Welt-Sichten 6-2014, Juni
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12 SCHWERPUNKT HABRÉ VOR GERICHT 6-2014 | HABRÉ VOR GERICHT SCHWERPUNKT 13 Späte Strafe für einen Schlächter Im Krieg gegen den Terror verbündeten sich die USA vor 30 Jahren mit einem blutrünstigen Diktator. Jetzt wird er endlich vor Gericht gestellt. Eine Geschichte über ein dunkles Kapitel amerikanischer Außenpolitik und über den Kampf einer Handvoll mutiger Frauen und Männer für Recht und Gerechtigkeit. Von Michael Bronner ie Nerven lagen blank in N’Djamena, der man in Washington damit, dass es ihnen ein weite- Hauptstadt des Tschad, in der Nacht des 30. res Mal gelingen würde. Die Amerikaner waren von November 1990. Noch herrschte Präsident Habrés überlegenen militärischen Fähigkeiten über- DHissène Habré, der sich acht Jahre zuvor an die zeugt. Doch sie kannten die Sachlage nur aus den Macht geputscht hatte, aber er stand mit dem Rü- beschönigenden Berichten, die Habrés Entourage cken zur Wand. Von allen Seiten rasten von Libyen ihnen zukommen ließ. Der Minister dagegen wusste, finanzierte und ausgerüstete Rebellen auf die Stadt wie die Dinge wirklich standen: Möglicherweise wür- zu. Ihre Toyota-Pritschenwagen waren mit Maschi- den die Rebellen die Hauptstadt noch in dieser Nacht nengewehren bestückt und mit schwer bewaffneten erreichen, sagte er – viel früher als erwartet. Kämpfern beladen, denen der Wüstensand dank der Foulds brach eilends auf, um den CIA-Beauftrag- Tücher vor ihren Gesichtern wenig anhaben konnte. ten und Botschafter Richard Bogosian zu informie- Sie kamen aus einem Camp hinter der sudanesi- ren. Sie riefen sofort in Washington an und baten schen Grenze, 700 Meilen weiter östlich, und wur- um Weisungen – und um praktische Unterstützung. den von Idriss Déby befehligt, Habrés ehemaligem „Wir wollten versuchen, Habré zu retten“, sagt Bogosi- militärischem Berater. an. „Er hatte uns auf eine Art und Weise geholfen, zu Eigentlich war das nicht der ideale Zeitpunkt für der nicht viele bereit waren.“ eine diplomatische Dinnerparty. Der libanesische Die ganzen 1980er Jahre hindurch hatte der Konsul, der über reichlich Geld und gute Kontakte Mann, in dem die CIA den „Inbegriff des Wüstenkrie- verfügte, hatte sie in letzter Minute organisiert, weil gers“ sah, im Zentrum der verdeckten Operationen ihn einer von Habrés wichtigsten Ministern drin- gestanden, mit denen die Reagan-Regierung die gend darum gebeten hatte. Doch die zwei Dutzend Macht des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi Gäste, zu denen Mitglieder der tschadischen Elite, zu brechen versuchte. Gaddafi war als Drahtzieher Hissène Habré im Jahr 1975. Der französische Geschäftsleute und andere ranghohe des internationalen Terrorismus für die USA zu ei- Rebellenführer wurde sieben Ausländer gehörten, dienten nur als Kulisse für den nem Ärgernis und einer Bedrohung geworden. Ob- Jahre später im Alter von 40 Jah- Mann, um den es in Wirklichkeit ging: den amerika- wohl die Berichte aus dem Tschad über widerrechtli- ren Präsident des Tschad. Unter nischen Militärattaché Colonel David G. Foulds. che Hinrichtungen, Entführungen und Misshand- seinem Terrorregime wurden Der Minister zog sich mit Foulds in eine ruhige lungen in den Gefängnissen nicht abrissen und zu- Zehntausende gefoltert und Ecke zurück. „Er rauchte Kette, war sehr nervös und nehmend Besorgnis erregten, bildeten die USA ermordet. zitterte am ganzen Körper“, erinnerte sich Foulds Habrés Sicherheitskräfte aus; sein Regime wurde COrbIS später. Habrés Truppen hatten Débys Rebellen schon von der CIA und der Afrika-Abteilung des Außenmi- einmal zurückgeschlagen, und deshalb rechnete nisteriums insgeheim weiter aufgerüstet. Als Gegen- | 6-2014 14 SCHWERPUNKT HABRÉ VOR GERICHT leistung ging Habré unerbittlich gegen die libyschen habe mitten in der Nacht seinen Mercedes auf eines Truppen vor, die damals den Norden des Tschad be- der Transport ugzeuge vom Typ Lockheed L- setzt hielten. Sein Sturz würde alle Anstrengungen Hercules gefahren, das er von den USA bekommen des vergangenen Jahrzehnts zunichte machen. hatte. Mit wenigen Getreuen og er in den Senegal Außerdem stellten die nach N’Djamena eingesi- und landete in Dakar, wo man ihm – vermutlich ver- ckerten libyschen Geheimagenten eine unmittel- mittelt vom französischen Geheimdienst – Exil ge- bare Bedrohung dar, denn ungeachtet der he igen währte. Der Tschad ist eines der ärmsten Länder in Proteste amerikanischer Experten hatte die CIA ein Afrika, doch Habré soll genug Geld aus der Staatskas- Dutzend Stinger-Raketen an Habré geliefert. Diese se gestohlen haben, um sich in Dakar ein solides Si- Ein-Mann-Lu abwehrraketen, die von der Schulter cherheitsnetz zu knüpfen: Seine Mittel reichten aus, aus abgefeuert werden, waren bei den Rebellen und um Politiker, religiöse Führer, Journalisten und die Terroristen der ganzen Welt äußerst begehrt. Da Polizei zu bestechen und sich zwei üppige Villen ein- Gadda seine Bereitscha demonstriert hatte, auch zurichten. Hier konnte er viele Jahre lang unbehel- Passagier ugzeuge zum Absturz zu bringen, durf- ligt leben. ten sie unter keinen Umständen in seinen Besitz Aber nicht für immer. Als Débys Truppen gelangen. N’Djamena im Lauf des folgenden Vormittags unter Und es gab ein weiteres Problem: Einige Kilome- ihre Kontrolle brachten, üchteten die Bewacher der ter außerhalb der Hauptstadt hatte die CIA ein Trai- geheimen Gefängnisse, und die Insassen verließen ningslager eingerichtet, in dem eine libysche Elite- ihre Zellen. Die Straßen füllten sich mit abgemager- truppe für den Kampf gegen Gadda ausgebildet ten politischen Gefangenen, an deren Narben man wurde – mindestens Mann, die von der CIA un- erkennen konnte, dass sie gefoltert worden waren. ter anderem mit sowjetischen Panzern ausgestattet Sie erzählten von Hinrichtungen, Massengräbern wurden. Die würden sie nicht ohne weiteres wieder und unsäglichen Gräueltaten. Einer von ihnen war hergeben. Wenn Débys von Gadda nanzierte Souleymane Guengueng, ein ehemaliger Buchhalter, Truppen und die von der CIA ausgerüsteten Libyer der fast zweieinhalb Jahre lang gefangen gehalten aufeinander träfen, wäre ein Blutbad in der Haupt- und gefoltert worden war. Dabei war er körperlich stadt unvermeidlich. zum Wrack geworden und fast erblindet. Doch ihm Nach der Party in der libanesischen Botscha ist es zu verdanken, dass Habré im Jahr von sei- brach auf den Straßen N’Djamenas das Chaos aus, ner Vergangenheit eingeholt wurde. als sich Gerüchte über den Zusammenbruch von Ha- brés Truppen ausbreiteten. Seit dem Ende der Kolo- nialzeit hatte es im ethnisch heterogenen Tschad immer gefährliche Spannungen gegeben: Im Süden lebten Christen, im Norden verschiedene muslimi- Tschad sche Gruppierungen, die alle mehr oder weniger ver- feindet waren, obwohl sie nach Bedarf wechselnde Sabhah Bündnisse eingingen. Diese Spannungen hatten sich AFRIKA unter Habré enorm verschär . Er gehört zum Volk LIBYEN der Gorane, und solange er an der Macht war, hatten es sich die Angehörigen seiner Ethnie gut gehen las- ÄGYPTEN sen. Jetzt üchteten sie mit schwer beladenen Fahr- Aozou i zeugen panisch aus der Stadt, bevor die Zhagawa t T i b e s einrückten, die von Habré brutal unterdrückt wor- den waren und deshalb für Déby kämp en. S a h a r a In der amerikanischen Botscha zog Foulds sich Wadi Doum eine kugelsichere Weste über und legte ein gelade- Faya-Largeau nes Gewehr neben sich. Während die ersten Rebellen NIGER in der Stadt eintrafen, fütterte er zusammen mit ei- nem Mitarbeiter den Reißwolf mit geheimen Akten TSCHAD und zerstörte die Kommunikationssysteme, denn er Tschad- SUDAN fürchtete, die Botscha würde den Rebellen in die see Hände fallen. Der CIA-Beau ragte tat in seinem Büro in einem anderen Stockwerk das gleiche. N’Djamena Unterdessen ging bei Botscha er Bogosian ein Anruf aus Washington ein: Zwei C- Starli er wur- Tschari den aufgetankt und mit Wa en, Munition und ande- NIGERIA rem Material beladen, um Habré Beistand zu leisten. Muslime „Sie standen startbereit auf der Piste“, sagt Bogosian. „Doch wir riefen zurück und sagten: ‚Bleibt zu Hause, ZENTRAL- Christen es ist zu spät.‘“ KAMERUN AFRIKANISCHE REPUBLIK So sah es auch Habré, der noch nie zuvor einem 200 km Quelle: © www.nationmaster.com Kampf ausgewichen war. Es heißt, der Wüstenkrieger - | HABRÉ VOR GERICHT SCHWERPUNKT 15 1999: Ein Opfer des Terrors nmittelbar nachdem Hissène Habré im Jahr Die Anklage betraf nur einen Bruchteil der von 1982 an die Macht gekommen war, geriet er Pinochet begangenen Verbrechen, aber sie genügte, ins Visier von Menschenrechtsaktivisten aus um der Menschenrechtsbewegung neue Hoffnung Uvielen Ländern. Noch bevor ein Jahr vergangen war, zu geben und in den Kreisen konservativer Diploma- veröffentlichte Amnesty International einen ersten ten Panik zu verbreiten. „Von nun an sind alle ehe- Bericht über politische Morde im Tschad. Dennoch maligen Staatschefs potenenziell gefährdet“, zeterte blieb er jahrzehntelang im Wesentlichen unantast- die ehemalige britische Premierministerin Margaret bar. Als Präsident des Tschad stand er unter dem Thatcher und beklagte den Angriff auf die diplomati- Schutz des mächtigsten Staates der Welt, und danach, sche Immunität, zumal er einem Politiker galt, den im Exil, genoss er lebenslange Immunität, die ehe- sie zu ihren Freunden zählte. „Mit diesem Schritt maligen Staatschefs nach internationaler Tradition wurde die Büchse der Pandora geöffnet, und wenn gewährt wird. Diese Immunität stand im Wider- Senator Pinochet nicht sicher nach Hause zurückge- spruch zur Antifolterkonvention der Vereinten Nati- langt, besteht keine Hoffnung mehr, sie je wieder zu onen: Sie