unconditionally a sum of money from the state which is sufficient to cover basic needs and is financed by taxes. This master's thesis aims to provide an overview of the debate on the universal basic income by discussing arguments for and against it. In the first part of the thesis, the scientific literature on the subject will be reviewed. The debate on the universal basic income is on a factual and an ideological level. On the factual level, it is discussed whether and how the universal basic income can be financed and whether the effects of its introduction, such as the supposed decline in work performance, would be acceptable to society. On the ideological level, there is a discussion of whether the concept of UBI is fair and whether its introduction would actually improve people's lives. There have already been some attempts to try out basic income models in practice, for example in the USA or more recently in Finland, but none of these experiments have been carried out over longer periods of time.

In the empirical part of the study, I investigate in which ways the public opinion about basic income differs between selected EU member states, using data from an international survey. For this analysis, Austria, Germany, Finland, Denmark, Belgium, Ireland and Spain were selected. Also, the impact of socio-demographic factors on attitudes, knowledge and arguments concerning is examined.

There seems to be a positive correlation between the presence of the debate in a country and the public support for the UBI. In countries where people are well acquainted with the UBI, such as Finland, support tends to be higher. Another influencing factor is probably the socio-political framework of the countries. There is some evidence that real experience with the UBI, like the experiment in Finland, leads to positive attitudes towards UBI. The relatively strong opposition to the UBI in Denmark is probably related to the fact that in this country social benefits are closely linked to gainful employment.

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Inhalt

1. Einleitung ...... 6

1.1. Relevanz des Themas ...... 7

1.2. Was ist das bedingungslose Grundeinkommen?...... 9

1.3. Wer soll das bedingungslose Grundeinkommen bekommen? ...... 10

1.4. Historische Vorläufer ...... 13

1.4.1. Argrarian Justice ...... 13

1.4.2. La fausse industrie ...... 14

1.4.3. Joseph Charliers „Lösung des Sozialproblems“ ...... 15

1.5. Verschiedene Modelle ...... 15

1.5.1. Götz Werners Modell ...... 16

1.5.2. Das solidarische Bürgergeld ...... 17

1.5.3. Beteiligungs-Entschädigung...... 18

1.5.4. Ein beschränktes bedingungsloses Grundeinkommen ...... 18

1.5.5. Das Schweizer Modell ...... 19

2. Argumente für und gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen ...... 20

2.1. Die sachliche Ebene ...... 21

2.1.1. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ...... 21

2.1.2. Wirtschaftliche Auswirkungen der Einführung eines BGE ...... 26

2.1.3. Arbeitsanreize ...... 29

2.1.4. Die Automatisierung der Arbeitswelt...... 32

2.1.5. Die Probleme des aktuellen Sozialsystems...... 38

2.1.6. Die Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens...... 42

2.2. Die ideologische Ebene ...... 53

2.2.1. Mehr Selbstbestimmung und -entfaltung...... 54

2.2.2. Gesundheit...... 55

2.2.3. Der Arbeitsbegriff ...... 56

2.2.4. Die Menschenwürde ...... 58 4

2.2.5. Ungleichheit und Gerechtigkeit ...... 60

2.2.6. Soziologische Theorien verschiedener Gerechtigkeitsprinzipien ...... 64

3. Experimente mit dem bedingungslosen Grundeinkommen ...... 66

3.1. Grundeinkommensversuche in den USA ...... 67

3.2. Das Mincome Experiment...... 69

3.3. Das finnische Grundeinkommen-Experiment ...... 71

4. Die politische Ebene der Grundeinkommensdebatte ...... 73

4.1. Die Akteur/innen in der Grundeinkommensdebatte ...... 76

4.2. Die Rolle der Kultur in der Grundeinkommensdebatte ...... 81

4.3. Der ökonomische und politische Kontext in der Grundeinkommensdebatte 83

4.4. Der politische Prozess der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ...... 88

5. Empirischer Ländervergleich der Grundeinkommensdebatte am Beispiel von ausgewählten EU-Mitgliedsstaaten ...... 91

5.1. Methodik und Datenauswahl ...... 92

5.2. Einstellung gegenüber dem bedingungslosen Grundeinkommen im Vergleich...... 93

5.3. Das Wissen über das BGE im Vergleich ...... 98

5.4. Die Argumentationen um das bedingungslose Grundeinkommen im Ländervergleich ...... 99

5.4.1. Argumente für ein bedingungsloses Grundeinkommen ...... 99

5.4.2. Argumente gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen...... 102

6. Resümee und Ausblick ...... 106

7. Literaturverzeichnis ...... 110

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1. Einleitung

Das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens, auch oft BGE abgekürzt, hält sich hartnäckig im öffentlichen Diskurs und die Debatte um dessen Umsetzbarkeit flammt immer wieder auf. Es scheint, als würde der Ruf danach immer lauter. Häufig wirkt es wie eine Diskussion zwischen Ideologie und Umsetzbarkeit, zwischen Utopie und Notwendigkeit. Das Spannende an der Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen ist, dass die Forderung danach in den unterschiedlichsten politischen Strömungen und zivilgesellschaftlichen Gruppen zu finden ist, das heißt es ist durchwegs keine Debatte zwischen links und rechts (vgl. Bock-Schappelwein et al. 2018, S. 20). Ob dies die politische Durchsetzbarkeit erleichtert oder erschwert ist jedoch umstritten.

Es scheint, dass in diesen Debatten über das bedingungslose Grundeinkommen oft eine Verwirrung darüber besteht, wie es eigentlich konkret aussehen würde und oft keine realistische Perspektive für dessen Auswirkungen besteht. Selbstverständlich ist es nicht möglich, sichere Aussagen über die Konsequenzen des Grundeinkommens auf unsere komplexen Gesellschaften zu treffen, dennoch werden in dieser Arbeit mögliche und realistische Auswirkungen auf die Arbeitswelt und die Gesellschaft erörtert.

In dieser Arbeit wird erst erklärt, was ein bedingungsloses Grundeinkommen ist, wer es bekommt und welche unterschiedlichen Modelle es gibt. Auch historische Vorläufer der Grundeinkommensmodelle werden vorgestellt. In einem weiteren Teil werden die Argumente für und gegen das BGE diskutiert, erst auf einer sachlichen Ebene und dann folgend auf einer ideologischen. Bei der sachlichen Ebene steht die Diskussion um die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, sowie die Finanzierung des BGE im Vordergrund. Dabei werden auch die verschiedenen Finanzierungsvorschläge beschrieben. Schließlich werden Experimente dargestellt, die in Bezug auf die im Vorfeld beschriebenen Argumente erörtert werden. Anschließen folgt eine Erörterung der Grundeinkommensdebatte in Europa, wobei auf nationale Ebenen und den politischen Bezug der Grundeinkommensdebatte eingegangen wird. Schließlich folgt ein empirischer Teil, in dem eine Sekundäranalyse der Daten, die Dalia Research 2016 bei einer europaweiten Umfrage zum bedingungslosen Grundeinkommen, gesammelt haben, durchgeführt wird (vgl. Lam 2016). Dabei werden das Wissen, die Einstellung

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und die Argumente für und gegen das bedingungslose Grundeinkommen von Befragten aus den Ländern Österreich, Spanien, Deutschland, Belgien, Niederlande und Finnland untersucht. Warum diese Länder ausgewählt wurden, wird im empirischen Teil genauer erklärt.

Das bedingungslose Grundeinkommen mag oft als eine Utopie angesehen werden, jedoch könnte es auch als eine mögliche Lösung für Probleme eingesetzt werden, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen mit sich bringen. So könnte man das BGE als Antwort auf Veränderungen in der Arbeitswelt oder als Reform des traditionellen Sozialsystems sehen (vgl. Thaler 2012, S. 73). Lukschandl (2020) betont, dass Utopien stehts gesellschaftlichem Fortschritt vorangegangen sind. Als Beispiele nennt er die Abschaffung der Sklavenhaltung, die Einführung von Krankenversicherungen oder etwa auch die Frauenrechte. Diese Beispiele seien vor ihrer Einführung unvorstellbar gewesen und seien auf heftigen Widerstand gestoßen, doch heute erscheinen sie uns als selbstverständlich und richtig (vgl. Lukschandl 2020, S. 14).

1.1. Relevanz des Themas

Das Thema das bedingungslosen Grundeinkommen beschäftigt die Menschen seit mehreren Jahrhunderten, wurde in den letzten Jahren viel diskutiert und erlebt aktuell gerade einen neuen Aufwind. Während des Verfassens dieser Masterarbeit kam es zum Ausbruch der COVID-19-Pandemie. Durch Maßnahmen, die die Verbreitung des Virus einschränken sollen, wie etwa die Schließung von Geschäften, der Gastronomie und Veranstaltungen, sowieso Ausgangsbeschränkungen, kam zu einer massiven Arbeitslosigkeit, die weltweit wohl bald an die 200 Millionen Menschen betrifft (vgl. BBC News 2020). Durch ebendiese Arbeitslosigkeit wird die Notwendigkeit der Grundversorgung für viele Menschen immer größer. Da ohnehin viele Menschen jetzt Geld durch Hilfspakete bekommen, ist auch der Gedanke eines Grundeinkommens nicht mehr weit. Der Zukunftsforscher Andreas Reiter hält es für zielführender, ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen, statt ein Hilfspaket nach dem anderen zu schnüren. Es stärke die Gemeinschaft und würde alle sicher durch diese Krise bringen. Er bezeichnet das BGE als „ein Gebot der Stunde“ (vgl. Strobl 2020). Auch die Transformationsforscherin Maja Göpel schließt sich dieser Meinung an. Sie 7

ist der Meinung, dass man das Grundeinkommen eben nicht so nennen solle, wenn sich so viele dagegen wehren, sondern es als „Corona-Rückversicherung“ auszahlen solle. Dies würde Panik aus der Situation nehmen und könnte Chancen eröffnen, dass sich Betroffene inzwischen weiterbilden könnten, wenn sie wissen, dass sie bis Ende des Jahres versorgt wären. Göpel kritisiert in diesem Kontext auch den Strukturkonservatismus der Gesellschaft, obwohl man jetzt die Chance hätte, über die Zukunft der Arbeit nachzudenken (vgl. Göpel 2020, min. 13:00). Der deutsche Philosoph Richard David Precht, der bekennender Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens ist, widerspricht in diesem Fall jedoch Göpel und Reiter. Seiner Meinung nach ist das Grundeinkommen keine gute Maßnahme in einer Krisensituation, da er von kurzfristigen Versuchen zum BGE nichts hält. In dieser Corona-Krise müsse der Staat bedürfnisgerecht helfen und jetzt würde es den wenigsten etwas bringen. Das Grundeinkommen müsse ein Projekt sein, das eher mittel- bis langfristig gedacht wird (vgl. Precht 2020, min. 38:20). Jedoch sieht selbst der Wirtschafts-Nobelpreisträger Robert Schiller das bedingungslose Grundeinkommen als Ausweg aus der Krise (vgl. Bernau 2020).

Auf staatlicher Ebene wird im Kontext der Corona-Krise in Spanien über die Einführung eines Grundeinkommens nachgedacht. Der neomarxistische Vizepremier Pablo Iglesias forderte die sofortige Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens als Antwort auf die Folgen der Corona-Krise. Jedoch wehrte sich das Finanzministerium und verweist auf die Nicht-Finanzierbarkeit und darauf, dass man ein solches Vorhaben lange planen müsse. Darum einigte man sich auf einen Kompromiss, nämlich ein Grundeinkommen für Mittellose in der Höhe von 450 Euro für Alleinstehende und 950 Euro für Familien (vgl. Urban 2020). Spanien wurde hart von den Auswirkungen der Pandemie getroffen. Die Arbeitslosigkeit stieg aufgrund der Corona-Krise um fast eine Million auf 3,5 Millionen an (vgl. Müller 2020). Diese Maßnahme wurde international erst als bedingungsloses Grundeinkommen wahrgenommen, ist jedoch genau genommen eher eine Mindestsicherung. In Deutschland wurden so auch je 800 bis 1200 Euro für 6 Monate gefordert, was aber die Kosten der aktuell bestehenden Hilfspakete fast verdoppeln würde (vgl. Bernau 2020). Auch in den USA findet die Idee des „universal basic income“ aufgrund der Corona- Krise einige bekannte Anhänger, etwa den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten und derzeitigen Senator Mitt Romney, sowie auch einige Unternehmer aus dem Silicon 8

Valley. Die Idee wird sowohl von Republikaner/innen, als auch von Demokrat/innen unterstützt (vgl. Levy 2020).

Ob die Zeit des bedingungslosen Grundeinkommens durch die Corona-Krise nun gekommen ist, wird sich erst zeigen. Jedoch bietet die aktuelle Situation eine Chance auf einen Neuaufbau und möglicherweise gibt es aufgrund der wirtschaftlichen Strapazen, mit denen die Staaten klarkommen müssen, ein Umdenken.

Bevor näher auf das bedingungslose Einkommen und die Argumente dafür und dagegen eingegangen wird, gilt es ein paar Begriffe und Konzepte näher zu definieren. Eine genaue Definition ist in diesem Kontext wichtig, da Raum zu unterschiedlichen Interpretationen massive Auswirkungen auf den politischen Diskurs über das bedingungslose Grundeinkommen haben könnten (vgl. Blasge 2015, S. 20).

1.2. Was ist das bedingungslose Grundeinkommen?

Bei Vanderborght und Van Parijs (2005) wird das bedingungslose Grundeinkommen als „(...) ein Einkommen, das von einem politischen Gemeinwesen an alle seine Mitglieder individuell, ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Gegenleistung ausgezahlt wird“ definiert (Vanderborght und Van Parijs 2005, zitiert nach Blasge 2015, S. 19). Dabei sind zwei Punkte besonders wichtig. Erstens ist es ein Grundeinkommen, das heißt, die Bürger/innen bekommen – je nach Modell – monatlich oder jährlich einen gewissen Fixbetrag und zweitens ist es „bedingungslos“, also bekommt es jede/r, unabhängig von jeglichen Leistungen und Voraussetzungen.

Bei Neuendorff et al. (2009) wird auch noch der Finanzierungsweg in die Definition miteinbezogen: „Unter dem allgemeinen Grundeinkommen wird eine steuerfinanzierte, an keinerlei Bedingungen gebundene Transferleistung verstanden.“ (Neuendorff et al. 2009, S. 10). International wird vom „basic income“ gesprochen, das „auf eine für alle identische Basisleistung verweist, zu denen noch Einkünfte aus anderen Quellen ohne Abstriche hinzukommen können.“ (Basic Income Earth Network, zitiert nach Blasge 2015, S. 20).

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Das Grundkonzept des bedingungslosen Grundeinkommens umfasst mehrere Punkte. Erstens leistet dabei der Staat an alle Staatsangehörigen eine Transferzahlung, die in der Höhe der Existenzsicherung ist und durch Steuergelder finanziert wird. Zweitens wird es an alle ausgezahlt, egal welches Alter und egal in welcher Beschäftigung die Person steht. Außerdem müssen, um es zu erhalten, keine Bedingungen erfüllt und keine Anträge gestellt werden, und somit wird auch kein bürokratischer Aufwand benötigt. Die Einführung eines Grundeinkommens würde alle abgaben- und steuerfinanzierten Sozialleistungen, wie etwa Pensions-, Arbeitslosen- oder Pflegeversicherungen und auch Wohn- und Kinderbeihilfe, ersetzen (vgl. Hohenleitner und Straubhaar 2008, S. 20f.). Es gibt auch Modelle des BGE in dem die Höhe der Auszahlung nicht nur am Existenzminimum bemessen wird, sondern wo auch eine gewisse kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe damit abgesichert werden soll. Es geht also nicht bloß um finanzielle Absicherung, denn im Gegensatz zu bedarfsorientierten Sicherungssystemen, soll es ohne Prüfung der Bedürftigkeit und unabhängig von Eigenschaften wie Alter, Einkommen, Arbeitsstatus oder Familienstand an alle ausgezahlt werden. Die meisten Modelle weisen außerdem die Charakteristik auf, dass das BGE durch andere Einkommen ergänzbar ist (Thaler 2012, S. 60).

1.3. Wer soll das bedingungslose Grundeinkommen bekommen?

Grundsätzlich ist die Idee bei einem BGE, dass jede/r es bekommt, da es schließlich per Definition bedingungslos ist. Da es vom Staat ausbezahlt wird und innerhalb dessen durch Steuern finanziert wird, macht es jedoch Sinn, die Auszahlung an die jeweiligen Bürger/innen eines Staates zu tätigen. Werner (2018) rechnet dies am Beispiel von Deutschland vor. 2018 lebten in Deutschland 44,7 Millionen Erwerbstätige und 21 Millionen Renter/innen. Die Auszubildenden beliefen sich auf 2,8 Millionen Schüler/innen und 2,8 Millionen Studierende und 2018 gab es 2,4 Millionen Arbeitslose. All diese Leute wären nach Werner berechtigt, ein Grundeinkommen zu beziehen (vgl. Werner 2018, S. 21). Diese Rechnung soll auch aufzeigen, dass jede/r beziehungsberechtigt wäre, unabhängig von Erwerbstätigkeit oder Ausbildung. In Bezug auf Österreich würde die Rechnung etwa so aussehen: 2018 lebten etwa 8,8 Millionen Menschen in Österreich, von denen 4355000 Menschen 2019 einer

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Erwerbstätigkeit nachgingen (vgl. Statistik Austria 2020a, 2020c). 1132367 Schüler/innen und 382945 Studierende bilden die Auszubildenden (vgl. Statistik Austria 2020b). All diese Leute wären also in Österreich Bezieher/innen eines Grundeinkommens, auch wenn die Schüler/innen in den meisten Modellen einen geringeren Betrag erhalten würden, der als Art Kindergeld an die Eltern ausgezahlt werden würde (vgl. Blasge 2015, S. 93). Da die Existenzsicherung im Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens eine wichtige Rolle spielt, wird angedacht, das bedingungslose Grundeinkommen auf nationaler Ebene einzuführen, da das Existenzminimum von Volkswirtschaft zu Volkswirtschaft unterschiedlich ausfällt. Dennoch fordert die Global Basic Income Foundation ein weltweites bedingungsloses Grundeinkommen und bezieht sich dabei auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, worauf in Kapitel 2.2.4. noch näher eingegangen wird (vgl. Niemann 2015, S. 157). Jedoch müsste wohl auch ein weltweites BGE auf staatlicher Ebene auf nationale Gegebenheiten angepasst werden.

Die Bedingung, die es also selbst bei den meisten Konzepten des bedingungslosen Grundeinkommens gibt, ist die Staatsbürgerschaft. Da die Auszahlung des BGE vom Staat an alle Staatsangehörigen ausfallen würde, so hätten auch nur die Staatsbürger/innen Anrecht auf ebendiese. So könnte das Grundeinkommen eben ein Teil der Rechte und Pflichten sein, die mit der Staatsbürgerschaft einhergeht. Da das BGE vor allem zur Bekämpfung der Armut dienen soll, ergibt sich der Gedanke, ob es nicht allen dauerhaften Bewohner/innen eines Staatgebietes zustehen solle. Dies könnte allerdings zu gesellschaftlichen Konflikten führen, wenn auch Nicht- Staatsbürger/innen Anspruch auf ein bedingungsloses Grundeinkommen hätten und auch ein Migrationsanreiz für das Land mit dem höchsten Grundeinkommen entstehen würde, doch dazu genauer später. Aufgrund dessen schlagen Vanderborght und Van Parijs vor, dass für Bewohner/innen aus anderen Länder die Mindestresidenzzeit oder die gleichen Bedingungen, die zur Definition des Steuerwohnsitzes dienen, als Kriterien herangezogen werden dafür, ob sie ein Grundeinkommen erhalten (vgl. Vanderborght und Van Parijs 2005, zitiert nach Blasge 2015, S. 92).

Wenn jede/r Bürger/in das Recht auf ein gewisses Grundeinkommen hat, stellt sich natürlich die Frage, ob man dieses Recht auch irgendwie verlieren kann. So sollten nach Vanderborght und Van Parijs Verbrecher/innen, die Schaden angerichtet haben und durch ihre Haft der politischen Gemeinschaft Kosten auslösen, während ihrer Haft

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das Recht auf ein Grundeinkommen verlieren (vgl. Vanderborght und Van Parijs 2005, zitiert nach Blasge 2015, S. 92).

Es wurde bereits davon gesprochen, dass jede/r Anspruch auf ein Grundeinkommen hätte, jedoch wird meist in den Modellen von volljährigen Einwohner/innen gesprochen, die das Recht auf das gesamte BGE haben. Bei Kindern und Jugendlichen könnte der Betrag etwas geringer ausfallen und in Form eines Kindergeldes ausgezahlt werden, der den Erziehungsberechtigten zur Verwaltung zur Verfügung steht. Man könnte das jeweilige Grundeinkommen der Jugendlichen und Kinder auch vom sozioökonomischen Status der Eltern abhängig machen. In diesem Kontext wird debattiert, ob das Individuum oder der Haushalt das BGE beziehen sollte. Als Haushaltseinheit hat man günstigere Lebensbedingungen, da die Lebenserhaltungskosten mit wachsender Haushaltsgröße abnehmen. So sind etwa Mietkosten pro Person geringer, wenn man sich die Miete teilt, als wenn man allein wohnt. Wenn man allerdings das BGE je nach Haushaltsgröße auszahlen würde, würde es jedoch wiederum einer administrativen Überprüfung dieser Haushalte bedürfen, was zusätzliche Kosten verursachen würde (vgl. Blasge 2015, S. 93). Darum ist auch die gängige Idee, dass das Grundeinkommen an Individuen und nicht an Haushalte ausgezahlt wird. Dies hätte den Vorteil, dass Kontrollen im persönlichen Bereich und finanzielle Abhängigkeitsverhältnisse durch die individuelle Ausbezahlung wegfallen würden. Haushaltsbezogene Auszahlungen des BGE wären nach einigen Meinungen nicht mehr zeitgemäß (vgl. Thaler 2012, S. 64). Es gibt auch Modelle, bei denen es altersabhängige Abstufungen der Höhe des ausbezahlten Grundeinkommens gibt. So sollen etwa Pensionist/innen und Kinder je nach Alter weniger erhalten (vgl. Schloen 2019, S. 20).

Man müsste sich Gedanken machen auf welcher Ebene man ein bedingungsloses Grundeinkommen einführt. Viele Menschen aus Ländern ohne Grundeinkommen würden etwa bei Einführung des BGE in einem bestimmten Land davon profitieren wollen, zum Beispiel durch Migration. Ein möglicher Schritt dagegen wäre die Einführung des BGE auf einer supranationalen politischen Einheit, wie etwa der EU. Natürlich müsste trotzdem auf regionale, kommunale und nationale Einkommen und Lebenskosten Rücksicht genommen werden, da diese von Land zu Land unterschiedlich aussehen (vgl. Blasge 2015, S. 91).

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1.4. Historische Vorläufer

Auch wenn das bedingungslose Grundeinkommen ein hochaktuelles Thema ist, gibt es die Idee eines BGE schon lange und ist kein Unikat der Weltgeschichte. Die Diskussion um ein gewisses bedingungsloses Grundeinkommen geht bis in die Zeit der Spartiaten zurück (vgl. Blasge 2015, S. 39). Die garantierte Versorgung durch ein Einkommen wurde das erste Mal im Werk „Utopia“ von Thomas Morus 1516 erwähnt, während dessen Kollege Juan Luis Vives die Idee zu einem umfassenden Konzept entwickelte (vgl. Schloen 2019, S. 14). Jedoch kann man sagen, dass das Thema aufgrund aktueller gesellschaftlicher Umstände wieder aktuell geworden ist. Dennoch sollen in diesem Kapitel auf konkrete Beispiele historischer Vorläufer präsentiert werden, um aufzuzeigen, dass die Basis der Argumentation hinter der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen keineswegs ein modernes Phänomen ist, obwohl sie keineswegs an Relevanz eingebüßt hat. Allerdings muss auch darauf hingewiesen werden, dass es sich bei den historischen Vorläufern, wie der Name des Werkes von Thomas Morus auch schon besagt, um Utopien handelt.

1.4.1. Argrarian Justice

Die ersten Überlegungen dazu stammen von , der in seinem 1795 erschienenen Werk „Argrarian Justice“ Zusammenhänge zwischen Bodenaufteilung und deren Erträgen und den damit verbundenen Problemen der Gerechtigkeit beschreibt. Dabei forderte er, dass jede/r Bürger/in mit seinem/ihrem einundzwanzigsten Geburtstag von staatlichen Fonds 15 Pfund Sterling für die naturrechtlichen Ansprüche, die ihnen durch die Zivilisation genommen wurden, bekommt. Er betont, dass jede/r dasselbe Anrecht auf die Kompensation habe, egal welches Vermögen geerbt oder erarbeitet wurde (vgl. Blasge 2015, S. 27f.). Man könnte es also als bedingungslos bezeichnen.

Paine begründet dies so, dass Armut nichts Natürliches sei, da die Naturvölker der Indianer die Armut, die in Europas Städten herrscht, schlichtweg nicht kennen. Die Erde war in ihrem ursprünglichen Zustand gemeinsames Eigentum der Menschen. In diesem Zustand ist sie jedoch nicht in der Lage, eine große Menge an Menschen zu ernähren, wie es im kultivierten Zustand der Fall ist. Jede/r Besitzer/in von Grund 13

schuldet der Gemeinschaft also eine „Grundrente“ (Paine nennt es im Originalen „ground rent“), denn die Kultivierung der Erde sei zwar eine gute, notwendige Sache, jedoch nicht, wenn sie einen Großteil der Leute ihres natürlichen Erbes beraubt. Das natürliche Erbe bezieht sich auf die natürlichen Ressourcen, die ein Mensch früher einfach der Natur entnehmen konnte.

Thomas Paine beschuldigt allerdings nicht die Grundbesitzer/innen, sondern das System. Die Bedingungslosigkeit wird bei Paine auch bereits erwähnt. So sollen arme und reiche Personen gleichermaßen die Zahlungen erhalten, da das natürliche Erbe ebenfalls allen Leuten zustehen würde. Das Grundsatzargument von Paines „“ ist, dass kein Mensch in der Zivilisation schlechter dastehen sollte, als er es im Naturzustand würde, und dafür muss die Zivilisation sorgen – in Form einer Zahlung (vgl. Paine 1795).

1.4.2. La fausse industrie

Charles Fourier (1772-1837) forderte in seinem Werk „La fausse industrie“, das ein Jahr vor seinem Ableben erschien und mit „die falsche Industrie“ übersetzt werden kann, dass Menschen eine Entschädigung für das verlorene Naturrecht verdienten. Das Naturrecht bezieht sich auf das Recht zu jagen, sammeln, fischen und weiden, das durch die Arbeitsteilung der frühindustriellen Entwicklung verloren gegangen ist. Die Bedingungslosigkeit dieses Grundeinkommens wurde auch von Fourier betont, da diese Entschädigung ohne Gegenleistung ausbezahlt werden solle (vgl. Blasge 2015, S. 28). Diese Entschädigung wird von der Klasse geschuldet, die die Ländereien den Menschen weggenommen hat. Auch wenn Fourier hier die besitzende Klasse anspricht, wollte er dennoch im Gegensatz zum kommunistischen Klassenkampf die Klassen nicht abschaffen, sondern einfach die Armut bekämpfen. Er wollte eine Entschädigung, die den drei Armutsklassen je nach Klasse ihre Existenz sichert. Fourier hatte also bereits die Wichtigkeit der Existenzsicherung erkannt, doch er schrieb auch bereits über das Problem, dass Menschen dann möglicherweise nicht mehr arbeiten würden. Seine Lösung wäre ein attraktives Wirtschaftssystem, das die Bevölkerung trotz Existenzsicherung zum Arbeiten bewegen würde. Neben der Gegenleistung für den Landesdiebstahl, stehe ihr nämlich auch eine attraktive Arbeit zu. Im Grunde forderte Fourier gute Arbeitsbedingungen und argumentierte, dass 14

diese die Produktivität der Gesellschaft steigern würden, wodurch auch dieses Grundeinkommen ein gutes Niveau erreichen könnte (vgl. Blaschke 2015).

1.4.3. Joseph Charliers „Lösung des Sozialproblems“

Joseph Charliers Werk „Lösung des Sozialproblems“ (1848) gliederte sich bei Paines und Fouriers Vorstellungen ein. Privater Grundbesitz sei nach Charlier ungerecht und solle verstaatlicht werden, was ihn zu einem frühen Sozialisten macht. Während das Privateigentum des Bodens verstaatlicht wird, sollen die ehemaligen Grundbesitzer eine Pension für ihr gesamtes Leben erhalten, während alle anderen Menschen aus den Erträgen der Bewirtschaftung des Bodens eine Dividende erhalten sollen. Auch Charlier erkannte die Gefahr, dass ein Grundeinkommen zum Nichtstun einladen könnte, jedoch sah er dies als nicht sonderlich besorgniserregend. Menschen, die nichts mehr tun würden, müssten sich dann eben mit dem Notwendigen zufriedengeben. Die Aufgabe der Gesellschaft ist, dass jede/r Bürger/in die Ressourcen zur Verfügung hat, die die Natur ihm/ihr bereitstellt, ohne, dass anderen dadurch geschadet wird (vgl. Blasge 2015, S. 29).

1.5. Verschiedene Modelle

Das generelle Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist sehr simpel definiert. Es ist bedingungslos, das bedeutet, dass es jede/r ohne Gegenleistung bekommt und es ist außerdem ein Grundeinkommen, das bedeutet, jede/r bekommt ein gewisses Einkommen ausbezahlt, das idealerweise die Grundbedürfnisse zu decken vermag. Jedoch gibt es auch hier verschiedene Modelle davon, wie das BGE aussehen soll. In der Debatte um das Grundeinkommen ist wichtig zu verstehen, von welchem Modell gesprochen wird. Ein paar dieser Modelle sind zwar nicht per Definition „bedingungslose Grundeinkommen“, jedoch sollen sie aufzeigen, dass es auch Abwandlungen der grundsätzlichen Idee gibt, was relevant für die Diskussion auf politischer Ebene ist, auf die später noch eingegangen wird.

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1.5.1. Götz Werners Modell

Laut Götz Werner, dem Gründer des Unternehmens „dm-drogerie markt“, ist die Höhe des Grundeinkommens ein wichtiger Punkt, da bei einem zu hohen Grundeinkommen die Gefahr besteht, dass die Menschen keine Anreize für das Nachgehen einer Erwerbsarbeit mehr sehen. Werner würde die Höhe bei 1000 Euro für jede/n Erwachsene/n ansetzen. Hier muss angemerkt werden, dass Werner Deutscher ist und sich die Höhe deshalb auf Deutschland bezieht. Natürlich wären bei einem zu hohen BGE nicht nur mangelnde Arbeitsanreize ein Problem, sondern auch dessen Finanzierbarkeit (vgl. Blasge 2015, S. 68). Nach Werners Modell würde das Grundeinkommen in die Erwerbseinkommen langsam eingegliedert. Als Beispiel wird ein/e Supermarktverkäufer/in genannt, die 1400 Euro brutto verdient und nachdem die fiktiven 1000 Euro Grundeinkommen eingeführt werden, hätte sie/er schließlich 2400 Euro brutto. Nach Werner sei davon auszugehen, dass der Supermarkt der/dem Mitarbeiter/in aufgrund des BGE weniger Gehalt zahlen würde, jedoch könnten die daraus folgenden Einsparungen dazu genutzt werden, mehr Leute einzustellen, hochwertigere Produkte anzubieten, oder diese billiger zu verkaufen. Werner sieht das BGE als Möglichkeit für neue Wirtschaftsimpulse und flexiblere Gehaltsmodelle (vgl. Blasge 2015, S. 69).

Bei dem Modell von Götz Werner würden alle Steuern, wie zum Beispiel die Besteuerung des Einkommens, abgeschafft werden und eine erhöhte Konsumsteuer zu tragen kommen. Werner empfiehlt eine Schritt-für-Schritt-Einführung, bei der die aktuellen Steuern immer weiter zurückgefahren werden, während die Konsumsteuer langsam hochgefahren wird. Der große Vorteil wäre, dass Leistung belohnt wird und Anreize für Erwerbsarbeit geschaffen werden, da diese sich lohnt. Die Preissteigerung durch die Konsumsteuer hätte laut Werner keine massiven Auswirkungen auf das Konsumverhalten der Leute, da diese über ihr Grundeinkommen verfügen und Zusatzeinkommen nicht besteuert werden würden (vgl. Blasge 2015, S. 71). Das Konzept der Konsumsteuer wird in einem späteren Kapitel noch genauer erläutert.

Werners Modell wird insofern kritisiert, als eine Konsumsteuer ohne andere Steuern zu wenig sei, um ein Grundeinkommen finanziell viabel zu machen (vgl. Blasge 2015, S. 72). Auch die Höhe des BGE in seinem Modell wird kritisiert, da manche Deutsche Hartz-IV-Empfänger/innen mit Werners Modell weniger Geld erhalten würden, als sie

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es aktuell tun. Darum müsste der Betrag wohl mindestens 1500 Euro ausmachen, was die Kritik an der Finanzierung von Werners Modell nur unterstützt (vgl. Precht 2018, S. 132). Trotz all der vermeintlich berechtigten Kritik veranschaulicht Götz Werners Modell, dass bei einem bedingungslosen Grundeinkommen, sowohl Höhe des Grundeinkommens als auch die Finanzierungsmethode, wie auch mögliche Auswirkungen mitbedacht werden müssen.

1.5.2. Das solidarische Bürgergeld

Das Modell des solidarischen Bürgergeldes von Althaus et al. (2006) bezieht die Einkommensverhältnisse mit ein. Reiche Menschen würde wenig beziehungsweise gar kein Grundeinkommen erhalten, während es bei schlechter bezahlter Erwerbsarbeit bis zu einem fixen Maximalbetrag höher ausfällt (vgl. Althaus et al. 2006, zitiert nach Blasge 2015, S. 72). Ursprünglich sah das Modell von Althaus et al. eine einheitliche Wohnbeihilfe vor, jedoch wurde dieser später wieder verworfen, da große regionale Unterschiede bei den Wohnkosten existieren (vgl. Althaus et al. 2006, zitiert nach Blasge 2015, S. 74). Eltern würden neben dem Bürgergeld der Kinder auch eine Elternrente erhalten, die ihr Einkommen deutlich erhöht. Dadurch würde ihre Erziehungsleistung anerkannt und entlohnt werden. Eine weitere Idee wäre auch ehrenamtliche Arbeit durch eine Zusatzzahlung zu entlohnen. Dadurch sollen Leistungen, die der Gesamtgesellschaft etwas bringen, aber unentgeltlich sind, sich nun auch finanziell auszahlen. Die Aufwertung von ehrenamtlicher, beziehungsweise unentgeltlicher Arbeit ist in den meisten Grundeinkommens-Modellen ein zentraler Punkt, jedoch würde sie im Modell des solidarischen Bürgergeldes auch finanzielle Anerkennung erfahren (vgl. Blasge 2015, S. 75).

Das Modell nach Althaus et al. wird deswegen als „solidarisch“ bezeichnet, da reichere Bürger/innen weiterhin eine positive Einkommenssteuer zahlen, die Bürger/innen mit niedrigem oder gar keinem Einkommen als negative Einkommenssteuer ausbezahlt bekommen. Im Vergleich zu anderen Grundeinkommensmodellen würde also eine gewisse administrative Tätigkeit des Finanzamtes weiterhin anfallen, jedoch könnte man ebenfalls Kosten beim Arbeitslosengeld, Krankenversicherungen, Elterngeld oder Rentenversicherungen sparen, da diese Bereiche durch das solidarische Bürgergeld abgedeckt werden würden (vgl. Blasge 2015, S. 76).

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Die Einnahmen durch Einkommenssteuer, Konsumsteuer und Lohnsummenabgabe für das Brutto-Bürgergeld und die Einsparungen durch Wegfallen von aktuellen Sozialhilfen wie Arbeitslosen- oder Elterngeld, wären nach Meinung von Blasge auch ausreichend um das solidarische Bürgergeld auch tatsächlich zu finanzieren (vgl. Blasge 2015, S. 78).

1.5.3. Beteiligungs-Entschädigung

Eine weitere Form eines Grundeinkommens könnte die von Atkinson benannte „Beteiligungs-Entschädigung“ sein. Dieses Modell stellt einen Mittelweg zwischen der Arbeitspflicht und dem bedingungslosen Grundeinkommen dar. Den Kern dieses Grundeinkommens bildet eine gesellschaftliche Beteiligungspflicht. Diese würde allerdings so gestaltet sein, dass jede/r Bürger/in diese erfüllen kann, um im Gegenzug das Grundeinkommen zu erhalten. Der Anspruch auf das Grundeinkommen wird in diesem Kontext aber auch auf Kranke, Studierende, Auszubildende, Pensionist/innen, Kinder und allen, die sich ehrenamtlich engagieren, ausgeweitet. Der Staat soll also jede freiwillige, gemeinnützige Arbeitsstunde entlohnen, etwa durch Steuerminderungen. Die Kosten für den Staat, etwa durch Steuerverluste, könnten zumindest zum Teil aufgewogen werden, da er sich Förderungen von Sozialprogramm sparen könne (vgl. Blasge 2015, S. 98f.).

1.5.4. Ein beschränktes bedingungsloses Grundeinkommen

Wie oben bereits erörtert, würde es Sinn machen, die Zuwanderung in Bezug auf das Grundeinkommen zu beschränken, jedoch gibt es auch berechtigte Gründe, die Gruppe der Bezieher/innen noch weiter einzuschränken, trotz der Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens. Pensionisten, die durch Invalidität oder Alter nicht mehr arbeiten, sollten ohne Frage berechtigt sein, das Grundeinkommen zu erhalten. Es gibt Vorschläge, bei den anderen Bezugsberechtigten den Erhalt des Grundeinkommens von der Arbeitsbereitschaft, wie etwa bei der heutigen Arbeitslosenversicherung, abhängig zu machen. Diese Maßnahmen beziehungsweise Beschränkungen würden die Zahl der Menschen, an die das Grundeinkommen ausgezahlt wird, deutlich verkleinern und würde außerdem dem Missbrauch des BGE vorbeugen. Der Vorteil 18

des BGE, dass viele staatliche Ausgaben durch Einsparungen bei der Sozialbürokratie erzielt werden könnten, würde bei dieser Variante allerdings wegfallen. Ein weiterer Nachteil wäre, dass der Sozialbereich weiterhin die Macht behält, zu entscheiden, wer das Einkommen verdient und wer nicht. In dieser Form des Grundeinkommens würden viele Werte des bedingungslosen Grundeinkommens wegfallen, jedoch wäre es realisierbar – möglicherweise gerade deswegen (vgl. Habermacher und Kirchgässner 2016, S. 15).

1.5.5. Das Schweizer Modell

Um auch aufzuzeigen, wie das bedingungslose Grundeinkommen konkret auf nationaler Ebene aussehen könnte, wird nun das Schweizer Modell beschrieben, da es bereits in Höhe und Finanzierung durchgerechnet wurde. Im Jahr 2012 wurde in der Schweiz eine Volksinitiative zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens gestartet. Das Grundeinkommen sollte der Schweizer Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen. Die Initiator/innen legten dabei eine Größenvorstellung mit einem Finanzierungskonzept vor. Erwachsene sollten 2500 Schweizer Franken erhalten, während das Einkommen für Kinder abgestuft werden sollte und zwischen 625 CHF und 1000 CHF pro Kind angepeilt war (vgl. Habermacher und Kirchgässner 2016, S. 3). Eltern mit zwei Kindern würden dadurch ein Jahreseinkommen von 75000 CHF erhalten, wobei der Median des Jahresbruttolohns 2010 bei 77268 CHF lag. Das Einkommen durch das Grundeinkommen würde allerdings nicht mehr besteuert werden. Habermacher und Kirchgässner rechneten den Finanzierungsvorschlag der Initiator/innen durch. Um die gesamte Schweizer Bevölkerung mit dem BGE zu versorgen, müssten 208 Milliarden Schweizer Franken, also etwa 33% des BIP und 41% des Nettonationaleinkommens, aufgebracht werden. Habermacher und Kirchgässner (2016) weisen darauf hin, dass das Wegfallen der Sozialbürokratie zwar Ersparnisse mit sich bringen würde, jedoch wären diese mit knapp 380 Millionen CHF durchwegs gering (vgl. Habermacher und Kirchgässner 2016, S. 4).

Die Einsparungen der Sozialversicherungen, also Altersvorsorge, Kinderzuschläge, Invalidenversicherungen und Arbeitslosenversicherungen, bringen laut dem Schweizer Bundesrat wohl etwa 55 Milliarden CHF. 128 Milliarden Schweizer Franken

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sollen dadurch gedeckt werden, dass jedem Erwerbseinkommen 2500 Franken abgezogen werden. Leute, deren Einkommen unter 2500 CHF liegt, würden dann nur die 2500 CHF erhalten. Leute, die jetzt 6000 CHF verdienen, würden dann nur noch 3500 CHF als Gehalt bekommen, da ihr/e Chef/in 2500 CHF an den Staat abgeben müsste, und 2500 CHF als Grundeinkommen erhalten, wodurch ihr Einkommen insgesamt gleichbleibt. Damit bleiben nach der Rechnung Habermacher und Kirchgässner noch etwa 25 Milliarden CHF, die zu finanzieren sind. Als Finanzierungsmethode wurde in diesem Modell die Erhöhung der Mehrwertsteuer herangezogen. Konkret soll eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 8 Prozentpunkte auf 16 Prozent erfolgen. Der reduzierte Satz, der zum Beispiel für Lebensmittel gilt, würde dann bei 10,5% liegen (vgl. Habermacher und Kirchgässner 2016, S. 5f.).

Welche Veränderungen würden diese finanziellen Änderungen mit sich bringen? Die Produktionskosten würden unverändert bleiben, jedoch würden Preise steigen. Bei einem Preisanstieg von 15 Prozent, würden die Realeinkommen um 13 Prozent sinken, damit bleiben real nur noch 2174 CHF. Die Mehrwertsteuer müsste also als Antwort erneut angehoben werden, damit das Grundeinkommen real weiterhin 2500 CHF beträgt (vgl. Habermacher und Kirchgässner 2016, S. 7). Man würde sich also in einen Teufelskreis begeben.

Habermacher und Kirchgässner kommen zu dem Schluss, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen, wie es von den Initiator/innen vorgeschlagen wurde, nicht realisierbar ist (vgl. Habermacher und Kirchgässner 2016, S. 13).

2. Argumente für und gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen

In diesem Kapitel sollen häufig genannte Argumente, die für beziehungsweise gegen die Einführung eines bedingungsloses Grundeinkommens sprechen, erörtert und kritisch beleuchtet werden. Die Motive für die Befürwortung des bedingungslosen Grundeinkommens können aus gänzlich unterschiedlichen Richtungen kommen. Befürworter/innen aus dem Silicon Valley, deren Wirtschaften auf dem Handel mit Daten von ihren Nutzer/innen basiert, haben erkannt, dass die Daten von Armen keinen Wert haben, da man ihnen nichts verkaufen kann. Andere wollen soziale Unruhen, die durch wachsende Armut auftreten könnten, verhindern, während 20

wiederum andere das BGE als Instrument zur Umverteilung und zum Systemwechsel sehen (vgl. Precht 2018, S. 127). In der öffentlichen Diskussion um das BGE liegt der Fokus meist am Geld – auf der Finanzierung und auf der Höhe des Grundeinkommens – jedoch bedeutet das bedingungslose Grundeinkommen laut Werner (2018) nicht mehr Geld für alle, sondern in erster Linie mehr Sicherheit und Freiheit für alle (vgl. Werner 2018, S. 24). Man sieht also, dass es in der Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen sachlichere Argumente gibt, die sich zum Beispiel auf Geld beziehen, während andere Argumente sich eher auf einer Werte-Ebene einordnen lassen, wie Werners Hinweis auf Sicherheit und Freiheit. Darum werden auch in dieser Arbeit die Argumente um das BGE auf eine ideologische und eine sachliche Ebene herunter gebrochen, auch wenn diese in der Realität eng miteinander verbunden sind.

2.1. Die sachliche Ebene

Auf der sachlichen Ebene drehen sich die Argumente häufig um den Arbeitsmarkt und die Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens. Man muss bedenken, dass auch in diesen Bereichen mit Werten argumentiert wird, jedoch beziehen sich diese auf Arbeit, Wirtschaft und Finanzierung, darum werden sie dennoch in die sachliche Ebene kategorisiert. Die Debatte auf der sachlichen Ebene bezieht sich auf die weitreichenden Auswirkungen, die die Einführung eines BGE hätte. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde die Einkommensverteilung massiv verändern, was erheblichen Einfluss auf das Arbeitsangebot privater Haushalte, die Arbeitsnachfrage der Unternehmen, das Beschäftigungsniveau und die Höhe der Löhne hätte. Die Konsequenzen dieser Veränderungen wären wiederum auf den Gütermärkten, Kapitalmärkten, beim Preisniveau und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit zu spüren (vgl. Petersen 2017, S. 629).

2.1.1. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Viele Gegner/innen des bedingungslosen Grundeinkommens sorgen sich, dass es der Wirtschaft schaden würde, wenn zu wenig Leute einer Erwerbsarbeit nachkommen würden, wenn ihre Grundbedürfnisse gedeckt sind und ihre Existenz gesichert ist. Von der Gegenseite kommen wiederum Argumente, dass es bestimmt einige antriebslose 21

Leute gäbe, die die Situation nützen würden, um gar nichts mehr zu tun, jedoch habe es die wohl immer schon gegeben und sie wurden immer von der Gesellschaft ertragen. Wenn man diese Menschen zur Arbeit zwinge, dann würden sie die ihnen zugeteilte Arbeit eher sabotieren (vgl. Thaler 2012, S. 85). Die Sorge, dass die Faulheit der Menschen überhandnimmt, ist sehr präsent. Der Sozialpsychologe Erich Fromm sieht die Quelle für diese Faulheit und Trägheit in der Entfremdung der Arbeit. Durch diese Entfremdung wird der moderne Mensch apathisch und bevorzugt das Nichtstun einer Aktivität. Fromm vermutet, dass das Ausnützen des Grundeinkommens nach kurzer Zeit wieder verschwinden würde, da Leute sich auch an gratis Süßigkeiten irgendwann satt essen würden (vgl. Fromm 1974, 1986, zitiert nach Thaler 2012, S. 85). Opielka (2004) argumentiert, dass bisherige Versuche, Menschen zur Arbeit zu zwingen, keinerlei Verbesserungen der Arbeitslosenzahlen bewirkten, weswegen er nicht damit rechne, dass Arbeitsmärkte mit weniger Druck schlechter funktionieren würden (vgl. Opielka 2004, S. 443).

Tatsächlich war bei einer Umfrage, was Leute bei Erhalt eines BGE tun würden, die Reduzierung, beziehungsweise das Aufgeben der Erwerbsarbeit die häufigste Antwort, mit der Begründung, dass sie dann sinnvolleren Tätigkeiten nachgehen wollen. Nur Selbstständige und Freiberufler wählten diese tendenziell nicht. Man müsste denen, die immer noch arbeiten, ein deutlich höheres Einkommen zahlen, was zu einem Lohnanstieg über die ganze Einkommensskala führen würde (vgl. Habermacher und Kirchgässner 2016, S. 10). Laut Thaler gaben 89% an, weiter arbeiten zu wollen, was auch den Trend einer anderen Umfrage der Zeitschrift „brand eins“ repräsentiert. Eine spannende Beobachtung, die gemacht wurde, ist, dass rund 80% davon ausgingen, dass andere Leute ihre Arbeit aufgeben würden. Es scheint also, als würden die Leute von sich selbst in diesem Kontext nicht auf andere schließen und hätten ein gewisses Misstrauen, was die Arbeitsmotivation anderer betrifft (vgl. Thaler 2012, S. 87f.). Eine Studie der Gesellschaft für angewandte Wirtschaftswissenschaften ergab, dass 72 Prozent der Erwerbstätigen ihre Arbeitsleistung bei der Einführung des BGE nicht senken würden. Die Studie ergab außerdem, dass der Rückgang des Arbeitsangebotes der Erwerbstätigen durch den Eintritt von derzeit Nicht-Erwerbstätigen ausgeglichen werden würde (vgl. Thaler 2012, S. 84). Es wurde das aktuelle durchschnittliche individuelle Arbeitsangebot mit dem geplanten Arbeitsangebot verglichen. Laut der Studie würde dies sogar insgesamt von 21 Stunden pro Woche auf 22 steigen, was allerdings durch die Verteilung des 22

Arbeitsangebotes zustande kommt. Derzeitig Erwerbstätige würden ihr Arbeitsangebot reduzieren, während Nicht-Erwerbstätige, wie etwa Rentner/innen und Hausfrauen/- männer diese Reduktion mit ihrem geplanten Arbeitsangebot ausgleichen würden. Allerdings muss bedacht werden, dass das Arbeitsangebot nicht zwingend vom Arbeitsmarkt absorbiert werden muss, was bedeutet, dass die vermehrte Bereitschaft zu arbeiten nicht zwingend zu mehr Arbeit am Arbeitsmarkt führen würde (vgl. Haigner et al. 2012, S. 204).

Diese Umfrageergebnisse sind kritisch zu betrachten, da sie einerseits nicht unbedingt repräsentativ sind und die Menschen andererseits dabei hypothetische Aussagen über eine mögliche Zukunft tätigen. In der Realität könnte es anders aussehen, aber zumindest lässt sich ein Trend erkennen und die Dissonanz zwischen der eigenen Arbeitsmotivation und der Meinung über andere ist dennoch eine spannende Beobachtung.

Konkrete Studien zu Verhaltensänderungen von Menschen bei einem Anstieg des Nettoeinkommens führten Meghir und Phillips (2010) durch. Sie entdeckten dabei einen Unterschied je nach Geschlecht. Bei Männern führte die Steigerung des Einkommens zwar zu kaum einer Veränderung der Arbeitszeit, bei Frauen jedoch deutlich. Die größte Reduzierung der Arbeitszeit zeigte sich bei alleinerziehenden Müttern. So würden bei einer Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens Frauen tendenziell stärker darauf reagieren als Männer. Zusätzlich kann vermutet werden, dass Menschen mit geringer Integration in den Arbeitsmarkt sich auch vermehrt von diesem zurückziehen, wobei laut empirischen Befunden auch Frauen stärker betroffen wären als Männer. In welchem Ausmaß diese Effekte auftreten, hängt allerdings wohl von der Höhe des ausgezahlten Grundeinkommens ab (vgl. Meghir und Phillips 2010, zitiert nach Mayrhuber 2019, S. 100). Die meisten Studien, die die Auswirkungen von zusätzlichem Einkommen auf geleistete Arbeitsstunden erforschten, fanden nur geringe Effekte (vgl. Haywood 2014, S. 2). Das BGE würde in diesem Kontext allerdings Negativanreize beseitigen, schließlich würde es, im Gegensatz zu Mindestsicherungssystemen, bei Aufnahme einer Erwerbsarbeit nicht gekürzt werden oder gar wegfallen. Darum könnten Leute motiviert werden, trotzdem zu arbeiten (vgl. Thaler 2012, S. 84). Außerdem wird von einigen Befürworter/innen argumentiert, dass Menschen generell gerne einer Arbeit nachkommen. In Gefängnissen, wo die Grundbedürfnisse gedeckt sind und die Insassen nichts tun

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müssten, dient der Arbeitsentzug als Strafe. Zusätzlich zeigen Studien zum Verhalten von Lottogewinner/innen, dass die meisten Menschen auch mit ihrem Gewinn weiterhin arbeiten. Wenn sie ihre Arbeit doch aufgeben, dann um mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen oder um nach besserer Arbeit zu suchen (vgl. Bregman 2019, S. 273).

Eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit auf ein Teilzeitniveau oder das gänzliche Aufgeben der Arbeit sei vor allem bei Tätigkeiten wahrscheinlich, die niedrig bezahlt sind und durch schlechte Arbeitsbedingungen gekennzeichnet sind, wie etwa körperlich anstrengende, monotone Arbeiten, die fremdbestimmt sind und wenig wertgeschätzt werden. Außerdem sind davon wohl auch Arbeiten betroffen, die „ungünstige Arbeitszeiten“ haben, wie etwa Berufe mit Nachtschichten oder Wochenendarbeiten. Leute, die weiterhin im gleichen Ausmaß arbeiten würden und das BGE als zusätzliche Einkommensquelle sehen, seien laut Petersen tendenziell Personen mit hohen Einkommen, da das Grundeinkommen bei hohem Einkommen relativ unbedeutend sei. Jedoch würde das Arbeitsvolumen auch bei Leuten gleichbleiben, die ihre unliebsamen Arbeitsverhältnisse beenden und stattdessen anderen Tätigkeiten nachgehen. Die Frage wäre dann, ob sich noch genügend Menschen finden, die diesen unbefriedigenden Tätigkeiten nachgehen (vgl. Petersen 2017, S. 630f.).

Das Problem dahinter ist einerseits, dass diese Arbeiten notwendige Arbeiten sind, jedoch auch andererseits, dass Leute, die heute unsere „Drecksarbeit“ erledigen, durch Einkommensängste dazu gezwungen werden (vgl. Thaler 2012, S. 88). Man könnte diese Sorge als Argument für das BGE sehen, dass eben niemand mehr durch seine finanziellen Sorgen zur „Drecksarbeit“ gezwungen wird. Es wäre zwar schön und gut, dass es keinen Zwang mehr gibt, aber die Arbeit müsste dennoch irgendwie erledigt werden. Doch statt weiterhin Leute dazu zu zwingen, könnte man auf andere Lösungen zurückgreifen. Einerseits würden aufgrund der Notwendigkeit und Nachfrage die Löhne dieser Berufe steigen und auch allgemeines Interesse darin bestehen, dass die Arbeitsbedingungen so attraktiv wie möglich gestaltet werden. Eine weitere Lösung läge in der Automatisierung, so gibt es zum Beispiel im ländlichen Bereich bereits häufig eine Müllabfuhr mit einem Greifarm, der die Hauptarbeit erledigt, im Einsatz. Die Automatisierung ist mit dem Konzept des bindungslosen Grundeinkommens stark verbunden, doch dazu später mehr. Die dritte Option wäre

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schließlich, die Arbeit selbst zu erledigen. Dies bezieht sich vor allem auf Putztätigkeiten. Selbstverständlich gibt es auch unliebsame Arbeiten, die nicht einfach leicht selbst erledigt werden können, wie etwa Fürsorgearbeiten. Hier müsste man sicherstellen, dass diese Arbeiten so gestaltet sind, dass sie weiterhin durchgeführt werden (vgl. Thaler 2012, S. 88). Zwar hätten Angehörige durch das BGE Zeit und Mittel, um ihre Bedürftigen selbst zu pflegen, aber es gibt auch einige, die keine Angehörigen haben. Auch in diesen Bereichen könnte in Zukunft die Automatisierung eine Lösung darstellen. Doch solange diese noch nicht so weit vorgeschritten ist, dass sich Maschinen um die weniger liebsamen Arbeiten kümmern, müssen diese eben attraktiver gestaltet werden – sowohl durch erhöhten Lohn als auch durch bessere Bedingungen. Diese Lösungen könnten auch dazu genützt werden, dafür zu sorgen, dass weiterhin genügend Leute arbeiten gehen. Bei zu wenig Anreiz und Arbeitsmoral wird das Arbeitsangebot bei einer Einführung eines BGE sinken, womit die Produktivität und somit der gegenwärtige Wohlstand der Gesellschaft, ebenfalls verringert werden würde (vgl. Thaler 2012, S. 83).

Ein Arbeitsanreiz, der trotz Einführung eines BGE bestehen könnte, ist die Unsicherheit des Grundeinkommens. Einerseits bietet das Grundeinkommen finanzielle Sicherheit, andererseits wird die Höhe des Grundeinkommens durch die Politik bestimmt und befindet sich damit in stetiger Konkurrenz zu anderen öffentlichen Aufgaben und Ausgaben (vgl. Osterkamp 2016, S. 32). So würden ein Einkommen durch Erwerbstätigkeit und ein Grundeinkommen die jeweiligen Unsicherheiten ausgleichen.

Das Argument, dass Leute nicht mehr arbeiten würden, wenn sie ein Grundeinkommen erhalten, ist wohl darum ein so wichtiges, da es dem Grundgedanken unserer Leistungsgesellschaft widersprechen würde. Werner und Goehler (2010) wenden ein, dass das BGE Leistung nicht belohnt, wie das jetzige Gehalt bei Erwerbsarbeit, sondern diese Leistung erst ermöglicht (vgl. Werner und Goehler 2010, zitiert nach Thaler 2012, S. 97). Jedoch müsste wohl das Mindesteinkommen angehoben werden, da wohl Anreiz fehlt, wenn arbeitende Menschen der unteren Einkommensklassen mit Erhalt des BGE gleich viel verdienen, wie wenn sie Vollzeit arbeiten (vgl. Habermacher und Kirchgässner 2016, S. 9). Generell lässt sich wohl sagen, dass das Grundeinkommen eine Auswirkung auf die Lohnhöhe hätte. Gesellschaftlich notwendige Berufe sowie unattraktive Berufe würden

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eher eine Lohnsteigerung erhalten, damit sich nach wie vor genügend Arbeitskräfte finden lassen würden. Jedoch könnte das BGE auch einen lohnmindernden Effekt in anderen Berufsfeldern haben (vgl. Thaler 2012, S. 82).

Es wird argumentiert, dass nicht alle Arbeitsanreize durch ein BGE verloren gehen würden. Darunter fallen bei einigen Arbeiten einerseits auch Selbstverwirklichung und Sinn, aber auch Geld wäre bei einem existierenden BGE nach wie vor ein Anreiz. Es gilt zu bedenken, dass das Grundeinkommen die Grundbedürfnisse decken würde, zusätzliche Konsumgüter sind darin aber nicht vorgesehen. Vor allem Jugendlichen erscheinen diese sehr wichtig und sie hätten somit einen Grund, für einen Zuverdienst arbeiten zu gehen (vgl. Thaler 2012, S. 101). Man muss bedenken, dass Menschen, die ohne BGE ihr ganzes Geld in ihre Existenz stecken mussten, nun die Möglichkeit hätten, sich durch zusätzliche Arbeit zusätzliche Konsumgüter zu leisten. Viele hätten wohl dadurch auch die erstmalige Chance zu verreisen. Das Grundeinkommen würde eine Verleitung darstellen, weniger zu arbeiten, wenn man bedingungslos Geld erhält. Wenn der Großteil der Menschen weniger oder gar nicht mehr arbeitet, so würde dies die Produktivität der Volkswirtschaft schwächen. Darum wäre es bei einer Einführung des BGE wichtig, dass nach wie vor Arbeitsanreize bestehen bleiben, auf die in Kapitel 2.1.3. noch näher eingegangen wird. Konkrete Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hängen wohl von der Höhe des Grundeinkommens, der Höhe der Löhne, die nach Einführung gezahlt werden würden und der Gestaltung der Arbeitswelt ab.

2.1.2. Wirtschaftliche Auswirkungen der Einführung eines BGE

Sollte die Arbeitsbereitschaft bei einer Einführung eines BGE nicht drastisch sinken, dann könnte die Einführung eines Grundeinkommens möglicherweise die Wirtschaft tatsächlich ankurbeln. Schließlich hätten die Bezieher/innen des BGE mehr Geld für Konsum und zusätzlich die finanzielle Sicherheit, sich selbstständig zu machen. Dies würde womöglich auch mehr Innovation bedeuten, da Leute ihren Ideen leichter nachgehen könnten (vgl. Blasge 2015, S. 79). Es würde definitiv zu Veränderungen im Leben der Menschen und am Arbeitsmarkt kommen, aber diese müssen nicht zwingend negativer Natur sein. Verzerrungen am Arbeitsmarkt könnten relativ bescheiden ausfallen, vor allem könnte das BGE auch genutzt werden, um in den Lebensunterhalt der Familie oder das Humankapital der Nachkommen zu investieren,

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was wiederum positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hätte (vgl. Gentilini et al. 2020, S. 9). Außerdem würde das BGE eine gute Basis für Unternehmensgründungen darstellen, da das finanzielle Risiko dahinter stark reduziert wäre. Unternehmen hätten dann auch die Möglichkeit wirtschaftlich schwächere Perioden zu überleben und nicht sofort aufzugeben (vgl. Thaler 2012, S. 80).

Vorteile für die Wirtschaft sehen auch Fischer und Pelzer (2009). In ihren Augen hätte das bedingungslose Grundeinkommen einen positiven Einfluss auf die Produktivität und Innovationsfähigkeit der Menschen. Unternehmen könnten vermehrt auf Automatisierung setzen, da Arbeitslosigkeit kein existenzbedrohendes Problem mehr darstellen würde und auch auf motiviertere Arbeiter/innen, da diese de facto freiwillig arbeiten würden und nicht durch finanzielle Umstände gezwungen werden würden (vgl. Fischer und Pelzer 2009, zitiert nach Thaler 2012, S. 81). Thaler schreibt von soziologischen Analysen, die aufzeigen, dass Motivation zur Leistung nicht nur durch Geld entsteht. Die Leute würden Arbeiten nachgehen, die intrinsisch motiviert sind, sowohl bei Erwerbsarbeit als auch bei aktuell unbezahlten Arbeiten. Außerdem würde nach wie vor jede/r arbeiten gehen, der/die zusätzliches Erwerbseinkommen zu dem BGE möchte, um sich einen höheren Lebensstandard leisten zu können (vgl. Thaler 2012, S. 83).

In den oben erwähnten Befragungen gaben die Befragten häufig an, zumindest weniger zu arbeiten, sollten sie ein Grundeinkommen erhalten. Doch eine Reduktion der Arbeitszeit muss nicht zwingend etwas Negatives sein. In den 1930er Jahren entschloss sich W.K. Kellogg, der für seine Cornflakes bekannt ist, in seiner Fabrik den Sechsstundentag einzuführen. Dadurch konnte er 300 zusätzliche Arbeitskräfte einstellen und die Unfallrate wurde um 41% gesenkt. Die Produktivität wurde so gesteigert, dass die Arbeiter/innen nach wie vor dasselbe Gehalt bekamen, das sie bei einem Achtstundentag erhielten (vgl. Bregman 2019, S. 141). Kelloggs Fall zeigt wirtschaftliche Vorteile der Reduktion von Arbeitszeiten, sowohl was Beschäftigung als auch Produktivität betrifft. Von mehr Freizeit und weniger Arbeitsunfällen ganz zu schweigen. Es kommt jedoch nur zu mehr Freizeit, wenn eine steigende Produktivität auch in mehr Freizeit für die Arbeiter/innen gesteckt wird und nicht reinvestiert wird. Wenn die Arbeitszeitverkürzung dann noch ohne Lohnsenkung erfolgt, so wäre es wiederum für die Wirtschaft gut, da mehr Zeit für Konsum da wäre (vgl. Ashford und Kallis 2013).

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Die beschriebenen wirtschaftlichen Vorteile würden allerdings nur dann eintreten, wenn trotzdem nach wie vor genug Arbeitsleistung erbracht werden würde, ob durch bestehender Arbeitsbereitschaft der Individuen oder durch maschinelle Arbeit. Einige Gegner des Grundeinkommens sehen das BGE gerade aus wirtschaftlicher Perspektive als gefährlich an. Brenke prophezeit einen Arbeitskräftemangel bei Einführung eines Grundeinkommens, was er als „unmögliches Schlaraffenland“ ansieht. Ebenso gefährlich für die Wirtschaft wäre, dass neben Arbeitsanreizen auch Bildungsanreize fehlen würden (vgl. Petersen 2017, S. 635). Wenn das Grundeinkommen zum Leben reicht, so hätten einige Personen keinen Anreiz mehr in die eigene Bildung zu investieren. Wenn dies auf viele Menschen zutrifft, so würde die Arbeitsproduktivität der Volkswirtschaft sinken. Dies würde auch eintreten, wenn sich Leute zwar bilden, aber dabei nicht auf die Arbeitsmarktverwertung achten. Jedoch ist auch möglich, dass Menschen bei gesicherter Existenz zur eigenen Selbstverwirklichung ihre Kompetenzen erhöhen, was zu einer Verbesserung der Arbeitsproduktivität führen würde. Wenn die Menschen ihre Arbeitszeit von Vollzeit auf Teilzeit reduzieren, könnte dies positive Auswirkungen auf die Arbeitsproduktivität haben, da die neoklassische Produktionsfunktion davon ausgeht, dass die Arbeitsproduktivität bei steigender Arbeitsdauer zurückgeht (vgl. Petersen 2017, S. 632).

Eine weitere wirtschaftliche Gefahr sieht Petersen (2017) in der Grundeinkommen- Inflations-Spirale. Ein Grundeinkommen würde zu einem Preisanstieg führen, was wiederum die Inflationsrate erhöht. Damit müsste wiederum das Grundeinkommen gesteigert werden, um einen Kaufkraftverlust zu verhindern. Die Erhöhung des Grundeinkommens würde wiederum zu einem Preisanstieg führen, womit alles wieder von vorne beginnt. Der Preisanstieg würde durch eine gesteigerte Konsumnachfrage zustande kommen, wenn man davon ausgeht, dass einkommensarme Haushalte ihr durch ein BGE erhöhtes Einkommen nahezu vollständig für Konsumgüter ausgeben (vgl. Petersen 2017, S. 632). Es gibt jedoch auch Anzeichen dafür, dass das bedingungslose Grundeinkommen zu einer Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Arbeits- und Kapitalproduktivität führt, was zu einem Rückgang der Löhne führen würde, da es eine geringere Arbeitsnachfrage gäbe, wenn aufgrund der gesteigerten Arbeitsproduktivität eine gegebene Güter- und Dienstleistungsmenge durch weniger Arbeit produziert werden könnte. Dies hätte wiederum einen inflationsdämpfenden Effekt (vgl. Petersen 2017, S. 633). 28

Der Preisanstieg und die Lohnsteigerung würden die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen verschlechtern, jedoch könnte die Lohnsteigerung technische Fortschritte erhöhen, was wiederum die gesamtwirtschaftliche Produktivität erhöhen würde, was zu einer Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit führen würde. Jedoch betont Petersen gleichzeitig, dass sich die konkreten Auswirkungen nur schwer prognostizieren lassen, weswegen auch die Auswirkungen des BGE auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit schwer vorhersehbar sind (vgl. Petersen 2017, S. 633).

Gerade diese Unvorhersehbarkeit würde die Einführung eines BGE so riskant machen. Es könnte verschiedenste Kettenreaktionen auslösen. Wenn durch ein BGE das BIP sinkt, so sinkt auch die Steuerbasis und damit die Steuereinnahmen eines Staates. Dadurch würden die Steuern erhöht werden, was negative Auswirkungen auf das Beschäftigungs- und Produktionsniveau hätte. Wenn die Steuererhöhung die Produktionskosten erhöht, so steigen die Preise, womit die internationale Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert werden würde und die Produktion sinkt (vgl. Petersen 2017, S. 634).

Wenn das Arbeitsangebot ohne Kompensation durch vermehrten Kapitaleinsatz verringert werden würde, so würden Löhne und Inflation steigen, während die internationale Wettbewerbsfähigkeit und das BIP sinken würden. Wenn das Arbeitsangebot sinkt, der Kapitaleinsatz aber gesteigert wird, so könnten diese negativen Effekte abgefangen werden. Wenn der Kapitaleinsatz den Arbeitsrückgang kompensiert, so könnte es sogar durch höhere Produktivität, größeren technischen Fortschritt und höhere Arbeitsproduktivität zu wachstumssteigernden Effekten kommen (vgl. Petersen 2017, S. 636).

2.1.3. Arbeitsanreize

Bei der Diskussion darum, ob und wie viele Leute weniger arbeiten würden, müssen die Arbeitsanreize beachtet werden. Es geht darum, warum Menschen arbeiten und wie Leute trotz eines Grundeinkommens weiterhin arbeiten würden.

In der Volkswirtschaftslehre wird davon ausgegangen, dass Menschen extrinsisch motiviert sind, ergo Erwerbsarbeit nur dann aufgenommen wird, wenn man dafür einen

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Lohn erhält. Ein BGE würde die Notwendigkeit dieses Lohnes für den Lebensunterhalt reduzieren, was zu einem Rückgang des Arbeitsangebotes führen würde. Es gibt jedoch auch Bereiche oder Arbeitssituationen, in denen Menschen aus intrinsischer Motivation heraus arbeiten, weswegen ein BGE das Arbeitsangebot in diesen Bereichen vermutlich nicht verringern würde (vgl. Petersen 2017, S. 630).

Das Machtgefälle zwischen Arbeitgeber/in und Arbeitnehmer/in würde durch die Einführung des BGE ausbalanciert werden. Durch die finanzielle Absicherung der Existenz hätte man die Möglichkeit „Nein“ zu sagen (vgl. Werner 2018, S. 23). Arbeitgeber/innen müssten den Arbeitsplatz, die Arbeitsbedingungen, Zeiten und Entlohnung attraktiver gestalten, um Arbeitnehmer/innen für die Stelle gewinnen zu können. Auch Menschen mit niedrigen Qualifikationen hätten somit die Möglichkeit der Wahl und wären nicht gezwungen, unter schlechten Bedingungen oder zu geringem Lohn zu arbeiten. Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen könnten sich auf Augenhöhe begegnen (vgl. Blasge 2015, S. 70). Auch Mobbing oder sexuelle Belästigungen müsste niemand mehr hinnehmen, aus Angst, entlassen zu werden. Die Opfer hätten die finanzielle Basis, sich zu wehren und könnten nicht erpresst werden.

Doch nicht nur das gesicherte Grundeinkommen führt zu einer besseren Verhandlungsbasis für Arbeitnehmer/innen. Da es infolge der ökonomischen Absicherung zu einem knapperen Arbeitsangebot kommt, steigen die Löhne und so können die Arbeitsbedingungen besser mitverhandelt werden. Trotz oder gerade aufgrund dieser Besserstellung der Arbeitnehmer/innen braucht es jedoch weiterhin starke Strukturen an Interessenvertretungen, wie etwa Betriebsräte, Gewerkschaften oder Kammern (vgl. Mayrhuber 2019, S. 102). „Unzumutbare Arbeitsplätze […] fänden keine Abnehmer mehr.“ (Thaler 2012, S. 81).

Die Befreiung von unliebsamen Arbeitsbedingungen und die wachsende Selbstbestimmung wird jedoch von einigen Expert/innen als Utopie gesehen, denn Abhängigkeiten würden auch bei einem bedingungslosen Grundeinkommen bestehen bleiben. Man bleibe trotzdem vom Arbeitgeber/der Arbeitgeberin und vom Staat abgängig (vgl. Mayrhuber 2019, S. 98). Haywood (2014) sieht eine mögliche Schwächung der Verhandlungsposition der Arbeitnehmer/innen durch das BGE, da Unternehmen auf das BGE verweisen können (vgl. Haywood 2014, zitiert nacht Mayrhuber 2019, S. 101). Arbeitgeber/innen könnten das Gehalt kürzen und darauf 30

verweisen, dass man ohnehin das Grundeinkommen erhält. Die Argumente, dass Menschen bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen und freie Entscheidungen treffen könnten, sind laut Bothfeld (2018) empirisch nicht belegbar (vgl. Bothfeld 2018). Der tatsächliche Grad der Ausbalancierung der Machtverhältnisse in den Verhandlungspositionen hängt wohl davon ab, wie hoch das BGE ausfallen würde und wie dringend Arbeitskräfte noch gebraucht werden.

Jedoch kann man wohl dennoch hoffen, dass das BGE materielle und sozialstaatliche Zwänge zur Wahl von Niedriglohnjobs und Armut trotz Arbeit zumindest reduzieren würde. Man könnte Leute weniger leicht erpressen, wenn ihre Existenz abgesichert wäre. Dadurch, dass der Zwang beendet wäre, wäre es wichtig, dass positive Arbeitsanreize geschaffen werden. Wichtig ist auch zu sagen, dass materielle Anreize, zu Arbeitsstellen „ja“ zu sagen, nach wie vor existieren würden, da ja nur die Grundbedürfnisse gedeckt sind. So erhält jede/r die Freiheit eigenständig zu entscheiden, wie viel zusätzliches Einkommen erwünscht ist und wie viel Zeit dafür aufgewendet werden soll (vgl. Thaler 2012, S. 99).

Es wird sich jedoch erst zeigen, wie groß diese Freiheit sein wird, da es spürbare Effekte auf den Markt hätte, wenn alle Leute bedingungsloses Geld bekommen würden und nicht mehr arbeiten gehen müssten. In der Volkswirtschaftslehre werden Preise als Ausdruck von der Knappheit der Güter gesehen. Diese würden relativ und absolut steigen, da es zu einer Verknappung der Güter und Dienstleistungen in Folge eines sinkenden Beschäftigungsniveaus kommt. Ein weiterer Grund für steigende Preise wäre, dass aufgrund der Verringerung des Arbeitskräfteangebots die Löhne steigen würden. Durch steigende Löhne steigen wiederum die Preise. Mayrhuber (2019) argumentiert ebenfalls, dass dies insgesamt zu einer Verschlechterung der Wohlfahrt führen würde, da eben die Preise für Produkte und Dienstleistungen steigen (vgl. Mayrhuber 2019, S. 101).

Es ist auch möglich, dass das Arbeitsangebot bei niedrig qualifizierten Menschen steigt, die arbeitslos sind. Für sie lohnt es sich häufig nicht, einer Arbeit im Niedriglohnsektor nachzugehen, da der Lohn oft nur knapp über den staatlichen Transferzahlungen liegt. Bei Aufnahme einer Arbeit fallen im aktuellen Sozialsystem jegliche staatlichen Transferleistungen weg, so dass es keinen Anreiz gibt, einer Arbeit nachzukommen. Da die Aufnahme einer Erwerbsarbeit nicht zu einer Verringerung des Grundeinkommens führen würde, steigt der Anreiz für eine Voll- oder 31

Teilzeitbeschäftigung (vgl. Petersen 2017, S. 631). Dieser positive Beschäftigungseffekt eines BGE wird durch mehrere Studien, etwa bei Bonin und Schneider (2007), Van der Linden (2004, 2002) und Lehmann (2003), vorausgesagt (Haywood 2014, S. 3).

Die bisherige Debatte bezog sich auf die Arbeitswilligkeit der Leute bei Erhalt eines BGE. Dass Menschen ohne Gegenleistung Geld bekommen erscheint vielen Kritiker/innen als utopischer Luxus. Das bedingungslose Grundeinkommen wird von einigen Befürworter/innen jedoch oft in einem anderen Kontext gefordert, nämlich als Antwort auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Änderungen, wie etwa die Automatisierung der Arbeitswelt.

2.1.4. Die Automatisierung der Arbeitswelt.

In diesem Unterkapitel wird die Automatisierung der Arbeitswelt näher besprochen. Es soll diskutiert werden, ob das BGE eine Lösung für die dadurch entstehenden gesellschaftlichen Probleme darstellen könnte. Manche Expert/innen sind der Meinung, dass die Automatisierung der Arbeitswelt zu Massenarbeitslosigkeit führt, andere zweifeln diese These an. Digitalisierung ist die „digitale Umwandlung von Darstellung bzw. Durchführung von Information und Kommunikation oder die digitale Modifikation von Instrumenten, Geräten und Fahrzeugen […]“ (Bendel). In diesem Kontext wird auch häufig von der Automatisierung gesprochen. Die Automatisierung ist die Prozesssteuerung und Prozessregelung durch künstliche Systeme. Wenn der Produktionsprozess von Maschinen übernommen wird, so spricht man von einer Maschinisierung (vgl. Voigt). Diese Begriffe kann man wohl auch als Rationalisierung bezeichnen. „Rationalisierung bedeutet der Tendenz nach, dass die Güterproduktion vom menschlichen Arbeitseinsatz zunehmend unabhängig wird“ (Voruba 2006, S. 13, zitiert nach Thaler 2012, S. 28f.). Diese Begriffe werden jedoch häufig als Synonyme füreinander benutzt, denn sie alle sagen eines aus: Menschliche Arbeitskraft wird durch Roboter und andere intelligente Maschinen ersetzt.

Im Grunde dreht sich die Debatte um drei Punkte. Es wird über das Ausmaß des Automatisierungspotenzials diskutiert, ob das Potenzial auch wahrgenommen wird und ob dies zu einer großen Arbeitslosigkeit führen würde. Dass der technologische Fortschritt zu einem hohen Automatisierungspotenzial geführt hat, ist unumstritten. 32

Laut einer Studie hätte Deutschland bereits 1993 mit einer Arbeitslosigkeit von 38% umgehen müssen, wenn man das technisch machbare Automatisierungspotenzial damals schon ausgenützt hätte. Weitere Studien ergaben, dass das Automatisierungspotenzial im Bankbereich bei mehr als 60% und im Handel bei rund der Hälfte liegt. Hinzu kommt, dass Produktionsanlagen durchschnittlich nur eine Auslastung von 80% haben. Werner (2007) nennt hier als Veranschaulichung das Beispiel der Automobilindustrie, die jährlich zwischen 15 und 20 Millionen Autos mehr durch Vollauslastung bauen könnte, ohne zusätzliche Leute oder Maschinen zu verwenden (vgl. Werner 2007, zitiert nach Thaler 2012, S. 41). Dazu muss man noch betonen, dass diese Studien mitunter 15 bis 20 Jahre alt sind und das Automatisierungspotenzial wohl mittlerweile weiter gestiegen ist. Man darf allerdings nicht denken, dass nur Fließbandarbeit durch Maschinen ersetzbar ist, sondern die Automatisierung könnte auch hochkarätige Berufe treffen. Computer können menschliche Denkweisen imitieren und gefährden somit selbst hochbezahlte Berufe, wie etwa Designer/innen von Computerchips oder Logistikdesigner/innen. Auch Kredit- und Hypothekensachbearbeiter/innen sowie Steuerberater/innen würden nicht verschont bleiben. Selbst Anwält/innen könnten betroffen sein, da automatisierte Rechtsarbeiten nicht nur effizienter, sondern auch präziser sind (vgl. Markoff 2011). Auch in der IT-Branche wird der Bedarf für hochqualifizierte Arbeitskräfte bei einer weitverbreiteten Automatisierung eher gering ausfallen (vgl. Schloen 2019, S. 4).

Das Automatisierungspotenzial scheint also durchaus hoch zu sein, so drohe laut amerikanischen Zukunftsforscher/innen sogar jeder zweite Job durch die Digitalisierung wegzufallen (vgl. Bothfeld 2018). Österreich könnte von der zunehmenden Automatisierung der Arbeitswelt ebenfalls nicht ausgenommen werden. Mit der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise gerieten Berufe mit manuellen Routinetätigkeiten als Schwerpunkt unter Druck (vgl. Bock-Schappelwein et al. 2018, S. 66). Jedoch schätzen einige Forscher/innen, dass in den OECD-Ländern, damit auch in Österreich, eher spezifische Tätigkeiten durch Maschinen ersetzt beziehungsweise unterstützt werden, als dass ganze Berufe dadurch ersetzt werden. Während, nach Berücksichtigung der tätigkeitsspezifischen Automatisierung, die nicht ganze Berufe ersetzt, in Deutschland wohl 12% der Berufe automatisierungsgefährdet sind, kamen Nagel et al. (2017) auf ein Automatisierungspotenzial von 9% für Österreich, was etwa dem Niveau der USA entspricht. Jedoch kamen Nedelkoska und

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Quintini 2018 auf wesentlich höhere Zahlen. Laut ihnen gibt es in Österreich ein Automatisierungspotenzial von 48% (vgl. Bock-Schappelwein et al. 2018, S. 95f.).

In Deutschland gibt es eine Beobachtung, die den wichtigen Unterschied zwischen Automatisierungspotenzial und tatsächlicher Automatisierung aufzeigt. In Deutschland kommen mehr Industrieroboter auf menschliche Beschäftigte als im europäischen Durchschnitt oder in den USA, und dennoch ist Deutschland eine der bedeutendsten Industrienationen weltweit mit einem außergewöhnlich hohen Beschäftigungsgrad (vgl. Südekum 2018, S. 92). Ein hohes Roboteraufkommen führt also nicht zwingend zu hoher Arbeitslosigkeit. Jedoch betont Südekum (2018), dass dies eine Besonderheit Deutschlands ist, da in den USA sehr wohl ein Zusammenhang besteht. Außerdem werden auch in Deutschland im verarbeitenden Gewerbe und auch wohl im Dienstleistungssektor Arbeitsplätze durch die Automatisierung gefährdet (vgl. Südekum 2018, S. 95).

Einige Expert/innen zweifeln, dass die Automatisierung zu großer Arbeitslosigkeit führt, da diese Befürchtung auch bei früheren Strukturwandeln in der Arbeitswelt nie eingetreten ist. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gab es eine Umverteilung in der Struktur der Erwerbstätigkeit vom primären Sektor, also Landwirtschaft und Bergbau, zum sekundären Sektor, der die Industrie und Handwerk umfasst, hin zur Dominanz des tertiären Sektors, dem Dienstleistungssektor (vgl. Jakobsen 2018, S. 233). Die Wichtigkeit der Dienstleistungen wird auch weiter zunehmen und die materielle Produktion wird in dienstleistende Funktionen eingebettet werden (vgl. Jakobsen 2018, S. 254). Die Nutzung neuer Technologien führte weder bei der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert noch bei der Nutzung von Robotern und Computern Ende des 20. Jahrhunderts zu einer großen Arbeitslosigkeit. Sie führte zwar zu Arbeitsplatzabbau, während aber in anderen Bereichen Arbeitsplätze aufgebaut werden konnten. Tatsächlich ist die Beschäftigung in den letzten Jahrzehnten leicht gestiegen. Vor allem steigt der Bedarf an hochqualifizierten Arbeitskräften, während niedrig qualifizierte Arbeitskräfte weniger gebraucht werden. Wenn Arbeitsplätze verloren gehen, hat dies laut Gartner und Stüber (2019) nichts mit der Automatisierung zu tun, da in Sektoren, die mehr mit Automatisierung und Digitalisierung zu tun haben, der Anteil der Arbeitslosigkeit geringer ist (vgl. Gartner und Stüber 2019). Es kam jedoch sehr wohl zu einer Abnahme des Arbeitsvolumens, dies hat jedoch nicht zu Arbeitslosigkeit geführt (vgl. Thaler 2012, S. 30). Die Spezialisierung auf neue

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Tätigkeiten hat in der Vergangenheit eine große technologische Arbeitslosigkeit aber stets verhindert (vgl. Südekum 2018, S. 92). Warum sollte dies also nicht auch bei der Digitalisierung der Fall sein? Roboter können bei konstanten Preisen und Gehältern menschliche Arbeit unmittelbar ersetzen, jedoch würden die dadurch entstehenden Kosteneinsparungen zu Preissenkungen führen, was wiederum zu einer höheren Nachfrage führen würde, weswegen wiederum der Arbeitskräftebedarf steigen würde, den man wiederum durch menschliche Arbeitskraft decken könnte (vgl. Südekum 2018, S. 91). Es kann allerdings nur darüber spekuliert werden, ob dies den Arbeitsplatzverlust ausgleichen würde. Cognizant (2017) schätzt, dass etwa zwanzig neue Berufe durch die Digitalisierung entstehen könnten (vgl. Cognizant 2017, zitiert nach Bock-Schappelwein et al. 2018, S. 94). Denn auch eine steigende Digitalisierung wird spezifische Kompetenzen, die sich nicht standardisieren lassen, nicht ersetzen, sondern umso notwendiger machen. Zu diesen Kompetenzen zählen Kommunikationsfähigkeit, Problemlösungsfähigkeit, aber auch technisches Geschick im IT-Bereich (vgl. Bock-Schappelwein et al. 2018, S. 101f.). Außerdem würden selbst bei einem hohen Automatisierungsgrad nach wie vor Menschen benötigt werden, die für die Konstruktion von Maschinen und deren Instandhaltung zuständig wären. Dafür wären jedoch deutlich weniger Menschen notwendig, als heute arbeiten (vgl. Thaler 2012, S. 95). Das Problem mit diesen neu entstehenden Jobs wäre, dass sie aufgrund ihrer Qualifikationen tendenziell nur für Eliten infrage kommen und nicht sonderlich zahlreich sein werden. Die Jobs der breiten Masse würden wegrationalisiert werden (vgl. Thaler 2012, S. 28f.). Geht man davon aus, dass man alle Leute, die ihre Arbeitsplätze verlieren würden, einfach auf weiterhin benötigte Berufe umbilden könnte, so würde selbst dies zu kurz greifen. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts wurde dieses Problem bei der ersten Automatisierungswelle erkannt. Während die Umbildung stattfindet, hätten die Leute kein Einkommen und außerdem keine Garantie dafür, dass der Job, auf den sie sich umbilden lassen, nicht schon bald ebenfalls automatisiert wird (vgl. Bregman 2019, S. 192). Dass durch die Digitalisierung die Arbeitskraftnachfrage im oberen Qualifikationssegment steigt, während die Nachfrage im mittleren Qualifikationssegment sinkt, liegt daran, dass die dort gängigen standardisierbaren Tätigkeiten leichter durch Maschinen ersetzt werden können (vgl. Bock-Schappelwein et al. 2018, S. 58). Dies führt nicht nur zu einem großen Arbeitsplatzverlust, der vor allem diejenigen mit geringer Qualifikation und Ausbildung betreffen wird, sondern auch zu einem massiven Anstieg der Ungleichheit (vgl.

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Südekum 2018, S. 91). Robert Castel (2011) schreibt, dass die Menschen ihre Arbeitsplätze an leistungsfähigere Maschinen in einem massiven Ausmaß verlieren werden und die neu geschaffenen Stellen diesen Verlust bei weitem nicht wettmachen werden (vgl. Castel 2011, zitiert nach Thaler 2012, S. 29). Jedoch gibt es auch heute Berufe, die man nicht durch Maschinen ersetzen kann. Ärzt/innen, Pflegepersonal oder Lehrer/innen, so wie auch Konsultant/innen von Verwaltungsabläufen und Herstellungsprozessen in der Industrie, werden auch in einer automatisierten Arbeitswelt nach wie vor gebraucht werden. Jedoch gibt es auch im Dienstleistungsbereich viele einfache Handgriffe, die ersetzbar wären (vgl. Thaler 2012, S. 30). Vermutlich kann man sagen, dass gerade die Berufe, wo Menschen der Kontakt zu anderen Menschen wichtig ist, immer ein sicherer Beruf sein werden. Natürlich kann eine Maschine medizinische Diagnosen stellen und auch überprüfen, jedoch wird man immer die Empathie eines anderen Menschen bevorzugen. Kümmern, Pflegen, Bilden und Helfen werden wohl immer eher Menschen als Maschinen (vgl. Precht 2018, S. 118). Natürlich kann man auch in diesen Berufen Roboter unterstützend einsetzen, jedoch wird wohl immer auch ein Mensch gebraucht werden.

Wenn also das Automatisierungspotenzial so hoch ist, wie kommt es dann, dass es nicht mehr genutzt wird, um die Produktivität zu steigern? Die Antwort liegt wohl in der politischen Wahrnehmung. So gibt es heutzutage moralische und aber auch gesetzliche Hemmungen bei der Nutzung der Chancen eines arbeitssparenden technischen und organisatorischen Wandels. Ein Unternehmen würde seinen Ruf in der Öffentlichkeit riskieren, wenn es zu Entlassungen durch Rationalisierungsmaßnahmen kommt. Auch vor der Gewerkschaft müsste man es erst rechtfertigen können (vgl. Thaler 2012, S. 42). Der Ruf in der Öffentlichkeit wird häufig daran gemessen, wie viele Menschen ein Unternehmen beschäftigt, obwohl es nicht zu den Aufgaben oder Zielen von Unternehmen zählt, Arbeitsplätze zu schaffen (vgl. Thaler 2012, S. 80). Von einigen Seiten wird gefordert, dass die Bereiche, in denen Menschen nicht benötigt werden, automatisiert werden sollten, um dadurch Zeit und Freiheiten zu schaffen, die dort gebraucht werden können, wo man keine Maschinen einsetzen kann. Man müsste außerdem unproduktive Wirtschaftszweige nicht mehr aus sozialverträglichen Gründen subventionieren. Man würde sich enorme Subventionszahlungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sparen, aber auch andere unnötige Zahlungen, wie etwa die annuelle Zahlung an die deutsche 36

Steinkohleindustrie, die trotz Milliardenförderung international nicht konkurrenzfähig ist. Diese unnötigen Förderungen könnte man weglassen und stattdessen gleich an die Arbeiter/innen als Grundeinkommen auszahlen (vgl. Thaler 2012, S. 81).

Es ist wichtig zu unterscheiden, dass hohes Automatisierungspotenzial nicht notwendigerweise bedeutet, dass es auch wahrgenommen wird und wiederum könnte ein Strukturwandel am Arbeitsmarkt auch dazu führen, dass die Arbeitslosigkeit, selbst bei flächendeckender Automatisierung, nicht übermäßig ausfällt. Die Expert/innen sind sich jedoch einig, dass die Arbeitslosigkeit etwas ansteigen wird, auch wenn das Ausmaß sehr umstritten ist.

Bregman (2019) sieht den Vormarsch der Roboter in der Arbeitswelt als bestes Argument für Arbeitszeitverkürzungen und die Einführung eines Grundeinkommens. Er nennt strukturelle Arbeitslosigkeit und wachsende Ungleichheit als Konsequenzen der gegenwärtigen Entwicklungen (vgl. Bregman 2019, S. 175). Eine Antwort auf die Automatisierung, in welchem Maß sie auch immer ausfällt, wäre, durch eine Verkürzung der Arbeitszeiten darauf zu reagieren, was zu einer Umverteilung der noch existierenden Arbeitsplätze führen würde. Mehr Leute würden arbeiten, aber weniger (vgl. Thaler 2012, S. 79). Auch die Einführung des Grundeinkommens würde wohl zu einer Verkürzung der durchschnittlichen Arbeitszeit führen. Doch das BGE ermöglicht eben dies auch. Teilzeitaktivitäten könnten dadurch rentabel werden und die gewonnene Zeit könnte zur Erweiterung von individuellen Fähigkeiten genützt werden. Es könnten also entweder eine radikale Arbeitszeitverkürzung und Umverteilung oder eben das bedingungslose Grundeinkommen Lösungen für diese Krise der Arbeitswelt sein. Oder beides (vgl. Thaler 2012, S. 80).

Wenn man das bedingungslose Grundeinkommen einführt, wenn eine relativ hohe Automatisierung der Arbeitswelt stattgefunden hat, so würde man das wirtschaftliche Risiko minimieren. Diese Umstände sind jedoch derzeit noch nicht gegeben, weswegen es nach Schätzung von Petersen noch mindestens zwei Jahrzehnte dauern könnte, bis dieser Zustand in einer entwickelten Volkswirtschaft wie etwa Deutschland erreicht sei (vgl. Petersen 2017, S. 636).

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2.1.5. Die Probleme des aktuellen Sozialsystems.

Von einigen Expert/innen wird das bedingungslose Grundeinkommen als Möglichkeit der Reform des traditionellen Sozialsystems gedacht. Ein Problem des aktuellen Sozialsystems ist, dass es jetzt bereits immer mehr Menschen gibt, die von staatlichen Transferzahlungen, wie etwa Arbeitslosengeld oder Pensionen, leben, aber immer weniger Leute, die in das System einzahlen. Zusätzlich zu den demographischen Grenzen, stößt der Sozialstaat auch an seine finanziellen Grenzen, da er durch durch Arbeitslosigkeit bedingte Frühpensionierungen höhere Ausgaben hat (vgl. Thaler 2012, S. 49). Dieses demographische Problem ist schon länger bekannt. Mit 4.355.000 Erwerbstätigen sind weniger als die Hälfte der Österreicher/innen erwerbstätig, während der Rest vom Staat oder Angehörigen erhalten wird (vgl. Statistik Austria 2020c). Auch das Wirtschaftswachstum ist in den letzten Jahren merkbar schwächer geworden. In Deutschland etwa liegt das Wachstum nicht mehr bei jährlich zwei oder mehr Prozent, sondern hat sich bei rund 1,5 Prozent eingependelt (vgl. Hohenleitner und Straubhaar 2008, S. 13f.). Auch die bereits diskutierte Automatisierung der Arbeitswelt belastet das aktuelle Sozialsystem, da sie zu einem Rückgang der Lohnquote führt. Bock-Schappelwein et al. (2018) sprechen hier von einer Aushöhlung der Finanzierungsbasis der sozialen Sicherung (vgl. Bock- Schappelwein et al. 2018, S. 21). Auch die Bevölkerung scheint dies zu merken. Mehr als vier Fünftel der Deutschen meinen, Deutschland brauche eine grundlegende Neuorientierung in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Jedoch hängt die Abschätzung der Chancen auf einen Paradigmenwechsel vom eigenen Weltbild ab. Diejenigen, die Individualismus hochhalten, stehen den Chancen auf einen Paradigmenwechsel in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik optimistisch gegenüber, während die gemeinschaftsorientierten Personen zu 98 Prozent resigniert hatten (vgl. Werner 2018, S. 26). Das derzeitige Sozialsystem ist in einem Teufelskreis gefangen, da es durch Besteuerung der Arbeit finanziert wird und somit die Beschäftigung von Arbeiter/innen verteuert. Dadurch trägt es zur Arbeitslosigkeit bei, was wiederum eine schrumpfende Finanzierungsgrundlage des Sozialsystems als Konsequenz trägt (vgl. Kumpmann 2006, S. 596). Auf alternative Steuersysteme wird in Kapitel 2.1.5. näher eingegangen. Sie werden dort zwar als Finanzierungsmethoden des bedingungslosen Grundeinkommens besprochen, jedoch sind sie auch für eine Diskussion über eine Reform des Sozialsystems relevant.

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Das aktuelle Sozialsystem läuft Gefahr mit aktuellen Veränderungen der Ökonomie nicht mehr mithalten zu können. Die Wirtschaft wird sich mit der Zeit immer mehr zu einer auf Daten basierenden digitalen Ökonomie hin entwickeln. Diese Daten ergänzen und ersetzen traditionelle Inputs der heutigen Wirtschaft, wie etwa Arbeit, Kapital und Energie. Gleichzeitig findet eine Entwicklung weg von Geldwährung hin zur digitalen Währung statt. Damit werden auch traditionelle Besteuerungsformen, wie etwa die von Arbeit oder Kapital, zunehmend irrelevant (vgl. Bock-Schappelwein et al. 2018, S. 23). Heutzutage werden die Sozialversicherungen und Familienleistungen in einem Sozialstaat wie Österreich beinahe ausschließlich durch lohnabhängige Beiträge finanziert. Da sich die Volkswirtschaft immer mehr von traditionellen Arbeitseinkommen entfernt, wird auch die Finanzierung der Leistungen des Sozialstaats schwieriger. Bei der Diskussion über Finanzierungsmethoden für das BGE, auf die im nächsten Teil noch näher eingegangen wird, sollte dieser Aspekt also berücksichtigt werden (vgl. Thaler 2012, S. 104). Werner (2018) argumentiert, dass das Denken der Gegner/innen des BGE über Arbeit und Geld schon lange nicht mehr zur Realität des Wirtschafts- und Geldsystems passt (vgl. Werner 2018, S. 18).

Hinzu kommt, dass aktuelle gesellschaftliche Umstände, wie etwa die hohe Arbeitslosigkeit, das Wachstum der Erwerbsbevölkerung mit gesundheitlichen Einschränkungen, oder die allgemein älter werdende Bevölkerung, den Staat finanziell belasten. Es besteht ein großer Bedarf an dem sozialen Sicherungssystem, während dessen Finanzierung, die Lohnsumme, sich schwach entwickelt. In Bezug auf Österreich schreiben Bock-Schappelwein et al. (2018), dass sich die Sozialstaatsfinanzierung an Veränderungen der Beschäftigungs- und Einkommensstrukturen, wie etwa die Zunahme an Solo-Selbstständigen, anpassen muss. Außerdem gewinnt Nichtlohneinkommen in der Wertschöpfungskette an Bedeutung, während die Bedeutung von Lohneinkommen abnimmt. Auch die hohe Abgabenlast auf Arbeit als Produktionsfaktor spreche dafür. So müsse die Finanzierung durch Lohneinkommen zu anderen Finanzierungsmethoden übergehen (vgl. Bock-Schappelwein et al. 2018, S. 64). Konkret wird bei Bock-Schappelwein et al. (2018) eine Maschinensteuer sowie die Erweiterung der Finanzierungsbasis um weitere Wertschöpfungselemente, wie etwa Fremdkapitalzinsen, Gewinne und Abschreibungen, genannt (vgl. Bock-Schappelwein et al. 2018, S. 21).

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Ein Problem im aktuellen Sozialsystem, das man durch die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens beseitigen könnte, ist, dass man aktuell gewisse Bedingungen erfüllen muss, um finanzielle Unterstützung zu erhalten, weswegen Kontrollen dieser Bedingungen durchgeführt werden. So kommt es dazu, dass viele Menschen zwar bedürftig sind, jedoch keine Sozialhilfe beantragen, aus Scham und Angst wegen der Zurschaustellung ihrer Lebensumstände. Viele Menschen fühlen sich gedemütigt, wenn sie ihre Bedürftigkeit offenlegen müssen. Da man mit dem bedingungslosen Grundeinkommen, wie der Name schon sagt, keine Bedingungen mehr erfüllen muss, werden auch die Überprüfungen ebendieser obsolet (vgl. Blasge 2015, S. 94). Dadurch könnte man auch verhindern, dass es zu Fehlern im System kommt, durch die Leute ausgeschlossen werden, da jeder im Konzept automatisch inkludiert ist. Auch die Stigmatisierung, mit der Leute mit Bedürftigkeit häufig konfrontiert werden, würde wegfallen, da alle es beziehen. Stigmatisierung und Scham sind häufig wichtige Gründe, warum Leute, die Sozialhilfe beziehen könnten, nicht um diese ansuchen (vgl. Gentilini et al. 2020, S. 4f.). Um konkrete Zahlen zu nennen, nehmen in Deutschland rund drei Millionen Menschen die Sozialleistungen, die ihnen zustünden, gar nicht in Anspruch, aufgrund von Stigmatisierung und der Intransparenz der bedürftigkeitsgeprüften Transfers (vgl. Thaler 2012, S. 66).

Da die Überprüfungen der Antragsteller/innen wegfallen würden, und jede/r bedingungslos eine Zahlung erhalten würde, würden der bürokratische Aufwand auf staatlicher Seite, aber auch auf Seiten der Steuer- und Abgabenpflichtigen, erheblich reduziert werden. Somit könnte man die ersparten Ressourcen an anderen Stellen einsetzen (vgl. Thaler 2012, S. 67). Laut einem Sozialbericht des BMAS aus dem Jahr 2013 könnte man 4,3 Milliarden Euro an Verwaltungskosten sparen, wenn ein BGE eingeführt wird. Wenn man das BGE jedoch wie das derzeitige Sozialsystem über eine Besteuerung des Erwerbseinkommens finanziert, so müssten die Finanzämter aus Datenschutzgründen die Verrechnung des BGE vornehmen und würden laut Hauser (1995) dazu noch eine große Zahl an zusätzlichen Einkommenssteuererklärungen erhalten, weswegen die Verwaltungskosteneinsparung doch eher gering ausfallen würde, oder sich nur auf lange Sicht bemerkbar mache (vgl. Hauser 1995, zitiert nach Osterkamp 2016, S. 31).

Bei einem Grundeinkommen würde es bei Arbeitslosigkeit einen Zuverdienst bedeuten, wenn man doch Arbeit findet. Heute ist für Arbeitslose die Motivation eine

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Arbeit aufzunehmen nicht so groß, da das Einkommen in Form eines Arbeitslosengeldes gestrichen wird, sobald eine Arbeit gefunden wird (vgl. Voruna 2006, zitiert nach Thaler 2012, S. 97).

Wenn das bedingungslose Grundeinkommen das aktuelle Sozialsystem ersetzen würde, könnte in diesem Bereich Geld gespart werden, das wiederum in die Finanzierung des Grundeinkommens fließen könnte. Dass es bereits heute zumindest teilweise finanzierbar ist, sieht man daran, dass es in Österreich schon eine Grundsicherung gibt, die aus Sozialversicherungen, Familienleistungen, Notstandshilfe, Pensionen und Sozialhilfe besteht. Durch die Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens würden sich auch administrative und Verwaltungskosten verringern, beziehungsweise ganz wegfallen, wodurch es jedoch noch nicht finanzierbar wäre (vgl. Thaler 2012, S. 103).

Allerdings muss man anerkennen, dass auch das bedingungslose Grundeinkommen allein nicht die ideale Sozialsicherung darstellt. Vor allem bei Pensionen wäre wohl noch private Vorsorge notwendig, da man im Alter wohl nicht mit einem Grundeinkommen in Höhe der Existenzsicherung zufrieden wäre (vgl. Kumpmann 2006, S. 596). Weitere Sozialleistungen, die wohl nicht durch ein Grundeinkommen ersetzt werden würden, sind wohl die Kranken- und Pflegeversicherung. Lösungsansätze wären hier etwa, dass eine Grundversicherungspflicht eingeführt wird, um die das BGE erhöht wird, eine steuerfinanzierte Grundversorgung oder eine Direktüberweisung einer Gesundheitsprämie durch den Staat an die Krankenkassen (vgl. Petersen 2017, S. 630).

Neben einer Neugestaltung von Geldleistungen und des Wohlfahrtsstaats bedarf es auch einer Neuausrichtung des Steuer- und Abgabensystems, um das bedingungslose Grundeinkommen zu finanzieren (vgl. Mayrhuber 2019, S. 99). Gerade die zunehmend globalisierte und digitalisierte Produktionsweise wird zu dieser Notwendigkeit führen, da sie zu einer De-Standardisierung des Arbeitssystems führt. Das traditionelle Sozialsystem bietet bei den neuen Arbeitsformen mit prekären Einkommen keine finanzielle Absicherung mehr (vgl. Mayrhuber 2019, S. 96).

Ein paar Möglichkeiten, wie diese Neuausrichtung stattfinden könnte, werden in Folge besprochen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das aktuelle Sozialsystem nicht ideal ist, um mit aktueller werdenden Problemen, wie etwa der Automatisierung der Arbeitswelt, klarzukommen. Es wird durch eine Besteuerung der 41

Erwerbseinkommen finanziert, die wohl immer geringer werden. Zusätzlich müsste es mit einer steigenden Zahl an Arbeitslosen klarkommen. Wenn man Alternativen zum jetzigen Finanzierungskonzept überlegt, liegt auch der Gedanke nicht weit fern, ob man durch ein alternatives Finanzierungskonzept ein BGE finanzieren und somit das Sozialsystem reformieren könnte.

2.1.6. Die Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens.

Die Frage, ob und wie ein bedingungsloses Grundeinkommen finanzierbar ist, war von Anfang an zentral für die Diskussion um das BGE (vgl. Thaler 2012, S. 102). Die Höhe des BGE und dessen Finanzierungsmethode müssten penibel aufeinander abgestimmt werden, da die Grenze der Höhe des BGE dort liegt, wo sie die Produktion so bremst, dass das BGE nicht mehr finanziert werden kann, es also so hoch ist, dass es seiner eigenen Finanzierung schadet. In der öffentlichen Debatte wird die Finanzierbarkeit häufig angezweifelt, jedoch ist Osterkamp (2016) der Meinung, dass Zweifel an der Finanzierbarkeit des BGE nicht grundsätzlich bestehen können, sondern Zweifel existiere nur im Kontext der Abwägung zwischen der Wertschätzung des Grundeinkommens und den nachteiligen Konsequenzen, die bei einer Einführung in Kauf zu nehmen wären. Jedoch glaubt selbst unter den Befürworter/innen des BGE nur eine Minderheit, dass die Finanzierung des BGE kein Problem sei (vgl. Osterkamp 2016, S. 27).

2.1.6.1. Maschinensteuer

Eine Reihe von Expert/innen vertritt die Ansicht, dass das BGE durch eine Maschinensteuer finanziert werden könnte. Vor allem bei einer fortschreitenden Automatisierung könnte man eine Besteuerung der Maschinen und Roboter, beziehungsweise eine Besteuerung der Eigentümer/innen ebendieser, wiederum in die Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens miteinfließen lassen. Das BGE würde wiederum eine Absicherung für all jene bieten, die von dem digitalisierungsbedingten Erwerbsarbeitsverlust betroffen sind. Es soll außerdem eine stabilisierende Kraft für die digitale Ökonomie darstellen (vgl. Bock-Schappelwein et al. 2018, S. 19). Die Einführung einer Robotersteuer würde zwar zu einer 42

Verlangsamung des technologischen Fortschrittes führen, da sie den Einsatz von Robotern verteuern würde, was gleichzeitig auch Innovationen für Wohlfahrt und Wettbewerbsfähigkeit verlangsamen würde, jedoch wird ebenfalls argumentiert, dass so die Volkswirtschaft mehr Zeit bekommen würde, um sich an die sozialen und ökonomischen Konsequenzen der Automatisierung anzupassen (vgl. Bock- Schappelwein et al. 2018, S. 22). Das aktuelle Sozialsystem ist an menschliche Arbeit gebunden, die sich jedoch im Abnehmen befindet. Hingegen müsse man es an die steigende Maschinenarbeit koppeln (vgl. Thaler 2012, S. 50).

Der deutsche Sozialminister Herbert Ehrenberg brachte in den späten 1970er-Jahren im Kontext der Aushöhlung des Sozialstaates die Idee der Maschinensteuer in die öffentliche Diskussion ein. Es handelt sich dabei um eine Ausweitung des Arbeitseinkommens als Finanzierungsbasis des Sozialsystems um weitere Elemente, wie etwa Fremdkapitalzinsen, Gewinne und Abschreibungen. Dies sollte die Finanzierung der sozialen Sicherung trotz Arbeitskräfterückgangs weiterhin gewährleisten (vgl. Bock-Schappelwein et al. 2018, S. 21).

2.1.6.2. Finanzierung über die Mehrwertsteuer

Nach der Meinung einiger Expert/innen wäre die Finanzierung des BGE durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer eine Möglichkeit. Dieses Prinzip wird auch oft als Konsumsteuer betitelt. Die Mehrwertsteuer soll steigen, während die direkte Besteuerung der Arbeitseinkommen von Personen deutlich verringert werden soll. Die geringere Besteuerung der Löhne würde die Arbeitsleistung der Personen mehr honorieren, während die Inanspruchnahme von fremden Dienstleistungen oder Produkten teurer werden würden. Diese Konsumsteuer würde aber je nach Gut variieren, so würden etwa essentielle Güter wie Nahrung oder Kleidung geringer besteuert werden als etwa Luxusgüter (vgl. Blasge 2015, S. 80).

Dadurch, dass der Konsum besteuert wird und nicht die Arbeit, würde die Steuer auch bei hoher Arbeitslosigkeit Erträge bringen. Geht man davon aus, dass die Prognosen stimmen, dass Menschen weniger arbeiten werden (müssen), würde eine Besteuerung der Arbeit nur noch wenig bringen, eine Besteuerung des Konsums hingegen wäre eine Option, da Leute nach wie vor konsumieren würden und auch müssten. Im Modell der Konsumsteuer werden die Steuern des Arbeitseinkommens auf den Konsum 43

umgelegt, damit wären Arbeitseinkommen steuerfrei (vgl. Thaler 2012, S. 105). Im Kontext des bedingungslosen Grundeinkommens könnte dies einen zusätzlichen Anreiz darstellen, trotz des BGE Erwerbsarbeit nachzukommen. Einerseits würden die Preise durch die erhöhte Mehrwertsteuer steigen und andererseits würden Nettolöhne steigen, da sie dem Bruttolohn gleichkommen, wenn die Besteuerung dieser wegfällt.

Nach Einschätzung von Habermacher und Kirchgässner (2016) wäre es zumindest theoretisch möglich, das BGE durch Anhebung der Mehrwertsteuer vollständig zu finanzieren, was sie am Beispiel der Schweiz mit einem BGE von 2500 CHF pro Monat erläuterten. Nach den Einsparungen durch die Reduktion der Sozialausgaben, die die Einführung des BGE mit sich bringen würde, wären noch 150 Milliarden Schweizer Franken zu erheben, um das Grundeinkommen zu finanzieren. Dafür müsste der Mehrwertsteuersatz von den derzeitig durchschnittlich 5% auf 57 % angehoben werden, da mit jedem gesteigerten Mehrwertsteuerprozentpunkt etwa 3,10 Milliarden CHF eingenommen werden können. Die Preise, die mit der Mehrwertsteuer belastet sind, würden um rund 50 Prozent steigen, allerdings würde das allgemeine Preisniveau um zirka 30 Prozent steigen, da nicht alle Produkte von der

Mehrwertsteuer belastet werden. Dies würde den realen Wert des BGE auf 1923 CHF reduzieren, weswegen wiederum eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes notwendig wäre (vgl. Habermacher und Kirchgässner 2016, S. 10). Man begäbe sich in einen Teufelskreis, denn eine zu hohe Mehrwertsteuer könnte große Anreize zum Ausweichen in die Schattenwirtschaft mit sich bringen, was wiederum die Einnahmen durch die Mehrwertsteuer reduzieren würde. Damit gingen die Einnahmen der Mehrwertsteuer deutlich zurück, was eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer erfordern würde. Soll der Staat seine heutige Leistung halten, müssten Vermögen und Einkommen weiterhin besteuert werden, wodurch die Steuerlast massiv steigen würde. Auch wenn die Finanzierung theoretisch möglich ist, ist die Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens alleinüber die Mehrwertsteuer laut Habermacher und Kirchgässner (2016) keine gute Idee (vgl. Habermacher und Kirchgässner 2016, S. 11).

Es wird argumentiert, dass schon heute der Konsum durch alle Steuern betroffen ist. Da Einkommens- und Unternehmenssteuern in die Preise miteinkalkuliert werden, werden diese bereits heute von den Konsument/innen mitgetragen. Es enthält also jeder Nettopreis heute schon einen hohen Steueranteil. Laut Werner (2010) erhält man

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im Preis einen Steueranteil von 50 Prozent, wenn man alle Steuern zusammenaddiert, die indirekt anfallen. Lässt man also diese Steuern bei der Produktion und Arbeit weg und erhebt sie dann beim Konsum, bleiben die Preise stabil. Die Mehrwertsteuer würde steigen, aber die Produktionskosten würden sinken (vgl. Thaler 2012, S. 106f.).

Bei konventionellen Steuerformen gibt es einige Tricks, eine Besteuerung zu umgehen, wie etwa durch komplexe Gesellschaftskonstruktionen oder die Verlegung des Wohnsitzes in andere, steuergünstigere Länder. Dadurch, dass die Mehrwertsteuer beim Kauf anfällt, kann ihr schwer entkommen werden, zumindest sofern der Schattenwirtschaft Einhalt geboten werden kann. Bei Besteuerung der Produktion werden die Produkte teurer, je mehr Steuern erhoben werden. Darum entscheiden sich viele für billige Kleidung aus Asien, anstatt heimisch produzierte Ware zu kaufen, die auch heimische Arbeitsplätze sichert (vgl. Thaler 2012, S. 108). Habermacher und Kirchgässner (2016) sind der Meinung, dass Unternehmen, die für das Inland produzieren, einen Wettbewerbsnachteil erhalten würden, da eben Exporte wegen des Grenzausgleichs nicht so stark belastet werden würden (vgl. Habermacher und Kirchgässner 2016, S. 9). Petersen (2017) ist hingegen der Ansicht, dass diese Finanzierungsmethode keinen Nachteil im internationalen Handel bringt, da der Erwerb von Gütern mit dem Mehrwertsteuersatz belastet wird, der im Land gilt, in dem Güter erworben werden. Wenn also ein Land die Mehrwertsteuer erhöht, hat dies für die andern Länger keine Auswirkungen, da die Mehrwertsteuer beim Export inländischer Güter ins Ausland nicht anfällt. Bei einem BGE entfallen die Sozialversicherungsbeiträge, was die Produktionskosten inländischer Unternehmen reduziert. Diese Faktoren würden zu einer Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und einer Steigerung von Exporten, Produktion und Beschäftigung führen (vgl. Petersen 2017, S. 633).

Da die Finanzierung eines BGE über die Erhöhung der Mehrwertsteuer erstens den Preis erhöhen würde und zweitens die Besteuerung beim Konsum anfallen würde, würde dies nicht zur oft von Grundeinkommensbefürworter/innen gewünschten Umverteilung führen. Haushalte mit geringen Einkommen geben anteilsmäßig nämlich mehr für Lebensmittel aus als jene mit hohen Einkommen, weswegen die Geringverdiener/innen stärker betroffen wären (vgl. Wakolbinger et al. 2020, S. 23).

Sollte die Automatisierung der Arbeitswelt in einem hohen Maße eintreten, so würde die Konsumsteuer den Nachteil menschlicher Arbeitskraft, der im traditionellen 45

Steuersystem besteht, ausgleichen. Menschliche Arbeit ist im Gegensatz zu Maschinen heutzutage nämlich sehr teuer, da Menschen ein Einkommen brauchen und nur auf menschliche Arbeit Steuern erhoben werden. Die Konsumsteuer würde menschliche Arbeit, mit der von Maschinen gleichsetzen, da die hohen Lohnsteuern und Sozialabgaben auf von Menschen erbrachte Leistung wegfallen würden. Somit hätten Unternehmen aus Steuersicht keinerlei Grund, Maschinen im Arbeitsprozess Menschen vorzuziehen (vgl. Thaler 2012, S. 110). Sollte die Konsumsteuer in dieser Form tatsächlich eingeführt werden, so wird eine Schritt-für-Schritt-Einführung empohlen, bei der das bisherige Steuersystem langsam zurück gefahren wird, während das neue langsam eingeführt wird (vgl. Thaler 2012, S. 112).

Habermacher und Kirchgässner schreiben, dass die Finanzierung des BGE über eine erhöhte Mehrwertsteuer zwar theoretisch möglich sei, jedoch wären die Auswirkungen fatal, da es zu starken Reaktionen der Betroffenen und sozialen Verwerfungen führen würde, weswegen das System zusammenbrechen würde (vgl. Habermacher und Kirchgässner 2016, S. 13).

2.1.6.3. Finanzierung des BGE über die Finanztransaktionssteuer

Einige Expert/innen erwägen die sogenannte Finanztransaktionssteuer als Finanzierungsmethode für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Dabei handelt es sich um die Besteuerung (spekulativer) Kapitalbewegungen. Sie würde als geringfügige Besteuerung von etwa 0,1 bis 0,5 Prozent auf grenzüberschreitende Geldgeschäfte anfallen. Diese Steuer soll auch dazu dienen, spekulative Kapitalbewegungen zu unterbinden, da diese eine erhebliche Mitschuld an der Weltwirtschaftskrise 2008 und 2009 trugen, und könnte gleichzeitig eine große Einnahmequelle sein, um globale Armut zu bekämpfen. Spekulative Kapitalflüsse im Handel mit virtuellen Gütern und Spekulationspapieren haben das realwirtschaftliche Handelsvolumen bereits abgehängt. Dabei müsste für jede Transaktion ein Teil als Steuer abgegeben werden, was vor allem kurzfristige, von der Realwirtschaft unabhängige, Transaktionen treffen würde. Es müsse außerdem das Ziel der Finanztransaktionssteuer sein, ebendiese Transaktionen höher zu besteuern (vgl. Blasge 2015, S. 83). In den meisten entwickelten Ländern betragen die jährlichen Summen von Großbetragssystemen das 90-100-fache des BIP (vgl. Kernbauer 2016,

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S. 130). Das bedeutet, dass durch Besteuerung dieser Summen hohe Einnahmen erzielt werden können. Pekanov und Schratzenstaller (2019) schätzen die möglichen Einnahmen global auf zwischen 237,9 und 418,8 Milliarden Dollar jährlich. Konkreter würden die Einnahmen in den USA etwa 72,57 Milliarden US-Dollar betragen, was etwa 0,37% des BIP ausmacht, während die Europäische Union mit 119,46 Milliarden US-Dollar, etwa 0,69% des BIP erhalten würde (vgl. Pekanov und Schratzenstaller 2019, S. 1).

Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer wird auch unabhängig von der Finanzierung eines BGE diskutiert, unter anderem von der Europäischen Kommission. Dabei sollten Aktienkäufe von Unternehmen, deren Hauptsitz sich in einem der Mitgliedsstaaten befindet und deren Marktkapitalisierung über eine Milliarde Euro beträgt, mit mindestens 0,2% des Kaufpreises besteuert werden. Zu diesen Mitgliedsstaaten zählen Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Portugal, Italien, Slowakei, Slowenien und Spanien. Da man heimische Banken nicht schlechter stellen möchte, sollen auch weltweite Käufe besteuert werden (vgl. Pichler 2019, S. 2). Der Vorschlag der Europäischen Kommission verfehlt allerdings laut Pichler (2019) seine Ziele. Die Europäische Kommission wollte die Transaktionssteuer auf Aktientransaktionen beschränken, womit mehr als 99% der Finanztransaktionen von der Steuer nicht betroffen sind. Eigentlich sollte die Finanztransaktionssteuer die Realwirtschaft schützen, jedoch würde dieser durch eine Erhöhung von Eigenkapitalkosten geschadet werden. Die kurzfristigen Spekulativtransaktionen, die der Realwirtschaft schaden, und somit höher besteuert werden sollten, wurden im Vorschlag der Europäischen Kommission ausgenommen und damit gefördert (vgl. Pichler 2019, S. 36). Da nicht alle Mitgliedstaaten die neue Steuerform einführen wollen, sondern nur die oben genannten, wäre eine Wettbewerbsverzerrung nicht zu verhindern. Es ist notwendig, die Finanztransaktionssteuer auf globaler Ebene einzuführen, da es sonst zu Umgehungs- und Verlagerungseffekten kommen könnte. Es bedarf also einer internationalen Koordination und multilateralen Konsens. Wenn einzelne Nationen nicht teilnehmen, könnten sie ihr Land als Ort fördern, an dem Finanztransaktionen weiterhin ungehindert stattfinden könnten (vgl. Pekanov und Schratzenstaller 2019, S. 7). Darum macht die Steuer nur Sinn, wenn sie in den meisten Ländern eingeführt wird, da man seine Transaktionen sonst einfach in einen anderen Finanzmarkt verlagern könnte (vgl. Stocker 2018, S. 83). Ein konkretes Beispiel, warum es wichtig wäre, dass die Finanztransaktionssteuer global eingeführt 47

wird, ist Schweden. 1985 führte Schweden eine Börsenumsatzsteuer ein, deren Einnahmen statt der erhofften 165 Millionen Euro nur 9 Millionen waren. Die Steuer wurde sieben Jahre später wieder abgeschafft, da die Handelsumsätze bei Wertpapieren um 85 Prozent einbrachen und der Terminhandel fast vollständig verloren ging (vgl. Habermacher und Kirchgässner 2016, S. 13).

Nach Pekanov und Schratzenstaller (2019) sollte die Steuer auf alle Transaktionen von Finanzanlagen und Finanzinstrumenten erhoben werden und niedrig sein, da so häufige und schnelle Transaktionen getroffen werden, da diese Teil des automatisierten und hochfrequentierten Handels sind, die besonders sprunghaft und unbeständig sind. Es wird jedoch diskutiert, dass Pensionsfonds von der Finanztransaktionssteuer ausgenommen werden, da diese mit Ersparnissen von Bürger/innen handeln und in der Konsequenz zu einer zu geringen Rentenleistung in der Zukunft führen würden (vgl. Pekanov und Schratzenstaller 2019, S. 6).

Der Vorteil der Finanztransaktionssteuer ist, dass normale Bürger/innen von der Steuer kaum betroffen wären, da etwa 90 Prozent der Finanztransaktionen im Hochfrequenzhandel stattfinden (vgl. Habermacher und Kirchgässner 2016, S. 13). Im virtuellen und spekulativen Handelsbereich ist ohnehin genügend Geld vorhanden, weswegen dieser Bereich gut besteuert werden könnte. Eine weitere Überlegung zur zusätzlichen Finanzierung wäre, Strafen bei moralisch nicht vertretbaren Spekulationen, wie zum Beispiel mit Lebensmitteln, einzuführen, die dann wiederum dem BGE zugutekommen würden (vgl. Blasge 2015, S. 84).

Bregman (2019) argumentiert, dass eine Finanztransaktionssteuer den Menschen mehr Geld bringen würde und dieses auch gerechter verteilen würde, denn dass alle mehr davon haben, sei schließlich der Sinn von Steuern (vgl. Bregman 2019, S. 167). In der Theorie würde sich über sie ein BGE finanzieren lassen. Eine Arbeitsgruppe um den Schweizer Finanzpolitiker und ehemaligen Vizekanzler Oswald Sigg errechnete für die Schweiz ein Grundeinkommen von 2500 CHF für jede/n Schweizer/in bei einer Mikrosteuer von 0,05 Prozent auf jeden Geldtransfer, die wie erwähnt, auf die normalen Bürger/innen kaum Auswirkungen hätte (vgl. Precht 2018, S. 135).

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2.1.6.3. Grundsteuer

Die Grundsteuer ist eine Besteuerung von natürlichen Ressourcen. Diese Steuer schließt zum Teil an das Konzept der „Agrarian Justice“ von Thomas Paine an, das zuvor schon besprochen wurde. Es handelt sich dabei um eine Verteilung eines Entgelts, das für die Nutzung der Erde als Ressource erhoben wird, da sie im philosophischen Sinne allen Menschen gehört. In Österreich gibt es bereits Grundsteuern, nämlich die Grundsteuer A, die sich auf land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz bezieht, während sich die Grundsteuer B auf sonstigen Grundbesitz bezieht. Der Betrag der Grundsteuer ergibt sich aus dem Einheitswert des Grundbesitzes und dem anzuwendenden Steuersatz (vgl. Blasge 2015, S. 85).

In Alaska gibt es bereits ein ressourcenfinanziertes Grundeinkommen. Jede/r Bewohner/in erhält dort ein Grundkommen, das durch das dortige Ölvorkommen, beziehungsweise durch Einnahmen aus der Ölforderung, bezahlt wird. Die Bevölkerung Alaskas richtete selbst den Fond „ Corporation“ ein, aus dem jede Person von Geburt an etwa 1000 Dollar annuell überwiesen bekommt. Der Betrag variiert je nach Einnahmen aus dem Fonds an den internationalen Finanzmärkten. So ist er etwa von 386 Dollar im Jahr 1983 auf 1305 Dollar im Jahr 2009 angestiegen (vgl. Blasge 2015, S. 91). Der Nachteil dieser Steuer sind die Schwankungen des Betrags, weswegen eine garantierte Existenzsicherung nicht gegeben ist. Dennoch scheint das Konzept aufzugehen, da Alaska eine der niedrigsten Armutsraten einerseits und die gleichmäßigste Einkommensverteilung andererseits in den USA hat. Eine gerechte Einkommensverteilung und Armutsbekämpfung sind zwei wichtige Argumente für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, die damit in Alaska erfüllt zu sein scheinen (vgl. Niemann 2015, S. 158). Dennoch muss man bedenken, dass Alaska durch das Erdöl generell ein sehr reicher Bundesstaat ist und 1000 Dollar jährlich die Grundbedürfnisse nicht zu decken vermögen.

2.1.6.4. Negative Einkommenssteuer

Das Konzept der negativen Einkommenssteuer geht auf Milton Friedman zurück und würde wohl gut mit einem bedingungslosen Grundeinkommens harmonieren. Die

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negative Einkommenssteuer ist eine Überweisung des Finanzamtes an steuerpflichtige Bürger/innen, je nach seinem/ihrem Einkommen. Eine positive Einkommenssteuer hingegen ist eine Abgabe einer steuerpflichtigen Person, wenn ihr Einkommen über einem gewissen Betrag liegt. Die negative Einkommenssteuer steht also konzeptuell in Zusammenhang mit einem einkommensabhängigen Grundeinkommen (vgl. Blasge 2015, S. 96f.). Unter einem gewissen Einkommen bekommt man einen Betrag ausbezahlt, der mit steigendem Einkommen abnimmt, bis die Steuerzahlungen ab einem gewissen Betrag positiv werden und an den Staat gezahlt werden müssen (vgl. Niemann 2015, S. 158). In voller Höhe wird das BGE in diesem Modell also nur ausgezahlt, wenn kein Vermögens- oder Erwerbseinkommen vorliegt. Dieses Modell wird von den meisten Befürworter/innen als das Realistischste erachtet (vgl. Osterkamp 2016, S. 27).

Friedman (1982) hält es für wichtig, eine Untergrenze festzulegen, unter die das Nettoeinkommen von niemandem, aufgrund der negativen Einkommenssteuer fallen könnte. Das Ausmaß dieser Untergrenze würde Friedman davon abhängig machen, was die Gesellschaft verträgt. Die negative Einkommenssteuer würde mit Geld aktiv gegen Armut vorgehen. Der Vorteil wäre, dass sie ein simpler Ersatz für viele spezielle Maßnahmen zur Armutsbekämpfung wäre. Außerdem argumentiert Friedman, dass sie die Anreize zu arbeiten nicht völlig zerstören würde, da mehr Einkommen immer mehr mögliche Ausgaben bedeuten wird. Der große Vorteil an der negativen Einkommenssteuer gegenüber den anderen Steuermodellen wäre, dass keine große Reform des aktuellen Steuersystems nötig wäre, da die Steuer immer noch eine Einkommenssteuer wäre, jedoch eine verbesserte Version. Zusätzlich würde sich der Verwaltungsaufwand reduzieren, weil die negative Einkommenssteuer die Sozialleistungen ersetzen würde (vgl. Friedman 1982, S. 158). Auch Niemann (2015) teilt die Einschätzung der Vorteile. So würde eine negative Einkommenssteuer Arbeitslose motivieren, über Lohnarbeit etwas dazuzuverdienen, das Sozialsystem vereinfachen und den Missbrauch des Sozialsystems verhindern (vgl. Niemann 2015, S. 160).

Die negative Einkommenssteuer ist ein Grundeinkommen, das jedoch erst nach Analyse der Steuerklärung ausgezahlt wird, während das BGE als Vorschuss ausgezahlt werden würde. Ein weiterer Unterschied zu gängigen Grundeinkommensmodellen ist, dass die negative Einkommenssteuer wohl auf einen

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Haushalt und nicht auf das Individuum gerechnet werden würde (vgl. Reuter 2016, S. 26). Die negative Einkommenssteuer wäre sowohl Grundeinkommen als auch dessen Finanzierungsvorschlag zugleich.

2.1.6.5. Diskussion der Steuerformen

Richard David Precht (2018) erwidert auf die Frage nach der Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens, dass das aktuelle Sozialsystem mit seiner Finanzierung über die Erwerbssteuer bei derzeitiger Entwicklung auch nicht mehr lange finanzierbar bleibt, weswegen der Umstieg auf ein anderes Steuersystem ohnehin notwendig wird (vgl. Precht 2018, S. 130). Die verschiedenen Grundeinkommensmodelle bedienen sich verschiedener Finanzierungsmethoden, es gibt jedoch bislang keinen Konsens, welche Methode am besten geeignet wäre. Am ehesten kämen wohl jene Steuerformen in Frage, die auch unabhängig vom bedingungslosen Grundeinkommen eingeführt werden sollten, wobei es auch darüber keinen Konsens gibt. Die Einführung der Finanztransaktionssteuer auf globaler Ebene wird bereits auf EU-Ebene diskutiert, also ist auch diese Finanzierungsmethode nicht weit hergeholt. Auch eine Konsumsteuer ist bereits Realität, nämlich in Form einer Mehrwertsteuer. In Österreich beträgt dieser Steuersatz 10 beziehungsweise 20 Prozent (vgl. Blasge 2015, S. 86). Ob man das bedingungslose Grundeinkommen darüber vollständig finanzieren könnte, ohne dass es schädliche Konsequenzen für die Wirtschaft gibt, ist jedoch zweifelhaft. Der Vorteil der Finanztransaktionssteuer gegenüber der Finanzierung über die Mehrwertsteuer wäre, dass nicht jede/r Bürger/in stark davon betroffen wäre, sondern hauptsächlich Hochfrequenzspekulationen. Eine Steuer in diesem Bereich würde außerdem ebendiese in Zaum halten.

Klar ist auf jeden Fall, dass das bedingungslose Grundeinkommen die Situation der Leute über die bestehenden Sozialleistungen hinaus verbessern sollte, weswegen es mehr Geld kosten würde und somit nur mit erhöhten Steuereinnahmen finanzierbar wäre (vgl. Thaler 2012, S. 103). Bei der Finanzierungsfrage spielt die Höhe des Grundeinkommens eine wichtige Rolle. Setzt man es zu niedrig an, um die Existenz zu sichern, ohne zusätzlichem Einkommen, macht es wenig Sinn. Setzt man es hoch genug an für ein menschenwürdiges Leben, dann ist es möglicherweise nicht mehr finanzierbar. Zusätzlich muss man bedenken, dass es durchaus ausgenützt werden

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könnte. Rechtlich gesehen dürfte jede/r EU-Bürger/in in die Schweiz ziehen, ohne dort zu arbeiten. Ihnen könnte man ein hypothetisch eingeführtes BGE nicht verwehren und es könnte dadurch durch Sozialtourismus aus Ländern mit geringeren Einkommen und hoher Arbeitslosigkeit missbraucht werden. Unkontrollierte Zuwanderung würde wiederum die Finanzierung des BGE – des Zuwanderungsgrundes – unmöglich machen (vgl. Habermacher und Kirchgässner 2016, S. 14).

Worauf sich sowohl Befürworter/innen als auch Gegner/innen des BGE einigen können, ist, dass man die Einsparungen durch den Wegfall des aktuellen Sozialsystems für das BGE nutzen könnte. Der Vorteil des Konzepts des bedingungslosen Grundeinkommens ist die Transparenz und Einfachheit des Verfahrens. Es gibt keine bürokratischen Berechtigungsprüfungen, keinen Ermittlungsaufwand und keine Kontrollen der Berechtigung mehr (vgl. Hohenleitner und Straubhaar 2008, S. 23f.). Dennoch ist die Ansicht, dass alle Überprüfungen und Kosten in der Verwaltung einfach wegfallen würden, etwas naiv. Etwa müsste weiterhin geprüft werden, ob bei gewissen Personen eine Bedürftigkeit, die über das Grundeinkommen hinaus geht, besteht. Bei einem einkommenssteuerfinanzierten Modell müssten weiterhin das Gehalt und die korrekte Versteuerung dessen geprüft werden. Die Einsparungen durch das Wegfallen der Sozialleistungen würden aber dennoch erhalten bleiben (vgl. Reuter 2016, S. 24).

Die verschiedenen Finanzierungsmethoden muss man wohl aus zwei Blickwinkeln betrachten. Einerseits muss man sich überlegen, welche aktuell die ideale Methode wäre, um das BGE zu bezahlen und andererseits muss man auch in Betracht ziehen, welche Steuerformen wohl in der Zukunft besser funktionieren, vor allem in Bezug auf die Veränderung der Arbeitswelt. Denn dadurch würde sich auch die Finanzierungsbasis bei einigen Steuerformen massiv ändern. Die Idee der Maschinensteuer besteht bereits seit der industriellen Revolution, würde aber kein ideales Mittel für die Finanzierung des BGE sein, da sie genau die Wertschöpfung bremsen würde, die notwendig ist, um das Grundeinkommen zu finanzieren. Außerdem würde sie, wenn sie nicht auf internationaler Ebene eingeführt wird, zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen führen (vgl. Precht 2018, S. 133). Die negative Einkommenssteuer wäre nach Ansicht von Precht auch nur dann ein gutes Modell, wenn die vorhergesagte Automatisierung der Arbeitswelt nicht eintrifft, ansonsten wäre der Sozialstaat mit negativer Einkommenssteuer wohl nicht finanzierbar. Nach Precht

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wären Konsumsteuer oder auch die Finanztransaktionssteuer zukunftsträchtiger, da Konsum und Finanztransaktionen auch in Zukunft weiterhin stattfinden, selbst wenn die Automatisierung in einem hohen Maß eintritt (vgl. Precht 2018, S. 134).

Eine Möglichkeit wäre auch die Kombination aus verschiedenen Steuermodellen, so wie sie etwa Wakolbinger et al. (2020) vorschlagen. Sie schlagen für Österreich eine Konsumsteuer von 120% inklusive einer Exportsteuer vor, um monatliche 1000 Euro für alle zu finanzieren. Bei einer Konsumsteuer von 110% würde noch eine

Vermögenssteuer, Finanztransaktionssteuer und CO2-Steuer hinzukommen (vgl. Wakolbinger et al. 2020, S. 19).

Kein Finanzierungsmodell ist im Einzelnen perfekt ausgereift und dieses Kapitel dient nicht dazu, eine Empfehlung über die Idealvariante der Finanzierung abzugeben, jedoch sollten die verschiedenen Ideen aufgezeigt und diskutiert werden. Der wichtigste Wissensgewinn ist wohl, dass das bedingungslose Grundeinkommen, auch wenn die Finanzierung dahinter nicht einfach ist, grundsätzlich finanzierbar wäre, wenn der politische Wille danach bestünde. Dieser Meinung sind auch einige Ökonom/innen und sogar Wirtschaftsnobelpreisträger (vgl. Reuter 2016, S. 29). Mit der politischen Umsetzbarkeit des bedingungslosen Grundeinkommens beschäftigt sich Kapitel 4.

2.2. Die ideologische Ebene

Am Anfang dieser Arbeit wurde bereits erwähnt, dass die Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen auf zwei Ebenen stattfindet, nämlich auf einer sachlichen Ebene, wo es vor allem um die Finanzierung des BGE und dessen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt geht, und auf einer ideologischen, wo es um Werte wie Freiheit, Selbstentfaltung und -bestimmung, aber auch um die Menschenwürde geht. Die Befürworter/innen haben auf der Werteebene wohl eher ein positives Menschenbild, da sie davon ausgehen, dass Menschen durch Anreize besser motiviert werden als durch Zwang und dass sie nach Glück streben, dass sie auch bereit sind zu teilen (vgl. Opielka 2004, S. 441).

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2.2.1. Mehr Selbstbestimmung und -entfaltung

Die Selbstbestimmung bei der Arbeitswahl wurde bereits erwähnt. Durch ein BGE würden Arbeitnehmer/innen die Freiheit erhalten „Nein“ zu Berufen oder ihre/r/m Arbeitgeber/in zu sagen. Sie müssten sich nicht alles gefallen lassen, nur aus Angst, sonst ihre Arbeitsstelle zu verlieren. Ein wichtiges Argument der Befürworter/innen des bedingungslosen Grundeinkommens ist, dass es Menschen die Freiheit geben würde, ihr Leben selbst zu gestalten. Dies richtet sich vor allem gegen den Zwang zur Erwerbsarbeit und die Fremdbestimmung durch diese (vgl. Thaler 2012, S. 98).

Es wird bei den Definitionen des Grundeinkommen meist von einer finanziellen Existenzsicherung gesprochen. Dies ist auch das Entscheidende am Grundeinkommen, denn sobald die Existenz gesichert ist, können sich Menschen entfalten. Jedoch stellt sich die Frage, ob eine reine Existenzsicherung reicht, oder ob außerdem die gesellschaftliche Teilhabe durch das BGE ermöglicht werden müsse. Das heißt, es müsse in einer Höhe ausfallen, um ein Leben nach dem gesellschaftlichen Standard führen zu können (vgl. Thaler 2012, S. 63). Auch Konsum ist Teil der gesellschaftlichen Teilhabe. Die meisten Menschen können ihre Grundbedürfnisse nicht selbst befriedigen, da unsere moderne Gesellschaft auf globaler Arbeitsteilung beruht. Sie müssen bestimmte Produkte und Dienstleistungen konsumieren und benötigen im Zuge dessen ein gewisses Einkommen (vgl. Blasge 2015, S. 59).

Die Freiheit zur Selbstentfaltung ist allerdings vermutlich nicht so unkompliziert wie man meinen sollte. Laut Offe (2009) haben die Menschen verlernt, sich durch etwas anderes als durch Erwerbsarbeit nützlich zu machen und Anerkennung zu finden. Es würden institutionelle Muster benötigt werden, die soziale Integration abseits des Arbeitsplatzes ermöglichen. Diese plötzliche Freiheit kann also auch eine überfordernde Wirkung haben, jedoch gibt es in Freiheit eben auch immer die Freiheit, diese nicht zu nutzen (vgl. Offe 2009, zitiert nach Thaler 2012, S. 100). Ein weiterer Aspekt der freien Entfaltung, die das bedingungslose Grundeinkommen ermöglichen würde, wären flexiblere Arbeitsformen. An Teilzeitbeschäftigung wäre nichts auszusetzen und auch künstlerischen Berufen würde eine gewisse Basis geboten werden. Der Zweck der Arbeit wäre nicht mehr, Geld zu verdienen, darum würden

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auch ehrenamtliche, künstlerische, soziale oder familiäre Tätigkeiten aufgewertet werden (vgl. Thaler 2012, S. 78).

Die durch ein BGE geschaffene Freiheit kann ein Fluch und ein Segen sein. Menschen würden durch das Wegfallen der gesellschaftlichen Verpflichtungen mehr Freiheit für ihre eigenen Tätigkeiten bekommen, jedoch ist die Gefahr, dass die Zahl derer, die keiner gesellschaftlich nützlichen Tätigkeit nachgehen, zu groß wird, was die Gemeinschaft belasten würde, durchaus reell. Dennoch würde das bedingungslose Grundeinkommen die Freiheit schaffen, Dinge und Tätigkeiten abzulehnen, unabhängig von jeglichem sozioökonomischen Druck. Die Frage ist, ob diese Freiheit das Risiko des Ausnützens ebendieser wert ist (vgl. Blasge 2015, S. 98). Bernau (2020) sieht die Möglichkeit auf die freie Entfaltung etwas zynischer. Er würde es als ungerecht empfinden, dass die Menschen die unprofitablen Projekte von „Modedesigner[n] und Künstler[/innen]“ die sich selbst verwirklichen wollen, und die Faulheit von Menschen durch ein Grundeinkommen mitfinanzieren müssten (Bernau 2020). Die Angst vor zu viel Freizeit der Bevölkerung wurde sogar vom amerikanischen Innenministerium 1974 geteilt, das Freizeit potenziell als „beunruhigendstes Problem der Zukunft“ ansah (vgl. Bregman 2019, S. 134).

2.2.2. Gesundheit

Es gibt laut Althaus et al. (2010) Studien, die besagen, dass Armut krank macht, da mit ihr auch der Verlust an sozialen Kontakten aufgrund von Ausgrenzung und Stigmatisierung einhergeht. Das Selbstwertgefühl und die Lebenszufriedenheut sinken, während Suizidgefahr und Krankheitsrisiko steigen. Es kommt zu einem Teufelskreis, da Arbeitsmoral und berufliche Kompetenzen verloren gehen (vgl. Althaus et al. 2010, zitiert nach Blasge 2015, S. 74). Durch ein stabiles Einkommen würden finanzielle Sorgen der Vergangenheit angehören, wodurch sich Stress reduzieren ließe und daher folgende drastische Maßnahmen wegfallen würden (vgl. Gentilini et al. 2020, S. 4f.).

Die Einkommenssicherheit ist ein wichtiger Faktor für die Gesundheit, da die Sicherheit, ein gewisses Einkommen zu haben, es den Leuten erlaubt, weiter in die Zukunft zu planen und auch weiter zu denken, als nur daran, ihre Bedürfnisse zu decken (vgl. Forget 2011, S. 10). 55

Auch Arbeitslosigkeit per se kann sich belastend auf die, in erster Linie geistige, Gesundheit auswirken. Da Arbeitslosigkeit im Kontext des bedingungslosen Grundeinkommens ein wichtiges Thema ist, soll hier noch einmal genauer darauf eingegangen werden. Die Auswirkung von Arbeitslosigkeit auf ein Individuum ist nämlich nicht zu unterschätzen. Man kann sich nicht durch Arbeit selbstverwirklichen und durch das mangelnde Einkommen verringert sich auch die gesellschaftliche Anerkennung und Teilhabe. Dazu kommt noch die Stigmatisierung von Arbeitslosigkeit, da den Arbeitslosen die Schuld an ihrer Situation gegeben wird. Die Arbeitslosen bekommen das Gefühl, auf Kosten anderer zu leben und so wird ihnen ein schlechtes Gewissen gegeben. Wenn es zu Arbeitslosigkeit durch Automatisierung kommt, fühlen sich also Arbeitslose, als würde ihnen das Recht auf ihre Arbeit genommen werden, statt die Freiheit von Arbeit zu sehen und fühlen sich schlecht und unproduktiv (vgl. Thaler 2012, S. 35). Psychologische Studien ergaben, dass langfristige Arbeitslosigkeit schädlicher für das Wohlergehen von Menschen ist, als zum Beispiel eine Scheidung oder der Verlust von Geliebten und je länger sie andauert, desto gravierender sind die Auswirkungen (vgl. Bregman 2019, S. 148). Die Einführung eines BGE würde bei Arbeitslosigkeit zumindest die Existenzsorgen nehmen und im Kontext einer Automatisierung würde Arbeitslosigkeit aufgewertet beziehungsweise zumindest entstigmatisiert werden.

2.2.3. Der Arbeitsbegriff

In der Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen wird sehr oft auf die Arbeit verwiesen. Vor allem geht es dabei um den Einfluss des BGE auf die (Erwerbs-)Arbeit. Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens hätte wohl generell einen Einfluss darauf, was als Arbeit anerkannt wird. Der Arbeitsbegriff wird die Exklusivität von Erwerbsarbeit als anerkannte Arbeit um ehrenamtliche, schlecht- und unbezahlte Arbeiten erweitern. Niemand müsste Erwerbsarbeit allein wegen der Existenzsicherung nachgehen. Man würde für Tätigkeiten wie Kindererziehung, Lebensplanung und Partnerschaften mehr Zeit finden. Das Individuum könnte persönlichen Sinn in seinen Tätigkeiten finden, unbeeinflusst von Stigmata oder finanziellem Druck (vgl. Blasge 2015, S. 7).

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Bernau (2020) stellt in diesem Zusammenhang in der Frankfurter Allgemein Zeitung klar, dass man nur dann Geld verdient, wenn man etwas für andere tut. Dabei sagt er auch, dass das nicht „irgendwas“ sein dürfe, sondern die Tätigkeit müsse anderen auch etwas wert sein (vgl. Bernau 2020). Auch wenn Bernau mit diesem „wert sein“ den Geldwert meint und mit der Tätigkeit eine Erwerbstätigkeit, so zeigt er das Problem des Exklusivrechts der Erwerbsarbeit auf das Wort „Arbeit“ auf. Befürworter/innen des Grundeinkommens sehen allerdings auch in ehrenamtlichem Engagement einen Wert und sind der Meinung, dass auch dieses Geld verdiene.

Man darf laut Blasge (2015) nicht ignorieren, dass Tätigkeiten, die heutzutage unbezahlt sind, wie etwa ehrenamtliche Arbeit, Haushaltsführung, Pflege und Erziehung und auch kulturelle Beschäftigungen, eine große Rolle für den gesellschaftlichen Wohlstand, die soziale Stabilität und auch die kulturelle Entwicklung spielen (vgl. Blasge 2015, S. 58). Bei einem ausgeweiteten Arbeitsbegriff im Kontext des BGE würde schnell auffallen, dass Menschen nach wie vor sinnvollen Tätigkeiten nachgehen, auch wenn sie dem Arbeitsmarkt vielleicht nicht mehr zur Verfügung stehen, da sie deswegen auch keine Sanktionen fürchten müssen. Auch Studieren, politisches Engagement oder Kindererziehung sind ohne Frage Arbeit (vgl. Thaler 2012, S. 65).

Wird dies erst als Arbeit anerkannt, kann man das Argument, dass ein BGE leistungshemmend wirkt, infrage stellen. Werden diese unterschiedlichen gesellschaftlichen Leistungen durch ein BGE ermöglicht und auch als Leistungen anerkannt, würde man erkennen, dass es von diesen einige gibt (vgl. Thaler 2012, S. 97). So werden in Deutschland etwa 96 Milliarden Stunden an ehrenamtlichen Tätigkeiten geleistet, während nur 56 Milliarden Stunden in Erwerbsarbeit investiert werden. Doch dies ist nicht nur in Deutschland der Fall. Unbezahlte Arbeit hat in allen OECD-Ländern einen größeren Teil als die Marktproduktion. Erwerbsarbeit ist also zeitanteilsmäßig nicht so zentral in den Leben der Menschen, wie es oft wirkt (vgl. Thaler 2012, S. 21).

Doch nicht nur ehrenamtliche Arbeit soll und würde durch ein BGE aufgewertet werden. Leistungen im Haushalt liefern einen wichtigen Beitrag zur Stabilität und Entwicklung einer Gesellschaft und würden durch das BGE auch finanzielle Unterstützung und Anerkennung erhalten (vgl. Blasge 2015, S. 67). Schließlich erscheint diese Form der Arbeit vielen Menschen als sinnvoll. Im Gegensatz dazu 57

wurden 2006 Leute in Deutschland befragt, was für sie gute Arbeit bedeutet. Genannt wurden ein verlässliches und faires Einkommen, Spaß an der Arbeit, dass diese kreativ und sinnvoll ist, Jobsicherheit und dass man als Mensch wahrgenommen werden möchte. Diesen von ihnen beschrieben Beruf haben jedoch nur 3% der Befragten (vgl. Thaler 2012, S. 48).

Doch einfach durch die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ist die Anerkennung anderer Arbeitsformen noch nicht gegeben. Es bedarf institutioneller Hilfe, da Menschen verlernt haben, Nutzen und Anerkennung abseits von Erwerbsarbeit zu finden. Es müssen neue institutionelle Möglichkeiten geschaffen werden, die einerseits soziale Integration und andererseits Teilhabe an nicht- erwerbsarbeitsbezogenen Tätigkeiten ermöglichen. Anfangs wird wohl die Freiheit überfordernd wirken, jedoch ist es jedermanns Freiheit, ebendiese nicht zu nutzen (vgl. Thaler 2012, S. 100).

Auch aus wirtschaftlicher Perspektive ist Arbeit abseits der Erwerbstätigkeit relevant. Selbst bei einer vorsichtigen Berechnung macht der monetäre Wert von nicht- entlohnter Hausarbeit laut Statistischem Bundesamt in Deutschland etwa ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts aus. 2017 hätte es also etwa 1000 Milliarden Euro gekostet, wenn man Arbeitskräfte in Deutschland für diese Arbeiten bezahlen müsste (vgl. Lukschandl 2020, S. 9). Deutsche Privathaushalte wendeten für unbezahlte Arbeit 35% mehr Zeit auf als für Erwerbsarbeit. Nur wenn man die unbezahlte Arbeit auch in die Betrachtung inkludiert, bekommt man ein korrektes Bild über die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (vgl. Schwarz und Schwahn 2016, S. 35).

2.2.4. Die Menschenwürde

Häufig wird von Befürworter/innen des bedingungslosen Grundeinkommens die Menschenwürde erwähnt. Dabei berufen sie sich auf die Grundgesetze vieler Nationen, in denen die Unverletzlichkeit der menschlichen Würde einen zentralen Punkt darstellt. Dabei wird argumentiert, dass ein Leben in Würde nur möglich ist, wenn man nicht unter dem Existenzminimum leben muss. Dazu müsste eben ein Grundeinkommen zur Verfügung gestellt werden, das das Leben in Würde sichert und an die Leistungsfähigkeit der jeweiligen Volkswirtschaft angepasst ist. Es sei die Arbeitsteilung in den heutigen Volkswirtschaften, die ein Leben in Würde ohne 58

entsprechendes Einkommen unmöglich macht, in Agrargesellschaften war dies noch nicht der Fall (vgl. Blasge 2015, S. 19). In der Deutschen Bundesverfassung zum Beispiel ist verankert, dass jedes Individuum autonom und frei darüber entscheiden kann, wo es was für wen und wie arbeitet (vgl. Schloen 2019, S. 56). Dass dies in der Realität nicht immer der Fall ist, wurde bereits in Kapitel 2.2.1. diskutiert. Das Netzwerk Grundeinkommen (2009) ist sogar der Meinung, dass ein Grundeinkommen deswegen ein Menschenrecht darstellt. Es gibt Grundrechte, wie etwa die freie Entfaltung der Persönlichkeit, freie Arbeitswahl und Aufenthaltswahl in einem Staat, die heutzutage nicht mehr eingehalten werden, da manche Menschen etwa aufgrund ihrer finanziellen Situation dazu gezwungen sind, gewisse Arbeiten durchzuführen. Dies alles wäre unter einem BGE wiederum möglich (vgl. Netzwerk Grundeinkommen 2009, zitiert nach Thaler 2012, S. 62). Rutger Bregman (2019) argumentiert konkreter, dass das bedingungslose Grundeinkommen in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte unter Artikel 25 verankert ist (vgl. Bregman 2019, S. 41). Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948 besagt folgendes: „ 1. Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen, sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung, im Alter sowie bei anderweitigem Verlust seiner Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.

2. Mütter und Kinder haben Anspruch auf besondere Fürsorge und Unterstützung. Alle Kinder, eheliche wie außereheliche, genießen den gleichen sozialen Schutz.“ (Generalversammlung der Vereinten Nationen 1948).

Die Sicherung der Existenz und Deckung der Grundbedürfnisse stellen also ein Menschenrecht dar und das bedingungslose Grundeinkommen wäre eine Möglichkeit, um allen dieses Menschrecht zu gewährleisten. Jedoch wird in Artikel 25 nirgends beschrieben, dass der Staat durch Transferzahlung dazu verpflichtet ist, den Bürger/innen einen solchen Lebensstandard zu ermöglichen. Offe (2009) widerspricht dem Argument, dass jede/r Bürger/in aufgrund der Menschenwürde ein Grundeinkommen verdient. Er sieht es als Verschwendung öffentlicher Gelder, arbeitsfähigen Menschen ein Gehalt für ihr Nichtstun zu geben, für das sie sich selbst entscheiden, wenn diese stattdessen produktive Arbeit leisten könnten (Offe 2009, zitiert nach Thaler 2012, S. 93).

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Der Debatte um die Menschenwürde unterliegt der Wert der Gleichheit. Befürworter/innen des BGE sehen es als Möglichkeit, die Ungleichheit in der Gesellschaft auszugleichen.

2.2.5. Ungleichheit und Gerechtigkeit

Will man Gleichheit in einer Gesellschaft schaffen, so müssten alle Personen dieselben Voraussetzungen haben. Man kann darüber streiten, ob dies ein realistisches Vorhaben ist, jedoch wäre schon viel erreicht, wenn jede/r dieselbe finanzielle Ausgangssituation hätte. Jedoch muss man an die Gleichheitsfrage auch die Gerechtigkeitsfrage anschließen. Wäre es denn wirklich gerecht, wenn wirklich jede/r bedingungslos Geld erhalten würde?

Das Grundeinkommen behandelt zumindest alle gleich und ist gerade deswegen ein sehr zielgenaues sozialpolitisches Instrument. Jede/r Bürger/in, der/die Hilfe benötigt, würde diese auch auf jeden Fall erhalten. Niemand würde unter dem Existenzminimum bleiben. Hier kommt die Gerechtigkeitsfrage in das Spiel, da auch all jene Unterstützung erhalten würden, die gar keine Hilfe benötigen. Jedoch wird von Hohenleitner und Straubhaar (2008) argumentiert, dass das Faktum, dass auch Reiche und Gutverdienende das BGE erhalten, nichts anderes als eine Steuergutschrift wäre, da nicht das Brutto-, sondern das Nettoeinkommen entscheidend wäre. Das Einkommen und der Konsum von Vermögenden würde brutto höher besteuert werden, während man das bedingungslose Grundeinkommen als Nettoentlastung erhalten würde. So sei eine vollständige Budget-Neutralität möglich. Es würden nicht alle die gleiche Hilfe erhalten, sondern nur soweit, wie es für die Sicherung des Existenzminimums notwendig wäre (vgl. Hohenleitner und Straubhaar 2008, S. 22). Wenn wohlhabende Menschen mit hohem Einkommen das Grundeinkommen gleichermaßen ausbezahlt bekommen würden, so würde dieses gleich wieder als Steuer zurückfließen. Somit kann das BGE als Werkzeug für eine gerechtere Ressourcenverteilung betrachtet werden (vgl. Blasge 2015, S. 94). Dazu müsste aber die Finanzierung des BGE durch eine Steuer geschehen, die vor allem Wohlhabende trifft (vgl. Precht 2018, S. 132). Diese Form wäre zwar vielleicht gerecht, doch nur weil es alle gleich behandelt, würde es nicht automatisch Gleichheit schaffen. Bei der Frage nach der Gerechtigkeit darf man jedoch nicht nur auf das Beziehen des

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Grundeinkommens blicken, sondern muss auch die Finanzierung mit in Betracht ziehen. Je nach Finanzierungsform, die in Kapitel 2 ausführlich besprochen wurden, sind die Leute unterschiedlich stark betroffen. Schloen (2019) kam in seinem Modell zum Schluss, dass etwa ein Viertel der Bevölkerung das BGE mittragen würden, während dreiviertel der Bevölkerung davon finanziell profitieren würden (vgl. Schloen

2019, S. 36). Dies bedeutet, dass es zu einer Umverteilung von oben nach unten kommen würde, wofür jedoch kein öffentlicher Konsensus besteht. Nicht nur Wohlhabende und Konservative sind bereit, Ungleichheit in Kauf zu nehmen, um den Status Quo beizubehalten (vgl. Dawtry et al. 2019, S. 1). Menschen rechtfertigen diesen Status Quo einerseits, um die eigenen Interessen zu verteidigen, aber andererseits auch, um ein positives Bild von sich selbst zu bewahren. Dies führt dazu, dass sowohl die Niedrigverdienenden als auch die Hochverdienenden das ökonomische System als legitim und effektiv ansehen (vgl. Dawtry et al. 2019, S. 16).

Erwerbsarbeit schafft soziale Teilhabe, ob durch den Arbeitsplatz selbst, oder über das Gehalt. Es ist in den Augen von Peter und Meyn (2009) daher nicht gut, den Verlust der Erwerbsarbeit einfach durch ein BGE zu ersetzen, sondern das Ziel müsse Vollbeschäftigung sein. Wie bei der Automatisierung auch schon wird hier eine drastische Arbeitszeitverkürzung gefordert, jedoch bei ausreichend Gehalt und Sozialschutz (vgl. Peter und Meyn 2009, S. 14). Doch würde nicht nur die Chance auf soziale Teilhabe durch einen Arbeitsplatzverlust verloren gehen, ein BGE würde diese auch nicht zwingend mit sich bringen. Ganz im Gegenteil, denn es wird argumentiert, dass es soziale Ungleichheiten verstärken könnte. Schließlich nimmt ein BGE, das an alle gleich ausgezahlt wird, keine Rücksicht auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Menschen. Die gesellschaftliche Teilhabe würde sich wohl auch nicht verändern, da diese ja auch auf anderen Faktoren beruht als nur auf Geld. So erleichtert soziales und kulturelles Kapital ebenfalls die soziale Integration, welche nicht automatisch mit dem BGE mitkommen (vgl. Mayrhuber 2019, S. 105).

Bei Einführung eines BGE würde es wohl zu einer leichten Umverteilung des Wohlstandes kommen, da Bürger/innen mit einem niedrigen Einkommen davon profitieren würden, während sich das Einkommen der besser verdienenden Bürger/innen eher verschlechtern würde (vgl. Osterkamp 2016, S. 28). Auch Petersen (2017) teilt diese Einschätzung und begründet sie dadurch, dass durch ein BGE die Arbeitsleistung in Form von Arbeitsstunden sinken würde, was aufgrund der

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steigenden Nachfrage zu einem Anstieg des Lohns führen würde. Diese Effekte würden den Bereich der geringer qualifizierten Arbeitskräfte stärker treffen als den Bereich der hochqualifizierten Arbeitskräfte, weswegen die Schere zwischen den Marktlöhnen kleiner werden würde (vgl. Petersen 2017, S. 631).

Nach Bothfeld (2018) wäre das bedingungslose Grundeinkommen kein gutes Mittel, um Armut und Ungleichheit zu bekämpfen. So dürfe Armut, um sie erfolgreich zu bekämpfen, sich nicht von den Eltern auf die Kinder vererben. Um dies zu verhindern, muss räumliche Segregation vermieden werden, das Bildungssystem stärker auf Integration von allen Kindern von Anfang an setzen und ihre Eltern ganz gezielt unterstützen. Dies machen bereits existierende kompensatorische und präventive Sozialleistungssysteme. Sie zielen darauf ab, einen gewissen Lebensstandard zu sichern und diesen sogar zu verbessern. Das BGE hingegen bekämpfe keine Ursachen. Bothfeld sieht das BGE als unsolidarisch, da sich niemand mehr gegenseitig helfen müsste und die soziale Ungleichheit sogar noch verstärke. Er sieht ebenfalls das Problem, dass es Menschen zwar rechtlich gleichsetzt, das soziale und kulturelle Kapital jedoch immer noch ungleich verteilt wäre. Menschen, die hohes soziales und kulturelles Kapital haben, fällt auch die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt leichter (vgl. Bothfeld 2018). Bregman (2019) widerspricht jedoch der Aussage, dass ein BGE kein gutes Mittel wäre, um Armut zu bekämpfen. So wäre eine Politik für Arme keine gute Politik, um Armut zu bekämpfen, da eine Maßnahme, von der alle profitieren, auch am meisten Zustimmung und Bereitschaft zur Solidarität erhalten würde (vgl. Bregman 2019, S. 50f.).

Da davon ausgegangen wird, dass die Automatisierung und der Kapitaleinsatz zulasten des Arbeitseinsatzes zunehmen, gehen auch die Löhne aufgrund geringerer Arbeitskraftnachfrage zurück. Wenn durch höheren Kapitaleinsatz die Nachfrage nach diesem steigt, so steigen auch die Preise, womit sich das Markteinkommen zugunsten der Kapitaleigentümer/innen entwickeln würde und zulasten der Arbeitnehmer/innen. Da das Produktivvermögen in Ländern wie etwa Deutschland ohnehin schon ungleich verteilt ist, würde die Einkommensungleichheit noch weiter zunehmen (vgl. Petersen 2017, S. 631). Ob es nun ungleichheitserhöhende oder -senkende Auswirkungen auf die Einkommensverteilung hat, hängt von der Höhe des Grundeinkommens ab. Je höher das BGE, desto stärker die Reduktion der Einkommensgleichheit, jedoch droht

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dann auch eine Reduktion des gesamtwirtschaftlichen Arbeitsangebots (vgl. Petersen 2017, S. 634).

Osterkamp (2016) argumentiert, dass gerade die Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens unfair ist, da man etwas ohne Gegenleistung erhält und somit das Recht zur Faulheit gewinnt, ohne etwas für die Gesellschaft leisten zu müssen (vgl. Osterkamp 2016, S. 29). Dass durch das BGE alle Menschen gleichbehandelt werden würden, heißt nicht, dass alle gerecht behandelt werden würden, da es nicht auf den individuellen Bedarf angepasst ist. Es unterstützt manche Menschen mehr, aber einige werden weniger unterstützt als vor der Einführung (vgl. Osterkamp 2016, S. 30).

Die ungleichmäßige Verteilung des sozialen und kulturellen Kapitals ist nicht die einzige Ungleichheit, die möglicherweise weiter bestehen würde, denn auch das Einkommen per se wäre nach wie vor ungleich verteilt. Dadurch würden auch all jene Geld bekommen, deren Grundbedürfnisse bereits gedeckt sind (vgl. Thaler 2012, S. 93). Bei diesem Punkt handelt es sich wohl um eine Diskussion zwischen „Gerechtigkeit“ und „Gleichheit“. Auf den ersten Blick mögen diese Begriffe zwar Hand in Hand gehen, jedoch lassen sich die Unterschiede anhand des BGEs gut erkennen. Es wäre Gleichheit, wenn jede/r Bürger/in ohne Bedingungen dieselbe Summe an Geld erhält. Ob es hingegen gerecht ist, wenn jemand mit viel sozialem Kapital und Besitz das gleiche Geld erhält, wie jemand, der um seine Existenz kämpfen muss, darüber kann man diskutieren. Das BGE setzt jedoch eher am Gleichheitsgrundsatz an.

Man darf in diesem Kontext auch nicht vergessen, dass das bedingungslose Grundeinkommen dazu da ist, dass Existenzen gesichert sind. Das bedeutet noch nicht, dass sich jede/r jeden Lebensstil leisten kann. Natürlich würde das BGE den Erwerb von sozialem und kulturellem Kapital erleichtern, jedoch müsste man zuerst eine Arbeit finden, um sich den Erwerb dessen leisten zu können. Man hätte die Chance sich weiterzubilden, da man die Zeit und finanzielle Absicherung hätte, doch dieser Weg ist auch nicht für jede/n gleich einfach. Eine gewisse soziale Ungleichheit würde also bestehen bleiben, auch wenn das BGE in der Theorie Mittel bietet, diese etwas zu überwinden.

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2.2.6. Soziologische Theorien verschiedener Gerechtigkeitsprinzipien

Die Fragen nach Gerechtigkeit und Ungleichheit, die im Kapitel zuvor diskutiert wurden, werden nun mit soziologischen Theorien zur Ungleichheit verbunden. Konkret geht es in diesem Kapitel um das Leistungsprinzip und das Bedarfsprinzip. Diese zwei Prinzipien sind wohl fundamental für die Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen.

In Deutschland ist die „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ sogar in Artikel 72, Abs. 2 GG gesetzlich verankert, jedoch klärt dies immer noch nicht, was gleichwertige Lebensverhältnisse sind und wie diese hergestellt werden. Zusätzlich könnte man argumentieren, dass diese noch gar nicht existieren (vgl. Hasberg 2016, S. 129).

Das Leistungsprinzip ist der Gedanke, dass jede/r die Chance hat, seine gesellschaftliche Position durch eigene Leistung zu verbessern, während Faulheit mit gesellschaftlichem Abstieg bestraft wird. Die Verteilung solle im Verhältnis zur Leistung stehen, ob es nun um Schulnoten, Geld oder Anerkennung geht. Dies kann einerseits als motivationsfördernd angesehen werden, aber andererseits auch als Förderung der Ungleichheit. Jedoch wird wiederum argumentiert, dass diese Ungleichheiten, vor allem auf das individuelle Einkommen bezogen, gerecht seien, da sie die individuelle Leistungsfähigkeit abbilden. Dabei werden staatliche Eingriffe tendenziell abgelehnt, auch wenn dem Prinzip schon eine gewisse Chancengleichheit im Zugang zu sozialen Positionen vorausgeht (vgl. Hasberg 2016, S. 57). Die Grundlage des Leistungsprinzips ist die Ansicht, dass die Leistung von Individuen durch Geld, Noten oder Anerkennung belohnt werden sollte (vgl. Hasberg 2016, S. 140).

Die funktionalistische Schichtungstheorie von Davis und Moore (1945) erklärt, dass soziale Ungleichheit in fast jeder Gesellschaft besteht, da unterschiedliche Funktionen unterschiedlich wichtig für den Fortbestand der Gesellschaft sind. Damit funktionell wichtige Berufe besetzt werden, müssen die Anreize, wie Geld und Prestige, in höherem Ausmaß ausfallen als bei unwichtigeren Berufen. Aus funktionalistischer Sicht ist Ungleichheit ein Produkt von Leistungsunterschieden (vgl. Groß 2008, S. 35ff.). Den Kontrast dazu bildet das kommunistische Ziel, dass jede/r im Kommunismus frei nach den eigenen Fähigkeiten und Bedürfnissen etwas zur Gesellschaft beiträgt. Marxist/innen argumentieren, dass durch das Ende der

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Knechtschaft und der Umwandlung von kapitalistischen in sozialistische und/oder kommunistische Produktionsverhältnisse die Arbeitsmotivation der arbeitenden Massen einen großen Auftrieb erhält, weswegen kein besonderer materieller Anreiz zu Arbeitsleistungen mehr notwendig wäre. Reale sozialistische Volkswirtschaften waren jedoch eher von relativ niedriger Arbeitsproduktivität in fast allen Wirtschaftssektoren geprägt (vgl. Peters 2002, S. 42).

Bei dem Bedarfsprinzip basiert die Verteilung hingegen auf dem Gedanken, dass die objektive Deckung des individuellen Bedarfs der Menschen im Vordergrund steht. Dieses Konzept verlangt im Gegensatz zum Leistungsprinzip ein Eingreifen des Staates. Die vermeintliche Notwendigkeit des Bedarfsprinzips unterstellt, dass das Leistungsprinzip den Bedürfnissen von Alten, Kranken, Kindern und so weiter nicht gerecht werde (vgl. Hasberg 2016, S. 58).

Das Gleichheitsprinzip sieht Gerechtigkeit in der Gesellschaft dann erreicht, wenn eine gleichmäßige Verteilung der Güter gegeben ist. Leistung ist dabei irrelevant. Wenn das Gleichheitsprinzip auf Chancengleichheit abzielt, so geht es nicht um das Ergebnis, sondern um die gleichen Startbedingungen (vgl. Klein 2011, S. 183).

Laut dem Leistungsprinzip sollte zum Beispiel der Lohn je nach jeweiliger Leistung ausbezahlt werden, also wie gut und wie hart jemand arbeitet. Bei dem Bedarfsprinzip würde die Güterverteilung je nach individuellem Bedarf erfolgen, der zum Beispiel am Vorhandensein von Kindern gemessen wird (vgl. Hasberg 2016, S. 133).

Dem Leistungsprinzip steht direkt das Sozialprinzip gegenüber. Dieses entstand als Gegenreaktion auf die ideologischen Versprechungen des Leistungsprinzips, dass die Freiheit der persönlichen Entfaltung der Menschen auch zu Gleichheit und sozialer Harmonie führe, was bei Hartfiel (1977) als liberaler Irrtum angesehen wird. Durch das Sozialprinzip wird gefordert, dass die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Ordnung nicht den gesellschaftlichen Verteilungskräften allein überlassen werden solle, sondern Gerechtigkeit und humanitäre Bedingungen durch staatliches Eingreifen hergestellt werden müssen. Dies solle konkret durch eine leistungsunabhängige Garantie der existenziellen Bedürfnisbefriedigung erfolgen.

Das Leistungsprinzip allein könne nicht allen Individuen die lebenslange Kraft geben, sich selbst zu helfen und ihr Leben eigenverantwortlich zu gestalten, da etwa Krankheit, Alter oder Invalidität, aber auch „soziale Belastungen“ wie etwa

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Kindererziehung oder regionale Nachteile ihre Leistung hemmen können. Das Sozialprinzip verweist auch darauf, dass das Individuum durch Eigenleistung sein soziales Schicksal kaum noch selbst tragen kann, da es in komplexen Abhängigkeitsbeziehungen steht. Kein Fleiß helfe gegen Massenarbeitslosigkeit, Umweltprobleme oder Geldwertverfall und genau deswegen werden kollektive Sicherungssysteme und solidarische Verantwortung gefordert. Daraus ergibt sich das Verlangen nach leistungsunabhängigen Soziallohnanteilen (Hartfiel 1977, S. 21). Das bedingungslose Grundeinkommen entspricht also dem Sozialprinzip, verknüpft mit dem Gleichheitsprinzip, vor allem in Bezug auf Chancengleichheit, und dem Bedarfsprinzip.

Demnach könnte man davon ausgehen, dass vor allem Bürger/innen der unteren Schichten Befürworter/innen des BGE sind. Im empirischen Teil dieser Arbeit wird ebenfalls untersucht, wer ein BGE befürwortet, jedoch muss dies anhand der Bildung und der Beschäftigungsform erfolgen, da kein Einkommen abgefragt wurde.

3. Experimente mit dem bedingungslosen Grundeinkommen

Nachdem bereits der öffentliche Diskurs der Befürworter/innen und Gegner/innen auf sachlicher und ideologischer Ebene erörtert wurde, sollen in diesem Kapitel Modellversuche beschrieben werden, in denen verschiedene Versionen eines Grundeinkommens eingeführt wurden. Außerdem wird darauf eingegangen, welche Auswirkungen auf die Gesellschaft beziehungsweise auf die Betroffenen diese Versuche hatten. Zu den folgend beschriebenen Modellversuchen ist zu sagen, dass das BGE noch nie in einer gesamten Volkswirtschaft eingeführt wurde (vgl. Petersen 2017, S. 629). Diese Versuche bringen außerdem keine makroökonomisch relevanten Ergebnisse, da es sich um regionale und zeitlich begrenzte Versuche handelt. So argumentiert Petersen (2017), dass, selbst wenn die Teilnehmer/innen eines Versuchs ihre Erwerbsarbeit kündigen, daraus kein gesamtwirtschaftlicher Lohnanstieg entstehe, weswegen man eben die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen eines BGE nicht vorhersagen kann (vgl. Petersen 2017, S. 636). In Ländern des globalen Südens gab es Experimente mit einem BGE, die empirische Belege für Armutsreduktion, Senkung der Unterernährung und einen Anstieg der Bildung von Kindern liefern (vgl. Schupp 2020, S. 113). Dennoch werden folgend nur Versuche aus Europa und 66

Nordamerika beschrieben, da sich diese Arbeit mit europäischen Ländern beschäftigt und Ergebnisse der afrikanischen Versuche wohl nicht auf die westliche Welt umzulegen wären.

3.1. Grundeinkommensversuche in den USA

Im Amerika der späten 1960er und frühen 1970er Jahre wurden vier Experimente zu dem bedingungslosem Grundeinkommen an unterschiedlichen Gruppen durchgeführt. Das erste dieser Experimente wurde an der urbanen Bevölkerung in New Jersey und Pennsylvania durchgeführt. Ein weiteres Experiment sollte die Auswirkung des bedingungslosen Grundeinkommens auf alleinerziehende Eltern in Gary, Indiana, testen. In Iowa und North Carolina wurde das Grundeinkommen bei der ländlichen Bevölkerung getestet. Das Seattle-Denver Income Maintenance Experiment, kurz SIME-DIME, wurde an einer größeren Bevölkerungsgruppe getestet (vgl. Forget 2011, S. 4). Grundsätzlich sollte in den Experimenten gezeigt werden, ob die Familien bei einem Grundeinkommen weiterhin arbeiten würden, beziehungsweise wie viel weniger Arbeitsleistung sie erbringen würden. Ein weiterer Punkt war die Familienstabilität, da die Hoffnung bestand, arme Familien mit dem Grundeinkommen zu „stabilisieren“, so dass es nicht zu Scheidungen kommt (vgl. Hunt 1985, S. 250).

Die Ergebnisse der Experimente zeigten eine 13 prozentige Reduzierung in der Arbeitsleistung von Familien, jedoch haben sich die Arbeitsstunden der Hauptverdiener/innen nur sehr wenig reduziert. Die Partnerinnen, die meist die Sekundärverdienerinnen waren, nutzten die Reduzierung an Arbeitsstunden tendenziell für den Haushalt und um bei ihren neugeborenen Kindern zu Hause zu bleiben. Bei den Tertiärverdienern, meist jungen Männern, ergab sich die Reduktion der Arbeitsleistung durch einen späteren Einstieg in die Arbeitswelt, was bei Forget (2011) dadurch erklärt wird, dass sie mehr Jahre in der Schule verbrachten. „Das Argument der „Faulheit“ wird durch unsere Erkenntnisse einfach nicht bestätigt“ (Sheahen 2012, zitiert nach Bregman 2019, S. 45). Außerdem wurde wohl die durch die Arbeitszeitenreduzierung gewonnene Zeit zu nützlichen Tätigkeiten genutzt, wie etwa der Suche nach besserer Arbeit oder Hausarbeiten (vgl. Bregman 2019, S. 46).

Nach Kompensation der Verzerrungen in den Ergebnissen zeigte sich, dass Männer um durchschnittlich 8% weniger arbeiteten, während Ehefrauen etwa 20% weniger 67

arbeiteten. Alleinerziehende Frauen arbeiteten um 14% weniger. „Allowing for the fact that many wives and single female heads of families work relatively little anyway, there is no evidence in SIME/DIME […] of a massive withdrawal from the labour force such as to indicate that a national NIT program would be economically unworkable.” (Hunt 1985, S. 283). Allerdings würde es sehr wohl mehr kosten als das traditionelle Sozialsystem (vgl. Hunt 1985, S. 283).

Die Ergebnisse des leichten Rückganges in der Arbeitsleistung besorgte die Politik jedoch nicht so sehr wie das Resultat, dass es bei schwarzen Familien zu einer um 57% höheren Scheidungsrate im Vergleich zur Kontrollgruppe und bei weißen Familien, die an den Experimenten teilnahmen, zu einer um 53% höheren Scheidungsrate kam, was einen der stärksten Befürworter, Senator Moynihan, seine Unterstützung zurückziehen ließ. Dieses Resultat war allgemein größtenteils dafür verantwortlich, warum das Vorhaben scheiterte. In den 1990er Jahren stellte sich bei einer neuen Analyse der Daten heraus, dass es sich bei den hohen Scheidungsraten um einen statistischen Fehler handelte. Doch selbst ein leichter Anstieg der Rate wäre dadurch zu erklären, dass vor allem ärmere Frauen in schlechten Beziehungen durch die finanzielle Unabhängigkeit, die das Grundeinkommen mit sich bringt, diesen entkommen könnten (vgl. Hunt 1985, S. 285).

Neben einer fehlerhaften Scheidungsrate und einem leichten Rückgang der Arbeitsleistung der Nebenverdiener/innen gab es jedoch auch positive Ergebnisse. In den Experimentalgruppen wurden positive Tendenzen beobachtet, was deren Bildung betraf. In North Carolina erzielten Volksschüler/innen positive Testergebnisse, in New Jersey wirkte sich das Experiment positiv auf die Fortführung der Schullaufbahn aus und in Seattle und Denver zeigte sich eine positive Auswirkung auf Erwachsenenbildung (vgl. Forget 2011, S. 5).

Die politische Rechte in Amerika stellte sich trotz der Ergebnisse gegen das Grundeinkommen. Die Resultate zur Arbeitsleistung wurden als desaströs dargestellt und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten nur durch Mühe vor Ermittlungen des Kongresses wegen Sozialhilfebetrugs geschützt werden (vgl. Forget 2011, S. 5f.).

Aus ökonomischer Sicht lässt sich also ein leichter Rückgang der Erwerbsarbeit erkennen. Die gewonnene Zeit wurde jedoch genutzt, um einer anderen Form von Arbeit nachzugehen, nämlich Hausarbeit, Kindererziehung und Bildung. Bei einem

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erweiterten Arbeitsbegriff wurde also nicht weniger gearbeitet, aus ökonomischer Sicht allerdings schon.

3.2. Das Mincome Experiment

Das Mincome-Experiment war ein Experiment der Kanadischen Regierung in der Provinz Manitoba zu einem generellen jährlichen Einkommen. Es wurde zwischen 1974 und 1979 durchgeführt, kam jedoch durch Stagflation, den Ölpreisschock und mehrfache Regierungswechsel zu einem Ende (vgl. Forget 2011, S. 6).

Das Mincome-Experiment erhielt ein Budget von 17 Millionen US-Dollar und als Orte wurden Winnipeg und das rurale Dauphin ausgewählt. Die Stichprobe aus Winnipeg wurde zufällig gewählt und mit einer Kontrollgruppe aus derselben Gemeinde abgestimmt. Die teilnehmenden Familien wurden voneinander isoliert, weswegen man die Parameter der negativen Einkommenssteuer variieren konnte. Das Hauptziel des Experiments war ebenfalls, die Auswirkung auf die Arbeitsleistung zu testen, darum wurden Behinderte und Pensionierte aus der Studie ausgeschlossen. Ähnlich wie bei den US-Studien hatte das Grundeinkommen eine moderate Auswirkung auf die Sekundär- und Tertiär-Verdiener/innen, während die Hauptverdiener/innen eine kleine Änderung zeigten, was Arbeitszeit betrifft (vgl. Forget 2011, S. 7). Alleinverdiener/innen arbeiteten praktisch gar nicht weniger. Junge Mütter nutzten das zusätzliche Einkommen dazu, mehrere Monate zusätzliche Elternzeit zu nehmen, was aus gesellschaftlicher Sicht bestimmt nicht schädlich ist (vgl. Bregman 2019, S. 44).

In Dauphin und den dazugehörigen ruralen Gemeinden durfte jede Familie teilnehmen, also auch behinderte und pensionierte Familienmitglieder, um eine realistische Situation der Umstände zu bewahren. Dieser Teil des Experiments sollte nicht nur die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt erkunden, sondern auch administrative und gemeinschaftliche Auswirkungen aufzeigen. Da es sich bei Dauphin um einen Ort mit vielen selbstständigen Leuten im Bereich der Landwirtschaft handelte, bedeutete das Mincome-Experiment Stabilität und Vorhersehbarkeit, so dass eine unvorhergesehene Missernte oder Krankheit keinen finanziellen Ruin bedeuteten (vgl. Forget 2011, S. 7).

Ursprünglich gab es 4 Forschungsprogramme beim Mincome-Experiment, nämlich ein ökonomisches, das sich auf Arbeitsanreize fokussierte, ein soziologisches Programm,

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das Familienbildung, Gemeinschaftszusammenhalt, soziale Einstellungen und Mobilität untersuchte, ein administratives und ein statistisches Programm. Das soziologische Programm scheiterte zuerst, da die quantitativ-orientierten Forschungsleiter/innen misstrauisch gegenüber den ethnographischen Methoden waren. Schließlich wurde auch die Forschung an den Arbeitsmarktauswirkungen aus budgetären Gründen beendet und übrig blieb die Forschung am administrativen Bereich. Das budgetäre Problem kam daher, dass das ausgezahlte Grundeinkommen inflationsangepasst war, das Budget jedoch nicht. Auch die Arbeitslosigkeit wuchs in den 1970ern über die erwartete Rate hinaus. Zusätzlich kam hinzu, dass sich das ökonomische und politische Klima änderte, was dazu führte, dass keine weiteren Experimente durchgeführt wurden und keine Datenanalyse durch die Projektmitarbeiter/innen durchgeführt wurden (vgl. Forget 2011, S. 8).

Ein konkretes Ergebnis war im Bildungsbereich zu vermerken. Während des Experiments war die Wahrscheinlichkeit für Schüler/innen aus Dauphin höher, in der elften Schulstufe die Schule fortzusetzen als bei ihren ruralen und urbanen Pendants, was vor und nach dem Experiment nicht der Fall war. Studierende und Auszubildende nutzten das Geld, um ihre Bildungszeit zu verlängern (vgl. Bregman 2019, S. 44). Um die Auswirkungen auf das Gesundheitssystem zu analysieren, beschlossen Forget und ihr Team, die Datenbank des Manitoba Population Health Research Data Repositoriums heranzuziehen. Durch die Postleitzahl konnten sie trotz der Anonymität der Patient/innen die Bewohner/innen Dauphins ausfindig machen (vgl. Forget 2011, S. 13f.). Die Krankenhausaufenthalte hatten um 8,5 Prozent abgenommen und häusliche Gewalt sowie psychische Probleme sanken ebenfalls. Die gesteigerte Gesundheit und Einkunft konnte auch an die nächste Generation weiter gegeben werden (vgl. Bregman 2019, S. 44).

Zusammengefasst zeigen sich also durchaus positive Effekte, da der befürchtete Arbeitsleistungsrückgang mit 13% pro Familie, was jedoch eher Sekundär- und Tertiärverdienende betraf, während Hauptverdienende ihre Arbeitsleistung kaum verringerten, geringer ausfiel, als befürchtet (vgl. Forget 2011, S. 5). Gleichzeitig bemühten Jugendliche sich um ihre Bildung und der allgemeine Gesundheitszustand verbesserte sich (vgl. Niemann 2015, S. 164).

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3.3. Das finnische Grundeinkommen-Experiment

In Finnland gab es schon seit den 1990ern Pläne für eine Reform des Sozialsystems. Die Regierung um Premierministerin Juha Sipilä, die zwischen 2015 und 2019 bestand, wollte ein Sozialsystem, das eine bessere Unterstützung im Arbeitsleben bot, weniger bürokratischen Aufwand verursachte und positive Arbeitsanreize schuf. Aus diesen Gründen startete sie ein Grundeinkommen-Experiment, das testen sollte, ob ein solches Sozialsystem aktivere Teilnahme am Arbeitsmarkt und größere

Arbeitsanreize bieten würde, da sich im aktuellen Sozialsystem die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt für Arbeitslose oft nicht rechnet (vgl. Kangas et al. 2019, S. 7).

Man entschloss sich für ein partielles Grundeinkommen in der Höhe von 560 Euro pro Monat, was dem monatlichen Nettobetrag der grundlegenden Arbeitslosenunterstützung und Arbeitsmarktsubvention entsprach. Dieses Grundeinkommen wurde über zwei Jahre, von Anfang 2017 bis Ende 2018, an 2000 Arbeitslose im Alter von 25 bis 58 Jahren, die durch eine Zufallsstichprobe ausgewählt wurden, ausgezahlt. Die Kontrollgruppe bestand aus 5000 Menschen. Das Grundziel des finnischen Experiments war, die Effekte eines Grundeinkommen auf Arbeit und Einkommen zu testen, jedoch wurde mittels Telefoninterviews auch das Wohlbefinden der Teilnehmer/innen abgefragt (vgl. Kangas et al. 2019, S. 8). Während des ersten Jahres hatte das Grundeinkommen keine Auswirkung auf den Arbeitsstatus der Teilnehmer/innen und sie hatten es auch nicht leichter, Arbeit zu finden, als die Arbeitslosen der Kontrollgruppe (vgl. Kangas et al. 2019, S. 12f.).

Die finnische Regierung war auch interessiert an der Lebenszufriedenheit der Experimentteilnehmer/innen. Diese operationalisierten sie durch die subjektive Selbstwahrnehmung der eigenen Zufriedenheit, Vertrauen in andere Personen und die gesellschaftlichen Institutionen und die Zukunftsaussichten. Die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben wurde mit einer Skala von 0 bis 10 gemessen, wobei 10 die höchste Zufriedenheit darstellt. Die Bezieher/innen des Grundeinkommens hatten mit im Durchschnitt 7,32 einen signifikant höheren Wert als die Kontrollgruppe, deren Durchschnittswert bei 6,76 lag (vgl. Kangas et al. 2019, S. 18). Das generelle Vertrauen der Grundeinkommensbezieher/innen ist höher als das der Kontrollgruppe, sowohl was das Vertrauen in die eigene Zukunft, die Chancen einen Job zu finden und die eigene finanzielle Situation betrifft. Es muss jedoch auch gesagt werden, dass das

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Einkommen der Grundeinkommensbezieher/innen insgesamt etwas höher war als das der Kontrollgruppe (vgl. Kangas et al. 2019, S. 20ff.).

Ein zentraler Punkt des Experiments war, zu testen, ob und wie sich ein Grundeinkommen auf die Arbeitsbereitschaft auswirkt. Es gab jedoch keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen, was Teilzeitbeschäftigung betraf. Es gab zwar mit 69% einen höheren Wunsch der Bezieher/innen, Vollzeit zu arbeiten, während 58% der Kontrollgruppe diesen Wunsch hatten, jedoch erwies sich dieses Ergebnis nicht als statistisch signifikant, was laut Kangas et al. möglicherweise an der kleinen Sample-Größe liegen könnte (vgl. Kangas et al. 2019, S. 23). Das Ergebnis ist aus zwei Gründen für die Debatte relevant. Einerseits hat sich das Grundeinkommen nicht negativ auf die Arbeitsbereitschaft ausgewirkt, was die These falsifiziert, dass Grundeinkommensbezieher/innen sich ihrer Faulheit hingeben würden. Anderseits hatte auch der erhoffte positive Arbeitsanreiz, dass Sozialleistungen bei aufgenommener Erwerbsarbeit nicht entfallen, ebenfalls keine Auswirkung.

Ein weiterer zentraler Punkt war die komplizierte Bürokratie des traditionellen Sozialsystems. Die Mehrheit in beiden Gruppen war der Meinung, dass ein BGE die Bürokratie verringern würde, wobei 81% in der Testgruppe und 72% in der Kontrollgruppe diese Meinung teilten (vgl. Kangas et al. 2019, S. 26f.). Im finnischen Experiment meinten beinahe 90% der Testgruppe, dass das Grundeinkommen Anreize bot, einen Beruf anzunehmen und eine Mehrheit der Leute aus beiden Gruppen war der Meinung, dass das Grundeinkommen es leichter machen würde, eine eigene Firma zu gründen. Diese Zustimmung wurde jedoch nicht in der Realität umgesetzt, da, wie bereits erwähnt, die Testgruppe nicht signifikant mehr arbeitete.

Es wird festgehalten, dass Umfragen zum bedingungslosen Grundeinkommen schwierig sind, da die generelle Zustimmung in Finnland zwischen 40 und 80 Prozent variiert, je nachdem, wie die Umfrage formuliert ist, oder um welches Modell es sich handelt. In den beiden Gruppen erzielte die Zustimmung auf die Frage, ob ein BGE als permanentes Sozialsystem eingeführt werden sollte, in der Testgruppe 85 Prozent und in der Kontrollgruppe 75% (vgl. Kangas et al. 2019, S. 27f.).

In den finalen Ergebnissen war ein Anstieg der Arbeitsleistung der Experimentalgruppe um durchschnittlich 6 Tage im Vergleich zur Kontrollgruppe zu erkennen. Dieser Anstieg war jedoch nur im zweiten und nicht im ersten Jahr des Experiments zu 72

erkennen. Die Expert/innen erklärten dies durch ein Zusammenwirken des Grundeinkommens und einer Steigerung der Sozialleistungen, die in Finnland 2018 stattfand. Das Experiment zeigte auf, dass die Experimentalgruppe ein signifikant höheres Wohlbefinden aufwies, während sie weniger an Stress oder Depression litt. Auch das finanzielle Wohlbefinden war signifikant höher bei der Experimentalgruppe, da sie auch in der Lage war, ihre Rechnung pünktlich zu bezahlen. Einerseits hatten die Grundeinkommensbezieher/innen mehr Selbstvertrauen, was ihre eigene Zukunft betraf und andererseits auch mehr Vertrauen in andere Menschen und soziale Institutionen als die Kontrollgruppe. Außerdem erlebten sie weniger Bürokratie als die Kontrollgruppe (vgl. Kangas et al. 2020, S. 188f.).

Das Experiment war von Anfang an nur für zwei Jahre angesetzt und es kam danach zu einem Regierungswechsel, weswegen das Grundeinkommen nicht beibehalten wurde. Man muss jedoch auch betonen, dass es sich bei dem Experiment um ein vereinfachtes Sozialsystem gehandelt hat, das Grundeinkommen jedoch nicht in einer existenzsichernden Höhe angesetzt war. Auch wenn das Experiment nach Beendigung nicht zu einer Einführung eines Grundeinkommens führte, so dient das Experiment für Sozialministerin Aino-Kaisa Pekonen als Denkanstoß für den Umbau des komplizierten finnischen Sozialsystems (Hermann 2020).

4. Die politische Ebene der Grundeinkommensdebatte

Der Faktor, der in der Debatte besonders zu berücksichtigen ist, ist die Politik. Selbst wenn ein BGE realisierbar ist, hat es keinen Sinn, wenn der politische Wille danach, gleichermaßen beim Volk, bei Gewerkschaften und bei den Politiker/innen, nicht gegeben ist. Noguera (2001) ist der Meinung, dass die größten Probleme des Grundeinkommens wohl psychologische und politische sind, aber keine ökonomischen. Dies ist auch auf die Finanzierung bezogen. So sei es wichtig, eine moderate und einfallsreiche Strategie bei der Finanzierung zu wählen, die in einer Beziehung zum derzeitigen Wohlfahrtssystem steht (vgl. Noguera 2001, S. 99).

Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein Vorhaben, das langfristig eingeführt werden würde. Darum darf man andere Trends von Entwicklung, dazu zählen auch Finanz- und Wachstumskrisen, dabei nicht völlig außer Acht lassen. Daran scheitert

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womöglich auch die politische Umsetzung, da niemand die (unvorhersehbaren) Risiken auf sich nehmen möchte. Andererseits sind es nicht nur die Risiken, an denen die Umsetzung scheitert, sondern auch, dass das BGE keine durchsetzungsfähige soziale Bewegung hinter sich vereinen kann. Konkret bedeutet das, dass es keine effektive soziale Bewegung gibt, die die Einführung eines BGE politisch vorantreibt (vgl. Peter und Meyn 2009, S. 14). Blasge (2015) argumentiert, dass das BGE an die Wirtschaftsleistung des Landes gekoppelt sein müsse, damit es bei guten Konjunkturperioden steigt und in schlechten Zeiten wieder sinkt (vgl. Blasge 2015, S. 69). Der amerikanische Jurist Joseph Overton stellte fest, dass Politiker/innen, die wiedergewählt werden wollen, keine radikalen Maßnahmen oder Ansichten vertreten dürfen (vgl. Bregman 2019, S. 250). Da das BGE eine durchaus radikale Maßnahme darstellen würde, würden Politiker/innen ihre Wiederwahl riskieren, wenn sie es befürworten.

Dennoch gibt es Befürworter/innen in der Bevölkerung. Auch wenn die Einstellung gegenüber dem BGE von Land zu Land variiert, ergaben Studien, dass die Befürworter/innen des BGE tendenziell schlechtere sozioökonomische Positionen innehaben und politisch eher links eingestellt sind. Generell sind Menschen, die von einem BGE profitieren würden, diesem gegenüber eher positiv eingestellt. Dazu zählen Teilzeitarbeitskräfte, Schlechtbezahlte und Sozialhilfeempfänger/innen. Leute aus niedrigeren Bildungsschichten und Frauen würden ebenfalls profitieren (vgl. Roosma und van Oorschot 2020, S. 193).

Die generelle Unterstützung für das bedingungslose Grundeinkommen ist in Europa durchwegs groß, vor allem wenn man bedenkt, dass es eine große Sozialreform darstellen würde. Roosma und van Oorschot (2020) analysierten das European Social Survey von 2016, bei dem sich zeigte, dass die Befürwortung des BGE in 20 von 23 europäischen Ländern höher liegt als 45%, was den Ergebnissen anderer Studien (Dalia 2017, Ipsos 2017) ähnelt. Da im ESS die Frage eine Definition des Grundeinkommens mit Betonung auf der steuerbasierten Finanzierung beinhaltete und die Zustimmung dennoch durchwegs hoch ausfiel, hinterfragten Roosma und van Oorschot, ob die Befragten das Konzept und seine weitreichenden Auswirkungen tatsächlich verstanden haben. Weitere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen das BGE unterstützen, da es die Bedingungen für arme Menschen verbessert, zu denen sie sich auch selbst zählen können und nicht die Bedingungslosigkeit oder der

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universelle Charakter des BGE (vgl. Roosma und van Oorschot 2020, S. 203). Trotz der durchaus hohen Befürwortung gibt es wenig aktive Unterstützung für ein BGE. Volksbegehren zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens wurden in der Schweiz und in Österreich durchgeführt, scheiterten jedoch. In der Schweiz erhielt die Volksbefragung immerhin 23% Befürwortung, was für die politische Realisierung jedoch viel zu wenig ist. Außerdem wurde das Vorhaben sowohl vom Bundesrat als auch vom Parlament abgelehnt. Von den größeren Parteien haben sich nur die Grünen für ein Ja ausgesprochen (vgl. Amrein 2016). In Österreich erreichte das Volksbegehren nur 69939 Unterschriften und landet somit in Bezug auf die Unterstützung nur auf Platz 41 aller Volksbegehren (vgl. Bundesministerium für Inneres 2019). Dies könnte dadurch erklärbar sein, dass das Konzept des Grundeinkommens zwar gut klingt, aber die konkrete Durchführung die Menschen dann doch abschreckt. Außerdem muss man sich bei einer Frage zur generellen Befürwortung oder Ablehnung noch nicht so viele Gedanken über die realpolitischen Auswirkungen machen, wie wenn man seine Stimme dafür abgibt.

Wie bereits erwähnt, hängt die Implementierung des Grundeinkommens sehr von der Meinung der Bevölkerung, der Politik und den Gewerkschaften ab. Politische Maßnahmen, wie eben die Einführung eines BGE, werden außerdem von ihrem welt- politischen Kontext beeinflusst (vgl. Perkiö 2020, S. 104). In der Literatur finden sich Hinweise darauf, dass die Meinung der Menschen zu dem bedingungslosen Grundeinkommen vor allem von der Regierungsform und der Art des Sozialsystems geprägt wird (vgl. Roosma und van Oorschot 2020, S. 194). Darum wird in diesem Kapitel nicht nur die Debatte in ausgewählten Ländern und deren politischen Parteien diskutiert, sondern es werden auch politische Faktoren besprochen, die diese beeinflussen. Durch das Besprechen der Debatte in den einzelnen Ländern soll ein

Bild über den Stand der Grundeinkommensdebatte in Europa gegeben werden. Außerdem beschäftigt sich der empirische Teil dieser Arbeit mit der Debatte um das BGE in ausgewählten EU-Mitgliedsstaaten, nämlich Österreich, Deutschland, Spanien, Finnland, Dänemark und Belgien, weswegen dieses Kapitel zum Vergleich mit den Analyseergebnissen herangezogen werden soll. Warum genau diese Mitgliedsstaaten ausgewählt wurden, wird im empirischen Teil dieser Arbeit genauer erläutert.

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Nach Koistinen und Perkiö (2014) gibt es vier Dimensionen, die eine politische Idee erfolgreich oder unerfolgreich machen. Die erste Dimension ist die Qualität der Idee an sich, die zweite Dimension bilden die Akteur/innen, die involviert sind, die dritte die Kultur und die vierte der ökonomische und politische Kontext (vgl. Koistinen und Perkiö 2014, zitiert nach Stadelmann-Steffen und Dermont 2019, S. 4). Die erste Dimension wurde in dieser Arbeit bereits erörtert. Die weiteren Dimensionen werden im Folgenden besprochen.

4.1. Die Akteur/innen in der Grundeinkommensdebatte

Laut Koistinnen und Perkiö (2014) bilden die Akteur/innen eine wichtige Dimension, um einer politische Idee zum Erfolg zu verhelfen. In der Grundeinkommensdebatte sind die Akteur/innen Politiker/innen, Parteien, Aktivist/innen, Wissenschaftler/innen und die Gewerkschaften, jedoch spielen diese Akteur/innen in den verschiedenen Ländern unterschiedlich wichtige Rollen.

Generell scheint es, als würden Intellektuelle und Wissenschaftler/innen bei der Grundeinkommensdebatte den Stein in Bewegung setzen. In den Niederlanden kam die Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen bereits 1975 auf, als J.P. Kuiper, Professor für Sozialmedizin an der Universität von Amsterdam, die Trennung von Arbeit und Einkommen forderte, da seiner Ansicht nach traditionelle Arbeit „entmenschliche“ (vgl. Vanderborght 2004, S. 16). In den 1990ern führte ein Report des Centraal Planbureau, einem staatlichen Prognoseinstitut, der das BGE in Form einer negativen Einkommenssteuer als Zukunftsszenario für die niederländische Wirtschaft beinhaltete, dazu, dass dem BGE in politischen und wirtschaftlichen Kreisen mehr Glaubwürdigkeit geschenkt wurde (vgl. Vanderborght 2004, S. 18). Die enge Verbindung zwischen Wissenschaft und Politik in den Niederlanden ist auch eine Erklärung für die durchaus große Präsenz der Debatte (vgl. Vanderborght 2004, S. 24f.). Laut Vanderborght (2004) wurde die Diskussion an diesem Punkt nirgends in Europa so breit geführt wie in den Niederlanden, denn dort wurde sie sogar schon auf Regierungsebene besprochen (Vanderborght 2004, S. 2).

Auch in Dänemark lieferte der Intellektuellenkreis den Anstoß zur Grundeinkommensdebatte. Sie kam das erste Mal in den frühen 1980ern auf, als im

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Buch „Revolt from the Center“ (Originaltitel: „Oprør fra Midten“) von Niels I. Meyer, Kristen Helveg Petersen und Villy Sørensen, gefordert wurde, dass niemand zur Arbeit gezwungen werden sollte, jeder ein Recht auf Selbstbestimmung habe und dass Hausarbeit mit Erwerbsarbeit gleichgesetzt werden sollte. Aufgrund des großen Erfolges des Buchs, starteten die Autor/innen eine Bewegung, die das Grundeinkommen forderte, was das BGE in die politische Sphäre beförderte (vgl. Christensen 2017).

Einige Intellektuelle aus Wirtschaft, Soziologie und Philosophie schlossen sich zu einem internationalen Netzwerk zusammen, das sich für das BGE einsetzt. Das Basic Income Earth Network (BIEN) wurde 2017 als Dachorganisation von 30 bereits existierenden Gruppen gegründet, die bereits mehrere Jahre auf nationaler Basis operierten (vgl. Lukschandl 2020, S. 15f.). Das Netzwerk BIEN hat eine wichtige Rolle dabei gespielt, dass das BGE weiterhin in der öffentlichen Debatte und der politischen Welt existiert, indem es regelmäßig Newsletter und Studien veröffentlicht und Konferenzen abhält (vgl. Backhaus und Pel 2018, S. 97).

Auch in Finnland und Spanien spielen Intellektuelle eine wichtige Rolle in der Debatte, jedoch verschwand die Grundeinkommensdiskussion nach der Wirtschaftskrise 2008 aus der offiziellen Agenda. Doch das zivile Interesse blieb bestehen, da die spanische Occupy-Bewegung es auf ihrer Agenda hatte (vgl. Perkiö 2013, S. 5).

In Irland wurden offizielle Reporte zum Thema BGE in den 1980ern und 1990ern nicht ernst genommen oder als unmöglich abgestempelt (vgl. Healy und Reynolds 2002, S. 44). Jedoch spielte die CORI (Conference of Religious Ireland) eine wichtige Rolle in der Grundeinkommensdebatte. Sie bewegte die irischen Parteien dazu, das Grundeinkommen bei der Wahl 1997 mit in ihr Parteiprogramm aufzunehmen. Jedoch wurde es nicht weiter diskutiert (vgl. Healy und Reynolds 2002, S. 29).

Wenn der Einfluss der Akteur/innen des intellektuellen Kreises stark genug war, so konnte die Grundeinkommensdebatte auf Parteiebene gebracht werden. In den Niederlanden etwa kam die Diskussion 1994 auf die politische Ebene, da die regierende liberale Partei ein Grundeinkommen kommen sah, was jedoch auf Widerstand bei der Arbeiter- und Koalitionspartei traf, weswegen der Gedanke nur sehr kurz behandelt wurde (vgl. Vanderborght 2004, S. 18). Eine parteiinterne gespaltene Meinung zu einem bedingungslosen Grundeinkommen war fast in jeder niederländischen Partei zu finden. Aber das bedeutet auch, dass es in jeder der großen 77

Parteien eine Minderheit gab, die das BGE befürwortete. Da das BGE 1994 auf Regierungsebene diskutiert wurde, waren die Niederlande wohl europäischer Vorreiter (vgl. Vanderborght 2004, S. 19f.).

In Dänemark begründeten schon früh einige Politiker/innen der Sozialliberalen Partei, der Sozialistischen Volkspartei und der Sozialdemokratischen Partei ihr Interesse und ihre Unterstützung für ein BGE. Die Idee verlor jedoch an Fahrtwind, der Anfang der 1990er Jahre wieder aufgenommen werden konnte. 1993 sprach sich die Mehrheit der Sozialliberalen Partei, die damals eine neue Regierungspartei war, bei einem Nationalkongress für ein Grundeinkommen aus. Jedoch legte das Wirtschaftsministerium einen Überblick vor, in dem verschiedene Grundeinkommensmodelle berechnet wurden. Daraus ging hervor, dass ein BGE zu Steuersätzen von 100% führen würde und somit wurde die Idee des BGE für unrealistisch erklärt und verworfen. Bei den Berechnungen gab es allerdings laut Christensen (2017) eine Reihe an elementaren Analysefehlern. Etwas aktueller konnte die Partei „die Alternative“, die Geldleistungen ohne Auflagen forderte, in Dänemark 2015 immerhin 11 Sitze im Parlament gewinnen (vgl. Christensen 2017).

In Finnland ist das bedingungslose Grundeinkommen schon lange in der Parteipolitik integriert. Ende der 1970er-Jahre nahm die Radical’s Political Party das Grundeinkommen in ihr Parteiprogramm auf und in den 1980er-Jahren tat es die Grüne Partei ihr gleich, indem sie ein Einkommen für alle forderte, egal ob jemand arbeitet oder nicht. Mit den Jahren wurde dieser Vorschlag in Form einer negativen Einkommenssteuer weiter beibehalten, da dies leichter in das bestehende Sozialsystem eingebaut werden könnte. Sie befürchtete, dass nicht mehr genug Arbeit für alle da sei. Schließlich schlug sie ein „Voetinkommen“ vor, was etwa zwei Drittel des Minimaleinkommens einer Person, also etwa 225 bis 275 Euro, ausmachte. Im Vergleich zu einem bedingungslosen Grundeinkommen ist dies jedoch ein sehr geringer Betrag. Dies war das Resultat eines innerparteilichen Kompromisses, was bezeichnend für die politische Debatte und die verschiedenen Meinungen zum BGE innerhalb von Parteien war (vgl. Vanderborght 2004, S. 19f.). Die Unterstützung der Grundeinkommensidee breitete sich in Finnland, ausgehend von den linken grünen Parteien, auch unter den größeren politischen Parteien mit verschiedenem ideologischen Hintergrund aus (vgl. Stadelmann-Steffen und Dermont 2019, S. 11). Außerdem hat Finnland bereits mit konkreten Grundeinkommensmaßnahmen

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experimentiert (vgl. Perkiö 2020, S. 105). Das finnische Grundeinkommensexperiment, das bereits im vorherigen Kapitel besprochen wurde, wurde von der regierenden Mitte-Rechts-Koalition durchgeführt, die aus einer landwirtschaftlichen Zentrumspartei, einer nationalen Mitte-Rechts-Partei und einer rechtsnationalistischen und populistischen Partei besteht. Das BGE wird auch von den Grünen und den Linken und der Zentrumspartei unterstützt, die jedoch gegen das konkrete Experiment waren (vgl. Perkiö 2020, S. 106).

Auch in Belgien wurde der Vorschlag für ein BGE in den 1980er-Jahren von der Grünen Partei eingebracht. Die Debatte wurde vor allem von der politischen Linken getragen, jedoch gab es auch Unterstützer/innen auf der rechten Seite, wie etwa manche rechte Arbeitgeber/innen, die der Idee wohlwollend gegenüberstanden, aufgrund der Auswirkungen, die ein BGE auf die Deregulierung des Arbeitsmarktes hätte, oder auch die flämische rechts-liberale PVV. Bis zum Ende der 90er-Jahre fand die Debatte jedoch mehr oder weniger meist nur in Akademikerkreisen oder in den grünen Parteien Agalev und Ecolo statt (vgl. Vanderborght 2004, S. 12). Die Grüne Partei Ecolo sah jedoch das BGE stehts eher als Leitbild an, das nicht sofort und direkt umgesetzt werden sollte, sondern präferierte eher eine langfristige Herangehensweise. Zu einer konkreten politischen Agenda wurde die Idee jedoch von keiner der beiden Parteien umgesetzt. Eine Besonderheit der politischen Debatte um das BGE in Belgien stellt die 1997 gegründete Partei dar, deren Programm sich beinahe ausschließlich um das bedingungslose Grundeinkommen drehte (vgl. Vanderborght 2004, S. 14). Auch wenn sie durchschnittlich nur 2 bis 2,4 Prozent bei Wahlen erreicht, brachte sie das Thema BGE in die öffentliche Wahrnehmung (vgl. Vanderborght 2004, S. 14f.).

In Österreich erhielt das Volksbegehren für ein Grundeinkommen wie bereits erwähnt nur sehr geringe Unterstützung innerhalb der Bevölkerung. Auch unter den großen Parteien finden sich kaum Befürworter/innen. Fiedler (2020) hat alle Parteien, die bei der letzten Nationalratswahl mehr als 500 Stimmen erhalten haben, sowie die neugegründete Partei DAÖ zu ihrer Meinung zum BGE befragt. In der Umfrage standen zwar 4 von 10 Parteien in Österreich einem bedingungslosen Grundeinkommen tendenziell befürwortend gegenüber, jedoch ist jede größere Partei gegen ein BGE (vgl. Fiedler 2020b).

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In Deutschland sind 6 der 14 Parteien tendenziell für ein BGE, darunter findet sich jedoch nur die Grüne Partei als namhafte Partei. 5 von 14 sind dagegen, nämlich SPD, CDU und CSU, AfD, BIW und die FPD und 3 sind noch unschlüssig oder uneinig innerhalb der Partei, darunter befindet sich namhaft Die Linke. Jedoch gilt es auch hier zu betonen, dass sich unter den Regierungsparteien keine Mehrheit im Bundestag findet, die ein bedingungsloses Grundeinkommen befürwortet (vgl. Fiedler 2020a). Wie sich auch erkennen lässt, sind die meisten großen Parteien gegen das BGE.

Bei der Befürwortung des Grundeinkommens auf Parteiebene gilt zu bedenken, dass generelle Unterstützung der abstrakten Idee keine Unterstützung einer konkreten Maßnahme zur Umsetzung bedeutet. Dies bedeutet auch, dass es unter den Befürworter/innen zu Meinungsverschiedenheiten kommen kann, wenn es um die Umsetzung geht (vgl. Perkiö 2020, S. 104f.). Außerdem wird das bedingungslose Grundeinkommen zwar von einigen Parteien oder Politiker/innen unterstützt, jedoch wurde es noch in keiner Regierung ernsthaft in Erwägung gezogen (vgl. Perkiö 2013, S. 9).

Eine wichtige Rolle scheinen auch die Gewerkschaften zu spielen. So erklärt Vanderborght die Unterschiede in der Reichweite der Debatte in Belgien und der Niederlande durch die unterschiedliche Rolle der Gewerkschaften. Belgiens Gewerkschaften sind aufgrund ihrer Nähe zur Politik und einem Aufkommen von 55% der Arbeiter/innen in Gewerkschaften mächtiger als die der Niederlande, bei denen nur knapp 25% Gewerkschaftsmitglieder sind. Diese Gewerkschaften sind gegen ein Grundeinkommen, da es vorhandene Sozialsicherungen ersetzen würde und es ihre Position gefährde, wenn individuelle Arbeiter/innen eine bessere Verhandlungsbasis bekommen würden. Auch die flexibleren Arbeitsverhältnisse und -zeiten wurden von Belgiens Gewerkschaften tendenziell abgelehnt (vgl. Vanderborght 2004, S. 23). Auch in Dänemark finden sich die größten Gegner/innen der Grundeinkommensidee in den Gewerkschaften und den alten Arbeiterparteien (vgl. Christensen 2017).

Ein wichtiges Element in der Debatte um das BGE war im Fall der Niederlande die Berichterstattung der Medien. Die Regierungsmitglieder äußerten ihre Befürwortung des Grundeinkommens sehr vorsichtig und in langfristiger Perspektive mit einer Schritt-für-Schritt-Einführung, was von den Zeitungen vereinfacht dargestellt wurde, was die Debatte mehr anfachte. Der Niederländische Fall zeigte auch das größte Problem für die politische Umsetzung des BGE auf: Die Befürworter/innen des BGE 80

sind über das gesamte politische Spektrum verteilt und sich untereinander nicht einig, welche Art von Grundeinkommen wie eingeführt werden soll (vgl. Vanderborght 2004, S. 22). Grundsätzlich gibt es also Befürwortung für ein BGE, die konkrete Realisierung ist jedoch sehr umstritten, selbst unter Befürworter/innen. Darum ist die Verwirklichung, sofern überhaupt möglich, wohl noch in weiter Ferne.

4.2. Die Rolle der Kultur in der Grundeinkommensdebatte

Die dritte Dimension nach Perkiö und Koistinnen (2014) stellt die Kultur dar. Da in dieser Arbeit speziell europäische Länder behandelt werden, und somit keine massiven Kulturunterschiede zwischen den Ländern bestehen, wird hier vor allem auf die Wertvorstellungen in Bezug auf Arbeit und soziale Hilfe eingegangen.

In der Literatur finden sich einige Hinweise auf einen Wertewandel in Bezug auf die Sozialsysteme, den es in Europa gab. In den 1980ern vertraten die meisten Parteien in Finnland bei der Sozialhilfe Werte wie Universalismus, Solidarität und Gleichberechtigung. Als in den 1990er Jahren eine Regression aufkam, wurden diese Werte mit einem aktivierenden Paradigma ersetzt, was sowohl das ökonomische als auch das politische Klima stark veränderte, so dass das Grundeinkommen nicht mehr in den Wertekontext passte. Die finnischen Befürworter/innen setzten jedoch am aktivierenden Paradigma an und argumentierten mit der vermeintlich aktivierenden Kraft des BGE, weshalb das BGE nicht aus der öffentlichen Debatte verschwand, wie etwa in Dänemark. Dies unterscheidet den finnischen Diskurs stark von den anderen Diskursen um das Grundeinkommen in Europa (vgl. Perkiö 2020, S. 120). Dies ist eventuell dadurch zu erklären, dass in Finnland ohne die Zustimmung der Arbeitnehmer/innen- und Arbeitgeber/innengewerkschaften keine Sozialreformen entschieden werden dürfen (vgl. Perkiö 2020, S. 107).

In den Niederlanden gibt es bereits eine Grundpension, unabhängig von Einkommen oder jegliche Überprüfungen, die sich großer Beliebtheit erfreut. Der Grund, wieso diese Beliebtheit nicht die Einführung eines generellen bedingungslosen Grundeinkommens ermöglicht, liegt in der moralischen Komponente. Von Pensionist/innen wird keine Arbeitsleistung mehr verlangt, von Arbeitsfähigen schon. Außerdem bekommt man diese Grundpension nur, wenn man gearbeitet hat. Man soll

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also arbeiten, um seine Grundbedürfnisse zu decken. „Geld für nichts“ wird von den Niederländer/innen abgelehnt. In den Niederlanden ist ein gewisser Arbeitsethos wichtig, so stehen sie auch europaweit Arbeitslosen am restriktivsten gegenüber und sind der Meinung, dass Arbeitslose arbeiten sollen, auch wenn ihnen eine Stelle nicht zusagt oder sie nicht auf ihre Qualifikationen passt (vgl. Vanderborght 2004, S. 28f.). Auch in Belgien wurde das soziale Recht auf ein Recht auf soziale Teilhabe durch Arbeit abgeändert, weswegen die Arbeitsbereitschaft ein zentraler Punkt in der Sozialhilfe geworden ist (vgl. Vanderborght 2004, S. 9).

Im dänischen Sozialsystem wurden die Rechte von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger/innen reduziert, während ihre Pflichten gesteigert wurden. Ebenfalls gestiegen sind Kontrollen und Sanktionen gegen Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger/innen. Es entwickelte sich laut Christensen weg von einem der universellsten Wohlfahrtsmodelle hin zu einem der restriktivsten Workfare-orientierten Modelle. Davor wurde versucht eine Gesellschaft durch Gleichheit zu erschaffen, während das Workfare-Modell eine Gesellschaft durch Arbeit zu schaffen versucht. Arbeit ist also das wichtigste Gut in der dänischen Gesellschaft, die laut Christensen geteilt ist in Menschen, die arbeiten, und diejenigen, die es nicht tun (vgl. Christensen 2017).

Es wird argumentiert, dass skandinavische Länder gute Voraussetzungen besitzen, um ein BGE einzuführen, da Solidarität und gegenseitiges Vertrauen hochgehalten werden und generell eine große Unterstützung für großzügige Sozialsicherung herrscht. In liberalen und konservativen Wohlfahrtsstaaten würde die Einführung eines BGE eine Wertabweichung bedeuten, da deren Sozialsysteme auf Bedürftigkeitsprüfungen und dem Gedanken, dass man in das System einzahlen muss, bevor man eine Gegenleistung erhält, beruhen. Die Bürger/innen dieser Staaten stehen einem BGE wohl tendenziell negativer gegenüber. Jedoch wird im Gegensatz argumentiert, dass die nordischen Wohlfahrtssysteme auf einer starken Arbeitsethik und dem Gedanken, dass Vollbeschäftigung und eine egalitäre Lohnstruktur durch politische und ökonomische Maßnahmen gestützt werden können, basieren, was wiederum in einem Gegensatz zur Bedingungslosigkeit der Grundeinkommensidee steht (vgl. Stadelmann-Steffen und Dermont 2019, S. 9f.).

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4.3. Der ökonomische und politische Kontext in der Grundeinkommensdebatte

Die letzte Dimension, die über den Erfolg einer politischen Idee entscheidet, ist der ökonomische und politische Kontext ebendieser.

Laut Stadelmann-Steffen und Dermont (2019) sei die Einführung eines BGE in Finnland am wahrscheinlichsten, da Finnland einerseits von universellen Sozialmaßnahmen geprägt ist und andererseits hält sich die Debatte um ein BGE seit den 1970ern im akademischen und politischen Diskurs. Außerdem besitzt das Grundeinkommen große Unterstützung von einigen politischen, sozialen und intellektuellen Akteur/innen (vgl. Stadelmann-Steffen und Dermont 2019, S. 11).

Die skandinavischen Wohlfahrtsstaaten eignen sich in der Theorie am besten für die Einführung eines BGE, da die umfangreiche Absicherung einem BGE am nächsten kommt, jedoch wird häufig darauf hingewiesen, dass in den skandinavischen Ländern ein starker Fokus auf Vollbeschäftigung und der Aktivierung von Arbeitslosen liegt. Wie bereits erwähnt, könnte auch das hohe Arbeitsethos ein kulturelles Hindernis für das BGE darstellen. Darum ließe sich vom Modell des Wohlfahrtsstaates allein noch nicht auf das Maß der Befürwortung schließen. Ein weiteres mögliches Maß sind sozioökonomische Faktoren, wie etwa Arbeitslosigkeit, Armut oder Ungleichheit. In Ländern, in denen diese Faktoren stark ausgeprägt sind und damit größerer Bedarf nach Sozialhilfe besteht, könnte die Idee eines BGE eher befürwortet werden, da dort Teile der Bevölkerung am meisten davon profitieren würden (vgl. Roosma und van Oorschot 2020, S. 194).

Noguera (2001) klassifizierte die Sozialsysteme danach, wie viel der sozialen Absicherung durch Arbeitgeber/innen und Arbeiter/innen finanziert wird und wie viel steuerbasiert oder aus anderen Staatresourcen ist. Die Länder mit der höchsten Staatsfinanzierung sind Dänemark und Irland. In der Gruppe danach finden sich Schweden, Großbritanien, Luxemburg und Finnland. In den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Deutschland sind weniger als 40% der Sozialleistungen staatsfinanziert. In Spanien, Italien und Österreich liegt dieser Wert unter 30%. (vgl. Noguera 2001, S. 87f.).

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Laut Noguera eignen sich liberale anglo-saxische und nordisch-sozialdemokratische Staaten besser dafür, ein BGE einzuführen, als kontinentale oder mediterrane. Dies liegt daran, dass der Umstieg von dem stark kontributionsabhängigen Sozialsystem schwieriger wäre. Spanien ist laut Noguera als kontinental-konservatives Wohlfahrtsmodell einzuordnen (vgl. Noguera 2001, S. 88). Das spanische Sozialsystem weist einige Eigenschaften auf, die für eine Einführung des BGE sprechen. In Spanien herrschen hohe Arbeitslosigkeit und Armut, während Arbeitslosenunterstützung und monetäre Sozialhilfe gering ausfallen. Der spanische Arbeitsmarkt ist dereguliert, was bedeutet, dass viele Arbeiter/innen nur kurzzeitige Arbeitsverträge haben. Es besteht ein hoher Druck auf Familien und vor allem Frauen, dass Pflegearbeiten selbst erledigt werden müssen, während es keine substanzielle Kinderunterstützung oder Ähnliches gibt. Jedoch weist das spanische Sozialsystem auch Faktoren auf, die eine Einführung behindern könnten, wie etwa den Faktor, dass einige gut-positionierte Arbeiter/innen mit guten staatlichen Beihilfen, die wohl gegen ein BGE wären, einigen prekären Arbeiter/innen gegenüberstehen, die keinerlei Sozialleistung erhalten. Hinzu kommt, dass Spanien EU-weit zu den Ländern gehört, die am wenigsten Sozialausgaben tätigen. In Spanien herrscht eine niedrige Steuerbelastung und zusätzlich eine starke Opposition gegenüber Steuererhöhungen. Ein zusätzlicher Faktor, der die Einführung eines BGE erschweren würde, ist, dass die meisten Minimaleinkommensprogramme von den regionalen Regierungen abhängen. (vgl. Noguera 2001, S. 89f.). Noguera ist der Meinung, dass das Grundeinkommen in Spanien auf eine Opposition der 14 Millionen Beitragszahlenden treffen würde, da es durch Einführung eines BGE zur Abschaffung der beitragsabhängigen Sozialleistungen kommen würde. Die Zahl der Nutznießer/innen eines BGE sei zwar größer, jedoch sind diese tendenziell weniger mächtig und weniger in der Lage, eine soziale Bewegung für ein Grundeinkommen zu organisieren (vgl. Noguera 2001, S. 97f.). Spanien ist ein konservativ-korporatistisches System (vgl. Perkiö 2013, S. 3). Der spanische Arbeitsmarkt wurde mit den 1980ern liberalisiert, aktive Arbeitsmarktmaßnahmen wurden eingeführt, und die Wichtigkeit von Steuern in der Finanzierung der Sozialsicherung stieg an. Dennoch waren die sozialen Leistungen in Spanien immer niedrig, weswegen der Kirche und den Familien immer eine wichtige Rolle in der Wohltätigkeit zukam. Mit der Finanzkrise 2008 wuchs die Arbeitslosenrate und Armut massiv an, während es zu Kürzungen in der sozialen Absicherung kam (vgl. Perkiö 2013, S. 4). In Spanien liegt der Fokus der Grundeinkommensdebatte

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deswegen auf der Armutsbekämpfung durch ein BGE, sowie auch die Autonomie der Arbeitswahl, die ein BGE mit sich bringen würde (vgl. Perkiö 2013, S. 5).

Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens würde eine Reform des Sozialsystems bedeuten. Länder mit einer zentralisierten Staatsmacht oder einem schwachen Stand der Gewerkschaften haben eine höhere Chance auf eine Sozialreform. Finnland hat zwar ein sehr zentralisiertes Entscheidungsorgan, jedoch haben Sozialpartner/innen eine große (Veto-)Macht bei Entscheidungen über Sozialreformen. Deutschland hat einen dezentralisierten Staat mit starken Interessensgruppen, Zivilgesellschaft und Kirchen. Außerdem gibt es ein Mehrparteiensystem. Spanien ist ebenfalls ein dezentralisierter Staat mit 17 autonomen Regionen und hat ebenfalls ein Mehrparteiensystem (vgl. Perkiö 2013, S. 4).

Eine weitere Voraussetzung, die die Zustimmung zu einem BGE fördern könnte, ist eine Vertrautheit mit grundeinkommens-ähnlichen Sozialmaßnahmen. In den Niederlanden etwa gibt es eine Grundpension sowie ungeprüfte Studienbeihilfen. Dennoch konnte das BGE in den Niederlanden keine langfristige Unterstützung gewinnen. Vanderborghts Interviews mit Schlüsselpersönlichkeiten in der Debatte ergaben, dass dies nicht an den Kosten eines BGE lag, sondern eher an institutionellen, soziologischen und ideologischen Faktoren. Der entscheidende Faktor für die Ablehnung des BGE ist der moralische Faktor, dass Arbeitstaugliche Sozialhilfe empfangen würden, ohne zur Allgemeinheit beizutragen, was dem Prinzip der sozialen Kooperation widerspreche (vgl. Vanderborght 2004, S. 24f.). Auf politischer Ebene wird das BGE oft als zu radikal und unvorhersehbar angesehen, so dass dadurch auch die Chancen einer langfristigen und graduellen Implementierung untergraben werden (vgl. Vanderborght 2004, S. 25). Die Niederlande, wie auch zum Beispiel Belgien, sind ein korporatistischer, christlich-demokratischer Sozialstaat (vgl. Vanderborght 2004, S. 3). In den Niederlanden geht die Debatte um das BGE Hand in Hand mit der Arbeitslosenrate. Da seit Mitte der 1990er-Jahre die Arbeitslosigkeit stark gesunken ist, war das BGE nur noch Inhalt wissenschaftlicher Diskussionen und Arbeiten. Der Zusammenhang zwischen dem BGE und der Arbeitslosigkeit lag vor allem an den Befürworter/innen, die das BGE stets als Lösung für das Problem der Arbeitslosigkeit präsentierten, da so Vollbeschäftigung aufgegeben werden könnte und man das teure

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Sozialsystem reformieren könnte, ohne die soziale Sicherheit zu gefährden (vgl. Vanderborght 2004, S. 16).

Deutschland ist ein konservativ-korporatistisches System, in dem Mann als Versorger eine wichtige Rolle spielt und Sozialversicherungen dazu dienen, den Arbeitsmarktstatus zu erhalten, statt Ungleichheit durch Einkommensumverteilungen zu reduzieren. Sozialschutz wird auf Haushalts- oder Familienebene gewährleistet. In Deutschland gab es die größte Änderung im Sozialsystem am Anfang der 2000er. Die „Hartz IV“-Reform band stärkere Bedingungen an Sozialleistungen und der Steuer- Anteil an der Finanzierung wurde erhöht. Menschen, die arbeitsfähig sind, mussten auch Arbeit suchen. Dies führte zu einer massiven Verringerung der Arbeitslosenzahlen, jedoch stieg die sogenannte Erwerbsarmut stark an (vgl. Perkiö 2013, S. 3). Ausgerechnet diese Maßnahme führte dazu, dass das bedingungslose Grundeinkommen in die öffentliche Aufmerksamkeit zurückkehrte. Es wurde eine Kampagne organisiert, die Freiheit und nicht Vollbeschäftigung forderte. Seither ist die Debatte in der öffentlichen und politischen Debatte tief verankert (vgl. Perkiö 2013, S. 4f.). Wie auch in Finnland wurde das Grundeinkommen im Kontext der Krise der Erwerbsarbeit von Soziolog/innen in den 1980ern und 1990ern aufgebracht. Auch Kritik am Konsum, irreguläre Arbeitsverhältnisse und die Frustration mit der Sozialbürokratie spiegeln sich in der BGE-Debatte wider. Deutsche Parteien waren bislang jedoch zögerlich, was die Aufnahme des BGE in ihre Agenda betrifft (vgl. Perkiö 2013, S. 5).

In Dänemark gab es einen Wandel von einem universellen zu einem stärker versicherungsbasierten Wohlfahrtsmodell, also von einem skandinavischen Modell hin zu einem kontinentalen Modell (vgl. Christensen 2004, S. 5). Das dänische Sozialsystem hat einen horizontalen Charakter, was bedeutet, dass man in jungen Jahren und im Alter mehr vom Sozialsystem bekommt, als man für das System beiträgt, während man als Erwachsene/r mehr beiträgt, als man Nutzen daraus zieht (vgl. Christensen 2004, S. 6). Eine weitere Änderung war, dass der Arbeitsmarkt mit der Reform 1994 eine wichtigere Rolle in der Sozialpolitik Dänemarks erhalten hat (vgl. Christensen 2004, S. 7). Was Dänemark im europäischen Kontext hervorhebt, ist, dass es um die Jahrtausendwende die Arbeitslosigkeit von 12,7% auf 7,9% verringern konnte, während die Inflation bei 2% gehalten werden konnte. Dieser Erfolg der sozialdemokratischen Regierung ist auf die "welfare-to-work"-Politik zurückzuführen,

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die das dänische universalistische Wohlfahrtsmodell mit einer Workfare-Strategie, wie sie in Amerika oder Großbritannien gängig ist und bedeutet, dass Sozialleistungen stark an Arbeit gebunden sind, zu reparieren (vgl. Christensen 2004, S. 10f.). Diese Reform ist eine Implementierung des in Dänemark populären Sprichwortes „Keine Rechte ohne Pflichten“ (vgl. Christensen 2004, S. 15). Das dänische Sozialsystem entwickelte ein höheres Maß an Selektivität, das sich speziell auf Leistungen und Bedürfnisse von Armen ausrichtet, während die Mittelschicht sich selbst am Markt absichern muss (vgl. Christensen 2004, S. 22). Die Gesetze des dänischen Arbeitsmarktes und Sozialsystems legen ihren Fokus laut der dänischen Rechtsexpertin Kirsten Ketscher auf Erwerbsarbeit und diskriminieren dabei Pflege- und Fürsorgearbeiten (vgl. Christensen 2002, S. 21). Mit dieser Änderung des politischen Klimas änderte sich in Dänemark auch die Einstellung gegenüber dem BGE, was zu einer Verwerfung der zuvor beliebten Idee führte (vgl. Perkiö 2020, S. 104). Da mit Mitte der 90er auch die Arbeitslosigkeit sank, verschwand auch das BGE von der politischen Agenda. Die Allgemeinheit sah das BGE als „Hippie-Idee“ aus den 70ern oder als kommunistische Maßnahme (vgl. Christensen 2017). Laut Christensen (2004) stellen dauerhafte Arbeitslosigkeit und die Stigmatisierung dieser eines der größten Probleme des dänischen Systems dar, was auf die Änderungen zurückgeht (vgl. Christensen 2004, S. 22f.).

Finnland ist eine nordische Sozialdemokratie mit einem universellen Sozialschutz, der Gleichheit, Zusammenhalt und Homogenität sozialer Gruppen fördern soll. Der Sozialschutz wird auf individueller statt auf Haushaltsbasis gewährleistet (vgl. Perkiö 2013, S. 3). In der finnischen Debatte wird das BGE, befürwortet von grünen und rechten Parteien, in erster Linie als Mechanismus gesehen, der den Mangel an Arbeitsanreizen und die Einkommensfallen des vorherrschenden Systems ausgleichen soll. Andererseits soll es als Mittel zur Einkommensverteilung, Stärkung der Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer/innen und Investition in autonome Produktion dienen (vgl. Perkiö 2013, S. 5).

In Irland spielen die ökonomischen Umstände eine wichtige Rolle in der Grundeinkommensdebatte, da es 2008 von der Finanzkrise besonders hart getroffen wurde. Es gibt seither hohe Level an Arbeitslosigkeit, vor allem langfristige und Jungendarbeitslosigkeit. Emigration und Armut sind rasant gestiegen. Der in Irland weitverbreitete Gedanke, dass Vollbeschäftigung die Lösung gegen die wachsende

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Armut wäre, ignoriert die große Zahl an Menschen, die zu den „working poor“ gehören. Beschäftigung allein ist in Irland zu wenig (vgl. Healy et al. 2012, S. 12). Laut Healy und Reynolds (2002) sei eine Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens in Irland darum angebracht, da es die ungleiche Verteilung und Arbeitslosigkeit effizienter bekämpfen könnte als das traditionelle Sozial- und Steuersystem (vgl. Healy und Reynolds 2002, S. 45).

Generell haben sich die Grundsätze der Wohlfahrtsregime in Europa geändert, da eine marktorientierte Politik an Wichtigkeit gewonnen hat. Der Wertewandel von Umverteilung zu Wettbewerbsfähigkeit und von Wohlfahrt zu „Workfare“ war eine Konsequenz dessen. Dies führte außerdem dazu, dass die Wohlfahrtssysteme abgebaut wurden, während Prekarität des Arbeitsmarktes und (Jugend- )Arbeitslosigkeit zugenommen haben (vgl. Perkiö 2013, S. 3). Auf politischer Ebene hat dieser Wertewandel auch zu einem Wandel der Einstellung gegenüber dem Grundeinkommen geführt. So sagt Vanderborght über Belgien und die Niederlande: “In Belgium and in the Netherlands it seems that BI [basic income, Anm. M.M.] cannot be openly defended by politicians who want to bid for power” (Vanderborght 2004, S. 30).

4.4. Der politische Prozess der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens

Die Einführung eines BGE stößt aktuell tendenziell auf Ablehnung innerhalb der politischen Parteien und, obwohl es innerhalb der Bevölkerung durchaus theoretisch Zustimmung gibt, ist diese in der Praxis, etwa bei Abstimmungen, deutlich geringer. Auf politischer Ebene finden sich die größten Gegner des Grundeinkommens in den Arbeitgeber/innenverbänden und den Gewerkschaften. Eine politische Lösung für die Durchsetzbarkeit wären wohl kleine Schritte. So schlägt Haywood (2014) vor, ein Grundeinkommen für unter 25-Jährige einzuführen, oder ein Recht auf eine limitierte Zeit mit einem Grundeinkommen. So wäre es einfacher politisch durchzusetzen und die Risiken könnte man begrenzen (vgl. Haywood 2014, S. 6).

Vanderborght nennt Lösungsvorschläge, wie ein BGE trotz der aktuellen Ablehnung auf politischer Ebene am Beispiel von Belgien und den Niederlanden eingeführt werden könnte. Wie in Kapitel 2.2.3. thematisiert, müsste der Arbeitsbegriff 88

ausgedehnt werden. Man trage nicht nur mit Erwerbsarbeit etwas für das Allgemeinwohl bei. Die Debatte um den Arbeitsbegriff ist längst im öffentlichen Raum angekommen, so wird in Belgien darüber diskutiert, ob man Arbeitslosengeld nicht nur an die Bereitschaft zu arbeiten bindet, sondern auch als Art „Teilnahmeversicherung“ auszahlt, die gemeinnützige Tätigkeiten fördern soll. Eine Art „Beteiligungsentschädigung“, wie sie bereits in Kapitel 1.5.3. besprochen wurde, wäre also in beiden Ländern nicht utopisch. Von dort, so Vanderborght, könnte man den Gedanken zu einem bedingungslosen Grundeinkommen weiterdenken (vgl. Vanderborght 2004, S. 31f.).

Ein weiterer Weg zur Einführung eines Grundeinkommens wäre möglich über das Problem, dass sich die Rückkehr in den Arbeitsmarkt für manche Sozialhilfeempfänger/innen in beiden Ländern oft nicht lohnt. Seit 2001 gibt es in den Niederlanden jedoch ein neues Steuerkonzept, das Arbeitslosen eine Art negative Einkommenssteuer in der Höhe von 1.500 Euro im Jahr ermöglicht, sofern deren Partner/in arbeitet und eine positive Einkommenssteuer zahlt. Wenn sie auf den Arbeitsmarkt zurückkehren, so wird eine Steuergutschrift beibehalten, um positive Anreize zur Arbeitssuche zu gewährleisten. Wenn man diese negative Einkommenssteuer graduell erhöht und sie von der Arbeitsleistung der Partner/innen entkoppelt, so habe man ein bedingungsloses Grundeinkommen. Hier muss jedoch beachtet werden, dass Vanderborght hier nur die politische Durchsetzbarkeit beschreibt und es als einen Weg „durch die Hintertür“ bezeichnet (vgl. Vanderborght 2004, S. 33). Trotz der vielen Hindernisse ist die Einführung eines BGE weder in Belgien noch den Niederlande komplett weg vom Fenster (vgl. Vanderborght 2004, S. 34).

Bei einem österreichischen Grundeinkommensmodell, bei dem 1000 pro Monat für Erwachsene und 500 Euro für Minderjährige ausgezahlt werden sollen, wurden auch die politischen Schritte zur Einführung mitberücksichtigt (vgl. Wakolbinger et al. 2020, S. 5f.). So sollen aktuelle Nettoeinkommen in der Einführungsphase des BGE gekürzt werden, nämlich so, dass das Einkommen trotz BGE gleich bleibt wie davor, während nach der Einführung die Löhne auf den Arbeitsmärkten neu verhandelt werden sollen, nur eben unter neuen Bedingungen (vgl. Wakolbinger et al. 2020, S. 6ff.).

Auch die bereits erwähnte Verteilung der Befürworter/innen über das ganze politische Spektrum erschwert die politische Durchsetzung. Die Befürworter/innen sind oft 89

Minderheiten in ihren eigenen Parteien und die politische Verteilung erschwert die Zusammenarbeit der einzelnen Gruppierungen abermals. Jedoch könnte auch gerade diese Verteilung ein Vorteil sein, da das BGE der einende Faktor in einer Koalition zwischen Parteien sein könnte, die politisch nicht auf derselben Seite stehen (vgl. Vanderborght 2004, S. 27f.).

Nach Backhaus und Pel (2018) gibt es drei Schritte für die politische Realisierung des bedingungslosen Grundeinkommens, dessen Befürworter/innen politische und wissenschaftliche Autorität anstreben. Dies wird auch als “Evidenz-basierter Aktivismus” bezeichnet (vgl. Backhaus und Pel 2018, S. 86). Der erste Schritt ist Sozialkritik. Dieser erste Schritt besteht seit Thomas Mores „Utopia“, das am Anfang der Arbeit besprochen wurde. Vorherrschende Strukturen der Ausgrenzung, Ungleichheit, Entfremdung und Unfreiheit werden infrage gestellt. In Bezug auf den Wohlfahrtsstaat kritisierten Befürworter/innen die „Workfare“-Politik und Kontrolle der Bezieher/innen. Der zweite Schritt ist die wissenschaftliche Untermauerung der Forderung. Während der erste Schritt vor allem von einzelnen Politiker/innen, NGOs oder Aktivist/innen getragen wurde, spielen bei dem zweiten Schritt Wissenschaftler/innen eine wichtige Rolle. Konkret wurde dabei das BIEN (Basic Income European Network) von einigen Philosph/innen, Ökonom/innen und Soziolog/innen gegründet. Im Diskurs um das BGE sei es besonders wichtig, das real- utopische Projekt durch wissenschaftliche Fundierung von Wunschdenken abzuheben (vgl. Backhaus und Pel 2018, S. 89). Dieser Schritt dient nicht zur Überzeugung der Öffentlichkeit, sondern zur Überzeugung der Politik (vgl. Backhaus und Pel 2018, S. 90). Der dritte Schritt ist politisches Unternehmertum. Mit ihm soll der moralische Appell und die wissenschaftliche Argumentation mit politischer Relevanz gestützt werden. Manche Befürworter/innen des BGE sind jedoch der Meinung, dass der Zeitraum, in dem die Einführung des BGE realistisch war, bereits vorbei ist, da die große Arbeitslosigkeit geendet hat und sich die politischen Parteien zu anderen Maßnahmen gewandt haben (vgl. Backhaus und Pel 2018, S. 91).

Mit der konkreten Debatte in der Bevölkerung in verschiedenen Europäischen Ländern wird sich das folgende Kapitel beschäftigen. Generell lässt sich sagen, dass sich die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen vor allem um das Menschen- und Gesellschaftsbild der Leute dreht und nicht so sehr um die Argumente selbst. Es ist eine Glaubensfrage, da Menschen glauben, dass es nicht funktionieren kann und

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Menschen, die daran nicht glauben, könne man laut Backhaus und Pel (2018) nicht mit Argumenten überzeugen (vgl. Backhaus und Pel 2018, S. 83). Auch die Überzeugung, dass Menschen ihr Einkommen verdienen sollen, sei so tief in den Menschen verankert, dass die Argumente für ein Grundeinkommen, so gut sie seien, diese nur schwer überzeugen (vgl. Backhaus und Pel 2018, S. 84). Ein weiterer Grund, wieso das BGE noch keine politischen Erfolge verzeichnen konnte, ist, dass der Vorschlag oft aus intellektuellen Kreisen kommt, denen Realitätsferne vorgeworfen wird. Es ist eine „top-down“-Debatte, bei der die Mobilisierung von Befürworter/innen schwer fällt, da die Ziele abstrakt sind und in der Zukunft liegen (vgl. Vanderborght 2004, S. 27). Studien ergaben außerdem, dass Staatsbürger/innen exklusive Wohlfahrtsstaatsmaßnahmen eher unterstützen, wenn diese Staatsbürger/innen und Ausländer/innen anders behandeln (vgl. Stadelmann-Steffen und Dermont 2019, S. 8).

5. Empirischer Ländervergleich der Grundeinkommensdebatte am Beispiel von ausgewählten EU-Mitgliedsstaaten

Da sich der theoretische Teil mit den Argumenten für und gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen beschäftigt, wird sich auch der empirische Teil mit der Grundeinkommensdebatte im internationalen Vergleich beschäftigen. Konkret soll erforscht werden, welche Faktoren die Einstellung, sowie auch die Argumente für und gegen das BGE, beeinflussen. Die Datenanalyse wird sich an folgenden Fragen orientieren:

1) Unterscheidet sich die Häufigkeit der genannten Argumente für oder gegen ein Grundeinkommen in Deutschland, Finnland, Österreich, Spanien, Irland, Belgien, Niederlande und Dänemark? 2) Unterscheidet sich die Einstellung zu dem bedingungslosen Grundeinkommen in Deutschland, Finnland, Österreich, Spanien, Irland, Belgien, Niederlande und Dänemark? 3) Beeinflussen soziodemographische Faktoren wie Bildung, Geschlecht, Anstellungsform oder Alter die Einstellung gegenüber dem BGE? 4) Befürworten Leute, die besser über das BGE informiert sind, dieses eher als Leute, die weniger gut informiert sind?

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5) Sind besser gebildete Leute eher besser informiert über das BGE als schlechter gebildete?

5.1. Methodik und Datenauswahl

Den oben genannten Fragen wird mittels einer quantitativen Sekundärdatenanalyse im Datenanalyseprogramm SPSS nachgegangen. Bei einer Sekundärdatenanalyse handelt es sich um die Analyse bereits erhobener Daten, um neue Fragen zu beantworten oder um vorhergehende Studien zu verifizieren (vgl. Medjedović 2014, S. 19). In dieser Masterarbeit werden dafür Daten einer Studie aus dem Jahr 2016, die EU-weit zum Thema bedingungsloses Grundeinkommen von Dalia Research durchgeführt wurde, herangezogen. Die Stichprobe bestand aus 9649 Männern und Frauen aus allen (damals) 28 EU-Mitgliedsstaaten zwischen 14 und 65 Jahren. Neben soziodemographischen Daten, wie Alter, Bildung Herkunftsland und ob man am Land oder in der Stadt lebt, wurden den Befragten Fragen zum BGE gestellt. Darunter fanden sich Fragen zum eigenen Wissen über das BGE, ob man dafür oder dagegen stimmen würde, oder wie man sich selbst verhalten würde, wenn man ein BGE bekommen würde. Außerdem wurden die Teilnehmer/innen gebeten, Argumente zu nennen, die für ein bedingungsloses Grundeinkommen sprechen, und Argumente zu nennen, die dagegen sprechen (vgl. Lam 2016).

Das Interesse der Sekundärdatenanalyse liegt darin, herauszufinden, ob soziodemographische Faktoren, wie Alter, Bildung oder Geschlecht die Einstellung zum und die Argumentation um das BGE beeinflussen. Auch nationale Unterschiede werden untersucht. Die Frage, wer für oder gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen stimmen würde, wurde bereits unter anderem vom Deutschen Institut für Wirtschaftswissenschaften in Zusammenarbeit mit dem European Social Survey erhoben. Tendenziell sind dies eher junge, gebildete Menschen, die politisch weiter links stehen. Auch nationale Unterschiede bestehen, was die Zustimmung betrifft (vgl. Adriaans et al. 2019). Da sich diese Masterarbeit primär um die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen dreht, soll auch erforscht werden, was einen Einfluss auf die Argumentation hat und ob es nationale Unterschiede in der Argumentation und hypothetischen Auswirkung auf die Individuen gibt, weswegen der Datensatz von Dalia Research dem European Social Survey vorgezogen wurde.

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Für die Analyse wurden die Länder Österreich, Deutschland, Belgien, Finnland, die Niederlande, Spanien, Dänemark und Finnland ausgewählt. Die Wahl fiel auf die Länder, da einerseits Länder aus Süd-, Nord und Zentraleuropa vertreten sein sollten, um etwaige geographische Unterschiede zu erforschen. Andererseits hat die Grundeinkommensdebatte in diesen Ländern einen unterschiedlichen politischen und ökonomischen Hintergrund. Zusätzlich wurden durch diese Auswahl Länder aus allen vier Gruppen der Klassifizierung der Sozialsysteme nach Noguera (2001) ausgewählt, da sich die Staatsfinanzierung des Sozialsystems zwischen den Ländern im Ausmaß unterscheidet. Außerdem sollten sich unter den ausgewählten Ländern angelsächsische, nordisch-sozialdemokratische, kontinentale und mediterrane Staaten befinden, da sich diese laut Noguera (2001) unterschiedlich gut für ein bedingungsloses Grundeinkommen eignen. Osteuropäische Länder wurden nicht in die Analyse miteinbezogen, da in osteuropäischen Ländern die Stichprobe oft deutlich kleiner war als in den anderen Ländern. Außerdem fanden sich in der Literatur wenig Beiträge zu osteuropäischen Ländern und dem BGE, weswegen eine Analyse der Ergebnisse schwieriger gewesen wäre.

5.2. Einstellung gegenüber dem bedingungslosen Grundeinkommen im Vergleich

Die Einstellung gegenüber dem bedingungslosen Grundeinkommen wurde in der Umfrage über die Bereitschaft, bei einer Wahl dafür oder dagegen zu stimmen, abgefragt. Die Zustimmung ergibt sich aus denjenigen Befragten, die dafür oder zumindest vermutlich dafür stimmen würden („I would probably vote for it“). Die EU- weite Zustimmung liegt bei 63,1%, während 24,9% dagegen sind und 12% nicht abstimmen würden. Die meisten der ausgewählten Länder entsprechen diesem EU- Schnitt. Die Einstellung in Dänemark ist mit einer Zustimmung von 46% und einer Ablehnung von 42,9% dabei deutlich negativer als im Rest der Länder. Finnland ist mit einer Zustimmung von 74% und einer Ablehnung von 19,5% dem BGE gegenüber deutlich positiver eingestellt als der EU-Schnitt. Auch Spanien und Irland haben eine überdurchschnittlich hohe Zustimmung. Die Option „I would not vote“ wurde beibehalten, da sich aus dieser Aussage ebenfalls Tendenzen ablesen lassen. So würden etwa in Finnland, dem Land mit der höchsten Zustimmung, deutlich weniger 93

Leute nicht wählen gehen als in den anderen Ländern. In Belgien wiederum finden sich die meisten Nicht-Wähler/innen.

Tabelle 1: Abstimmung für/gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen, nach Ländern

Länder N= Dafür Dagegen Würde nicht wählen Finnland 113 % 74,3 19,5 6,2 Dänemark 119 % 46,2 42,9 10,9 Niederlande 331 % 60,1 30,8 9,1 Belgien 179 % 60,3 25,7 14,0 Irland 90 % 70,0 22,2 7,8 Deutschland 1420 % 61,5 29,6 8,8 Österreich 133 % 59,4 30,1 10,5 Spanien 1005 % 70,4 21,9 7,7 Gesamt 3390 % 62,8 27,8 9,4

Wenn sich nun die „gefestigten“ Meinungen ansieht, also „I would vote for it“ und „I would vote against it“, würden im Schnitt 29,2% für ein BGE stimmen und 9,9% dagegen. In Dänemark ist die Einstellung gegenüber einem Grundeinkommen auch bei den gefestigten Meinungen deutlich negativer als im EU-Schnitt. In den Niederlanden scheinen die Befürworter/innen weniger gefestigt zu sein, denn obwohl die generelle Zustimmung nur leicht unter dem Durchschnitt liegt, gaben auffällig wenig Niederländer/innen an, für ein Grundeinkommen zu stimmen. Das Land mit den meisten „gefestigten“ Stimmen für ein Grundeinkommen ist Spanien mit 36,5%. Eine generelle Zustimmung bedeutet also noch nicht, dass die Leute auch bei einer Wahl dafür stimmen würden, da die größte Zustimmung in Finnland besteht, jedoch würden bei einer hypothetischen Wahl weniger Leute dafür stimmen als in Spanien. Es muss betont werden, dass es sich trotzdem um hypothetische Stimmen dafür handelt. Am besten zeigt sich dies am Beispiel von Österreich, wo 23,3% der Befragten angeben, dass sie dafür stimmen würden. Bei dem tatsächlichen Volksbegehren zur Einführung des BGE stimmten aber nur 1% der Leute dafür. Dies könnte dadurch erklärt werden, dass die Studie von Dalia-Research zwar die Definition des Grundeinkommens inkludiert hatte, jedoch die steuerbasierte Finanzierung nicht erwähnt wurde. In der Literatur finden sich einige Hinweise darauf, dass die Zustimmung je nach Definition variiert.

Vergleicht man nun diese Ergebnisse mit denen des European Social Survey (2016), so finden sich einige Unterschiede. Während die Tendenz zwar in beiden Studien ähnlich ist, so finden sich etwa von den ausgewählten Ländern ebenfalls Belgien, Finnland und Irland unter den Ländern mit einer hohen Zustimmung, fällt die generelle 94

Zustimmung im European Social Survey deutlich geringer aus als in den Daten von Dalia Research. Auch wenn in den genannten Ländern die Zustimmung überwiegt, so sind in Finnland „nur“ 55,7% für das BGE, während in der Dalia Research Studie 74,3% der Befragten das BGE befürworteten. Belgien hat zwar in beiden Studien eine Zustimmung von etwa 60%, jedoch gibt es im ESS eine Ablehnung von 41,4% (vgl. Fitzgerald 2017). Die Unterschiede könnten einerseits dadurch erklärt werden, dass die Zustimmung im ESS über eine Skala mit Abstufungen gemessen wurde („strongly aggree“/ “agree“/ „neither agree nor disagree“/ “disagree“/ “strongly disagree“), während Dalia Research die Zustimmung über das Abstimmungsverhalten bei einer hypothetischen Wahl gemessen hat („I would vote for it“/ “I would probably vote for it“/ “I would probably vote against it“/ „I would vote against it“/ „I would not vote“). Während im ESS nur Zustimmung und Ablehnung miteinbezogen wurde, wurde in der Sekundärdatenanalyse dieser Arbeit auch die Option „I would not vote“ miteinbezogen, da eine hohe Nichtwähler/innenschaft zum Beispiel auch eine wichtige Beobachtung ist. Es scheint überraschend, dass die konkrete Frage nach einer hypothetischen Abstimmung positiver für das Grundeinkommen ausfällt als die generelle Frage nach der Einstellung zum Grundeinkommen, da sich, wie bereits erwähnt, die hohe Zustimmung in tatsächlichen Abstimmungen nicht wiederfindet. Ein weiterer Faktor, der die Unterschiede erklären könnte, ist die Definition, die in den Surveys benutzt wurde. Die Definitionen in beiden Surveys inkludieren die Bedingungslosigkeit, die Unabhängigkeit von anderen Einkommen, das Ersetzen der anderen sozialen Absicherung und die Deckung der Grundbedürfnisse. Der wohl wichtige Unterschied ist, dass die Definition von Dalia Research zwar erwähnt, dass das Grundeinkommen vom Staat ausbezahlt wird, jedoch inkludiert nur die Definition des ESS die steuerbasierte Finanzierung (vgl. European Social Survey 2016, S. 20). Menschen, denen das Konzept des BGE generell zusagt, die jedoch mit den Details nicht vertraut sind, könnten durch die steuerbasierte Finanzierung abgeschreckt werden. Dies würde erklären, wieso die Zustimmung bei Dalia Research höher ausfällt als bei dem European Social Survey. Zusätzlich muss man auch bedenken, dass das „Vorhaben“ des Grundeinkommens, nämlich, dass der Lebensunterhalt aller Menschen bedingungslos gesichert wird, in gewissen Kreisen wohl leicht Befürwortung findet. Wenn man den Menschen dann jedoch erklärt, wie dies stattfinden würde und welche Auswirkungen es hätte, wie etwa Steuererhöhungen zur Finanzierung oder sinkende Produktivität, so würde diese Zustimmung wohl sinken.

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Die Ergebnisse aus der Literatur, dass vorwiegend junge Leute das BGE unterstützen, was auch das European Social Survey ergeben hat, konnten in den Daten der Dalia- Research Studie (2017) nicht beobachtet werden. In dieser Studie liegt die Befürwortung bei allen drei Altersgruppen (jung, mittel, alt) ähnlich nahe am EU-weiten Durchschnitt. Dies könnte jedoch mit der Formulierung der Frage zu tun haben, da keine generelle Einstellung abgefragt wird, sondern ob man bei einer Abstimmung dafür oder dagegen stimmen würde. Denn auffällig ist, dass sich in der jungen Gruppe (14-24) deutlich mehr „Nichtwähler/innen“ finden, als in der älteren Gruppe (40-75). Möglicherweise wird also die Zustimmung beziehungsweise Ablehnung zwischen den Altersgruppen dadurch beeinflusst, dass sich unter jüngeren Menschen mehr Nichtwähler/innen finden.

Obwohl laut der Literatur Frauen mehr von der Einführung eines BGE profitieren würden, lässt sich kein Unterschied zwischen den Geschlechtern feststellen. Der Faktor Bildung scheint einen Einfluss darauf zu haben, ob man bei der hypothetischen Wahl abstimmen würde, was aber wohl unabhängig vom Kontext der Fall ist. Je niedriger die Bildung, desto eher würde man nicht abstimmen. In der Zustimmung gibt es nur geringe Unterschiede, auch wenn es eine leicht geringere Zustimmung der niedrigen Bildungsschicht, in die auch Leute ohne formale Bildung inkludiert wurden, gibt. Bei der Ablehnung zeigen sich größere Unterschiede zwischen den Bildungsschichten. Die Ablehnung steigt mit ansteigender Bildung. Dies könnte dadurch erklärt werden, dass die Gründe, die gegen ein BGE sprechen, vermeintlich komplexer sind als die, die dafürsprechen. Die Probleme eines Grundeinkommens, wie etwa die ungelöste Finanzierungsfrage, oder die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt oder die internationale Wettbewerbsfähigkeit sind als Themen wohl präsenter in höheren Bildungsschichten.

Leute in Vollbeschäftigung lehnen das Grundeinkommen eher ab als Leute, die nicht vollbeschäftigt sind. Dies könnte damit zusammenhängen, dass Menschen in Erwerbsarbeit keine Notwendigkeit für ein BGE sehen. Auch das häufige Argument, dass arbeitende Menschen nicht die Faulheit anderer finanzieren wollen, könnte dazu führen, dass Menschen in Vollzeitarbeit das BGE ablehnen. Ergebnisse des ESS deuten darauf hin, dass Arbeitslose das BGE auch tendenziell befürworten (vgl. Fitzgerald 2017). Es könnte also sein, dass diejenigen, die sich nicht in Vollbeschäftigung befinden, tatsächlich arbeitslos sind. Sollten sie doch in Teilzeit oder

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anderen atypischen Arbeitsverhältnissen arbeiten, so könnte dies auch einen Einfluss auf die Zustimmung zu dem BGE haben, da sie ohnehin nicht nach einem traditionellen Arbeitsverständnis leben und deswegen die Ablehnung nicht so groß ist. Bei der Zustimmung hingegen gibt es keine großen Unterschiede. Es existiert ein leichter Stadt-Land-Unterschied, da die Zustimmung im urbanen Raum höher ausfällt als im ländlichen. Die Ablehnung ist am Land ebenfalls leicht höher. Diese Beobachtungen könnten aber mit der Bildung korrelieren.

Tabelle 2: Abstimmung für/gegen ein BGE, nach Alter, Bildung, Geschlecht, Wohnort, Beschäftigungsart

N= dafür Dagegen Würde nicht wählen gehen Alter 14-25 Jahre 1940 % 62,9 19,7 17,3 26-39 Jahre 2813 % 62,2 25,3 12,5 40-75 Jahre 4896 % 63,7 26,6 9,6 Geschlecht männlich 5094 % 63,3 25,7 11,1 weiblich 4555 % 63,0 24,0 13,1 Wohnort rural 2771 % 59,9 26,6 13,6 urban 6878 % 64,4 24,2 11,4 Bildung hoch 3270 % 64,0 28,4 7,6 mittel 3578 % 64,9 25,0 10,1 Niedrig/keine 2138 % 61,4 21,0 17,6 Vollbeschäftigung Ja 5702 % 62,1 28,5 9,4 nein 3947 % 64,6 19,6 15,8

Wenn man die Länder nach Noguera (2001) nach dem Anteil der Staatsfinanzierung des Sozialsystems ordnet, so zeigt sich, dass die geringste Zustimmung und höchste Ablehnung bei Ländern mit dem höchsten Staatsfinanzierungsanteil zu finden ist. Bei Ländern mit dem niedrigsten Staatsfinanzierungsanteil, also etwa Spanien, Italien und Österreich, ist die Zustimmung mit 68,9% am höchsten und die Ablehnung mit 22,5% am geringsten.

Sich mit dem Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens auszukennen, scheint die Befürwortung ebendieses zu beeinflussen. Wenig überraschend wurde die Option „I would not vote“ mit zunehmendem Wissen über das BGE weniger oft ausgewählt. Die Zustimmung steigt mit zunehmendem Wissen. Bei Leuten, die zumindest schon davon gehört haben („I understand it fully“, „I know something about it“, „I have heard just a little about it”), sinkt die Ablehnung mit zunehmendem Wissen. Das Wissen über das BGE scheint also einen Einfluss auf die Einstellung zu ebendiesem zu haben. Dies könnte einerseits bedeuten, dass man vom Grundeinkommen überzeugt wird, je mehr man darüber weiß, aber wahrscheinlicher ist der Umkehrschluss: Man beschäftigt sich

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wohl mehr mit dem Thema, wenn man es generell befürwortet. Interessant ist, dass 63,1 % der Leute, die noch nie davon gehört haben, generell für das Grundeinkommen sind. Da der Fragebogen nach der Frage über das Wissen über das BGE eine Definition enthielt, ist davon auszugehen, dass diese durch die Definition überzeugt wurden. Da die Definition aber eben die steuerbasierte Finanzierung nicht erwähnte, ist hier wohl zu erkennen, dass sich das Konzept des Grundeinkommens auf den ersten Blick gut anhört und die Probleme des Grundeinkommens eher bei näherer Betrachtung und bei Beachtung der vermeintlichen Folgen zu erkennen sind. Folgend wird das Wissen international verglichen.

Tabelle 3: Abstimmung für/gegen ein BGE, nach Wissen über BGE

Wissen über BGE N= dafür dagegen Würde nicht wählen gehen „I understand it 2389 % 75,8 20,3 3,9 fully“ „I know something 3389 % 67,2 26,1 6,8 about it“ “I have heard just a 2305 % 57,9 29,7 12,4 little about it” “I have never heard 669 % 63,1 24,9 12,0 of it”

5.3. Das Wissen über das BGE im Vergleich

Das Wissen über das BGE ist für die Debatte von großer Wichtigkeit. Menschen, die noch nie davon gehört haben, werden keine starke Meinung dazu haben. EU-weit geben 24,8% an, das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens vollkommen zu verstehen, während 16,2% noch nie davon gehört haben. 23,9% haben nur wenig Kenntnis darüber und 35,1% geben an, etwas darüber zu wissen. Die größten Abweichungen finden sich in Dänemark, wo nur wenige Leute angaben, sich vollkommen mit dem bedingungslosen Grundeinkommen auszukennen und in Finnland, wo rund 40% der Menschen sich vollkommen damit auskennen. Dies scheint Hand in Hand mit der Präsenz der Diskussion zu gehen, da in Dänemark etwas mehr als die Hälfte der Befragten angeben, noch nie davon gehört zu haben, während in Finnland nur wenige noch nie davon gehört haben. Auffällig ist, dass Dänemark das Land ist, das von den ausgewählten Ländern dem Grundeinkommen gegenüber am negativsten eingestellt ist, während Finnland dem Grundeinkommen gegenüber am 98

positivsten eingestellt ist. Es scheint also auch im internationalen Vergleich einen Zusammenhang mit dem Informationsgehalt und der Befürwortung des BGE zu geben. Jedoch muss man auch hier die Formulierung des Fragebogens beachten. Da die Zustimmung und Ablehnung darüber abgefragt wurden, ob man dafür oder dagegen stimmen würde, macht es Sinn, dass man nicht für etwas stimmen würde, worüber man nicht viel weiß. Im Umkehrschluss kann man auch davon ausgehen, dass Leute, die das Konzept des Grundeinkommens befürworten, sich intensiver damit auseinandersetzen und deswegen angeben, viel über das Thema zu wissen.

Das Wissen über das BGE scheint wiederum mit der Bildung zusammenzuhängen. Die Häufigkeit, dass Leute angaben, das BGE vollkommen zu verstehen, steigt mit dem Bildungsniveau. Wiederum steigt die Häufigkeit der Option „I have never heard of it“ mit sinkendem Bildungsniveau, von 10,1% auf 29,7%. Aufgrund der Komplexität des Themas ist dies allerdings auch wenig überraschend.

5.4. Die Argumentationen um das bedingungslose Grundeinkommen im Ländervergleich

Die Argumente für und gegen das Grundeinkommen sind ein großer Teil dieser Arbeit, darum wird sich auch in dieser Sekundärdatenanalyse damit beschäftigt. Die Argumente für und gegen ein Grundeinkommen wurden in der Umfrage von Dalia Research mit vorgeschlagenen Argumenten und der Möglichkeit auf Mehrfachantworten erhoben.

5.4.1. Argumente für ein bedingungsloses Grundeinkommen

Die befürwortenden Argumente, die am häufigsten genannt wurden, sind die Reduktion von finanziellen Sorgen (24%) und die Ermöglichung von Chancengleichheit (17,7%). Beide Argumente lassen sich auf der ideologischen Ebene einordnen, während das Argument, das mit 8,5% am seltensten genannt wurde, nämlich die Reduktion von Bürokratie und administrativen Kosten, ein Argument der sachlichen Ebene ist. Jedoch muss auch gesagt werden, dass die Option „None of the above“ ebenfalls durchaus häufig genannt wurde, von Menschen ohne formale Bildung 99

wurde diese Option häufiger gewählt als die anderen Optionen. Dies könnte entweder dadurch erklärt werden, dass die Auswahl der Argumente im Fragebogen nicht ausreichend die Argumente der Bevölkerung widerspiegelte, oder dass diese Option gewählt wurde, weil man das BGE generell nicht befürwortet. Aufgrund dessen ist der Datensatz kritisch zu betrachten.

Ein Geschlechterunterschied in der Argumentation fällt wenn nur sehr gering aus, da sich die Häufigkeit der Nennungen kaum unterscheidet. Frauen nennen das Argument, dass Hausarbeit und ehrenamtliche Arbeit mehr Wertschätzung erhalten würde, häufiger als Männer. Dies könnte dadurch erklärt werden, dass der Haushalt traditionell eher den Frauen überlassen wird. Auch die Reduktion der finanziellen Sorgen wird von Frauen häufiger genannt als von Männern. Diese sehen hingegen die durch gemeinsame Finanzierung geschaffene Solidarität und die Reduktion der Bürokratie und administrativen Kosten als wichtige Argumente für ein Grundeinkommen. Altersunterschiede sind ebenfalls eher gering. Die Reduktion von finanziellen Sorgen und die Schaffung von Chancengleichheit wird von allen Altersgruppen am häufigsten genannt. Danach befinden die jungen Befragten sowie die mittleren Alters die finanzielle Unabhängigkeit als wichtiges Argument dafür, was auch wenig überraschend ist, da diese sich noch eher in finanzieller Abhängigkeit befinden. Ähnliches ist bei der Bildung zu beobachten. Die Schaffung der finanziellen Unabhängigkeit ist für Befragte in der hohen Bildungsschicht weniger wichtig als für die beiden anderen. Auch dies ist wohl dadurch zu erklären, dass sich Menschen mit einer hohen Bildung selten in ebendieser befinden. Der Wohnort oder Beschäftigungsart scheinen wenig Auswirkungen auf die Auswahl der Argumente zu haben.

Tabelle 5: Argumente für ein Grundeinkommen, nach Alter, Geschlecht, Wohnort, Bildung und Beschäftigungsform

N= It increases It It appreci- creates reduces It encourages ation for more anxiety financial It increases It reduces household equality about indepen- solidarity, bureaucracy work and of financing dence and because it and volunteer- opportu- basic self- is funded administrative ing nity needs responsibility by everyone expense Alter 14-25 1556 % 19,4 33,0 37,5 23,1 19,0 13,2 Jahre 26-39 2186 % 17,6 26,7 37,1 19,5 16,6 12,2 Jahre 40-75 3744 % 15,7 24,9 36,2 17,3 17,9 13,3 Jahre 100

Geschlecht männlich 3974 % 15,7 26,3 34,7 19,0 19,1 14,2

weiblich 3512 % 18,5 27,9 39,1 19,3 16,3 11,6

Wohnort rural 2077 % 17,9 26,7 36,7 18,0 15,7 12,7

urban 5409 % 16,7 27,2 36,8 19,6 18,6 13,1

Bildungs- hoch 2653 % 18,1 27,0 40,9 20,2 20,3 14,4 level mittel 2839 % 17,8 28,8 38,3 20,1 17,6 12,6

Niedrig/ 572 % 14,8 23,9 28,2 16,9 13,7 12,4 keine

Vollbeschäf- Ja 4400 % 15,5 25,1 36,1 18,2 17,7 13,0 tigung

nein 3086 % 19,2 29,8 37,7 20,6 17,8 12,8

Unter den Befürworter/innen ist das am häufigsten genannte Argument die Reduktion der finanziellen Sorgen, gefolgt von der Steigerung der Chancengleichheit und der gesteigerten Solidarität.

Tabelle 6: Argumente für ein bedingungsloses Grundeinkommen, nach Zustimmung/Ablehnung

N= It It increases It increases reduces solidarity appreciation anxiety It encourages because It reduces for It creates about financial it is bureaucracy household more financing independence funded and work and equality of basic and self- by administrative volunteering opportunity needs responsibility everyone expenses dafür 5625 % 20,9 35,6 45,1 25,0 23,3 15,1 dagegen 1438 % 12,2 12,8 27,8 9,5 9,4 11,2

Würde 423 % 6,9 11,5 11,6 8,4 5,9 5,4 nicht wählen

Im Ländervergleich gibt es ein paar Auffälligkeiten. In Dänemark, dem Land in dem das Wissen über das BGE am geringsten ausfällt und die Ablehnung am größten ist, war die am häufigsten gewählte Option „None of the above“. In Finnland, dem Land mit der größten Zustimmung, ist das am häufigsten genannte Argument die Reduktion von Bürokratie und administrativen Kosten, was in anderen Ländern oft am seltensten genannt wird. Dies könnte damit zusammenhängen, dass Finnland, wie bereits

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erwähnt, ein Experiment mit dem BGE durchgeführt hat, bei dem es unter anderem um die Reduktion der Bürokratie und administrativen Kosten ging.

Tabelle 4: Argumente für ein Grundeinkommen, nach Ländern

Land N= It It It increases reduces increases appreciation anxiety It encourages solidarity, It reduces for It creates about financial because it bureaucracy household more financing independence is funded and work and equality of basic and self- by administrative volunteering opportunity needs responsibility everyone expenses Finnland 94 % 23,9 39,8 35,4 27,4 23,0 41,6 Dänemark 79 % 22,7 20,2 30,3 13,4 20,2 19,3 Niederlande 264 % 9,1 16,9 25,7 11,2 7,9 9,1 Belgien 145 % 21,8 32,4 41,9 29,1 26,8 16,8 Irland 80 % 15,6 33,3 40,0 26,7 18,9 11,1 Deutschland 1154 % 27,5 34,2 54,8 22,7 19,0 21,5 Österreich 108 % 32,3 29,3 58,6 22,6 16,5 12,0 Spanien 816 % 19,7 35,9 44,5 26,8 29,1 11,9 Gesamt 2740 % 21,6 30,3 41,4 22,5 20,2 17,9

5.4.2. Argumente gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen

Das mit 21,4% am häufigsten genannte Argument gegen das bedingungslose Grundeinkommen ist, dass Leute möglicherweise aufhören würden zu arbeiten. Danach folgt das Argument, dass Fremde in das Land immigrieren könnten, um das BGE auszunützen. Dies ähnelt Ergebnissen aus der Literatur, dass Wohlfahrtsstaatsmaßnahmen dann unterstützt werden, wenn Staatsbürger/innen und Ausländer/innen anders behandelt werden (vgl. Stadelmann-Steffen und Dermont 2019, S. 8). Die Sorge, dass das BGE nicht finanzierbar sei, wurde am dritthäufigsten genannt. Das am seltensten genannte Argument war das Argument, dass ein Grundeinkommen gegen das Prinzip der Belohnung von Leistung verstößt.

Zwischen den Geschlechtern besteht auch bei den Gegenargumenten kaum ein Unterschied. Die Bildung hat einen ähnlichen Effekt wie bei den Argumenten für ein BGE. Da Menschen mit höherer Bildung eher die vorgegeben Argumente auswählten, steigt die Häufigkeit der Nennungen bei den Argumenten mit der Bildung. Ausnahmen stellen die Sorge, dass Ausländer/innen das BGE ausnützen könnten und das

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Argument, dass nur Leute, die Staatshilfe benötigen, diese auch bekommen sollen. Diese Argumente wurden häufiger von Menschen mit mittlerer Bildung genannt. Auffällig ist, dass die Sorge, dass Ausländer/innen in das Land kommen und das BGE ausnützen könnten, bei Menschen mit einem hohen Bildungslevel nicht so präsent ist, wie bei Menschen mit mittlerer oder niedriger/keiner Bildung. Dies könnte einerseits daran liegen, dass gebildete Menschen häufig ein eher liberales Weltbild haben, aber auch daran, dass sie die Immigration von Ausländer/innen weniger betreffen würde als Menschen in niedrigeren Bildungsschichten. Von Befragten mit Universitätsbildung hingegen wurde die Unmöglichkeit der Finanzierung am zweithäufigsten genannt. Auch dies scheint wenig überraschend, da Menschen mit höherer Bildung sich womöglich eher mit dem komplexen Thema der steuerbasierten Finanzierung des BGE beschäftigen. Unter den verschiedenen Bildungsschichten herrscht Einigkeit, dass das größte Argument gegen ein Grundeinkommen ist, dass Menschen aufhören würden zu arbeiten. Auch in der Bildung finden sich wenig Unterschiede. Das Argument, dass nur bedürftige Leute etwas vom Staat bekommen sollten, wird von der ältesten Gruppe in der Reihung der Argumente häufiger genannt als in den anderen Gruppen, die Unmöglichkeit der Finanzierung als wichtigeres Argument erachten. Von Landbewohner/innen wird das Argument der Unmöglichkeit der Finanzierung öfters genannt als die Sorge, dass Ausländer/innen in das Land kommen und das BGE ausnützen könnten, während es bei Stadtbewohner/innen genau umgekehrt ist. Dies scheint doch überraschend, da man häufig davon ausgeht, dass städtische Menschen tendenziell liberaler eingestellt sind. Leute in Vollbeschäftigung nennen das Argument der Finanzierung häufiger als die Sorge der Ausnützung des Sozialsystems durch Immigrant/innen. Bei den Befragten, die nicht in Vollbeschäftigung arbeiten, ist es umgekehrt. Dies könnte dadurch erklärt werden, dass Menschen, die nicht vollbeschäftigt sind, Ausländer/innen eher als Konkurrenz ansehen.

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Tabelle 8: Argumente gegen ein Grundeinkommen, nach Alter, Geschlecht, Wohnort, Bildung und Beschäftigungsform N=

Foreigners Only the might come It is people to my against who need It might country and the it most encourage take It is principle should get people to advantage imposs of linking something It increases stop of the -ible to merit and from the dependence working benefit finance reward state on the state Alter 14-25 1369 % 44,7 36,1 31,5 24,7 30,1 25,4 Jahre

26-39 2649 % 46,7 35,3 34,6 21,1 31,4 24,6 Jahre

40-75 4250 % 41,8 33,7 33,1 20,8 33,4 24,7 Jahre

Geschlecht männlich 4387 % 43,6 35,1 32,0 23,2 31,2 25,0

weiblich 3881 % 44,1 34,1 34,9 19,8 33,3 24,6

Wohnort rural 2328 % 43,7 36,9 31,9 22,3 31,4 24,3

urban 5940 % 43,9 33,7 33,9 21,3 32,5 25,0

Bildungs- hoch 2920 % 48,8 35,2 39,2 26,2 32,5 31,3 level

mittel 3139 % 46,1 37,5 33,7 21,0 33,9 24,1

Niedrig/ 1730 % 33,2 28,4 26,8 17,0 26,8 17,9 keine

Vollbeschäf- Ja 5039 % 45,9 35,5 36,2 23,7 32,5 26,2 tigung

nein 3229 % 40,9 33,3 29,3 18,5 31,7 22,8

Im Gegensatz zu den Argumenten für ein Grundeinkommen, wo die häufigste Antwort der Gegner/innen „None of the above“ war, ist diese Option sowohl bei den Gegner/innen, als auch bei den Befürworter/innen am seltensten genannt worden. Beide Seiten nannten die Sorge, dass Menschen nicht mehr arbeiten würden am häufigsten, danach kommt bei den Befürworter/innen die Sorge, dass Ausländer/innen das BGE ausnützen könnten, während die Gegner/innen die Nicht-Finanzierbarkeit am 104

zweithäufigsten nannten. Es ist spannend zu beobachten, dass die Befürworter/in das Problem anerkennen, dass Menschen eventuell nicht mehr arbeiten gehen würden. Der größte Unterschied zwischen den beiden Lagern besteht bei dem Argument, dass ein BGE gegen das Prinzip der Leistungsbelohnung verstößt, was aber wenig überrascht, da Befürworter/innen des BGE wohl wenig Wert auf das Leistungsprinzip legen.

Tabelle 9: Argumente gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen, nach Zustimmung/Ablehnung

N= It is Foreigners against Only the It might might come the people who encourage to my country principle need it most people to and take It is of linking should get It increases stop advantage of impossible merit and something dependence working the benefit to finance reward from the state on the state Dafür 5485 % 42,4 34,9 31,6 15,7 31,4 23,3 dagegen 2276 % 60,8 44,0 47,4 42,5 42,7 36,0

Würde 507 % 16,5 13,6 13,5 8,9 14,7 9,4 nicht wählen

Im Ländervergleich ist Finnland auffällig. Im Gegensatz zu den anderen Ländern ist das Argument, dass Menschen bei einem BGE verleitet sind, nicht mehr zu arbeiten, nicht das häufigste, sondern nur das dritthäufigste Argument. Das häufigste Gegenargument in Finnland ist, dass nur bedürftige Menschen etwas vom Staat erhalten sollten, gefolgt von dem Argument, dass Ausländer/innen in das Land kommen und das BGE ausnützen würden.

Tabelle 7: Argumente gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen, nach Ländern

Land N= Foreigners might come It is Only the to my against people who It might country and the need it most encourage take principle should get people to advantage It is of linking something It increases stop of the impossible merit and from the dependence working benefit to finance reward state on the state Finnland 94 % 29,2 31,9 23,0 19,5 36,3 17,7

Dänemark 103 % 57,1 46,2 43,7 26,1 46,2 30,3

Niederlande 278 % 46,8 42,6 30,5 24,8 33,8 20,2

Belgien 152 % 34,6 32,4 29,6 18,4 22,3 20,1

105

Irland 79 % 42,2 37,8 23,3 17,8 35,6 31,1

Deutschland 1242 % 54,8 38,2 37,1 28,7 30,4 26,5

Österreich 115 % 56,4 43,6 35,3 27,1 30,8 22,6

Spanien 899 % 46,7 36,8 37,7 16,6 40,9 26,4

Gesamt 2962 % 46,0 38,7 32,5 22,4 34,5 24,4

6. Resümee und Ausblick

Die Debatte um das Grundeinkommen ist sehr breit gefächert und sehr polarisierend. Auf ideologischer Ebene stehen Fragen wie Gerechtigkeit oder sogar die Würde des Menschen. Es besteht unter Expert/innen jedoch große Uneinigkeit, ob das BGE denn gerecht oder ungerecht wäre, ob es ein Menschenrecht darstellen sollte oder nicht. Viel größere Uneinigkeit herrscht jedoch auf der sachlichen Ebene. Sowohl Befürworter/innen als auch Gegner/innen sind sich wohl einig darüber, dass die Finanzierung eine der größten Hürden für das Grundeinkommen darstellt. Die Tatsache, dass das Grundeinkommen eine radikale Reform für den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme darstellen würde, macht es beinahe unmöglich vorherzusagen, wie es sich auf den Arbeitsmarkt oder auch die Wirtschaft auswirken würde. Wie sich auch in der Sekundärdatenanalyse zeigte, ist die größte Sorge, dass Menschen nicht mehr arbeiten würden. Wenn parallel die Automatisierung fortschreitet, dann wäre die vermeintlich arbeitsleistungssenkende Wirkung des BGE kein Problem mehr, sondern das BGE würde als Mittel gegen die dadurch entstehenden Probleme genutzt werden können. Doch das Ausmaß der Automatisierung ist in Expert/innenkreisen äußerst umstritten. Genau dies stellt auch das Problem der Grundeinkommensdebatte dar. Es gibt zu viele Faktoren, über deren Auswirkung nur spekuliert werden kann. Noch scheint deswegen das Vorhaben des Grundeinkommens zu radikal für die Realpolitik zu sein.

Darum überrascht es, dass die Zustimmung für ein bedingungsloses Grundeinkommen in den EU-Mitgliedsstaaten bei sozialwissenschaftlichen Umfragen durchaus hoch ist, vor allem wenn man bedenkt, dass im Fragebogen von Dalia

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Research die Zustimmung über die Bereitschaft dafür oder dagegen zu stimmen gemessen wurde. Eine generelle Befürwortung oder Ablehnung ist eine Sache, aber auch dafür oder dagegen zu stimmen, ist eine andere. Da die Zustimmung im Survey von Dalia Research jedoch etwas positiver ausfällt als etwa im ESS, liegt es auf der Hand, dass die Definition, die im Fragebogen inkludiert ist, einen Einfluss auf die angegebene Einstellung hat. Vor allem das Faktum, dass die steuerbasierte Finanzierung nicht erwähnt wurde, dürfte die allgemeine Einstellung gerade bei Menschen, die sich nicht intensiv mit dem Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens beschäftigt haben, verfälschen. Die Utopie des BGE erhält scheinbar viel Zustimmung, wenn man es als reales Konzept umsetzen möchte, so sinkt diese wohl erheblich, weswegen es noch keine ernstzunehmenden Umsetzungsversuche dazu gab.

Im internationalen Vergleich stechen in der Sekundärdatenanalyse zwei Länder heraus, nämlich Dänemark und Finnland. Finnland wurde in der Literatur als das Land bezeichnet, in dem das BGE aus sozialpolitischen Gründen am realistischsten einführbar wäre. In den Daten lässt sich erkennen, dass sich dies auch in der Bevölkerung widerspiegelt, da in Finnland eine überdurchschnittliche Befürwortung besteht, während die Ablehnung sehr gering ausfällt. Dies könnte an der Präsenz der Debatte liegen, da in Finnland auch das höchste Wissen über das BGE besteht, was die Befürwortung positiv beeinflussen zu scheint. Dies wird wiederum auch von der Bildung beeinflusst, da Menschen mit höherer Bildung öfters angaben, sich mit dem Konzept des BGE auszukennen. Dänemark, das Land mit der geringsten Befürwortung und höchsten Ablehnung, scheint auch das Land zu sein, in dem die Bewohner/innen am wenigsten über das BGE wissen. Ein weiterer Einflussfaktor könnte sein, dass laut Christensen (2017) das dänische Sozialsystem zu einem der restriktivsten „Workfare“-Systemen in Europa gehört und dass die Arbeitsleistung in diesem Land einen sehr hohen Stellenwert für die Höhe des Einkommens hat. Da das häufigste Gegenargument gegen das Grundeinkommen die Sorge ist, dass es Menschen dazu verleitet, nicht mehr zu arbeiten, scheint die negative Einstellung in Dänemark wenig überraschend. Vielleicht ist gerade dies auch ein Grund dafür, wieso Finnland dem Grundeinkommen gegenüber am positivsten eingestellt ist. Die Sorge, dass Menschen nicht mehr arbeiten gehen würden, wurde von Finn/innen nämlich seltener genannt als von den Bewohner/innen der anderen Länder. Die überdurchschnittlich positive Einstellung der Finn/innen gegenüber dem BGE kann 107

auch dadurch erklärt werden, dass das BGE in Finnland nicht als Utopie abgestempelt wird, sondern als Option für eine Sozialreform, da auf Regierungsebene damit experimentiert wurde. Der Fakt, dass die Reduktion der Bürokratie und administrativen Kosten in Finnland am häufigsten als Argument für das BGE genannt wurde, was ein Vorhaben des finnischen Grundeinkommensexperiments war, spricht für diese Annahme.

Bei der Interpretation der hier präsentierten Umfrageergebnisse muss man auch die Qualität dieser Studie kritisch hinterfragen. Der Arbeitsstatus wurde nur als Vollzeit und Nicht-Vollzeit abgefragt. Es hätte sich angeboten, bei der Erhebung zumindest mehr Optionen anzubieten und auch abzufragen, welcher Tätigkeit man nachgeht. Die Arbeit ist ein zentraler Faktor in der Grundeinkommensdebatte, welcher jedoch im Fragebogen vernachlässigt wurde. Dadurch lässt sich der sozioökonomische Hintergrund auch nur schwer erfassen. Auch die Bildung der Eltern wäre interessant gewesen. Da in dieser Masterarbeit die Debatte um das Grundeinkommen im Vordergrund steht, eignete sich der Datensatz jedoch gut, um die Argumentation der Menschen nachzuvollziehen. Jedoch hätten sich auch hier methodisch andere Mittel besser angeboten. Man hätte mit Zustimmungsskalen bei den Argumenten arbeiten können. Aufgrund der hohen Häufigkeit von der Option „None of the above“ wäre auch spannend gewesen, welche Argumente die Befragten als Alternative gebracht hätten. Da die Befürwortung wohl je nach Definition variiert, wäre es spannend, eine detaillierte Definition mit den möglichen Auswirkungen des Grundeinkommens im Fragebogen zu inkludieren, um die tatsächliche Zustimmung besser messen zu können. Diese Mängel sollte man in zukünftiger Forschung beheben und die Beobachtungen dieser Sekundärdatenanalyse tiefer erforschen, wie etwa, ob und inwiefern die Präsenz der Debatte die Einstellung gegenüber dem Grundeinkommen beeinflusst.

Die Idee zu dieser Arbeit entstand, bevor die globalen Auswirkungen der COVID-19- Pandemie zu spüren waren. Es ist darum spannend zu beobachten, wie sich die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen im Kontext der COVID-19- Pandemie weiter entwickeln wird. Die gesellschaftspolitischen Auswirkungen der Pandemie, wie etwa die hohe Arbeitslosigkeit und die großen Hilfspakete, haben auf jeden Fall dazu geführt, dass die Debatte in den Medien wieder sehr präsent ist. Die Rufe nach einem bedingungslosen Grundeinkommen kommen aus verschiedensten

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Richtungen und vielleicht stellt die Krise die Möglichkeit für eine Reform dar. Es wird sich also zeigen, ob das bedingungslose Grundeinkommen aufgrund seiner unvorhersehbaren Konsequenzen eine Utopie bleibt, oder ob die unvorhersehbaren Konsequenzen der Entwicklung, etwa der Automatisierung oder auch der Krise der COVID-19-Pandemie, aus dem Grundeinkommen eine Notwendigkeit machen.

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