Zur Geschichte Des Siebdrucks (Teil 3): Die Entwicklung in Den USA Von Guido Lengwiler
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Zur Geschichte des Siebdrucks (Teil 3): Die Entwicklung in den USA Von Guido Lengwiler Frühe Siebdrucke, USA, undatiert (Abb. Bedford, Historical Society, Ohio) Nachdem Guido Lengwiler im zweiten Teil seiner Artikelreihe die Frühzeit des Siebdruckverfahrens aufgearbeitet hat, widmet er sich in dieser Ausgabe nun der Entwicklung des Siebdrucks in den USA bis zum Zweiten Weltkrieg. Dabei kommen neben einer Fülle von anderen wissenswerten Aspekten auch die für den Siebdruck besonders relevanten Themen „Schneidefilme“ und „Fotoschablonen“ zur Sprache. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts expor- tierten drei bedeutende Schweizer Ge- schaftlichen Umfeld, mehr oder weni- te wie Bert Zahn oder Harry Hiett, aber webehersteller, die heute zur Sefar-Grup- ger kontinuierlich. Zwar gab es große auch Firmeninhaber, deren Betriebe zur pe gehören, ihre Seidengaze in großem Siebdruckereien, der überwiegende Teil Pioniergeneration gehörten. Im Novem- Umfang für Müllereizwecke in die USA. der Betriebe dürfte aber kleingewerblich ber 1937 fand in Chicago mit der „Pro- Intressante Hinweise zur frühen Verbrei- gearbeitet haben. Das Verfahren wurde cess-Show“ eine erste große Ausstellung tung des Siebdruckverfahrens in den USA hauptsächlich zum Bedrucken von Schil- zum Siebdruckverfahren statt. Gezeigt finden sich im Archiv der Sefar in Thal, dern, Displays und teilweise für Kunstre- wurden, begleitet von Fachreferaten, die Schweiz. 1924 wurde in Geschäftsberich- produktionen, aber auch zunehmend im vielen Anwendungsmöglichkeiten des ten vermerkt, dass „ein gewisses Quan- Textil- und Keramikdruck eingesetzt. Siebdrucks. Die zweitägige Veranstaltung tum an eine andere Branche, die Stencil- Die amerikanische Fachzeitschrift „Si- hatte mehr als 600 Besucher. Sie diente Industrie, verkauft wird“. Die Seidengaze gns of the Times Magazine“ berichte- der fachlichen Weiterbildung und war werde dabei nicht zum Sieben von Mehl, te in den 1920er Jahren vereinzelt über gleichzeitig Rückschau auf die Entwick- „sondern für artistische Reproduktionen technologische Aspekte des neuen Ver- lung der vergangenen 30 Jahre. gebraucht“. In den folgenden Jahren fahrens, seit den 1930er Jahren nahm 1939 erschien in „Signs of the Times stieg der Gewebeverkauf für „stencil & die Frequenz der Artikel stark zu, und Magazine“ ein Artikel, der die weltweite textile printing“ stark an. Je nach Gewe- der Siebdruck war in nahezu jeder mo- Anwendung des Siebdruckverfahrens do- behersteller wurden dabei Verkäufe im natlich erscheinenden Ausgabe präsent. kumentiert. Zur Abbildung kamen Druck- Wert von 106.000 oder sogar 200.000 Autoren dieser Artikel waren Fachleu- beispiele aus England, Deutschland, Spa- damaligen US-Dollars genannt (während nien, Portugal, Belgien, Schweiz, Kanada, der großen Weltwirtschaftskrise zu Be- Kuba, Mexiko, Argentinien, Südafrika ginn der 1930er Jahre brachen die Ver- und Neuseeland. käufe allerdings zeitweise um die Hälfte ein). Trotz der beachtlichen Umsatzzahlen Das Selectasine-Verfahren verliert wurde damals die Zukunftsperspektiven an Bedeutung des Siebdruckverfahrens bei den USA- Einen wichtigen Einfluss auf die frühe Vertretungen der Schweizer Seidengaze- Entwicklung des Siebdruckverfahrens herstellern zwiespältig und als ungewiss besaß die Firma Selectasine in San Fran- eingeschätzt: Während die einen nicht an cisco (siehe Teil 2 dieser Artikelreihe). eine weitere Entwicklung des Verfahrens Selectasine platzierte ein erstes wichtiges glaubten, beteiligten sich die anderen an Patent zur Schablonenherstellung, das in der Entwicklung von Siebdruckmaschi- den 1920er Jahren von Bedeutung war. nen. Das Ziel von Selectasine war es, Lizenz- Der Siebdruck verbreitete sich in den rechte zum Verfahren zu verkaufen. Li- USA offenbar nicht sprunghaft zum zenznehmer waren vor allem mittelgroße, „vierten Druckverfahren“, sondern Siebdruckmaschine von James Flockhart, kapitalkräftige Druckereien (Buchdruck, entwickelte sich, abhängig vom wirt- USA um 1932 Lithografie), die das Verfahren als Er- 24 SIP 2/2006 gänzung ihres Angebots einführten. Der amerikanische Pionier Louis D‘Autremont bemerkte zu den Lizenzrechten und den geforderten Lizenzgebühren jedoch hu- morvoll: „Jeder Schilder- und Plakat- maler war vom Verfahren begeistert und viele benutzten es auch ohne Erlaubnis – so auch ich (bitte niemandem erzählen)“. Die Bemerkung D‘Autremonts zeigt, dass das Selectasine-Patent seit den 1930er Jahren wieder an Bedeutung verlor und Siebdruck-Replik von Gilbert Tonge nach einem Gemälde von Grayson Sayre, sich das Siebdruckverfahren unabhän- Mitte 1920er Jahre. Druck mit Gouache-Farben gig davon weiter entwickelte. Zu dieser Öffnung der Entwicklung dürfte die un- 1940er Jahre werden oft Firmen er- druckt wurde mit Gouache-Farben. Vor komplizierte amerikanische Mentalität wähnt, die zur Pioniergeneration des 1928 gründete Tonge dann mit John van beigetragen haben, die Siebdrucktechnik amerikanischen Siebdrucks zählen. Stell- Patten die Firma Vanton. Vanton stellte in Fachbüchern detailliert zu beschreiben vertretend für all diese Pionierfirmen soll Gemälde-Repliken in bis zu 50 Farben und in Fachzeitschriften rege zu diskutie- hier auf die Firmen Velvetone, Tonge und und Auflagen von bis zu 2000 Exemp- ren. Vitachrome hingewiesen werden. In Europa war zur gleichen Zeit die Ver- Die Velvetone Poster Company wurde breitung des Siebdruckverfahrens noch um 1908 in San Francisco von Frank O. immer mit einer gewissen „Geheimnis- Brant zusammen mit Joseph A. Garner krämerei“ verbunden, was die weitere gegründet. Brant stammte aus Tsche- Entwicklung behinderte. Zudem hatte chien und wanderte dann in die USA die wirtschaftliche Entwicklung in Europa aus. Velvetone begann als kleines Atelier wesentlich stärker unter den Folgen des für Beschriftungen und entwickelte sich Ersten Weltkriegs und dem drohenden in den folgenden Jahrzehnten zu einem Zweiten Weltkrieg zu leiden als in den landesweit bekannten Unternehmen USA. für Displays und aufwändig hergestellte Kunstdrucke. Velvetone entwickelte ers- te grafische Siebdruckfarben und war an der Gründung der Firma Nazdar beteili- gt, einem der heute weltweit wichtigsten Frederick Arthur Young (1874 - 1949) Anbieter von Siebdruckfarben. (Abb. Familienarchiv Young, Kalifornien USA) Um 1924 wurde in Los Angeles vom Kunstmaler Gilbert Tonge die Firma laren her. Gedruckt wurde mit Ölfarben, „Tonge Art Company“ gegründet. Tonge um den Originalcharakter der Gemälde spezialisierte sich auf den Druck von nachempfinden zu können. Der Druck Kunstreproduktionen. In enger Zusam- einer Replik dauerte etwa drei Monate. menarbeit mit den Künstlern entstan- Die von Tonge gedruckten Repliken wa- den Siebdrucke in bis zu 32 Farben. Ge- ren fast ausschließlich Werke des ame- rikanischen Impressionismus. Gemälde- Velvetone Poster Co., San Francisco um Repliken wurden in den 1970er Jahren in 1929. Rechts im Bild: Frank O. Brant (Abb. Fami- Deutschland von Günter Dietz technisch lienarchiv Brant, Kalifornien USA) zur Perfektion gebracht. Dietz benutzte dazu stereoskopische Aufnahmen der In den 1930er und 1940er Jahren wur- Gemälde zur Herstellung der Farbsepa- de in den USA eine große Anzahl Patente rationen und druckte teilweise in bis zu zur Schablonenherstellung und zur Kons- 180 Farben. truktion von Siebdruckmaschinen einge- Die Firma Vitachrome gehört ebenfalls reicht. Als Beispiel sei hier die Druckma- zu den ältesten Siebdruckereien Kalifor- schine von James Flockhart aus dem Jahr niens. Sie wurde um 1916 in Los Angeles 1930 erwähnt, die in Zusammenarbeit als Zweigstelle der Buchdruckerei Young mit der Firma DuPont entwickelt wurde. & Mc. Callister gegründet. Der Firmen- gründer Frederick A. Young intressierte Gilbert Tonge, Prospekt der Firma Vanton, Kalifornische Pionierfirmen Los Angeles (Abb. Familienarchiv Eve Tonge-Ur- sich für die Möglichkeit, Displays, Plakate In Fachzeitschriften der 1930er und bina und Denis W. Ottewell, Kanada) oder Metallschilder im Siebdruckverfah- 25 SIP 2/2006 fürchten zu müssen, sich damit lächerlich Beim Profilm handelte es sich um ein zu machen ...“ (John McPherson, Cleve- transparentes Trägerpapier, das mit ei- land, Ohio, in „Der Serigraph“ 1952). ner dünnen Schellackschicht beschichtet „1926 pauste man noch die unter- war. Das Motiv wurde in die Schicht ge- legte Zeichnung mit chinesischer Tusche schnitten, ohne dabei das Trägerpapier auf die Seidengaze und füllte die zu ver- zu durchschneiden. Diejenigen Stellen stopfenden Flächen mit Nitrolack aus des Motivs, die später Drucken sollten, – eine langwierige Arbeit, welche nur wurden vom Trägerpapier abgelöst. Nun unscharfe, den Maschen des Gewebes folgende Umrisse ergab. Erst vor einigen Jahren wurde dann ein doppelschichtiges Blatt erfunden ... Diese aufgeklebte Haut hat die Eigenschaft, die Maschen der Gaze zu überbrücken, ergibt daher einen messerscharfen Abdruck – genau wie sie Fahrzeugbeschriftungen der Firma Vi- tachrome, Los Angeles 1920er Jahre (Abb. Vitachrome, Kalifornien) Joe Ulano, um 1973 (Abb. Archiv Ulano, USA) ren herzustellen. Vitachrome gehörte wie Velvetone zu den ersten Besitzern einer „Selectasine-Lizenz“. Vitachrome wurde der Schneidefilm unter die Seiden- druckte in größeren Auflagen vielfarbige gaze gelegt und von oben her mit einem Kalenderbilder und „Point of Sale“-Pro- Bügeleisen erwärmt. Die Schellackschicht dukte wie Displays und Steller, aber auch wurde dabei weich und klebte nun an „Decals“ (Abziehbilder) für Fahrzeugbe- der Seidengaze. Anschließend wurde das schriftungen etc. Vitachrome ist heute Trägerpapier entfernt. noch im