Einführung in Die Ausstellung Zur »Herrenchiemsee-Konferenz
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CHIEMSEE-KONFERENZ Kurt Faltlhauser* Herrenchiemsee: Klosterinsel, Königsinsel, Verfassungsinsel Einführung in die Ausstellung zur »Herrenchiemsee- Konferenz« anlässlich des 70. Geburtstages von Prof. Hans-Werner Sinn der aus der Versenkung holte: Er errichtete im Jahr 2009 die erloschene Diözese wieder als Bistum. Chiemsee ist seitdem das einzige Titularbistum in Deutschland. Hierzu gibt es zwar keine päpstliche Urkunde, wohl aber steht dies inzwischen offiziell im päpstlichen Jahrbuch. Die Herreninsel als »Königsinsel« hat ihre eigene Geschichte: Ludwig II. wollte zunächst auf der Insel Kurt Faltlhauser Wörth im Staffelsee sein französisches Schloss bauen. Doch die Erwerbung der Insel scheiterte an der Stand- haftigkeit ihrer Besitzer. Parallel hatte auf der größten KLOSTERINSEL UND KÖNIGSINSEL Insel im Chiemsee ein Besitzwechsel stattgefunden: 1871 kaufte ein Konsortium württembergischer Holz- Die große Insel im Chiemsee, Herrenchiemsee, hat händler die Herreninsel, um den wertvollen Waldbe- eine große Geschichte in dreierlei Hinsicht: Zum einen stand in Gänze kahlzuschlagen. König Ludwig II. wollte war sie bedeutendes kirchliches Zentrum, dann dies verhindern und erwarb die Insel 1873. Fünf Jahre brachte König Ludwig II mit dem »Neuen Schloss« später legte er den Grundstein zum Neuen Schloss, in herrschaftlichen Glanz, und im Jahr 1948, dem dem er nicht nur sein großes Idol (den König der Fran- Geburtsjahr von Hans-Werner Sinn, wurde auf der zosen Ludwig XIV.) verherrlichen wollte, sondern den Insel durch den »Verfassungskonvent« deutsche Absolutismus als solchen. Im ganzen Neuen Schloss Geschichte mitgeprägt. gibt es keinen Hinweis auf Bayern, auf bayerische Per- Die Klostergeschichte auf der Herreninsel sönlichkeiten oder auf bayerische Symbole. Das doku- begann bereits 620; in dieser Zeit wurde nach mentiert eine Begebenheit aus der jüngsten Vergan- archäologischen Untersuchungen eine erste Kloster- genheit: Ludwig II. hatte sich im Schlafzimmer eine anlage aus Holz errichtet: Das mit Abstand älteste Replik des Schlafzimmers von Versailles bauen lassen. Kloster auf bayerischem Boden! Im achten Jahrhun- Die eifrigen Künstler verzierten das große Bett am dert gab es bereits ein Kloster aus Stein, 1217 wurde Fußende links und rechts mit großen holzgeschnitz- Herrenchiemsee zum Zentrum des neu gegründeten ten, vergoldeten Löwen – dem Symbol bayerischer Bistums Chiemsee. Die Entwicklung in den darauffol- Kraft und Eigenständigkeit. Ludwig II. ließ diese bei- genden Jahrhunderten war einerseits geprägt von den Löwen, als er sie bei einer Besichtigung wahr- Verfall, andererseits von Wiederbelebung, Neubau nahm, sofort wieder entfernen und in München lagern. und auch glanzvoller Ausgestaltung. So entwarf 1738 Ein restauriertes Exemplar dieser goldenen Herren- Johann Baptist Zimmermann das Deckengemälde des chiemsee-Löwen konnte auf diese Weise das Bayeri- Bibliotheksaales, das glücklicherweise bis heute sche Finanzministerium Finanzminister Söder bei sei- erhalten ist. 1803 wütete auch auf der Herreninsel die ner Verabschiedung in die Staatskanzlei überreichen. Säkularisation. Nach 1818 wandelte der damalige Dieser von Ludwig II. verschmähte Löwe steht heute Eigentümer, ein Münchner Großkaufmann, die säkula- im Kabinettssaal am Hofgarten. risierte Stiftskirche in ein Brauhaus um; eine Zerstö- Nach der Revolution 1918 wurde der Freistaat rung, die bis heute nicht wieder beseitigt werden Bayern Besitzer der Insel. In einer langen Folge von konnte. Im Gegensatz zu anderen Klöstern wurde in Restaurierungen wurde im Neuen Schloss zusätzlich der Zeit Ludwig I. das Kloster Herrenchiemsee nicht eine Ludwig-II.-Ausstellung eingerichtet; vor allem ist wieder restituiert. Vor diesem Hintergrund ist es hervorzuheben, dass der östliche Seitenarm des erstaunlich, dass Papst Benedikt XVI. das Bistum wie- Schlosses, der nie vollendet worden war, für Ausstel- lungszwecke wunderbar präpariert wurde. Moderne * Prof. Dr. Kurt Faltlhauser war von 1994 bis 1995 Parlamentarischer Kunst in großen Räumen mit blanken roten Ziegel- Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, von 1995 bis 1998 Bayerischer Staatsminister und Leiter der Staatskanzlei und von wänden ist heute ein (leider zu seltenes) 1998 bis 2007 Bayerischer Staatsminister der Finanzen. Kunsterlebnis. 60 ifo Schnelldienst 18 / 2018 71. Jahrgang 27. September 2018 CHIEMSEE-KONFERENZ Im Komplex des Augustiner Chorherrenstiftes maliger Anlauf wurde in der Außenministerkonferenz wurden neben generellen Sanierungen (auch in den in London vom 25. November bis 15. Dezember 1947 Räumen mit Wohnrecht des Hauses Wittelsbach) eine versucht; auch diese »Konferenz der letzten Chance« große Ausstellung des Chiemsee-Malers Julius Exter scheiterte. Die Einheit Deutschlands war nicht und eine weitere Ausstellung der sogenannten Chiem- mehr erreichbar. Die Westalliierten stießen see-Maler eingerichtet. Im Zentrum der Präsentatio- deshalb die Schaffung der DM an, die am 20. Juni 1948 nen, im ehemaligen Kloster, steht jedoch die Ausstel- den Bürgern ausgegeben wurde, ein »vorweg lung zum Verfassungskonvent im Jahr 1948. genommener Gründungsmythos der Bundesrepublik« (Wolfgang Reinicke). Die UdSSR folgte nur drei Tage DIE VERFASSUNGSINSEL später mit der Ostmark und mit der gleichzeitigen Blockade Berlins, die 322 Tage lang anhalten sollte. Die Zeit bis zum Verfassungskonvent Ein weiterer Einigungsversuch war von Minister- präsident Hans Ehard unternommen worden: Er lud die Die Zeit zwischen 8. Mai 1945 bis 1. Juli 1948 war von Ministerpräsidenten – sowohl der Westländer als auch einer katastrophalen Ernährungssituation, Wohnungs- der Ostländer – am 7. Mai 1947 nach München ein. Erst- not, Arbeitslosigkeit und einer großen Zahl von Selbst- mals seit Kriegsende saßen die deutschen Ministerprä- morden geprägt. Mit erheblichem Aufwand betrieben sidenten an einem Tisch. Ziel war es, die Einheit der die Alliierten die »Entnazifizierung«: 3,76 Mio. Personen Deutschen zu wahren. Das Scheitern der Konferenz war waren vom »Befreiungsgesetz« betroffen. 950 000 Per- jedoch vorgeprägt: Den Ministerpräsidenten der fran- sonen wurden individuell abgeurteilt. »Die statistische zösischen Zone war von der französischen Regierung Bilanz der Säuberung war eine Bilanz großzü- untersagt worden, über Fragen der deutschen Einheit giger Rehabilitierung: 1 654 Hauptschuldige, rund zu reden; umgekehrt war die Vorgabe der ostzonalen 22 000 Belastete und rund 1 006 Minderbelastete. Die Ministerpräsidenten nur, die Schaffung eines deut- Masse kam also mit dem Mitläuferprädikat davon.« schen Einheitsstaates zu diskutieren; der Versuch, in (Manfred Tremmel). Diese Zahlen beziehen sich auf das einer Konferenz die deutsche Einheit auf den Weg zu Gebiet der Westmächte; über die sowjetische Besat- bringen, musste scheitern. zungszone gibt es keine entsprechenden Daten. Dies war der Hintergrund eines historischen Bekannt ist von diesem Teil des Nachkriegsdeutsch- Datums: Am 1. Juli 1948 übergaben die drei Militär- lands vor allem das dunkle Kapitel der sowjetischen gouverneure Lucius D. Clay (USA), Sir Brian Robertson Internierungslager, in denen die schrecklichsten Haft- (Großbritannien) und Marie-Pierre Koenig (Frank- bedingungen herrschten. reich) im alliierten Hauptquartier in Frankfurt den elf Die Zeit zwischen 1945 und 1948 war gleichwohl Ministerpräsidenten der westlichen Besatzungszonen auch von Bemühungen, neue administrative und poli- drei Dokumente: tische Strukturen zu schaffen, geprägt. Alle entspre- chenden Vorgänge wurden dabei von den drei West- – Das Dokument I, in dem die Alliierten den Auftrag mächten gesteuert. Die Länder der US-Zone gaben formulierten, eine demokratische Verfassung zu sich Verfassungen, die 1946 jeweils mit Volksabstim- schaffen. Bedeutend dabei war die ausdrückliche mungen angenommen wurden. In der britischen Zone Betonung, dass der Staatsaufbau nach föderalisti- wurde erst im April 1947 gewählt, in der französischen schem Prinzip vorzunehmen sei. Die USA, die in Zone im Mai 1947. Interessant dabei: Die Länder der allen Fragen des demokratischen und administra- britischen Zone gaben sich ihre Verfassung erst nach tiven Aufbaus immer besonders ungeduldig waren, Verabschiedung des Grundgesetzes. setzten sich auch mit der Terminvorgabe durch, Am 1. Dezember 1946 wurde die Verfassung des dass die Länder spätestens zum 1. September 1948 Freistaates Bayern angenommen und ist dabei neben eine verfassungsgehende Versammlung einzube- der Verfassung des Landes Hessen die älteste der rufen hatten. deutschen Nachkriegsverfassungen. Im April und im – Das Dokument II gab die Überprüfung der gegebe- Mai wurde in den Landkreisen und in den Gemeinden nen Ländergrenzen in Auftrag. gewählt. – Das Dokument III beschrieb die Vorgaben des In Potsdam war vereinbart worden, in Deutsch- Besatzungsstatutes, in dem vor allem die Aufteilung land eine Wirtschaftseinheit zu realisieren. Die Ameri- der Zuständigkeiten der zunächst agierenden deut- kaner ergriffen hierzu die Initiativen, nur die Briten schen Institutionen und der alliierten Behörden nahmen jedoch das Angebot an. So entstand am festgelegt waren. 1. Januar 1947 die »Bizone«, ein »Vereinigtes Wirtschaftsgebiet«. Das Dokument I setzte die westlichen Ministerpräsi- Das dominierende Hauptthema dieser Zeit war denten erheblich unter Druck. Deren größter Wider- jedoch die Einheit Deutschlands. In einer Außenmi- stand entstand aus der einhelligen Auffassung, dass nisterkonferenz vom 10. März bis 24. April 1947 in man nicht dem Torso eines deutschen Staates eine Ver- Moskau