Kein Frühling in Bahrain. Politischer Stillstand Ist Die Ursache Für
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Problemstellung Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut Aktuell - für Internationale Politik und Sicherheit SWP Kein Frühling in Bahrain Politischer Stillstand ist die Ursache für anhaltende Unruhen Guido Steinberg Vor und nach dem zweiten Jahrestag des Beginns der Proteste vom Februar und März 2011 kam es in Bahrain zu schweren Unruhen. Ein Anlass war, dass kurz zuvor ein Gericht die mehrheitlich lebenslangen Haftstrafen gegen 13 Führer der blutig nieder- geschlagenen Proteste bestätigt hatte. Dass sich Anfang Februar 2013 Vertreter von Regierung und Opposition zum Dialog getroffen hatten, konnte die Lage nicht beru- higen. Die Ereignisse sind eher ein Beleg dafür, dass die Regierung in Manama auf Repression vertraut, während sie ihren internationalen Partnern versichert, auf Dialog und Reformen zu setzen. Zwar drängen die USA Manama dazu, ernsthafte Reformen einzuleiten, doch steht dem entgegen, dass Saudi-Arabien die Reformgegner wirksam unterstützt. Die USA, Europa und Deutschland sollten Bahrain und Saudi-Arabien ent- schiedener zu einem Politikwechsel auffordern. Wollen sie am Golf glaubwürdig sein, müssen sie überdies ihre Waffenverkäufe an diese Staaten begrenzen. Die Belieferung Saudi-Arabiens mit Leopard-Panzern, die für die Aufstandsbekämpfung konzipiert sind, verträgt sich nicht mit Bemühungen um eine friedliche Konfliktlösung in Bahrain. Bei den Mitte Februar 2013 in Bahrain wicklung, in der auf Seiten der Regierung zwischen schiitischen jungen Männern und die Verfechter des autoritären Sicherheits- Sicherheitskräften ausgefochtenen Straßen- staates die Oberhand gewinnen und kämpfen wurde ein Jugendlicher getötet. die moderaten schiitischen Oppositions- Seit nunmehr zwei Jahren herrschen Un- parteien wegen anhaltender Erfolglosigkeit ruhen in den schiitischen Dörfern rund um an Unterstützung verlieren – und sich eben Manama und auf der Insel Sitra. Fast jede deshalb unnachgiebiger zeigen, als dies Nacht kommt es zu Straßenschlachten, bei ihrer Überzeugung entspricht. denen in der »Bewegung des 14. Februar« lose miteinander vernetzte Jugendliche Sicherheitskräfte mit Molotow-Cocktails Frühling in Bahrain und Steinen angreifen. Die Polizei reagiert Am 14. Februar 2011 begannen in Bahrain mit Verhaftungen und willkürlichen Haus- Proteste gegen die Politik der Herrscher- durchsuchungen. Dieser Aufstand auf familie Khalifa. Sie waren eine direkte Reak- kleiner Flamme ist das Ergebnis einer Ent- tion auf den Sturz des ägyptischen Präsi- Dr. Guido Steinberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Naher / Mittlerer Osten und Afrika SWP-Aktuell 23 März 2013 1 denten Hosni Mubarak nur wenige Tage kräften damit die Möglichkeit, sich gänz- zuvor. Die mehrheitlich schiitischen lich der Niederschlagung der Proteste zu Demonstranten – Schiiten stellen zwischen widmen. 50 und 70 Prozent der bahrainischen Bevöl- Am 15. März verhängte König Hamad kerung – forderten eine Verbesserung ihrer b. Isa einen dreimonatigen Ausnahme- Lebensverhältnisse, mehr Arbeitsplätze zustand. Währenddessen räumten Sicher- und die Bekämpfung der in der Herrscher- heitskräfte den Perlenkreisel, wobei sie familie grassierenden Korruption. Außer- wiederum mehrere Demonstranten töteten. dem verlangten sie eine Ausweitung der Im Anschluss daran ließ die Regierung legislativen Kompetenzen der zweiten Kam- das Denkmal zerstören und den Platz weit- mer des Parlaments, eine Korrektur des räumig absperren, um eine Wiederholung Zuschnitts der Wahlkreise, der sunnitische der Proteste an diesem Ort zu unterbinden. Kandidaten begünstigt, und ein Ende der Noch im März benannte sie den Platz in Einbürgerung arabischer und südasiati- Faruq-Kreuzung um, nach dem zweiten scher Sunniten. Einige gingen noch weiter Kalifen Umar b. al-Khattab (reg. 634–644), und forderten den Rücktritt des seit 1971 der den Schiiten als Usurpator gilt und amtierenden Premierministers Khalifa b. besonders verhasst ist. Mit dieser demon- Salman Al Khalifa, der als Anführer der strativen Demütigung der schiitischen Hardliner in der Herrscherfamilie gilt. Bevölkerungsmehrheit ließ die Herrscher- Nach dem Vorbild der ägyptischen Pro- familie keinen Zweifel daran, dass ihr an teste auf dem Kairoer »Tahrir-Platz« ließen einem Ausgleich nicht mehr gelegen war. sich die Demonstranten auf einem großen Dies zeigte sich auch während einer un- Verkehrskreisel nahe des Zentrums von mittelbar nach der Invasion einsetzenden Manama nieder, der nach einem in seiner Verhaftungswelle, die zahlreiche Führungs- Mitte errichteten, von einer perlenförmigen persönlichkeiten der Protestbewegung Kugel gekrönten Denkmal »Pearl Round- erfasste. Sie wurden in anschließenden about« genannt wurde, das als Wahr- Verfahren zu langen Haftstrafen verurteilt. zeichen Manamas galt. Die Herrscher- Insgesamt starben rund 30 Personen wäh- familie reagierte schnell und ließ den Platz rend der Proteste, viele wurden verhaftet am frühen Morgen des 17. Februar gewalt- und brutal gefoltert; andere verloren ihre sam räumen – vier Demonstranten starben. Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst. In den folgenden Wochen setzten sich die Demonstranten erneut auf dem Platz fest und es kam mehrfach zu Zusammenstößen, Reform und Revolution während die Opposition zeitgleich mit dem Die Verhärtung der Fronten in Bahrain Kronprinzen Salman b. Hamad Al Khalifa erklärt sich aus der Enttäuschung der verhandelte. Opposition über den Verlauf eines Reform- Anfang März eskalierte die Situation, prozesses, der im Jahr 1999 einsetzte, mit weil einige Demonstranten den Sturz der großen Erwartungen verbunden war, aber Herrscherfamilie forderten, das nahegele- nur wenige greifbare Resultate zeitigte. gene Bankenviertel von Manama blockier- Dieser Prozess begann am 6. März 1999 ten und drohten, zum Palast des Königs mit der Thronbesteigung des damaligen zu marschieren. Daraufhin ersuchte die Emirs (und heutigen Königs) Hamad b. Herrscherfamilie Saudi-Arabien und den Isa (geboren 1950), der umgehend innen- Golfkooperationsrat um Hilfe. Am Mor- politische Reformen einleitete. Nach der gen des 14. März 2011 marschierten saudi- Islamischen Revolution im Iran 1979 arabische und emiratische Truppen in hatten bahrainische schiitische Islamisten Bahrain ein. Sie übernahmen strategische mehrfach versucht, die autoritäre Herr- Schlüsselpositionen in und um Manama schaft der sunnitischen Regentenfamilie zu und boten den bahrainischen Sicherheits- erschüttern. Im Dezember 1981 wurde ein SWP-Aktuell 23 März 2013 2 mit iranischer Unterstützung geplanter mehrere Forderungen: eine tatsächliche Staatsstreich vereitelt. Das Regime reagierte Gesetzgebungskompetenz für die gewähl- mit verschärfter Repression, die in den te Kammer des Parlaments, einen Neu- 1990er Jahren Anlass gab zu einer Serie von zuschnitt der Wahlkreise, die nach Ansicht Unruhen, die als »bahrainische Intifada« der schiitischen Opposition regimetreue bekannt wurden. Viele schiitische Opposi- sunnitische Kandidaten bevorteilten, und tionelle mussten damals das Land verlassen ein Ende der Einbürgerung von Sunniten oder wurden verhaftet. Hamad b. Isa ord- aus Pakistan, Saudi-Arabien, dem Irak, nete nun am Ende des Jahrzehnts die Frei- Syrien, Jordanien und Jemen. In den Augen lassung der politischen Gefangenen an und der Opposition wollte das Regime mit lud die Exilanten ein, in ihr Heimatland diesen Einbürgerungen die konfessionellen zurückzukehren. Mehrheitsverhältnisse im Land revidieren. Gleichzeitig kündigte der neue Emir Außerdem forderte sie, die wirtschaftliche demokratische Reformen an und gestattete und soziale Diskriminierung der Schiiten die Gründung politischer Vereinigungen. ebenso zu beenden wie die Vernachlässi- Sie durften zwar nicht Parteien genannt gung ihrer Wohngebiete. werden, ähnelten solchen aber doch. Die In den Jahren vor 2011 kam es immer Ankündigungen wurden in einer »Natio- wieder zu vereinzelten Unruhen, die im nalcharta« zusammengefasst, die im August/September 2010 eskalierten. Im Februar 2001 in einem Referendum die Vorfeld der für Oktober angesetzten Par- Zustimmung von mehr als 98 Prozent der lamentswahlen ließ die Regierung rund Wahlberechtigten fand. Die Begeisterung zwei Dutzend Führungspersönlichkeiten der Bevölkerung ließ aber schon 2002 stark der Opposition und etwa 140 ihrer An- nach, als deutlich wurde, dass die Familie hänger verhaften. Sie beschuldigte sie, Khalifa keineswegs bereit war, die Macht einen gewaltsamen Umsturz geplant zu zu teilen und die Diskriminierung der haben. In den folgenden Wochen demon- Schiiten zu beenden. Die 2002 verkündete strierten Jugendliche in den schiitischen neue Verfassung sah zwar die Einrichtung Dörfern rund um Manama; einige Proteste einer zweiten Parlamentskammer vor, eskalierten, als die Demonstranten Polizis- deren Mitglieder das Volk zu wählen hatte. ten angriffen. Ungeachtet dessen fanden Doch sollte parallel der bereits existierende die Wahlen statt. Doch zu diesem Zeitpunkt Konsultativrat, dessen Mitglieder vom lief bereits alles auf die große Konfronta- Herrscher ernannt wurden, als Oberhaus tion von Februar und März 2011 zu. fortbestehen – mit der Vollmacht, Gesetzes- initiativen der gewählten Parlaments- kammer zu blockieren. Auf diese Weise Die schiitische Opposition sicherte sich der von jetzt an »König« Ab 2001 bildeten sich zahlreiche politische genannte Emir von Bahrain faktisch das Vereinigungen, die maßgeblichen Einfluss Recht, sein Veto gegen die Gesetzgebung auf die zehn Jahre später stattfindenden des Parlaments einzulegen. Ereignisse nahmen. Die schon erwähnte Die wichtigste oppositionelle