Joachim Rees „Grabmal Des Raphael Mengs in Einem Alten

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Joachim Rees „Grabmal Des Raphael Mengs in Einem Alten Buchrezension 25. Mai 2006 Book Review Editor: C. Sedlarz Reimar F. Lacher: Friedrich Georg Weitsch (Braunschweig 1758 - 1828 Berlin). Maler, Kenner, Akademiker. Berlin: Gebr. Mann Verlag 2005, 366 S., 175 sw-Abb., 37 Farbabb., 88 EUR, ISBN 3-7861-2321-7. Joachim Rees „Grabmal des Raphael Mengs in einem alten Über Leben und Werk von Friedrich Georg germanischen Eichenhain“ (1784), „Die Prin- Weitsch informiert nun umfassend die Studie zessinnen Luise und Friederike von Preußen be- von Reimar F. Lacher, hervorgegangen aus einer krönen die Statue des Königs“ (1795), „Große an der Freien Universität Berlin eingereichten Landschaft mit Chimborazo in Südamerika“ Dissertation. Dies merkt man dem Buch weder (1806-1808), „Didus ineptus. Der Dudu“ (1818). hinsichtlich seiner sprachlichen Durchformung Vier Werke des Malers Friedrich Georg Weitsch, an (denn diese ist über alle stilistischen Labili- jedes einem anderen Jahrzehnt seines Schaffens täten, die dieser Textform bisweilen anhaften, er- entnommen, jedes partizipiert stets an mehreren haben), noch seiner Gestaltung und Ausstattung: Bildtraditionen und -gattungen, nirgends zeigt Von asketischem Dissertationsdruck weit ent- sich ein ungebrochenes Verhältnis zwischen Ge- fernt, besticht die Publikation durch ein überaus genstand und Darstellung. Die Landschaft wird gediegenes Erscheinungsbild. Ihr nicht ganz ge- allegorisch (Grabmal Mengs), die Allegorie ringer Preis erscheint angesichts Leineneinband, porträthaft (die statuenschmückenden Prinzes- hochwertigen Farbabbildungen und Verlagslek- sinnen), das Porträt landschaftsbildend (denn torat (!) nur gerechtfertigt. Alexander von Humboldt und Aimé Bonpland sind die Hauptfi guren der Chimborazo-Ansicht) Die Studie gliedert sich in einen biographischen und das naturkundliche Tierbild ist zugleich Alt- Teil, eine gattungsspezifi sche Erörterung der meisterkopie (den Dodo, jenen voluminösen, Haupttätigkeitsfelder des Künstlers (Porträt, in tropischen Breiten beheimateten Vogel hatte Historie, Landschafts- und Tiermalerei) mit ex- Weitsch auf einem Gemälde des frühen 17. Jahr- emplarischen Werkanalysen sowie eine Bespre- hunderts entdeckt und ihm ein postumes Denk- chung diverser Denkmalentwürfe. Zwischenge- mal gesetzt, denn längst war das fl ugunfähige schaltet fi ndet sich ein etwas isoliert wirkender Tier, massenweise zu Proviant für die europä- Exkurs über Weitsch als Kunstkenner, der, ohne- ischen Seefahrer verarbeitet, ausgestorben). Vier hin knapp gehalten, auch in den biographischen Beispiele auch, die belegen, das die Welt des Teil zu integrieren gewesen wäre. Das sich an- Friedrich Georg Weitsch weitergefaßt war, als es schließende Werkverzeichnis bildet mit rund die Stationen seines Lebens (Geburt, Kindheit, 200 Druckseiten das umfangreichste Segment Jugend in Braunschweig, Ausbildung in Kassel des Buches. Zum Catalogue raisonée zugehörig und Düsseldorf, eine Italienreise 1784-87, ab erweist sich, obschon in den Anhang verbannt, 1799 ständiger Wohnsitz in Berlin) ahnen lassen. die aus 26 Positionen bestehende Liste der ab- Eine Welt, in der die Kunst früh wichtig wurde geschriebenen Werke. Die Publikation wird er- (der Vater, Pascha Johann Friedrich Weitsch, war schlossen durch ein Standort- und Personenregi- gleichfalls Maler), aber nicht mit Unbedingtheit ster. den weiteren Lebensweg diktierte; als Landpfar- rer hätte Weitsch auch gerne gewirkt, wie er ein- Werkverzeichnisse gehören zu den ebenso un- mal bekannte. entbehrlichen wie undankbaren kunsthisto- 1 Buchrezension 25. Mai 2006 Book Review Editor: C. Sedlarz rischen Textsorten. Ihre Erstellung ist mühsam rigen Anfangsphase in Berlin durchaus förder- und sobald sie publiziert sind, treten sie in die lich gewesen ist und von den Konkurrenten, die Phase ihrer Revisionsbedürftigkeit ein. Im Falle in der Regel auf ein Fach festgelegt waren, kri- von Friedrich Georg Weitsch, der in der kunst- tisch beäugt wurde (46). Weitsch wurde in der historischen Forschung ungleich weniger Auf- preußischen Hauptstadt ein Maler für (fast) alle merksamkeit als sein Vater erfahren hat, konnte Fälle: Sein erster großer Publikumserfolg, das der Autor immerhin auf die wichtige Vorarbeit Doppelporträt der büstenschmückenden Prinzes- von Annette Müller-Klocke zurückgreifen, die sinnen, war ein Kunststück auch in dem Sinne, in ihrer gleichfalls an der Freien Universität daß Weitsch ‚lebensechte‘ Konterfeis der jungen entstandenen, aber unveröffentlicht gebliebe- Frauen schuf, ohne daß die Kronprinzessin und nen Magisterarbeit von 1990 gleichsam eine ihre Schwester dem Maler auch nur einmal Mo- Grundsicherung des Œuvres geleistet hat. Den dell gesessen hätten. Allerdings teilte Weitsch dort verzeichneten Bestand konnte Lacher um damals das Domizil mit Johann Gottfried Scha- etwa das Doppelte erweitern; sein Katalog weist dow, unter dessen Hand das Gipsmodell für sei- 583 Werke nach. Dieser an sich erfreuliche Zu- ne nachmals gefeierte Prinzessinnengruppe ent- wachs relativiert sich indessen erheblich, wenn stand. Insofern begab sich Weitsch mit seinem man bedenkt, daß für etwa 230 Arbeiten der ak- ambitionierten portrait historié in einen (freund- tuelle Verbleib nicht zu ermitteln war. Darunter schaftlich ausgetragenen) Wettstreit der Gat- befi nden sich Stücke, die überhaupt nur archiva- tungen - ein rekurrentes Motiv seines Schaffens. lisch belegt sind (etwa durch eine Erwähnung in Und als der Akademieprotektor Friedrich Anton Weitschs Nachlaßinventar) und andere, die nach von Heinitz dem siechenden Historienfach sei- dem zweiten Weltkrieg als verschollen gelten ne besondere Förderung zuteil werden ließ, war müssen. Stellt man zudem in Rechnung, daß ein Weitsch unter anderem mit der Darstellung eines großer Anteil von Weitschs Œuvre in Privatbe- germanischen Opferfestes auf den Höhen des sitz befi ndlich ist, läßt sich vermuten, daß die Harzes zur Stelle (1797/98), eine Mischung aus Erstellung des Werkverzeichnisses mit einem patriotischem Historien- und vaterländischem erheblichen Rechercheaufwand und - angesichts Landschaftsbild, dem der Künstler seine Ernen- der vielen nicht (mehr) nachweisbaren Werke - nung zum Akademierektor verdanken sollte. Der nur mit einer hohen Frustrationstoleranz zu be- „Disparität“ der Weitsch‘schen Themen beschei- wältigen gewesen ist. Die in die obligatorischen nigt Lacher „Methode“ (12), insofern sich hier Dankesworte (7) eingefl ossene Bemerkung des ein unübersehbar strategisches Kalkül zu erken- Autors, ausgerechnet in Weitschs Heimatstadt nen gibt: Der Künstler war, so hieße wohl die Braunschweig habe er bei seinen Recherchen heutige merkantile Wendung für diesen Sach- „neben Unterstützung auch Hinderung“ erfah- verhalt, breiter aufgestellt als die Konkurrenz ren, läßt ahnen, daß sich hinter dem vielfach zu und betrieb pragmatisch die Nivellierung der lesenden Verzeichnisvermerk „Verbleib unbe- Gattungshierarchie, für deren kunsttheoretische kannt“ wohl nicht selten fruchtlose Bemühungen Gültigkeit die Akademie offi ziell noch immer um den in Privatbesitz befi ndlichen Teil von einzutreten hatte. Weitschs Werk verbergen. Da Weitsch in seinem malerischen Schaffen Mit 256 Arbeiten (davon 158 heute nachweis- kaum eine der klassischen Bildgattungen un- bar) bilden die Porträts die größte Werkgruppe berührt gelassen hat, war hier einiges an gen- des Verzeichnisses. Es folgen Landschafts- und respezifi schen Traditionssträngen und Theorie- Tierdarstellungen (128 Werke) sowie Historien bildungen aufzuarbeiten. Lacher referiert diese (71 Werke). Lacher legt dar, daß die Diversifi zie- Kontexte knapp und gleichwohl präzise, seiner rung seines Bildangebots Weitsch in der schwie- Leserschaft redundante Ausführungen zu Gat- 2 Buchrezension 25. Mai 2006 Book Review Editor: C. Sedlarz tungstraditionen und -hierarchien ersparend. Die keineswegs Instanzen der Tyrannei, von denen er Lektüre wird nicht nur erleichtert, sondern nach- sich pathetisch hätte lossagen müssen. Auftrags- haltig stimuliert durch eine souveräne stilistische arbeiten für Gewerbe und Manufakturen waren Durchformung der beschreibenden und analy- ihm offenkundig keine knechtischen Brotarbei- tischen Passagen. Die unleugbaren repetitiven ten, die ihn an der Ausübung seiner wahren Be- Tendenzen im Schaffen von Friedrich Georg rufung gehindert hätten. Nirgendwo ist spürbar, Weitsch (Lacher bezeichnet diesen Sachverhalt daß Weitsch an einer Diskrepanz zwischen den vornehm als ‚topisch‘), haben glücklicherweise eigenen Ansprüchen und den gegebenen Bedin- nicht auf die sprachliche Verfassung der Studie gungen ihrer Realisierbarkeit gelitten hätte. Als abgefärbt, diese bleibt durchgängig von einem Künstler und Bürger, Maler und Beamter schei- hohen Grad an Differenzierungsvermögen und nen ihm - offenbar in kluger Selbsteinschätzung gedanklichem Nuancenreichtum geprägt. seines Potentials - hochfahrende Autonomiean- sprüche ebenso fremd gewesen zu sein wie jed- Gegenüber der aus einer profunden Quellenkennt- wede Erneuerungs- und Umsturzrhetorik. nis geschöpften biographischen Betrachtungs- weise hält sich der Verfasser mit vergleichend- Allerdings müssen diese Befunde mit der ge- typologisierenden Betrachtungen zu Leben und botenen Vorsicht formuliert werden. Denn ein Werk erkennbar zurück. Legt man die zumeist an Hauptproblem bei jeder Beschäftigung mit dem den Verhältnissen in den Kunstmetropolen Rom, Künstler liegt darin, daß die umfänglichste zeit- Paris und London gewonnenen Muster künstle- genössische Quelle, ein Eintrag in Hans Heinrich rischen Rollenverhaltens des späten 18. und frü- Füsslis Allgemeinem Künstlerlexikon
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