FARBWECHSEL Auch Grün Steht Jack White Ausgezeichnet FOTO: BLINDTEXT
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FARBWECHSEL Auch Grün steht Jack White ausgezeichnet FOTO: BLINDTEXT 64 | Rolling Stone | Mai 2012 JACK WHITE WÄCHTER DER EWIGEN MYTHEN Mit den White Stripes hat er abgeschlossen. Nun arbeitet JACK WHITE mit neuen Farben und alter Technik an seiner Vision von Blues Von Christoph Dorner edeckt sind jetzt raunen. Er wird dabei misstrauisch be eine Innovation in der Tonträ- ordinärer E-Bass auf dem Album zu hö- die Farben des Jack unter seiner getönten Fliegerson- gerdistribution ausprobieren wollen, ren ist. Stattdessen spielt Bryn Davies, White, Rot hat aus- nenbrille hervorgucken, kurz das teilte das Label mit cooler Noncha- eine Session-Musikerin aus Nashville, gedient. Ein dezent irre Grinsen von Johnny Depp aus lance mit. einen brummenden Kontrabass, der elegantes Smog- einem beliebigen Tim-Burton-Film Diese Anekdote erzählt jedoch um Aufmerksamkeit kämpft: „Es ist G Blau – vielleicht der Himmel über aufsetzen und mit gespreizten Hän- noch viel mehr: Jack White, der dem ziemlich schwierig, die Töne und Fre- Nashville – als Komplementär zum den diese Bewegung andeuten, mit Rock‘n‘Roll mit dem stampfenden Mu- quenzen des Kontrabass aufzunehmen, Schwarz des Blues und der unge- der man Kindern vormacht, man tanten-Blues der White Stripes seine ohne dass sie matschig klingen“, sagt sunden Blässe des Punk, dem der könne etwas wegzaubern. Seine alte letzte richtig gute Pointe abgerungen White, der Produzent. Er liebt solche optische Auftritt eines gemachten Action-Garderobe, die revolutions- hat, glaubt in seiner Detailversessen- Sätze, versichern sie ihm doch, dass er Mannes nun folgen soll. Der Kontrast roten Jeans und T-Shirts, werde er heit immer noch daran, dass ein rot- den lebenslangen Kampf des Bluesmu- zur comic-haften Pop-Explosion der nie wieder tragen, sagt White nüch- weißes Pfefferminzbonbon oder eben sikers gegen äußere Widerstände und White Stripes könnte kaum augen- tern. Ein Schmerzensmann war er ein blauer Heliumballon für seine Ad- Bequemlichkeit weiterhin annimmt. fälliger sein. Beginnt hier die mitt- nie. Auch die geliebte Airline-Gitar- aption des Blues die Welt bedeuten kön- Aus keinem anderen Grund hat er den lere Schaffensphase des Jack White, re aus Plastik und all das rote Zeug nen. „Blunderbuss“ ist somit eigentlich White Stripes einst ihren strengen Re- den sein Erfolg zum Zampano ge- kann dorthin, wo es unter Garan- eine Fortschreibung des Mythos der gelkatalog auferlegt. macht hat? tie nie hinsollte: ins Museum. Vor- White Stripes mit anderen Mitteln. Dass Jack White als ausgemachter Der Mitarbeiter der Plattenfirma bei. Denn White ist natürlich so schlau, Technik-Skeptiker nicht alle Instru- XL hatte den Fehler im Suchbild ge- Tausend blaue Luftballons hat sein SoloAlbum nicht erneut entlang mente auf „Blunderbuss“ selbst einge- rade noch rechtzeitig gefunden, ehe Jack Whites Label Third Man Re- der Logik maximaler Reduktion aus spielt hat, verstand sich ohnehin von White in einem Berliner Luxusho- cords, eine Trutzburg seines persön- den naiven Garagen-Tagen von De- selbst: „Wo wären da der Soul, die En- tel beinahe ein Fernsehinterview lichen Analog-Fetischs, Anfang April troit zu deklinieren. Vielmehr sind der ergie?“, fragt er nur. Das Empower- vor einem roten Wandgemälde ge- in den Himmel über Nashville stei- Rhythm & Blues und der Southern ment der White Stripes spielt aller- geben hätte. Das Bild musste also gen lassen. Der Wind trug sie süd- Rock die historischen Schlüsselgenres dings auf einer Meta-Ebene weiterhin abgehängt werden, nichts soll offen- wärts, und so fanden einige Senioren seines traditionstreuen Songwritings eine Rolle. Aus der essenziellen, kom- kundig an das Corporate Design der im Bundesstaat Alabama in ihren geworden, das allenfalls noch bei der plizenhaften Zweierschaft mit seiner White Stripes erinnern, wenn White Gärten erschlaffte Ballons, an die funkensprühenden Single „Sixteen Sal- Ex-Frau Meg hat Jack White die Idee über sein erstes Soloalbum „Blun- eine Flexidisc, ein antiquiertes Vinyl tines“ die Heaviness von Led Zeppelin von gleich zwei Backing-Bands gebo- derbuss“ spricht. „Red is gone“, wird mit dem „Blunderbuss“-Song „Free- aufblitzen lässt. Gleichwohl ist es amü- ren: einer weiblichen und einer männ- FOTO: JOSH ANDERSON Jack White später auch im Gespräch dom At 21“ gebunden war. Man ha- sant, dass bis auf eine Ausnahme kein lichen. Sie heißen The Peacocks, die Rolling Stone | Mai 2012 | 65 JACK WHITE Pfauen, und The Buzzards, die Bus- enn die Geier, sie kreis- dem massenhaften Wiederkäuen des auf einem Motorboot, im Linienbus sarde – beide Gruppen will er mit auf ten gerade wegen der Gitarren-Riffs von „Seven Nation Ar- gespielt, bei denen neben dem virtu- Tour nehmen und jeden Tag neu ent- sensationellen Erfolge my“ unwillentlich die Maßstäbe ver- osen Talent und der überstürzigen scheiden, welche Band am Abend zum fortwährend über der rutscht waren. Geradezu prophetisch Energie auch die kindliche Unvor- Einsatz kommt. Eine Setlist soll es Karriere der White für dieses Unbehagen waren schon eingenommenheit alter Tage aufblit- wie bei den White Stripes nicht ge- D Stripes. Erst waren sie zu zweit und die Lyrics des Blues-Klopfers „Litt- zen. Am Ende des Films sitzen Meg ben. Fragt man White, ob hier ein zu rot, dann zu verlogen, zu geküns- le Room“ vom Album „White Blood und Jack einträchtig am Klavier: Er Kampf der Geschlechter inszeniert telt, zu folkloristisch oder – wie im Cells“ gewesen: besingt den „Little Moon“, sie legt werden soll, lacht er nur. Er hat die- Fall von „Get Behind Me Satan“, dem „Well you‘re in your little room/ den Kopf an seine Schulter und weint se Antwort schon häufiger gegeben: nähesten Verwandten von „Blunder- And you‘re working on something verschämt. Im Herbst 2007 werden „Ich mache mir einen Spaß daraus, buss“ – gar zu wenig werktreu. Stets good/ But if it‘s really good/ You‘re die White Stripes wegen Megs auf- Menschen mit ihren Vorurteilen zu limitiert oder bereits längst auser- gonna need a bigger room/ And when keimender Bühnenangst sämtliche konfrontieren.“ zählt. All das vornehmlich britische you‘re in the bigger room/ You might Auftritte absagen. Es ist der Beginn White selbst hat sich für das Cover Pressegemurmel über Authentizitäts- not know what to do/ You might ha- eines langen Abschieds. von „Blunderbuss“ noch einmal einen defizite und Gossip hat aus dem auf- ve to think of/ How you got started/ Jack White hat seine Songs in der ganz anderen Vogel auf die Schulter richtigen Polsterer John Gillis, so der Sitting in your little room.“ Folge für die Raconteurs mit Brendan setzen lassen. Er sagt, ihm gefalle bürgerliche Name von White, einen Im wunderbaren Tour-Film „Under Benson und The Dead Weather mit die romantische Vorstellung, wie ein etwas zornigen Rockstar gemacht. Great White Northern Lights“ kann Alison Mosshart geschrieben und da- Geier auf den Tod eines Lebewesens Vor allem aber mussten sich Meg und man die White Stripes ein letztes Mal bei etwas Demokratie gelernt. In „It zu warten. Jack bei der Veröffentlichung ihres ganz bei sich sehen. Auf ihrer Tour Might Get Loud“ inszeniert er sich Für Jack White scheint diese Aus- sechsten Albums, „Icky Thump“, ein- abseits der Metropolen Kanadas hat- 2009 in der Runde mit Jimmy Page sicht ein willkommener Perspektiv- gestehen, dass ihrem einstmals so te das Duo 2007 auch improvisierte und The Edge als der Retro-Purist wechsel zu sein. unschuldigen Projekt nicht erst mit Showcases in einer Bowling-Halle, unter den Gitarren-Ikonen. Ganz ne- benbei kokettiert White in der Rocku- mentary auch mit seiner Potenz als Songwriter. Den „Fly Farm Blues“, vor laufender Kamera auf dem Dachbo- den geschrieben und aufgenommen, veröffentlicht Jack White erstmals unter eigenem Namen. Die Idee eines Soloalbums nimmt jedoch erst Fahrt auf, als er 2010 Wanda Jacksons Al- THE WHITE STRIPES bum „The Party Ain‘t Over“ produziert The Upholsterers und dabei auch die Arrangements Goober & The Peas für eine zwölfköpfige Session-Band The Raconteurs schreibt. The Dead Weather Es ist die Zeit, in der White in sei- THE ROLLING STONES nem Studio in Nashville entlang ei- Electrics gründete ner strengen Farbenlehre eine il- Alicia Keys Rome lustre Bandbreite an 45s für Third THIRD MAN RECORDS Beck Man Records aufnimmt. Alte Hel- Third Man Upholstery Bob Dylan den wie Tom Jones und Seasick Ste- ve. Juvenile Folk-Sängerinnen wie betreibt Laura Marling, First Aid Kit und sei- spielte mit ne zweite Ex-Frau, das Model Karen Elson. Whites heimliche Attraktion, die sinistren All-Girl-Garage-Go- thics The Black Belles. Oder die Sa- tiriker Conan O‘Brien und Stephen Colbert. Noch exzentrischer sind die Vinyl-Formate des Labels: Platten mit abspielbarem Etching, mit blau- Kosmos er Flüssigkeit innerhalb des Vinyls, Meg White in unabspielbar langsamen 3 RPM. Renée Zellweger KAREN ELSON ls an einem Tag White RZA, Rapper beim KINDER war liiert mit Scarlett Theresa White legendären New produzierte Henry Lee White Yorker Wu-Tang Clan, eine Session inA letzter Minute absagt, nimmt Jack White mit den einbestellten Musikern WANDA JACKSON kurzerhand drei eigene Songs auf, da- Loretta Lynn runter mit dem „Trash Tongue Talker“ The Von Bondies Karen Elson als erstem Sponti-Song für „Blunder- Insane Clown Posse buss“ eine Homage an den R&B-Pi- Dan Sartain anisten James Booker. Er reiht sich damit in Whites Panoptikum um Son House, Charley Patton und Loretta Lynn ein. In der Zwischenzeit haben auch Jack und Meg ein klärendes Ge- FOTOS: AUTUMN DE WILDE, KINOWELT GMBH/KEVIN MAZUR, XL RECORDINGS, KATE ELSON 66 | Rolling Stone | Mai 2012 spräch geführt: „Ich sagte zu ihr: Fans sogar seine Ex-Frau Karen Elson auf können schon nicht verstehen, dass drei Songs Backing Vocals beisteuert, ich bei The Dead Weather Schlag- führt zudem die Anflüge von Miso- zeug spiele, solange eine Band wie gynie ad absurdum, die der Erzähler die White Stripes existiert. Womög- Jack White in einigen fiebrigen Tex- lich möchte ich bald ein Soloalbum ten von „Blunderbuss“ aufschimmern machen und dabei nicht mitteilen lässt.