Kampf und Leidenschaft Japanische Farbholzschnitte 07. April bis 20. August 2017 Inhalt 5 Vorwort 7 Peter Peer Lebenswelten zwischen Mythos und Wahrheit Zum japanischen Farbholzschnitt

15 Bildtafeln

17 Geschichtsbilder zwischen Mythos und Wahrheit 29 Die Geschichte der Rōnin 30 Murasaki Shikibu und der Roman „Genji Monogatari“ 32 Die Zahl Sieben

37 Helden-Mut

49 Kabuki – Das Theater und seine Stars 62 Schauspieler und ihre Rollen 64 Onnagata 66 Porträts

71 Urbanes Lebensgefühl

81 Yoshiwara 88 Kurtisanen

93 „Hohelied der Frau“ – Mutter und Arbeiterin

99 Landschaft und Reisen

107 Romantische Landschaft

113 Der Berg Fuji

119 Impressum Vorwort

Peter Peer

Bis heute hat der traditionelle japanische Farbholzschnitt nichts von seiner Faszina- tion eingebüßt. Das betrifft sowohl seine spezifische Ästhetik, welche in vielem die visuelle Kultur der Populärliteratur und des Bildes in den Massenmedien des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart antizipiert, als auch den Reiz einer vergangenen, für Bewohner/innen der westlichen Hemisphäre exotischen und rätselhaften, vor allem aber höchst interessant wirkenden Lebenswelt vermittelt.

Die Neue Galerie Graz besitzt etwa 280 Farbholzschnitte von japanischen Künstlern aus der Zeit vom Ende des 18. sowie des 19. Jahrhunderts. Die Themenvielfalt des japanischen Holzschnittes, welche die Geschichte des Landes und seine „Geschichts- bilder“ – die Vorstellung der eigenen Geschichte – ebenso aufgreift wie Motive des Alltags dieser Zeit, bildet sich auch in der Sammlung der Neuen Galerie Graz ab. So begegnet man Darstellungen von historischen und mythischen Schlachten, legen- dären Helden im Kampf mit unbezwingbar scheinenden Gegnern und Szenen aus dem Kabuki-Theater mit den populären Schauspielern der damaligen Zeit in ihren charakteristischen Rollen. Andere Bilder wiederum geben Einblicke in die alltägliche Lebenswelt der Menschen in Form von Gesellschaftsszenen bis hin zu Landschaften. All diese Werke sind wichtige Belegstücke für die Kultur des damaligen Japans. Dieser attraktive Sammlungs­bestand der Neuen Galerie Graz wurde bislang nur wenige Male gezeigt. Die aktuelle Ausstellung präsentiert nun einen Großteil dieser Werke erst- mals nach thematischen Aspekten gegliedert. Sie ermöglicht damit Einblicke in eine Welt, die den westlichen Betrachterinnen und Betrachtern nur auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheint, da Menschen trotz mancher Unterschiede auch allgemein vertraute Wesenszüge besitzen, welche sie über die Kulturen hinweg verbinden.

Für das Zustandekommen der Ausstellung und des Katalogs danke ich sehr herzlich meinen Kolleginnen und Kollegen vom Universalmuseum Joanneum: Magdalena Reininger für die registrarische Betreuung, dem Team um Robert Bodlos für den Aus- stellungsaufbau, Christian Schmaranz für die ausstellungsgerechte Vorbereitung der Werke, Andrea Weishaupt für die grafische Gestaltung des Katalogs sowie aller Aus- stellungstexte, Jörg Eipper-Kaiser für das exzellente Lektorat. Mein aufrichtiger Dank gilt auch Johannes Wieninger vom Museum für angewandte Kunst in Wien (MAK) für wertvolle Hinweise zu den Werken der Sammlung der Neuen Galerie sowie zur Kunst Japans im Allgemeinen.

5 Lebenswelten zwischen Mythos und Wahrheit Zum japanischen Farbholzschnitt

Peter Peer

Voraussetzungen

Die Gesellschaft der Edo-Zeit

Die Entstehung und Blütezeit des japanischen Holzschnitts fällt mit der Edo-Zeit (1603–1868) zusammen und hängt wesentlich mit den gesellschaftlichen Entwick- lungen in dieser Periode zusammen.1 Die Zeit bis dahin war von unsteten politischen Verhältnissen und blutigen Auseinandersetzungen rivalisierender Fürstenfamilien geprägt. Bis ins 6. Jahrhundert war Japan unter verschiedenen Machthabern auf- geteilt. Anfang des 7. Jahrhunderts wurde die Herrschaft in Japan in der Person des Kaisers zentralisiert. Durch andauernde Machtkämpfe rivalisierender Fürstenfamilien zerfiel die zentralstaatliche Ordnung im 12. Jahrhundert. Der Kaiser besaß von da an (von 1192 bis 1867) keine reale Macht mehr und war nur noch nominell das Staatsoberhaupt. Die Shogune, die höchsten Militärführer, waren die eigentlichen Macht­haber, und es begann eine Zeit blutiger Bürgerkriege, die bis um 1600 andauerte. Erst der Tokugawa-Familie gelang die (gewaltsame) Befriedung des Landes.

Zugleich erlebte Japan eine rigorose Abschottung nach außen, die ein generelles Ein- und Ausreiseverbot von Personen umfasste und einen auf wenige Stützpunkte – bei Nagasaki mit den Niederländern und Chinesen, auf Tsushima mit Korea – beschränkten, streng kontrollierten Handel mit ausländischen Partnern zuließ. Dabei ging es nicht allein um die Stabilisierung innenpolitischer Verhältnisse, sondern primär um die Abwehr des Christentums, das sich in Japan ausgehend von portugie­ sischen Missionaren im 16. Jahrhundert sehr erfolgreich zu verbreiten begann. Weniger religiöse Aspekte, sondern die moralischen Werte des Christentums waren den japanischen Machthabern ein Dorn im Auge. So sah man den Shintoismus mit der Vergöttlichung des Kaisers, das feudale Herrschaftssystem und letztlich den damit verbundenen Lebensstil in Gefahr, den es mit allen Mitteln zu verteidigen galt.

1 Die folgenden Ausführungen über die Die Herrschaft der Tokugawa leitete eine rund 250 Jahre währende und damit die Gesellschaft der Edo-Zeit und die Rolle des Farbholzschnitts orientieren sich in längste Epoche des Friedens in Japan ein. In dieser Periode, die nach dem Sitz des der Hauptsache an: Sabine Schulz, Nora von Achenbach, Simon Klingler (Hg.), Tokugawa-Shogunats in Edo, dem heutigen Tokio, auch Edo-Zeit genannt wird, Hokusai Manga. Japanische Popkultur erfuhr das Land einen außergewöhnlichen Wohlstand. Maßgeblich für die Ent- seit 1960, Kat. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, München 2016. wicklung der Gesellschaft war die sukzessive Auflösung der Feudalgesellschaft,

7 welcher eine fortschreitende Urbanisierung und der Aufstieg einer wohlhabenden sich im Rahmen einer breitgefächerten Rezeption von allem Fremdländischen und bürgerlichen Schicht in den Städten gegenüberstand. Diese war geprägt von den Exotischen. Ästhetische Reize fremder Kulturen verbanden sich mit einer grundsätz- Händlern und Kaufleuten, die zu Trägern des kulturellen Lebens wurden und einen lichen Offenheit der „aufgeklärten“ Europäer für Lebenswelten jenseits westlicher eigenen, kunstsinnigen und genussorientierten Lebensstil kreierten, wenngleich sie Vorstellungen. So übten auch Kulturen der vom Islam geprägten Länder eine starke in der traditionellen gesellschaftlichen Hierarchie an unterster Stelle rangierten. Die Faszination auf europäische Künstler und Gelehrte aus und waren begehrte Reiseziele japanische Gesellschaft gliederte sich – einem konfuzianischen Modell folgend – in der europäischen Oberschicht. Speziell in Bezug auf den Interessensschwerpunkt Ost- vier Stände (shinōkōshō):2 An oberster Stelle rangierte der Schwertadel, die Samurai. asien knüpfte der relativ junge Japonismus an die China-Mode des 18. Jahrhunderts Diese waren aufgrund des Dauerfriedens vor allem mit Verwaltungsämtern betraut, an. Die Wurzeln lagen in der erzwungenen Öffnung Japans im Jahr 1854, in deren konnten daraus jedoch nur relativ geringe Einkommen lukrieren. Auch durften sie Folge das Land Handelsbeziehungen mit den USA und Europa einging. Japanische kaum kommerziellen Tätigkeiten nachgehen und nur wenige hatten Erträge aus eige- Holzschnitte gelangten in der Folge massenhaft nach Europa und wurden dort bald zu nem Grundbesitz. Demzufolge war diese angesehenste Gesellschaftsschicht zugleich populären und gefragten Sammlerstücken.3 1856 entdeckte der Pariser Radierer Felix vom wirtschaftlichen Ruin bedroht. Es folgten als weitere Stände der Reihe nach Bracquemond bei einem Drucker einen Band mit Farbholzschnitten von Katuschika Bauern, Handwerker sowie zuunterst die Händler und Kaufleute. Allen dreien war der Hokusai (1760–1849). Bracquemond war wie viele andere Künstler, die nun die Werke Zugang zu politischen Ämtern und Entscheidungen verwehrt. Doch spiegelte diese der Japaner kennenlernten, sowohl von der Detailgenauigkeit und vom Realismus Rangordnung keineswegs die realen Verhältnisse wider, da vor allem Händler und dieser Darstellungen fasziniert als auch von deren kompositorischer Lockerheit Kaufleute allmählich die begütertste Schicht darstellten und den Adeligen finanziell beeindruckt. So bildeten vor allem die flächige Kompositionsweise und die teils unge- aushelfen mussten. So war es ihnen nun möglich, einen Lebensstil zu pflegen, der wöhnlichen Ausschnitte der japanischen Werke eine wichtige Inspirationsquelle bei- früher allein dem Adel vorbehalten war. Gänzlich außerhalb dieses Ständesystems spielsweise für die Maler des Impressionismus. Bilder mit japanischen Zitaten fanden standen u. a. Kurtisanen, Tänzerinnen und Schauspieler oder Angehörige bestimmter bald reichlich Eingang in die westliche Kunst. So stellte James Abbot McNeill Whistler Berufsgruppen, deren Gewerbe als „unrein“ betrachtet wurde, wie beispielsweise die 1865 das Porträt einer jungen Frau im japanischen Kostüm aus. Japanische Mode Gerber. Obwohl dieses System 1873 offiziell aufgehoben wurde, lebte es im Denken wie auch von japanischer Kleidung inspirierte westliche Mode war zu dieser Zeit wohl der japanischen Gesellschaft noch weithin fort. schon etabliert, aber noch immer als extravagant eingestuft. Seit 1862 gab es in Paris ein Geschäft, das mit Orientalia handelte, das „La Porte Chinoise“. Ebenso zeigten die Die bürgerliche Oberschicht war vor allem an der Vermehrung ihres Reichtums sowie Weltausstellungen von 1862 in London und 1867 in Paris ein breites Spektrum japani- an diversen Vergnügungen interessiert. Eine gewissermaßen hedonistische Lebens- schen Kunsthandwerks und stellten somit Höhepunkte des Japonismus in Europa dar. einstellung kam ebenso zum Tragen wie ein Hang zum Müßiggang, der momentane So gelangte diese Kunst mit der Zeit auch in öffentliche Sammlungen in Europa und Genuss erfolgte im Bewusstsein der existenziellen Unsicherheit und Ungewissheit den USA. Vielfach waren es private Sammler, die den Grundstock dafür legten, indem bzw. der Vergänglichkeit. Vor allem in Edo (dem heutigen Tokio), der Residenzstadt sie ihre Sammlungen als Mäzene ihnen nahestehenden Museen übereigneten. der Tokugawa-Shogune, entstanden Theater und Freudenviertel. Alles in allem hängt die Verbreitung des Farbholzschnitts eng mit dem Aufstieg des städtischen Bürger- tums und der allmählichen Auflösung der Feudalgesellschaft am Ende der Edo-Zeit Zur Sammlung japanscher Holzschnitte der Neuen Galerie Graz zusammen. Die Bürger sammelten die populären Holzschnitte, lasen mit Begeisterung die illustrierten Romane über legendäre Schlachten, mythische Helden und tragische 3 In der Sammlung der Neuen Galerie Graz befinden sich rund 280 Arbeiten von Zur Rezeption des japanischen Farbholz- Liebesgeschichten. Sie waren auch treue Besucher des Kabuki-Theaters, verehrten schnitts in Europa von der Zeit um 1850 ca. 44 Künstlern bzw. deren Schulen, deren Entstehungszeit vom ausgehenden bis um 1900 vgl. Daniel Studer, Faszina- 4 die Bühnen-Stars und verbrachten ihre Abende in Yoshiwara, dem 1657 gegründeten tion Farbholzschnitt. Der japanisierende 18. Jahrhundert bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts reicht. Somit befinden sich vor Freudenviertel nahe Edo, in der Gesellschaft begehrter Kurtisanen. Farbholzschnitt als Kunstform des allem Werke der Spätzeit in der Sammlung. Die Erwerbungen begannen erst mit der Jugendstils, Kat. Historisches und Völker- kundemuseum, St. Gallen 2016, insb. Gründung der Neuen Galerie im Jahr 1941, wurden in den darauffolgenden Jahren inten­ S. 10–18, weiters: Jean-Luc Daval (Hg.), Der Impressionismus in Wort und Bild siv betrieben und klangen in den 1950er- und 1960er-Jahren aus. Verhältnismäßig (Texte von Maria u. Godfrey Blunden), Japan und der Westen – Anfänge des Japonismus in Europa Stuttgart 1990, S. 64 f. wenige Blätter stammen aus der Zeit vor der Museumsgründung, sofern sie sich im 4 Kupferstichkabinett der Landesbildergalerie (bzw. der Alten Galerie des Joanneums) Erst mit der mehr oder weniger gewaltsamen Öffnung des Landes durch eine Die einzelnen Blätter der Sammlung befunden hatten. wurden von Ernst Köller im Katalog der US-amerikanische Expeditionsflotte im Jahr 1854 nahm diese Epoche ihr Ende und ein Ausstellung Japanische Farbholzschnitte in der Neuen Galerie Graz 1964 ausführlich wirtschaftlicher und kultureller Austausch Japans mit der westlichen Welt setzte ein. dokumentiert. Der Katalog fungierte auch Quellen über den Erwerb der Blätter sind nur äußerst spärlich vorhanden, was vor hinsichtlich der Geschichte, der Technik Die Kapitulation vor der ausländischen Macht brachte den Tokugawa einen enormen und des Fachvokabulars zum japanischen allem hinsichtlich der Klärung ihrer Provenienzen bis heute problematisch ist. Über- Ansehensverlust und folglich den Niedergang im eigenen Land ein. Von gegnerischen Farbholzschnitt als unentbehrliches Nach- tragungen aus dem Kupferstichkabinett sind in den Inventaren gekennzeichnet. Die schlagewerk. Fürstenfamilien wurden sie im Zuge eines kurzen, teils militärisch ausgetragenen Provenienzen neu erworbener Blätter wurden kaum bis gar nicht verzeichnet. So 5 Konfliktes abgesetzt, und dem bis dahin völlig isolierten Kaiserthron wurde neue Gudrun Danzer, „Neue Galerie“, wurden beispielsweise Blätter im Wiener Dorotheum erworben, das wiederum generell in: Karin Leitner-Ruhe, Gudrun Danzer, 5 Macht verliehen. Die folgende Periode wird in Japan „Meiji“ genannt, was so viel Monika Binder-Krieglstein (Hg.), aus den Beschlagnahmungen jüdischer Sammlungen profitierte. Doch sind dies 2 Restitutionsbericht 1999–2010, Universal­ Der Name „shinōkōshō“ steht für: „shi“ bedeutet wie „erleuchtete Regierung“. museum Joanneum, Graz 2010, darin: allgemeine Verknüpfungen, die sich im Einzelfall gerade bei druckgrafischen Werken (Schwertadel, Samurai), „nō“ (Land- Ankaufslisten Dorotheum, S. 106 f. bauern), „kō“ (Handwerker) und „shō“ mit einer an sich hohen Auflage kaum konkretisieren lassen. Generell stellt es auch (Kaufleute). Diese Ständehierarchie war Als Folge dieser Öffnung erwachte in Europa kurz nach Mitte des 19. Jahrhunderts 6 ein Problem dar, dass sich aus den Akten heraus rechtmäßige von unrechtmäßigen auch in den Gesellschaften Chinas und Vgl. Ankaufslisten Dorotheum Wien, in: Koreas üblich. auch das Interesse an japanischer Kunst und Kultur. Der „Japonismus“ entfaltete Restitutionsbericht, 2010, S. 92. Ankäufen nicht eindeutig unterscheiden lassen.6 Auch kaufte das Museum gerade

8 9 in seinen Gründungsjahren eine Vielzahl von Kunstwerken an, um die Sammlung der Produktion neuen Abteilung auszubauen. So waren die umfangreichen Erwerbungen des Museums Die Produktion des Holzschnitts erfolgte in einer strikten Trennung der einzelnen an sich nicht ungewöhnlich, nur erfolgten sie eben zu einer Zeit, in der Beschlag­ Tätigkeiten. Auf einen ersten lockeren Entwurf des Künstlers folgte von seiner Hand nahmungen jüdischen Eigentums auch von Kulturinstitutionen ausgenützt wurden. die Feinzeichnung auf dünnem, transparenten Papier, wodurch diese auch auf der Rückseite sichtbar war. Das Blatt wurde dem Holzschneider übergeben, der es quasi als Schablone mit der Vorderseite auf den Druckstock klebte und mit dem Linien- schnitt begann. Die Schablone ging dabei natürlich verloren. Auf diese Weise war das Zur Entwicklung des Motiv im Druckstock spiegelverkehrt eingeschnitten, wodurch es beim Druck wieder japanischen Holzschnitts seitenrichtig erschien. Der Schwarz-Weiß-Abzug ging zurück an den Künstler, welcher diesen sorgfältig kolorierte. Zurück beim Holzschneider wurde für jeden Farbwert eine eigene Platte hergestellt, durchschnittlich waren es 8 bis 12 Platten je Motiv. Von den Anfängen zur Blütezeit Der Drucker nahm die Platten und Farbanweisungen schließlich entgegen und setzte den Druck von Hand bzw. mittels eines Reibers („Reiberdruck“) um. Die Anfänge des Holzschnitts in Ostasien liegen in China. Die frühesten bekannten Werke stammen aus dem 6. Jahrhundert,7 der älteste japanische Holzschnitt ist in Format das Jahr 740 datiert. Es handelt sich dabei um Schwarz-Weiß-Blätter mit buddhis- Ein auffallendes Merkmal japanischer Holzschnitte ist die Verwendung relativ weniger, tischem Inhalt, die in Tempeln zu kultischen Zwecken verwendet wurden. Religiöse gleichlautender Formate. Diese können als Einzelblätter vorkommen, wurden jedoch Texte mit Darstellungen von Gottheiten bzw. religiöse Darstellungen im Allgemeinen häufig auch zu Di- und Triptycha oder auch vier- und fünfteiligen Bildern montiert. Die waren bis ins 15. Jahrhundert die einzigen Themen der Kunst, die vom kaiserlichen Fachliteratur unterscheidet etwa ein Dutzend unterschiedliche Formate, doch wurden Hof, den Feudalfürsten sowie der Geistlichkeit als den Trägern des kulturellen Lebens in der Praxis nur wenige häufiger eingesetzt. Das früheste geläufige Format war das bestimmt worden sind. Sittenbilder bzw. Bilder des täglichen Lebens spielten kaum Chūban-Format. Es misst circa 18 x 27 cm. Das Oban-Format kam in den 1760er- eine Rolle. Eine Ausnahme bildete Iwasa Matabē (1578–1650), ein Maler am kaiser- Jahren auf und wurde bald am häufigsten verwendet. Seine Abmessungen schwanken lichen Hof, der sich diesem Themenkreis sehr intensiv widmete. Von seinem Werk zwischen 36 und 39 cm in der Höhe und 24 und 27 cm in der Breite. Es ist ungefähr leitet sich das „Ukiyo-e“ ab, was so viel wie „Bilder der fließenden Welt“ bedeutet. Der doppelt so groß wie Chūban-Blätter und wurde neben Einzelblättern auch zu Di- und Begriff selbst kam um 1665 auf. Im buddhistischen Sinn verweist er auf die irdische Triptycha zusammengepasst. Die geläufigste Form der Surimono hingegen war das „Welt der Täuschung“, im weltlichen Sinn auf die „haltlos fließende Welt der Vergnü- Shikishiban-Format, das mit rund 18 x 18 cm in etwa quadratisch ist. gungen“.8 Matabēs Nachkommen führten diesen Themenbereich fort, der sich relativ bald großer Beliebtheit in der Bevölkerung erfreute. Jedoch waren Matabē und seine Verlage künstlerischen Gefolgsleute Maler und keine Holzschneidemeister. Bis dahin dienten Die Verbreitung der künstlerischen Holzschnitte sowie illustrierter Hefte fand über Drucke nur zu Illustrationszwecken. Zur eigenständigen Kunstgattung9 wurde der ein professionell agierendes Verlagswesen statt. Die ersten kommerziellen Verlage in Holzschnitt durch Hishikawa Moronobi (1618?–1694). Zunächst entstanden Einzel- Japan bildeten sich im 17. Jahrhundert, so um 1600 in Kyōto, ab 1670 in Ōsaka und ab 7 drucke in Schwarz-Weiß, um 1700 Drucke, die mit maximal zwei Farben handkoloriert­ Alle Datierungen beziehen sich auf die 1730 in Edo. Am Anfang war es vor allem Unterhaltungsliteratur in Form einer Vielzahl Zeit n. Chr. wurden. Okumura Masanobu (1686–1764/68) gilt als Erfinder des „Beni-e“, des illustrierter Hefte, welche für bestimmte Zielgruppen produziert wurden.12 Später 8 Zweifarben­druckes in Rosa (Beni) und Grün, welche nach chinesischer Auffassung die Die Schriftzeichen für „ukiyo“ beinhalten kamen die Farbholzschnitte hinzu. Obgleich die Drucke eine Gemeinschaftsarbeit­ auch das Zeichen für „Wasser“, das für die beiden Hauptfarben darstellen. Ab 1740 kam der Mehrfarbendruck auf. Auch dieser von Künstlern, Holzplattenschneidern, Druckern und Verlegern waren, hatten die Zeit, deren Flüchtigkeit und den Wandel soll in Japan erstmals von Masanobu angewandt worden sein.10 Suzuki Harunobu (um des Daseins steht. Vgl. Kat. Hokusai Manga Verleger das eigentliche Sagen. Sie waren die Auftraggeber, bestimmten die Themen, (wie Anm. 1), S. 14. 1725–1770) entwickelte schließlich 1764 das gängige Prozedere für den Vielfarben- finanzierten die Produktion und kümmerten sich um den Vertrieb in eigenen Geschäf- 9 druck mit einer theoretisch unbeschränkten Anzahl von Platten. Diese Technik, auch Ausführliche Darstellungen der künst­ ten. Man berücksichtigte auch bestimmte Daten im Jahresverlauf. So wurden etwa lerischen Entwicklungslinien des als „Nishiki-e“- oder „Brokatbildertechnik“ bezeichnet, läutete die Farbholzschnittes und seiner Vertreter Kabuki-Bilder zu Beginn der Theater-Saison im Frühsommer gedruckt. Die Auflagen findet man bei Viktor Griessmaier im Blütezeit des japanischen Holzschnitts im 17. und 18. Jahrhundert ein. Katalog zur Ausstellung Japanische Holz- konnten in die Tausende gehen. Drucke von Utamaro I. hatten eine Auflage von bis zu schnitte, Österreichisches Museum 6.000 Stück, Hiroshiges Edo-Bilder kamen mitunter auf 20.000. Der Preis für einen für angewandte Kunst, Wien 1954, S. 8–19; weiters in: Kat. Japanische Farb- Holzschnitt entsprach im 19. Jahrhundert jenem einer Schale Nudeln.13 holzschnitte (wie Anm. 4), S. 13–16. Herstellung und Verbreitung 12 10 In Edo bildeten sich in der zweiten Hälfte Ursprünglich kam auch der Farbholz- des 18. Jahrhunderts unterschiedliche Zensur 11 schnitt unter Verwendung mehrerer Die Herstellung und Verbreitung künstlerischer Holzschnitte sowie illustrierter Hefte Genres in Heftform jeweils für bestimmte Ab 1790 wurde eine Zensurbehörde eingeführt, der alle Entwürfe vorgelegt werden Platten in China auf. Dort wurde in der war auf unterschiedliche Stellen verteilt und äußerst professionell organisiert. Das Zielgruppen heraus: Liebesromane späteren Mingzeit (1368–1644) Brief­ („ninjōban“: Liebesromane in Fortset- mussten. So waren gesellschaftspolitisch motivierte Themen, vor allem die Herrschafts- papier auf diese Weise verziert, wodurch wird auch an entsprechenden Zusatzinformationen deutlich, die auf den Blättern ver- zung; „kibyōshi“: kleinformatige Hefte zu sich die Technik so verfeinerte, dass sie in erschwinglichen Preisen mit populären Periode der Tokugawa betreffend, verboten. Deshalb wurden manche Ereignisse dieser eigenständigen Kunstwerken Anwendung merkt sind. Holzschnitte tragen für gewöhnlich eine Reihe von Stempeln und Siegeln, Liebesgeschichten, deren Name auf ihren fand. Vgl. Griessmaier, Japanische gelben Einband zurückgeht), Hefte mit Zeit in den Darstellungen einfach in die Vor-Edo-Zeit verlegt. So dienten Szenen aus Holzschnitte (wie Anm. 9), S. 4. welche den Künstler, die Datierung, den Verlag sowie die Freigabe durch die Zensur modischen Ratgebern, Führer durch die Freudenviertel. Vgl. Kat. Hokusai Manga dem klassischen Roman Genji-Monogatari, die ungefähr ab 1840 aufkamen, dazu, 11 ausweisen. Im Folgenden sollen die Produktionsbedingungen des Holzschnitts sowie (wie Anm. 1), S. 133. das Leben des Adels und der herrschenden Klasse zu thematisieren, ohne mit den Die folgenden Aspekte der Herstellung seine Verbreitung kurz erläutert werden. und Verbreitung der Holzschnitte sind 13 strengen Zensurbestimmungen in Konflikt zu geraten. Ebenso waren Motive mit ausführlich dargestellt in: Kat. Japanische Vgl. Kat. Hokusai Manga (wie Anm. 1), Farbholzschnitte (wie Anm. 4), S. 16–24. S. 155. allzu erotischer Wirkung offiziell verboten. Gerade „Shunga“-Bilder mit ihren explizit

10 11 pornografischen Darstellungen waren aber enorm verbreitet. Zunächst waren ano- Höchst populär waren Bilder aus dem volkstümlichen Kabuki-Theater. Dieses Genre nyme Siegel in Verwendung (Kiwame, Aratme). 1842 wurden die Zensurbestimmungen bildet schätzungsweise auch den überwiegenden Themenanteil an Farbholzschnitten verschärft und es kamen persönliche Zensorsiegel zum Einsatz. Zu gewissen Zeiten der Edo-Zeit. Sie sind nicht zu verwechseln mit den eigentlichen Kampf- und war es auch üblich, die Siegel in einer Art „Vier-Augen-Prinzip“ paarweise zu vergeben. Heldenszenen, auch wenn sie diese darstellen, denn es war gerade die dramatische Gerade die personenbezogenen Zensorsiegel waren nur über verhältnismäßig kurze Geschichte Japans, die im Kabuki-Theater wiederbelebt wurde und so über ein weite- Zeiträume im Einsatz. So ist es möglich, aufgrund dieser Siegel bzw. ihrer Kombi- res Genre in den Holzschnitt einfloss. Formal lassen sie sich relativ leicht voneinander nation die Entstehungszeiträume undatierter Blätter einzugrenzen. 1874 wurde die unterscheiden, da in den Theaterszenen die Figuren bzw. Schauspieler repräsentativ, Zensur schließlich aufgehoben. „bühnenartig“ nebeneinander stehen. Gefragt waren Porträts von Schauspielern in ihren (berühmten) Rollen oder als Privatleute (Yakusha). Sie waren – nicht anders als Zur Namensgebung der Künstler heute – die Stars ihrer Zeit, über die man als einfacher Bürger möglichst alles wissen Es soll hier abschließend auch die Namensgebung14 kurz erläutert werden, da sie „musste“. Die Neue Galerie besitzt einige Dutzend Theaterszenen und Schauspieler- teils relativ komplex ist und gerade bezüglich der manchmal unterschiedlichen porträts von Utagawa Kunisada I (ident. mit Utagawa Toyokuni III), (1786–1865). Nennungen ein und derselben Künstler für Unklarheiten sorgen kann. Persönliche Von ihm gibt es in der Sammlung auch das Blatt eines Sumo-Ringers (Shōgetsu Namen, die unseren Vornamen entsprechen, waren bis 1870 die einzigen Namen Keitei-Saemen im Alter von 18 Jahren), welches neben dessen Porträt auch den für Angehörige niederer Stände. Familien- und Sippennamen, weitgehend von Orten Abdruck seiner überdimensionalen Hand enthält. Sumo-Ringer waren keine geringeren und Gegenden abgeleitet, standen bis 1870 nur Personen von vornehmer Geburt zu. Stars als Schauspieler, ihre Darstellungen ebenso populär (Sumō-e). Dieses Blatt Die Kunstausbildung in Japan war ähnlich dem Werkstättenwesen im europäischen jedoch stellt an sich eine Rarität dar. Mittelalter organisiert. Nach ihrer Ausbildung wurden die Künstler freigesprochen. In Japan unterscheidet man Schulen, deren Namen den Künstlernamen für gewöhnlich Ein beliebtes Genre waren Porträts schöner Frauen, Kurtisanen, einfacher Prostituierter vorangestellt wurden. Aus dem Namen des Künstlers leitet sich sein künstlerisches und Geishas (Bijin-ga). Nebenbei wurden über diese Darstellungen die neuesten Verwandtschaftsverhältnis ab. Schüler machten die erste Silbe des Namens ihres Modetrends transportiert. So ließen sich Kurtisanen zur Eigenwerbung abbilden, Meisters auch zur ersten Silbe ihres eigenen. Ein Schüler des Toyoharu (Begründer wobei sie auch bestimmte Kleider trugen und mit Parfumartikeln zu sehen waren, die der Utagawa-Schule) war beispielsweise Toyokuni. Schüler von Toyokuni, die zugleich sie teilweise selbst in eigenen Läden verkauften. Schließlich mussten sie für die Zeit Enkelschüler des Toyoharu waren, übernahmen die zweite Silbe ihres Lehrers zur nach ihrer Karriere als Prostituierte wirtschaftlich vorsorgen. Der schon genannte ersten des eigenen Namens. Schüler des Toyokuni sind u. a. Kunisada oder Kuniyoshi. Utagawa Kunisada I (1786–1865) war ebenso wie Utagawa Toyoshige (1777–1835) und Gerade Künstler hatten auch eine Vorliebe für Pseudonyme, sogenannte gō-Namen, Kitagawa Utamaro I (1753–1806) ein Meister solcher Porträts. die sie mitunter sehr häufig und beim Eintritt in neue Lebens- oder Schaffensphasen änderten. Auch von ihnen besitzt die Neue Galerie Graz eine größere Anzahl von Werken. Daneben erwuchs aus der vertrauten und alltäglichen Gegenwart ein ganzes Spekt- Themen rum an Themen und Motiven, das aber auch die Sehnsüchte und Ängste der Menschen miteinschloss. Im 19. Jahrhundert erlebte in Japan auch die Landschaftsdarstellung Der Farbholzschnitt entwickelte sich definitiv zu einem Massenmedium. Die The- einen Aufschwung. Ähnlich wie im Westen rückten berühmte Gegenden (Meisho-e) in men kamen sowohl aus der bewegten Geschichte des Landes, aber – wie erwähnt, den Fokus, wie beispielsweise der heilige Berg Fuji oder andere markante landschaft- ausgehend von Iwasa Matabē (1578–1650) – in der Edo-Zeit quasi auch aus allen liche Attraktionen entlang der Reisewege, deren Schönheit die Landschaftsbilder Bereichen des täglichen Lebens.15 Die Sammlung japanischer Holzschnitte der Neuen priesen. Zumeist waren es keine individuellen Orte, sondern Landschaften, die im Galerie Graz deckt dieses heterogene Themenspektrum in weiten Teilen ab. An erster allgemeinen Bewusstsein eine besondere literarische, religiöse oder historische Stelle ist die reichhaltige Mythen- und Sagenwelt der japanischen Kultur zu nennen. Bedeutung für Japan besaßen. Man bediente sich Serien wie etwa jener der Tōkaidō-e, Dabei wurden Stoffe der chinesischen und japanischen Geschichte aufgegriffen, vor worin die Tōkai-Handelsstraße zwischen Edo und Kyōto und ihre 53 Raststationen allem Szenen aus der Zeit der blutigen Bürgerkriege des japanischen Mittelalters überaus ansprechend abgebildet wurden. Überhaupt entwickelte sich in der japanischen­ vom 12. bis ins 16. Jahrhundert, sowie eine Vielzahl von Legenden, die sich um Landschaftskunst eine Tendenz – ähnlich wie zu selben Zeit im Westen –, die Land- berühmte Schlachten, Krieger und Helden rankten (Musha-e). Ein berühmtes Thema schaft romantisch zu überhöhen, also die Größe, Gewalt und Schönheit der Natur (Chūshingura-e) aus diesem Kreis ist jenes des Rachefeldzugs der 47 Rōnin (Rōnin eindrucksvoll wiederzugeben. Unsere Sammlung besitzt diesbezügliche Werke von sind „herrenlose Samurai“). Die Neue Galerie besitzt ein Blatt von Utagawa Hiroshige Utagawa Hiroshige (1797–1858), Katsushika (1781–1850) und Katsushika (1797–1858), das dieses Ereignis zeigt. Dem Zeitgeschmack gemäß waren die Hokusai (1760–1849), welche zu ihrer Zeit die Landschaftsdarstellung im Kontext der Kampf- und Heldendarstellungen teilweise fantasievoll ausgeschmückt. So gibt es Themen des japanischen Holzschnitts etablierten. Darstellungen von Kämpfen berühmter Helden, die nicht nur übermächtige militäri- sche Gegner, sondern auch mythische Ungeheuer und monströse Wesen zu bezwingen Nach den oben genannten Themen, die auch den inhaltlichen Hauptabschnitten der 14 Kat. Japanische Farbholzschnitte haben. Die Heldendarstellungen und Kampfszenen in der Sammlung stammen vor Sammlung entsprechen, ist auch die Ausstellung in der Neuen Galerie Graz und der (wie Anm. 4), S. 22. allem von Utagawa Kuniyoshi (1797–1861). Tafelteil des vorliegenden Katalogs ausgerichtet. 15 Die diversen Themen des japanischen Farbholzschnitts sind sehr ausführlich behandelt in: Kat. Hokusai Manga (wie Anm. 1), S. 22–126.

12 13 Kampf und Bildtafeln Leidenschaft

Die Sammlung der Farbholzschnitte wurde von Ernst Koller im Katalog der Ausstellung Japanische Farbholz- schnitte der Neuen Galerie Graz 1964 ausführlich dokumentiert. Diese Publikation war für den folgenden Bildteil eine wichtige Basis hinsichtlich der künstlerischen und druckspezifi- schen Vermerke auf den Blättern, wie Titel, Datierung, Signatur, Verleger, Zensorsiegel und Format. Auch für die Deutung einzelner Motive wurde auf diesen Katalog zurückgegriffen.

Weitere ergänzende Informationen stammen aus der Literatur, die im Einleitungstext des vorliegenden Kataloges verwendet wurde, sowie von der Webplattform https://ukiyo-e.org.

14 15 Geschichtsbilder zwischen Mythos und Wahrheit

Vor allem die Zeit der Bürgerkriege vom 12. bis ins 16. Jahrhundert bot reichlich Stoff für Theater, Literatur und bildende Kunst. Dabei fand eine enge Durchdringung historischer Ereignisse – vorwiegend berühmter Schlachten – mit japanischen und chinesischen Mythen und Legenden statt.

Generell wurden die Themen in den Holzschnitten spektakulär inszeniert. So tauchen beispielsweise Geisterarmeen von besiegten Gegnern wie aus dem Nichts auf, um Rache an den (vermeintlichen) Siegern zu nehmen, oder mythische Wesen von übernatürlicher Kraft, welche berühmte Krieger und Helden zum Kampf herausfordern. Zudem war der Glaube an Geister und Gespenster ein fester Bestandteil der Volkskultur der Edo-Zeit und der wohlige Schauer von Geisterdarstellungen und -geschichten ein bewusst kalkulierter Effekt der Darstellungen.

Jüngere Ereignisse, die unter der Herrschaft der Tokugawa statt- fanden und als politisch bedenklich galten, wie beispielsweise die Geschichte der 47 Rōnin, wurden aufgrund der Zensur kurzerhand in der Vor-Edo-Zeit platziert.

17 18 19 ← Utagawa Yoshitora Utagawa Kunisada II (1823–1880) ↑ (tätig um 1836–1882) Mythische Kampfszene: Rechts erscheint Der Fall des Schlosses Okito (?) die Heldin lnohana in einem Wasserfall, in der Provinz Oshu in der Mitte der Diener Shimobe Fudesuke, durch die Luft wirbelnd, links Signatur: Ichimōsai Yoshitora ga | im Hintergrund ein Zweikampf Zensorsiegel: Kiwame (1790–1842) | Verleger: Tsutaya Kichizō | Signatur: Ichijūsai Kunimasa | Triptychon (3 Oban-Formate) Muramatsu, Yoshimura (1847–1848) | Verleger: Yamamotoya Heikichi | Inv.-Nr.: II/4587 | Triptychon (3 Oban-Formate) Sammlungseingang 1943 Inv.-Nr.: II/9887 | Sammlungseingang 1943

Utagawa Kuniyoshi (1797–1861) → Ritter in der Schlacht von Sokujo Signatur: lchiyusai Kuniyoshi ga | Zensorsiegel: Kiwame (1790–1842) | Verleger: Yamamotoya Heikichi | Triptychon (3 Oban-Formate) Inv.-Nr.: II/4579 | Altbestand

20 21 Utagawa Kuniyoshi (1797–1861) Tötung eines mehrschwänzigen (tausendjährigen) Fuchses Kitsune Signatur: Ichiyusai Kuniyoshi ga | Zensorsiegel: Kiwame (1790–1842) | Verleger: Yamaguchiya Tobei | Triptychon (3 Oban-Formate) Inv.-Nr.: II/4582 | Sammlungseingang 1943

22 23 Utagawa Kuniyoshi (1797–1861) ↑ Utagawa Kuniyoshi (1797–1861) → Wasserdämonen auf dem Meer bringen Die Geisterarmee der besiegten Heike in der Provinz Higo am Morgen Gefahr erscheint in der großen Bucht von Sesshū im Sturm Die Szene spielt während der Machtkämpfe Signatur: Ichiyusai Kuniyoshi ga | der Familienclans im 12. Jahrhundert: Triptychon (3 Oban-Formate) Nachdem die Taira die letzte und ent- scheidende Schlacht gegen die Minamoto Inv.-Nr.: II/4581 | verloren haben (Seeschlacht von Sammlungseingang 1943 Dannoura 1185), erscheinen sie unter ihrem Anführer Taira no Tomori als Geister­armee vor dem Schiff des sieg- reichen Minamoto no Yoshitsune, seinem Begleiter Benkei und deren Gefolgsleuten in der Bucht von Sesshū. Signatur: lchiyusai Kuniyoshl ga | Triptychon (3 Oban-Formate) Inv.-Nr.: II/9886 | Sammlungseingang 1943

24 25 Utagawa Kunisada I Utagawa Kuniyoshi (1797–1861) [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) Der Taisho (General) Fürst Yoritomo am Eine Baumgottheit erscheint einer Fuße eines Berges, mit seiner gesamten prunkvoll gekleideten Persönlichkeit, die Streitmacht zur Feldjagd (versammelt) eine riesige Axt hält Signatur: lchiyusai Kuniyoshi ga | Surimono Zensorsiegel: Kiwame (1790–1842) | Verleger: Aritaya Kiyoyemon | Signatur: Kōchōrō Kunisada ga | Triptychon (3 Oban-Formate) Format: Shikishiban, doppeltes Hochformat Inv.-Nr.: II/4577 | Erworben 1943 (Dorotheum Wien) Inv.-Nr.: II/2953 | Sammlungseingang 1942

26 27 Die Geschichte der 47 Rōnin Die Geschichte der 47 Rōnin – das sind herrenlose Samurai – ist ein berühmter japanischer Stoff, der auf einer wahren Begebenheit aus dem frühen Utagawa Kuniyoshi (1797–1861) Utagawa Hiroshige (1797–1858) 18. Jahrhundert beruht. Sie handelt von 47 Samurai, Eaiko auf dem Oeyama Ritter (vor dem) Nachtangriff welche den Tod ihres Herrn rächen und daraufhin Dargestellt ist der Held Watanabe no Dargestellt sind die 47 Rōnin vor ihrem gemeinsam Sepukku (rituellen Selbstmord) begehen. Tsuna mit seinen Begleitern Usui nächtlichen Angriff auf das Schloss So folgten die Rōnin ihrem Ehrenkodex (bushidō), Sadahika, Hirai Hosho und Minamoto Moranowo des Kira Yoshinaka. brachen zugleich aber das Gesetz, da der Mord aus Raiko. Sie kämpfen auf dem Oeyama-Berg Signatur: Hiroshige ga | Rache vom Shogunat verboten war. Als Konsequenz mit mehreren Dämonen. Verleger: Yamamotoya Heikichi | aus diesem Konflikt nahmen sie sich schließlich das Signatur: lchiyusai Kuniyoshi ga | Format: Oban yoko-e (Oban quer) Leben. Die Geschichte der 47 Rōnin galt als Vorbild Datumsiegel: Ochse 5 (1853, 5. Monat) | Inv.-Nr.: II/5073 | Sammlungseingang 1943 Zensorsiegel: Hama, Magomi (1848–1853) | für bedingungslose Treue und Loyalität. Wegen der Verleger: Yamamotoya Heikichi | herrschenden Zensurbestimmungen musste die Diptychon (2 Oban-Formate) Handlung in Theaterstücken oder Darstellungen der Inv.-Nr.: II/3943 | Sammlungseingang 1943 bildenden Kunst ins 16. Jahrhundert verlegt werden.

28 29 Murasaki Shikibu und der Roman „Genji Monogatari“

Die Hofdame Murasaki Shikibu (um 978 bis 1014) gilt als Ver­fasserin des Romanes Genji Monogatari („Die Geschichte vom Prinzen Genji“). Bis heute ist dieses herausragende Werk japanischer Literatur ein fester Bestandteil der Kultur Japans. Der Text beschreibt mit psychologisierendem Blick das Leben des Prinzen Genji über mehrere Jahrzehnte. Als unehelicher Sohn des Kaisers wird der Prinz wie alle illegitimen Nachkommen des Kaiserhauses in den Clan der Minamoto-Familie aufgenommen. Von der Erbfolge ausgenommen und frei von anderen Verpflich- tungen, widmet er sich den schönen Künsten, und vor allem den Frauen: Fortwährend schwankt er zwischen der echten, einzigen Liebe und seinem Hang zur Promiskuität. Erst nach dem Tod einer ihm besonders verbundenen Geliebten hegt er Gedanken über den Sinn und die Vergänglichkeit des Lebens.

Utagawa Kunisada II (1823–1880) Genji-Gestalten in den zwölf Monaten Signatur: Kunisada fude | Zensorsiegel: Aratame, Drache 3 (1868) | Verlagssignet (ungedeutet) | Triptychon (3 Oban-Formate) Inv.-Nr.: II/4559 | Sammlungseingang 1943

30 31 Die Zahl Sieben

In vielen japanischen Sagen und Märchen spielt die Zahl Sieben eine Rolle oder bildet zumindest einen formalen Rahmen. Die „Sieben Glücksgötter“ (Shichifukujin) sind für das Leben aller Gesell- schaftsschichten von Bedeutung. Ihre Herkunft ist unterschiedlich: Ebisu stammt aus dem Shintō-Glauben, Daikoku-ten, Bishamon-ten und Benzai-ten kommen aus dem Buddhismus, Jurōjin und Fukurokuju aus dem Daoismus, Hotei besitzt sowohl einen zen-buddhistischen als auch daois- tischen Einschlag. Damit repräsentieren die sieben Glücksgötter unterschiedliche Religionen bzw. philosophische Richtungen aus drei verschiedenen Ländern (Indien, China und Japan). Bei den sieben hilfreichen Dienern handelt es sich um (allegori- sche) Figuren. Sie stehen etwa für Kräfte der Natur wie beispielsweise Wetterphänomene, die im Alltag der Menschen hilfreich oder wohltuend wirksam sind.

Bunrō (tätig um 1800–1804/10) Die sieben Glücksgötter: Ebisu neben dem Fischverkäufer mit einem großen Fisch, Daikoku mit Hammer, Jurojin mit Kranich, Fukurokuju mit Wedel und Schildkröte, Hotei mit Sack, Benten mit -Laute, Bishamon mit Kriegerrüstung Das vorliegende Blatt ist vermutlich eine seltene Vorstudie für ein Triptychon. Signatur: Bunro ga | Format: 36,3 x 69,8 cm, Tuschezeichnung auf aus drei Stücken zusammengeklebtem Papier Inv.-Nr.: II/8195 | Erworben 1948 (Dorotheum Wien)

32 33 Utagawa Kuniyoshi (1797–1861) Utagawa Toyoshige (1777–1835) Ein Herr erblickt beim Betrachten einer Die sieben hilfreichen Diener langen, unbeschriebenen Rolle eine Bei den sieben hilfreichen Dienern han- Schildkröte und denkt dabei an den delt es sich um (allegorische) Figuren. rechts oben dargestellten Glücksgott Sie stehen u. a. für Naturkräfte wie etwa Fukurokuju, dessen Attribut die Schild- Wetterphänomene, die im Alltag der kröte, das Symbol der Langlebigkeit, ist. Menschen eine gedeihliche Rolle spielen. Aus der Serie „Die sieben Glücksgötter – Signatur: Toyokuni (II) ga | Format: Oban Fukurokuju“ Inv.-Nr.: II/6439 | Altbestand Signatur: lchiyusai Kuniyoshi ga (atypische Form der Signatur) | Datum­ siegel: Ochse 5 (1853, 5. Monat) | Zensorsiegel: Hama, Magomi (1848–1853) | Format: Oban Inv.-Nr.: II/3936 | Sammlungseingang 1943

34 35 Heldenmut

Wohl war die Edo-Zeit eine Periode des Friedens und der politi- schen Stabilität, doch wurde dies vor allem durch das restriktive Regime der Tokugawa-Shogune gewährleistet. Das alltägliche Leben war relativ strengen Verhaltensregeln untergeordnet, welche die individuelle Freiheit stark einschränkten und behördliche Willkür förderten.

So waren Helden der kriegerischen Vergangenheit des Landes wegen ihres Mutes und ihrer Stärke als Kämpfer für Ehre und Gerechtigkeit gefragte Identifikationsfiguren. Viele wurden zu mythischen Figuren hochstilisiert, die übermächtige Gegner, Dämonen und Monster bezwangen. Ihre ruhmvollen Taten wurden im Kabuki-Theater effektvoll inszeniert und in Holzschnitten fantasievoll ausgeschmückt.

37 Utagawa Kuniyoshi (1797–1861) Utagawa Kuniyoshi (1797–1861) Utagawa Kuniyoshi (1797–1861) Utagawa Kuniyoshi (1797–1861) Der Held Sate (shiro Byoei), einer der Der Held Otani Koi-no-suke erschlägt Heros im Kampf mit Drachen und Hirsch Der Held Motomaro und seine drei Helfer vier Gefolgsleute des Minamoto einen Eber überwältigen einen „Oni“ (dämonisches Aus der Serie „800 japanische Helden Yoshitsune, welche für diesen bis zum Wesen) Signatur: lchiyusai Kuniyoshi ga | um des Suikoden“. Der Suikoden ist die Tode kämpften 1830–1835 | Zensorsiegel: Kiwame japanische Übersetzung des chinesischen­ Die Gefährten Motomaros, hier als Aus der Serie „800 japanische Helden (1790–1842) | Verleger: Kagaya Kichibei | Romans Die Räuber von Liang-shan- Samurai dargestellt, sind eigentlich des Suikoden“ Format: Oban Moor. Tiere. Nur die einzelnen Wimpel weisen darauf hin, dass es sich um den Hund, Signatur: lchiyusai Kuniyoshi ga | um Inv.-Nr.: II/4569 | Altbestand Signatur: lchiyusai Kuniyoshi ga | den Affen und den Fasan handelt. 1830–1835 | Zensorsiegel: Kiwame Verleger: Kagaya Kichibei | Format: Oban (1790–1842) | Verleger: Kagaya Signatur: lchiyusai Kuniyoshi ga | Inv.-Nr.: II/4568 | Sammlungseingang 1943 Kichibei | Format: Oban Format: Oban Inv.-Nr.: II/4570 | Altbestand Inv.-Nr.: II/3947 | Sammlungseingang 1943

38 39 Utagawa Kuniyoshi (1797–1861) Utagawa Kuniyoshi (1797–1861) Tsukioka Yoshitoshi (1839–1892) Der Held lnohayato Hironao tötet das Der Held Kiso Yoshinaka stürzt mit Der Held Seiryu Haro no Suke Fabelwesen „Nue“ seinem Gegner im Kampf einen Abhang Aus der Serie „Helden des Suikoden“ hinab Aus der Serie „800 japanische Helden Signatur: Ichidōō Yoshitoshi fude | des Suikoden“ Aus der Serie „100 Heldenerzählungen“ Zensorsiegel: Tiger 10 (1866) | Signatur: lchiyusai Kuniyoshi ga | Zensor- Signatur: Chōōrō Kuniyoshi ga | um 1837 | Format: Chūban (Aquarell) siegel: Kiwame (1790–1842) | Verleger: Zensorsiegel: Kiwame (1790–1842) | Inv.-Nr.: II/6658 | Kagaya Kichibei | Format: Oban Format: Oban Sammlungseingang 1946 Inv.-Nr.: II/4571 | Altbestand Inv.-Nr.: II/3941 | Sammlungseingang 1943

40 41 Katsushika Hokkei (1781–1850) Utagawa Kunisada I → [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) Der mythische Riese Benkei beim Entwurzeln eines Baumstammes Der Held Usuri Sadateru tötet ein dreiäugiges Monstrum in Menschengestalt Surimono Signatur: Kunisada ga. Die vereinzelt Signatur: Zen Hokkei | dastehende Signaturform ist eher Format: Shikishiban, Neudruck atypisch | Verleger: Yamamotoya Heikichi | Inv.-Nr.: II/6277 | Altbestand Format: Oban Inv.-Nr.: II/6440 | Altbestand

42 43 44 45 ← Utagawa Irokyo (tätig im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts) Der Held Kasamajiro Munetoshi Signatur: lrokyo ga | Format: Oban Inv.-Nr.: II/3948 | Sammlungseingang 1943

← Utagawa Kunisada I ← Utagawa Kunisada I Utagawa Kunisada I → [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) Der Schauspieler Onoe Tamizo in der Der Schauspieler Bandō Hikusaburō in Der Schauspieler Onoe Tamizo in der Rolle Rolle des Tenjku Tokuhei der Rolle des Imagawa Nakatoki, in des Rokusan beim Fang eines Gegenwart einer riesigen Kröte Riesenfisches. Er befindet sich in Sprung- Tenjku Tokuhei (eigentlich: Imada stellung und trägt den Fisch geschultert. Nagamasa, 1672–1707) war eine popu- Signatur: Gototei Kunisada ga | Zensor­ läre historische Figur, der zahlreiche siegel: Kiwame (1790–1842) | Verlags­ Signatur: Kunisada ga (erster Namensteil spektakuläre Abenteurer zugeschrieben signet (ungedeutet) | Format: Oban bis auf Spuren durch Randverlust worden sind. Hier schwebt er über dem verschwunden) | Format: Oban Kopf eines riesenhaften Untiers. Inv.-Nr.: II/4567 | Erworben 1943 (Dorotheum Wien) Inv.-Nr.: II/4565 | Sammlungseingang 1943 Signatur: Gototei Kunisada ga | Zensorsiegel: Kiwame (1790–1842) | Verleger: Kawaguchiya Uhei | Format: Oban Inv.-Nr.: II/4566 | Erworben 1943 (Dorotheum Wien)

46 47 Kabuki – Das Theater und seine Stars

Kabuki war die volkstümliche Form des japanischen Theaters. Es stand im Gegensatz zu den älteren, rituell ablaufenden Nō-Spielen, welche der Oberschicht vorbehalten und stark intellektuell geprägt waren. Kabuki hingegen unterhielt sein Publikum mit populären Handlungen, die alle Register menschlicher Leidenschaft zogen und mit anzüglichen Possen und Knalleffekten gespickt waren. Die Vorstellungen umfassten zahlreiche Akte und dauerten oft den ganzen Tag.

Weniger der Text, sondern dramatische Inszenierungen, bühnen- technische Effekte und die Schauspieler selbst – mit ihren präch- tigen Kostümen und effektvollen Gesten und Gebärden – standen hier im Mittelpunkt. In jeder Hinsicht waren Schauspieler Idole der Massen. Sie galten als modische Vorbilder, deren Rollen ebenso Interesse erweckte wie ihr Privatleben.

49 Utagawa Kunisada I [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) Theaterszene: Die Schauspieler Sawamura Tosshō, Ichikawa Ebizo und Nakamura Utaemon (v. l.) als Samurai Signatur: Gototei Kunisada ga | Zensorsiegel: Kiwame (1790–1842) | Verleger: Yamaguchiya Tobei | Triptychon (3 Oban-Formate) Inv.-Nr.: II/4588 | Sammlungseingang 1943

50 51 Utagawa Kunisada I ↑ Utagawa Kunisada I → [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) Drei Schauspieler als Samurai: links Theaterszene: Links der Schauspieler Sawamuta Tosshō, in der Mitte Arashi Sawamura Tosshō in der Rolle des Tokusaburoi, rechts Ishikawa Ebizo Samamaru, in der Mitte Ichikawa Ebizo in der Rolle des Ume Tamamaru, rechts Signatur: Gototei Kunisada ga | Nakamura Utaemon in der Rolle des Zensorsiegel: Kiwame (1790–1842) | Matsu Tamamaru Verleger: Idzuma Ichibei | Triptychon (3 Oban-Formate) Signatur: Gototei Kunisada ga | Zensorsiegel: Kiwame (1790–1842) | Inv.-Nr.: II/4584 | Verleger: Yoshuya Juzo | Sammlungseingang 1943 Triptychon (3 Oban-Formate) Inv.-Nr.: II/4586 | Sammlungseingang 1943

52 53 Utagawa Kuniyoshi (1797–1861) Utagawa Kunisada I → [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) Theaterszene: Links der Schauspieler Nakamura Utaemon in der Rolle des Links der Schauspieler Nakamura Matsu Tamamaru, in der Mitte Ichikawa Utaemon in der Rolle des Sagami-Jaro Ebizo in der Rolle des Ume Tamamaru, Toki-Yuki, rechts der Schauspieler rechts Onoe Kikugoro in der (weiblichen) Sawamura Tossho in der (Frauen-)Rolle Rolle der Sendrei der Shishigi Tsuyu aus dem Stück „Die Große Pagode mit der Wunderperle“ Signatur: Ichiyusai Kuniyoshi ga | Zensorsiegel: Kiwame (1790–1842) | Signatur: Gototei Kunisada ga | Verlagssignet (ungedeutet) | Zensorsiegel: Kiwame (1790–1842) | Triptychon (3 Oban-Formate) Verleger: Kawaguchiya Uhei | Diptychon (2 Oban-Formate) Inv.-Nr.: II/4580 | Altbestand Inv.-Nr.: II/4572 | Altbestand

54 55 56 57 Utagawa Kunisada I Utagawa Kunisada I [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) Der Schauspieler Onoe Kikujirō in einer Theaterszene: Jamakawaya Kenruko Frauenrolle (links), rechts der Schau­ (links) auf dem Weg nach Hakone, hinten spieler Onoe Kikugoro stehend Seba no Sankuro, rechts kniend Frau Teikin no Obun Signatur: Gototei Kunisada ga | Zensorsiegel: Kiwame (1791–1842) Signatur: Toyokuni (III) ga | Datumsiegel: (zwei Siegel, das linke seitenverkehrt) | Ochse 5 (1853, 5. Monat) | Zensorsiegel: Verleger: Yezakiya Kichibei | Hama, Magomi (1848–1853) | Diptychon (2 Oban-Formate) Verleger: Tsujiokaya Bunsuke (Kinshōdō) | Diptychon (2 Oban-Formate) Inv.-Nr.: II/4575 | Erworben 1943 (Dorotheum Wien) Inv.-Nr.: II/4571 | Sammlungseingang 1943

58 59 ↖ Utagawa Kunisada I ← Utagawa Kunisada I Utagawa Kunisada I [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) Theaterszene mit einem Fächertänzer Szene mit zwei Figuren aus einem Jurori Der Ringer Shōgetsu Keitei-Saemen im und zusehendem Paar (Puppenspiel), links Otokohinaa, rechts Alter von 18 Jahren vor dem Abdruck Onna-hina seiner Hand, auf seinem Schurz sein Signatur: linkes Blatt: Kōchōrō Namenszeichen „Shōgetsu“ Toyokufli ga, rechtes Blatt: lchiyosai Signatur: Toyokuni (III) ga | Toyokuni ga | Zensorsiegel: Watanabe, Datumsiegel: Ochse 3 (1853, 3. Monat) | Der Beschriftung gemäß stammte Kinugasa (1849–1850) | Zensorsiegel: Mera, Watanabe (1851– Shōgetsu aus Hirado in der Provinz Hizen. Verleger: Yamamotoya Heikichi | 1853) | Verlagssignet (ungedeutet) | Seine Körpergröße betrug Diptychon (2 Oban-Formate) Diptychon (2 Oban-Formate) „7 Shaku und 5 Sun“ (227 cm), sein Gewicht „45 kann“ (168,75 kg). Inv.-Nr.: II/3951 | Inv.-Nr.: II/4573 | Altbestand Sammlungseingang 1943 Signatur: „Kunisada ni-dai Toyokuni ga“ / „gemalt von Kunisada, dem 2. Toyokuni“ (als TOYOKUNI III bekannt) | Zensorsiegel: Kiwame (1790–1842) | Format: Oban yoko-e (Oban quer) Inv.-Nr.: II/6275 | Sammlungseingang 1944

60 61 ← Utagawa Kunisada I Toyohara Kunichika (1835–1900) [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) Der Schauspieler Nakamura Shikan in Schauspieler und Der Schauspieler Nakamura Utaemon in Halbfigur der Rolle des Miyamoto Musashi, einen Signatur: Kunchika ga, darunter Balken tragend ihre Rollen Ringsiegel der Utagawa-Schule | Miyamoto Musashi (1584–1645, auch Datumsiegel: Tiger 6 (1866, 6. Monat) | Um 1860 wurde der Aragato-Stil eingeführt, der Stärke geschminkt, für einen Augenblick mit Niten genannt) war Fechtmeister, Dichter, Zensorsiegel: Aratame (1853–1857) | Metallkünstler, Schwertschmied und Maler. Verlagssignet (ungedeutet) | eine affektreiche Verkörperung des männlichen dramatischem Gesichtsausdruck und eingefrorener Er stand seit 1640 im Dienst des Hauses Format: Oban Superhelden von heroischer Kraft und Energie Gestik in spannungsgeladener Starre, welche Hosokawa in Kumamoto. Inv.-Nr.: II/3975 | repräsentierte. In den Theaterszenen werden den Höhepunkt der Handlung anzeigt. Der junge, Signatur: Gototei Kunisada ga | Zensor- Sammlungseingang 1943 Helden-Akteure des Aragato-Stils häufig in der romantische Held pflegte den sanfteren Wagato- siegel: Kiwame (1790–1842) | Verleger: „mie“-Pose dargestellt. Darin verharren diese, Stil. Er verkörperte den androgynen Typ, ähnlich Kawaguchiya Uhei | Format: Oban mit markanten roten Linien als Symbol positiver den Frauendarstellern. Inv.-Nr.: II/4590 | Sammlungseingang 1943

62 63 Onnagata ↖ Nishimura Shigenobu (1784–1832) Utagawa Toyoshige (1777–1835) Der Schauspieler Matsumote Kōshirō IV. Der Schauspieler Segawa Kikunojo in vom Shinmachi-Theater in Osaka einer Frauenrolle Der Beruf des Schauspielers war seit 1652 aus dass sie auch privat als Frauen auftraten. Allseits sittlichen Gründen allein Männern vorbehalten, geschätzt, waren sie die erotischen Stars des Im Fächer rechts oben sieht man den Signatur: Toyokuni (II) ga | Zensorsiegel: Schauspieler in der Frauenrolle des Kiwame (1790–1842) | Format: Oban welche auch Frauenrollen übernahmen. Kabuki-Theaters und setzten mitunter modische Shōsen Taifu aus dem Ogi-ya („Fächer- Inv.-Nr.: II/2211 | Sammlungseingang 1942 Schauspieler des weiblichen Rollenfachs (onnagata) Trends, die wiederum von den Kurtisanen aufge- haus“, Name eines Geisha-Hauses). waren schon seit ihrer Kindheit durch eine spezi- griffen wurden. Signatur: Yanagawa Shigenobu | elle Ernährung und eine feminisierende Erziehung Format: Oban entsprechend vorbereitet worden. So identifi- Inv.-Nr.: II/2210 | zierten sie sich bisweilen so sehr mit ihrer Rolle, Sammlungseingang 1942

64 65 Porträts ↖ Utagawa Sadakage (tätig um 1818–1844) Porträts im engeren Sinn verbreiteten sich erst mit der Der Schauspieler Nakamura Utaemon Einführung des Vielfarbendruckes um 1765, der erstmals Signatur: Gyōkurintei lebensnahe Darstellungen ermöglichte. Auch die Psycho­ Shigeharu ga | Format: Oban logie der Figuren wurde interessant. Gefragt waren vor Inv.-Nr.: II/3954 | allem Porträts von Schauspielern des Kabuki-Theater sowie Sammlungseingang 1943 der Kurtisanen des Yoshiwara. Sie standen für Glamour, Extravaganz und Erotik und bildeten eine Projektionsfläche Utagawa Kunisada I für die Sehnsüchte und Begehren der Städter. Dieses [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) Kitagawa Kikumaro (tätig um 1790–1830) Gefühlsspektrum wurde durch die Holzschnitte noch Der Schauspieler Jukan Shinshu no suke kunstvoll intensiviert. Doch galten die Darstellungen als (Lesung unsicher) Die Kurtisane Kobai aus dem Tama-ya (Edelsteinhaus), Adresse: Edo-machi gewagt, da sowohl Kabuki-Schauspieler als auch Kurtisanen Signatur: Toyokuni (III) ga | Datumsiegel: (Edo-Straße) ni-chome (2. Bezirk), mit gesellschaftliche Außenseiter waren. Ochse 3 (1853, 3. Monat) | Zensorsiegel: ihren beiden Dienerinnen Kikubo und Kijuki Mera, Watanabe (1851–1853) | Verleger: Tsujiokaya Bunsuke (Kinshōdō) | Signatur: Tsukimaro zu | Zensorsiegel: Format: Oban Kiwame (1790–1842) | Format: Oban Inv.-Nr.: II/4563 | Sammlungseingang 1943 Inv.-Nr.: II/6269 | Sammlungseingang 1943

66 67 Utagawa Kunisada I Utagawa Kunisada I [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) Der Schauspieler Bandō Mitsugorō Der Schauspieler Matsumote Koshiro V., genannt „hana-taka Koshiro“ Signatur: Gototei Kunisada ga | Zensor­ [„Langnasen-koshiro“] siegel: Kiwame (1790–1842) | Verleger: Matsumuraya Yahei | Format: Oban Signatur: Gototei Kunisada ga | Zensor­ siegel: Kiwame (1790–1842) | Verleger: Inv.-Nr.: II/6276 | Moritaya Hanzo | Format: Oban Sammlungseingang 1944 Inv.-Nr.: II/3974 | Sammlungseingang 1943

68 69 Urbanes Lebensgefühl

Introbild?

Während der Edo-Zeit, der längsten Friedensepoche in der Geschichte des Landes, erlebte Japan ein starkes Wachstum seiner Städte, das mit dem zunehmendem Wohlstand der bürgerlichen Gesellschaft einherging. Die städtische Oberschicht war geprägt von vermögenden Kaufleuten, die zu Trägern des kulturellen Lebens wurden und einen eigenen, kunstsinnigen und genuss­ orientierten Lebensstil kreierten. Es entstanden Stadtviertel mit Theatern und Restaurants oder Geschäften, die Luxusartikel wie kostbare Kleider oder Kosmetikprodukte anboten. All diese Ein- richtungen einer modernen Stadt kamen der müßiggängerischen Lebenseinstellung der urbanen Gesellschaft entgegen. Generell entwickelte sich eine neue Freizeitkultur, zu der etwa die Blütenschau, der Besuch von Festen, das Picknick im Freien oder auch einfach nur das Flanieren in den belebten Straßen zählten.

71 ← Utagawa Hiroshige (1797–1858) Kitagawa Utamaro II (Tätig 1804–1817) Menschen genießen die abendliche Kühle an der Ryōgoku Brücke Nächtliches Wasserfest an der Ryogoku- Brücke in Edo Aus der Serie „Berühmte Orte in Edo“ Signatur: Utamaro fude | Zensorsiegel: Signatur: Hiroshige ga | Datumsiegel: Kiwame (1790–1842) | Verleger: Yama- Kayei 6/Ochse 8 (1853, 8. Monat) | guchiya Tōbei | Triptychon (3 Oban- Zensorsiegel: Kinugasa, Murata Formate) (1851–1853) | Verleger: Yamadaya Shōjirō | Format: Oban Inv.-Nr.: II/10539 | Altbestand Inv.-Nr.: II/2941 | Altbestand

72 73 Utagawa Hiroshige (1797–1858) Utagawa Hiroshige (1797–1858) Der Otono-yama zur Blütezeit Blick auf herbstliches Ahornlaub am (mit Blick über die Bucht von Edo) Kaian-ji Tempel in Shinagawa Aus der Serie „Sehenswürdigkeiten von Aus der Serie „Berühmte Plätze in Edo“ Edo“ („Edo meisho“). Ökonomischer Wohl- stand förderte auch die Freizeitkultur. Signatur: Hiroshige ga | Datumsiegel: Dazu zählten etwa die Blütenschau, der Eber 8 (1851, 8. Monat) | Zensorsiegel: Besuch des Teehauses und von Festen. Kinugasa, Murata (1851–1853) | Verleger: Yamadoya Shokei | Signatur: Hiroshie ga | Datumsiegel: Format: Oban yoko-e (Oban quer) Ochse 11 (1853, 11. Monat) | Zensor­ siegel: Mera, Watanabe (1851–1853) | Inv.-Nr.: II/2939 | Verleger: Yamadaya Shōjirō | Sammlungseingang 1942 Format: Oban Inv.-Nr.: II/2940 | Altbestand

74 75 Kikugawa Eizan (um 1787–1867) Utagawa Hiroshige (1797–1858) Frühlingsspaziergang im Regen Frau am Gartenzaun vor Blumenspalier Signatur: Eizan hitsu | Zensorsiegel: Format: Oban Kiwame (1790–1842) | Verleger: Inv.-Nr.: II/6454 | Altbestand Yamashiroya Tokei | Format: Oban Inv.-Nr.: II/6438 | Altbestand

76 77 Utagawa Kunisada I ↖ Utagawa Kunisada I [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) Drei Personen in einem Tuchladen Toilette vor dem Spiegel (Namen nicht lesbar) Surimono Signatur: Toyokuni (III) ga | Signatur: Gototei Kunisada | Datum­siegel: Ochse 5 (1853, 5. Monat) | Format: Shikishiban Zensorsiegel: Hama, Magomi (1848– 1853) | Verlagssignet (ungedeutet) | Inv.-Nr.: II/2796 | Altbestand Diptychon (2 Oban-Formate) Inv.-Nr.: II/4574 | ← Yashima Gakutei (1786–1868) Erworben 1943 (Dorotheum Wien) Kniende Dame mit Lackkassette Surimono Signatur: Gakutei Sadaoka fude | Format: Shikishiban Inv.-Nr.: II/4046 | Sammlungseingang 1943

78 79 Yoshiwara

1657 wurde außerhalb von Edo das Freudenviertel „Yoshiwara“ als offiziell zugelassenes Vergnügungsviertel gegründet. Es handelte sich um ein abgeschlossenes Areal inmitten von Reisfeldern, das man über ein einziges Tor erreichen konnte. Darin befanden sich die Häuser der Kurtisanen, wo diese ihre Besucher empfingen.

In Yoshiwara war die ständische Hierarchie der Gesellschaft außer Kraft gesetzt. Vor dem Betreten eines Hauses mussten alle Besucher ihre Schwerter abgeben, so etwa auch die Samurai, die als Vertreter des ranghöchsten Standes darunter stehenden Besuchern des Viertels gleichgestellt waren.

Das Leben in Yoshiwara selbst war in Bezug auf die dort herrschen- den Umgangsformen und eine spezifische Ausdrucksweise einem eigenen Kodex unterworfen. Auch der Besuch der Kurtisanen folgte einem strengen Protokoll, angefangen bei der Kontaktaufnahme bis zum Aufenthalt bei ihr selbst.

81 Utagawa Yoshitora ↑ Toyohara Kunichika (1835–1900) → (tätig um 1836–1882) Neu-Yoshiwara, Wohlstand im Daibunji- Schönheiten aus dem Kanji-Haus Haus Rechts oben sind die Namen der Das Daibunji-Haus („Großes- Kurtisanen angegeben. Schriftzeichen-Haus“) war eines der Bordelle des Vergnügungsviertels. Signatur: Linkes und rechtes Blatt: Die Namen der Kurtisanen sind in den Kinchōrō Yoshitora ga | Zensorsiegel roten und gelben Feldern aufgelistet. (unbekannt) | Verleger: Jawamizaya Rihei | Triptychon (3 Oban-Formate) Datumssiegel (rund): Meiji, 12. Jahr (1879) | Triptychon (3 Oban-Formate) Inv.-Nr.: II/11381 | Altbestand Inv.-Nr.: II/11378 | Altbestand

82 83 Utagawa Kunisada I Toyohara Kunichika (1835–1900) → [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) Wettbewerb zivilisierter Schönheiten Sieben weibliche Figuren und ein Links eine Vertreterin der Kiyo-machi Samurai (rechts sitzend) (-Straße), rechts der Edo-machi(-Straße) Signatur: Toyokuni (III) ga | Zensorsiegel: im Vergnügungsviertel Yoshjwara Mera, Watanabe (1851–1853) | Signatur: Toyohara Kunichika fude. Verleger: Iseya Kanekichi | Darunter Rundsiegel der Utagawa-Schule Triptychon (3 Oban-Formate) | Datumssiegel (rund): Meiji, 10. Jahr, Inv.-Nr.: II/4583 | 12. Monat, 19. Tag (19. Dezember 1877) | Sammlungseingang 1943 Diptychon (2 Oban-Formate) Inv.-Nr.: II/11376 | Altbestand

84 85 86 87 Kurtisanen

Kurtisanen waren vornehme Prostituierte von hohem gesellschaftlichen Ansehen. Innerhalb ihres Berufstandes herrschte eine strenge Rangfolge, die sich an „höfischen Vorbildern“ orientierte. Hochgestellte Kurtisanen gingen in Begleitung von Dienerinnen und in extravaganter Kleidung in die Öffentlichkeit. Sie waren gebildet und in allen gesellschaftlichen Künsten bewan- dert. Nur besonders wohlhabende Männer konn- ten es sich leisten, ihre Gesellschaft zu genießen. Legendäre Kurtisanen waren weithin bekannt und wurden in Holzschnitten als Ideale der Weiblich- keit und Schönheit dargestellt.

Zugleich aber waren sie Gefangene ihrer Lebens- und Arbeitswelt und konnten das Viertel nur in Ausnahmefällen verlassen. Zumeist entstammten sie ärmlichen, ländlichen Verhältnissen und waren noch im Kindesalter an Bordellbesitzer verkauft worden. Mit der Aufnahme ihres Berufes mussten sie für ihre Kleidung und Dienerinnen selbst aufkommen und verschuldeten sich dabei nicht selten. Die Berühmtesten unter ihnen nutzten ihre Bekanntheit und warben als Mannequins für Kleidung und kosmetische Produkte, die sie in eigenen Läden verkauften. So besaßen sie nach Erlangung ihrer Freiheit, was für gewöhnlich nicht vor dem 27. Lebensjahr geschah, eine finanzielle Grundlage.

Kitagawa Utamaro I (1753–1806) Chōbunsai Eishi [Yeishi] (1756–1829) Die Kurtisane Kitakuni mit ihrer Dienerin Die Kurtisane Tomigawa aus dem Aus der Serie „Schöne Frauen von heute“ Matsuba-ya („Kiefernadelhaus“) Signatur: Utamaro fude | mit ihrer Dienerin Zensorsiegel: Kiwame (1790–1842) | Signatur: Eishi ga (Signatur Format: Hashira-kaké, Neudruck beschnitten) | Verleger: Nishimuraya Inv.-Nr.: II/10006 | Altbestand Yohachi. (Gegenüber der originalen Form die drei Kugeln in gegen­ läufiger Bewegung angeordnet.) | Format: Aiban, Neudruck Inv.-Nr.: II/2226 | Sammlungseingang 1942

88 89 ← Utagawa Kunisada I ↖ Utagawa Kunisada II (1823–1880) Katsukawa Shunshō (1726–1793) oder [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) Kitao Shigemasa (1739–1820) Bild einer Kurtisane Viel Glück wünscht die gehorsame Frau Die drei Kurtisanen Shokine, Michiharu Signatur: Baichōrō Kunisada fude | und Hitonochi beim Ikebana Signatur: Kōchōrō Kunisada ga | Datumsiegel: Ochse (1865) | Zensor­ Zensorsiegel: Fu (1840) | siegel: Aratame (1853–1857) | Verleger: Aus dem 1776 erschienenen Buch Verleger: Aritaya Kiyoyemon | Idzuma Ichibei | Format: Kakemono-e Spiegel von Schönheiten aus den Format: Kakemono-e Grünen Häusern. Beide Künstler führten Inv.-Nr.: II/4805 | jeweils sechs der insgesamt zwölf Tafeln Inv.-Nr.: II/6278 | Sammlungseingang 1943 aus. Ikebana ist die japanische Kunst Sammlungseingang 1944 des Blumenarrangierens. „Grünes Haus“ war eine andere Bezeichnung für Bordell. Format: Oban (aus zwei Teilen zusammengeklebt) Inv.-Nr.: II/6449 | Altbestand

90 91 „Hohelied der Frau“ – Die Mutter und Arbeiterin

Stellte Yoshiwara mit seinen Kurtisanen einen gewissermaßen interessanten Gegensatz zum eigenen Heim und dem Typus der Ehefrau dar, so war die Rolle der Frau als Gattin und Hausfrau dennoch hochgeschätzt. Kitagawa Utamaro verfasste ein „Hohelied der Frau“, worin er die Frau in ihrer Rolle als Mutter, Erzieherin der Kinder und Repräsentantin des Hausfleißes beschrieb.

Ende des 18. Jahrhunderts erließ die Regierung strenge Gesetze zur Eindämmung des Luxus (Kansei-Reform). Die übertriebene Zurschaustellung von Reichtum war nicht mehr erwünscht und angestrebt. Gefragt war nun eine gewisse Form zurückhaltender Eleganz und Natürlichkeit. Parallel dazu wurde die Frau in den Holzschnitten auch bei alltäglichen Handlungen, wie etwa beim Zubereiten von Speisen, dargestellt.

93 ← Utagawa Kuniyoshi (1797–1861) Szene mit spielendem Kind (Ausschnitt) Die Beschriftung in der kreisför- migen blauen Kartusche beschreibt „ein fünfjähriges Kind“, das nach dem „Licht in einer Laterne“ greift. Signatur: lchiyusai Kuniyoshi (Signa- tur um 1840) | um 1840 | Verleger: Yezakiya Tatsuzo | Format: Oban Inv.-Nr.: II/6443 | Altbestand

Utagawa Kunisada I Utagawa Toyoshige (1777–1835) [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) Dame beim Anrichten von Speisen Die elegante Frau Atsuma in Aus der Serie: „Gestalten schöner Begleitung eines Dieners auf dem Frauen von heute“ Weg zum Fischmarkt in der Odawara-machi(-Straße), welche in Signatur: Toyokuni (II) ga | der Rundkartusche dargestellt ist Zensorsiegel: Kiwame (1790–1842) | Verleger: Shimidzuya | Format: Oban Aus der Serie „Schöne Frauen von heute“ Inv.-Nr.: II/3962 | Sammlungseingang 1943 Signatur: Gototei Kunisada ga | Zensorsiegel: Kiwame (1790–1842) | Verleger: Iseya Rihei | Format: Oban Inv.-Nr.: II/5597 | Altbestand

94 95 Utagawa Kuniyasu (1794–1834) Katsushika Hokkei (1781–1850) → Kauernde Frau vor Feuerstelle in einem Dame beim Schreiben großem Bronzebecken Surimono. An der Schriftkartusche Surimono befinden sich zwei Glückssymbole: Rhinozeroshorn (Gesundheit) und Signatur: Kuniyasu fude | Cash-Zeichen (Reichtum). Format: Shikishiban Signatur: Hokkei | Format: Shikishiban Inv.-Nr.: II/2791 | Altbestand Inv.-Nr.: II/5594 | Sammlungseingang 1944

96 97 , Landschaft und Reisen

Vor allem im 19. Jahrhundert wurde die pittoreske Landschaft Japans zum Thema der Kunst. Ähnlich wie zur selben Zeit im Westen, rückten Natursehenswürdigkeiten in den Fokus, wie beispielsweise der heilige Berg Fuji oder andere markante land- schaftliche Attraktionen entlang der Handels- und Reiserouten. So erschienen Ende des 18. Jahrhunderts Holzschnittserien und bebilderte Reiseführer berühmter Gegenden in großer Zahl, welche die Schönheit der heimischen Natur priesen und den aufkommen- den Tourismus als ein neues Freizeitvergnügen der städtischen Oberschicht bedienten.

Zumeist waren keine individuellen Orte dargestellt, sondern Landschaften, die im allgemeinen Bewusstsein eine besondere literarische, religiöse oder historische Bedeutung für Japan besaßen. So etwa die Serie Tōkaidō-e, welche den Verlauf der Tōkai-Handelsstraße zwischen Edo und Kyōto mit ihren 53 Rast- stationen behandelt.

Reisen waren besondere Ereignisse, da man sich außerhalb der strengen Alltagskonventionen der Zeit bewegen konnte. Für die meisten Personen ergab sich vor allem im Rahmen von Pilger­ fahrten diese Möglichkeit. In den Poststationen und Herbergen am Wegesrand konnte man sich ungezwungener als sonst geben.

99 Utagawa Hiroshige (1797–1858) und Utagawa Kunisada I (1786–1865) Blick auf eine Meeresbucht Die Landschaft mit den Schiffen in der Bucht stammt von Hiroshige, die prunk- voll gekleidete Person hat Kunisada gestaltet. Signatur: Linkes Blatt: Hiroshige fude, „lchiryūsai“-Siegel. Mittelblatt unsigniert. Rechtes Blatt: Toyokuni (III) ga | Datumsiegel: Ochse 4 (1853, 4. Monat) | Zensorsiegel auf allen drei Blättern: Kinugasa, Murata (1851–1853) | Verleger: Iseya Kanekichi (?) | Triptychon (3 Oban-Formate) Inv.-Nr.: II/2949 | Altbestand

100 101 Keisai Eisen [Yeisen] (um 1790/92–1848) Utagawa Hiroshige (1797–1858) ↗ Utagawa Hiroshige (1797–1858) → Kurtisane vor einem Makemono (Rollbild Mishima Die Tempel von Asoi, Fujisawa im Querformat) mit Winterlandschaft Aus der Serie „53 Stationen des Aus der Serie „53 Stationen des Aus der Serie „Zehn berühmte Ansichten der Tokaido“, 12. Station Tokaido“, 7. Station östlichen Hauptstadt“. Im Makemono die Signatur: Hiroshige ga | Erschienen Signatur: Hiroshige ga | Erschienen Worte „Die Gräber von Ume-wake im Schnee“. vermutlich 1842 | Format: Aiban 1833–1835 | Format: Oban yoko-e Die Legende neben der Dargestellten lautet: (Oban quer), Rand leicht beschnitten „Kokoro no mazo sugata awase“ / „Das Inv.-Nr.: II/Jap. 26 | Altbestand Geheimnis des Herzens in der Gestalt Inv.-Nr.: II/2943 | Sammlungseingang 1942 vereinigt.“ Signatur: Keisal Eisen ga | Verlagssignet (ungedeutet) | Format: Oban Inv.-Nr.: II/8042 | Erworben 1947 (Dorotheum)

102 103 Utagawa Toyokuni I (1769–1825) Katsushika Hokusai (1760–1849) Vorplatz mit Tempel Die Bogen-Brücke am Kameido-Tenjin- Schrein (Kameido Tenjin taikobashi) Format: Oban Aus der Serie „Wunderbare Ansichten Inv.-Nr.: II/8044 | Altbestand berühmter Brücken in verschiedenen Provinzen (erschienen 1827–1830). Die Serie entstand ungefähr zur gleichen Zeit wie Hokusais berühmte „36 Ansichten vom Berg Fuji". Insgesamt sind nur 11 Blätter bekannt, obwohl ursprünglich mehr geplant waren. Der Betrachterstandort ist kühn gewählt und nimmt die Perspektive der Impressio- nisten vorweg. Signatur: Zen Hokusai J-Itsu fude | Datumsiegel: Tempō 5 (1834) | Zensor­siegel: Kiwame (1790–1842) | Verleger: Nishimuraya Yohachi (Eijudo) | Format: Oban Inv.-Nr.: II/6660 | Altbestand

104 105 Romantische Landschaft

Hier bräuchte man noch ein Introbild Ähnlich wie im Westen zur selben Zeit, entwickelte sich in der japanischen Landschaftskunst eine Tendenz, die beeindruckende Größe, Gewalt und Schönheit der Natur romantisch zu überhöhen. So finden sich monumentale Landschaftsausblicke bis an den weiten Horizont oder stimmungsvolle Darstellungen von Gegenden im nächtlichen Mondschein, im Regen oder im Nebel, oder aber wie bei Hiroshige Impressionen, welche die Kräfte der Natur in Gestalt der eindrucksvollen Silhouette des Fuji oder der mächtigen Wogen des ihn umspülenden Ozeans verdeutlichen.

107 Utagawa Hiroshige (1797–1858) Utagawa Hiroshige (1797–1858) Feuerwerk von Ryogoku Aussicht vom Atago-Berg in Shiba, Landschaft mit Regenbogen Aus der Serie „Berühmte Ansichten von Edo“. Ryogoku ist ein Stadtteil von Edo Aus der Serie „Berühmte Orte der mit einer berühmten Brücke. östlichen Hauptstadt“. Die Anhöhe liegt am Rand von Edo (Tokyo). Signatur: Hiroshige ga | Format: Oban yoko-e (Oban quer), am oberen Rand Signatur: Hiroshige ga | beschnitten Datumsiegel: Tempō 3–9 (1832–1838) | Zensorsiegel: Kiwame (1790–1842) | Inv.-Nr.: II/2800 | Verleger: Sanoya Kihei (Kikakudō) | Sammlungseingang 1942 Format: Oban Inv.-Nr.: II/2950 | Altbestand

108 109 ← Utagawa Hiroshige (1797–1858) Hiroshi Yoshida (1876–1950) Komische Szene: Drei Figuren, im Ausblick auf die Insel Mitsugojima nächtlichen Mondschein wandernd, Aus der Serie „Seto Naikai“, über dahinter ein Fuchs japanische Eilande Aus einer Serie von 80 Blättern, Signatur: Yoshida (im Druck). Hiroshi darunter 46 Ansichten von Edo sowie Yoshida (lateinisch). Hiroshi (Siegel) | 33 Schauspielerporträts Datumsiegel: Shōwa 5 (1930, 5. Monat) | Signatur: Hirokage ga | Zensorsiegel: Verleger: Chizuko Yoshida | Format: Oban Aratme (1854–1857) | Verleger: Tsujiokaya Inv.-Nr.: II/24843 | Altbestand Bunsuke (Kinshōdō) | Format: Oban Inv.-Nr.: II/6274 | Altbestand

110 111 Der Berg Fuji

Der Fuji ist ein Vulkanberg nahe der Hauptstadt Edo, der zuletzt 1707 ausgebrochen ist. Dieser höchste Berg Japans wird seit alters her als heiliger Ort und als Quelle der Unsterblichkeit verehrt. Nach shintoistischem Glauben wird er von Göttern bewohnt und besitzt magische Kräfte. In der Edo-Zeit entstand ein wahrer Fuji-Kult, der zahllose Pilgerreisen nach sich zog. Katsushika Hokusai (1760– 1849) schuf die berühmteste aller Fuji-Serien, die „36 Ansichten des Berges Fuji“ (erschienen 1830–1832). Bemerkenswert sind die ideenreichen Perspektiven, aus denen der Berg dargestellt ist. Zudem flocht Hokusai Szenen der arbeitenden Landbevölkerung in die Darstellungen mit ein. Die Serie verhalf der Landschafts­ darstellung zum Durchbruch als eigenständiges Thema der Kunst in Japan.

113 Katsushika Hokusai (1760–1849) Katsushika Hokusai (1760–1849) ↑ Utagawa Hiroshige (1797–1858) → Utagawa Hiroshige (1797–1858) → Hohe See bei Kanagawa. Die Woge Provinz Soshu, links Umesawa Flusslandschaft mit Brücke In den Bergen der Provinz Izu (Name des Ortes unleserlich), Aus der Serie „36 Ansichten des Fuji“. Aus der Serie „36 Ansichten des Fuji“ Aus der Serie „36 Ansichten des Fuji“ im Hintergrund der Fuji In diesem Motiv kommt die ganze Um 1823–1829 | Format: Oban yoko-e Signatur: Hiroshige ga | Ambivalenz der Natur zwischen Aus der Serie „36 Ansichten des Fuji“ (Oban quer) Datumsiegel: Pferd 4 (1858, 4. Monat) | Schönheit und Gefahr zum Ausdruck. Signatur: Hiroshige ga | Verleger: Tsutaya Kichlzo | Inv.-Nr.: II/6451 | Um 1823–1829 | Format: Oban yoko-e Datumsiegel: Pferd 4 (1858, 4. Monat) | Format: Aiban Sammlungseingang 1945 (Oban quer), Neudruck Verleger: Tsutaya Kichizō | Inv.-Nr.: II/3969 | Altbestand Format: Aiban Inv.-Nr.: II/6661 | Sammlungseingang 1946 Inv.-Nr.: II/3970 | Sammlungseingang 1943

114 115 116 117 Universalmuseum Joanneum Katalog Impressum Geschäftsführung Herausgeber Wolfgang Muchitsch Peter Peer Leitung Neue Galerie Graz Texte Dieser Katalog erscheint Peter Peer Peter Peer anlässlich der Ausstellung Lektorat Kampf und Leidenschaft Jörg Eipper-Kaiser Japanische Farbholzschnitte Ausstellung Grafische Konzeption Neue Galerie Graz Kurator, Ausstellungsgestalter Lichtwitz – Büro für visuelle Universalmuseum Joanneum Peter Peer Kommunikation 7. April bis 20. August 2017 Ausstellungsregistratur Layout, Umschlaggestaltung Magdalena Reininger Andrea Weishaupt Neue Galerie Graz Sammlungsregistratur Fotos Universalmuseum Joanneum Brigitte Lampl, Christian Schmaranz Nicolas Lackner, Astrid Zawodnik Joanneumsviertel 2 Konservierung und Restaurierung 8010 Graz, Österreich Druck Gisela Giencke T: +43-316/8017-9100 Medienfabrik Graz joanneumsviertel@ Lektorat Papier museum-joanneum.at Jörg Eipper-Kaiser Invercote matt, 300g/m2, Bilderdruck www.neuegaleriegraz.at Ausstellungsgrafik matt 150g/m3, Bio top 3 100g/m2 Andrea Weishaupt Schriften Ausstellungsaufbau Tram Joanneum, ITC Charter Robert Bodlos (Leitung), David Bosin, Dieser Katalog erscheint im Eigenverlag Ivan Drlje, Simon Duh, Fabian Egger, der Universalmuseum Joanneum GmbH Helmut Fuchs, Ivan Gorickic, Bernd Klinger, Irmgard Knechtl, Andreas ISBN 978-3-90-209588-6 Lindbichler, Stefan Reichmann, Klaus Alle Rechte vorbehalten. Riegler, Michael Saupper, Stefan Savič, Peter Semlitsch © 2017 Neue Galerie Graz Kunst- und Architekturvermittlung Universalmuseum Joanneum Monika Holzer-Kernbichler und Team © für die abgebildeten Werke bei den Marketing und Kommunikation Künstlerinnen und Künstlern oder deren Andreas Schnitzler (Leitung), Nina Rechtsnachfolgern Blum, Anita Brunner-Irujo, Barbara Ertl- © für die gedruckten Texte beim Autor Leitgeb, Anna Fras, Bärbel Hradecky, oder dessen Rechtsnachfolgern Marion Kirbis, Eva Pessenhofer-Krebs, Astrid Rosmann, Elisabeth Weixler Umschlagabbildung: Utagawa Kunisada I [Utagawa Toyokuni III] (1786–1865) Der Schauspieler Nakamura Utaemon in der Rolle des Sagami-Jaro Toki-Yuki, rechts der Schauspieler Sawamura Tossho in der (Frauen-)Rolle der Shishigi Tsuyu aus dem Stück „Die Utagawa Hiroshige (1797–1858) → Große Pagode mit der Wunderperle“ Zwei Fische Signatur: Gototei Kunisada ga | Zensorsiegel: Kiwame (1790–1842) | Aus der Serie „Verschiedene Fische“ Verleger: Kawaguchiya Uhei | Diptychon Signatur: lchiryūsai Hiroshige ga (2 Oban-Formate) („lchiryūsai“: Signaturzusatz Hirsohiges Inv.-Nr.: II/4572 | Altbestand seit 1832) | Erschienen 1833 | Zensor­siegel: Kiwame (1790–1842) | Die Serie umfasst 20 Blätter, welche je zur Hälfte bei Eijudō und Yamashō erschienen sind | Format: Oban yoko-e (Oban quer) Inv.-Nr.: II/5593 | Sammlungseingang 1944

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