Fakultät für Kulturwissenschaften Institut für Kulturanalyse

Lisa-Marie Ellen Linder-Goritschnig

UnDoing Gender in

Eine Figurenanalyse am Modell von Jens Eder & Judith Butler

Masterthesis zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts

Studienrichtung: Masterstudium Angewandte Kulturwissenschaft (L 066 842)

Betreuer: VAss. Dr. Reinhard Kacianka

Institut für Kulturanalyse Datum: 24.07.2019

Vorwort und Danksagungen

Meine Motivation für das vorliegende Arbeitsthema basiert auf meiner langjährigen Liebe zur japanischen (Populär-)Kultur, insbesondere den visuellen Medien Manga und . Schon als Kind war ich von der Vielfalt der Welten- und Daseinsangebote, welche in den japanischen

Zwillingsmedien möglich sind, fasziniert; eine Faszination, die bis heute anhält. Meine

Kindheit und Jugend verliefen nicht immer glücklich, weshalb ich stets versuchte, in fiktive

Universen und Figuren zu flüchten, mit dem Ziel jemand anderes zu werden. Von den

Regulationen und Grenzen des Alltags losgelöst, frei und stark – all diese Attribute gelten als genreweisend für Manga- und Anime-Charaktere. Allerdings war ich nicht alleine; die fiktionalen Wesen des japanischen Comic- sowie Animationsgenres beeinflussen seit ihren

Anfängen eine Vielzahl anderer (junger) Individuen, hinsichtlich der Stiftung von Identitäten und des Erwachsenwerdens. Manche Figuren wirken jedoch identitätsstiftender als andere: beispielsweise Haruka Tennō, besser bekannt als aus dem Mädchen-Manga-

Phänomen Sailor Moon (, 1994).

Sailor Moon gilt als Kultserie der 1990er Jahre und wird von Laien oftmals, neben Pokémon und Dragon Ball, als DER Anime identifiziert. Bei genauerer Beschäftigung mit dem Inhalt der

Materie fällt allerdings auf, dass die darin vermittelten Botschaften, komplexer und revolutionärer Natur sind, insbesondere bezüglich der Repräsentation von Sexualität und

Gender. Die androgyne Haruka Tennō verwirrte mit ihrer Beziehung zu Michiru Kaioh alias

Sailor Neptun, nicht nur ihre fiktiven Mitstreiterinnen, sondern ebenfalls ihre globalen

Rezipient*innen. „Ist sie nun ein Mann oder eine Frau?“ oder „Sind Sailor Uranus und Neptun mehr als nur enge Freundinnen?“ Fragen jener Art beschäftigten Zuseher*innen unterschiedlichsten Alters, Geschlechts, Ethnien sowie Kulturkreise – und schließlich auch mein jüngeres Ich. Sailor Moon zählte zu den liebsten TV-Serien meiner Kindertage und hat

nach wie vor einen Platz in meinem Herzen. Sowohl die heftige Kontroverse, die Sailor Uranus und Neptun sowie viele weitere Charaktere der Geschichte behaftete als auch die gesellschaftspolitischen Zensurmaßnahmen der alten US-amerikanischen Version, waren mir bis zu meiner Bachelorarbeit – welche sich ebenfalls mit Sexualität und Gender im Mädchen-

Manga auseinandersetze – jedoch fremd. Die Liebe der ikonischen Figuren von Uranus und

Neptun wurde amerikanisiert und auf den Status zweier Cousinen reduziert; ein Akt, welcher nicht nur unter den Fans des japanischen Originals, sondern auch der LGBTQ-Community

Entsetzen auslöste. Je mehr ich über die beiden Charaktere recherchierte, desto interessanter wurde ihre Geschichte, was mich dazu bewegte, mich näher mit Haruka alias Sailor Uranus zu befassen; diese Masterarbeit ist das Resultat.

An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei einigen lieben Menschen zu bedanken, die einen großen Teil zur Vollendung dieser Thesis beigetragen haben:

Meinem Mann und meiner Familie, die mir in schweren Zeiten stets liebevoll zur Seite gestanden, mir Mut gemacht und mich zum Lachen gebracht haben. Bei meiner lieben

Freundin Michelle Gigerl; Michelle, du weißt, dass ich dir für deine Hilfe, aber vor allem für das Ertragen meines Gejammers auf ewig dankbar sein werde. Bei dem Betreuer meiner

Masterarbeit Dr. Reinhard Kacianka, der mich über meine gesamte Studienzeit hinweg in jeder erdenklichen Weise unterstützt hat und in mir die Liebe zu Kulturwissenschaft geweckt hat.

Bei Herrn Mag. Dr. Peter Clar, welcher mir Judith Butlers Werk näherbrachte. Und zuletzt bei

Frau FOI Brigitte Pappler, ohne die ich meine Studienjahre nie so gut geschafft hätte.

Vielen lieben Dank für alles!

Lisa-Marie Linder-Goritschnig Klagenfurt, 27.06.2019

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich versichere an Eides statt, dass ich

- die eingereichte wissenschaftliche Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als

die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe,

- die während des Arbeitsvorganges von dritter Seite erfahrene Unterstützung, ein-

schließlich signifikanter Betreuungshinweise, vollständig offengelegt habe,

- die Inhalte, die ich aus Werken Dritter oder eigenen Werken wortwörtlich oder sinn-

gemäß übernommen habe, in geeigneter Form gekennzeichnet und den Ursprung der

Information durch möglichst exakte Quellenangaben (z.B. in Fußnoten) ersichtlich

gemacht habe,

- die eingereichte wissenschaftliche Arbeit bisher weder im Inland noch im Ausland einer

Prüfungsbehörde vorgelegt habe und

- bei der Weitergabe jedes Exemplars (z.B. in gebundener, gedruckter oder digitaler

Form) der wissenschaftlichen Arbeit sicherstelle, dass diese mit der eingereichten

digitalen Version übereinstimmt.

Mir ist bekannt, dass die digitale Version der eingereichten wissenschaftlichen Arbeit zur

Plagiatskontrolle herangezogen wird.

Ich bin mir bewusst, dass eine tatsachenwidrige Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

Lisa-Marie Linder-Goritschnig, BA Klagenfurt am 30.07.2019

Abkürzungen und Hinweise

Um eine bessere Verständlichkeit der Arbeit gewähren zu können, sollen folgende

Abkürzungen und Hinweise dienen:

Abkürzungen

• LLG: Lisa-Marie Linder-Goritschnig

Hinweise

• Sex und Gender: Wenn von Sex und Gender gesprochen wird, seien damit stets Judith

Butlers Kategorien gemeint, welche für das anatomische Geschlecht und sozial

konstruierte, beziehungsweise Geschlechtsidentitäten, stehen.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung ...... 3

A) 1 Gender- und Queer-Theorien ...... 5

A) 1.1 Begriffsdefinition Queer ...... 6

A) 1.2 Doing und Undoing Gender ...... 7 A) 1.2.1 Doing Gender – Definition ...... 8 A) 1.2.2 Undoing Gender – Definition nach Stefan Hirschauer ...... 10

A) 1.3 Die Entnaturalisierung von Geschlecht: Undoing Gender nach Judith Butler ...... 11

A) 1.4 Die drei Ebenen der Heterosexuellen Matrix: Sex, Gender, Begehren (Judith Butler) ...... 13

A) 1.5 Geschlechter-Performanz (Judith Butler) ...... 15

A) 2 Manga und Anime ...... 18

A) 2.1. Anime – Begriffsdefinitionen und Historie ...... 19

A) 2.2 Manga und Anime in den USA ...... 28

A) 2.3 Spezifika und narrative Strategien des Shōjo-(Mädchen-)Genres ...... 38

A) 3 Magical Girls als revolutionierendes Subgenre ...... 43

A) 3.1 Sailor Moon ...... 46 A) 3.1.1 Sailor Moon – Inhalt ...... 49

B) 1 Forschungsmethode: Jens Eders Figurenanalyse ...... 51

B) 1.2 Die Figur – Ontologie und Definition ...... 52

B) 1.3 Fiktive Figuren im Kontext von Sex und Gender ...... 55

B) 1.4 Die Uhr der Figur als Grundanalysemodell ...... 56 B) 1.4.1 Die Figur als fiktives Wesen – Analyse von Körper, Persönlichkeit und Sozialität auf einer Metaebene ...... 58 B) 1.4.2 Die Figur als Symbol – Analyse indirekter Bedeutungen ...... 59 B) 1.4.3 Die Figur als Symptom – Analyse kommunikativer Ursachen und Wirkungen sowie soziokultureller Kontexte...... 60 B) 1.4.4 Die Figur als Artefakt – Analyse der Gestaltung ...... 61 B) 1.4.5 Kontexte und Emotionen ...... 62

B) 1.5 Erweiterung des figuralen Uhrenmodells durch die drei Ebenen der Heterosexuellen Matrix von Judith Butler ...... 64

C) 1 Haruka als fiktives Wesen ...... 66

C) 1.1 Körper – Allgemeine äußere Erscheinung ...... 68

C) 1.2. Psyche ...... 71

C) 1.3 Sozialität ...... 74

C) 1.4 Harukas Sex (anatomisches Geschlecht) nach Judith Butlers Heterosexueller Matrix 77

C) 1.5 Harukas Gender (soziales Geschlecht/Geschlechtsidentität) nach Judith Butlers Heterosexueller Matrix ...... 79 C) 1.5.1 Harukas geschlechtliche Performativität als Erweiterung der Kategorie von Gender ..... 83

C) 2 Haruka als Artefakt ...... 84

C) 2.1 Mediale Kontexte ...... 85

C) 2.2 Eigenname der Figur ...... 85

C) 2.3 Mise-en-scène; Make-Up, Kostüm und Inszenierung ...... 87

C) 3 Haruka als Symbol ...... 87

C 3.1 Haruka als symbolischer Archetypus ...... 91

C) 4 Haruka als Symptom ...... 93

C) 4.1 Individuelle und soziokulturelle Faktoren für Harukas Entstehung ...... 94

C) 4.2 Harukas Wirkung auf diverse Publika ...... 96

C) 5 Haruka zwischen imaginativer Nähe und emotionaler Anteilnahme ...... 100

C) 5.1 Imaginative Nähe ...... 102

C) 5.2 Emotionale Anteilnahme im Kontext des Begehrens ...... 104

C) 6 Ergebnisdarstellung und Fazit...... 109

Literatur ...... 115

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Einleitung

„Is it so important, if I’m male or female?“ (Toei Animation: 2016, S3, Ep.

05: 07’01”) Eine legitime Frage, zumal sich das menschliche Subjekt nicht durch Geschlecht definieren sollte. Heroinen, die mithilfe von Zauberkräften gegen das Böse antreten und damit zugleich vorherrschenden maskulinen Konnotationen von Stärke, den Kampf ansagen: Der japanische Manga und Anime Sailor Moon (Naoko Takeuchi, 1992-) gilt als eines der ersten massenmedialen Kulturprodukte, welche die Motive von Girl Power, geschlechtlicher

Gleichberechtigung sowie Diversität fokussiert. Demnach scheint es nicht verwunderlich, dass der Medientext eine globale Vielzahl von Anhänger*innen generieren konnte. In den späten

1990er Jahren kam der Anime schließlich auch in der westlichen Welt an und wurde in mehreren Sprachen neu vertont. Dies brachte jedoch ebenfalls eine Reihe gesellschaftspolitischer Zensurmaßnahmen mit sich, welche auf Themen wie Gewalt, kulturelle

Standards, Nacktheit, aber auch die Repräsentation von Sexualität und Gender, einwirkten.

Letztere entfachten, speziell hinsichtlich der US-amerikanischen Sailor-Moon-Fassungen, heftige Kontroversen – als die Zensur queerer Charaktere gleichzeitig die Diffamation der gesamten LGBTQ-Community bedeutete. Nahezu alle der nicht-heteronormativen Sailor

Moon-Charaktere unterlagen im Laufe der nordamerikanischen Adaptionen einem signifikanten Transformationsprozess. Davon war insbesondere das queere Liebespaar Sailor

Uranus und Neptun betroffen: die beiden Liebenden wurden Opfer einer zensurierenden

Relativierung; folglich wurden sie auf das deplatziert und paradox wirkende Beziehungsmodell zweier eng befreundeter Cousinen reduziert, welches sowohl die Figuren als auch das Narrativ maßgebend veränderte.

3

Die vorliegende Masterarbeit widmet sich der nicht-heteronormativen Sailor-Moon-Figur

Haruka Tennō alias Sailor Uranus, in Hinblick auf die Repräsentation von Sexualität und

Gender. Dadurch soll einerseits transparent werden, wie sich der Charakter im Verlauf des amerikanischen Adaptionsprozesses verändert, was erhalten bleibt, was verloren geht.

Andererseits wird darauf abgezielt, zu ermitteln, inwieweit die fiktive Anime-Figur Haruka einem intelligiblen Charakter nach Judith Butlers Heterosexueller Matrix entspricht.

Als wissenschaftliche Forschungsmethode soll hierfür die Kombination einer Figurenanalyse nach Jens Eder und Judith Butlers Modell der Heterosexuellen Matrix herangezogen werden.

Die Kopplung zwischen Eder und Butler wurde aufgrund des genderspezifischen

Forschungsansatzes gewählt und soll Eders Uhr der Figur ergänzen.

Inhaltlich gliedert sich die Arbeit in drei Abschnitte; Teil A – Theoretische Basis, Teil B –

Forschungsdesign und Teil C – Analyse sowie Ergebnisdarstellung. Der Teil A befasst sich zunächst mit den Begriffen von Gender und Anime und greift dementsprechend einerseits zentrale Begriffe der US-amerikanischen Gender Studies sowie Theorien von Judith Butler auf.

Andererseits werden kulturelle Normen und Differenzen der japanischen und US- amerikanischen TV-Serienlandschaft aufgezeigt. Darüber hinaus wird das Shōjo-

(Mädchen-)Genre – in Bezug auf Definition, Historie, (Sub-)Genres, narrative Strategien sowie dessen Rezeption im japanischen und US-amerikanischen Raum dargestellt. Dies soll einen Übergang zum für diese Arbeit relevanten Anime Sailor Moon schaffen. Teil A schließt mit einer gebündelten Inhaltsangabe der Serie ab.

Abschnitt B befasst sich mit der Deskription des Forschungsdesigns; dem Kopplungsversuch zwischen Jens Eders Figurenanalyse und Judith Butler Heterosexueller Matrix. Da Eders

4

Analysenmodell äußerst komplex und breitgefächert gestaltet ist, werde ich mich jedoch lediglich diverser Aspekte bedienen und diese nach persönlichem Bedarf modifizieren.

Die Studie wird von dem praktischen Teil C, der Ausführung der Figurenanalyse sowie der

Ergebnisdarstellung finalisiert.

A) 1 Gender- und Queer-Theorien

Wie der Titel und die Einleitung der Arbeit bereits suggerieren, lehnt sich diese Thesis vorwiegend an die US-amerikanischen Queer Studies an; den Hauptfokus bilden dabei Judith

Butlers Theorien über Geschlechterperformanz, Konstruktion und Dekonstruktion von

Heteronormativität sowie die drei Ebenen der heterosexuellen Matrix; Sex (biologisches

Geschlecht, Gender (soziales Geschlecht) und Begehren. Innerhalb des umfassenden

Theoriespektrums der Gender- und Queerforschung existiert eine Vielzahl von Konzepten, welche für die vorliegende Masterarbeit interessant hätten sein können. Da diese den Umfang der Arbeit jedoch weit überschreiten würden, wird sich die vorliegende Studie auf eine gekürzte

Erläuterung von Butlers Ansätzen beschränken und behält sich detailliertere Ausführungen für zukünftige Forschungen vor.

Viele der fiktiven Charaktere des japanischen Sailor Moon-Franchise dienen für das

Forschungsvorhaben als ideale Beispiele, welche in Folge einer Figurenanalyse nach Jens Eder und in Verbindung mit Judith Butlers Ebenen der heterosexuellen Matrix, dargestellt werden sollen. Um jedoch einen leichteren Einstieg in die Thematik gewähren zu können, sollen zuvor

5

einerseits der Begriff Queer und andererseits die Definitionen von Butlers Konzepten angerissen werden.

A) 1.1 Begriffsdefinition Queer

Der Sammelbegriff Queer stammt aus den USA und bezeichnet als solcher sowohl eine Form des politischen Aktivismus als auch Gesinnung; den Queer Theories oder Gender Studies

(1991). Allerdings verkörpert queer bis dato keine kongruente Theorie, sondern vielmehr ein offenes politisches und theoretisches Programm. Als solches umfasst es eine Vielzahl queerer

Theorie- und Praxisansätzen sowie Denkweisen, welche voneinander divergieren können (vgl.

Perko: 2005, S. 15).

Im US-amerikanischen Raum wurde die Bezeichnung jedoch auch häufig als eine Art von

Diffamation gegen all jene Individuen, welche den geschlechtlichen und sexuellen

Gesellschaftsnormen, der Heteronormativität, nicht entsprachen, gebraucht. Lexika wie beispielsweise das Oxford Lexikon, verweisen jedoch auf den deutschstämmigen Ausdruck quer

(schräg)1. Nach Lorey und Plews basiert der etymologische Ausgangspunkt wiederum auf dem indogermanischen Wort twerk – quer durch, jenseits, da drüben – (vgl. Lorey/Plews.: 1998, S.

13). Im deutschen Sprachraum rückte Queer und Queer-Forschung primär mithilfe von Judith

Butlers Theorie, dass es sich bei Sex (biologisch) immer schon um Gender (sozial konstituierte

Geschlechtsidentität) gehandelt habe, in den Fokus der Aufmerksamkeit.

Interessanterweise kann Queer „[…] als positiv verwendeter Begriff nicht eindeutig ins

Deutsche übersetzt werden. Am ehesten wird der Terminus ‚seltsam‘ affirmativ herangezogen,

1 vgl. Oxford Lexikon, Eintrag: queer. Online unter: https://www.lexico.com/en/definition/queer, [Stand: 30.06.19]. 6

um ein Gegen-die-Norm-Sein anzudeuten; nur im weiteren Sinne wird die Verbindung zwischen queer und quer hergestellt, wie sich etwa in als Titel von Publikationen findet, in denen Que(e)res bedacht wird“ (ebd.: 2005, S. 16).

A) 1.2 Doing und Undoing Gender

Inmitten unser Alltagswelt scheint die Segmentierung zwischen der binären Geschlechtlichkeit, zwischen Mann und Frau, eine normative Gegebenheit und wird als solche selten angezweifelt.

Neben dem äußeren Erscheinungsbild zeichnen sich Männer und Frauen mithilfe von geschlechtsspezifischen Charaktereigenschaften – die von der jeweiligen Gesellschaft partiell als angeboren oder anerzogen erachtet werden – aus. Während der 1950er und 1960er Jahre kam gemäß Ruth Ayaß erstmals die Differenzierung zwischen dem biologischen (Sex) und dem sozial bedingten Geschlecht (Gender) auf; „Unter ‚sex‘, dem biologischen Geschlecht, wird der körperliche Status verstanden, er wird festgeschrieben durch die Existenz von primären und sekundären Geschlechtermerkmalen. Die Zuschreibung zu einem Sexus erfolgt in unserer

Gesellschaft auf der Basis biologischer Kriterien, in der Regel den Genitalien.“ (Ayaß: 2008, S.

11). Die erste Zuweisung des biologischen Geschlechts geschieht dementsprechend für gewöhnlich beim Akt der Geburt, auf welchen die Namensgebung folgt – die Namenswahl ist gleichzeitig Indikator für eine in der Regel lebenslange Geschlechterkategorisierung. Diese gilt, abgesehen von juristisch und medizinisch evozierten Geschlechterwechseln, als selbstverständlich und unverrückbar (vgl. Ayaß: 2008, S. 11-12).

Das soziale oder kulturelle Geschlecht, Gender steht für geschlechtsspezifische Charakteristika, die sozial bedingt sind. Als klassisch erachtete Geschlechtseigenschaften werden im Kontinuum der gesellschaftlichen Sozialisation, im unmittelbaren sozialen Umfeld (beispielsweise der

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Familie), weitergegeben. Das Gefühl von Geschlechterzugehörigkeit wird im Zuge der

Sozialisation angeeignet, jedoch im Erwachsenenalltag stets aufs Neue forciert. „Soziales

Geschlecht umfasst die kulturell mehr oder weniger verbindlich festgelegten Aktivitäten und

Verhaltensweisen, die einem biologischen Geschlecht zugeschrieben werden. In der Regel sind die genderspezifischen Verhaltens- und Handlungsweisen in einer Gesellschaft für ihre

Mitglieder so eng mit der biologischen Zuschreibung verknüpft, dass sie als biologisch fundiert gedacht werden.“ (ebd.: 2008, S. 12). Demzufolge gilt die typische Frau als redselig, emotional, sensibel, schwach, irrational etc. wohingegen der typische Mann mit Adjektiven wie stark, rational, unkommunikativ, zuverlässig, geradlinig etc. in Verbindung gebracht wird. Diese

Zuweisungen können jedoch unter den verschiedenen Kulturnormen variieren.

A) 1.2.1 Doing Gender – Definition

Ruth Ayaß verweist in ihrem Buch Geschlecht und Kommunikation (2008) auf die frühen ethnomethodologischen Forschungen von Garfinkel (1967) und Kessler/McKenna (1978) über

Geschlecht und Transsexualität. Die Untersuchungen der Forscher*innen evozierten die sozialwissenschaftliche Hypothese, dass Geschlecht keine reine Expressionsweise sei, welche aus dem biologischen oder sozialen Geschlecht resultiert. Vielmehr sei sowohl Sex als auch

Gender eine soziale Konstruktion (vgl. Ayaß: 2008, S. 14). Die Ergebnisse jener Studien stellten, die bis zu jenem Zeitpunkt unangefochtene Annahme des Alltags und somit die

Existenz der rein binären Zweigeschlechtlichkeit, in Frage. „Die Methodologie behandelt soziale Wirklichkeit nicht einfach als etwas drastisch Gegebenes. Sie ist vielmehr ein fortwährender Erzeugungsprozess [in welchen sich auch Geschlecht eingliedert].“ (ebd.: 2008,

S. 14-15). Die Forscher*innen West und Zimmermann implementierten jene Argumentation in ihren Arbeiten zur Geschlechterkonstruktion und setzen daran weiter an; der

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Herstellungsprozess von Geschlecht wurde in Folge mit der Bezeichnung Doing Gender versehen, welcher innerhalb der Geschlechterforschung zum Standardbegriff avancierte. Das

Forscherduo erfasst Gender als eine Art von Routine; als methodologische und wiederkehrende

Performanz. 2 Die Überlegung zeichnet sich vor allem durch den Aspekt aus, dass

Geschlechtsidentifikationen nicht ausschließlich nur angeeignet werden, sondern dass

Individuen in bestimmten sozialen Szenarien sowohl ihr eigenes Geschlecht als auch das des jeweiligen Gegenübers permanent konstruieren. Demnach werden konträr zur Rollentheorie nicht die Idee einer fixierten Geschlechterrolle, sondern situativen Praktiken, welche

Gesellschaftsmitgliedern inkorporiert sind, intendiert (vgl. Ayaß: 2008, S. 15). West und

Zimmerman sind indes der Ansicht, dem Rollenbegriff wirke sich negativ auf die

Handlungsweisen zur Konstruktion von Geschlecht aus: „[…] the notion of gender as a role obscures the work that is involved in producing gender in everyday activities.“ 3

Dementsprechend erfasst der Term Doing Gender Geschlecht als Konstruktionsprozess, an welchem gemäß West und Zimmerman zweierlei Aspekte von besonderer Signifikanz sind:

Doing Gender ist zum Ersten unumgänglich und zum Zweiten latent – alltägliche Praktiken zur

Geschlechterkonstruktion sind für die Mitglieder einer Gesellschaft nicht identifizierbar.

Individuen erfassen diese hingegen als normativ gegebene Formen des persönlichen Ausdrucks, als Wesensmerkmale; „Doing Gender ist ein Herstellungsprozess, der seinen

Herstellungscharakter unerkenntlich macht. […] Gleichwohl nehmen wir die Bedingungen und Konsequenzen dieses Herstellungsprozesses wahr.“ (ebd.: 2008, S. 16). Die beiden Doing-

Gender-Forscher*innen West und Zimmerman stellen in ihrem Beitrag zudem eine berechtigte

2 Vgl. West/Zimmerman (1987): Doing Gender. Gender and Society, 1(2), S. 126. Online unter: http://www.jstor.org/stable/189945, [Stand: 26.03.19]. 3 Vgl. ebd. (1987), S. 127. Online unter: http://www.jstor.org/stable/189945, [Stand: 26.03.19]. 9

Frage: „Can we ever not do gender?“ 4 Undoing Gender soll als zentraler Gegenbegriff

Aufschluss darüber geben.

A) 1.2.2 Undoing Gender – Definition nach Stefan Hirschauer

Undoing Gender wurde von Stefan Hirschauer in seinem Text Das Vergessen des Geschlechts: zur Praxeologie einer Kategorie sozialer Ordnung (2001) als Gegenbegriff zu West und

Zimmermans Doing Gender-Konzepts aufgestellt und geht von der Annahme aus, dass das soziokulturell zugeschriebene Geschlecht durch die Praktizierung von

„Geschlechterneutralität“ (Hirschauer: 2001, S. 209 ) auflösbar sei. Hirschauer plädiert ferner für die Existenz individueller Handlungsmuster, die eine Inaktivierung, beziehungsweise

Neutralisierung des performativ konstituierten Geschlechts, in sozialen Interaktionen und

Institutionen, ermöglichen. Undoing Gender beschreibt folglich einen Zustand sozialer

Konstruktionsprozesse, in welchen Gender interaktiv vermieden und damit einhergehend deaktiviert, beziehungsweise wieder verlernt oder vergessen wird (vgl. ebd.: 2001, S. 209). Um zu zeigen, wie das Geschlecht im sozialen Interaktions- und Institutionsrahmen vergessen werden kann, muss – Hirschauer zufolge – jedoch vorerst rekonstruiert werden, wie diese,

Geschlecht definieren (vgl. ebd.: 2001, S. 217). Die soziale Einheit der Interaktion, in welcher

Gender am sichtbarsten ist, nimmt hierbei einen besonders signifikanten Part ein: Die soziokulturell routinierte Klassifizierung von Kleidungsstil, Accessoires, Gruß- und

Anredeformen, Blickmuster sowie Proxemik, bis zur Gesprächsthemenwahl ist ein wichtiger

Indikator für die jeweilige Geschlechtszugehörigkeit (vgl. ebd.: 2001, S. 217).

Darstellungsformen können die Geschlechterunterscheidung jedoch ebenfalls relativieren; das

4Vgl. West/Zimmerman (1987): Doing Gender. Gender and Society, 1(2), S. 137. Online unter: http://www.jstor.org/stable/189945, [Stand: 26.03.19]. 10

Geschlecht kann somit sozial uninteressant werden. Dies soll jedoch nicht meinen, dass die

Neutralisierung von Genderrollen mit der Indifferenz – hinsichtlich der Geschlechtsidentität – interaktiver Akteur*innen einhergehe; die geschlechtliche Identität ist im Hintergrund stets präsent (vgl. ebd.: 2001, S. 215). Geschlechterdifferenz als relevante Methode kann in jeglicher

Form menschlicher Interaktionsszenarien praktiziert oder unterlassen werden: „In diesem

Einsetzen und Aussetzen wird die soziale Relevanz der Geschlechterdifferenz auf- und abgebaut.“ (ebd.: 2001, S. 217-218). Dies gilt ebenfalls für den Bereich von Institutionen, beispielsweise der Arbeitswelt, welche durch die Einwirkung des privaten sozialen Umbruchs, einen geschlechtsspezifischen Umbruch am Arbeitsmarkt evozieren könnte.

A) 1.3 Die Entnaturalisierung von Geschlecht: Undoing Gender nach Judith Butler

„In Queer Theory wird die Vorstellung, Geschlecht sei eine unumstößliche, ahistorische und biologisch determinierte Kategorie problematisiert“ (Klapeer: 2007, S. 63).

Diese These unterstützt auch die US-amerikanische Philosophin und Philologin Judith Butler

(geb. 1956), eine der nach wie vor sicherlich bedeutsamsten Gender-Forscher*innen. Butlers

Texte fokussieren die radikale Infragestellung der biologischen und binären Geschlechtlichkeit.

Geschlecht sei laut Butler viel mehr ein natürlich gegebenes, jedoch nicht fest determiniertes

Merkmal des Körpers und versucht die „[…] angeblich natürlichen Sachverhalte des

Geschlechts […]“ als Produkt hegemonialer Diskurse und Machtverhältnisse darzustellen

(Butler: 1991, S. 23). Dies bedeutet, dass Geschlecht nicht prä-sozial, beziehungsweise prä- kulturell bedingt ist, sondern mit den Anfängen von Kultur und Sozialität simultan einhergehe.

Zudem konkretisiert sie die auf feministischen Theorien basierende Auslegung, welche die

Spaltung von Geschlecht in Sex, dem biologischen Geschlecht und Gender, der sozial konstituierten Geschlechtsidentität thematisiert; das körperlich biologische Geschlecht dem

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kulturell kreierten nicht vorgestellt, sondern dessen Konsequenz ist. 5 Sie setzt sich so mit

Geschlecht auseinander, dass es nur dann möglich ist, Geschlecht zu begreifen, wenn andere

Geschlechterkonstruktionen im Diskurs mitgedacht werden – ich kongruiere demgemäß an dieser Stelle mit Perkos Erklärungsansatz und argumentiere, dass sich Gender – im Sinne von

Butler – als eine dynamische und stets wandelnde und wandelbare Variable beschreiben lässt

(vgl. Perko: 2005, S. 33). Um bereits die drei Ebenen der Heterosexuellen Matrix anzureißen, muss das vermeintlich biologische Geschlecht, Sex nicht zwangsweise dem sozialen Geschlecht,

Gender entsprechen und stiftet insofern keine bestimmte Art von Begehren – was nebst anderen auch der Definition von Undoing Gender entspricht. Undoing Gender im Sinne von

Butler meint, dass die unanfechtbare Vorstellung der binären Zweigeschlechtlichkeit mit

Varianz erweitert werden muss: „Die Produktion des Geschlechts muss […] als Effekt jenes kulturellen Konstruktionsapparats verstanden werden, den der Begriff Geschlechtsidentität

(gender) bezeichnet.” (Butler: 1991, S. 43). Ergo umfasst Gender ein Konzept, welches

Reduktion, Stabilität sowie Rekonstruktion reflektiert und auf der Vorstellung von

Heteronormativität6 fundiert. Gemäß Butler muss es möglich sein, diverse Sexualpraktiken, die neben der heteronormativen Norm als Minderheiten – nicht-Intelligible

Geschlechtsidentitäten – existieren, einerseits zu evaluieren und andererseits hinsichtlich der

Gender-Thematik geltend zu machen.

5 vgl.: Butler, Judith (1999): Gender Trouble. Feminism and the Subversion of Identity. Online unter: https://selforganizedseminar.files.wordpress.com/2011/07/butler-gender_trouble.pdf, S. 10-11 [Stand: 24.02.19]. 6 LLG: Heteronormativität meint die Akzeptanz der Heterosexualität als eine natürliche und soziale Norm. 12

A) 1.4 Die drei Ebenen der Heterosexuellen Matrix: Sex, Gender, Begehren (Judith Butler)

Sabine Hark zufolge steht die Frage, wie Heterosexualität als Heteronormativität maßgeblich in Gesellschafts- und Geschlechterrelationen zu verorten ist und daher auch des Subjektseins und Relationen beeinflusst sowie evoziert, im Primärfokus queerer Untersuchung7. Es gilt eine

Korrespondenz zwischen der Gender-Differenz und normativen heterosexuellen Institution von Sexualität herzustellen – und demnach zu examinieren, wie sexuelle Verurteilungen im

Kontext dominanter Formen von männlich und weiblich operieren. Um ermitteln zu können, wie sowohl normale als auch verwerfliche Sexualität, das richtige und falsche Geschlecht erzeugt werden, kreierte Judith Butler das Konzept der Heterosexuellen Matrix (1991), welches seither innerhalb der Geschlechter- und Queerforschung internalisiert wurde (vgl. Klapeer:

2007, S. 66). „Butlers Analyse hat zum Ziel, den Rahmen, innerhalb dessen Geschlechtskörper

(sex) eine fundierte Rolle bei der Bestimmung des sozialen Geschlechts (gender) und des sexuellen Begehrens einnehmen, zu bestimmen. Den Rahmen identifiziert Butler als hegemonialen heterosexuellen Diskurs, der geschlechtlich differenzierte Körper und die verinnerlichte Selbstannahme, dass es sex als unweigerliche biologische Tatsache gibt, hervorbringt.“ (Klapeer: 2007, S. 66).

7 vgl.: Hark, Sabine: Lesbenforschung und Queer Theorie: Theoretische Konzepte, Entwicklungen und Korrespondenzen, in: Becker, Ruth; Kortendiek, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie (Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2010), S. 108. Online unter: https://doi.org/10.25595/337, [Stand: 25.02.2019]. 13

Intelligible Existenzformen nach dem Modell der Heterosexuellen Matrix, dargestellt durch die Verfahren und Normen der diskursiven Wiederholungspraxis (geschlechtlicher Performativität) hergestellt (vgl. ebd.: 2007, S. 66).

Intelligible Frau Intelligibler Mann hat weiblichen Körper hat männlichen Körper verhält sich gemäß weiblicher verhält sich gemäß männlicher Geschlechtsnormen und fühlt sich als Frau Geschlechtsnormen und fühlt sich als Mann hat heterosexuelles Begehren hat heterosexuelles Begehren

Nachdem Heterosexualität als Norm erachtet wird, werden davon divergierende Arten des

Begehrens exkludiert und damit gleichzeitig diffamiert. Judith Butler verwies in jenem Kontext auf den Terminus der Abjektion; Ausstoßen und Degradierung als strategische Elemente der

Diffamation – eine Vorgehensweise, um die sexuelle Norm eigens zu konzipieren und somit fixieren zu können (vgl. Butler: 1996, S. 39).

Gemäß Butler problematisiert die Heterosexuelle Matrix das Muster, welches normative Regeln vorgibt, nach denen die binären Geschlechter geformt werden (vgl. Butler: 1991, S. 39).

Es handelt sich bei der Matrix um eine Art kulturelle Gesetzesstruktur, die diskursive Normen inkorporiert, welche sowohl der binären Zweigeschlechtlichkeit als auch Heterosexualität die

Vormacht garantieren. Dadurch deckt die Heterosexuelle Matrix das „[…] Denk- und

Lebbare[n] im Kontext der Geschlechtermöglichkeiten und Begehrensformen ab

(Intelligibilität), indem andere Optionen dadurch als nicht denk- oder lebbar erscheinen.“ (Klapeer: 2007, S. 67). In Butlers Worten:

„Gerade weil umgekehrt, bestimmte ‚geschlechtlich bestimmte Identitäten‘ (gender identities)

nicht den Normen kultureller Intelligibilität entsprechen, erscheinen sie innerhalb des Gebiets

der kulturellen Intelligibilität nur als Entwicklungsstörungen oder logische Unmöglichkeiten. Ihr

Bestehen und ihre Verbreitung bieten allerdings die kritische Möglichkeit, die Schranken und 14

regulierenden Zielsetzungen dieses Gebiets aufzuweisen und dadurch gerade innerhalb der

Matrix der Intelligibilität rivalisierende, subversive Matrixen der Geschlechter-Unordnung

(gender disorder) zu eröffnen.“ (Butler: 1991, S. 39).

Butlers Überlegungen zufolge wird die Zweiteilung von Mann und Frau mithilfe des Verlangens eines Konsenses der äußerlichen Erscheinung des Körpers (sex), des sozial konstruierten

Geschlechts (gender) sowie des binären Begehrens stabilisiert. Insofern fechten all jene

Daseinsformen, in welchen das soziale gender nicht aus dem biologischen Geschlecht hervorgeht und in welchen die Formen des Begehrens weder in sex noch aus gender wurzeln, an (vgl. Butler: 1991, S. 38). Nach Butler können solcherlei Geschlechtsidentitäten den

Vorgaben der Kohärenz und Kontinuität nicht gerecht werden; es bedarf hierbei stets der

Manifestation eines unmissverständlich femininen und maskulinen Genders, welches sich einerseits aus den biologischen Geschlecht ergibt und andererseits mit heterosexuellen

Begehren versehen ist. Beispielsweise gelten in jenem Kontext Lesben, Schwule, Transsexuelle,

Transgender, etc. als nicht-kohärente Geschlechtsidentitäten.

Die drei Ebenen der Heterosexuellen Matrix werden innerhalb des empirischen Teils der Arbeit

(Teil C) im Zuge der Kopplung mit Jens Eders soziokultureller Figurenanalyse noch von besonderem Interesse sein und demgemäß detaillierter aufgearbeitet werden.

A) 1.5 Geschlechter-Performanz (Judith Butler)

Butlers performatives Gender-Konzept argumentiert, Geschlecht sei ein Konstrukt einer konstanten Repetition gesellschaftlich verankerten Gewissheiten wie Handlungsweisen,

Körperpraktiken, Habituationen, oder Gefühlen. Dementsprechend sind uns sozial bedingte

Erkennungsmuster der binären Geschlechter, die sich unter anderem auf äußerliche Merkmale

15

beziehen, internalisiert. „Über die Sozialisation haben die einen wie die anderen gelernt, zu handeln wie ein Mann und wie eine Frau. Und sie haben gelernt, dass ein Mann eine Frau begehrt und umgekehrt. Dieses Wissen stellt einen gesellschaftlichen Code dar, in den

Menschen jeweils hineingeboren werden und der von vielen verinnerlicht ist.“ (Perko: 2005, S.

32).

Zudem verweisen jene Überlegungen auf institutionalisierte Bestimmungen, welche der jeweiligen Gesellschaft derart inkorporiert sind, als ob sie seit jeher existieren würden.

„Mit der These, Geschlecht als einen performativen Akt zu begreifen, rekurriert Butler auf zwei verschiedene Modelle in der theoretischen Diskussion von Geschlechterkonstruktionen:

Einerseits lehnt sie sich an ein Verständnis von Geschlecht als Praxis an (‚doing gender‘8), andererseits rekurriert ihr Verständnis von Geschlecht als diskursive Konstruktion auf sprach- und diskurstheoretische Ansätze (insbesondere Foucault, Austin, Derrida).“ (Klapeer: 2007, S.

65).

Beide Genesen haben den Gedanken, der beständigen, allerdings stets divergenten Repetition sozial konstruierter Standards und Förmlichkeiten gemein. Die Transformation des Körpers zum Geschlechtskörpers, genauer zu sex und gender, scheint demgemäß der repetitiven

Wiedergabe traditioneller Normen verschuldet, in Butlers eigenen Worten:

„Gender is the repeated stylization of the body, a setoff repeated acts within a highly rigid regulatory frame that congeal over time to produce the appearance of substance, of a natural sort of being.”9

8 LLG: Begriffsdefinition doing gender: Der Terminus Doing Gender wurzelt in den Gender Studies und fasst Geschlecht als ein Produkt performativer Handlungen. 9 vgl.: Butler, Judith (1999): Gender Trouble. Feminism and the Subversion of Identity. Online unter: https://selforganizedseminar.files.wordpress.com/2011/07/butler-gender_trouble.pdf, S. 43 [Stand: 24.02.19]. 16

Der Machtaspekt des performativen Aktes bezieht sich demnach auf die Inszenierung eines

Scheins von Natürlichkeit, einer Gewissheit und Unwandelbarkeit. Butler versucht in ihren

Theorien, die Vorstellung einer innerlichen Wahrheit des Geschlechts zu dekonstruieren und gleichzeitig den Gedanken, Geschlecht sei eine performativ inszenierte Bedeutung, transparent zu machen.10

„Mit Butler als theoretischer Referenz werden im Rahmen von Queer Theory Mechanismen und Bedingungen dieser Herausbildung eines natürlichen Geschlechts (sex) und der

Anweisung ein bestimmtes Gender zu sein, analysiert. Es wird gezeigt, dass die

Zweigeschlechtlichkeit kulturell-gesellschaftlich hergestellt und durch Diskurse […] untermauert und immer wieder fortgeschrieben wird.“ (Klapeer: 2007, S. 65f) Innerhalb des queeren Verständnisses wird Geschlecht demzufolge nicht als natürlich gegeben, sondern als sozial konstruiertes Produkt erfasst, dass je nach kulturellem Kontext und Gesellschaft variieren kann.

Wie Geschlecht als kulturell definiertes Produkt innerhalb der japanischen und US- amerikanischen Manga- und Anime-Landschaften variiert, sollen die folgenden Kapitel der

Arbeit transparent machen.

10 ebd.: 1999, S. 43-44) [Stand: 24.02.19]. 17

A) 2 Manga und Anime

Die japanischen Popkulturphänomena manga (jap. für: ungezügeltes, zwangloses Bild) und anime11 scheinen mittlerweile als visuelle Massen- und Expressionsmedien globale Relevanz erlangt zu haben. Trugen sie noch vor wenigen Jahren – zumindest innerhalb westlich geprägter

Gesellschaften – das Stigma, Artefakte einer frivolen Nerd-(Streber/Freak-) Kultur zu sein, so akkumulieren sie seit den Anfängen der 1990er Jahre eine weltweit rasant wachsende

Fangemeinde. Bei den beiden eng miteinander verknüpften Medienformen handelt es sich einerseits, um ein spezielles Genre japanischer Comics und andererseits (den darauf basierenden) TV- und Filmanimationen. Obgleich ihrer ansteigenden Popularität – sowohl in

Japan als auch Übersee – haftet den visuellen Unterhaltungssparten jedoch nach wie vor eine

Vielzahl negativer Vorurteile an. Diese kursieren vornehmlich unter westlichen Intellektuellen,

Pädagog*innen und Eltern, für welche die japanischen Kunstformen als ‚vulgär’, brutal’ und

‚schlecht gezeichnet’ gelten (vgl. Bouissou: 2010, S. 17).

Viele der anfänglichen Kritiker*innen verurteilten die japanischen Exportgüter vor allem aufgrund ihres Kontrasts zur ‚bekanntlich’ ruhigen, traditionellen Kultur Japans, welche klassische Konnotationen wie beispielsweise der konfuzianischen Moral, Zen-Gärten und des

Kirschblütenfests hervorruft. Allerdings wird hierbei häufig die Verwandtschaft zwischen der japanischen Aristokratie, beziehungsweise Samurai-Tugend und der rebellischen Popkultur des japanischen Stadt- sowie Landvolks (jap.: chōnin), in welchen ‚unmoralische‘ Themen wie,

Amüsement, Drama, Romanzen und Sex ausgehandelt wurden, übersehen.

11 LLG: Abkürzung für das japanische Lehnwort animēshon, welches sich vom Englischen animation ableitet. 18

„Only since the Meiji era (1868-1912) have the governing elites forced the values and aesthetics of aristocratic and warrior’s high culture upon the whole society and surpressed the popular ones“ (Pons: 1988, S. 18, zit. nach Bouissou: 2010, S. 17) Jeglicher Bemühungen zum Trotz blieb die Populärkultur der niedereren Gesellschaftasklassen hinter dem Schleier politischer

Korrektheit und Teezeremonien bis dato weiterbestehen. Die Geburt von Manga und Anime scheint genau jenem Phänomen, dem Druck des zwanghaften Elitedenkens der gegenwärtigen

Gesellschaft Japans und dem daraus resultierenden Mix aus Hoch- und Popkultur, verschuldet zu sein. Innerhalb der Manga- und Anime-Sphären bedienen sich jedoch sowohl noble

Samuraikrieger*innen als auch zeitgenössische Held*innen nach Belieben politischer

Inkorrektheiten, was ihnen einen unikalen Reiz verleiht.

A) 2.1. Anime – Begriffsdefinitionen und Historie

Der Begriff Animation umfasst als solcher eine umfangreiche Vielfalt von Praktiken, in welchen die Illusion von Bewegung mithilfe inkrementeller Bewegungsformen erzeugt und sequenziell als Spielfilm (‚motion picture’) dargestellt wird (vgl. Furniss 2017: S. 12). Gemäß Furniss lässt sich die Definition für gewöhnlich in drei Subkategorien weiter unterteilen: […] 2D animation, typically employing a series of drawn or painted images; stop-motion, involving a puppet or other object that is modified in form or position over time, or 3D animation, which has come to represent digitally produced images simulating deep space“ (ebd: S. 12).

Wenngleich die Animationskunst eine derartig diverse Domäne impliziert, so erscheint es dennoch schwierig ihre tatsächliche Reichweite konkret zu definieren. Gegenwärtig wird eine

Vielzahl verschiedener Animationstypen produziert – egal ob Unterhaltungsformen, Bildung,

Werbung, Therapie oder das Feld der schönen Künste – Animationstechniken wirken in den

19

unterschiedlichsten Lebensbereichen. Die frühesten Beispiele von bewegten Bildern finden sich bereits in prähistorischen Malereien, wie beispielsweise die der Lascaux Höhlen in

Frankreich (15.000 v. Chr.). Diese antiken Kunstschätze, welche Sequenzen von Pferden und anderen Tieren in alterierenden Positionen darstellen, deuten darauf hin, dass selbst die frühesten Menschen den Drang verspürten, ihren Bildern Leben einzuhauchen (vgl. ebd: S.

12). Seither haben vielerlei Faktoren die stete Weiterentwicklung von Animation beeinflusst.

Da diese Masterarbeit allerdings den Fokus primär auf Japan setzt, soll sich dieses Kapitel lediglich mit dem japanischen Animationsformat Anime, welches sich in Relation mit einer

‚Pseudotraditionalisierung‘ des Mediums, vom westlichen Zeichentrickfilm abgrenzen und folglich als eigenständiges Image etablieren konnte, auseinandersetzen.

• Kulturelle Einordnung

Gegenwärtig lässt sich der Anime als Kulturprodukt einerseits der Populär-, beziehungsweise

Massenkultur (Japan) und andererseits Subkulturformen (Amerika, Europa etc.) zuordnen.

Allerdings scheint jene Kategorisierung, wie die Inkonsequenz von Wertigkeit offenlegt, zusehends zu variieren (vgl. Napier: 2001, S. 4). Speziell innerhalb der letzten Dekade konnte sich der Anime zu einer intellektuell fordernden Kunstform etablieren – dies beweist die rasant wachsende Zahl wissenschaftlicher Arbeiten zu dem Sujet. Autorin Susan Napier unterstützt diese These und geht noch weiter indem sie statuiert, dass das japanische Exportgut auf früheren Hochkulturformen basiere:

20

„Not only does the medium show influences from such Japanese traditional arts as Kabuki12 and the woodblock print13 (originally popular culture phenomena themselves), but it also makes use of worldwide artistic traditions of twentieth century cinema and photography.” (Napier: 2001,

S. 4)

Wenngleich Anime weltweit auf einem eher simplen Niveau unterhalten, so bewegen und fordern sie ihre Rezipient*innen dennoch, sich gleichzeitig mit gegenwärtig aktuellen Themen auseinanderzusetzen – eine Fähigkeit zu welcher ältere Medien bisher (noch) nicht in der Lage waren. Somit gesellte sich der Anime, spätestens mit dem Beginn der 1990er Jahre, zum

Spektrum ikonisch japanischer (Hoch-)Kulturexportgüter, wie haiku, dem Kampfsport und zen-Tradition.

• Allgemeine (Begriffs-)Einordnung

Matthias Hänselmann versucht in seinem Werk Der Zeichentrickfilm – Eine Einführung in die

Semiotik und Narratologie der Bildanimation eine wissenschaftlich orientierte

Begriffsdefinition zu schaffen und suggestiert, dass Anime als „[…] eine bestimmte vor allem in Japan kultivierte, jedoch nicht auf diesen Raum allein beschränkte Form des

Zeichentrickfilms verstanden werden, die sich vor allem durch spezifische ästhetische und narrative Charakteristika auszeichnet“ (Hänselmann: 2016, S.35). Hänselmanns akademischer

Zugang zu der autarken Zeichentrickart fundiert auf dem Kontext zu ‚soziologischen‘,

‚kulturwissenschaftlichen‘, oder ‚pseudohistorischen Perspektiven‘ (vgl. ebd: S. 25).

12 LLG: kabuki, 歌舞伎 (jap. für: Gesang und Tanz): Theatertradition der japanischen Gesellschaft des edo- Zeitalters (1603-1868), welche sich auf die Kunstformen Gesang und Tanz bezieht. 13 LLG: woodblock print (eng. für: Block-, bzw. Holztafeldruck): Alt-chinesische (bereits seit 220 n. Chr.) Drucktechnik für Drucke, Bilder oder Muster, welche vorerst auf diversen Textilien und später auf Papier Anwendung fand. 21

Jedoch stoßen Analysevorhaben, wie bei jeder anderen Art wissenschaftlicher Untersuchung, früher oder später auf diverse Forschungsproblematiken – Hänselmann verweist hierbei auf den

Begriff der Pseudotraditionalisierung:

„Ein zentrales Problem der kulturwissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Anime ist dabei, dass es häufig im Zusammenhang mit einer Pseudotraditionalisierung nach historischen, philosophischen, kulturellen Modellen und Traditionslinien gesucht wird, entsprechend derer

Anime monokulturalistisch eingeordnet werden kann.“ (ebd: S. 25)

Dies soll heißen, dass der Forschungsfokus primär auf dem japanischen Kulturbereich liegt und demgemäß bedeutsame, internationale Suggestionen nicht berücksichtigt werden.

„So wird im Zusammenhang der Pseudotraditinalisierung, die missachtet, dass der heutige japanische Anime als Zeichentrickform sowohl hinsichtlich seiner materiellen Verfassung, seiner technisch-apparativen Herstellungsweise, seiner Ästhetik und zum Teil auch hinsichtlich seiner Thematik unmittelbar auf den amerikanischen Fernsehzeichentrickfilm zurückzuführen ist, der Anime oftmals nicht mehr als das angesehen, was er ist, nämlich eine bestimmte Spielart des Zeichentrickfilms, sondern tatsächlich als eigenständiges Medium“ (ebd: S. 26).

Folgende Ansicht teilt auch die zuvor bereits zitierte Anime-Expertin Susan Napier und argumentiert: „anime is medium in which distinctive visual elements combine with an array of generic, thematic, and philosophical structures to produce a unique aesthetic world.“ (Napier:

2001, S 6.)

Die etymologische Definition des Begriffs Anime (jap.: アニメ) geht, wie zuvor schon angemerkt, auf die Abkürzung des englischen Wortes animation zurück und kennzeichnend

22

demnach Trickfilme oder Cartoons, die in Japan produziert werden. Allerdings konnte sich die

Wortdetermination erst zu Mitte des 20. Jahrhunderts als gängige Bezeichnung vollends durchsetzen. Davor galten neben senga (jap. für: line art – Zeichnung, bzw. Strichzeichnung), kuga (jap. für: Kehrbilder), dem archaischen dekobō shin gachō (jap. für: schelmische, neue

Bilder), und später manga-eiga (jap. für: Zeichentrickfilme) sowie dōga (jap. für: bewegte

Bilder) als übliche Definitionsversuche für Animation (vgl. Clements: 2013, S. 1). Was indes animation und anime suggerieren, ist – analog zu Manga – dass die enge Wortverwandtschaft der beiden Termini ebenfalls die Relation zwischen Japan und Amerika andeutet. Gemeint sei hierbei die Zeit der amerikanischen Stationierung in Japan in der Nachkriegsphase.

• Historische Hintergründe

Nachdem eine neue Ordnung von den alliierten Streitkräften (1945-1952) des zweiten

Weltkrieges durchgesetzt wurde, unterlag Japan fortan amerikanischer Besatzung. Eine signifikante Rolle spielte hierbei der amerikanische General und oberste Kommandant der alliierten Truppen Douglas McArthur. Die japanische Armee wurde aufgelöst, was zur Folge hatte, dass es ehemaligen Militäroffizieren verboten war, ein Amt innerhalb der neuen

Regierung zu bekleiden. Aufgrund der Abschaffung des traditionellen Feudalsystems verlor der

Kaiser sein politisches Regiment und sah sich auf eine machtlose Galionsfigur reduziert. Die

Mandate der ausländischen Führung beeinflussten nahezu alle Aspekte der japanischen Kultur sowie Gesellschaft und inkludierte somit ebenfalls die Animationsproduktion, die zu Zeiten des zweiten Weltkrieges bereits eine lange Traditionsgeschichte aufwies. Maureen Furniss zufolge wurden die Anfänge des Anime-Phänomens, welche 1917 begannen und folgend die 1920er

Ära prägten, besonders durch große Animateure wie beispielsweise Noburō Ōfuji, der mithilfe von Ausschnitten aus traditionell japanischen chiyogami Papier Bekanntheit erlangte, geprägt

23

(vgl. Furniss: 2017, S. 159). Aufgrund militärischer Akte wurde die Trickfilmwelt Japans in den

1930er Jahren allerdings zusehends restringiert, was unter anderem den Import ausländischer

Filme erschwerte. Nachdem der Krieg vorüber war, ordnete die amerikanische Führungsmacht eine Neuorientierung der Filmindustrie – dies bedeutete, dass ‚feudale’ oder ‚undemokratische’

Filme entweder denunziert oder zerstört wurden.

Der Anbruch der 1950er Jahre verhieß schließlich das Ende der amerikanischen Anwesenheit und Japan gewann seine lang ersehnte Unabhängigkeit zurück. Die Zeit des neuen

Aufschwungs brachte das Florieren von Industrien unterschiedlichster Natur mit sich, darunter auch die der Filmproduktion. Das bedeutende Animationsstudio Toei Doga – welches heute unter dem Namen Toei Animation bekannt ist – begann bereits direkt nach seiner Gründung

(1956) mit der Fabrikation cineastischer Beiträge. Diese ambitionierten Werke wurden mit der

Hilfe von full-animation14 Techniken, die stark an Disney erinnerten, zum Leben erweckt und deuteten auf das erstaunliche Wachstum, welches Japan im Laufe der folgenden Dekaden erleben, hin (vgl. Furniss: 2017, S. 168f).

Abbildung 1: Szene aus Hakujaden (jap. für: Die Legende der weißen Schlange). Der Zeichenstil weckt Erinnerungen an Disney. Online unter: http://brer-powerofbabel.blogspot.co.at/2011/09/panda-and-magic-serpent-movie-for.html, [Stand: 22.07.19].

14 Lamarre: 2009, S. 64: full-animation „[…] refers primarily to the number of drawings used to animate the movement of characters. […] The Disney average, which created the norms for full animation, is said to be about eighteen drawings per second. 24

Mittlerweile gehört Japan zu den führenden Weltmächten der Animationsindustrie und erfährt seit den 1980er Jahren, durch (Omni-)Präsenz in Videospielen und Fernsehen, auch internationalen Erfolg. Insbesondere mit den Anfängen der 1990er lässt sich ein globaler und rasant wachsender Boom von Anime-Fangemeinden beobachten. Die Popularität des

Zeichentrickgenres ist mit Sicherheit teilweise den Leistungen und Fähigkeiten des Regisseurs

Hayao Miyazaki (geb.: 1941) zu verdanken, welcher nach wie vor als einer der beliebtesten

Animationsregisseure aller Zeiten gilt. Miyazaki war sowie viele weitere für die Entstehung weltweit bekannter Kultfilme wie Die letzten Glühwürmchen, Mein Nachbar Totoro, Chihiro’s

Reise ins Zauberland, Prinzessin Mononoke, oder die Verfilmung von Diana Wynne Jones’

Bestseller Das wandelnde Schloss, verantwortlich.

Innerhalb der 1990er Jahre gelang es der japanischen Trickfilmkunst mithilfe Miyazaki’s

Werken sowie berühmten Anime-Titeln wie Pokémon sowie Sailor Moon – von welchen letzterer für die Arbeit besonders interessant sein wird – auch internationale Bekanntheit zu erreichen. Eine besonders erfolgreiche Marktführung lässt sich vor allem in Südkorea, Taiwan,

Nordamerika, Frankreich und Thailand lokalisieren. Die Anime-Produktion wuchs bis 2006 ohne absehbares Ende in Sicht – dieser Erfolgskurs stagnierte jedoch, als Japan Opfer des wirtschaftlichen Tiefs wurde, welches fünf Jahre andauern sollte – im Fortlauf der letzten Jahre schaffte es das Land jedoch sich wieder zu erholen. Die Nation Japan verfügt, ungeachtet ihrer relativ bescheidenen Größe, über hunderte Animationshäuser; der Großteil der ausgestrahlten

Animationen wird inländisch produziert und trotz der immer stärker aufkommenden 3D-CGI-

Kunst (Computer Generated Imagery) nach wie vor in 2D gehalten (vgl. Furniss: 2017, S. 388).

Wie bereits am Anfang des ersten Kapitelabschnitts (2. Manga und Anime) flüchtig angeschnitten, sind die visuellen Medien Manga und Anime eng miteinander verknüpft,

25

weshalb es nicht verwunderlich ist, dass die japanische Animationsindustrie eine gemeinsame

Fanbase mit Manga teilt. Gleich dem Manga-Markt findet auch im Anime-Genre eine

Segmentierung nach Geschlecht und statt; beispielsweise nach shōnen (jap.: für Junge.

Verweist in diesem Kontext auf ein Manga-/Anime-Genre für Jungen) und shōjo (jap. für:

Mädchen. Verweist in diesem Kontext auf ein Manga-/Anime-Genre für Mädchen). Ferner lassen sich sowohl Anime als auch Manga distinktiven Genres und Subgenres zuordnen, welche nebst vielen anderen mecha (jap. für: wissenschaftl. Ideen und Sci-Fi-Fiktionen. Verweist in diesem Kontext auf Roboter-orientierte Stories) und hentai (jap. für: pervers).

Nachdem Japan die Leiden des zweiten Weltkriegs in vielerlei verschiedenen Anime aufarbeiten zu scheint – unter anderem in Hayao Miyazaki’s Die letzten Glühwürmchen – ist es nicht befremdlich, dass sich innerhalb der japanischen Trickfilme ein hohes Potenzial an dargestellter Gewalt verorten lässt. Dies gilt ebenfalls auf mecha-, samurai-, sowie seinen- (jap. für: Genre für junge Männer) Genre. Exzessive Gewaltdarstellungen, wie sie fernerhin in Akira

Toriyama’s Dragon Ball/Dragon Ball Z Manga und Anime vertreten sind, führten schließlich zu strengen Zensurmaßnahmen Übersee, auf welche ich im Folgekapitel noch genauer Stellung beziehen werden.

Abbildung 2: Poster zum Dragon Ball Z und Sailor Moon Anime. Online unter: https://www.cbr.com/sailor-moon-could-beat- dragon-ball-z-goku/, [Stand: 24.07.19].

26

Viele Anime-Zuseher*innen außerhalb Japans lernten das Animationsgenre durch Kultserien wie Dragon Ball/Dragon Ball Z (Erstausstrahlung: 1986/1989), Sailor Moon

(Erstausstrahlung: 1992) und Pokémon (Erstausstrahlung: 1996) kennen und lieben – ein

Hype, welcher mit den Anfängen des Internets zwischen den 1980er und 1990er Jahren endgültig in der westlichen Welt angekommen war:

„Anime's success in the US has been gradual. The first turning point, Tatsugawa reckons, was

the advent of the Internet. From the mid 1980s, fans could communicate with other fans who

had good, clean copies of anime. The whole community was based on tape-swapping. And

because a lot of the originals were in Japanese, fans wrote detailed scripts, then posted them

online“15.

Der globale Siegeszug des japanischen Mediums scheint auch heute nach wie vor anzuhalten; beispielsweise spielte Makoto Shinkai’s Anime-Kinofilm Your Name – Gestern, heute und für immer weltweit 331 Millionen US-Dollar ein und verdrängte somit den aus Hayao Miyazaki’s

Feder stammenden Chihiro’s Reise ins Zauberland (289 Mio.) vom Rang des erfolgreichsten

Animes aller Zeiten.16

15 Gardiner, Debbie (2003), Eintrag: Anime in America. Online unter: http://www.japaninc.com/article.php?articleID=972 [Stand: 17.05.18]. 16 Shepherd, Jack (2017), Eintrag: Your Name beats Spirited Away to become highest-grossing anime ever. Online unter: (https://www.independent.co.uk/arts-entertainment/films/news/your-name-spirited-away-highest- grossing-anime-of-all-time-a7530876.html [Stand 17.05.18]. 27

Abbildung 3: Szenenausschnitt der beiden ProtagonistInnen aus Your Name – Gestern, heute und für immer. Online unter: https://www.independent.co.uk/arts-entertainment/films/news/your-name-spirited-away-highest-grossing-anime-of-all-time- a7530876.html, [Stand: 24.07.19]

Allerdings verhält es sich mit anime wie mit jederlei Art von Massenmedium; nebst großem

Erfolg und Interesse haftet ihm gleichermaßen eine Vielzahl von Kritik und festgefahrenen

Vorurteilen an, welche, primär am westlichen Markt, konsequentes Zensurverhalten impliziert(e).

A) 2.2 Manga und Anime in den USA

Nachdem sich die asiatischen Exportgüter Manga und Anime in den 1980er Jahren auch am

US-amerikanischen Markt etablieren konnten – und innerhalb diverser (Jugend-)Kultur-

Gruppierungen auf unerwarteten Enthusiasmus stießen – rückten sie folglich zusehends in den

Fokus von Kritik und Öffentlichkeit. Sind Manga und Anime tatsächlich gefährliche Medien?

– fragt sich Manga-Wissenschaftlerin Miriam Brunner (vgl. Brunner: 2009, S. 11).

Obgleich die neuen Medienformate sich sowohl am europäischen als auch US-amerikanischen

Markt als lukrativer Erfolg erwiesen und sich damit einhergehend eine fixe Nische innerhalb des Verlagswesens schufen, so steht ihre Eingliederung in die Kategorie anspruchsvoller

Literatur nach wie vor noch aus. Zumindest während der frühen westlichen Manga- und

28

Anime-Ära17 hafteten den visuellen Artefakten vorwiegend negative Kritiken an – dies gilt auch für den Bereich akademischer Forschung. Gemäß Brunner lässt sich das Groß der Vorurteile auf drei Punkte komprimieren:

„1. Manga seien pornographisch.

2. Manga seien gewaltorientiert und damit jugendgefährdend.

3. Mangalesen bedrohe die Sprache und Literatur“ (ebd.: 2009, S. 11).

Jene Behauptungen resultieren überwiegend aus der westlichen Tendenz die Begriffe Manga und Anime mit hentai18 Synonym zu setzen (vgl. Schodt: 1996, S. 49f).

Der fälschliche Gebrauch scheint speziell in Nordamerika weitgehend vertreten zu sein. So argumentiert Dreamland Japan-Autor Frederik Schodt, dass das Groß amerikanischer Japan-

Fans repetitiv immer wieder dieselbe Frage aufwerfe: „Why are manga so violent and pornographic?“ (ebd.: 1996, S. 49). Durch pauschalisierende Spekulation solcher Art, könnte schnell der Eindruck entstehen, dass alle Manga- und Animeprodukte eine reine

Zurschaustellung von Sex und Gewalt seien – was von der tatsächlichen Wahrheit jedoch nicht ferner sein könnte. Gewiss existiert eine Vielzahl frivoler Werke, allerdings erstreckt sich diese lediglich auf einen marginalen Teil des Gesamtangebots. Die Masse der Comics und Trickfilme vermittelt harmlose Inhalte – mit reiner Unterhaltungsabsicht.

Wie auch immer sollten im Kontext von Manga und Anime stets die kulturellen Faktoren, aus welchen die beiden Medien wurzeln, mitgedacht werden; jene Faktoren können die Rezeption

17 LLG: Hiermit sei vor allem Deutschland und Nordamerika gemeint. 18 LLG: Begriffsdefinition hentai: Hentai ist die japanische Bezeichnung für Abnormität oder Perversion, kann jedoch auch als Zuschreibung für bestimmte Individuen (Perverse) verwendet werden. Überdies inkludiert es ein eigenes Anime- und Manga Genre. 29

einer nicht-japanischen Person immens beeinflussen und dementsprechend gewaltsam sowie pornografisch wirken lassen. Jede Kultur – egal ob nun Islam, Buddhismus, Christentum etc. – operiert unter verschiedenen Akzeptanznormen, hinsichtlich von Kunst. Obgleich der moderne

Manga teils stark an das US-amerikanische Comicdesign erinnert, sind ihm dennoch

Jahrhunderte alte Traditionen japanischer Narrationskünste inkorporiert; Künste, die unterhalten, humorvoll derb sowie eine einzigartige Ästhetik visueller Gewaltdarstellungen aufweisen. Demnach können Manga als die direkten Nachfahren der einstigen

Massenunterhaltungskunst des Edo-Zeitalters (1600-1867) verortet werden. Die Kunstformen der Edo-Periode unterhielten ihre zeitgenössische Leserschaft mit übertriebenen Depiktionen von Sexualität und stilisierten Brutalität (vgl. ebd.: 1996, S. 50).

Ein kontextuell ebenso wichtiger Aspekt bezieht sich auf die Tatsache, dass, egal, wie pornografisch und gewalttätig die Werke auch sein mögen, Manga- und AnimeInhalte in keiner

Weise eine akkurate Spiegelung der japanischen Gesellschaft sein sollen.

„The gap of fantasy and reality in Japan is enormous, and for that very reason readers of manga may actually be better at making a distinction between the two than readers in other nations.

To a high school student in Japan, the notion of getting hold of an AK-47 and mowing down the teachers in his school is clearly absurd, a fantasy. But to a high school student in Los Angeles it is a distinct possibility. He may know someone with an automatic weapon he can borrow […]”

(Schodt: 1996, S. 51).

Frederik L. Schodt beabsichtigt hier jedoch nicht die US-amerikanische Jugend anzuprangern, sondern möchte lediglich die inhärente Stabilität der japanischen Gegenwartsgesellschaft – speziell die Stabilität des Familienlebens, welche für japanische Jugendliche einen extendierten

30

Spielraum ihrer Fantasieidentitäten schafft – aufzeigen (vgl. ebd.: 1996, S. 51-52). Eine lebhafte Fantasie zu besitzen, hat das Potential primitive Impulse, mit welchen ab und an jede/jeder Mensch zu kämpfen hat, zu entschärfen.

Obzwar Manga und Anime außerhalb von Japan in Nordamerika eine ihrer größten

Fangemeinden generieren konnten, unterscheiden sich die englischen Adaptionen dennoch partiell von ihren japanischen Originalen. Dies mag vielerlei Gründe haben, ist jedoch aber höchstwahrscheinlich der Tatsache verschuldet, dass die japanischen Exportgüter im US- amerikanischen Raum sich häufig an andere – jüngere – Zielgruppen richten. In vielen westlich orientierten Ländern, speziell in den USA, wurden Comicbücher und Trickfilme traditionell der Kinderunterhaltung zugeschrieben, während in Japan diverse Manga und Anime sowohl

Kinder, Adoleszente als auch Erwachsene adressieren. Natürlich werden in diesen Serien

Themen ausgehandelt, die nicht speziell für das kindliche Auge geschaffen wurden und selbst in Japan als unpassend erachtet werden können. Allerdings existieren einige für Kinder, beziehungsweise Juvenile bestimmte und von der japanischen Allgemeinheit akzeptierte

Werke, welche Sexualität und Gewalt thematisieren. Neben der in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehenden Serie Sailor Moon, bildet Akira Toriyamas Dragon Ball-Franchise ein hervorragendes Beispiel in Hinblick auf gesellschaftspolitische Standards.

Dragon Ball handelt von dem anfangs kindlichen Helden Son Goku, der sich gemeinsam mit seinen Freunden auf die abenteuerliche Suche nach den Wünschen erfüllenden Dragon Balls begibt und in Zuge dessen versucht, der stärkste Krieger des Universums zu werden. Sowohl

Manga als auch Anime wurden im deutschsprachigen Raum veröffentlicht, was ebenfalls

öffentlich Diskussionen ins Leben rief. Die Geschichte lässt sich prinzipiell dem Shōnen-

Genre, also dem Genre für Jungen, beziehungsweise junge Männer zuordnen, und porträtiert

31

daher Themen wie Humor, Spannung, (Wett-)Kampf und Freundschaft. Besonders bezüglich des Humors werden kulturelle Unterschiede evident und verweisen direkt auf die zuvor erwähnte Relation von Manga und den Kunstformen der japanischen Edo-Zeit. Um dies zu veranschaulichen, möchte ich auf eine spezielle Figur aus dem Dragon Ball-Universum aufmerksam machen, welcher in der amerikanischen Adaption häufig zensiert wurde:

Muten Roshi, genannt Herr der Schildkröten verkörpert als Song Gokus

Kampfkunstlehrmeister zugleich einen wichtigen Nebencharakter und Unterhaltungsfaktor; seine pervers voyeuristische Vorliebe für junge Mädchen machen ihn jedoch in westlichen

Gesellschaften zu einer von Kontroversen behafteten Figur. Im Fortlauf der Serie gibt es eine

Vielzahl von Szenarien, die Meister Roshi mit einer Blutfontänen schießenden Nase darstellen, sobald er mit weiblicher Nacktheit – oder aber mit getragener Damenunterwäsche – konfrontiert wird. Eine bekannte Szene, die aus der ersten Version der US-amerikanischen

Fassung geschnitten wurde, zeigt beispielsweise wie das junge Heroin der Serie sich versehentlich vor dem alten Lehrmeister entblößt und er daraufhin einen heftigen Anfall von

Nasenbluten erleidet.

Repräsentationen solcher Art würden vermutlich von der US-amerikanischen

Konsument*innenmehrheit als unangemessen und nicht-kindgerecht befunden werden. Wie passt die nordamerikanische Verlags- und Filmindustrie solch ideologische Differenzen, nach

Import und Lokalisierung, auf deren Normen an?

Englische Cartoons waren jedoch nicht immer die sanitären, kinderfreundlichen

Fantasiewelten, die heutzutage den amerikanischen Kinderaugen präsentiert werden. Während

– wie bereits klargestellt wurde – Anime in westlichen Kulturkreisen kategorisch als brutal und sexuell stigmatisiert werden, wird häufig darauf vergessen, dass die US-amerikanische

32

Fernsehserienvergangenheit ebenfalls kontroverse TV-Inhalte aufweist: Weit vor den Simpsons und South Park wurde die amerikanische Bildschirmfläche, beziehungsweise Leinwand in den

1930ern mit Trickfilmen zum Leben erweckt, die vorwiegend für eine erwachsene Zielgruppe gedacht waren19. Jene frühen Animationsfilme vermittelten Inhalte, welche gegenwärtig vom

Durchschnitt der amerikanischen Eltern höchstwahrscheinlich kritisiert werden würden. Ein lohnendes Beispiel hierfür bildet eine Folge nebst anderen der bekannte Cartoon-Hase Bugs

Bunny, der in alten Episoden russisches Roulette spielt.

Abbildung 4: Bugs Bunny bei einer Partie russisches Roulette. Online unter: https://twitter.com/tomschnauz/status/829799809405947904, [Stand: 17.12.18].

Ein besonders erschreckender, anti-sozialer Aspekt der einstigen Cartoons bezieht sich auf die

Repräsentation fremder Ethnien. Beispielsweise wurden japanische Matrosen innerhalb der zweiten Weltkriegs-Produktionen der Serie Popeye, vom Titelhelden bezüglich ihrer gelben

Hautfarbe konfrontiert. Um solche rassistischen Fauxpas zu umgehen, wurde circa 50 Jahre später bei der amerikanischen Adaption von Dragon Ball, die original pechschwarze Hautfarbe eines Charakters zu blau geändert.

19 vgl.: Silver, Terry (2018): Cartoons of the '20s, '30s, '40s, '50s, '60s, and '70s. Online unter: https://reelrundown.com/animation/Cartoons-1920s-1930s-1940s-1950s-1960s-1970s, [Stand: 17.12.18]. 33

Abbildung 5: Original und US-amerikanische Version von Mr. Popo aus Dragon Ball. Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=jCAEMsnxwbc, [Stand: 17.12.18].

Um einen gemeinsamen Konsens in Bezug auf akzeptable Kinderfernsehprogramme zu erreichen, führten viele US-amerikanische Animationsstudios ihre eigenen Richtlinien für ihre

Produkte ein. Beispielsweise entwickelte 1993 einer der führenden Cartoon-Produzenten DIC

Entertainment empfehlende Vorgaben für Trickfilmnarrative (vgl. Cohen: 1997 S. 150).

Nun jedoch wieder zurück zu Anime und den USA; eine weitere signifikante Unterscheidung zwischen japanischen und US-amerikanischen Cartoon-Normen bezieht sich auf die

Protagonist*innen der Serien. Der*die durchschnittliche Comic-Held*in amerikanischer

Konsument*innen wird durch eine geradlinige – fast gott- oder engelsgleiche, mystische20 –

Figur wie zum Beispiel Superman verkörpert, wohingegen der*die Manga-Held*in ein für gewöhnlich mehr multi-dimensionales Charakterdesign aufweist. Dementsprechend werden

Manga- und Anime-Charaktere mit diverseren Problematiken als lediglich der Rettung der

Welt vor dem Bösen konfrontiert.

20 vgl.: Eco, Umberto (1972): The Myth of Superman. Online unter: http://users.uoa.gr/~cdokou/MythLitMA/Eco.pdf, [Stand: 18.12.18]. 34

Wie bereits zur Genüge dargestellt, beinhalten Manga und Anime ein großes Maß an

Sexualität- und Gewaltdarstellungen, was einen starken Kontrast zum DC- oder Marvel-

Comicuniversum bildet.

Dies soll jedoch nicht suggerieren, dass japanische Eltern ihren Kindern willentlich gewaltsame und explizite Inhalte zu Auge führen wollen. Etwa zur selben Zeit als amerikanische

Comicverlage auf elterliche Negativkritiken stießen, formulierten japanische Eltern ähnliche

Bedenken hinsichtlich diverser Texte – diese Bewegung war jedoch lediglich flüchtiger Natur und folglich ineffektiv (vgl.: Schodt: 2013, S. 128). Nachdem auch in Japan eine einheitliche

Regelung bezüglich kindergerechter Standards verlangt wurde, versuchte die Regierung das

Problem mithilfe eines Artikels (Nr. 175) des nationalen Strafgesetzbuches: „The article 175 of the Japanese Penal Code prohibits the explicit representation of genitals in the overwhelming majority of cultural products (a few rare exceptions are made according to legal interpretation)“21. Jener Artikel gibt vor, dass diejenigen Produkte, welche den Vorgaben nicht entsprechen können, nicht an Konsument*innen unter 18 Jahren veräußert werden dürfen.

Interessanterweise sind Kinderkörper von dem Diktum ausgenommen, was eine Erklärung für die übersexualisierte Depiktion juveniler Mädchen in Manga und Anime liefern könnte.

Konträr zu Amerika basiert die Signifikanz der japanischen Zensurmaßnahmen jedoch auf dem

Fakt, dass die Darstellung von Sexszenen, rein technisch gesehen, toleriert wird solange spezielle Körperteile nicht gezeigt werden. Die Adaption der Mangaka dauerte jedoch nicht lange, was dazu führte, dass die verbotenen Geschlechtsmerkmale stilistisch modifiziert, beziehungsweise verdeckt wurden. Eine höchst explizit brutale Szene aus Eiichi Yamamotos

Anime Belladonna Sadness bestätigt die Umsetzung der neuen Standards: there are no

21 vgl.: Patricio, Miguel (2015): Subversion of the article 175 of the Japanese Penal Code: three cases. Online unter: http://wrongwrong.net/article/subversion-of-the-article-175-of-the-japanese-penal-code-three-cases, [Stand: 18.12.18]. 35

shocking genitals and even the character's vagina is nothing but a pale insignificance, erased by the censor's rubber owned by Eiichi Yamamoto, the director himself”22.

Abbildung 6: Vergewaltigungsszene aus Eiichi Yamamotos Belladonna Sadness, 1973. Online unter: http://wrongwrong.net/article/subversion-of-the-article-175-of-the-japanese-penal-code-three-cases.

Derartige Darstellungen wären im US-amerikanischen jugendfreien Fernsehen, trotz der japanischen Zensurierung, undenkbar.

Gegenwärtig werden die japanischen Exportgüter nur noch selten amerikanischen

Zensurvorgängen unterzogen, was eventuell der langjährigen Assimilation der

Amerikaner*innen hinsichtlich Manga und Anime verschuldet sein könnte. Der nordamerikanische Manga- und Anime-Markt scheint, durch die Einwirkung von kontextuellen

Unternehmen wie Animate, Viz Media, oder Funimation, einer der größten Abnehmer zu sein.

Megaseller wie Attack on Titan, One-Punch Man, My Hero Academia oder Tokyo Ghoul

22 vgl.: Patricio, Miguel (2015): Subversion of the article 175 of the Japanese Penal Code: three cases. Online unter: http://wrongwrong.net/article/subversion-of-the-article-175-of-the-japanese-penal-code-three-cases, [Stand: 18.12.18]. 36

bestimmen sowohl den Comic- als auch TV-Serienmarkt und treiben die Verkaufszahlen bereits seit 2015 an23. Interessanterweise zählen die eben genannten Titel zu äußerst brutalen

Werken, die sich nicht davor scheuen, ihre Rezipient*innen mit blutigen Slasher-Szenarien zu konfrontieren.

Ein weiterer Erklärungsversuch für das Ablassen von amerikanischer Zensur könnte überdies auch die zunehmende Tendenz der Verschiebung von Zielgruppen sein. Während die als erstes in Amerika eigeführten Anime primär an Kinder adressiert waren, so lässt sich heute – ähnlich wie in Japan – zusehends eine eindeutige Verlagerung auf das Erwachsenenfernsehen beobachten. Mittlerweile passen sogar viele US-amerikanische Produktionsunternehmen, ihre

Trickfilmserien an den japanischen Anime-Stil an, um somit mehr Konsument*innen generieren zu können. Zwei namenhafte Beispiele hierfür wären Avatar: The Last Airbander und Netflix’s Adaption des Computerspiel-Franchises Castlevania.

Abbildung 7: Poster zur zweiten Season von Netflix's Castlevania. Online unter: https://www.ign.com/articles/2018/10/26/netflixs-castlevania-season-2-review, [Stand: 18.12.18].

Während die moralischen Zensurstandards in Amerika zusehends abnehmen, lässt sich in Japan gegenwärtig ein neuer Anime-Trend, sogenannte Reboots – Neuauflagen alter Anime – beobachten. Diese Entwicklung erscheint auch für die USA von Signifikanz: Mit dem Ziel

23 vgl.: Sevakis, Justin (2016): Anwerman. Are Manga Sales increasing in the US? Online unter: https://www.animenewsnetwork.com/answerman/2016-03-09/.99553, [Stand: 18.12.18]. 37

frühere gesellschaftspolitisch verschuldete Adaptionsfehler auszubessern, beziehungsweise zu entschuldigen, fand 2014 zwischen den nordamerikanischen Vertreibern und dem Sailor Moon

Franchise in Form der englischsprachigen Versions des Sailor Moon Crystal Reboots, eine lang erwartete Versöhnung statt.

Obgleich sowohl der Manga (1991-1997) als auch die Animeadaptionen von Sailor Moon

(1992-1997/2014-2015) allenfalls dem Shōjo-Genre (Mädchen-Manga) zuzuschreiben sind, so lassen sich bei genauer Lektüre dennoch diverse Deviationen, hinsichtlich Gender-Normen und Gewalt darin verorten.

Um diese jedoch erkennen zu können, – was zu einer leichteren Verständlichkeit des

Masterarbeitsthemas verhelfen soll – werden im Folgekapitel zuerst die Eckpfeiler des

Mädchen-Manga-Genres sowie dessen aus Sailor Moon wurzelnde Unterkategorie, das Magical

Girl-Genres, transparent gemacht.

A) 2.3 Spezifika und narrative Strategien des Shōjo-(Mädchen-)Genres

Shōjo- oder Mädchen-Manga, beziehungsweise -Anime inkludieren als etabliertes Genre eine breite Vielfalt an Geschichten, welche sich zwischen anspruchsvollen Klassikern sowie leichter

Lektüre bewegen. Nach Shōjo-Manga-Expertin Jennifer Prough erschwert jedoch gerade jener

Aspekt den Versuch einer einheitlichen Kategorisierung, zumal dieser die Vielseitigkeit des

Mädchen-Mangas unterminieren könnte (vgl. Prough: 2010, S. 94). Der Shōjo begann sich während des 20. Jahrhunderts als leicht identifizierbare Gattung herauszubilden; einerseits durch die Veröffentlichung von mädchenorientierten Comics in Manga-Magazinen und

38

andererseits durch die Verwendung distinktiver Narrative, ästhetisch anspruchsvoller

Zeichenstile sowie darstellerischer Techniken.

Innerhalb der Medientheorie wird ein Genre als eine Sammlung von Texten, die aufgrund diverser Affinitäten – hinsichtlich Inhaltstruktur, Setting, Thema, Emotion etc. – einander zugehörig sind, definiert. (vgl. Gledhill: 1998, S. 351). Allerdings lässt sich ein Genre heutzutage ebenfalls als eine Art scheinbar abgemachten Handel zwischen dem*der

Produzent*in und dem*der Rezipient*in bezeichnen; die Konsument*innen werden bereits vorweg über ihren Konsum informiert. Demnach verlangt jedes Genre nach einer gewissen

Balance, der Standardisierung von Themen, Inhalten, Settings sowie Differenzierung – kurz um: Genrebasierende Texte müssen als solche für ihr Publikum identifizierbar, gleichzeitig, aber auch einzigartig sein (vgl. ebd.: 1998, S. 355).

Der Shōjo lässt sich exakt jenem Diktum zuordnen; er reguliert sich durch Konventionen, welche sowohl von Produzent*nnen als auch Leser*nnen verstanden werden. Der Erfolg des

Genres basiert gleichermaßen am Vergnügen der Wiedererkennung sowie am Entzücken

Neues zu entdecken.

Konträr zu seinem männlichen Pendant, dem Shōnen-Manga – bei welchem es sich um (Wett-

)Kampf, Sport, Freundschaft und Humor dreht – fokussiert der Mädchen-Manga primär zwischenmenschliche Verbindungen und Herzensangelegenheiten. Dies bestätigt Jennifer

Prough in ihrem Essay Shōjo Manga in Japan and Abroad, indem sie statuiert „[…] girls‘ manga tends to revolve around issues of love and friendship, and is filled with unrequited love, love triangles and the like” (Prough: 2010, S. 94).

Die 1960er und 1970er Jahre des Mangas gelten als das goldene Zeitalter des Shōjo-Mangas.

Jene Blütezeit fundiert auf einer neuen Riege weiblicher Mangaka, die sich das Vorrecht des

39

Mädchen-Mangas zu eigen machte – zuvor wurden Shōjo, wie alle Manga, ausschließlich von

Männern verfasst. Das Genre wurde mithilfe der neuen Ideologie, die innersten Gefühle von sowohl Protagonst*innen als auch Leser*innen einzufangen und ihren Geschichten zu inkorporieren, zu neuem Leben erweckt. Einer der berühmtesten Gruppierungen der damaligen Shōjo-Autor*innen, gelang es sogar mithilfe ihrer außergewöhnlichen Neuerungen, akademische Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen; die Werke der sogenannten 24er oder Hana no 24 nen gumi verliehen dem Genre einen neuen Schliff, welcher auf Innovation und

Erweiterung der Layout-Techniken, des Inhalts sowie Charakterdesigns fundiert. Zudem begeisterten die neuen Manga-Serien die damalige Generation von Leser*innen mit neuen

Motiven, die eine Vielzahl eskapistischer Elemente, beziehungsweise Angebote alternativer

Lebensmodelle inkludieren (vgl. Brunner: 2009, S. 39).

Abbildung 8: Ein Panel aus dem Manga „Die Rosen von Versailles“ (Ikeda Riyoko, 1972) mit für den Shōjo nach wie vor charakteristischen Designelementen; funkelnde Lichteffekte. Online unter: https://odorunara.com/2010/08/11/character- control-and-confession-the-theme-of-love-in-the-rose-of-versailles-part-3/, [Stand: 20.12.18].

Was die Protagonist*in des Shōjos anbelangt, so wird der Part vorwiegend von jungen Mädchen oder Frauen erfüllt; „Typically the story revolves around the heroine and her group of friends.

While girlfriends are always an important part of these friend groups (nakama) a few male friends have become standard fare” (Prough: 2010, S. 95). Zudem verkörpert jede der

Freund*innen, analog zur westlichen Chik Lit (engl. für: Frauenliteratur), einen bestimmten

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Stereotypus; beispielsweise gibt es den Klischeetyp des*der Smarten, des*der Schönen, des*der

Lustigen etc. Die Handlung dreht sich zumeist um diese Gruppierung von Freund*innen.

Ein weiteres distinktives Merkmal des Mädchen-Mangas liegt dem Florieren eines speziellen

Charaktertyps zugrunde, nämlich dem bishōnen (jap. für: schöner Jüngling), einem überaus attraktiven und schönen jungen Mann mit androgynen Zügen – oftmals derartig androgyn, dass es schwer fällt, diese Figuren als eindeutig männlich zu konstatieren.

„Their hair is typically long and flowing, their waists narrow, their legs long, and their eyes big in shōjo manga style” (ebd.: 2010, S. 95).

Abbildung 9: Der Bishōnen-Zauberer Howl aus Hayao Miyazakis „Howl's Moving Castle“. Online unter: http://howlscastle.wikia.com/wiki/File:Howl.jpg), [Stand: 19.12.18].

Heutzutage ziert der androgyne Beau jedoch nicht mehr so häufig die Seiten des modernen

Mädchen-Mangas oder - – wenn doch, wird er sofort als Shōjo-Held identifiziert.

Da zwischenmenschliche Gefühle jedoch das Herzstück des Genres bilden, ist es nicht allzu verwunderlich, dass dessen Protagonist*innen nahezu immer mit einem Schwarm oder besser ausgedrückt Love Interest zusammengebracht werden. Erste sexuelle Depiktionen galten als rares Gut innerhalb der frühen Shōjos und wurden erst in den goldenen 1970er Jahren graduell eingeführt. „By today’s standards these scenes were extremely discrete, not depicting anything explicit” (Prough: 2010, S. 95-96). Interessant ist jedoch, dass es sich bei den Akteur*innen

41

solcher ersten Liebesszenen, zumeist um zwei Bishōnen handelte. Viele Mitglieder der 24er starteten ihre Mangaka-Karriere mithilfe tragischer Romanzen androgyner Jünglinge oder geschlechtsneutraler Charaktere.

„By using male characters (or gender neutral characters) in these earliest representations of sexuality, the artists were not seen as proscribing sexual activity for their young readers and yet it is precisely the visual femininity of these beautiful boys that allowed for identification on the part of the readers.” (Fujimoto: 1998, S. 45-62, zit. nach ebd.: 2010, S. 96.) Mittlerweile konnten sich die Liebesgeschichten der Bishōnen als eigenständiges Subgenre des Shōjos etablieren, welches – speziell inmitten der weiblichen Leserschaft – unter dem Namen shōnen ai (jap. für: Jungenliebe) große Popularität genießt.

Eine weitere beliebte Unterkategorie bezieht sich auf das Magical Girl-Genre, dass für die vorliegende Masterarbeit von besonderem Interesse ist – das Folgekapitel soll sich mit der

Thematik noch weiter beschäftigen. Die Superheldinnen könne sich vor allem durch namenhafte Vertreterinnen wie unter anderen Card Captor Sakura (Clamp, 1996), Jeanne die

Kamikazediebin Arina Tanemura, 1998) oder eben Sailor Moon (Naoko Takeuchi, 1992) rühmen. Allerdings lässt sich die Tendenz einer gegenwärtigen Verlagerung der Heroinen auf weniger gefährliche Szenarien, wie beispielsweise der Bewältigung des Schulalltags, ausmachen.

Selbst wenn das Böse – zumindest in mancherlei Werken – bekämpft wird, gehen Romantik und Freundschaft, jede Art zwischenmenschlicher Beziehungen, als thematische Sieger des

Shōjo-Manga-Spektrums hervor.

42

A) 3 Magical Girls als revolutionierendes Subgenre

Abbildung 10: Beispiel für den Magical Girl Prototypus aus der Serie von mahō shōjo ore. Online unter: https://www.monstersandcritics.com/anime/magical-girl-ore-season-2-release-date-mahou-shoujo-ore-manga-sequel- confirmed-but-will-the-anime-be-renewed-beyond-episode-12/, [Stand: 01.01.19].

“She’s clumsy. She hates schoolwork. Furthermore, she’s bad at sports. In her everyday guise as a schoolgirl, she doesn’t exactly shine. But when she summons her magic, she is instantly transformed into an impossibly cute superheroine who battles dauntlessly against monsters and villains. This is the mahō shōjo, the magical girl familiar to Japanese anime fans worldwide”24.

Mit Sailor-Moons Einzug ins US-amerikanische Fernsehen (1990er Jahre) erlangte simultan auch das Genre des japanischen Magical Girls globale Aufmerksamkeit und zählt mittlerweile zu einem der populärsten des Manga- und Anime-Spektrums. Als Magical Girl lässt sich ein spezifischer Typus von Heroin – eine Schülerin, die sich mithilfe von Zauberkraft in eine

Superheldin verwandelt und mithilfe eines magischen Gegenstandes (bspw. eines Zepters) gegen das Böse kämpft, bezeichnen. Die Wurzeln des Genres liegen aber viel weiter zurück als der Sailor Moon-Hype vermuten lässt – nämlich in die 1960er Jahre und damit die Anfänge japanischer Animationskunst 25 . Allerdings unterscheiden sich die ersten Versionen der

24 Vgl.: Sugawa (2015), Eintrag: Children of Sailor Moon.The Evolution of Magical Girls in Japanese Anime. Online unter: https://www.nippon.com/en/in-depth/a03904/, [Stand: 01.01.19]. 25 Vgl. ebd. 43

zauberhaften Kriegerinnen stark von ihren gegenwärtigen Vertreterinnen und weisen zudem abermals signifikante Konnexionen zwischen Japan und Amerika auf.

Die erste magische Anime-Superheldin hielt ihr japanisches TV-Debut 1966 mit der Serie mahōtsukai sarī (jap. für: Sally die Hexe)26. Wie der Titel bereits erahnen lässt, handelt die

Geschichte von einer jungen Hexe, in diesem Fall auch Prinzessin eines magischen

Königreiches, welche durch Zufall in die Welt der Menschen gerät und diese mit ihren

Zauberkräften auf den Kopf stellt. Überdies bedeutete die Ausstrahlung von Sally nicht nur die

Premiere des Magical Girl-Genres, sondern ebenfalls die erste speziell an Mädchen adressierte japanische Zeichentrickserie.

Abbildung 11: Szenenbild aus Sally the Witch mit der Titelheldin und ihren Freunden. Online unter: https://www.pinterest.at/pin/466544842621965249/?lp=true, [Stand: 01.01.19].

Sally’s Schöpfer zufolge wurde der Plot stark von der damaligen US-amerikanischen TV-Sitcom

Bewitched – Verliebt in eine Hexe inspiriert, in welcher der turbulente Alltag der hübschen

Hexe Samantha und ihres sterblichen Ehemannes komödiantisch porträtiert wird 27 . Eine weitere Analogie könnte auch der Disney-Klassiker Mary Poppins darstellen – wie auch immer; es lässt sich getreu behaupten, dass das erste Magical Girl sicherlich nach dem Vorbild einer

26 Vgl.: Sugawa (2015), Eintrag: Children of Sailor Moon.The Evolution of Magical Girls in Japanese Anime. Online unter: https://www.nippon.com/en/in-depth/a03904/, [Stand: 01.01.19]. 27 Vgl.: ebd. Online unter: https://www.nippon.com/en/in-depth/a03904/, [Stand: 01.01.19]. 44

westlichen Zauberin kreiert wurde und als solches auch rezipiert werden sollte. Ähnlich wie

Bewitched fällt Sally the Witch erstens in das Schema einer episodischen Komödie. Zweitens erhält Sally, wie auch ihr US-amerikanisches Pendant Samantha, das westlich geprägte Image einer Hexe oder Zauberin – welches in christlichen Traditionen wurzelt – aufrecht. Als quasi außerirdische Besucherin könnte Sally jedoch ebenfalls als Metapher für Japans Assimilation zum Westen oder aber auch zum Einzug in die wirtschaftliche Moderne gesehen werden. Die

Verbreitung von Innovation und Transformation – aus einer anderen magischen Sphäre (dem

Westen) – in die Welt der Menschen (Japan) verhalf Sally dazu, sich in ihrem neuen Zuhause nach und nach ansiedeln und neue Beziehungen schließen zu können. Konträr zu den frühen

Magical Girls, welche sich obenhin nahezu alle auf normale Mädchen mit Zauberkräften beschränken, ziehen die Superheldinnen der 1990er erstmals in den Kampf gegen dunkle

Mächte. Sailor Moon legte den Grundstein für eine Vielzahl folgender Imitationen und

Parodien. Gegenwärtig wird das Genre durch dunklere, beziehungsweise ernstere

Tonrichtungen bestimmt und inkludiert daher reifere Themen wie Tod, Verzweiflung oder aber auch den Preis magischer Kräfte. Weitere Magical-Girl-Produktionen der Neuzeit greifen erneut auf das traditionelle Muster der kleinen Hexe zurück, wie beispielsweise der globale

Internethit von 2013 My little Witch Academia.

45

A) 3.1 Sailor Moon

Abbildung 12: Die Sailor Moon (mitte) der 1990er Jahre mit den anderen Sailor-Kriegerinnen. Online unter: https://www.japaniac.de/plaene-fuer-sailor-moon-symphoniekonzerte-in-deutschland/, [Stand: 01.01.19].

Der Anime zum Manga-Phänomen Sailor Moon (1992-1997) eroberte, innerhalb der 1990er, die (Zeichentrick-)Welt im Sturm und evozierte damit einen globalen Hype für eine gänzlich neue Gattung von mahō shōjo zum Magical Girl als henshin (jap. für: verwandeln), als transformierende Kriegerin. Die Protagonistin Sailor Moon oder Usagi Tsukino verkörpert in der Serie das durchschnittliche Schulmädchen, welches im Zuge der Verwandlung seine

Schuluniform durch ein zauberhaftes Superheldinnenkostüm und magisches Zepter tauscht, um somit gegen das Böse antreten zu können – dementsprechend erfüllt Sailor Moon den

Prototypus des Magical Girls. Allerdings ergänzt die Titelheldin die klassischen Genre-

Standards durch neue Impulse und definiert es folglich um. Usagi beginnt ihr magisches

Abenteuer als alltägliche Mittelschülerin, die sich in mithilfe von Zauberkräften in eine sogenannte Sailor-Kriegerin verwandelt – allerdings verdichtet sich die Handlung mit Fortlauf der Serie, als sich Usagi als Inkarnation der Mondprinzessin eines sagenumwobenen

Mondkönigreiches enthüllt (Analogie zu Sally the Witch). Zudem bringt sie fünf weitere Sailor-

Kämpferinnen hinzu, die sich im Kampf ebenfalls der typischen Verwandlung unterziehen.

Sailor Moon stellt ein ikonisches Produkt der Neunziger, der westlichen Girl-Power-Ära, in welcher Girl-Bands (bspw. die Spice Girls) durch die Lyrik ihrer Songs als Agentinnen des

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Female Empowerments fungierten, dar. In Japan symbolisierten die Sailor-Kriegerinnen

ähnliche Ideologien, zumal sie selbst, befreit und unabhängig von männlicher Führungskraft, gegen die übernatürlichen Manifestationen des Bösen kämpften – wenngleich auch das

Ensemble mit Tuxedo Mask einen Mann als Nebencharakter inkludiert. Es finden demnach

Undoing Gender-Praktiken sowie Verschiebungen der klassischen

Geschlechterrollenzuteilung statt.

Ein Schlüsselmerkmal eines jeden Magical Girls und somit auch einer Sailor-Kriegerin bezieht sich fraglos auf die Art ihrer Transformation; das matrosenähnliche und mit Accessoires geschmückte Minirock-Outfit wirkt in Kombination mit den Stilettos und wallend langen

Haaren kampfuntauglich. Die Verwandlung männlicher Transformations-Superhelden wie beispielsweise Substitude-Soulreaper Ichigo Kurosaki aus der Shōnen-Hitserie Bleach (Tite

Kubo, 2001-2016) wurde offensichtlich so designet, um den Helden für den Kampf zu stärken sowie zu unterstützen.

Abbildung 13: Original Artwork von Bleach-Schöpfer Tite Kubo. Das Bild zeigt den Titelhelden Ichigo in seiner Soul-Reaper- Verwandlung. Online unter: https://www.pinterest.at/pin/863002347317925678/, [Stand: 01.01.19].

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Die verwandelte Erscheinung der Sailor-Kriegerinnen fungierte jedoch primär dazu ihre feminine Schönheit und Sexualität zu unterstreichen. „In a major paradigm shift, Sailor Moon represented power using standard attributes of youthful feminine beauty and sexuality, negating the traditional dichotomy between cuteness and strength “28. Allerdings illustriert

Sailor Moon ebenso einige weichere Impulse und Emotionen, die aus traditioneller Perspektive mit Weiblichkeit konnotiert werden können. Diese wird besonders in Sailor Moons/Usagis heterosexueller Liebesbeziehung zu Mamoru Chiba alias Tuxedo Mask, welche sowohl mütterliches als auch erzieherisches Verhalten hinsichtlich juveniler Charaktere evoziert, transparent. Jenes Verhalten scheint, konträr zu Sailor Moon und allen weiteren japanischen

Folgewerken, den westlichen Hexen oder weiblichen Superheldinnen interessanterweise nicht inkorporiert. Obgleich die magischen Kriegerinnen Japans durchaus über teils gewaltige

Mächte verfügen, so präservieren sie dennoch Attribute, die mit klassischen Geschlechterrollen in Verbindung stehen – diese inkludieren Niedlichkeit und mütterliche Affektionen. Insofern suggerieren jene Aspekte, dass das der Prototyp des mahō shōjo durch die Inspiration westlicher Mythologien kreiert wurde und sich nach und nach eine einzigartige Kombination von Merkmalen zu eigen machte. Dies führte zur Geburt einer neuen weiblichen Ikone, welche sich deutlich von ihrem westlichen Vorbild differenziert: eine mächtige, aber auch süße und mütterliche Heroin. Andererseits greift das japanische Original, sowohl des Mangas als auch

Animes, überdies auch eine Vielzahl nicht-heteronormativer Beziehungskonstrukte auf – eine

Tendenz, die sich ebenfalls in zeitgenössischen Magical-Girl-Serien wiederfindet und zusehends gegen gesellschaftliche Normen, hinsichtlich Gender und Sexualität rebelliert.

Beispielsweise wird die Bildfläche momentan durch lesbische Liebespaare (Puella Magi

Madoka Magica, 2012) oder junge Männer, die für den Kampf gegen die Mächte der

28 vgl.: Sugawa (2015), Eintrag: Children of Sailor Moon. The Evolution of Magical Girls in Japanese Anime. Online unter: crahttps://www.nippon.com/en/in-depth/a03904/, [Stand: 01.01.19]. 48

Dunkelheit ihr biologisches Geschlecht verwandeln und die Gestalt von Magical Girls (Gonna be the Twin-Tail!!, 2012) annehmen.

Sailor Moon bildet mit dem Wechselspiel zwischen klassischen und neuen Idiomen des

Magical-Girl-Genres sowie der Repräsentation von Female Empowerment und nicht- heteronormativen Gender-/Sexualitätsmodellen, einen scheinbar unerschöpflichen Fundus für gender- und idenititätsorientierte Studien. Bevor sich die Masterarbeit diesen Themen annähert, soll im folgenden Unterkapitel vorerst jedoch noch eine vage Inhalts- und

Charakterbeschreibung der Materie stattfinden.

A) 3.1.1 Sailor Moon – Inhalt

Wie im vorherigen Kapitel bereits angerissen, handelt Naoko Tekeuchis Sailor Moon (1992-

1997) von der tollpatschigen 14-jährigen Mittelschülerin Usagi Tsukino, in der deutschen

Version unter Bunny bekannt, welche mithilfe magischer Kräfte und unter dem Alias Sailor

Moon das Böse bekämpft. Usagis altes Leben änderte sich Schlag auf Schlag als sie eines Tages der sprechenden Katze Luna begegnet, die ihr in Folge die Fähigkeit verleiht, sich in ihr zauberhaftes Alter Ego Sailor Moon zu verwandeln – mit der Aufgabe die verschollene

Mondprinzessin des Mondkönigreiches ausfindig zu machen und gleichzeitig gegen das dunkle

Königreich der Dämonen anzutreten. Das dunkle Königreich, regiert von der Dämonenkönigin

Beryl, entsendet Monster (Youma genannt) in die Welt der Menschen, mit dem Ziel

Lebensenergie zu stehlen, um damit die bösartige Entität Metaria zu nähren. Überdies ist der

Dämonenclan auf der Suche nach dem sagenumwobenen Silberkristall, einem Edelstein, welcher grenzenlose Kräfte in sich birgt. Auf ihrer Mission den dunklen Machenschaften der

Dämonen ein Ende zu setzen, wird Sailor Moon von anderen Mädchen, die im Zuge der

Geschichte ebenfalls zu dem inneren Kreis von Sailor-Kriegerinnen erwachen, unterstützt: 49

Sailor Merkur (Ami Mizuno), (Rei Hino), (Makoto Kino) und Sailor

Venus (Minako Aino). Zu dem äußeren Kreis gehören (Hotaru Tomoe), Sailor

Uranus (Haruka Tenoh), Sailor Neptun (Michiru Kaioh) und (Setsuna Meioh).

Zudem steht den Magical Girls im Kampf häufig der mysteriöse Tuxeo Mask (Mamoru Chiba) zur Seite, welcher später mit Usagi eine romantische Beziehung eingeht.

Nachdem das Sailor-Team anhaltend gegen die Mächte des dunklen Königreichs antritt und eine Vielzahl seiner Generäle besiegt, erwacht Usagi als Mondprinzessin Serenity und erlangt dadurch den geheimnisvollen Silberkristall. Unglücklicherweise wird ihr Geliebter, Mamoru von dem Dämonenclan gefangen genommen und einer Gehirnwäsche unterzogen, was ihn dazu zwingt sich gegen Sailor Moon zu wenden. Gleichzeitig erfahren die anderen Sailor-

Kriegerinnen von ihren vergangenen Leben in Silber Millennium, dem einstigen

Mondkönigreich. Zu jener Zeit dienten sie als Prinzessin Serenitys Bodyguards. Sailor Moon schwelgt zudem in alten Erinnerungen an ihre Liebe zu einem Prinzen der Erde, Endymion – dem inkarnierten Mamoru – zurück. Bevor die Liebe der beiden jedoch gedeihen konnte, wurde

Silber Millennium unter dem Kommando der Dämonenmutter Metaria zerstört und jegliches

Leben ausgelöscht. Allerdings gebrauchte Serenitys Mutter, Königin Serenity die Kraft des

Silberkristalls, um letztlich Metaria zu besiegen und den Krieg beenden zu können. Aus letzter

Kraft schickte sie die Seelen der Gefallenen, einschließlich ihrer Tochter, den Sailor-Team sowie Endymion – in die Welt der Menschen, um ihnen somit eine zweite Chance auf ein glückliches Leben gewähren zu können.

Zurück in der Gegenwart schaffen es die Sailor-Kriegerinnen den Zugang zum dunklen

Königreich zu lokalisieren und begeben sich auf die gefährliche Mission die Welt vor erneuter

Zerstörung zu retten. Jedoch wird Usagis Team bei dem verzweifelten Versuch sie vor Königin

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Beryls Monstern zu retten getötet, was Usagi dazu zwingt Mamoru alleine zu überwältigen.

Mithilfe des Silberkristalls sowie den Geistern ihrer gefallenen Freunde gelingt es ihr Beryl – welche mittlerweile mit Metaria fusioniert ist – letztendlich zu besiegen. Daraufhin nutzt sie die letzte Kraft des Silberkristalls, um ihre Freunde und Mamoru wieder zum Leben zu erwecken. Ihr letzter Wunsch an den Kristall, mit ihren Freunden ein normales Leben auf der

Erde, ohne jegliche Erinnerungen an ihre anderen Identitäten führen zu können, wird ihr schließlich gewährt.

B) 1 Forschungsmethode: Jens Eders Figurenanalyse

Wie schon der Titel als auch die Einleitung bereits vorwegnehmen, stellt die zentrale

Forschungsmethodik der Arbeit eine Figurenanalyse nach Jens Eder dar. Eders Buch Die Figur im Film (2014) beschäftigt sich als grundlegendes Werk mit der integrativen Figurentheorie.

Das Forschungsdesign der Figurenuhr wurde aus zweierlei Gründen gewählt: Zum einen da es sich hierbei, um ein in der Figurenforschung standardisiertes Analysemodell handelt und zum anderen, da dieses, konträr zu anderen Figurenkonzeptionen, eine äußerst dichte und vielseitige Beschreibung fiktiver Charaktere zulässt. Um fiktive Wesen analytisch jedoch korrekt erfassen und nachvollziehen zu können, bedarf es vorerst noch der Klärung des

Figurenbegriffs.

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B) 1.2 Die Figur – Ontologie und Definition

Die Frage, um was es sich bei dem Begriff Figur genau handelt, erscheint anfänglich leicht zu beantworten. Fiktiv skizzierte Figuren gliedern sich als fixe und integrale Komponenten problemlos in den menschlichen Alltag ein, befolgen dabei aber eindeutigen Intuitionen:

„Figuren gibt es, wenn auch nicht in der materiellen Realität. Man kann sie sich vorstellen, und man kann sie darstellen […].“ (Eder: 2014, S. 61). Dies bestätigt auch die Etymologie des

Begriffs Figur oder eben character. Gemäß Eders einführenden Worten leitet sich der

Terminus vom lateinischen figura (Gebilde) ab und kann damit verschiedenes erfassen; beispielsweise die physische Gestalt einer Person sowie deren artifizielle Nachbildung

(Figurine); eine Spielfigur (Brettspiele); eine Bewegungsfolge (Sport); eine der Geometrie zugehörige Form; etc. (Jene Bedeutungen sind einander verwandt – zumal sie alle auf eine wahrnehmbare Form, welche sich von der Umwelt abgrenzt, und die menschliche Kompetenz, etwas zu erschaffen, indizieren (vgl. ebd.: 2014, S. 12). Besonders innerhalb der Medienwelt nimmt die fiktive Figur einen signifikanten Stellenwert ein; allerdings handelt es sich bei medialen Figurenkonstrukten nicht um ein und dasselbe. Die intermediale Flexibilität der Figur operiert durch die Relation von Differenz und Ähnlichkeit: Alle figuralen Konzepte des

Medienspektrums weisen partielle Kongruenzen zueinander auf – und dennoch könnten sie nicht unterschiedlicher sein. Trotz der Fülle an Gemeinsamkeiten erscheint es schwierig eine

Art Kernessenz aufzuzeigen, welche für alle Figurenformen gleichermaßen geltend wäre.

Gemäß Leschke sind vergleichbar kritische Theorien über das Verhältnis von Ähnlichkeit und

Differenz, bis dato, noch relativ selten. Konzeptionell werden Figuren jedoch als transmedial vermittelte Formen erfasst, die durch die verschiedenen Mediengattungen migrieren (vgl.

Leschke: 2010, S. 12). „Die Morphologie der medialen Form der Figur gewinnt daher nicht zuletzt auch einen paradigmatischen Status für die Beschreibung des Mediensystems selbst.“ (ebd.: 2010, S. 29). Fiktive Figuren sind jedoch nicht nur integraler Bestandteil des

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Medienbereichs, sondern wirken zudem, als kulturell signifikanter Faktor, maßgebend auf die menschlichen Sozialisationsprozess ein; zumal sie einerseits der individuellen und kollektiven

Selbstverständigung, sowie der Kommunikation von Menschenbildern, Identitäts- und

Rollenkonzepten dienen, imaginäres Probehandeln und alternative Existenzweisen stiften, und andererseits die Entwicklung empathischer Kompetenzen fördern (vgl. Eder: 2014, S. 12).

Neben der Fähigkeit Sinn und Sein zu hinterfragen, ist der Mensch mit höchster

Wahrscheinlichkeit auch das einzige Wesen, welches zur Konstruktion artifizieller Welten- und

Figurengebilde – geboren aus seiner*ihrer Fantasie – fähig ist. Diese fantastische

Weltenbildung wurzelt bereits im kindlichen Rollenspiel der frühen Lebensjahre und kann im

Erwachsensein zur Erzeugung komplexer Medientexte (literarische oder filmische Dramen, etc.) führen. Basierend auf dem Fakt, dass Menschen nicht nur zur Fantasie fähig, sondern ebenfalls soziale Daseinsformen sind, lenken sie ihr Augenmerk hierbei vermehrt auf die darin porträtierten Gestalten (Figuren), welche sie intentional mit Bewusstseins- und

Handlungsfähigkeiten versehen. „Die Figur ist ein wiedererkennbares fiktives Wesen mit einem

Innenleben – genauer: mit der Fähigkeit zu mentaler Intentionalität“ (Eder: 2014, S. 64).

Damit isoliert er sich von anderweitigen Figurentheorien, indem er die Annahme, dass es sich bei Figuren, um reine Zeichen- oder Textstrukturen handeln, verwirft; figurale Formen seien vielmehr mit der Bedeutung von Zeichenkomplexen verbunden. Eine Figur könne nicht wie eine Textstruktur beschrieben werden, zumal dies bereits durch ihre transmedialen

Eigenschaften verhindert würde (vgl. ebd.: 2014, S. 65-67).

Die gezeichnete Figur, sei diese nun im Comic, Manga, Cartoon oder Anime beheimatet, charakterisiert sich primär durch ihr multigestalterisches Äußeres. Skizzierte oder animierte

Medien fokussieren Gestalt und Form einer Figur „[…], die selbstbewusst die eigenen

53

medialen Bedingungen reflektiert und produktiv erweitert. Diesem Eigensinn der Figur im

Comic […] steht eine Vielzahl paralleler Welten und Multiversen gegenüber, die auf eine grundsätzliche Universalität und Kosmologie der Figur […] verweisen.“ (Meinrenken: 2010, S.

229). So erscheint die Absolutheit der Figuren im Comic infinit und steht somit in Kontrast zur wissenschaftlichen Arbeit, hinsichtlich dem narrativen und psychologischen Potential der figuralen Dimensionen. Gemäß Hinkel (1974) gelten Comicfiguren wiederum vorwiegend als eindimensionale Stereotypen und können daher als Manifeste einer massenmedialen Popkultur interpretiert werden (vgl. Hinkel: 1974, S. 142-143). Bereits Walter Benjamin hat die globale

Signifikanz und Wirkung der Comicfigur am berühmten Beispiel der Mickey Mouse von Walt

Disney zeitig konstatiert – wie sein Aufsatz Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen

Reproduzierbarkeit (1935) zeigt:

„In die alte heraklitische Welt – die Wachenden haben ihre Welt gemeinsam, die Schlafenden

jeder für sich – hat der Film eine Bresche geschlagen. Und zwar viel weniger mit Darstellungen

der Traumwelt als mit der Schöpfung von Figuren des Kollektivtraums wie der

erdumkreisenden Mickey-Maus.“ (Benjamin: 1991, S. 462).

Trotz ihrer Wirkungsfläche sind detaillierte Studien über gezeichnete Figuren, insbesondere in

Bezug auf ihre Erscheinungs- und Bedeutungsmuster, bisher relativ selten; dies inkludiert auch die fiktiven Charaktere der japanischen Manga- und Animewelt. Die in dieser Arbeit durchgeführte Analyse soll versuchen, jenen Bedarf, wenn auch nur ansatzweise, zu decken.

Zumal Eders Forschungsdesign nicht nur auf Spielfilmfiguren limitiert, sondern – dank der transmedialen Fähigkeit der Figur – auf unterschiedliche Figurenformen anwendbar ist, verkörpert es die ideale Basis für das Forschungsvorhaben.

54

B) 1.3 Fiktive Figuren im Kontext von Sex und Gender

Geschlecht, beziehungsweise Gender als soziale Kategorie, wird bei der Perzeption von sowohl realen als auch fiktiv konstruierten Individuen eine gewichtige Rolle zuteil. Simpel ausgedrückt, streben Rezeptionist*innen typischerweise danach, fiktionale Charaktere dem Muster des binären Geschlechts, also männlich oder weiblich zuzuordnen – ungeachtet dessen, ob deren medialen Quellen lückenhaft erscheinen, oder nicht. Jene Tendenz führt jedoch zu einer

Vielzahl von Problemen hinsichtlich fiktiver Figuren; diese inkludieren beispielsweise Aspekte wie Identität, Gefühle, Attitüden, Werte und Normen. Nachdem Konsument*innen medialer

Texte bereits im Vorhinein annehmen, zwischen biologischen (Sex) und sozialen Geschlecht

(Gender) existiere eine direkte Konnexion, erwarten sie demgemäß auch geschlechts- stereotypische Verhaltensnormen bei fiktionalen Charakteren; diese basieren allerdings auf dem jeweiligen kulturellen Verständnis von maskulin und feminin und können daher variieren.

Die Tatsache, dass imaginäre Figuren, inmitten des Rezeptionsprozesses, standardisiert als männlich und weiblich kategorisiert werden, bestärkt den Forschungsbedarf hinsichtlich imaginierter Charaktere im Kontext von Gender. Wie bereits in Teil A erläutert, argumentiert die Geschlechterforscherin Judith Butler, sowohl Sex als auch Gender, würde mithilfe einer

Reihe performativ routinierter Akte, sozial konstruiert werden. Jene Akte können in

Medientexten unterschiedliche subversive Strategieebenen umfassen; Crossdressing, um

Geschlechtsidentitäten zu verfälschen, sexuelle Verwandlungen etc. Fiktive Figuren verkörpern ein ideales Gebiet für die Exploration geschlechtlicher Konstruktionen sowie radikal divergenter Gender-Identitäten. Gleichzeitig fechten sie die Annahme, Sex sei eine unverrückbare Kategorie, an. Eders Uhr der Figur, soll als Ausgangspunkt und Grundmodell

Forschungen jener Art unterstützen und im folgenden Kapitel näher erklärt werden.

55

B) 1.4 Die Uhr der Figur als Grundanalysemodell

Bei der Herstellung, Deutung und Kritik fiktiver Medientexte erschließt sich die Frage, wie das umfassende Arsenal medialer Figurentypen konsequent analysiert und folgend für die Masse kohärent gemacht werden kann. Persönliche Impulse sind hierbei essentiell, reichen allerdings nicht aus, um einerseits Figuren in ihrem Gesamtbild zu erfassen, neue Erkenntnisse zu gewinnen, sowie andererseits einen Dialog zwischen oppositionellen Perspektiven zu schaffen und die eigenen in Frage zu stellen. Obgleich sich Eder zufolge, die klassischen Figurentheorien zwar als nützlich erweisen, so versäumten sie es bislang dennoch ein detailliertes Analysemodell vorzulegen (vgl. Eder: 2014, S. 131). Jens Eders Uhr der Figur versucht genau jene Lücke zu füllen und gleichzeitig die bisherigen Forschungsbilanzen zu ergänzen. Dieses Vorhaben verlangt jedoch ein grundlegendes Wissen, über das Entstehen und Wirken von Figuren. Wie im vorhergehenden Unterkapitel bereits festgestellt, können Charaktere als wiedererkennbare fiktionale Gestalten mit Innenleben verortet werden; ihre Bandbreite umfasst neben Menschen auch Tiere, phantastische Wesen oder aber auch abstrakte Gebilde.

„Die Auseinandersetzung mit der Seinsweise solcher fiktiver Wesen hat ergeben, dass sie weder

Zeichen noch mentale Repräsentationen sind, weder Darstellungen im Text noch Vorstellungen

im Kopf. Sie sind viel mehr als kollektive Konstrukte, die durch fiktionale Kommunikation

erschaffen werden […]. Figuren entstehen durch kommunikative Imaginationsspiele

[…].“ (ebd.: 2014, S.131f)

Diese Imaginationsspiele beziehen sich auf Erschaffer*innen – beispielsweise auf

Filmproduzent*innen – fiktiver Weltengespinste. Als phantastische Konstrukteur*innen produzieren sie diverse Weltenangebote mit distinktiven Bewohner*innen, um beim Publikum intersubjektive Vorstellungen zu evozieren. Solcherlei Figurenvorstellungen, sowohl die der

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Produzent*innen als auch Rezipient*innen, basieren zum einen auf einem Wissensvorrat über

Personen sowie anderweitigen realen Gestalten und zum anderen auf einem medial vermittelten Wissen über unterschiedliche Figurenformen, Genres sowie

Kommunikationsnormen. Dies hat zur Folge, dass Figuren im Analyseprozess keinesfalls unmittelbar verfügbar sind; ihre vermeintliche Trivialität täuscht, denn was auf Bildschirmen gesichtet wird, ist nicht die tatsächliche Figur, sondern lediglich eine figurale Darstellung – sie kann als Ergebnis kommunikativer Aushandlungsprozesse verstanden werden: „Wir tasten das audiovisuelle Informationsangebot ab und entwickeln Figurenvorstellungen, indem wir Formen und Klänge erfassen, auf psychische Eigenschaften und soziale Beziehungen schließen,

Erwartungen und Erinnerungen aktivieren.“ (Eder: 2014, S. 132)

Ergo werden Figuren von verschiedenen Zuseher*innen individuell und damit unterschiedlich wahrgenommen. Bei Eders Figurenanalyse wird demnach nicht nur die einzelne Figur, sondern ebenfalls das gesamte Feld, welches sich auf die figurenbezogenen Dimensionen von

Kommunikation sowie Rezeption erstreckt, erforscht. Die Rezeption inkludiert jedoch nicht nur die Art, wie Figuren von speziellen Betrachter*innen erfasst wurden, beziehungsweise werden (empirische Rezeption). Sie meint zudem die Art, wie sie, basierend auf der Intention des*der jeweiligen Medienproduzent*in begriffen werden sollten (intendierte Rezeption).

Letztlich umschließt sie die Art, wie sie wahrgenommen werden würden, wenn mediale

Informationsgehalte, kommunikative Normen, die Intentionen des*der Autor*in sowie die

Wünsche des Publikums auf ideale Weise respektiert würden (ideale Rezeption) (vgl. ebd.: S.

132f).

Die Uhr der Figur vereinfacht bisherige Analyseverfahren und begrenzt sich auf vier zentrale

Aspekte, welche anhand von Abbildung 14 aufgezeigt werden. Jenes Grundmodell lässt sich für

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unterschiedliche Analyseformen anwenden; die Grafik kann dabei gleichzeitig als statisch sowie dynamisch erfasst werden, als Repräsentation einer Zirkulation. „In statischer Betrachtung hält sie fest, dass Figuren unter vier allgemeinen Aspekten analysiert werden können: als Artefakte, fiktive Wesen, Symbole und Symptome. Im Uhrzeigersinn gelesen verbindet sie die Aspekte der Figur mit Rezeptionsprozessen, die tendenziell in zeitlicher Abfolge aufeinander aufbauen

(angedeutet durch den Pfeil) […].“ (Eder: 2014, S. 141f)

Fiktives Wesen

Abbildung 14: Das Grundmodell der Uhr der Figur von Jens Eder (vgl. Eder: 2014, S.141)

B) 1.4.1 Die Figur als fiktives Wesen – Analyse von Körper, Persönlichkeit und Sozialität auf einer Metaebene

Im Raum des fiktiven Wesens wird nach der Differenzierung zwischen Form und Entwicklung mentaler Figurenmodelle innerhalb unterschiedlicher Medien gefragt; sind die

Charaktermerkmale der Figur simpel oder komplex, kohärent oder konträr gestaltet? Eder schlägt als analysewürdige Kategorien folgende Beispiele vor: Ausmaß und Detailliertheit der figuralen Eigenschaften; Selektion und Fokussierung spezifischer Charakteristika; Kohärenz, beziehungsweise Konflikt; Typisierung der Merkmale zu Stereotypen oder Medientypen;

Simplizität oder Komplexität des jeweiligen Charakters, sowie die Natürlichkeit, beziehungsweise Unnatürlichkeit der Figur (vgl. Eder: 2014, S. 373f). Animierte Figuren,

58

handle es sich dabei nun, um Cartoon- oder Anime-Charaktere, werden häufig mit

Zuschreibungen wie eindimensional, klischeebehaftet oder seicht konfrontiert, was die Analyse von Artefakt-Eigenschaften bestärkt – speziell in Studien, die sich mit Queer- und Gender-

Theorien, sozialen Randgruppen, oder Ethnie befassen. Überdies kreiert der Mensch durch die

Wechselbeziehung zwischen Erinnerung und Information, sichtbare Vorstellungen eines fiktionalen Wesens, welches mit distinktiven physischen, psychischen sowie sozialen

Charakteristika versehen ist – ein Prozess, welcher mit der Erzeugung des mentalen Modells eines fiktiven Wesens synonym ist (vgl. Eder: 2014, S. 136). Jenes Figurenmodell unterliegt jedoch einem dynamischen Wandlungsprozess; angestiftet durch das situative

Rezeptionsverfahren der Figur. Der Charakter wird durch Konnexionen zu seiner*ihrer

(sozialen) Umwelt beeinflusst, was Prozesse mentaler und emotionaler Sympathie evoziert. Die

Rezeptionsebene des fiktiven Wesens versucht folglich zu ermitteln, was für eine Art von Figur die dementsprechende Gestalt ist und welche Charaktermerkmale sowie Beziehungen er*sie als

Untertan*in einer phantastischen Welt aufweist. Hierzu zählen Äußeres und Inneres,

(Sozial-)Verhalten, Erfahrungen und Verhältnisse zu Raum und Zeit, anderen fiktiven Wesen, dezidierten Phänomenen und abstrakten Normen (vgl. ebd.: 2014, S. 136); zum Beispiel ist der berühmte Marvel-Comicheld Superman hellhäutig, männlich und dunkelhaarig, verfügt über supranaturale Stärke sowie Intelligenz, und ist in einer Liebesbeziehung mit der normal- sterblichen Reporterin Lois Lane.

B) 1.4.2 Die Figur als Symbol – Analyse indirekter Bedeutungen

Die figurale Rezeption beschränkt sich jedoch nicht lediglich auf die Konstruktion kognitiver

Figurenmodelle; diese triggern eine Fülle von Konnotationen, abstrahierender Prozesse und daran anknüpfender Deduktionen zugehöriger Signifikate. Eder bezieht sich hierbei auf Van

59

Dijk (1985): „Wir können Figuren als komplexe Zeichen begreifen, die über die dargestellte

Welt auf Weiteres verweisen, etwa auf Eigenschaften, Probleme oder thematische Aussagen, die wir in Form allgemeiner Begriffe, Gedanken oder ‚Makropropositionen‘ […] repräsentieren.“ (ebd.: 2014, S. 137). Um abermals auf das Beispiel von Superman zurückzugreifen, könnte dieser beispielsweise für die Inkarnation des amerikanischen Traums, des gottgleichen Helds, der die Welt der Menschen als Symbol der Hoffnung vor dem Bösen bewahrt, gelten. Konkret befasst sich die metaphorische Rezeptionsebene des Symbols auf die

Frage, wofür die Figur als Zeichen als Fundament aller latenter oder höherrangiger

Bedeutungen, steht.

B) 1.4.3 Die Figur als Symptom – Analyse kommunikativer Ursachen und Wirkungen sowie soziokultureller Kontexte.

Gemäß Eder werden die kommunikativen Ursachen und Wirkungen von Figuren zum

Gegenstand von Hypothesen über das Publikum: Wie wirkt die Figur auf Zuseher*innen?

Weshalb haben die Produzent*innen der imaginären Welt ihre fiktiven Geschöpfe so designet

(vgl. Eder: 2014, S. 137)? Insofern kann – im Gestaltungskontext nach Beweggründen der

Figurenkonstruktion gefragt werden. Im Kontext der Zuseher*innen kann wiederum die Frage nach der Wirkung der jeweiligen Figur gestellt werden – beispielsweise wie Superman vom US- amerikanische Publikum wahrgenommen wird. Darüber hinaus und für diese Arbeit von besonderer Signifikanz, lässt sich ermitteln, mit welchem soziokulturellen Kontext die Figur erschaffen wurde und wie diese von Zuschauer*innen mit einem anderen kulturellen beziehungsweise gesellschaftspolitischen Hintergrund erfasst werden. Beispiel: Von welchem soziokulturellen Männerbild wurde Superman inspiriert?

60

B) 1.4.4 Die Figur als Artefakt – Analyse der Gestaltung

Dieses Analyseverfahren befasst sich mit der Frage, mithilfe welcher Instrumente und Muster mediale Figuren dargestellt werden. Beispielsweise werden Figuren aus der Literatur lediglich durch das geschriebene Wort konstruiert. Film,- Fernseh-, Cartoon-, oder in diesem Fall

Anime-Figuren werden wiederum durch Bilder und Animation, Töne und Dialog, oder gegebenenfalls Darsteller*innen zum Leben erweckt. Darüber hinaus wird in der

(Animations-)Filmlandschaft das Innenleben der Figuren häufig über nonverbale

Handlungsmuster, situative Kontexte etc. reguliert (vgl. ebd.: 2014, S. 154). In Hinblick auf diesen Analysebereich werden drei Aspekte fokussiert: Die Mittel zur Darstellung, die

Strukturen zur Darstellung sowie die Artefakt-Eigenschaften als auch Figurenkonzeptionen

(vgl. ebd.: 2014, S. 322f). Der erstgenannte Aspekt erforscht die Mittel und Verfahren der

Figurendarstellung29 – dies inkludiert unter anderem:

• mediale und dramaturgische Kontexte; bspw. Genre, Medium, Thematik

• den Eigennamen der jeweiligen Figur; wird häufig als stilistisches Werkzeug für die

Charakterisierung medialer Figuren verwendet

• Mise-en-scéne, Kamera, Sound Design und Montage; vermittelt den schauspielerischen

Ausdruck und hat Einfluss auf die Charakterisierung der Figur

• Tönung und Farbe; Spiel mit den naturgegebenen Tönen und Farben des Körpers;

bspw. Veränderung oder Betonung der Augenfarbe, Blut etc.

• Klänge; fiktive (Film-)Gestalten werden auch akustisch erfasst

29 LLG: Aufgrund des limitierten Umfangs dieser Masterarbeit beschränkt sich die Autorin hierbei lediglich auf die forschungsrelevanten Analysepunkte. 61

Da die Artefakt-Ebene für dieses Forschungsvorhaben jedoch nicht so relevant wie die anderen

Ebenen der Uhr ist, – zumal es sich bei der medialen Heimat der Figur, um einen Anime handelt

– werden lediglich die darstellerischen Mittel Mediale und dramaturgische Kontexte, Mise-en- scéne sowie der Eigenname der Figur in die Analyse inkludiert. Viel wichtiger erscheint Eders

Erweiterung des Uhrenmodells, um die analysierbaren Aspekte Kontext und Emotion.

B) 1.4.5 Kontexte und Emotionen

Die bislang aufgeführten Uhrenelemente bilden eine solide Basis für Hypothesenbildungen, welche die analysierte Figur und ihre Kennzeichen auf tieferer Ebene erfassen. Eder ergänzt folglich die Kategorien der Uhr der Figur, um zwei Aspekte, indem er die Figuren in deren

Kontexte und Emotionen einbettet – diese sollten im Zuge eines kompletten Analyseverfahrens stets mitgedacht werden. Dem Figurenexperten zufolge sind Figuren Teile eines breitgefächerten Systems und führen zu Wahrnehmungseindrücken, die zugleich

Komponenten eines umfassenderen Flusses von Wahrnehmungen sind (vgl. Eder: 2014, S.

147). Der Status des fiktiven Wesens verortet sie als Bewohner*innen einer imaginierten Welt, die in gewisse Figurenkonstellationen eingebunden und mit figurierten Szenarien,

Handlungssträngen sowie Geschehen verwoben sind. Ebenso die Themen, Substanzen, und

Konnotationen, die Figuren als komplexe Zeichen, als Symbole illustrieren, decken nur einen

Teil der vielschichtigen Sinngehalte und Gesamtmotive des medialen Texts ab. Die Handlung und die Figurenkonstellation stellen für Eder zwei besonders signifikante Kontexte dar – zumal sie die enge Verwandtschaft der vier Uhrenebenen aufzeigen. Die Figurenkonstellation hat es zur Aufgabe die jeweilige Figur in ein Gespinst sozialer Beziehungen zu anderen fiktionalen

Individuen einzugliedern: „[…] Hierarchien, Handlungsfunktionen, Ähnlichkeiten und

Kontraste, Werte, Interaktionen und Kommunikationen.“ (Eder: 2014, S. 147) Darüber hinaus

62

befindet sich die einzelne Figur – als Haupt- oder Nebencharakter, als Protagonist*in,

Antagonist*in – stets in einer Aufmerksamkeitshierarchie. Jene Rangfolge wird von Handlungs- und Konfliktmuster geprägt. Die bestimmte Platzierung einer Figur innerhalb dieses Geflechts, ihre Abstraktion oder Zuweisung zu konkreten Figureneinheiten wirkt maßgebend auf ihre

Deskription ein und prägt gleichzeitig ihren Relevanzgrad als Vermittler*in höhergeordneten

Sujets und Leitmotive des Medieninhalts.

Ein weiterer wichtiger Bereich der Kontext- und Emotionsebene bezieht sich auf die individuellen Wünsche, Triebe, Motivationen, Werte und Ziele der einzelnen Figur; sie verkörpern sowohl den Persönlichkeitskern der Figur als fiktives Wesen als auch eine

Überschneidung mit der zumeist konfliktbehafteten Geschichte (vgl. ebd. S. 148.). Zusätzlich ist es innerhalb des Uhrenmodells möglich, das Spannungsfeld zwischen Publikum und Figuren, speziell die emotionale Anteilnahme an ihnen, zu ermitteln: „Die Figur als Artefakt, fiktives

Wesen, Symbol und Symptom manifestiert sich in Rezeptionsprozessen der Wahrnehmung audiovisueller Zeichen, der Imagination dargestellter Welten, des Erkennens von Themen und

Schließens auf soziokulturelle Kontexte.“ (ebd.: 2014, S. 148f) Die Beziehung zwischen

Zuseher*in und Figur, welche sich durch Identifikation, Empathie oder parasozialer Interaktion definiert, bewertet Eder als undurchsichtig; er schlägt daher die Vorstellung an ein Netzwerk, bestehend aus imaginärer Figurennähe vor: „[…] empfundene räumliche Nähe, zeitliches

Begleiten, Verstehen des Innenlebens und partielle Perspektivenübernahme, soziale Vergleiche,

Identitäts- und Gruppenzuordnung, Gefühle der Vertrautheit und Ähnlichkeit,

Wunschprojektion, imaginierte Interaktion und – damit verbunden – emotionale

Anteilnahme.“ (ebd.: 2014, S. 149) Emotionale Anteilnahmen des Publikums hinsichtlich des fiktiven Wesens, wird durch viele aufeinander bezogene Komponenten beeinflusst. Man rufe sich beispielsweise die – durch Figuren gestifteten – fiktiven Daseinsangebote in Erinnerung,

63

welche signifikant zur sozialen Entwicklung eines menschlichen Individuums beitragen. Zudem teilen Charaktere und Zuseher*innen oftmals dieselben Emotionen, Erinnerungen,

Moralvorstellungen, Wünsche sowie soziokulturellen Bewertungen und Normen. Ein ebenfalls relevanter Aspekt in Hinsicht auf die Rezeptionsebenen Kontexte und Emotionen bezieht sich

– wie bereits zuvor nach Eder zitiert – auf die parasoziale Interaktion zwischen fiktiven Wesen und Publikum. Durch das infinite und omnipräsente Medienangebot, welches eine Fülle unterschiedlichster Figurentypen offeriert, entsteht zwischen Menschen und Figuren eine illusionäre Intimität, eine Art des einander Bekanntseins; welche als parasoziale Interaktion definiert wird (vgl. Giles: 2010, S. 443f). Diese Parasozialität greift maßgebend in den

Analyseaspekt der Beziehung zwischen Figur und Zuseher*in mit ein.

Aufgrund der komplexen Bedeutung der Sailor-Kriegerin, welche anschließend mit Eders

Modell bearbeitet werden soll, erschien es relevant, die kontextuale und emotionale

Erweiterung in die Forschungsvariante dieser Masterarbeit zu inkludieren.

B) 1.5 Erweiterung des figuralen Uhrenmodells durch die drei Ebenen der Heterosexuellen Matrix von Judith Butler

Da sich diese Arbeit jedoch primär an Queer- und Gender-Theorien anlehnt und dementsprechend eine nicht-heteronormative Sailor-Moon-Figur zum Fokus hat, erschien es lohnend, einen Kopplungsversuch zwischen Eders Uhr der Figur und Judith Butlers Gender-

Theorien (Teil A 1.3) zu wagen. Dadurch soll einerseits transparent werden, ob und wenn ja, inwiefern sich der Charakter – hinsichtlich ihres porträtierten Gender – im Verlauf des amerikanischen Adaptionsprozesses (von der japanischen zur US- Amerikanischen Sprache) verändert, was erhalten bleibt, was verloren geht, beziehungsweise zensiert wird. Andererseits wird darauf abgezielt, zu ermitteln, inwiefern sich die fiktive Anime-Figur Haruka Tenou alias 64

Sailor Uranus einem intelligiblen Charakter nach Judith Butlers Heterosexueller Matrix entspricht. Sailor Uranus wurde als Analyseobjekt gewählt, da die Figur global, jedoch insbesondere innerhalb der USA, vermehrt mediale Aufmerksamkeit auf sich zog und nach wie vor von Kontroversen behaftet ist. Insgesamt wird in der Arbeit die Analyse der japanischen und damit originalen Figur Haruka Tennō/Sailor Uranus angestrebt, welche anschließend in der Ergebnisdarstellung mit ihrer zensierten US-amerikanischen Version verglichen werden soll. Abbildung 15 visualisiert das extendierte Modell der Figurenuhr. Jens Eders

Rezeptionsebenen der Uhr der Figur eingebettet in die Ebenen der Heterosexueller Matrix

(Judith Butler), die als Rahmen und Teilraster der Figurenanalyse dienen sollen. Judith Butler legte das Modell der Heterosexuellen Matrix ursprünglich auf drei Ebenen Sex (Körper),

Gender (Geschlechtliche Identität) und Sexuelles Begehren an, um Individuen als intelligibel oder nicht-intelligibel kategorisieren zu können. Allerdings bemängelte sie die analytischen

Möglichkeiten des Konzepts in späteren Arbeiten, da diese eine fundierte Bestimmung der

Geschlechtermöglichkeiten und Arten des Begehrens – in einem kulturspezifischen Kontext – nicht gänzlich decken können. Aufgrund dessen erschien es sinnvoll Butlers Kategorien, um ihr

Konzept der Gender Performativität zu erweitern.

65

Abbildung 15: Die erweiterte Version von Eders Uhr der Figur durch die Kategorie Kontexte und emotionale Wirkungsform, umgeben von Judith Butlers Ebenen – inklusive einer neuen vierten Ebene „Gender Performativität – der „Heterosexuellen Matrix“.

Es sei an dieser Stelle nochmals darauf verwiesen, dass es sich bei dieser Version des

Uhrenmodells lediglich, um einen experimentellen Zugang zu bereits etablierten

Analysetechniken handelt, und der Umfang der Analyseaspekte auf die Bedürfnisse des

Forschungsvorhabens individuell angepasst wird und damit keinem fixen Schema folgt.

Die folgenden Analysen lehnen sich maßgeblich an Eder und Butler an, versuchen zudem jedoch ein eigenes Forschungsdesign zu skizzieren, indem sie die bereits bekannten Kategorien

Fiktives Wesen, Symbol, Symptom, Artefakt sowie Kontexte und Emotionen, um die Ebenen der Heterosexuellen Matrix ergänzen.

C) 1 Haruka als fiktives Wesen

Abbildung 16: Haruka Tenou im Alltag und als Sailor-Krieger*in. Online unter: https://www.pinterest.at/pin/AY4u5b9E9ejyhvOMnDjR3l3zAlrF7rS53EqAtXs_dAD-tfXZzQhX_vY/, [Stand: 02.04.19].

Jens Eder zufolge existiert eine Vielzahl von Möglichkeiten für die Analyse fiktiver Wesen, er verweist dabei jedoch gleichzeitig auf vier grundlegende und sich partiell überschneidende

Bereiche:

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- Körper (äußerliche Merkmale; Mimik; Bewegungsart; Sprache u. parasprachliches

Verhalten; Zustände; körperliche Fähigkeiten)

- Psyche (Innenleben; Charakter)

- Sozialität (konstante Positionen; flüchtige Relationen)

- Verhalten (habituell; situativ) (vgl. Eder: 2014, S. 206).

Zusammen schaffen alle der vier Kategorien ein dynamisches System, indem sie sich wechselseitig aufeinander beziehen und durch ein Geflecht von Wirkungszusammenhängen, beziehungsweise assoziativen Inferenzen miteinander verwoben sind (vgl. ebd.: 2014, S. 35).

Allerdings wird dieses System durch die drei Ebenen von Butlers Heterosexueller Matrix erweitert:

- Sex (Körper)

- Gender (Geschlechtliche Identität)

- Desire (Begehren)

-

Haruka Tennō alias Sailor Uranus wird in der dritten Staffel (Episode 01) des Sailor Moon

Animes; (vorläufig) als mysteriöser Nebencharakter eingeführt und in späterer

Folge zu einem festen Mitglied des Sailor-Teams. Um Harukas sexuelle Identität kursieren einige Kontroversen – zumal sie weder eindeutig männlich noch eindeutig weiblich erscheint.

Beginnend mit Körperlichkeit, folgt eine analytische Beschreibung von Haruka als fiktives

Wesen.

67

C) 1.1 Körper – Allgemeine äußere Erscheinung

Abbildung 19: Haruka in einem Szenenausschnitt aus „Sailor Moon S“, Ep. 03 (Toei Animation: 2002, 04‘30“)

Haruka Tennō ist die zivile, beziehungsweise irdische Form der Sailor-Kriegerin Sailor Uranus.

Sie ist zwischen sechzehn und siebzehn Jahre alt, wirkt aufgrund ihrer (in Japan)

überdurchschnittlichen Größe (1,80m) jedoch älter. Ihr von kurzen aschblonden Haaren umrahmtes hellhäutiges Gesicht ist zugleich zart und markant, was ihr eine gewisse

Androgynität verleiht. Harukas Augen sind dunkelblau und konträr zu den weiteren Sailor-

Mitstreiterinnen deutlich kleiner und weniger auffallend designet; dies bildet eine Parallele zu den männlichen Charakteren des Sailor-Moon-Universums und ist dementsprechend ein Indiz für Maskulinität. Aufgrund ihrer androgynen Erscheinung verkörpert Haruka das Motiv des romantischen Traumprinzen (Bishōnen) des klassischen Mädchenmanga-Genres und verwirrt damit die ein oder andere Sailor-Kriegerin. Dies wird insbesondere bei ihrem ersten richtigen

Auftritt im Anime Sailor Moon S (vgl. Toei Animation: Ep. 03) ersichtlich, indem Harukas prinzenhafte Schönheit durch Lichteffekte und einem Regen aus Rosenblättern träumerisch dargestellt wird (siehe Abbildung 20).

Obwohl Haruka im Fortlauf der Serie sowohl in männlicher als auch weiblicher Kleidung agiert, so hegt sie dennoch eine deutliche Präferenz für Männermode; zumeist sieht man sie in

68

maskuliner Schuluniform (weißes Hemd, rotbrauner Blazer, grüngestreifte Krawatte, beigekarierte Hose und braune Herrenschuhe). Ein interessanter Aspekt zeigt sich allerdings beim Tragen femininer Bekleidung; sie wirkt in Frauenbekleidung merkbar weicher und zierlicher gezeichnet; erst in Männerkleidern wird ihr Charakterdesign breiter und kantiger.

Stereotypisch weibliche Erscheinungsmerkmale wie lange Wimpern, Lippenstift, Nagellack,

Make-Up, Schmuck oder Accessoires werden beispielsweise erst im Zuge der Sailor-

Verwandlung sichtbar (siehe Abbildung 21) – zumal alle Sailor-Kriegerinnen ein weibliches

Äußeres besitzen. Als Sailor Uranus trägt sie eine individuelle Form des klassischen Sailor-

Scout-Outfits; dieses setzt sich aus einem dunkelblauen kurzen Rock, einem engen weißen

Matrosenoberteil mit dunkelblauem Kragen, geschmückt durch eine gelbe Schleife und türkisen Herzbrosche zusammen. Harukas Arme zieren weiße kurze Handschuhe mit dunkelblauem Saum. Als Schuhe trägt Sailor Uranus dunkelblaue Stiefeletten. Das Gesamtbild des Kostüms wird durch ein goldenes Diadem mit tintenblauem Juwel in der Mitte sowie einem farblich passenden Halsband und goldenen Kreolen-Ohrringen abgerundet.

Abbildung 20: Harukas Verwanldung zu Sailor Uranus; Szenenausschnitt aus Sailor Moon S, Ep. 17 (Toei Animation: 2002, 18‘27“)

69

Abbildung 21: Die männlich gekleidete Haruka in einem Szenenausschnitt aus „Sailor Moon S“, Ep. 03 (Toei Animation: 2002, 11‘02“)

Körperhaltung, Mimik, Stimme und sprachlicher Ausdruck bleiben jedoch sowohl in männlicher als auch femininer Gewandung gleich: Haruka wirkt größtenteils souverän und entspannt, was ihre Körperhaltung und -sprache bezeugt; beispielsweise lässt sie in schulischer

Zivilkleidung gerne ihre Schultasche leger hinter dem Rücken baumeln, während ihre andere

Hand in der Hosentasche steckt. Oft wird sie auch mit verschränkten Armen oder lässig langgestreckt auf (Park-)Bänken sitzend, illustriert (siehe Abbildung 21). Ihr Gang ist locker; zumeist hat sie im Gehen die Hände entweder hinter dem Kopf verschränkt oder in den

Hosentaschen. All jene körpersprachlichen Attribute suggerieren Männlichkeit – zumindest nach den japanischen soziokulturellen Gender-Normen. Ein interessanter und typisch japanischer Akt männlicher Zuneigung – zumindest innerhalb des Shōjo-Genres – bildet unter anderem das Streicheln oder Tätscheln des Kopfes der Geliebten; in einer Szene wird auch

Haruka dabei gezeigt, wie sie Usagis Kopf tätschelt (vgl. Toei Animation: 2017, Sailor Moon

Crystal – S3, Ep. 07: 6‘07“). Harukas Stimme zeichnet sich durch ein ruhiges tiefes Timbre aus, was wiederum das Mysterium, um ihr Geschlecht betonen soll – wobei es sich bei der japanischen Synchronstimme, eindeutig, um eine weibliche Sprecherin handelt. Im Gros der

Episoden kommuniziert Haruka mit entschlossener, selbstbewusster und oftmals auch sarkastischer Sprechweise; dies verleiht ihr eine gewisse Autorität, die auch als Überheblichkeit

70

aufgefasst werden könnte. Weichere, emotionale Tongebungen können lediglich in der

Zweisamkeit mit ihrer Partnerin Michiru alias Sailor Neptun vernommen werden.

C) 1.2. Psyche

Die Psyche umfasst den zweiten Analysebereich der Kategorie des fiktiven Wesens und beschäftigt sich mit allen kognitiven Prozessen der jeweiligen Figur; mit beständigen

Eigenschaftsmerkmalen (bspw.: moralische Grundsätze, Charakter, Temperament etc.) sowie dem temporären Innenleben (bspw.: Begierden, Sehnsüchte, Gedanken, Emotionen).

Haruka wird, wie zuvor schon erwähnt, in der dritten Staffel des Sailor-Moon-Anime Sailor

Moon S (1994-1995) in Episode 01 zusammen mit Sailor Neptun (Michiru Kaiou) als neue

Sailor-Kriegerin eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt ist es für sowohl die Sailor-Kriegerinnen als auch das Publikum der Serie nicht eindeutig klar, ob die beiden heroische oder antagonistische

Ziele verfolgen. Bevor das Sailor-Team Harukas wahre Identität Sailor Uranus erfährt, begegnet sie ihnen in ihrer zivilen Erscheinungsform: als japanische Rennautofahrerin,

Schülerin der Infinity Academy und Michirus feste*r Freund*in. Vor ihrem magischen

Erwachen zur Sailor-Kriegerin war es ihr größter Traum als professionelle Autorennsportlerin

Karriere zu machen; „Back then, I wanted to become the wind. I just wanted to be like the wind.

Wrestling free from the domination of gravity and plunging forth into the vast reaches of the sky. That was the kind of person I wanted to be.” (vgl. Toei Animation: 2002, Sailor Moon S,

Ep. 106: 01‘55“) Allerdings hegt Haruka nicht nur eine Leidenschaft für das Fahren schneller

Autos, sondern für jegliche Form von Sport – auch in Form von Videospielen (vgl. ebd.: 2002,

Sailor Moon S, Episode 03) –, da sie ähnlich wie Makoto (Sailor Jupiter) über körperlich beeindruckende Kräfte verfügt. Eine ihrer gezeigten Schwächen wäre vergleichsweise das

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Schulfach Modernes Japanisch. Mithilfe ihrer androgynen Attraktivität, Intelligenz sowie

Charm verwirrt die Sportlerin im Fortlauf der Serie einige der Sailor-Kriegerinnen (Usagi,

Sailor Moon; Minako, Sailor Venus u. Makoto, Sailor Jupiter), zumal diese davon ausgehen,

Haruka wäre ein junger Mann – die Schwärmerei der Kriegerinnen ändert sich nach Harukas

Outing als Frau allerdings nicht. Als verspielter und etwas spitzbübischer Tomboy30 nutzt

Haruka ihre Beliebtheit bei den Mädchen oftmals schamlos aus und flirtet bewusst mit ihnen.

Aufgrund dessen wird sie vom Großteil der Charaktere des Metaverses als männlich wahrgenommen. Trotz ihres extrovertierten Wesens wirkt sie im direkten Vergleich zu den anderen juvenileren Sailor-Kriegerinnen jedoch merkbar reifer, resignierter und unsensibler, was ebenfalls einen Verweis auf klassisch maskuline Attribute darstellt (vgl. Ayaß.: 2008, S. 12).

Persönliches gibt sie ungern preis und versucht daher Diskussionen privater Angelegenheiten oder gar (Liebes-)Geständnissen, rhetorisch geschickt auszuweichen; vergleichsweise scheitert sie bei dem Liebespaar-Wettbewerb mit Michiru bei dem Moment einer öffentlichen

Liebeserklärung und steigt aus (vgl. Toei Animation: 2002, Sailor Moon S, Ep. 95). Haruka liegt allerdings auch eine impulsive, beschützende und tief emotionale Seite zugrunde, insbesondere, wenn es, um ihre Liebsten, beispielsweise Michiru (Sailor Neptun) geht. Dies zeigt ein privater Dialog zwischen dem Duo, welcher sich in der fünften Staffel von Sailor Moon,

Sailor Moon – Sailor Stars, Episode 13, zuträgt: Während die beiden bei Sonnenuntergang einem Strand entgegensehen, fragt Michiru, ob ihr Kampf jemals enden wird. Haruka entgegnet daraufhin determiniert, dass dies, solange sie zusammen sind, nicht wichtig wäre

(vgl.: Toei Animation: 2002, Sailor Moon – Sailor Stars, Ep. 13: 21‘35“). Dies suggeriert, dass ihre Liebe für Sailor Neptun einen zentralen Teil ihres Lebens sowie einen ihrer wenigen

Schwachpunkte verkörpert. Obwohl das Verhältnis zu Michiru anfangs nicht implizit sexuell dargestellt wird, so wird die romantische Situation der beiden dennoch stets angedeutet; diese

30 LLG: Definition Tomboy: englische Definition für burschikose Mädchen oder junge Frauen. 72

wird ferner von der Mehrheit der Sailor-Moon-Figuren sowohl verstanden als auch akzeptiert.

Weitere liebevolle Charakterzüge zeigen sich im späteren Narrativ der Serie durch die

Interaktion mit der inkarnierten Sailor Saturn (Hotaru Tomoe). Haruka und Michiru sorgen für die infantile Hotaru als Elternfiguren – wobei Haruka, aufgrund ihres Verhaltens definitiv den väterlichen Part innehat.

Ungeachtet ihrer körperlichen Kraft und der spiritistischen Fähigkeit Divinationen – in Form von Träumen oder negativen Schwingungen – zu empfangen, weist ihre zivile Form keinerlei

übernatürliche Eigenschaften auf. Um supranaturale Mächte generieren zu können, bedarf es der zauberhaften Verwandlung zu Sailor Uranus, die mithilfe eines magischen Gegenstandes und einer Phrase, welche wie folgt eingeleitet wird: „Uranus Planet Power, Make-

Up!“ eingeleitet wird (vgl. Toei Animation: 2002, Sailor Moon S, Ep. 17: 18‘26“). Sailor Uranus

Kräfte basieren höchstwahrscheinlich auf der Mythologie des antiken Roms, in welcher Uranus als Gott des Himmels verehrt wird. Bei erster Betrachtung wird der Anschein erweckt, Sailor

Uranus‘ Kraft wurzle in der Erde, zumal ihre erste Attacke World Shaking dies impliziert; sie bündelt Energie aus dem Himmel, welche sie anschließend auf den Boden schmettert und diesen dabei aufsprengt (siehe Abbildung 20). Zudem haftet Harukas Kampfstil, konträr zum

Rest des Sailor-Teams, eine deutlich aggressivere Tongebung an. Im Fortlauf der Serie erhält sie eine weitere Kampftechnik, die, wie bei den anderen Sailor-Kriegerinnen auch, mit einem englischen Namen versehen ist; das sagenumwobene Space Sword, welches sich in Folge als einer von drei mächtigen – sowie für das Narrativ relevanten – Talismanen entpuppt und die

Attacke Space Sword Blaster entfacht.

73

Abbildung 17: Sailor Uranus' Attacke "World Shaker" (vgl. Toei Animation: 2002, “Sailor Moon S”, Episode 17: 19’05”).

C) 1.3 Sozialität

Wie bereits in der Kategorie der Psyche des Fiktiven Wesens determiniert, ist Haruka Tennō die zivile Identität von Sailor Uranus, eine der legendären Sailor-Kriegerinnen des äußeren

Sonnensystems. Als diese lebt sie ein eher ungewöhnliches Oberschülerinnenleben, zumal sie nebenbei eine erfolgreiche Karriere als Rennwagenfahrerin verfolgt. Sie transferiert gemeinsam mit Michiru Kaiou (Sailor Neptun) von der Infinity Academy zur Mugen Academy, welche auch von Usagi (Sailor Moon) und den anderen Mitgliedern des Sailor-Teams besucht wird. Über die Vergangenheit ihrer irdischen Persona ist allerdings nur relativ wenig bekannt; ihre

Herkunft und familiären Hintergründe kommen weder in Manga noch Anime zur Sprache, was

Fragen bezüglich ihres wohlhabenden Lebensstils aufwirft – beispielsweise nutzt sie den Luxus eines Privathelikopters, um von ihrem Appartement zur Mugen Academy zu gelangen. Dieser

Aspekt verweist auf eine soziale Zugehörigkeit zu höheren Gesellschaftsschichten.

Die Bedeutung von Michiru alias Sailor Neptun für Haruka wurde zwar bereits in den

Kategorien Körper und Psyche diskutiert, stellt jedoch ein derart zentrales Motiv für die

Konstruktion der Figur dar, dass es an dieser Stelle nochmals aufgegriffen werden muss – vor

74

allem da Haruka in nahezu jeder Episode gemeinsam mit ihrer Partnerin agiert. Seit ihrem ersten schemenhaften Auftritt in Folge 90 (vgl. Toei Animation: 2002, Sailor Moon S), treten die beiden Kämpferinnen fortwährend als eingespieltes Duo auf. Allerdings war ihre Beziehung nicht auf Anhieb derart innig. Eine Rückblickepisode (vgl. ebd.: Ep. 106) beschäftigt sich mit dem anfänglich problematischen Kennenlernen der beiden Mädchen. Die zuvor als Sailor-

Kriegerin erwachte Michiru ist darum bemüht, Haruka von ihrer gemeinsamen Mission zu

überzeugen und sich dem Kampf gegen das Böse anzuschließen. Haruka zeigt sich indes unnachgiebig und versucht ihrem Schicksal und damit auch Michiru, intentional aus dem Weg zu gehen, als sie selbst über ihr Leben bestimmen will. Die Krux des Konflikts bildet Harukas

Begegnung mit einem Dämon, woraufhin sie instinktiv zu Sailor Uranus erwacht. Nach einem

Sinneswandel interveniert Michiru jedoch kurz vor Harukas magischer Transformation und gibt ihr die Wahl weiterhin ein normales Leben führen zu können. Daraufhin wird Sailor

Neptun während eines Versuchs Haruka vor der Attacke des Dämons zu schützen, schwer verletzt – was Haruka dazu bewegt, ihr menschliches Dasein aufzugeben und stattdessen die

Welt zu retten. Seit jenem Moment sind Sailor Uranus und Neptun unzertrennlich und bestreiten ihren Lebensweg gemeinsam. Der genaue Zeitpunkt für das Entstehen romantischer

Gefühle gegenüber Michiru wird im Anime nicht klar definiert, es wird jedoch angedeutet, dass

Michiru bereits vor ihrem ersten Treffen mit Haruka, mehr als nur Freundschaft empfand (vgl.

Toei Animation: 2002, Sailor Moon S, Ep. 106). Wie zuvor schon ermittelt, verbinden das Duo nicht nur romantische Gefühle, sondern ebenfalls eine sexuelle Beziehung. Obzwar diese nie explizit illustriert wird, so wird im Laufe der Serie dennoch klar darauf verwiesen. Hierfür gibt es vielerlei Beispiele: In dem Sailor Moon Super S Spielfilm von 1995, deklarieren böse Feen den Wunsch, Kinder sollten auf ewig Kinder bleiben. Woraufhin Sailor Neptun erwidert:

„That’s terrible. There are things only adults can enjoy." (vgl. Toei Animation: 1995, Sailor

Moon Super S: 39’13“) Sailor Uranus errötete angesichts Michirus Antwort.

75

In einer anderen Sailor Moon-Episode beschwert sich Haruka über Michirus grobes Verhalten mit: „You're hurting me! I want you to touch me gently." Worauf Michiru mit: “Okay, but when we're alone.", antwortet (vgl. Toei Animation: 2002, Sailor Moon Stars, Ep. 181: 07‘06“).

Neben ihrer romantischen Beziehung zu Michiru – die von den beiden jedoch nie öffentlich bestätigt wird – ist Haruka eng mit Setsuna Meiou (Sailor Pluto) befreundet – wie auch Haruka und Michiru gehört Setsuna zu den Sailor-Kriegerinnen des äußeren Sonnensystems und arbeitet daher eng mit den beiden zusammen. Nachdem Sailor Saturn innerhalb des Infinity-

Kapitels (Sailor Moon S) als Baby wiedergeboren wird, schwört das Trio, sich um die infantile

Sailor-Kriegerin zu kümmern und lebt in späteren Handlungssträngen sogar für einige Zeit glücklich zusammen.

Innerhalb des gesamten Sailor Moon Teams vertritt Haruka, ähnlich wie anderen Sailor-

Kriegerinnen des äußeren Sonnensystems (Sailor Neptun, Pluto u. Saturn), die Rolle einer

Außenseiterin, nachdem sie deutlich reifer und intellektueller als die Kriegerinnen des inneren

Zirkels erscheint. Während ihrer relativ kurz gehaltenen Auftritte, findet sie sich jedoch im

Fokus der Aufmerksamkeit wieder, was sie teilweise sogar genießen zu scheint.

Haruka liebt es die Sailor-Mädchen in Verlegenheit zu bringen, indem sie intensiv mit ihnen kokettiert. Das Anime-Reboot von 2014 Sailor Moon Crystal (Toei Animation) hält sich, gegensätzlich zum Vorgänger-Anime der 1990er, vermehrt an die Manga-Vorlage und inkludiert sogar zwei Szenen, in denen die Protagonistin Usagi (Sailor Moon) von Haruka auf die Lippen geküsst wird. Trotz jener Romantik verbindet Haruka und Usagi jedoch lediglich eine tiefe Freundschaft, welche in ihren früheren Leben als Prinzessin Uranus und Prinzessin

Serenity wurzelt.

76

Obgleich ihres maskulinen Gehabes wird innerhalb der Serie suggeriert, dass Harukas

Interaktion mit Männern problematischer Natur sei; „Haruka doesn’t like cute guys.“ (vgl. Toei

Animation: 2002, Sailor Moon Stars, Ep. 181: 06‘59“). Dies merkt der*die Zuseher*in ebenfalls bei einer Szene in Folge, in welcher Haruka einen von Michirus männlichen Bewunderern abwimmelt (vgl. ebd.: 2002, Sailor Moon S, Episode

C) 1.4 Harukas Sex (anatomisches Geschlecht) nach Judith Butlers Heterosexueller Matrix

Harukas biologisches Geschlecht stellte nicht nur für die fiktiven Charaktere, sondern mit

Sicherheit ebenfalls für einige frühe Rezipient*innen der Serie, ein Mysterium dar – zumal die

Figur doch als geschlechtliche Grenzgängerin die Linien zwischen den Kategorien maskulin und feminin verschwimmen lässt. Judith Butler argumentiert, intelligible Individuen definieren sich einerseits mittels der Dichotomie von Mann/Frau und andererseits der Kongruenz zwischen dem äußerlichen Erscheinungsbild (sex), dem sozialen Geschlecht (gender) sowie dem binärgeschlechtlichen Begehren. Alle Existenzweisen, die sich außerhalb dieser machtstrukturellen Matrix bewegen – Individuen deren gender, sex und Begehren nicht der intelligiblen Norm folgen – werden als verwerflich kategorisiert und damit folglich aus dieser ausgeschlossen; „‘Folgen‘ bezeichnet in diesem Kontext eine politische (notwendige)

Konsequenz, instituiert durch all jene kulturellen Gesetze, die die Form und Bedeutung der

Sexualität hervorbringen und regulieren“ (Butler: 1991, S. 38f). In diesem Analyseabschnitt soll ermittelt werden, inwieweit Haruka Tennōs körperliche Erscheinung Butlers Überlegungen zum intelligiblen Subjekt entspricht. Harukas Äußeres – zumindest bei ihrem ersten Auftritt – stiftet Konnotationen eines jungen schönen Mannes, zumal sie sowohl von der Protagonistin

77

Usagi (Sailor Moon) als auch ihrer Mitstreiterin Minako (Sailor Venus) als eindeutig maskulin erfasst wird. Dies wird insbesondere durch Harukas Kleidung (männliche Schuluniform),

Haarschnitt (männliche Kurzhaarfrisur), Größe (1,80m) sowie androgyne Gesichtszüge, aber auch ihr Charakterdesign – der Zeichenstil variiert zwischen männlichen und weiblichen

Figuren des Sailor Moon-Universums (bspw. werden Männer größer, breiter, ohne Wimpern und kleineren Augen gezeichnet) –, bestärkt. All jene äußerlichen Merkmale suggerieren, der geschlechtlichen Stereotypie zufolge, Männlichkeit. Da Haruka jedoch nach Sailor-Moon-

Autorin Naoko Takeuchi anatomisch weiblich ist und auch immer sein wird31, entsteht eine

Diskontinuität sowohl zwischen dem Körper (sex) des intelligiblen Mannes als auch der intelligiblen Frau; was Haruka bereits von der Matrix isoliert. Die Figur überschreitet somit die binäre Unterscheidung zwischen maskulin und feminin, sie bewegt sich in einem geschlechtsspezifischen Zwischenraum, und fechtet gleichzeitig die fixen gesellschaftspolitischen Beschreibungskategorien an. Diese These wird zudem durch den Fakt bestärkt, dass Haruka ab und an auch mit Frauenkleidung, speziell als Sailor Uranus, in

Erscheinung tritt. Harukas Geschlecht (sex) scheint in jenem Kontext gegen die kulturell bedingte mythische Konstruktion von Geschlechterdifferenz, welche primär mittels physischer

Merkmale bestimmt wird, durch die Repräsentation eines vermeintlich maskulinen

Erscheinungsbilds, aufzubegehren, beziehungsweise das (damalig) vorherherrschende System der Zwangsheterosexualität aufzubrechen.

31 vgl. Takeuchi, Naoko (1998) in: Smile Magazine, Eintrag „Naoko Takeuchi at the Sandiego Comic Con!”, online unter: https://web.archive.org/web/20100430002207/http://glienekatze.stormpages.com/interview.html, [Stand: 02.04.19]. 78

C) 1.5 Harukas Gender (soziales Geschlecht/Geschlechtsidentität) nach Judith Butlers Heterosexueller Matrix

Intelligible Individuen verhalten sich gemäß der binären Gendernormen und fühlen sich demnach entweder als Männer oder Frauen. Naoko Takeuchis Intention hinter der

Konstruktion des anatomischen Geschlechts (sex) ihrer fiktiven Sailor-Moon-Figur Haruka wurde bereits im vorhergehenden Unterkapitel ermittelt – es stellt sich jedoch die Frage, ob

Takeuchis Gedanken mit Harukas Psyche vereinbar sind, zumal Figuren ja ein eigenständiges

Innenleben inkorporiert ist (vgl. Eder: 2014, S.64). Judith Butler diskutiert in ihren Schriften eine Vielzahl verschiedener Thesen zu geschlechtlicher Identität und deren Erzeugung, in welchen sich bei detaillierter Lektüre auch Haruka wiederfindet. Gewiss sind dies lediglich subjektive Interpretationen, allerdings erschien es sinnvoll einige von Butlers Gedanken aufzugreifen und mit Harukas sozialen Geschlecht (gender) zu kontextualisieren. Butler zitiert vermehrt Simone de Beauvoirs Argumentation (Das andere Geschlecht, 1949), man käme nicht als Frau zur Welt, sondern würde zu dieser gemacht:

„Wenn an Beauvoirs These […] etwas richtig ist, folgt daraus, daß die Kategorie Frau selbst ein

prozessualer Begriff, ein Werden und Konstruieren ist, von dem man nie rechtmäßig sagen kann,

daß es gerade beginnt oder zu Ende geht. […] Nach Beauvoir ist es letztlich niemals möglich,

eine Frau zu werden, so als gäbe es ein telos, das den Prozeß der Akkulturation und Konstruktion

anleitet. Vielmehr ist die Geschlechtsidentität die wiederholte Stilisierung des Körpers, ein

Ensemble von Akten […].“ (Butler: 1991, S. 60).

Dies legt nahe, dass die geschlechtliche Identität (gender) erst im Zuge der Sozialisation erworben wird, und somit das anatomische Geschlecht (sex) nicht den Ausgangspunkt für gender bildet. Der Produktionsprozess des sozialen Geschlechts (gender) vollzieht sich, in

Butlers Worten, durch ein dynamisches Ensemble von Akten; ergo erscheint es mithilfe jenes

79

Ensembles möglich, zu einem Wesen zu werden, welches weder durch maskulin noch feminin hinreichend beschrieben werden kann. Den bisherigen Analyseergebnissen zufolge ist es

äußerst wahrscheinlich, dass Haruka Tennō alias Sailor Uranus der Kategorie eines solchen

Wesens entspricht. Alsbald Personen einer binären Geschlechtsidentität nicht eindeutig kategorisiert werden können, wird ihnen nicht dieselbe Anerkennung wie maskulinen oder femininen Individuen zuteil; dies verdeutlicht ebenfalls der Dialog zwischen Usagi (Sailor

Moon) und Haruka:

Usagi: “Haruka-San32. Are you a man? Or are you a woman?”

Haruka: „Is it so important, if I’m male or female?“ (Toei Animation: 2016, Sailor Moon Crystal

S3, Ep. 05: 07’01”)

Harukas biologischer Körper (sex) ist gemäß ihrer Schöpferin weiblicher Natur; dies wird durch die Intervention der Figur – unter anderem durch das Tragen von Männerkleidung – jedoch maskiert. Butler diskutiert Lacans Begriff der Strategie der Maskerade (1991), welcher im

Kontext der hier analysierten Figur als sinnvoll erscheint. Lacan differenziert folglich zwischen zwei unterschiedlichen ontologischen (Nicht-)Positionen: Der Phallus sein und den Phallus haben. Der Phallus sein bedeutet, der Signifikant des Anderen Begehrens zu sein, beziehungsweise als dieser zu erscheinen. Anders ausgedrückt: „[…] der Phallus ‚sein‘ heißt: das Objekt, der/die Andere eines (heterosexualisierten) männlichen Begehren zu repräsentieren oder zu reflektieren.“ (ebd.: 1991, S. 75) Insofern bildet die Frau die Position des Phallus seins und existiert damit einhergehend für ein maskulines Individuum, welches darum bemüht ist, seine Identität und Macht zu potenzieren sowie zu optimieren – indem es sich mithilfe dieser Art von Sein für legitimieren lässt (vgl. ebd.: 1991, S. 77). Als Mangelwesen

32 LLG: Die japanische Anredeform -san wird bei sowohl weiblichen als auch männlichen Individuen als formale Höflichkeitsform verwendet und bildet das Äquivalent zu Herr und Frau X. 80

repräsentiert die Frau zwar den Phallus, ist der Phallus, kann ihn jedoch nie für sich beanspruchen und haben, da sie anatomisch nicht dazu in der Lage ist. Aufgrund dieses

Mangels bedarf es dem femininen Geschlecht (sex) einer Maskierung, einer distinktiven Form von Schutzmaßnahme. Doch was genau meint die Maskierung der Frau? Butler bietet hierzu mehrere Erklärungsversuche an, indem sie weiterführende Fragen dazu aufwirft, von welchen folgende von bezeichnendem Interesse für Haruka sind:

„Wird die Weiblichkeit durch die Maskerade als Widerspiegelung des Phallus konstruiert, um

die bisexuellen Möglichkeiten zu verschleiern, die andernfalls die ‚bruchlose‘ Konstruktion einer

heterosexuellen Weiblichkeit stören könnten? […] Dient die Maskerade in erster Linie dazu,

eine vorgegebene Weiblichkeit zu verbergen oder zu verdrängen, ist sie also ein weibliches

Begehren, das eine dem männlichen Subjekt nicht untergeordnete Andersheit begründen könnte

und das notwendige Scheitern der Männlichkeit offenbaren würde? Oder ist die gerade das

Mittel, durch das die Weiblichkeit allererst gestiftet wird […].“ (ebd.: 1991, S. 80f)

Im Falle Harukas könnte die Maskierung ihrer Weiblichkeit mit Lancans Betrachtungen zur weiblichen Homosexualität in Verbindung stehen. Lacan postuliert, weibliche Homosexualität folge aus der enttäuschten Heterosexualität der Frau; ergo sei die lesbische Sexualität eine Form von Zurückweisung beziehungsweise Verweigerung des Begehrens des Anderen (vgl. Lacan:

1975, S. 131). Ob Haruka jedoch tatsächlich als lesbisch bezeichnet werden kann, sei hierbei noch nicht ganz gewiss. Lacans These kongruiert jedoch mit Harukas Problemen hinsichtlich der Interkation mit Männern, welche – gemäß Michiru – auf Harukas Vergangenheit basiert

(vgl. Toei Animation: 2002, Sailor Moon Stars, Ep. 181: 06‘59“). Folglich stellt die Maske die

Bezeichnung des Körpers nach der Vorlage des Anderen dar. Butler greift zudem Joan Rivieres

(1929) Verständnis zum Begriff der weiblichen Maskierung auf und erläutert, dass die Maske, in Riviers Sinne, ebenfalls als Wunsch nach Männlichkeit und all den damit verbundenen

81

Privilegien – wie beispielsweise der Teilnahme am öffentlichen Diskurs als Mann mit Männern oder auf selber Augenhöhe – gedeutet werden könnte (vgl. Butler: 1991, S. 87). Ob die

Verschleierung von Harukas Femininität fürwahr auf ähnlichen Motivationen basiert, wird im

Zuge der Serie jedoch nicht ganz ersichtlich. Allerdings lässt ihr wiedergegebenes Porträt, dass einer starken Kämpferin, in welcher sowohl ein männliches als weibliches Herz schlägt,

ähnliches vermuten; in Michirus Worten: „Uranus is both a man and a woman, who is a guardian with both sex and strength.“ (ebd.: 2016, Sailor Moon Crystal, Ep. 07: 06‘17“)

In Butlers Schriften wird ersichtlich, dass geschlechtliche Identitäten keine alleinstehenden

Eigenarten verkörpern, sondern stets in kategorische Konstrukte und historische Ereignisse miteingewoben sind, welche, was Haruka anbelangt, nicht vollends nachvollziehbar sind.

Feststeht, dass sie sich in ihrem irdischen Zivildasein als biologische Frau in einer japanischen sowie patriarchalischen Gesellschaft bewegt und sich mit ihrem aus Akten bestehenden

Ensemble – Tragen von Männerkleidung, Ausübung männlicher Gesten sowie Bewegungen,

Verwendung männlicher Artikulationsformen etc. – als eine Art von Zwischenwesen außerhalb der Heterosexuellen Matrix bewegt. Über eine genaue Benennung ihrer geschlechtlichen

Identität lässt sich nur mutmaßen, jedoch kommt sie in meinen Augen, am ehesten einem genderfluiden33 pansexuellen34 Individuum nahe – diese These wird jedoch in der Kategorie des

Begehrens weiter diskutiert.

33 Begriffsdefinition Genderfluid: Genderfluid bezeichnet eine geschlechtliche Identität, die sich zeitlich- oder situationsbedingt ändern kann. Demnach ist es dem Geschlecht möglich zwischen diversen Geschlechtern zu wechseln. Konträr zu genderqueeren Identitäten verändert sich die Identität eines genderfluiden Subjekts und ist damit nicht kontinuierlich außerhalb der binären Zweigeschlechtlichkeit zu lokalisieren (vgl. Xenia: 2017, Eintrag: Genderfluid. Online unter: https://queer-lexikon.net/2017/06/15/genderfluid/ [Stand: 03.04.19].).

34 LLG: Begriffsdefinition Pansexualität: Pansexuelle Personen empfinden zu allen Geschlechten eine Anziehungskraft, was bedeutet, dass deren sexuelle Neigungen nicht auf dem Geschlecht des*der anderen basieren.

82

C) 1.5.1 Harukas geschlechtliche Performativität als Erweiterung der Kategorie von Gender

Judith Butler argumentiert, dass Geschlechtsidentität (gender) durch die rituelle

Wiederholung, durch performative Handlungen, produziert wird:

„We act and walk and speak and talk in ways that consolidate an impression of being a man or

being a woman. […] We act as if that being of a man or that being of a woman is actually an

internal reality or something that’s simply true about us, a fact about us. Actually, it’s a

phenomenon that’s being produced all the time and reproduced all the time. So to say gender is

performative is to say that nobody really is a gender from the start.“35

Wie durch vorherigen Analyseschritte bereits konstatiert, bezieht sich Harukas Performativität tendenziell eher auf die eines Mannes – zumal sie doch entsprechend männlicher

Verhaltensnormen agiert. Ihre Akte, Gesten, artikulierten oder inszenierten Begehrensformen evozieren die Illusion eines inneren Organisationskerns einer dualen Geschlechtsidentität. Jene

Geschlechtsidentität sei jedoch nicht als feste Identität zu erfassen, in welcher verschiedene

Akte wurzeln, sondern vielmehr als eine Identität, welche mittels stilisierter Wiederholungen von Akten in der Zeit konstituiert (vgl. Butler: 1991, S. 200). Butler setzt den Begriff der

Gender-Performanz zudem mit dem parodistischen Konzept der Travestie in Kontext. Die performativen Darbietungen der Travestie spielt mit Differenz zwischen dem anatomischen

Körper des Darstellers oder der Darstellerin (performer) und der inszenierten

Geschlechtsidentität. Anstelle des Dekrets der heterosexuellen Kohärenz, wird gezeigt, wie

35 vgl. PatwchworkCasopis (2012), Eintrag: Judith Butler – Your Behaviour Creates Your Gender. Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=WRw4H8YWoDA&list=WL&index=7&t=0s [Stand: 03.04.19]. 83

Geschlecht (sex) und gender durch Performanz, ent-naturalisiert werden können. Diesen

Prozess spiegelt auch Haruka wider, indem sie sich als anatomische Frau männlich kleidet und auch dementsprechend männlich handelt; ein gutes Beispiel hierfür bildet ihre Wortwahl hinsichtlich ihrer eigenen Adressierung: Anstelle von watashi (geschlechtsneutrale japanische

Ich-Form) oder atashi (primär von jungen Frauen angewandte japanische Ich-Form) verwendet sie die Ich-Form boku, welche hauptsächlich von jungen Männern genutzt wird.

C) 2 Haruka als Artefakt

Dieser Analyseaspekt umfasst drei unterschiedliche Untersuchungskategorien; Mittel und

Verfahren der Figurendarstellung, Strukturen figurenbezogener Informationsvermittlung,

Artefakt-Eigenschaften und Figurenkonzeptionen. Erstgenannte beschäftigt sich mit der Frage, welchen produktionstechnischen Prozedere bei der Darstellung von Figuren wirken (vgl. Eder:

2008, S. 322). Diese inkludieren eine Vielzahl von Aspekten, da sich die vorliegende Arbeit jedoch mit einer Anime-Figur auseinandersetzt, werden einige der Elemente nicht behandelt, zumal diese für das Forschungsvorhaben zu wenig Substanz hätten. Die Arbeit begrenzt sich demnach auf folgende Kriterien:

• mediale Kontexte

• Eigenname der Figur

• Mise-en-scène

84

C) 2.1 Mediale Kontexte

Mediale Kontexte beeinflussen die Figurendarstellung durch spezifische Komponenten wie beispielsweise dem jeweiligen Medium, Genre oder der Thematik. Haruka entstammt ursprünglich dem Manga-Spektrum und ist im Mädchen-Manga, genauer im Magical-Girl-

Genre, angesiedelt. Aufgrund des großen Erfolgs, den der japanische Comic mit sich zog, wurde der Stoff in den Anfängen der 1990er Jahre auf TV-Leinwand als Anime gebracht. Wie all die anderen Sailor-Moon-Charaktere wurde auch Haruka im typischen Stil des Mädchen-

Mangas designet; große expressive Augen, zarte Gesichtszüge, attraktiv, überschlank, gegebenenfalls von Glitzereffekten und fliegenden Rosenblättern umgeben etc. Wie bereits im gleichnamigen Kapitel diskutiert, zeichnet sich das Magical-Girl-Genre durch junge weibliche

Protagonistinnen mit Zauberkräften aus. Ein wesentliches Element stellt die zauberhafte

Verwandlung mithilfe eines magischen Artefakts und eines Zauberspruchs dar. Die Heldin der

Geschichte transformiert zu einer stärkeren Form ihrer selbst und bekommt im Zuge dessen zumeist ein distinktives Outfit beziehungsweise eine Maskerade verliehen. Sailor Moon folgt diesen Spezifika, geht jedoch noch weiter, indem die Charaktere wie männliche Superhelden, autonom und offensiv gegen das Böse antreten. Sie kämpfen für Liebe und Gerechtigkeit und stehen, was Kraft und Eifer anbelangt, dem männlichen Geschlecht ebenbürtig. Harukas

Kampfstil sticht hierbei besonders hervor. Ihr wird die Rolle der maskulin agierenden Kriegerin verliehen, die ihre Feinde ohne Gnade zu Fall bringt.

C) 2.2 Eigenname der Figur

Namen können eine signifikante Fülle versteckter Hinweise und Botschaften, hinsichtlich der entsprechenden Figur, inkorporieren. Zumal die hier behandelte Figur einer japanischen

Zeichentrickwelt, welche ein fiktives Tokio porträtiert, entspringt, erscheint es nicht verwunderlich, dass sie ebenfalls mit einem japanischen Namen versehen wurde. Der 85

japanische Vorname Haruka ist neutral geschlechtlich und kann mit distanziert, fern übersetzt werden. Natürlich hängt dies stark von den verwendeten Kanji ab und kann folglich variieren.

Tenou besteht aus den beiden Kanji Ten (jap. für: Himmel) sowie ō (jap. für: König) und deutet auf den Planeten Uranus, Ten'ōsei (jap. für: Himmelskönig-Stern), hin. Harukas voller Name steht demnach für ferner/distanzierter Himmelskönig, was zum einerseits ein Verweis auf Teile ihrer Persönlichkeit sowie andererseits eine Relation zur griechischen Himmelsgottheit Uranus herstellt. Ungeachtet ihres schelmisch verspielten Naturells liegt Haruka – anders als ihre

Mitstreiterinnen – ebenfalls eine äußerst private, wenn man so will, distanzierte Seite zugrunde, durch welche lediglich ihre Partnerin Michiru Kaioh alias Sailor Neptun dringen kann. Als

Kriegerin des äußeren Sonnensystems isoliert sich Haruka vom inneren Kreis der Gruppe und gibt nur wenig über ihr Inneres Preis.

Sailor Uranus repräsentiert, wie es ihr Name bereits offenlegt, den Planeten Uranus und bildet damit gleichzeitig eine Analogie zur Gottheit der griechischen Antike. Legenden zufolge wurde die maskuline Herrschergestalt aus Chaos, den Ursprüngen des Universums geboren.36 Zudem lassen sich Hypothesen westlicher Astrologie mit der Sailor-Kriegerin in Verbindung bringen; der Planet Uranus wird demnach mit Naturkatastrophen wie Erdbeben, Wirbelstürmen,

Taifunen sowie Orkanen assoziiert 37 . Naturgewalten und Chaos spiegeln sich in Harukas

Attacke World Shaker wider, mit welcher sie die Erde mithilfe von Himmelsenergie zertrümmert.

36 vgl. Study.com, Eintrag „The Greek God Uranus (Ouranos): Facts and Symbol. Online unter: https://study.com/academy/lesson/the-greek-god-uranus-ouranos-facts-symbol-quiz.html, [Stand: 02.05.19]. 37 vgl. Turi, Louis (2001): And God created the Stars. Online unter: https://books.google.at/books?id=dkr- O05M4m8C&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false, S. 318. [Stand: 03.05.19]. 86

C) 2.3 Mise-en-scène; Make-Up, Kostüm und Inszenierung

Haruka vereint eine beeindruckende Fülle von sowohl femininer als auch maskuliner

Eigenschaften in sich, welche situationsabhängig und mithilfe stilistischer Strategien bestärkt werden. Als Privatperson Haruka Tennō, trägt sie zumeist Männerkleidung und ist, konträr zu ihrer magischen Persona Sailor Uranus, sichtlich kantiger und androgyner gezeichnet. In ziviler

Kleidung wirkt sie auffallend muskulös sowie breitschultrig und verzichtet auf klassisch weibliche Indizien wie lange Wimpern oder Schmuck. Feminine Marker kommen erst bei ihrer zauberhaften Verwandlung in die Sailor-Kriegerin Sailor Uranus zum Vorschein; auffallend längere und akzentuierte Wimpern, Lipgloss, Schmuck, süßes Puppengesicht, weiche zierliche

Erscheinung, schmale schultern sowie Taille und Brüste. Gender Fluidity oder das

Verschwimmen der Geschlechter manifestiert sich jedoch auch in ihrem irdischen Dasein; beispielsweise wird die vermeintlich männliche Haruka beim Gros ihrer Auftritte durch die semiotischen Motive fliegender Rosenblätter sowie Glitzerpartikeln erneut feminisiert. In solcherlei stilisierten Szenen nutzt sie oftmals auch den Überraschungseffekt und erscheint als unerwartete Verstärkung für den inneren Kreis der Sailor-Kriegerinnen. Androgynität bildet ein wesentliches Merkmal für den männlichen Shōjo-Manga-Stereotypen des Bishōnen, des traumhaft schönen jungen Mannes. Harukas Sprechweise weist ebenfalls auf die Fluidität ihrer sexuellen Identität hin. Anstatt neutralen oder typisch weiblichen Ich-Formen wie watashi der atashi verwendet sie boku, einer für Jungen oder junge Männer reservierte Form des Ichs, was abermals, sowohl inmitten der anderen fiktiven Figuren als auch inmitten des Publikums,

Verwirrung, um ihr tatsächliches Geschlecht stiftet.

C) 3 Haruka als Symbol

87

Analytischen beziehungsweise interpretativen Studien zu Figuren und deren symbolhaft

übergeordneten Bedeutungen liegt, vor allem in den Film- und Literaturwissenschaften, eine fundierte Tradition zugrunde. Figuren werden demnach von ihren Rezipient*innen nicht lediglich als artifizielle Produkte und Bewohner*innen fiktiver Weltengebilde, sondern zugleich auch als Träger*innen indirekter Signifikate erfasst. Eder geht davon aus, dass mentale

Repräsentationen, durch (assoziative) Schlüsse, Auslöser für weiterführende mentale

Repräsentationen sein können (vgl. Eder: 2014, S. 536). Zudem stellt er folgende Arten von

Assoziationsgegenständen für die symbolische Analyse fiktiver Figuren vor:

- thematische Gedanken, Aussagen, oder Fragen,

- menschliche Eigenschaften oder Probleme, Tugenden oder Laster,

- Ideen oder Prozesse,

- latente Bedeutungen im Sinn der Psychoanalyse,

- soziale Rollen und Gruppen oder Archetypen,

- mythische oder religiöse Figuren,

- reale Einzelpersonen (vgl. ebd.: 2014, S. 537).

In diesem Analyseabschnitt sollen jene assoziativen Gegenstände auf die fiktive Figur Haruka

Tennō angewandt werden.

Haruka Tennō lässt sich als revolutionäre identitätsstiftende Heldin sowie visuelles und progressives Sinnbild der LGBTQ+-Community deuten, welche sämtliche Jugendliche der

1990er Jahre geprägt hat. Mit ihrer Ich-mache-was-ich-will-Attitüde hinsichtlich der

Repräsentation ihres Geschlechts evoziert sie ein kritisches Hinterfragen binärer

Zweigeschlechtlichkeit, klassischer Geschlechterrollen sowie -stereotypen; dies wird vor allem

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in dem zuvor bereits aufgegriffenen Dialog zwischen ihr und Usagi deutlich: „Is it so important, if I’m male or female?“ (vgl. Toei Animation: 2016, Sailor Moon Crystal S3, Ep. 05: 07’01”)

Die Macht, die diese Frage inkorporiert, wird speziell in Verbindung mit Judith Butlers Thesen evident. Was bedeutet maskulin und feminin eigentlich? Sind dies nicht nur vorgefestigte und damit soziokulturell bedingte Zuschreibungen? All das, was der Mensch über Männlichkeit und

Weiblichkeit weiß, sind soziale Konstrukte, von welchen eines der jeweiligen Person beim Akt der Geburt zugeordnet (assigned gender) wird. Die Gesellschaft beziehungsweise intelligible

Individuen neigen dazu, Menschen, die sich den konformen Regeln dieser heterosexuell bestimmten Matrix widersetzen oder dieser nicht entsprechen, zu diffamieren. Haruka begehrt mit ihrer Art speziell hiergegen, gegen die Zwangsordnung der gesellschaftspolitisch konstituierten Heterosexuellen Matrix und appelliert simultan für die Akzeptanz sowie

Entfaltung der eigenen (geschlechtlichen) Identität. Jene Botschaft erscheint gegenwärtig aktueller denn je, zumal die nach wie vor soziokulturell wichtige Serie mit dem Anime-Reboot

Sailor Moon Crystal (Toei Animation: 2014-2016) eine Konjunktur erfahren hat.

Sowohl Haruka als auch die vielen anderen Charaktere des Sailor-Moon-Franchise machten den japanischen Anime der westlichen Welt zugänglich, was sie dementsprechend ebenfalls mit den nostalgischen Konnotationen der Anfänge des japanischen Animationsgenres gleichsetzt.

Ein weiter symbolischer Aspekt bezieht sich auf Harukas magische Identität Sailor Uranus. Wie es die Namen der Charaktere bereits implizieren, verkörpert jede der zehn Sailor-Kriegerinnen einen Planeten des Sonnensystems. Obwohl Harukas Name zwar bereits im Abschnitt Mis-en scéne dargestellt wurde, wird er an dieser Stelle nochmals aufgegriffen, zumal Eder Uhrenwerk ineinandergreift. Einerseits wird der neutral geschlechtliche Vorname Haruka mit distanziert, fern übersetzt. Andererseits setzt sich der Nachname Tennō aus den beiden Kanji Ten (jap. für: Himmel) und ō (jap. für: König) zusammen und basiert zufolge der Schreibweise auf dem

89

japanischen Namen des Planeten Uranus, Tennōsei (jap. für: Himmelskönig-Stern). Der volle

Name der Figur lautet übersetzt demnach ferner Himmelskönig, was eine Analogie zur griechischen Gottheit des Himmels, Uranus bildet. Der Kontext zum altgriechischen

Himmelsgott weist zudem weitere Parallelen auf: Den Mythen zufolge traf sich die

Herrschergestalt jede Nacht mit seiner Mutter und Gemahlin Gaia, der Erde. Aus jenen nächtlichen Begegnungen entstanden zwölf titanische Kinder. Uranus verabscheute seinen

Nachwuchs jedoch derart, dass er – getrieben von Aggression – seine jüngsten Abkömmlinge in die Höllenschlunde von Tartaros verbannte; Kongregation mit Harukas aggressiven

Kampfstil. Erzürnt durch diesen Akt formte Mutter Erde eine große Sichel aus Feuerstein und beauftragte anschließend ihre verbliebenen Kinder, Uranus mit der Waffe zu kastrieren.

Cronus, der ambitionierteste der Titanenschar, war als einziger dazu fähig, das Werk seiner

Mutter zu vollenden. Nach Ausführung der gewaltvollen Tat warf der Titanensohn die

Männlichkeit seines Vaters ins Meer, was diesen auf ewig damit verbinden sollte; Konnexion zum Ozean und Sailor Neptun, welche auf dem gleichnamigen Gott der Meere basiert. Nach seiner Entmannung zog sich Uranus von seiner Gemahlin auf ewig zurück, was schließlich

Himmel und Erde in zwei solitäre Entitäten teilte.38 Der Aspekt der Kastration, des Verlusts der

Männlichkeit erscheint im Vergleich zu Haruka ebenfalls bedeutend; Uranus existiert fortan als eine Art von Mischwesen zwischen Maskulinität und Weiblichkeit.

38 vgl. Gantz, Timothy (1993): Early Greek myth. A guide to literary and artistic sources. Online unter: https://www.academia.edu/29883249/GANTZ_Timothy._Early_Greek_myth_a_guide_to_literary_and_artistic_so urces._Johns_Hopkins_University_Press_1993_ [Stand: 04.04.19], S. 10-16. 90

Abbildung 18: Die Verstümmelung von Uranus. Fresko von Giorgio Vasari u. Cristofano Gherardi, ca. 1560. Oonline unter: http://www.myastrologybook.com/Uranus-Ouranos-mythology-god.htm, [Stand: 05.04.19]..

C 3.1 Haruka als symbolischer Archetypus

Die Figur als Symbol inkludiert ebenfalls Analogien zur Carl Jungs Archetypenlehre39. Jungs

Studien (1934) bezogen sich insbesondere auf die Mythen und Legenden des

Unterbewusstseins. Er entdeckte und benannte den Komplex des kollektiven

Unterbewusstseins, jenen Teil der menschlichen Psyche, welchen alle Kulturen und Ären gemein haben. Das kollektive Unterbewusstsein umfasst das über Generationen hinweg generierte Wissen der Menschheit. Es könnte daher ebenfalls als ein Programm, mit welchem ein jeder Mensch versehen wird, bezeichnet werden; eine Art von instinktiver sowie vorverbaler

Ausstattung. Hierin legt Jung seine Archetypen an. Archetypen sind als mythische

Personifikationen menschlicher Entwicklungsstadien zu verstehen und dienen dazu,

Individuen durch unterschiedliche Reifungsprozesse zu geleiten.

Haruka betreffend werden einerseits Parallelen zum maskulinen Archetypus des Kriegers, welcher nach Moore und Gilette (1990) einen der vier zentralen männlichen Archetypen verkörpert, ersichtlich. Andererseits inkorporiert sie – wie jede andere (fiktive) Person – nicht

39 LLG: Definition Archetypus: Als Archetypen werden metaphysische Entitäten, bzw. idealtypische Sinnbilder einer Idee verstanden, welche zudem für menschliche Vorstellungs- und Handlungsmuster stehen können. 91

nur diesen, sondern multiple archetypische Sinnbilder; beispielsweise das der Jägerin beziehungsweise der Amazone sowie des Tricksters. Folgend sollen Beispiel die charakterlichen

Eckpfeiler des Archetypus des*der Krieger*in flüchtig erläutert und gleichzeitig mit Haruka in

Relation gesetzt werden.

• Der*die Krieger*in

Das ursprünglich maskulin gedachte Sinnbild des Kriegers umfasst einen der grundlegenden

Archetypen und manifestiert sich als zeitlose Personifikation über unterschiedliche Epochen und Kulturen hinweg auf stets idente Weise; er ist eine essentielle Ingredienz zur

Weltenschaffung und spielt demzufolge eine prägnante Rolle für die kulturellen

Errungenschaften des Menschen. Allerdings haften ihm ebenfalls negative Konnotationen – oftmals in Form fallierender Energien – an (vgl. Moore & Gilette: 1990, S. 79). Zumeist manifestiert er sich erstmals, gleich einer biologischen Uhr, in den frühen der Jugend: er rebelliert, sucht Abenteuer sowie Risiko und ergreift den Menschen wie eine Urgewalt. In

Haruka findet er sich beispielsweise in ihrem Kampfstil wieder. Wie alle Sailor-Kriegerinnen bekämpft auch sie ihre Feinde mithilfe martialischer Akte, wobei diese, was Haruka anbelangt, offenkundig aggressiver sowie offensiver ausfallen. Dies spiegelt sich, wie bereits in der Psyche der Figur erläutert, in ihrer Attacke World Shaker wider. Während die Angriffe ihrer

Mitstreiterinnen besonnener wirken, schmettert sie ihre kosmische Kraft aggressiv gen Boden und spaltet die Erde. Zudem erscheint ihr, abermals im Kontrast zu den anderen Sailor-

Kämpferinnen – unbarmherziger und gleichgültiger, was die Vernichtung des vermeintlich

Bösen angeht; Charakterzüge, die stark mit dem Archetypus des Kriegers, insbesondere mit der japanischen Samuraikrieger-Tugend, kongruieren:

92

„Aggressiveness […] is one of the Warrior’s characteristics. Aggressiveness is a stance toward

life that rouses, energizes, and motivates. It pushes us to take the offensive and to move out a

defensive or ‘holding’ position about life’s tasks and problems. The samurai advice was always to

‘leap’ into battle with the full potential of ki, or ‘vital energy’, at your disposal. The Japanese

warrior tradition claimed that there is only one one position in which to face the battle life:

frontally.” (ebd.: 1990, S. 79).

Ein valider Ansatz, zumal es sich bei Haruka, um durchwegs japanische Figur handelt. Dies impliziert einerseits ihr Name, ihre fiktive Heimat als auch das Gedankengut aus welchem sie geboren wurde.

C) 4 Haruka als Symptom

Ähnlich wie in der Real-TV- und Filmlandschaft erlauben auch Figuren der

Zeichentrickfilmwelt Folgerungen auf Ursachen sowie Einflüsse hinsichtlich ihrer Entstehung und bilden damit Quellen für Hypothesen über ihre Wirkung auf Rezipient*innen: „Figuren enthalten Hinweise darauf, wie ihre Erfinder andere Menschen wahrnehmen, und sie können unsere Wahrnehmung anderer Menschen und unserer selbst verändern, oft auf subtile. unauffällige Weise.“ (Eder: 2008, S. 541) Diese zwei Analysekategorien erscheinen Haruka betreffend – insbesondere im Hinblick auf ihre US-amerikanische Zensur – besonders bedeutsam. Folgend soll drei miteinander verknüpften und essentiellen Grundfragen nachgegangen werden:

„Welche individuellen und soziokulturellen Ursachen auf Seiten der Filmemacher und

Zuschauer sind für die intendierte und empirische Rezeption der Figur verantwortlich? Welche

93

Folgen für bestimmte Zuschauer(gruppen) oder die Gesellschaft könnte die Figur haben? Und

welche dieser Ursachen und Wirkungen werden in der empirischen, intendierten und idealen

Rezeption von den Zuschauern jeweils erfasst?“ (ebd.: 2008, S. 543)

Der Schwerpunkt hierbei soll jedoch primär auf soziologischen Aspekten – vor allem auf

Themenkomplexen der Gender Studies – gesetzt werden.

C) 4.1 Individuelle und soziokulturelle Faktoren für Harukas Entstehung

Als eine der frühen weiblichen (Mädchen-)Manga-Autorinnen musste sich Sailor-Moon-Erfinderin

Naoko Takeuchi in einer dominierenden Riege männlicher Mangaka behaupten. Obzwar weibliche

Zeichnerinnen bereits seit den späten 1970iger Jahren in der Produktion von Manga erfolgreich mitwirkten, so wurde die Berufssparte in den 1990 Jahren nach wie vor überwiegend von Männern beherrscht – Japan gilt immer noch als eine patriarchalisch geprägte Gesellschaft, in welcher Frauen

– was Karriere anbelangt – noch merkbar benachteiligt werden. Natürlich lässt sich diese subjektiv rekonstruierte Hypothese auf die Gesamtheit der Sailor-Kriegerinnen beziehen, allerdings wird sie durch Haruka zusätzlich bestärkt.

Takeuchi statuierte in einem Interview mit dem US-amerikanischen Magazin Smile, dass Sailor

Moon auf ihrer Liebe zu japanischen sental shows (Live-Action Team-Shows wie bspw. Power

Rangers) und ihrem Wunsch davon eine Mädchenversion zu kreieren, basiere.40

Harukas oder Sailor Uranus’ Charakter wurde allerdings erst nachdem die Sailor-Soldatinnen bereits etabliert waren, im Laufe der Handlung designet. Sie entstand gleichzeitig mit Sailor

Neptun; Takeuchi kreierte das Duo als Verstärkung für Sailor Pluto, mit der Intention zwei

40 vgl. Smile: Dezember 1998, S. 31. Online unter: https://www.tuxedounmasked.com/wp- content/uploads/2018/02/smile-p31.jpg, [Stand: 20.04.19]. 94

„[…] complementary but opposite characters […]“ der Geschichte beizufügen (vgl. Takeuchi:

1995, S. 31).

Anfängliche Zeichnungen von Haruka waren stilistisch zunächst weicher, femininer – erst mit

Voranschreiten der Serie transformierte sie zu einem androgyneren Wesen. Ursprünglich intendierte Takeuchi Haruka mit der durchwegs weiblichen Takarazuka Revue zu involvieren, ein Gedanke, welcher später jedoch wieder verworfen wurde. Allerdings griff sie das für die

Takarazuka-Gruppen typische Spiel mit Geschlecht auf und implementierte es in Harukas

Charakterdesign. Bei der Takarazuka Revue handelt es sich um ein nach wie vor aktuelles und beliebtes japanisches Musiktheaterformat, in welchem seit 1913 sowohl weibliche als auch männliche Rollen von Frauen gespielt werden; insofern das Pendant zum Kabuki Theater, in welchem alle Parts mit Männern besetzt werden. Die Mangaka verbindet mit der Takarazuku

Revue überdies das maximale Level weiblicher Emanzipation: „These actresses cover all roles of the plays, even the male ones. I was inspired by them to create Haruka.” 41 Takeuchis

Argumentation erscheint legitim zumal das Bestreben der Takarazuku-Gruppen sich neben deren Motto kiyoku, tadashiku, utsukushiku (jap. für: Reinheit, Gerechtigkeit und Schönheit) auf die Konstruktion und Entwicklung einer ästhetischen Metastruktur der spätmodernen

(geschlechts-)liquiden Identität bezieht. Im Vordergrund der Revue stehen nicht historische

Ereignisse, sondern Individuen, welche den Liquiditätsprozess der (Geschlechts-)Identitäten hervorheben sowie bestärken. Ein kontextuell besonders signifikanter Aspekt verweist auf den anthropologischen Wandel beziehungsweise Emanzipationsprozess von kawaii (jap. für: süß) auf kakkoii (jap. für: cool). Anstatt durch andere repräsentiert zu werden (in Lacans Worten:

41 vgl. Kicie.net, Eintrag: „An Interview with Naoko Takeuchi”. Online unter: http://www.kicie.net/realm/naoko.htm, Stand: 20.04.19]. 95

der Phallus sein), repräsentiert man nicht nur sich selbst, sondern zugleich auch die anderen

(in Lacans Worten: den Phallus haben).

Zudem beschreibt sie Sailor Uranus als ein perfektes Wesen, welches die besten Qualitäten beider binären Geschlechter ins sich vereint; sie ist gleichzeitig die weibliche beste Freundin als auch der Märchenprinz: „Da alle Sailor-Kriegerinnen noch relativ junge Mädchen sind, die manchmal nicht so recht wissen, was sie tun sollen, wollte ich eine Art Große-Schwester-Figur für sie schaffen. Jemanden, an den sie sich wenden können, wenn sie nicht weiter wissen, aber der ihnen auch bei Bedarf ein paar deutliche Worte sagen kann. […] Ich hatte schon lange Lust gehabt, so eine Figur einmal in eines meiner Werke einzubauen.“42 Harukas Genese basiert demnach nicht nur auf den ästhetischen und emanzipatorischen Strategien des Takarazuka

Theaters, sondern ebenfalls auf transkulturell bekannten Stereotypen, wie das leitende Motiv der großen Schwester oder das des märchenhaften Traumprinzen.

C) 4.2 Harukas Wirkung auf diverse Publika

Fiktive Figuren besitzen ein breites Spektrum an Fähigkeiten, welche auf ihr Publikum bewusst oder unbewusst einwirken können: Sie generieren soziale Daseinsangebote, dienen als

Leitmotive sowie Vorbilder und tragen damit gleichzeitig zur Identitätsstiftung bei. All jene

Charakteristika können jedoch von Rezipient*innen unterschiedlich erfasst werden, zumal dies stets vom kulturellen und gesellschaftspolitischen Hintergrund des jeweiligen Individuums abhängt. Allerdings kann das Wirken diverser Figurentypen ebenfalls Impuls für dynamischer

Diskussionen sowie Kontroverse sein. Das Figurenarsenal in Sailor Moon gilt, speziell im

42 vgl. Serenitatis.de, Eintrag: „Interview mit Naoko Takeuchi“. Online unter: https://serenitatis.de/index.php?Seite=wissenswertes/randnotizen/interviewnaokotakeuchi.php, [Stand: 20.04.19]. 96

Hinblick auf Gender und Sexualität, als äußerst vielfältig. Besondere Aufmerksamkeit wurde jedoch vor allem dem Duo Haruka alias Sailor Uranus und Michiru alias Sailor Neptun zuteil.

Die Beziehung der beiden stellt eines der meist zensierten sowie debattierten Elemente des

Medientexts – sowohl des japanischen Originals als auch der US-Fassung – dar. Wobei der US- amerikanischen Version vorwiegend negative Konnotationen anhaften. Dies liegt dem Fakt zugrunde, dass homoerotische und gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen innerhalb der japanischen Popkultur, anders als in Nordamerika, stark vertreten sind. Natürlich stößt

Homosexualität auch in Japan auf gewisse Stigma, allerdings ist es als Motiv präsent und wird durch Manga und Anime häufig positiv porträtiert. In den USA der 1990er Jahre galt

Homosexualität noch als ein politisch riskantes Thema. Während Advokaten des

Kinderfernsehens und der Medienreform, darum bestrebt waren, positive Repräsentationen von weiblichen sowie farbigen Charakteren mithilfe von Zensur zu kreieren, war eine positive

Darstellung nicht-heteronormativer Figuren für das US-Kinderprogramm der 1990er jedoch undenkbar (vgl. Hendershot: 1998, S. 105). Im Falle von Sailor Moon entpuppte sich jene

Gesinnung allerdings als komplexes Unterfangen. Diverse Charaktere wie die beiden männlichen Dämonen Kunzite und Zoisite boten, aufgrund ihrer langen Haare und

Androgynität, simplere Lösungswege an; der in Kunzite verliebte Zoisite wurde als weibliche und damit heteronormative Figur neu interpretiert und folglich von einer Synchronsprecherin gesprochen. Haruka und Michiru erwiesen sich indessen als problematisch, zumal beide

Charaktere bereits anatomisch weiblich sind und nach ihrer zauberhaften Verwandlung in hyperfemininen Outfits agieren. Cloverway’s holpriger Lösungsansatz resultierte in der

Degradierung der Charaktere; nicht nur wurden Harukas und Michirus Namen – wie auch bei allen anderen Sailor Moon-Figuren – amerikanisiert, das Liebespaar wurde auch zu Cousinen gemacht.

97

Die Beziehung der beiden Verliebten wurde durch neu verfasste Dialoge fast zur Gänze zensiert, was zu Disharmonien und Fissuren des Narrativ führte. Neue Rezipient*innen des

Sailor-Moon-Universums wurden demnach dazu angehalten, sich die, durch

Zensurmaßnahmen verursachten, narrativen Lücken selbst zu füllen. Inmitten der alteingesessenen Fangemeinde der USA stieß jene gesellschaftspolitische Entscheidung jedoch auf Aufruhr und Empörung, was in Form des folgenden Forum-Eintrags (2004) der

Internetseite Anime Super Hero, zum Ausdruck kommt:

„[…] I tried to give the dub a chance, but once I saw the it in Japanese there was no way I could

sit through another dubbed episode. The last straw for me was when I found out the dub had

made Haruka and Michiru cousins :rolleyes: [smiley]. At that point the dub lost all credibility in

my eyes. […]”43

Auch Huffpost-Autorin und Sailor-Moon-Fan Sara Roncero-Menendez schreibt in einem

Onlineartikel über ihre Verwirrtheit aus Kindertagen hinsichtlich des romantisch involvierten

Duos:

„In the version that aired on American screens, courtesy of DiC, Amara and Michelle, who

transformed into Sailor Uranus and respectively, were introduced in 2000 as

“cousins”, but they certainly didn’t act like any cousins I knew. They were always together,

affectionate with each other and even were willing to die for each other. I love my cousins, but

enough to doom the world for them? Something seemed amiss to me, even though I was only in

the fourth grade and had yet to even hold a boy’s hand.”44

43 vgl. Anime Super Hero.com, Eintrag: Sailor Moon. Beitrag von Riza Hawkeye (2004). Online unter: https://animesuperhero.com/forums/threads/sailor-moon.3670611/, [Stand: 26.04.19]. 44 vgl. Huffpost.com, Eintrag: Sailor Neptune and Uranus Come Out of the Fictional Closet. Beitrag von Sara Roncero-Menendez (2014). Online unter: https://www.huffpost.com/entry/kissing-cousins-viz-wont_b_5353859, [Stand: 26.04.19]. 98

Der Gedanke, Sailor Moon richte sich lediglich an ein Publikum, bestehend aus jungen

Mädchen, könnte der Realität nicht ferner liegen. Die Serie zog und zieht nach wie vor

Menschen unterschiedlichster Altersklassen, Geschlechter und Kulturen, an; 22-38% der

Zuseher*innen umfassten (junge) Erwachsene.45

Die Rezeptions-Historie des Anime verdeutlicht die Signifikanz, Zensur als einen fortwährenden, einen stets dynamischen Prozess – verknüpft mit einer Häufung wirtschaftlicher Interessen, den Leidenschaften des Publikums und gesellschaftspolitischer

Richtlinien – zu betrachten sowie zu analysieren. Dieser Prozess operiert sowohl durch die

Verbreitungsrichtlinien für Texte als auch durch Änderungen an den Texten selbst - obwohl beide Aspekte stark von den Vorstellungen des potenziellen Publikums beeinflusst werden.

Darüber hinaus ziehen einige US-amerikanische Mitglieder der Anime-Fangemeinde die japanischen Originale den synchronisierten und teilweise zensierten Adaptionen vor und greifen auf sogenannte Fansubs oder -dubs, von Fans für Fans verfasste Fassungen mit selbst erstellten Untertiteln oder Synchronisationen, zurück.46 Dies deutet abermals darauf hin, dass

Zensurprozessen eine enorme soziokulturelle Bedeutung zugrunde liegt. Welche im Falle von

Sailor Moon, insbesondere durch Haruka und ihre Beziehung zu Michiru transparent wird. Die beiden medialen Ikonen der LGBTQ-Szene inspirierten und prägten eine ganze Generation junger Individuen, auf der Suche nach Selbstfindung und -entfaltung.

Die Kurzdokumentation How Sailor Moon Transformed Queer 90s Kid’s Lives47 von VICE inkludiert einen hierzu passenden Interviewpart; die beiden Sailor-Moon-Fans Barry und Alex

45 vgl. Newspapers.com, Eintrag: Clipped from The Gazette. Online unter: https://www.newspapers.com/clip/27614176/the_gazette/, [Stand: 26.04.19]. 46 vgl. Close, Samantha (2017), Eintrag Moon Prism Power!: Censorship as an adaption in the case of Sailor Moon. Online unter: http://www.participations.org/Volume%2014/Issue%201/16.pdf. [Stand: 07.07.19]. 47 vgl. VICE, How Sailor Moon Transformed Queer 90s Kid’s Lives I American Obsessions: 2016, ‘4:54”. Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=yM3SWeQz4v4, [Stand: 27.04.19]. 99

sprechen über ihre Beziehung zu Sailor Moon und den Einfluss, den der Anime auf ihre

Entwicklung hatte:

Berry: “I dealt with homophobia at school in a moment my parents tried to beat the happiness

out of me. They would call me horrible names associated with gay men. […] When I was at school

other kids would like sing songs about killing me and like jump jump around in circles around

me. […] the only thing, I had that made me happy was watching Sailor Moon with my little sister.

It’s just through this lens of someone who’s been through a lot of trauma and as queer young

adults many of us have shared that trauma. […] if you ever meet people who are queer and ask

them if they like Sailor Moon it’s almost always yes.”

Alex: “Being transgender and growing up and being raised as a girl it was hard to find characters

that like reflected what society told me that I had to be, and Sailor Moon was girly, but she was a

strong person and her friends they we’re equally as strong. They got stuff done they fought evil

and so that was just really appealing. I think it’s also one of the only shows that portrayed

transgender characters not because they were transgender it was just a fact of their personality.”

Bei der Neuauflage des Sailor-Moon-Inhalts (2014-2016, Toei Animation) Sailor Moon Crystal wurden, aus Respekt vor dem Original sowie der LGBTQ-Community, keinerlei US- amerikanische Zensurmaßnahmen vorgenommen. Dieser Akt könnte ebenfalls als ein Akt der

Entschuldigung gegenüber nicht-heteronormativen Fans ausgelegt werden.

C) 5 Haruka zwischen imaginativer Nähe und emotionaler Anteilnahme

Im Verlauf der bisherigen Kapitel wurde ersichtlich, dass die queere Figur Haruka Tennō alias

Sailor Uranus mithilfe eines wechselseitigen und aufeinander bezogenen Analysenetzwerk,

100

bestehend aus Artefakt, Fiktivem Wesen, Symbol und Symptom, untersucht werden kann. Die

Rezeption sowie Reaktion des jeweiligen Publikums nimmt bei jeden der Forschungsaspekte einen essentiellen Part ein; die emotionale Anteilnahme sowie imaginative Nähe zu Figuren als fiktive Wesen bildet hierbei den Primärfokus. Hiermit seien rezeptionelle Prozesse wie „[…]

Bewertungen, Fantasien, Wünsche, Gefühle, Einstellungen und wahrgenommene Selbstbezüge

[…]“ der Zuseher*innen, hinsichtlich des dementsprechenden Charakters, gemeint (vgl. Eder:

2008, S. 561). Der*die Besucher*in imaginierter Welten steht mehr oder minder in direkter

Beziehung zu den fiktionalen Bewohner*innen, versetzt sich in sie hinein, verflucht oder idealisiert sie. Gemäß Eder spiegeln sich Formen von Anteilnahme insbesondere in der

Körpersprache und Mimik des*der Zuschauer*in wider: durch Nachahmung der Figur durch

Mimik, Gestik, Nachsprechen beziehungsweise Nachstellen diverser Dialoge und Szenen etc.

(vgl. ebd.: 2008, S. 561). Fiktive Charaktere, welche auch Auslöser starker Emotionen sind, verfügen über das Potential Menschen beim Verstehen des Selbst sowie des*der Fremden zu helfen und offerieren gleichzeitig Daseinsangebote sowie Lösungswege. Haruka erweckte weltweit sowohl Empathie als auch Apathie und erscheint daher sowohl im Kontext emotionaler

Anteilnahme als auch imaginativer Nähe besonders relevant. Im Zuge des jenes abschließenden

Analyseabschnitts sollen in Anlehnung an Eder folgende Fragen geklärt werden:

• Imaginative Nähe: Wie verwandt wirkt die Figur auf sozialer Ebene? Wird auf eine

parasoziale Nähe abgezielt?

• Emotionale Anteilnahme im Kontext des Begehrens (Judith Butler; Heterosexuelle

Matrix): Welche Emotionstrigger des fiktiven Wesens werden durch den Anime

fokussiert? Welche Emotionen löst die Figur hauptsächlich aus?

101

C) 5.1 Imaginative Nähe

Wie verwandt wirkt die Figur auf sozialer Ebene? Wird auf eine parasoziale Nähe abgezielt?

Wie die bisherigen Analyseaspekte zeigten, weist die Figur Haruka eine Vielzahl individueller sowie heterogener Charaktermerkmale auf. Zusammen mit Sailor Neptun tritt sie vorerst als distanzierte Persönlichkeit mit einer eigenen Agenda auf und schließt sich daher dem

Bestreben der anderen Sailor-Kriegerinnen erst im späteren Verlauf der Serie an. Bis zum Ende der zweiten Staffel erscheint es folglich nicht vollends klar, ob das einzelgängerische Duo nun als Protagonist*innen oder Antagonist*innen agiert. Haruka inkorporiert sowohl maskuline als auch feminine Werte und trägt diese frei sowie ungeniert nach außen. Nicht nur in Japan, sondern ebenfalls in Nordamerika zählt sie aufgrund ihrer geschlechtlichen Fluidität und Liebe zu ihrer Partnerin Michiru, zu den bekanntesten Queer-Charakteren der Medienwelt und beeinflusste damit ganze Generationen von (jungen) Individuen. Dementsprechend erscheint die Assoziation mit sozialen Gruppierungen wie der LGBTQ-Community valide – zumal sich einige LGBTQ-Mitglieder, wie die Interviewausschnitte aus Kapitel C) 4.2 bestätigen, mit sowohl Haruka als auch Michiru identifizieren. Allerdings wirkte – und wirkt nach wie vor – besonders Haruka als determinierte Kriegerin Sailor Uranus auf die Identitätsbildung von

Jugendlichen ein. Ihre körperliche sowie geistige Stärke isoliert sie vom Rest der Sailor-

Kämpferinnen und pointiert ihre Wirkung als tragender Charakter. Obgleich sie als Nebenfigur klassifiziert wird, liegen ihr heldenhafte sowie leitende Qualitäten zugrunde; mit ihrem

Erscheinen lässt sie nicht nur die Protagonistin Sailor Moon, sondern ebenfalls all ihre

Mitstreiter*innen in den Hintergrund rücken. Sie evoziert Gedanken an eine Existenz zwischen gesellschaftlich regulierten Stereotypen als auch Normen von klassisch weiblichen und männlichen Verhaltensweisen. Damit bestärkt sie ein kritisches Hinterfragen des zwar am

Kampf aktiv beteiligten, trotz dessen jedoch überfeminisierten Rests der Sailor-Kriegerinnen.

102

Frauen, die als Heroinen gegen das Böse antreten und sich selbst retten, anstatt gerettet zu werden – jene Vorstellung lässt die gesellschaftlich gezogenen Grenzen zwischen maskulinen und femininen Geschlechterrollenbildern verschwimmen und setzt nicht nur Haruka und

Michiru, sondern alle Sailor-Kämpferinnen, zumindest symbolisch, mit dem Motiv des*der geschlechtlichen Grenzgänger*in in Relation. Sowohl der Sailor Moon Manga als auch Anime spielt mit der klassischen Segmentierung zwischen den binären Geschlechtern und zelebriert

Diversität. Wohingegen früher in der westlichen Welt, beispielsweise in streng religiösen

Teilen der USA, Homosexualität noch mit etwas unnatürlich diabolischen, dämonenhaften, dem Bösen assoziiert wurde, macht Sailor-Moon-Autorin Naoko Takeuchi das anatomisch gleichgeschlechtliche Paar Haruka und Michiru zu Heldinnen und Verfechterinnen des Guten.

Dieser Akt entfachte sicherlich bei einigen nicht-heteronormativen Fans der Serie ein Gefühl von Empowerment und Selbstbestätigung. Haruka verkörpert, wie ihre zivile Form es vorerst suggeriert, nicht nur lediglich männliche Charaktereigenschaften, sondern ebenfalls weibliche, welche in ihrer impulsiven und teilweise emotionsgesteuerten Art Ausdruck finden; ein Fakt der sie abermals vom stereotypischen Bild eines lesbischen Liebespaares – bestehend aus einer maskulin (Butch48) und einer feminin agierenden Frau (Femme), isoliert. Haruka ist einfach

Haruka und widersetzt sich damit jeglicher geschlechtsspezifischen Zuordnung. Folglich forciert sie die Vorstellung, dem gesellschaftlich auferlegten Zwang einer Heterosexuellen

Matrix nicht entsprechen zu müssen, um im Leben bestehen zu können. All jene Eigenschaften fungieren als eine Brücke, welche parasoziale Nähe zum Publikum der Serie, insbesondere der

LGBTQ-Community, schaffen soll. Nach intensiver Recherchearbeit zu Judith Butler und ihrem Werk zeigten sich der Autorin dieser Masterthesis interessanterweise ebenfalls Parallelen zwischen Butler und Haruka – nicht nur bezüglich ihres Äußeren, sondern auch ihrer

48 LLG: Begriffsdefinition Butch: Als Butch wird eine lesbische oder queere Frau beschrieben, welche über ein maskulines Aussehen sowie Verhalten verfügt. Die sogenannte Femme ist ihr Pendant; feminines Aussehen und Verhalten. 103

Positionen hinsichtlich von Sexualität und Geschlecht: „Is it so important, if I’m male or female?“ (Toei Animation: 2016, Sailor Moon Crystal S3, Ep. 05: 07’01”) Butler argumentiert,

Gender sei performativ, was gleichzeitig suggeriert, niemand werde mit einem vorbestimmten

Geschlecht geboren.49 Zumal es sich bei Gender, um ein sozial geschaffenes Konstrukt handelt, welches nicht nur queere Individuen aus der Machtstruktur der geschlechtlichen Matrix exkludiert, sondern ebenfalls die binären Geschlechter Mann und Frau in regulierte Strukturen einer Geschlechterrollenhierarchie zwängt. Gleichzeitig handelt es sich dabei um eine Form von Repression hinsichtlich der eigenen Identität und des Potentials dieser. Sowohl Butlers als auch Harukas Perspektiven brechen jene Grenzen auf und eröffnen eine Welt jenseits geschlechtlicher Zuordnung, in welcher das Subjekt im Fokus steht.

C) 5.2 Emotionale Anteilnahme im Kontext des Begehrens

Welche Emotionstrigger des fiktiven Wesens werden durch den Anime fokussiert? Welche Emotionen löst der Charakter hauptsächlich aus?

Gemäß Eder kann die emotionale Anteilnahme an Figuren auf den Aspekt des Fiktiven Wesens, des Artefakts, Symbols sowie des Symptom eingehen, allerdings soll sich dieser

Analyseabschnitt primär auf die emotionalen Impulse des Fiktiven Wesens – Körperlichkeit,

Sozialität, Psyche sowie Verhaltensaspekte – konzentrieren (vgl. Eder: 2014, S. 656). Haruka

Tennō alias Sailor Uranus charakterisiert sich durch eine Vielzahl physischer, psychischer sowie sozialer Eigenschaften und Beziehungen, welche vor allem durch ihre Liebe zu Michiru Kaioh alias Sailor Neptun wirkt. Als von Sailor-Moon-Schöpferin Naoko Takeuchi zwar anatomisch weiblich, jedoch maskulin gedachtes Pendant zur klassisch femininen Michiru, ist Harukas

49 vgl. PatwchworkCasopis (2012), Eintrag: Judith Butler – Your Behaviour Creates Your Gender. Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=WRw4H8YWoDA&list=WL&index=7&t=0s [Stand: 03.04.19]. 104

Äußeres von androgyner Attraktivität geprägt, was indes sowohl unter den Charakteren des fiktiven Metaverses als auch unter vielen Zuschauer*innen der Serie Verwirrung stiftete. Doch gerade das Mysterium um Harukas Geschlecht sowie sexuelle Identität erscheint ein signifikanter Indikator von Faszination, Empathie und Identifikation, hinsichtlich ihrer

Rezipient*innen. Emotionale Anteilnahme bezüglich Haruka wird besonders in der persönlichen Entwicklung, welche sie im Fortlauf der Serie durchlebt, transparent. Die Zeit vor ihrem Erwachen zu Sailor Uranus porträtiert eine determinierte, jedoch einzelgängerische

Athletin und Rennsportwagenfahrerin, welche nur wenig Interesse am Kampf gegen Dämonen zeigt. Ihre wahre Identität, die Sailor-Kriegerin des Planeten Uranus, verleugnet sie vorerst, zumal sie ihre Zukunft und Träume nicht für ein Dasein als Heroine opfern möchte. Nachdem

Sailor Neptun jedoch in einer kriegerischen Auseinandersetzung mit dem Feind verletzt wird, verwandelt sich Haruka instinktiv in ihr magisches Alter-Ego und schließt sich letztendlich dem

Kampf gegen das Böse an. Jene Entscheidung wird allerdings sicherlich von der gegenseitigen

Anziehung, welche sich zwischen Haruka und Michiru bereits früh abzeichnet, bestärkt; sie verhieß den Anfang einer engen Partnerschaft, die schließlich in Liebe überging.

Abbildung 19: Haruka und Michiru in einer romantischen Szene. Online unter: http://postdeldia.com/post/370399/Sailor- Moon-Anime-Illuminati-Satanico-Off-topic. [Stand: 07.07.19].

105

Die ersten Begegnungen mit dem Rest der Sailor-Kriegerinnen verlaufen ähnlich problematisch. Haruka wirkt vom Sailor-Team isoliert, agiert partiell sogar antagonistisch, und vertritt gemeinsam mit Sailor Neptun ihre eigene Agenda; die Suche nach drei legendären

Talismanen und die damit verbundene Rettung der Welt. Als sich inmitten der Klimax der dritten Staffel Sailor Moon S (Toei Animation: 1994) jedoch herausstellt, dass sich zwei der magischen Objekte in Harukas und Michirus Herzen verbergen, opfert sich Haruka und

überträgt damit die Macht ihres Talismans – des Space Swords – auf Sailor Moon, welche daraufhin die Apokalypse verhindern kann. Harukas selbstloses Opfer wäre zu Beginn ihrer

Reise nicht denkbar gewesen, zumal sie vorerst jegliche Art von Interaktion mit den Sailor-

Kriegerinnen des inneren Zirkels meidet und ihre Handlungen primär auf Eigennutz basieren.

Usagis alias Sailor Moons Liebe rettet die Talismanträgerinnen letztendlich jedoch und gewährt

Haruka damit eine zweite Chance auf ein gemeinsames Leben mit Michiru sowie eine freundschaftliche Zusammenarbeit mit dem Rest der Sailor-Kämpferinnen. Trotz all jenen

Geschehnissen erfährt sie keinen radikalen Sinneswandel, sondern bleibt sie sich bis zum Ende der Serie stets treu und verdeutlicht, dass Held*innen einer Geschichte nicht immer zwingend männlich sein müssen, um über dunkle Mächte triumphieren zu können; sie müssen jedoch auch nicht zwingend weiblich sein. Distinktive Zuweisungen von Geschlecht und Sexualität verlieren innerhalb des Sailor-Moon-Universums, nicht nur mithilfe von Sailor Uranus, sondern ebenfalls durch eine Reihe weiterer nicht-heteronormativer Figuren, zunehmend an

Bedeutung. Der Anime steht daher für eine Art Zufluchtsort, einen sicheren Hafen für

Mitglieder der LGBTQ-Bewegung, beziehungsweise für all jene Personen, die dem Diktum des intelligiblen Menschen nicht entsprechen. Allerdings scheint Haruka einen besonderen

Platz inmitten der gesamten Sailor-Moon-Fangemeinde zu okkupieren. Ihr androgynes

Äußeres, ihre lässige Artikulation, Mimik und Gestik sowie Bewegungsart sprechen zu einer

Vielzahl junger Individuen und machen sie folglich zu einer potentiellen Freundin, großen

106

Schwester-, beziehungsweise Bruderfigur, zu einem Vorbild. Objektive sowie subjektive

Perzeptionen von Haruka verstärken sich jedoch im Rezeptionsprozess zu emotionalen

Ansichten. Das Publikum korrespondiert nicht nur lediglich mit ihrem Charakter, sondern ebenso mit speziellen Situationen, Interessen sowie Konflikten, die ihr zugrunde liegen. Die

Liebe und das Begehren für Michiru erscheinen indes als größter Emotionsauslöser. Die dritte

Kategorie von Judith Butlers Modell der Heterosexuellen Matrix spiegelt sich hinsichtlich

Haruka auf zwei Ebenen wider: Erstens in ihrem Begehren für Michiru. Zweitens in dem daraus resultierenden Wunsch queerer (nicht-intelligibler) Fans, ihr eigenes Begehren publik zu machen und gesellschaftlich akzeptiert zu werden. Wo die mediale Inszenierung nicht- heteronormativer Figuren vor kurzem noch von Devianz sowie Rigorosität geprägt war, brillieren Haruka und Michiru als zwei der einflussreichsten sowie gerechtesten Charaktere des

Sailor Moon-Metaverses; und stehen, was die Legitimation ihrer Liebe betrifft, dem heteronormativen Protagonist*innen-Liebespaar der Serie, Sailor Moon und Tuxedo Mask, alias Usagi und Mamoru, um nichts nach. Es scheint als wäre es gerade jener Aspekt, der sowohl die Romanze als auch die beiden Sailor-Kriegerinnen selbst so faszinierend macht. Gemäß

Manami Tanaka genoss das Liebesgespann sogar mehr Popularität in der Fangemeinde als die zentralen intelligiblen Liebenden (vgl. Tanaka: 2002, S. 181).

Judith Butler argumentiert passend hierzu: „In heterosexuellen Beziehungen finden sich ebenso durchaus homosexuelle psychische Strukturen wie umgekehrt in schwulen und lesbischen Beziehungen psychische Strukturen der Heterosexualität.“ (Butler: 1991, S. 180)

Insofern nimmt Haruka als vermeintliche Butch-Femme, welche die elegante und feminine

Michiru begehrt, den maskulinen Part in ihrer lesbischen Beziehung ein. Allerdings bedeutet die Identifikation mit der Maskulinität, die als Butch-Identität verortet wird, nicht, dass sich die homosexuelle Frau erneut in die Heterosexualität eingliedert oder zu dieser zurückkehrt.

107

„Wie eine lesbische Frau erklärte, mag sie es, wenn ihre Jungen Mädchen sind – das heißt also, daß die ‚Männlichkeit‘ in der butch-Identität durch das ‚ein Mädchen sein‘ kontextualisiert und resignifiziert wird.“ (Butler: 1991, S. 182) Demnach erscheint die mutmaßliche Männlichkeit stets von einer kulturell intelligiblen Form isoliert. Gerade jene ambivalente Konfrontation und sexuelle Tension, welche ihre Überschreitung hervorruft, erzeugen den Aspekt des Begehrens.

In anderen Worten: der Aspekt des Begehrens einer homosexuellen Frau ist weder ein entsituierter weiblicher Körper noch eine latent männliche Metaidentität, sondern vielmehr die

Abschwächung beider Begriffe, wie sie sich in erotischen Interaktionen begegnen. Allerdings ist ebenfalls ein Begehren in umgekehrte Richtung möglich; dass die Mädchen lesbischer, beziehungsweise queerer Frauen Jungen sind. Dieser Geschlechter-Tausch des Begehrens lässt jedoch eine Vielfalt im Verhältnis zwischen maskulin und feminin zu. „Bezeichnenderweise kann sich sowohl der sexuell bestimmte Körper als ‚Grund‘ wie auch die Identität der butch oder femme als ‚Figur‘ verschieben, umkehren und erotische Verwüstungen aller Art erzeugen.“ (ebd.: 1991, S. 182f.). Der Gedanke daran, dass die männliche Butch und die weibliche Femme Reproduktionen oder Abbilder heterosexueller Konstellationen seien, unterschätzt jedoch die erotische Signifikanz, welchen diesen Subjekten zugrunde liegt.

108

Abbildung 20: Michiru und Haruka bei einem Spaziergang. Online unter: https://weheartit.com/entry/90424640. [Stand: 07.07.19].

Auch wenn Haruka und Michirus Beziehung heterosexuelle Szenarien vergegenwärtigt, verschiebt sie diese gleichzeitig. Sowohl die Existenz der Butch als auch der Femme zweifelt den Glauben an eine originäre oder natürliche Identität an; exakt dieser Zweifel wird zum

Träger erotischer Macht, welche Haruka mithilfe emotionaler Anteilnahme auf ihre

Rezipient*innen überträgt.

C) 6 Ergebnisdarstellung und Fazit

Sailor Moon gilt nicht nur als einer der populärsten und einflussreichsten Mädchen-Manga sowie -Anime, sondern ebenfalls als revolutionäres Werk, hinsichtlich der Repräsentation von

Sexualität und Geschlecht. Auf den ersten Blick erweckt die Serie jedoch den Eindruck heteronormativ geprägt zu sein, was gleichzeitig das Bestreben nach der Aufrechterhaltung heterosexueller Kongruenzen, impliziert – zumal die Heldin der Geschichte Usagi Tsukino alias

Sailor Moon den Prototyp einer heterosexuellen beziehungsweise intelligiblen jungen Frau verkörpert (Die Figur als Artefakt). Sie verfügt über ein klassisch mädchenhaftes weibliches

Erscheinungsbild, einen distinktiv männlichen Freund und wird zusammen mit den anderen

109

Sailor-Kriegerinnen als nach dem anderen Geschlecht verrückt porträtiert. Aus einer oberflächlichen Betrachtung der Serie könnte demnach hervorgehen, dass es sich bei dem

Anime um eine Materie handelt, in welcher alle Charaktere stabile Geschlechter,

Geschlechtsidentitäten sowie eindeutig heterosexuelle Begehrensformen besitzen. Allerdings zeigen genauere Inspektionen, vor allem die japanische Originalversion des Gesamtwerks betreffend, dass dem Medientext eine Vielzahl nicht-heteronormativer Figuren, Beziehungen und damit verbunden, ein konsistentes Verschwimmen dichotomer Grenzen von Geschlecht, geschlechtlicher Identität sowie Sexualität, zugrunde liegt. In jenem Kontext stechen zwei distinktive Charaktere besonders hervor, von welchen erstere im Mittelpunkt dieser

Masterarbeit steht: Haruka Tennō alias Sailor Uranus und Michiru Kaioh alias Sailor Neptun.

Die beiden Figuren werden als zwei neue und mysteriöse Sailor-Kriegerinnen in der dritten

Staffel der Serie eingeführt, und stiften unmittelbar (romantische) Verwirrung inmitten des

Sailor-Teams. Sowohl die Darstellung Harukas ziviler Erscheinungsform (Fiktives Wesen:

Körper) als auch ihre Artikulations- und Verhaltensformen (Fiktives Wesen: Psyche) suggerieren, dass sie sich als männlich identifiziert und damit als nicht-intelligibel kategorisiert werden kann – diese Hypothese wird vor allem durch die Nutzung vorwiegend männlicher

Pronomen (im jap. Original) bestärkt. Die starke Attraktion der Sailor-Kämpferinnen hält jedoch auch nach Harukas Outing als Frau an, was die Mädchen dazu anhält, ihre eigene

Sexualität zu hinterfragen. Wenn sich Haruka anlässlich eines Kampfes in ihr magisches Alter

Ego Sailor Uranus verwandelt, findet dabei ebenfalls ein Transformationsprozess hinsichtlich ihrer geschlechtlichen Expression statt; sie wechselt von männlich zu weiblich, um kämpfen zu können. Jener Akt der zauberhaften Verwandlung unterminiert hegemonische sowie frauenfeindliche Geschlechterhierarchien, welche die maskuline Vorherrschaft naturalisieren und die vermeintliche Schwäche des weiblichen Geschlechts aufrechterhalten. Ein Mädchen oder besser gesagt, eine junge Frau kann also in den Krieg ziehen, ohne dabei ihre Femininität

110

aufzugeben; Haruka entfaltet ihre Weiblichkeit beispielsweise erst mit ihrer Metamorphose zur

Sailor-Heroine.

In ihrer irdischen Form tritt Haruka als androgyne Oberschülerin, (feste) Freundin sowie

Partnerin von Michiru auf und verfolgt neben ihren schulischen Aktivitäten eine Karriere als

Rennwagensportfahrerin (Fiktives Wesen: Sozialität). Sie glänzt in sportlichen Aktivitäten, verkörpert mit ihrem Äußeren den perfekten Traumprinzen beziehungsweise Bishōnen und nutzt jede Gelegenheit mit hübschen Mädchen zu flirten. Abseits von ihrer Beziehung zu

Michiru erscheint sie jedoch verschlossen und pflegt relativ wenig soziale Kontakte, allerdings verbindet sie eine innige Freundschaft zu Setsuna Mudo alias Sailor Pluto, einem weiteren

Mitglied des Sailor-Teams. In den späteren Staffeln der Serie sorgt sie gemeinsam mit Neptun und Pluto für die re-inkarnierte sowie infantile Sailor Saturn und nimmt in jener

Familienkonstellation die väterliche Rolle ein.

Haruka und Michiru sind ein Liebespaar, dieser Fakt wird besonders in der japanischen Version evident. Sie agieren wie zwei junge Liebende, sind unzertrennlich, wohnen zusammen, teilen romantische sowie intime Momente, necken sich und werden eifersüchtig. Im Sinne binärgeschlechtlicher Konstellationen würde Haruka den männlichen (Butch) und Michiru den weiblichen (Femme) Part der homoerotischen Beziehung erfüllen (Heterosexuelle Matrix:

Begehren). Sailor-Moon-Autorin Naoko Takeuchi stellte klar, dass diese Strategie intendiert war: „Haruka ist die dominantere Persönlichkeit der beiden, sie steht aktiver im Vordergrund als Michiru, die eher sanft, aber stark im Hintergrund bleibt.“ (Tanaka zit. nach Takeuchi:

2002, S. 181). Diese äußerst traditionell gehaltenen Rollen erweisen sich im Vergleich zum

Protagonist*innen-Paar, Usagi und Mamoru, auffallend prägnanter; ein interessanter Aspekt, zumal es sich bei Haruka und Michiru paradoxerweise um zwei junge Frauen handelt

111

(Heterosexuelle Matrix: Gender Performanz). Der jeweils maskuline (Butch) und feminine

(Femme) Stereotypus wird ebenfalls von den magischen Waffen der beiden Sailor-

Kriegerinnen pointiert: Sailor Uranus tritt gegen ihre Feinde mit einem Schwert, dem Space

Sword an, wohingegen Sailor Neptun einen Zauberspiegel, genannt Aqua Mirror nutzt. Zudem gilt es zu erwähnen, dass Harukas Kleidungsstil keine Relationen zu ihrem Verhalten aufweist;

Signalkleidungsstücke, welche männlich und weiblich akzentuieren, finden sich folglich kaum in ihrem Auftreten wieder (Heterosexuelle Matrix: Gender). „Uranus is both a man and a woman, who is a guardian with both sex and strength.“ (Toei Animation: 2016, Sailor Moon

Crystal, Ep. 07: 06‘17“) Michirus Kommentar gliedert die klassische Konnotation von Stärke aus dem Kontext des Maskulinen aus und weitet sie auf den Komplex des Weiblichen aus.

Verweise auf Harukas Androgynität beziehungsweise Queerness spiegeln sich überdies auch in ihrem Eigennamen wider (Die Figur als Artefakt): der japanische Name Haruka ist geschlechtsneutral und kann damit sowohl für Jungen als auch für Mädchen verwendet werden.

Ihr Nachname Tennō steht übersetzt für ferner Himmelskönig, was wiederum eine Analogie zur maskulinen griechischen Himmelsgottheit Uranus bildet und gleichzeitig auf ihre

überirdische Identität Sailor Uranus hindeutet.

Harukas Widerstand gegen vorherrschende Geschlechterbilder schaffte einen Raum für eine

Vielzahl von (juvenilen) Individuen, auf der Suche nach (geschlechtlicher) Identität. Allerdings wirkte die Figur nicht nur auf nicht-heteronormative, sondern ebenfalls auf heteronormative

Personen ein – als doch die Repräsentation von Geschlecht und Sexualität des Anime

Reflexionsprozesse über das (geschlechtliche) Selbst stiftet (Die Figur als Symptom).

Zusammen mit ihrer Partnerin Michiru fungiert sie als symbolischer Initiator einer ganzen

Generation von Jugendlichen (Die Figur als Symbol). US-amerikanischen Zensurmittel der

Cloverway-Adaption (2000), die zugunsten gesellschaftspolitischer Normen eingesetzt wurden,

112

degradierten die ikonischen Figuren jedoch auf den befremdlichen Status zweier Cousinen.

Dieser Akt ist vor allem der früheren US-amerikanischen Tendenz, queere Charaktere, zu diffamieren und demgemäß innerhalb der Medienwelt negativ darzustellen, verschuldet. Oder wie im Falle von Sailor Moon gesellschaftstauglich zu machen, anders ausgedrückt: in die

Zwangsordnung der Heterosexuellen Matrix zu drängen. Diese Zwangsheterosexualisierung zerstörte in den Figuren exakt jene Essenz, die sie definiert und der Serie ihren revolutionären

Charakter verleiht. Folglich wurde ebenfalls das gesamte Narrativ der Szenen mit Michiru und

Haruka, destabilisiert, was viele der (neuen) Zuschauer*innen verwirrte. Queere Anime-

Charaktere wie in Sailor Moon porträtiert, erscheinen in dichotome westliche Gesinnungen als unübersetzbar; die Tiefe und Komplexität von Bedeutungen sowie nicht-heteronormativen

Individuen beziehungsweise Begehrensarten verlieren sich in Translationsprozessen. Inmitten der binären Systeme, Kategorien und Sprachen des Westens wirken einige dieser

Identitätsformen kontradiktorisch sowie inkohärent. Nicht nur Haruka und Michiru, sondern viele weitere Sailor-Moon-Figuren, offerieren jedoch eine Neuvorstellung jener Identitäten, frei von westlichem Gedankengut zur binären Zweigeschlechtlichkeit und damit auch dem

Dekret der Heterosexuellen Matrix.

Viz Media strahlte 2014 eine neue Vertonung der 1990er Version des Anime, in welcher dieses

Mal auf radikale Zensurvorgänge verzichtet wurde, aus. Dies schien allein schon aufgrund der anhaltenden Popularität des Medientexts als auch dem Zensur-Fiasko der Vorgänger-Adaption notwendig. Im selben Jahr wurde zudem das Reboot Sailor Moon Crystal (2014-2016) veröffentlicht; die Neuauflage der Geschichte orientiert sich, im Gegensatz zum Anime der

1990er, vermehrt auf der originalen Manga-Vorlage und illustriert Haruka und Michiru so wie sie von Naoko Takeuchi ursprünglich erdacht wurden. Sowohl die US-amerikanische

Neusynchronisation des originalen Anime als auch die Adaption von Sailor Moon Crystal

113

könnten demnach als eine Art von Richtigstellung und Entschuldigung, nicht nur an die japanische Kultur, sondern ebenfalls an die LGBTQ-Community, interpretiert werden.

Sailor Moons Ankunft im Westen liegt nun bereits fast zwei Dekaden zurück und die Thematik der Geschlechtsunabhängigkeit sowie Diversität, insbesondere hinsichtlich der

Kindeserziehung, erscheint aktueller denn je. Angesichts der fortlaufenden Debatten über den ethischen Umgang mit queeren Kindern, offeriert die Leichtigkeit, mit welcher Sailor-Moon-

Charaktere sexueller und geschlechtlicher Identität begegnen, eine potentielle Hilfestellung für den westlichen Raum – sie eröffnen alternative Ausgangspunkte für Fragen nach

Geschlechtsidentitäten und fokussieren dabei fluide Gender-Expressionen, Selbstbestimmung sowie Identitätsformen, welche die Präexistenz der Kategorien Sex und Gender nicht erfordern.

Die intensive Auseinandersetzung mit dem Wesen Haruka Tennō alias Uranus, machte mich mit der komplexen Vielfalt des queeren Figurenangebots in Sailor Moon vertraut und brachte mich auf die Hypothese, dass der Anime als eine Art von Resistenz gegen dichotome

Konzeptualisierungen von Geschlecht und Geschlechtsidentität fungiert. Besonders Haruka drängt auf eine Neuinterpretation der beiden Kategorien; mittels Undoing-Gender-Praktiken eröffnet sie Räume für queere Jugendliche und schafft zugleich Möglichkeiten für die

Entwicklung eigener Identitäten. Die kulturellen Überschreibungspraktiken oder anders formuliert, die Einschreibung fiktiver (Anime-)Charaktere in divergente Gesellschaftsnormen, stellt eine symbolische Bedrohung gegen die vermeintlich natürliche Ordnung dar:

Machtsysteme erfordern fügsame Subjekte. Allerdings zeigte der Anime Sailor Moon, dass sich dessen fiktionale Figuren solcherlei Hierarchien nicht beugen, sondern vielmehr dagegen aufbegehren, indem sie nicht-intelligible Formen des Selbst zelebrieren. Es bleibt gespannt abzuwarten, wie sich der Umgang mit geschlechtsspezifischer Diversität innerhalb der

Medienwelt entwickeln wird und ob Charaktere wie Haruka jemals frei von Zensur und dem

Zwang der heterosexuellen Matrix sein werden.

114

Abbildung 21: Sailor Uranus und Neptun in Sailor Moon Crystal (Toei Animation: 2014, online unter: https://www.tuxedounmasked.com/wp-content/uploads/2016/05/Sailor_Moon-Crystal_HaruMichi.jpg).

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Abbildungsverzeichnis

ABBILDUNG 1: SZENE AUS HAKUJADEN (JAP. FÜR: DIE LEGENDE DER WEIßEN SCHLANGE), POWER OF

BABEL: 2011 HTTP://BRER-POWEROFBABEL.BLOGSPOT.CO.AT/2011/09/PANDA-AND-MAGIC-

SERPENT-MOVIE-FOR.HTML ...... 24

ABBILDUNG 2: POSTER ZUM DRAGON BALL Z UND SAILOR MOON ANIME...... 26

122

ABBILDUNG 3: SZENENAUSSCHNITT DER BEIDEN PROTAGONISTINNEN AUS YOUR NAME – GESTERN,

HEUTE UND FÜR IMMER (HTTPS://WWW.INDEPENDENT.CO.UK/ARTS-

ENTERTAINMENT/FILMS/NEWS/YOUR-NAME-SPIRITED-AWAY-HIGHEST-GROSSING-ANIME-OF-ALL-

TIME-A7530876.HTML)...... 28

ABBILDUNG 4: BUGS BUNNY BEI EINER PARTIE RUSSISCHES ROULETTE (TWITTER.COM: VON SCHNAUZ,

THOMAS (2017). ONLINE UNTER:

HTTPS://TWITTER.COM/TOMSCHNAUZ/STATUS/829799809405947904, [STAND: 17.12.18]...... 33

ABBILDUNG 5: ORIGINAL UND US-AMERIKANISCHE VERSION VON MR. POPO AUS DRAGON BALL.

(YOUTUBE.COM: HTTPS://WWW.YOUTUBE.COM/WATCH?V=JCAEMSNXWBC), [STAND: 17.12.18].

...... 34

ABBILDUNG 6: VERGEWALTIGUNGSSZENE AUS EIICHI YAMAMOTOS BELLADONNA SADNESS, 1973

(WRONGWRONG.NET, ONLINE UNTER: HTTP://WRONGWRONG.NET/ARTICLE/SUBVERSION-OF-THE-

ARTICLE-175-OF-THE-JAPANESE-PENAL-CODE-THREE-CASES)...... 36

ABBILDUNG 7: POSTER ZUR ZWEITEN SEASON VON NETFLIX'S CASTLEVANIA (SCHEDEEN, JESSE:

NETFLIX’S CASTLEVANIA 2 REVIEW. ONLINE UNTER:

HTTPS://WWW.IGN.COM/ARTICLES/2018/10/26/NETFLIXS-CASTLEVANIA-SEASON-2-REVIEW),

[STAND: 18.12.18]...... 37

ABBILDUNG 8: EIN PANEL AUS DEM MANGA „DIE ROSEN VON VERSAILLES“ (IKEDA RIYOKO, 1972) MIT

FÜR DEN SHŌJO NACH WIE VOR CHARAKTERISTISCHEN DESIGNELEMENTEN; FUNKELNDE

LICHTEFFEKTE. (ODORUNARA.COM, ONLINE UNTER:

HTTPS://ODORUNARA.COM/2010/08/11/CHARACTER-CONTROL-AND-CONFESSION-THE-THEME-

OF-LOVE-IN-THE-ROSE-OF-VERSAILLES-PART-3/), [STAND: 20.12.18]...... 40

ABBILDUNG 9: DER BISHŌNEN-ZAUBERER HOWL AUS HAYAO MIYAZAKIS „HOWL'S MOVING

CASTLE“ (HOWLSCASTLE.WIKIA.COM, ONLINE UNTER:

HTTP://HOWLSCASTLE.WIKIA.COM/WIKI/FILE:HOWL.JPG), [STAND: 19.12.18]...... 41

ABBILDUNG 10: BEISPIEL FÜR DEN MAGICAL GIRL PROTOTYPUS AUS DER SERIE VON MAHŌ SHŌJO ORE.

(FRYE, 2018. ONLINE UNTER: HTTPS://WWW.MONSTERSANDCRITICS.COM/ANIME/MAGICAL-GIRL-

123

ORE-SEASON-2-RELEASE-DATE-MAHOU-SHOUJO-ORE-MANGA-SEQUEL-CONFIRMED-BUT-WILL-THE-

ANIME-BE-RENEWED-BEYOND-EPISODE-12/), [STAND: 01.01.19]...... 43

ABBILDUNG 11: SZENENBILD AUS SALLY THE WITCH MIT DER TITELHELDIN UND IHREN FREUNDEN.

(PINTEREST. ONLINE UNTER:

HTTPS://WWW.PINTEREST.AT/PIN/466544842621965249/?LP=TRUE), [STAND: 01.01.19]...... 44

ABBILDUNG 12: DIE SAILOR MOON (MITTE) DER 1990ER JAHRE MIT DEN ANDEREN SAILOR-

KRIEGERINNEN. (JAPANIAC, 2017. ONLINE UNTER: HTTPS://WWW.JAPANIAC.DE/PLAENE-FUER-

SAILOR-MOON-SYMPHONIEKONZERTE-IN-DEUTSCHLAND/), [STAND: 01.01.19]...... 46

ABBILDUNG 13: ORIGINAL ARTWORK VON BLEACH-SCHÖPFER TITE KUBO. DAS BILD ZEIGT DEN

TITELHELDEN ICHIGO IN SEINER SOUL-REAPER-VERWANDLUNG. (PINTEREST. ONLINE UNTER:

HTTPS://WWW.PINTEREST.AT/PIN/863002347317925678/), [STAND: 01.01.19]...... 47

ABBILDUNG 14: DAS GRUNDMODELL DER UHR DER FIGUR VON JENS EDER (VGL. EDER: 2014, S.141). .. 58

ABBILDUNG 15: DIE ERWEITERTE VERSION VON EDERS UHR DER FIGUR DURCH DIE KATEGORIE

KONTEXTE UND EMOTIONALE WIRKUNGSFORM, UMGEBEN VON JUDITH BUTLERS EBENEN –

INKLUSIVE EINER NEUEN VIERTEN EBENE „GENDER PERFORMATIVITÄT – DER „HETEROSEXUELLEN

MATRIX“...... 66

ABBILDUNG 16: HARUKA TENOU IM ALLTAG UND ALS SAILOR-KRIEGER*IN (VGL.: PINTEREST. ONLINE

UNTER:

HTTPS://WWW.PINTEREST.AT/PIN/AY4U5B9E9EJYHVOMNDJR3L3ZALRF7RS53EQATXS_DAD-

TFXZZQHX_VY/, [STAND: 02.04.19]...... 66

ABBILDUNG 17: SAILOR URANUS' ATTACKE "WORLD SHAKER" (VGL. TOEI ANIMATION: 2002, “SAILOR

MOON S”, EPISODE 17: 19’05”)...... 74

ABBILDUNG 18: DIE VERSTÜMMELUNG VON URANUS. FRESKO VON GIORGIO VASARI U. CRISTOFANO

GHERARDI, CA. 1560 (ONLINE UNTER: HTTP://WWW.MYASTROLOGYBOOK.COM/URANUS-

OURANOS-MYTHOLOGY-GOD.HTM, [STAND: 05.04.19])...... 91

ABBILDUNG 19: HARUKA UND MICHIRU IN EINER ROMANTISCHEN SZENE.ONLINE UNTER:

HTTP://POSTDELDIA.COM/POST/370399/SAILOR-MOON-ANIME-ILLUMINATI-SATANICO-OFF-

TOPIC. [STAND: 07.07.19]...... 105

124

ABBILDUNG 20: MICHIRU UND HARUKA BEI EINEM SPAZIERGANG. ONLINE UNTER:

HTTPS://WEHEARTIT.COM/ENTRY/90424640. [STAND: 07.07.19]...... 109

ABBILDUNG 21: SAILOR URANUS UND NEPTUN IN SAILOR MOON CRYSTAL (TOEI ANIMATION: 2014,

ONLINE UNTER: HTTPS://WWW.TUXEDOUNMASKED.COM/WP-

CONTENT/UPLOADS/2016/05/SAILOR_MOON-CRYSTAL_HARUMICHI.JPG)...... 115

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