Franz Fühmann Zum Ort, an Dem Er Am Liebsten Seine Geschichten Schrieb
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MOZ Pfingsten 2012 Journal 3 Was machen Genügsamer Wald-Arbeiter eigentlich – Ein kleiner Bungalow in Märkisch Buchholz wurde für Franz Fühmann zum Ort, an dem er am liebsten seine Geschichten schrieb. Eine neue Gedenkstätte soll an den Autor erinnern / Von Danuta Schmidt The Chieftains? ine Wiese von solch freund- Elichem Grün, dass man Lust bekommt, einen Topf Milch darüber zu gießen.“ Franz Füh- mann hat das geschrieben. Der Autor ist seit 28 Jahren tot. Auch das Land, in dem er lebte und in dem er trotz aller Kritik bleiben wollte, gibt es nicht mehr. Füh- manns Lebensmittelpunkt war Märkisch Buchholz, eine Klein- stadt am Rande des Spreewaldes. Dort wurde er 1984 begraben. Doch die Faszination an seiner Per- son und seinem Werk hält an, bes- Die großen alten Herren ser: wird wieder entdeckt. Gerade erschien beim Rostocker Hinstorff des Irish Folk sind seit 50 Jahren Verlag die Neuauflage des belieb- im Geschäft / Von Nina Sündermann ten Kinderbuches „Die Suche nach dem wunderbunten Vögelchen“, 1963 von Rolf Losansky mit Fred s gibt nicht viele Bands, die 50 Jahre lang Delmare und Ernst-Georg Schwill durchhalten. Die Rolling Stones gehören zu bei der Defa verfilmt. Fast monat- Ediesen Ausnahmen, und die Beach Boys ge- lich finden Lesungen aus seinen hen in diesen Tagen wiedervereint zum 50-jährigen Texten statt. Jubiläum auf Tour. Geschafft haben das magische Märkisch Buchholz besitzt mit halbe Jahrhundert auch The Chieftains, und die dem Schriftsteller ein kulturelles Iren feiern das Ereignis mit dem gerade erschie- Erbe wie die Gemeinden Bohsdorf nenen Album „Voice Of Ages“ (Rounder/Univer- mit Erwin Strittmatter und Carwitz sal). Auf der von T-Bone Burnett produzierten CD sind nicht nur die Musiker selbst zu hören, son- „Die Suche nach dern eine ganze Phalanx von jungen Kollegen un- terschiedlichster Couleur. dem wunderbunten Die Chieftains, Urgestein der modernen irischen Vögelchen“ gerade Folkmusik, haben in ihrer langen Karriere immer wieder aufgelegt einmal wieder über den Rand ihrer Grünen Insel – etwa nach Kuba und China – hinausgeblickt. Unter ihren mehr als 40 Alben waren etliche, auf mit Hans Fallada. Die Menschen, denen sie mit prominenten Kollegen zusammen- die hier und in der Umgebung le- gearbeitet haben. Großen Erfolg hatten sie 1995 mit ben, aber müssen diesen Schatz „The Long Black Veil“, wo neben anderen Sting, noch entdecken. In diesem Som- Mick Jagger, Sinead O’Connor und Mark Knopfler mer soll in der ehemaligen Schule zu hören waren. „Tears Of Stone“ aus dem Jahre in Märkisch Buchholz, in der Franz Spartanische Bleibe: Franz Führmann (1922–1984) an seinem Arbeitsplatz in Märkisch Buchholz Repro: MOZ/Dietmar Horn 1999 war eine Sammlung von Liebesliedern, und Fühmann oft vor Kindern aus sei- zu den Gästen der Chieftains darauf zählten weib- nen Geschichten las, eine neue Ge- gerverein des Kulturzentrums. Un- kritischeren Leser. „Er fuhr immer Bibliothek des Schriftstellers und ruhiger und unbehelligter schrei- liche Stars wie The Corrs, Bonnie Raitt, Joan Os- denkstätte entstehen. ter diesem Dach soll neben der Ver- mit wehendem Lodenmantel auf Herausgebers. Werke von E. T. A. ben als in seiner Berliner Wohnung borne, Loreena McKennitt und Joni Mitchell. In einer Baracke gegenüber der mittlung des kulturellen Erbes auch seinem klapprigen Fahrrad vom Hoffmann, Karl Kraus, Sigmund am Strausberger Platz 1, die mehr Mit „The Essential“ veröffentlichten die Iren Schule gibt es seit 1997 die „Be- kulturelle und integrative Jugend- Bahnhof Halbe nach Märkisch Freud, Hilde Domin und Rosa Lu- und mehr als Bücherlager diente. bereits 2006 eine Art „Best of“. Das Doppelalbum gegnungsstätte Franz Fühmann“. arbeit vor Ort betrieben werden. Buchholz“, erinnert sich Torsten xemburg. Alle waren in Kartons Eine ehemalige Lehrerin beschrieb enthielt neben tradi- Sie ist marode geworden, Podiums- Monika Pause hat vor zwei Jah- Woitke. Vor seiner Klasse hatte verpackt, fertig für den Handel. Es seine Lebensverhältnisse auf dem Starproduzent tionellen Instrumen- diskussionen, Symposien, Lesun- ren gemeinsam mit dem DJO den Fühmann einst „Prometheus“ vor- waren die Quellen, aus denen Füh- Land etwas erschrocken: „Innen tals einen Überblick gen sind dort nicht mehr denk- Kontakt zum „Franz-Fühmann- getragen. „Ich war vielleicht zwölf mann sein eigenes Werk speiste: gab es zwei kleine Räume, von T-Bone Burnett über die Crossover- bar. So entschieden sich vor zwei Freundeskreis“ gesucht. Sie ist Jahre alt. Er hat uns Kinder sehr Prosa, Nachdichtungen, Märchen, denen der eine vollgepackt mit machte das neue Zusammenarbeit mit Jahren Mitglieder des 1999 in Ber- Fühmann-Fan, hat alles gelesen, ernst genommen, und er begab Kinderbücher. Heute gehört diese Sachen und damit unbewohnbar Album möglich Kollegen wie Van lin gegründeten Franz-Fühmann- was er geschrieben hat: „Das Ju- sich auf Augenhöhe zu uns.“ äußerst vielseitige Bibliothek, die war. Bücher über Bücher, die Re- Morrison, Emmylou Freundeskreises am runden Tisch denauto“, „Das Ohr des Diony- Woitke, selbst Märkisch Buch- nicht nur internationale Belle- gale waren vollgestopft, ein Stapel Harris und Jackson mit der Kommune für das leer ste- sios“, „Das Ruppiner Tagebuch“. holzer, gehört zu den Mitgliedern tristik, sondern Bände über Me- neben dem anderen lagen sie auf Browne. Vor zwei Jahren folgte mit „San Patricio“ hende Schulgebäude als neuen Als Kindergärtnerin in Berlin-Wei- des Franz-Fühmann-Freundeskrei- dizin, Kunst und Politik sowie dem Fußboden.“ ein gemeinsames Projekt mit Ry Cooder auf den Spielort. Neben einem Literatur- ßensee und stellvertretende Che- ses – wie auch Volker Scharnef- Widmungsbücher prominenter Morgens um sechs Uhr begann Spuren irisch-mexikanischer Geschichte. café, einem historischen Klassen- fin der Vielfarb-Kitas hat Monika sky. „Für mich ist Fühmann einer Zeitgenossen auf- Fühmann mit dem Was blieb nach solchen Höhepunkten noch Be- zimmer, einer Bibliothek und ei- Pause die Lesestube in der Kita der wichtigsten DDR-Schriftstel- zuweisen hat, zu Viele seiner Schreiben bis in sonderes zur Feier des 50-Jährigen? Eigentlich habe ner Ausstellung soll dort auch das ins Leben gerufen. „Unsere Kin- ler“, sagt er. „Seine Literatur ist den Historischen den frühen Nach- er zunächst an ein reines Chieftains-Album ge- Büro der Bürgermeisterin unterge- der kennen kaum Bücher“, sagt wertvoll, auch über die Grenzen Sammlungen der Werke tragen mittag. Die Arbeit dacht, zitierte die „New York Times“ Frontmann bracht werden. sie. „Wir wollen bei ihnen die Deutschlands hinaus.“ Zentral- und Lan- autobiografische war für ihn Dauer- und Gründungsmitglied Paddy Moloney in einem Das Geld für die bauliche Umset- Freude am Lesen wecken. Wenn Scharnefsky hat einen unge- desbibliothek Ber- Züge training, permanen- Interview. „Aber ich habe gerne ein Konzept, dem zung zahlt der Landkreis Dahme- ein Buch verschwindet, haben wir wöhnlichen Zugang zu Fühmann. lin. ter Prozess. Nach ich folgen kann. Ich dachte an die neuen Bands, die Spreewald. Auch der Jugendver- unser Ziel erreicht.“ In einem Antiquariat am Prenz- Es ist ein gro- außen sah es nach rauskommen, und man hat mir die Idee schmack- band DJO (Deutsche Jugend des Auch Fühmann schrieb und las lauer Berg fand der Bibliothekar ßer Schatz, den Scharnefsky da- Chaos aus. Er beschrieb allein haft gemacht herauszufinden, wie unsere Musik, Ostens) ist mit im Boot. Er ist Trä- für Kinder. Sie waren für ihn die 2003 zufällig 15 000 Werke – die mit retten konnte. Hier kann man etwa 4000 Karteikärtchen in sei- was wir mögen, unsere Songs, zu deren Musik Werke in die Hände nehmen, die nen sogenannten Zettelkästen mit passen würde“, erklärt der 73-Jährige. Fühmann bekritzelte, benutzte, Gedanken, Naturbeschreibungen, Starproduzent T-Bone Burnett machte es mög- bearbeitete. Man findet Randno- Erinnerungen, Eindrücken. lich, empfahl jün- tizen, Dutzende Lesezeichen, An- Viele seiner Werke tragen auto- gere Künstler aus streichungen: Fühmanns Werk in biografische Züge, zeigen, wie der Indie-Rock, Ame- diesen Werken. „Er war ein un- ehemalige Sudetendeutsche, Na- ricana, Rockabilly ermüdlicher Arbeiter, ein Arbeits- zianhänger, Sozialist und Kritiker und keltischem vieh. Und er war literarisch hoch- des Sozialismus sich mit dem Wan- Folk und stellte wertig.“ del und dem eigenen Wandeln aus- auch gleich den In Märkisch Buchholz sah man einandersetzt, zeigen Selbstrefle- Kontakt her. „Ich Fühmann häufig auf der Post. Dort xionen, Selbstzweifel als Mensch hatte von vielen gab er seine Korrespondenzen auf, und als Dichter. Fühmanns Werk dieser Leute noch erhielt stapelweise Telegramme, oft ist Zeitgeschichte. „Was wäre noch nicht gehört“, zi- von prominenten Absendern. Al- von ihm gekommen, wenn er län- tiert das „Bill- lein 16 Jahre lang schrieb er sich ger gelebt hätte?“, fragt sich nicht board“-Magazin Briefe mit Christa Wolf („Monsieur nur Volker Scharnefsky heute. Moloney. „Aber – wir finden uns wieder“, Aufbau- sie schickten ei- Neugierig geblieben: Paddy Verlag 1995). Der Franz-Fühmann-Freundes- nige CDs rüber, Moloney heute und in den Gelebt hat der Autor äußerst an- kreis sucht in diesem Zusammen- und ich war rich- 70ern mit der Band (oben, spruchslos in einem Bungalow mit- hang Zeitzeugen, Nachbarn, ehe- tig überrascht.“ 2.v.r.) Fotos: AP, promo ten im Wald. Seit den Sechzigerjah- malige Schüler, Freunde und freut Das Material sei Soll eine Begegnungsstätte werden: die ehemalige Schule in Märkisch Buchholz. Stark macht sich dafür ren war diese spartanische Bleibe sich über Spenden; www.franz- großartig und von hoher