Archiv Für Naturgeschichte
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© Biodiversity Heritage Library, http://www.biodiversitylibrary.org/; www.zobodat.at Bericht über die wissensciiaftliciieii Lei- stuiigeii im Gebiete der Kiitoinolog^ie wälv reiid deis Jalirei§ I§55. Von llr« A» Oerstaecker in Berlin. 1. Insekten» Das wichtigste allgemeine Resultat, welches die Mikro- skopie der letzten Jahrzehnde erreicht hat , besteht darin nachgewiesen zu haben, dass die primitiven Elemente aller den beiden organischen Naturreichen angehörenden Körper in ihrem Wesen durchaus übereinstimmen und dass die Na- tur zur Herstellung ihrer verschiedenartigsten Formen sich stets der einfachsten und unter sich übereinstimmendsten Mittel bedient hat. Dass die Botanik hierin der Zoologie in mehrfacher Beziehung vorausgeeilt ist, möchte trotzdem, dass Schieiden (Grundzüge der wissenschaftlichen Botanik) in öfterer Wiederholung seinen Fachgenossen das Gegentheil vorwirft, wohl kaum zu bestreiten sein; mindestens müsste dies für einen der wesentlichsten Theile der Physiologie, die Kenntniss vom Befruchtungsakte zugegeben werden, der in der Botanik bereits seit länger als dreissig Jahren bekannt ist, während er in der Zoologie erst gegenwärtig eine feslere Gestaltung anzunehmen beginnt. Auch in diesem Vorgange weisen die neuerlich im Bereiche der Thiere anffestelltcn Untersuchungen eine vollkommene Analogie zwischen beiden Naturreichen nach ; denn gerade wie bei den Pflanzen der Pollenschlauch sich als befruchtendes Element durch die Mi- kropyle der Samenknospe zur Vcrmilllung eines innigen Con- © Biodiversity Heritage Library, http://www.biodiversitylibrary.org/; www.zobodat.at 122 Gerstaecker: Bericht üb. d, Leistungen in d. Entomologie takles mit dem weiblichen Keime hineindrängt , so findet nach den reichhaltigen und fast zu gleicher Zeit angestellten Un- tersuchungen von Meissner und Leuckart über das Ei der Gliederthiere ein Eindringen der Spermatozoon in den Dolter statt, und zwar durch eine ganz ähnliche, die beiden Eihäute durchsetzende Oeffnung , welcher hier in gleicher Weise der Name einer Mikropyle beigelegt wird. Die beiden Abhandlungen, in welchen jene wichtige Entdeckung niedergelegt ist, sind; 1) Beobachtungen über das Eindrin- gen der Samenelemente in den Dotter, No. II. von G.Meiss- ner (Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie , VI. Band, p. 272—295. Taf. IX.) und 2) Ueber die Mikropyle und den feineren Bau der Schalenhaut bei den Insekteneiern, zugleich ein Beitrag zur Lehre von der Befruchtung, von R. Leu- ckart (Archiv für Anatomie und Physiologie, Jahrgang 1855. p. 90—264. Taf. VII—XI). — Während dem ersteren der beiden Verfasser hauptsächlich das Verdienst gebührt, das Vorkommen der Mikropyle an den Eiern der Gliederthiere zuerst nachgewiesen zu haben, (sie wird von ihm an 17 In- sekten verschiedener Ordnungen und unter den Crustaceen an Gammarus pulex beschrieben und dargestellt) — gewährt die Abhandlung von Leuckart durch den ausserordentlichen Reichlhum an Untersuchungen zugleich die Ucberzeugung, dass jener Apparat wenigstens bei den eigentlichen Insekten eine ganz allgemeine Verbreitung hat, wenn er sich auch sowohl der Lage als der Zahl der OefTnungen nach in sehr mannig- facher Weise darstellt. Der Verf. hat ihn bei 180 verschiede- nen Arten nachgewiesen und bei mehreren zugleich das Mo- ment des Eindringens der Spermafozoen, welche sich in Form eines Pfropfes zusammengeballt in die Mikropyle hineinsen- ken, beobachtet. Der Nachweis dieses Vorgangs, welcher auch von Meissner an einem Ei der Musca vomitoria ge- sehen wurde , das sich in der Vagina gerade bei der Mün- dung des Receplaculum seminis vorfand, ist deshalb von gros- ser Bedeutung, weil er die Naiur der Mikropyle ausser allen Zweifel stellt; denn bei einigen anderen Thieren war zwar die Mikropyle selbst schon gesehen worden (Hololhurien, Seeslerne, Würmer, Bivalven), der Akt des Eindringens der © Biodiversity Heritage Library, http://www.biodiversitylibrary.org/; www.zobodat.at während des Jahres 1855. 123 Samenfäden durch dieselbe dagegen noch unbekannt. Da die Leucliarl'schc Arbeit von weit beträchtlicherem Umfange als die Meissner'sche ist und diese mit in Betracht zieht, so wird es genügen, sie hier vorzugsweise zu berücksichtigen und einen kurzen Ueberblick über ihre Hauptresullale zu geben. Während Meissner nach den von ihm untersuchten Insekten- eiern zu der Ansicht gelangt war, dass der Mikropylen-Apparat stets eine einfache und an dem oberen Eipole gelegene Ueffnung darstelle, die sich je nach den Arten nur durch verschiedene Struktur ihrer Umgebung auszeichne, hat sich Leuckart durch Untersuchung eines grösseren Materials davon überzeugt, dass sowohl die Lage der Mi- kropyle als auch die Anzahl solcher Oeffnungen bei verschiedenen Insekteneiern eine sehr verschiedene sei, und zwar in der Art, dass die Anordnung des Mikropylen-Apparates eine den natürlichen Insek- tengruppen entsprechende ist, so dass man aus derselben sogar nö- thigen Falls sichere Schlüsse auf die systematische Stellung zwei- felhafter Formen machen kann. Die einzige Insektenordnung , bei welcher Leuckart die Mikropyle durchweg als einfache, am vor- deren Pole gelegene OefFnung gefunden hat, sind die Diptera ; in allen übrigen kommen entweder überwiegend (Hemiptera, Neuroptera, ColeoptcraJ oder beständig mehrere Oeffnungen vor (Lepidoptera, Hymenoptera). Am vorderen Pole oder wenigstens nicht weit von ihm entfernt liegen diese Oeffnungen bei den Hemipteren, Lepidopte- ren und Coleopteren, in einigen Fällen zugleich am hinteren Pole bei den Neuropteren , gewöhnlich in grösserer Entfernung von dem vorderen Pole und zwar entweder nur auf der convexen Bauchfläche oder im ganzen Umkreise des Eies bei den Orthopteren. Wo meh- rere Oeffnungen vorhanden sind , stehen sie bald unregelmässig ne- ben einander, bald kranzförmig, oft auch in einer gemeinschaftlichen Centralgrube (Lepidoptera) ; die Canäle durchbohren bei regelmässi- ger Stellung der Mikropylen die Eihäute meist in radiärem Verlaufe, sonst mehr oder weniger senkrecht. Nur bei den Hymenopteren, wo sich lange, aber äusserst feine Canälchen finden , verlaufen diese in fast paralleler Richtung eine Strecke weit unter der Oberfläche des Chorion dahin, so dass ihre inneren Oefl'nungen fast mit dem Mittel- punkte des vorderen Poles zusammenfallen, während die äusseren in einiger Entfernung von demselben an der Rückenfläche gelegen sind und gewöhnlich eine ziemlich regelmässige Bogenreihe zusammen- setzen. — Die Untersuchung der Mikropyle bei den Insekteneiern machte zugleich ein näheres Eingehen auf die Struktur der Eihäute, ihre Anhängsel, die Beschaffenheit der OberfläcÜc und die vcrschie- dcnen Formen der Eier nötliig , und der Verf. hat somit durch spe- ciellc Untersuchung aller dieser Verhältnisse bei den von ihm bcob- © Biodiversity Heritage Library, http://www.biodiversitylibrary.org/; www.zobodat.at 124 Gerstaecker: Bericht üb. d. Leistungen in d. Entomologie achteten Arten gleichsam eine vollständige Monographie des Insek- teneies geliefert. Da die innere (Dotter-) Haut sich durchweg als homogene, zarte Membran darstellt, so war es vorzüglich das Chorion, welches durch die Mannigfaltigkeit seiner feineren Texturverhällnisse besonderes Interesse darbot und auf dieses ist denn auch neben dem Mikropylen-Apparat der grösste Theil der Untersuchungen des Verf. gerichtet gewesen ; eine Reihe der interessantesten Formen , welche sich hierbei vorfanden, sind auf den der Arbeit beigegebenen Tafeln dargestellt. Eine zweite für die Befruchtungs - und Fortpflanzungs- Theorie der Insekten höchst wichtige Entdeckung ist die von Dzierzon schon seit längerer Zeit vermuthete, und neuer- lich durch die Untersuchungen von Leuckart und von Siebold ausser allen Zweifel gesetzte Thatsache, dass bei den Bienen neben einer Fortpflanzung durch befruchtete Eier eine solche auch ohne vorhergegangene Befruchtung statt- findet. Wenn die Möglichkeil eines solchen Vorganges bei einem und demselben Individuum schon an und für sich die grösste Verwunderung erregen muss, so wird dieselbe noch durch die besondere Beziehung, in welchem die befruchte- ten und unbefruchteten Eier der Bienenkönigin zu der dar- aus entstehenden Nachkommenschaft stehen, vermehrt. Alle unbefruchteten Eier liefern nämlich ausschliesslich Drohnen, die befruchteten dagegen Königinnen und Arbeiter. Die prak- tische Bienenzucht halte für dieses Verhallen schon seit lan- ger Zeit die schlagendsten Beweise geliefert, indem es fest- gestellt war, dass Königinnen mit verkümmerten Flügeln, die also den Hochzeitsflug nicht ausüben konnten und daher für die Befruchtung durch die Drohnen nicht befähigt waren, Eier abgelegt hatten, aus denen sich Drohnen entwickelten ; ein gleiches war auch an Königinnen beobachtet worden zu einer Zeit , wo sich keine Drohnen im Stocke befanden. Solche Königinnen erwiesen sich nun durch die anatomische Untersuchung als unbefruchtet, d. h. ihr Reccptaculum seminis war nicht mit Spermatozoon angefüllt. Dagegen zeigte sich die Samentasche strotzend von Samen angefüllt bei einer Kö- nigin, die so eben vom Hochzeitsfluge zurückkehrend erbeutet wurde und sich durch die in der Vulva zurückgebliebene, beim Begaltungsakte abgebrochene männliche Ruthe als bc- © Biodiversity Heritage Library, http://www.biodiversitylibrary.org/; www.zobodat.at während des Jahres 1855. 125 fruchtet zu erkennen gab. Eine solche durch eine Drohne befruchtete Königin hat es nun ganz in ihrem Belieben, un- befruchtete oder befruchtete, d.h. Drohnen- oder Arbeiter-, resp. Königinnen -Eier abzulegen; sie wird durch die grös- sere oder geringere Weite der Zelle,