SWR2 Musikstunde

Von New York über Boston nach – Zu Besuch bei drei amerikanischen Spitzenorchestern (1 - 5) Folge 5:

Von Susanne Herzog

Sendung: 15. Januar 2021 Redaktion: Dr. Ulla Zierau Produktion: SWR 2020

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„Wir bekommen jetzt Frauen ins Orchester“, sagen die Musiker des Cleveland Orchestras 1943, erinnert sich die Harfenistin Alice Chalifoux. „Wir haben jetzt drei Frauen und Alice“. Denn Alice ist sozusagen schon immer dabei: noch Nikolai Sokoloff, der erste Dirigent des Cleveland Orchestras, engagiert sie. Und sein Nachfolger Artur Rodzinski, der eigentlich findet, dass Frauen in Orchestern nichts zu suchen hätten, selbst Rodzinski kann Alice akzeptieren, denn sie hat sich an den „Männerhaufen“ um sich herum völlig assimiliert, geht abends nach dem Konzert mit den Kumpels einen trinken. Und auch sonst weiß sie sich zu helfen in diesen Zeiten als Orchester noch von Männern dominiert waren: wenn es auf Tourneen keine Garderobe für sie gibt, dann steigt sie einfach in ihren riesigen Harfenkasten. Oder vielleicht versteckt sie sich auch nur ein bisschen hinter ihrem aufgeklappten Harfenkasten. Jedenfalls gibt’s da drin einen Spiegel und Haken für die Kleider, alles damit sie sich in ihrer mobilen Garderobe umziehen kann. Und so klingt es, wenn Alice Chalifoux in die Saiten ihrer Harfe greift.

MUSIK 1 Claude Debussy: Danse profane Cleveland Orchestra, Leitung: LC 06868-Sony Classical, 88697 00816 2 LÄNGE 5’00

Die Harfenistin Alice Chalifoux war die Solistin beim Danse profane von Claude Debussy. Pierre Boulez hat das Cleveland Orchestra dirigiert. Alice Chalifoux spielt unglaubliche 43 Jahre im Cleveland Orchestra und sieht sehr viele Dirigenten kommen und gehen. Bei dem gefürchteten etwa erinnert sie sich, dass jede Probe bereits am Montagmorgen wie ein Konzert in der Carnegie Hall war. Und sie sagt: Viele Musiker haben sich in dieser Zeit einen Psychoanalytiker gesucht. Dennoch schätzt sie die Arbeit mit Szell sehr, wie auch die seines Vorgängers: das ist Artur Rodzinski. Wir haben ihn diese Woche in der SWR 2 Musikstunde schon kennenlernt als Chef in New York, als der liebe Gott höchstpersönlich ihm dabei geholfen hat, Leonard Bernstein als Assistenten auszusuchen…

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In Cleveland ist Rodzinski vor New York, und nach Ohio bringt er sehr viel Enthusiasmus mit: Er hat das Ziel, Cleveland zu einem Mekka für die musikalische Welt machen. Die Clevelander sind so begeistert von seinen Ideen, dass sie diesen Dirigenten lieben, bevor er überhaupt zum ersten Mal vor dem Orchester steht. Die Musiker dagegen stimmen in diese Lobeshymen nicht ein, denn Rodzinski ist nicht gerade zimperlich in den Proben. Und auch als Person ist er ziemlich speziell. Angeblich soll Rodzinski immer eine geladene Pistole bei sich getragen haben. Nicht um die Musiker zu bedrohen… dass nicht, sondern mehr aus einem Aberglauben. Noch in Europa, Rodzinski kommt ursprünglich aus Polen, hat er sich in eine verheiratete Frau verliebt und wollte damals – so sagt man - ihren Ehemann erschießen. Die Pistole schon in der Tasche, musste er dann aber plötzlich für einen Kollegen in der Oper einspringen. Die Aufführung wurde ein riesiger Erfolg und als er hinterher gemerkt hat, dass er mit geladener Pistole in der Hosentasche dirigiert hat, wird die zu seinem Glücksbringer. Nicht mehr und nicht weniger: umgebracht hat Rodzinski natürlich niemanden.

MUSIK 2 Felix Mendelssohn-Bartholdy: Nocturne aus der Schauspielmusik Shakespeares “Ein Sommernachtstraum” Cleveland Orchestra, Leitung: Artur Rodzinski Naxos Classical Archives, 9.80245 LÄNGE 2’46

Artur Rodzinski und das Cleveland Orchestra haben das Nocturne aus dem Sommernachtstraum von Felix Mendelssohn-Bartholdy gespielt.

Nach Cleveland bringt Rodzinski nicht nur frischen Wind mit, sondern auch seine Begeisterung für die Oper. Gleich in seiner ersten Spielzeit führt er Wagners Tristan und Isolde auf und auch für moderne Opern ist er aufgeschlossen. Als er im Frühling 1934 in Russland ist und dort die Uraufführung von Lady Macbeth von Mzensk von Schostakowitsch miterlebt, ist Rodzinski unglaublich begeistert von der Musiksprache des jungen Komponisten. So sehr, dass er diese Oper unbedingt in den Staaten aufführen möchte. Deshalb setzt er alle Hebel in Bewegung, verhandelt auf verschlungenen Wegen mit der Regierung und letztlich gelingt es Rodzinski tatsächlich. Er bekommt das okay und steigt mit der Partitur und verschiedenen Zeichnungen zum Bühnenbild ins Flugzeug zurück nach Amerika. Doch der russische Zoll wird skeptisch: was sind das für seltsame Aufzeichnungen? Doch nicht etwa Skizzen von versteckten Waffenlagern? Rodzinki kann glücklicherweise ein wenig russisch und redet mit Engelszungen auf die Beamten ein, um sie davon zu überzeugen, dass das alles ganz ungefährlich sei. Irgendwie gelingt es ihm, die Zollbeamten zu besänftigen und am Ende darf er alles

3 mitnehmen. Die „beste Oper in diesem Jahrhundert“ wie Rodzinski schwärmt, bringt er in Cleveland mit seinem Orchester auf die Bühne, mit russischen Sängern. Es wird ein unglaublicher Erfolg und bringt maximale Aufmerksamkeit für das Cleveland Orchestra. Weil es leider keine Aufnahme davon gibt, hören wir Rodzinski jetzt mit etwas anderem von Schostakowitsch: mit dem zweiten Satz aus dessen fünfter Sinfonie.

MUSIK 3 Dmitri Schostakowitsch: Allegretto aus der Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 47 Cleveland Orchestra, Leitung: Artur Rodzinski Naxos Classical Archives, 9.80472 LÄNGE 4’11

Dmitri Schostakowitsch: das war der zweite Satz aus seiner fünften Sinfonie, gespielt vom Cleveland Orchestra, dirigiert von Artur Rodzinski. Rodzinski setzt sich sehr für die Musik des 20. Jahrhunderts ein und erklärt mal in einem Interview: bei Musik sei das nicht wie bei Wein. Man müsse nicht jahrelang warten, bis sie gut werde. Wenn der Komponist was tauge, dann sei die Musik sofort genießbar. Viele Komponisten kommen auch höchstpersönlich nach Cleveland, um dort ihre Musik aufzuführen. Zum Beispiel Sergej Rachmaninow, Igor Strawinsky oder auch Béla Bartók. 1940 zum Beispiel ist Bartók der Solist in seinem zweiten Klavierkonzert, begleitet vom Cleveland Orchestra und Artur Rodzinski. Drei Jahre später führt Rodzinski Bartoks zweites Violinkonzert zum ersten Mal in den USA auf: mit Tossy Spivakovsky, dem neuen Konzertmeister des Orchesters. Bartók lebt zu dieser Zeit in New York und ist damals schon so krank, dass er nicht nach Cleveland kommen kann, um die Aufführung zu hören. Deshalb spielt Spivakovsky das Konzert im Herbst auch in New York. Und zwar wieder unter Rodzinski: der ist nämlich zu Beginn der Saison zu den New Yorker Philharmonikern gewechselt. Bartók sitzt im Publikum und ist so berührt von der Aufführung, dass er Spivakovsky hinterher einige handschriftliche Skizzen des Konzerts schickt.

MUSIK 4 Béla Bartók: 2. Satz: Andante tranquillo aus dem Violinkonzert Nr. 2 Isaac Stern, Violine New York Philharmonic, Leitung: Leonard Bernstein 06868-Sony Classical, SMK64502 LÄNGE ausblenden bei 5‘43

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Das war der Anfang des langsamen Satzes aus dem zweiten Violinkonzert von Béla Bartók. Gespielt von Isaac Stern und den New Yorker Philharmonikern mit Leonard Bernstein.

Der Geiger Tossy Spivakovsky hat das Konzert in New York im Herbst 1943 aufgeführt, ebenfalls mit den New Yorker Philharmonikern, damals unter der Leitung von Artur Rodzinski. Da ist Rodzinksi schon Chef in New York.

Sein Nachfolger in Cleveland wird . Doch der kann eigentlich kaum richtig mit dem Orchester arbeiten, weil er schon bald zum Militär eingezogen wird.

George Szell, der Dirigent, den man immer sofort mit Cleveland verbindet, kommt 1946 und bleibt bis zu seinem Tod 1970. Szell stammt ursprünglich aus Ungarn, geht als junger Mann dann an die Berliner Oper, wo er Korrepetitor von Richard Strauss wird. Nach verschiedenen Stationen als Dirigent in Europa emigriert er 1939 in die USA und dirigiert zunächst viel in New York: an der Metropolitan Opera und auch die New Yorker Philharmoniker. Nach Cleveland bringt George Szell große Visionen mit: Er will das Orchester zu einem „unübertroffenen“ Klangkörper machen, ein Weltklasseorchester. Dafür fordert Szell einiges: er selbst will nicht nur alle Programme aussuchen, sondern auch die Solisten, Gastdirigenten und natürlich die Musiker des Orchesters. In den ersten sechs Jahren tauscht Szell ganze 90 Musiker aus: das ist fast das komplette Orchester! Doch George Szell gibt auch viel: er probt wie besessen. Besonders wichtig ist es ihm, dem Orchester einzuschärfen, dass jeder einzelne Musiker auf die anderen Stimmen um sich herum hören muss. Es reiche nicht, genau auf den Taktstock zu schauen, kammermusikalisch sollen sie spielen. Quasi ein Streichquartett mit 100 Spielern. Besonders intensiv arbeitet Szell in den Proben am Rhythmus, aber auch an Artikulation und Phrasierung. Den Streichern erklärt er immer wieder, dass sie genau wie die Bläser atmen müssten, dann entstehe eine natürliche Phrasierung.

MUSIK 5 Joseph Haydn: Presto aus der Sinfonie Nr. 97 C-Dur Cleveland Orchestra, Leitung: George Szell, 1969 00149-CBS, 61291 LÄNGE 5‘15

Das Finale aus Haydns Londoner C-Dur Sinfonie: da hört man schon etwas davon, wie „geschmiert“ die Orchestermaschine Cleveland unter Szell funktioniert.

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Doch der Weg dorthin ist steinig, denn Szell ist ein absoluter Perfektionist, jedes Detail wird geprobt, geprobt und wieder geprobt. Sein Motto: „Da wo andere Orchester aufhören, da fangen wir erst an.“ Einige Musiker berichten, eine Probe unter Szell habe sich angefühlt wie an eine 220-Volt-Steckdose angeschlossen zu sein. Szell ist nämlich selbst unter Dauerspannung, weil er ein absoluter Kontrollfreak ist: so sehr, dass er angeblich sogar dem Reinigungspersonal in der auf die Finger schaut, welches Papier sie in den Toiletten verteilen…

Aber zurück zu den Proben: seinen Konzertmeister Josef Gingold hat Szell beim Detroit Symphony Orchestra abgeworben. Gingold bewundert Szell sehr und kann mit dessen harscher Art ganz gut umgehen. Wenn die Spannung mal wieder ins Unerträgliche wächst, weil Szell ewig an derselbe Stelle herumschraubt und einzelne Orchestermusiker vorführt, hat Gingold eine gute Taktik, um die Wogen zu glätten: er fragt einfach ganz harmlos nach einem Bogenstrich. Szell ist von Hause aus Pianist und Striche sind nicht gerade seine Stärke. Das weiß Gingold: er wirft ein paar Streicherbegriffe ein, woraufhin Szell dann hektisch in den Noten herumblättert und schließlich sagt: „Entscheiden Sie die Striche!“ Ablenkungsmanöver gelungen! Doch so glimpflich geht es nicht immer aus, selbst bei Musikern, die Szell mag wie etwa den Solooboisten Marc Lifschey. Auch ihn engagiert er selbst. Allerdings macht Lifschey während des Probespiels irgendwelche Atemgeräusche, die Szell stören, so dass der erst Mal einen anderen Oboisten nimmt. Aber dann ruft er doch Lifschey an: „Wenn Sie aufhören können zu schnauben und zu schniefen, dann habe ich einen Job für Sie.“ Lifschey nimmt an und bleibt ganze fünfzehn Jahre in Cleveland. Doch Lifschey ist ähnlich wie Szell auch ein Perfektionist und kein einfacher Charakter. Eines Tages ereignet sich in einer Probe folgendes: Szell unterbricht Lifschey, weil ihm etwas nicht gefällt. Doch der lässt sich nicht einschüchtern wie so viele andere, sondern entgegnet: „So spiele ich das. Wenn es Ihnen nicht gefällt, können Sie sich jemand anderen suchen, der das spielt.“ Szell nimmt ihn beim Wort und antwortet: „Mr. Lifschey, Sie können dieses Orchester verlassen.“ Zwei ziemlich harte Hunde, die sich nichts schenken, sind da aufeinandergetroffen.

MUSIK 6 Wolfgang Amadeus Mozart: Menuett aus dem Divertimento D-Dur KV 131 Cleveland Orchestra, Leitung: George Szell 00149-CBS, 78218A LÄNGE 4‘52

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Wolfgang Amadeus Mozart: das erste Menuett aus seinem Divertimento KV 131 mit dem Cleveland Orchestra, geleitet von George Szell. Da war der Oboist Marc Lifschey noch dabei, 1965 hat er das Orchester dann verlassen, nach dem Eklat bei der Probe mit Szell. Er entschuldigt sich hinterher zwar bei ihm, aber da ist nichts mehr zu machen: Szell bleibt hart.

Mit seiner unglaublichen Arbeitsmoral hat Szell das Cleveland Orchestra berühmt gemacht. Seit dieser Zeit wird immer wieder der besondere „Cleveland Sound“ beschworen: präzise, klar und transparent. Szell hat viel Anerkennung und Lob für seine Arbeit erhalten, aber sein Probenstil – nicht nur seine unwirsche Art – haben ihm einiges an Kritik eingebracht: Szell sei uninspiriert, ohne Poesie. Und als Perfektionist neigt er dazu, zu viel zu proben: Die Musiker erinnern sich, dass er wie ein Apotheker jedes Milligramm auf die Waage legt. Das geht auf Kosten der Spontanität im Konzert, finden sie. Anders als Szell. Der sagt in einer Probe: „Ich will, dass diese Phrase völlig spontan klingt. Dafür werden wir sie jetzt bis ins kleinste Detail proben“ Und diesmal lachen die Musiker sich kaputt: so unterschiedlich können die Ideen sein, wie man etwas spontan klingen lassen kann. Aber letztlich überzeugt natürlich das Ergebnis.

MUSIK 7 Antonin Dvořák: Slawischer Tanz B-Dur op. 72, 6 Cleveland Orchestra, Leitung: George Szell LC 06868-Sony Classical, 8935455 LÄNGE 4‘06

Ein Slawischer Tanz in B-Dur von Antonin Dvořák mit George Szell und dem Cleveland Orchestra. Als das Orchester 1970 auf seine erste Asien Tournee geht, ist neben Szell auch Pierre Boulez dabei und dirigiert einige Konzerte. Schon da ist Szell nämlich krank und im Sommer des Jahres stirbt er im Alter von 73 Jahren. Boulez steht dem Orchester für zwei Jahre als musikalischer Berater zur Seite, bis übernimmt.

Allerdings nicht zur Freude der Musiker: kaum einer stimmt für Maazel als neuen Chef. Es ist das Management, das sich für das ehemalige amerikanische Wunderkind entscheidet. Schon als Junge wurde „little Maazel“ nämlich am Pult von hochkarätigen Orchestern für seine Schlagtechnik gefeiert. Ja seine Technik ist hervorragend: darüber sind sich alle einig, aber mit seiner Person und seinen musikalischen Vorstellungen, werden die Musiker des Cleveland

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Orchestras erst Mal nicht so richtig warm. Ein Kritiker schreibt am Anfang von Maazels Zeit in Cleveland: unter Szell habe das Orchester geklungen wie „ein Streichquartett“ unter Maazel „wie eine Orgel“: also alles zu viel, zu klanggewaltig, zu farbig. Aber was Maazel dann über die Jahre doch gelingt ist, dass der Cleveland-Sound voller klingt und flexibler wird. Das Repertoire erweitert er von der Klassik mehr in Richtung Romantik und er macht sich auch für zeitgenössische Komponisten stark: besonders für amerikanische. Ein besonderer Coup gelingt ihm mit der Aufführung und Einspielung der kompletten Oper „Porgy and Bess“ von George Gershwin. Nach einigem hin und her sind auch – wie von Gershwin gewünscht – alle Hauptrollen mit afroamerikanischen Sängerinnen und Sängern besetzt.

MUSIK 8 George Gershwin: „Oh, I got plenty o notting“ aus der Oper “Porgy and Bess” Williard White, Porgy Cleveland Orchestra, Leitung: Lorin Maazel 00171 Decca, 414559-2 LÄNGE 2‘33

„Oh, I got plenty o notting“ singt Williard White als Porgy in „Porgy and Bess“ von George Gershwin. Zu hören war außerdem der Cleveland Orchestra Chorus und das Cleveland Orchestra geleitet von Lorin Maazel. Aufgeführt 1975 beim Blossom Festival des Cleveland Orchestras und vorher bereits aufgenommen.

„Christoph the Who?“ fragen die Musiker als Christoph von Dohnanyi 1984 nach Cleveland kommt. Dohnanyi hat zwar schon einige amerikanische Orchester dirigiert, aber Karriere hat er in Europa gemacht: unter anderem als Chef in Frankfurt und Hamburg. Mit dem Nachnamen Dohnanyi tun sich die Amerikaner schwer und so wird aus Christoph „the Who“ bei den Musikern kurzerhand CvD. Da sind sie ganz pragmatisch die Amerikaner. Schlagtechnisch steht er Maazel in nichts nach, aber musikalisch knüpft Christoph von Dohnanyi eher bei Szell an. Der entscheidende Unterschied in den Proben zwischen Szell und Dohnanyi: Dohnanyi ist nett! Wahrscheinlich, weil es einfach seinem Charakter entspricht, aber er ist sich auch sicher: ein Diktator kann das Orchester nicht wirklich mitnehmen. Nur wenn ich die Musiker von meiner musikalischen Vorstellung überzeuge, kommt das dabei heraus, was ich möchte. Und was er möchte, dass ist Wärme und Eleganz. Die fügt Dohnanyi der Präzision und Klarheit von Szell hinzu. Und so klingt das: Christoph von Dohnanyi mit dem Cleveland Orchestra: sie spielen das Finale aus den Variationen über ein Thema von Haydn von Johannes Brahms.

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MUSIK 9 Johannes Brahms: Finale aus den Variationen über ein Thema von Joseph Haydn op. 56a Cleveland Orchestra, Leitung: Christoph von Dohnanyi 03706-TELDEC, 8.44005 LÄNGE 3‘36

Christoph von Dohnanyi mit dem Cleveland Orchestra und dem Finale aus den Variationen über ein Thema von Haydn von Johannes Brahms.

Dohnanyis Nachfolger Franz Welser-Möst arbeitet so gerne mit dem Cleveland Orchestra, dass er seinen Vertrag letztes Jahr bis 2027 verlängert hat: dann ist er noch länger in Cleveland als der legendäre George Szell!

Und damit geht unsere SWR 2 Musikstunden Woche zu Ende: wir waren zu Besuch bei amerikanischen Spitzenorchestern: in Cleveland, Boston und New York. Wenn Sie nochmal etwas davon Anhören möchten: Sie finden die Sendungen online im Netz bei swr2.de. Ich bin Susanne Herzog: danke fürs Zuhören und einen schönen Vormittag noch mit SWR2.

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