Schirmherr: Jan Lindenau, Bürgermeister der Hansestadt Lübeck und Vormann der Hanse

Es erhub sich ein Streit im Himmel Festmusik der Hansestädte zum Michaelistag

In Kooperation mit Die Debüt-Tournee des Grußwort Europäischen Hanse-Ensembles

Dienstag, 29. September 2020, 18 und 20 Uhr Das gemeinsame Musizieren ist für viele ein fester Lübeck, Dom zu Lübeck ­Bestandteil ihres Alltags. Musik ist nicht nur für das per­ sönliche Wohlbefinden äußerst wichtig, sondern sie ver­ bindet Menschen – auch über Grenzen hinweg. Mittwoch, 30. September 2020, 19 Uhr , Hauptkirche St. Nikolai Der Städtebund DIE HANSE hat sich die Aufgabe gestellt,­ auf der Grundlage des grenzüberschreitenden Hanse­ Donnerstag, 1. Oktober 2020, 18 und 20 Uhr gedankens und der gemeinsamen geschichtlichen Er­ Bremen, Kulturkirche St. Stephani fahrungen den Geist der europäischen Hansestädte und Gemeinden wiederzubeleben, das Eigenbewusstsein der Hansestädte und Gemein­ den zu fördern und die Zusammenarbeit zwischen ihnen zu entwickeln. Die mittel­ Sie können das heutige Konzert und eine Reportage über das alterliche Hanse hat nicht nur Handel und Politik im Norden Europas über mehre­ Projekt am 19. Oktober 2020 ab 20 Uhr auf NDR Kultur hören. re Jahrhunderte geprägt, sie hatte auch maßgeblichen Einfluss auf das kulturelle Zusammenleben und nicht zuletzt die Musik der damaligen Zeit. Das Europäische Hanse-Ensemble widmet sich diesem spannenden Kapitel europäischer Musik­ geschichte und lässt in seinen Konzerten das musikalische Erbe der Hansezeit wie­ der lebendig werden.

Und genau wie damals spielt auch heute der grenzüberschreitende Austausch eine wesentliche Rolle: Bestehend aus internationalen Nachwuchsmusiker:innen formiert sich das Europäische Hanse-Ensemble jedes Jahr neu. Auf der diesjährigen Konzert­ reise trägt das Ensemble die „Festmusik der Hansestädte zum Michaelistag“ in ver­ schiedene Hansestädte und feiert so klangvoll das gemeinsame Kultur­erbe.

In diesem Sinne wünschen wir allen Beteiligten und Gästen eine interessante und abwechslungsreiche musikalische Darbietung, deren Eindrücke bleiben mögen und die Ihnen die Vielfalt, die Originalität aber auch die Verbundenheit der Hansestädte aufzeigt.

Gabriele Schopenhauer Jan Lindenau Stadtpräsidentin Bürgermeister Grußwort Grußwort

Dieses Jahr ist alles anders. Eigentlich sollte das Europä­ische Liebe Freundinnen und Freunde der Hanse-Ensemble schon im Juni seine erste Tournee begin­ Frühneuzeitlichen Musik, nen, in politisch schwierigen Zeiten die Menschen in Europa miteinander verbinden, indem es seine gemein­samen Wur­ die architektonische Signatur der Hanse ist mit der Back­ zeln lebendig auf die Bühne seiner Mitgliedstaaten und in die steingotik so einprägsam, dass man darüber fast die Musik Herzen seiner Bürger:innen trägt. vergisst. Dabei hat die Hanse den Ostseeraum nicht nur sichtbar architektonisch geprägt, sondern auch hörbar Doch dann kam Covid-19 über uns alle und hat unseren All­ durch die Musik. Allein Lübeck hat eine reiche musikalische tag vollkommen verändert. Nahezu alle Lebenslagen sind ein­ Tradition. Schon im Mittelalter hatten die meisten Lübecker geschränkt, viele Menschen existenziell bedroht. Besonders Kirchen Orgeln. Die intensive Pflege der Kirchenmusik führ­ die freie Kunst hat buchstäblich den Boden unter den Füßen te dazu, dass Lübeck in der Frühen Neuzeit eine Stadt der verloren: Von heute auf morgen sind Auftrittsmöglichkeiten ­Musik war. Nicht ohne Grund hatte sich Johann Sebastian und damit auch Einnahmen weggefallen, vor allem aber fehlen die ­Begegnungen Bach bei der Marienkirche vorgestellt, an der so bedeutende Komponisten wie Franz mit dem Publikum und anderen Künstler:innen. Tunder und Dietrich Buxtehude wirkten. Was Bach an Wissen aus Lübeck mitnahm, war grundlegend für seine weitere musikalische Entwicklung. Dass ­Thomas Mann Das Europäische Hanse-Ensemble steht für einen grenzüberschreitenden kulturel­ sich selbst als Romancier zu den Musikern zählte, hatte seine Wurzeln auch in die­ len Austausch, der viele musikalische Stimmen aus Hansestädten in ganz Europa ser Prägung. Noch heute ist Lübeck eine Stadt der Musik, ein Zentrum des Schles­ zusammenführt. Es ist „zu Hause“ im Europäischen Hansemuseum, für das sich die wig-Holsteinischen Musik Festivals mit einer Musikhochschule von Weltruf. Lübecker Possehl-Stiftung schon seit Jahren engagiert. Jetzt ist das Reisen wie­ der möglich, die Kultur macht erste vorsichtige Schritte zurück in unseren Alltag. Als Direktorin des Europäischen Hansemuseums freue ich mich deswegen sehr, Wir hoffen, dass die geplanten Konzerte im September die Musik und Kultur einer dass ein so bemerkenswertes, international aufgestelltes Projekt wie das Europä­ Epoche erlebbar machen können, die gerade jetzt nicht nur historisch faszinierend ische Hanse-Ensemble in unserem Haus residiert. Wir betrachten die Arbeit des sondern ganz besonders aktuell ist: Das Leben um 1600 war, ganz anders als wir es Hanse-Ensembles als optimale Ergänzung unserer eigenen Arbeit als Museum. heute gewohnt sind, von Unsicherheiten und der Allgegenwärtigkeit von Krankheit Denn wir können die Hansezeit jetzt nicht nur sehen, sondern auch hören. und Tod geprägt. Dennoch erfreuten sich die Menschen an Musik. Wie schön, dass Genießen Sie es! das Europäische Hanse-Ensemble diese jetzt in den Lübecker Dom, die Hamburger Hauptkirche St. Nikolai und die Kulturkirche St. Stephani in Bremen tragen kann – Ihre und irgendwann dann auch in andere Länder Europas. Felicia Sternfeld Max Schön Direktorin Europäisches Hansemuseum Lübeck Vorsitzender der Possehl-Stiftung Programm Ausführende

ES ERHUB SICH EIN STREIT Europäisches Hanse-Ensemble Artur Szczerbinin – Orgel Festmusik zum Michaelistag aus Hamburg, Stettin und Danzig Leitung: Barbora Hulcovà – Chitarrone Lukas Oppermann – Chitarrone Paduan à 5 William Brade Étienne Asselin – Zink (Newe ausserlesene Paduanen …, Hamburg 1609) (1560 - 1630) Cornelia Fahrion – Sopran Amelia Shakespeare – Zink Rosalyn Stürzer – Sopran Phillip Edvard Boyle – Posaune Es erhub sich ein Streit à 8 Thomas Selle Erika Tandiono – Sopran Alexandra Mikheeva – Posaune (m.s. Hamburg ca. 1645) (1599 - 1663) Georgia Burashko – Alt Iris Tjoonk – Posaune Lara Morger – Alt Marta Korbel – Violine Dum praeliaretur Michael à 5 Hieronymus Praetorius Christian Volkmann – Tenor (Gast) Vera Otasek – Violine (Cantiones Sacrae …, Hamburg 1599) (1560 - 1629) Jeroen Finke – Tenor Charlotte Schwenke – Viola da gamba Felix Schwandtke – Bass (Gast) Alma Stoye – Viola da gamba Hymnus: Christe Sanctorum Samuel Scheidt Alexander Schuhmann – Bass Polina Malysheva – Dulzian (Gast) (Tabulatura nova, Hamburg 1624) (1587 - 1654)

Factum est silentium à 8 Hieronymus Praetorius (Cantiones Sacrae …, Hamburg 1599) Es erhub sich ein Streit im Himmel

Es erhub sich ein Streit à 14 Die großen kirchlichen Feste wie Weih­ auch als Schutzpatron der Reisenden (entstanden Hamburg ca. 1665) (ca. 1616 - 1674) nachten, Ostern, Himmelfahrt oder und Kaufleute und musste insofern den Pfingsten gliederten das gesellschaft­liche hanseatischen Fernhändlern besonders Turba magna, quae stabat ante thronum à 6 Philipp Dulichius Leben in den vergangenen Jahrhunderten nahe­stehen. Vielleicht sogar bedeutsamer (Centuriae senarum vocum I, Stettin 1639) (1562 - 1631) sehr viel stärker, als die meisten von uns war jedoch die Tatsache, dass sein Fest­ sich das heute noch vorstellen können. tag mit dem Ende des ­Geschäftsjahres Fantasia prima à 3 (Orgelsolo) Geistliches und weltliches Leben­ waren und dem jährlichen Rechnungsabschluss (Danzig ca. 1630) (1586 - 1666) ineinander verwoben und der regelmä­ zusammenfiel, sich also für die reichen ßige Kirchgang bildete eine Konstante Pfeffersäcke Gelegenheit bot, vor Gott Canzon à 8 Paul Siefert im Tages- und Jahres­rhythmus der Men­ Rechenschaft abzulegen, für die guten (Danzig 1651) schen. Einnahmen zu danken oder für manch eine kleine Übervorteilung Abbitte zu Es erhub sich ein Streit à 18 Christoph Werner Der Festtag des Erzengels Michael leisten – Michael führte schließlich auch (m.s. Lüneburg) (ca. 1619 - 1650) (29. September) war für die kaufmännisch Buch über die guten und schlechten geprägte Oberschicht der Hanse­städte ­Taten der Gläubigen. Außerdem standen ein besonderes Datum, denn Michael galt die Herbst­stürme unmittelbar vor der Tür, Reeder und Kaufleute, die noch Schiffe Gebrauch auff allerley Instru­ menten­ nicht ten für die musikalische Ausgestaltung können auch die Texte des Michaelis- oder Waren auf hoher See hatten (offiziell ausschloss. der Gottesdienste zuständig und leiteten Hymnus Christe Sanctorum wieder­ wurde die Seefahrt ja erst zum Martinstag die sog. „Organistenmusik“ von der Em­ gegeben werden. am 11. November eingestellt), mussten um Thomas Selle wurde in Mitteldeutsch­ pore aus. Bei der fünfstimmigen Antiphon deren Schutz bitten, die „einfachen Gläu­ land ausgebildet und hatte u. a. Positio­ Dum praeliaretur ­Michael werden die Mit Matthias Weckmann rücken wir dann bigen“ sicher eher um das Wohl­ergehen nen in Heide und Itzehoe inne, bevor er vier Oberstimmen von Bläsern übernom­ bereits in die Mitte des 17. Jahrhunderts ihrer auf See Dienst leistenden Angehö­ 1641 als Kantor des Johanneums nach men, die Basspartie vokal ausgeführt. Die vor. Weckmann stammte ebenfalls aus rigen. Hamburg berufen wurde. Mit dieser Posi­ Motette Factum est silentium ist nach Mitteldeutschland und lernte sein Hand­ tion war zugleich das Amt des Stadtkan­ venezianischem Vorbild im Stile eines werk als Kapellknabe unter Heinrich Und so ist es sicher kein Zufall, dass gera­ tors (Director musices) verbunden. Als ­Giovanni Gabrieli doppelchörig gestaltet. Schütz am Dresdner Hof. Ein Studien­ de aus Hamburg und Danzig, den reichs­ solcher trug er dort Verantwortung über Natürlich waren die modernen Werke aufenthalt führte ihn nach Hamburg, wo ten Hansestädten in der ersten Hälfte des die Musik an allen vier damaligen Haupt­ des Kapellmeisters an San Marco durch er Jacob Praetorius und Heinrich Scheide­ 17. Jahrhunderts, besonders prächtige kirchen (in turnusmäßigem Wechsel) und internationalen Handel längst in der Han­ mann (s. o.) kennenlernte. 1655 bewarb er Kompositionen zum Michaelis­fest über­ hinterließ ein umfangreiches Oeuvre für sestadt angekommen und forderten die sich erfolgreich um die Organistenstelle liefert sind. Die den ­Werken zugrunde unterschiedlichste vokal-­instrumentale hiesigen Komponisten zur Nachahmung an St. Jacobi und gründete 1660 das En­ liegenden Texte sind der Apokalypse des Besetzungen. Nachfolger in seinem heraus. semble Collegium musicum, dem er eine Johannes entnommen und schildern den Amt waren ­Christoph Bernhard, später Sammlung von Instrumentalsonaten wid­ Kampf des Erzengels mit den Mächten des G. P. ­Telemann und C. P. E. Bach. Seine Samuel Scheidt stammte aus Halle (Saa­ mete. Von Weckmanns geistlichen Kon­ Bösen. In dramatischer Weise schildert Komposition zum Titeltext unseres Kon­ le). Ein mehrjähriger Studienaufenthalt zerten ist wahrscheinlich nur ein Bruch­ die Bibel Michaels Kampf mit dem Dra­ zertes ist in doppelchöriger Manier aus­ bei Jan Pieterszoon Sweelinck führte ihn teil erhalten. Sein Werk Es erhub sich ein chen, der endlich auf die Erde geworfen geführt. an die Oude Kerk nach Amsterdam. Bei Streit ist deutlich dramatischer angelegt und besiegt wird, eine Legende, die auch Sweelinck, weithin bekannt als Organis- als die Komposition Thomas Selles. Einer bildende Künstler (u. a. ­Albrecht Dürer) zu Hieronymus Praetorius entstammte tenmacher oder Orpheus von Amsterdam Eingangssinfonie, die durch Tonrepetiti­ beeindruckenden Werken inspiriert hat. einer bedeutenden Hamburger Musiker­ gingen Organisten aus ganz Europa in die onen bereits das kämpferische Element

dynastieQuelle: Wikipedia/gemeinfrei und wirkte als Organist an Lehre, unter ihnen auch mehrere Hambur­ hervorhebt, folgt ein aufgewühlter, fugen­ Der englische Violin- und Gamben­ St. Jacobi. Ihm stand eines der größten ger Musiker, so zum Beispiel Jacob Prae­ mäßig konzipierter Teil für neun Singstim­ virtuose William Brade wirkte u. a. am Orgelinstrumente der damaligen Zeit zur torius (Sohn des ­Hieronymus), Heinrich men und In­ ­strumente. Plastisch werden Kopenhagener, Brandenburgischen, Verfügung, ein Werk mit 56 Registern, von Scheidemann oder auch Paul Siefert (s. u.). der Drache selbst (Bass-Solo) und die ­Bückeburger und Gottorfer Hof. Zwischen denen Arp Schnitger in seinem Neubau Scheidts berühmte in Hamburg gedruck­ Engel (zwei ­Soprane) illustriert, bevor das 1608 und 1615 war er Mitglied des be­ um 1690 noch zahlreiche Pfeifenreihen te Sammlung Tabulatura nova ist eigent­ Tutti am Ende in die Freude über den Sieg rühmten Instrumentalensembles Ham- wiederverwendete. Praetorius schuf aber lich „In Gratiam Organistarum adornata“, einstimmt. burger Rathsmusik, er veröffentlichte in nicht nur Orgelwerke, sondern hinterließ also für die Orgel verfasst, eignet sich der Hansestadt mehrere Bände mit Ins­ ein großes Konvolut an motettischer Vo­ durch die konsequente Wiedergabe der Auf dem Weg nach Danzig machen wir trumentalmusik, Suitensätze und Intra­ kalmusik. Wenn der Stadtkantor an einer Einzelstimmen in Form einer Partitur je­ kurz in Stettin Station. Wie in anderen den, die er – naturgemäß – insbesondere anderen Hamburger Hauptkirche musi­ doch hervorragend zur Wiedergabe durch an der Ostsee gelegenen Hansestädten auff Fiolen komponiert hatte, jedoch­ den zieren ließ, waren die jeweiligen Organis­ ein gemischtes Ensemble. Auf diese ­Weise (Rostock, Stralsund, Königsberg, Riga) herrschte auch hier ein reges Musik­ aufzuspielen hatten und folgt stilistisch Vokaltexte leben. Philipp Dulichius, der „pommer­ norditalienischen Vorbildern, etwa den In­ sche Lassus“, komponierte im Stil der strumentalwerken eines Giovanni­ Gabrieli. Vokalpolyphonie der Spätrenaissance Die Kombination eines hohen mit einem Es erhub sich ein Streit im Himmel: und hinterließ mehrere große Motetten­ tiefen Chor repräsentiert den Farben­ Michael und seine Engel stritten mit dem Drachen. sammlungen. Dulichius war als Kantor reichtum des früh­barocken Instrumen­ Und der Drache stritt und seine Engel und siegeten nicht; am Fürstlichen Pädagogium ­angestellt, tariums und illustriert­ auch die Vorliebe auch ward ihre Stätte nicht mehr funden im Himmel. zudem für die Musik an der Marienkirche dieser Zeit für tiefe Klänge. Und es ward ausgeworfen der große Drache, und am pommerschen Hof zuständig. Das die alte Schlange, die da heißt der Teufel und Satanas, Werk Turba magna ist seinem opus ulti- Mit Christoph Werners großartiger Ver­ der die ganze Welt verführet; mum entnommen. Die Textaus­deutung tonung des Titeltextes ist sicher ein Höhe­ und ward geworfen auf die Erde; ist eher sublim, da die polyphone Satzart punkt in der Concerto-haften Komposi­ und seine Engel worden auch dahin geworfen. wenig Spielraum für plastische Affekte tionstradition des Frühbarock erreicht. Und ich höret eine große Stimme, die sprach im Himmel: lässt, doch zeugen die Werke von großer Über das Leben des Komponisten ist Nun ist das Heil und die Kraft handwerklicher Reife. wenig bekannt; ein intensives (Schüler-) und das Reich und die Macht unsers Gottes, Verhältnis zu Marco Scacchi ist durch seines Christus worden, Auch Paul Siefert war bei Jan ­Pieterszoon die stilistische Nähe sehr wahrscheinlich; weil der verworfen ist, Sweelinck in Amsterdam in die Lehre ge­ verbürgt ist u. a. seine Anstellung an der ­ der sie verklaget Tag und Nacht für Gott. gangen (s. o.). Er hatte dann von 1623 an St. Katharinenkirche in Danzigs Altstadt. Und sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut das Organistenamt an der Marienkir­ Mit zwei Instrumental- und drei Vokal­ und durch das Wort ihres Zeugnisses; che in Danzig inne. Mit seinem dortigen chören unterschiedlicher Klangfarbe be­ und haben ihr Leben nicht geliebet bis an den Tod. Amtskollegen Kaspar Förster (d. J.) und dient sich der Komponist aller seiner Zeit Darum freuet euch, ihr Himmel, und die darinnen wohnen! mit Marco Scacchi, dem Leiter der kö­ zur Verfügung stehenden musikalischen (Offenbarung 12, 7-12; nach Martin Luther) niglichen Kapelle in Warschau, lieferte Ausdrucksmöglichkeiten. Fantasiereiche er sich heftige schriftliche Attacken um Instrumentalritornelle und kleinere solis­ stilistische Fragen der Komposition und tische Passagen kontrastieren mit mäch­ Dum praeliaretur Michael archangelus Als der Erzengel Michael mit dem Dra- erwies sich dabei als ein überaus streit­ tigen Klangblöcken. Die einzige Quelle cum dracone, audita est vox dicentium: chen kämpfte, hörte man eine Stimme, barer Charakter. In seiner dreistimmigen für Werners Komposition ist eine aus Salus Deo nostro! Alleluia. die sprach: Heil unserem Gott! Halleluja. Fantasia für ­Orgelsolo ist eine deutliche den 1640er Jahren stammende Partitur Dum committeret bellum draco Als der Drache den Kampf aufnahm Nähe zu den Orgelwerken Sweelincks, im handschriftlichen sog. Weckmann-­ cum Michaele archangelo, mit dem Erzengel Michael, hörte seines niederländischen Lehrers, nicht zu Manuskript, das in der Rats­bibliothek zu audita est vox milia milium dicentium: man die Stimme tausend mal Tausender: überhören. Die achtstimmige Canzon ist Lüneburg bewahrt ist. Ein schönes Indiz salus Deo nostro! Alleluia. Heil unserem Gott! Halleluja. das einzige überlieferte Werk Sieferts für dafür, dass die Grenzen zwischen protes­ (Antiphon zur Michaelisvesper) Instrumentalensemble.­ Wahrscheinlich tantischer (Hamburg) und katholischer ist es für das Ensemble der Ratsmusiker (Danzig) Kirchenmusik selbst in Zeiten des komponiert, die regelmäßig im Artushof Dreißigjährigen Krieges fließend waren.

Manfred Cordes Christe sanctorum decus angelorum, Christus, Zierde der heiligen Engel, Turba magna quae stabat ante thronum Eine große Schar stand vor dem Thron Autor humani generisque rector, Schöpfer und Lenker des menschlichen et in conspectu agni clamabat voce und rief im Angesicht des Lammes Supplices nobis tribuas rogamus Geschlechts, inständig bitten wir dich: magna dicens: Salus Deo nostro, qui mit lauter Stimme: Heil sei unserem Scandere coelum. lass uns zum Himmel aufsteigen. sedet super thronum, salus agno, qui Gott, der auf dem Thron sitzt, Heil dem librum aperuit. Lamm, das uns die Schrift eröffnet. Angelos sanctos iubeas ubique Befiehl, dass die heiligen Engel überall Esse custodes vigilesque nostros unsere Wächter und Hüter seien, Et omnes angeli stantes in circuitu throni Und alle Engel, die um den Thron stan- Impetus contra Satanae malignos gegen die bösartigen Angriffe des adoraverunt eum dicentes: den, beteten ihn an und sprachen: Insidiasque ­Satans und dessen Missgunst. Benedictio et claritas et sapientia Preis und Ruhm, Weisheit und Dank, et gratiarum actio, honor, virtus et forti­ Ehre, Stärke und Kraft sei unserm Herrn Ut tuum verbum doceatur apte Damit dein Wort auf rechte Weise tudo Deo nostro in saecula saeculorum. von Ewigkeit zu Ewigkeit, Nulla perversi valeatque secta gelehrt wird und keine Sekte falschen Amen. Amen. Dogmatis nostros pietate ficta Glaubens erstarke, die unsere Sinne mit (nach Offenbarung 7, 9-12) Fallere sensus. erlogener Frömmigkeit täusche.

Angelus quondam Michael triumphum Wie einst der Engel Michael seinen Sieg Regibus Persis reparavit, idem über die persischen Könige erneuerte, Publicam pacem tueatur omni so möge er uns den Frieden täglich Tempore nobis. bewahren für alle Zeit.

Angelus vitam regat universam, Möge der Engel über alles Leben herr- Adiuvet nostros simul et labores schen, möge er zugleich unseren Mühen Cuncta quo possunt tibi comprobari, beistehen, auf dass sie gänzlich dir Christe, precamur. willkommen sind, so bitten wir, Christus. (Hymnus zum Michaelistag)

Factum est silentium in coelo, Und es war eine Stille im Himmel, als dum committeret bellum draco der Drache den Kampf begann mit cum Michaele archangelo; dem Erzengel Michael. Und man hörte audita est vox milia milium dicentium: die Stimme tausendmal Tausender, Laus, honor et virtus omnipotenti Deo. die sprach: Lob, Ehre und Macht dem allmächtigen Gott.

Milia milium ministrabant ei Tausend mal Tausend dienten ihm und Et decies centenamilia assistebant ei. zehnmal Hunderttausend standen ihm Audita est vox … bei. Und man hörte die Stimme ... (Sequenz zum Michaelistag) Das Europäische Hansemuseum Lübeck Top-Adresse für die Geschichte der Hanse

Wer Lübeck und die Geschichte des Ostseeraums verstehen will, kommt an der Hanse nicht vorbei. Im Europäischen Hansemuseum wird ihre Geschichte inszeniert. Die Hansestädte im Norden Europas mit Lübeck an der Spitze waren Zentren wirtschaftlicher Macht und bürgerlichen Wohlstands. Zugleich begüns­ tigte der Handelsverbund der Hanse eine vielschichtige Blüte der Kultur – auch der Musik. Das Europäische Hansemuseum stellt diese Kultur und ihre Ursprünge anschaulich dar. An kaum einem anderen Ort kann man in dieser Intensität und Inszenierung die Hanse kennenlernen.

Seit Mai 2015 können sich große und kleine Entdecker:innen im Europäischen Hanse­museum auf eine Reise in die Geschichte begeben. Das Kernstück des Hauses ist die Dauerausstellung über die Hanse. Geschichte wird im Europäischen Hanse­ museum nicht ausgestellt, sondern aufwendig in Szene gesetzt. Die Besucher:innen tauchen in eine Ausstellung ein, die sie in eine andere Zeit versetzt. Die Inszenie­ rungen wechseln sich mit Kabinetten mit Texten, Objekten und Dokumenten ab. Man taucht in den Inszenierungen ein in das Leben der Kaufleute, die Geschichte gemacht haben! Die Ausstellung gliedert sich nach den wichtigsten Kontoren der Hanse in Nowgorod, Bergen, Brügge und London. Schon die Lage dieser Kontore zeigt, dass die Hanse ein Phänomen von europäischen Ausmaßen war. An solchen überraschende Details und Erkenntnissen ist die Ausstellung reich. Wer nach dem Besuch von der Dachterrasse des Museums über den Hafen blickt, sieht die Hanse mit anderen Augen.

Der Neubau des Museums integriert das historische Burg­kloster, das Sitz eines Dominikanerkonvents war. Mit seinen Gewölbemalereien ist es eine der bedeutendsten Klosteranlagen Norddeutschlands. Für die gelungene Integration der historischen Anlagen wurde das Europä­ ische Hansemuseum mit mehreren Architekturpreisen ausgezeichnet. Mit einer angeschlossenen Forschungs­ stelle, zahlreichen Sonderausstellungen und Vorträgen trägt das Europäische Hanse­museum dazu bei, die bleibende Relevanz der Hanse sichtbar zu machen. So wird die Hanse zur Inspiration für Gegenwart und Zukunft. Das Europäische Hanse-Ensemble in diese Spezialisierung. Für die wenigs­ sie internationale Kontakte knüpfen, ten unter ihnen wird es eine feste Stelle lernen ihre eigene Leistung einzuordnen Ein vereintes Europa, das sich seiner September 2019 in Kooperation mit der z. B. in Berufsorchestern geben, sondern und die Werke einer Epoche kennen, die gemeinsamen kulturellen Wurzeln und Musikhochschule Lübeck stattfanden. die jungen Musiker:innen werden als abseits des Mainstreams liegt, jedoch Werte bewusst ist: Ein Traum, der ak­ Ca. 50 Bewerber:innen konnte eine Zu­ „Freelancer“ in verschiedenen Ensem­ zu den Wurzeln unserer europäischen tuell in immer weitere Ferne zu rücken sage erteilt werden, unter denen dann bles und Konstellationen arbeiten. Im ­Kultur zurückführt. scheint. Die einende Kraft der Musik wiederum 20 Nachwuchsmusiker:innen Europäischen Hanse-Ensemble können kann helfen Grenzen zu überwinden. Im ausgewählt wurden, um im Jahr 2020 16. und 17. Jahrhundert existierte in Eu­ an der ersten Konzerttournee teilzuneh­ ropa eine allgemeine musikalische Spra­ men. Diese sollte im Juni durch sechs Manfred Cordes che, wohl angereichert mit lokalen Vor­ Hansestädte bis nach Danzig führen, lieben und Besonderheiten, doch ohne musste jedoch wegen der Pandemie Manfred Cordes ist Spezialist für die nationale Abgrenzungen. Dieses wurde kurzfristig verschoben werden. Und so Musik des 16. und 17. Jahrhunderts und durch die existierenden Handelswege zu sehen sich die jungen Leute aus zahlrei­ versteht sich als Mittler zwischen Musik­ Wasser und zu Lande gefördert, wie sie chen europäischen Ländern erst jetzt im wissenschaft und musikalischer Praxis. im Norden insbesondere von den Kauf­ Herbst wieder zu Konzerten in immerhin Er studierte Schul- und ­Kirchenmusik leuten der Hanse genutzt wurden. Das drei bedeutenden Hansestädten. in Hannover und Berlin, Klassische Projekt Europäisches Hanse-Ensemble, Philologie und Gesangspädagogik. Als 2019 ins Leben gerufen, möchte die­ Das Ensemble besteht aus Vokalsolist:in­ Sänger, Continuospieler und Posaunist se gemeinsame Vergangenheit wieder nen und historischen Instrumenten und wirkte er in verschiedenen Ensembles­ stärker ins Bewusstsein rücken, das erarbeitet musikalische Werke des 16. für Alte Musik mit. Professor für Musiktheorie an die Hoch­ musikalische Repertoire der Hansestäd­ und 17. Jahrhunderts, die in den Han­ schule für Künste Bremen berufen. Dort te erschließen und es für die Menschen sestädten überliefert sind. Die Mitglie­ 1993 gründete er das Ensemble leitete er als Dekan von 1996 bis 2005 unserer Zeit erlebbar machen. der haben an unterschiedlichen Hoch­ ­WESER-RENAISSANCE BREMEN. Weit den Fachbereich Musik, von 2007 bis schulen studiert, die einen Studiengang über 50 CD-Einspielungen in verschie­ 2012 war er Rektor der Hochschule. Über 100 junge Musiker:innen aus ganz für Alte Musik anbieten (u.a. Basel, Den denen Besetzungen dokumentieren das Europa hatten sich zur Teilnahme an Haag, Wien, London, Bremen, Leipzig) breitgespannte Repertoire des Ensem­ Manfred Cordes ist Initiator und Meisterkursen gemeldet, die unter der und sich spezialisiert auf Instrumente bles und eine anerkannte Expertise auf künstle­rischer Leiter des Projektes Leitung renommierter Spezialist:in­ wie Barockvioline, Zink, Viola da gamba, dem Gebiet der Aufführungspraxis der EUROPÄISCHES­ HANSE-ENSEMBLE. nen auf dem Gebiet der Alten Musik im Barockposaune oder auf das Continuo­ Musik zwischen 1500 und 1700. Seine besondere Affinität zur nord­ spiel auf der Laute oder der Orgel. deutschen Musik, das Interesse an der 1986 war Manfred Cordes an der Grün­ ­Geschichte der Hanse als ein europaweit Selten gibt es an einer einzelnen Hoch­ dung der Akademie für Alte Musik agierendes Netzwerk und sein Engage­ schule Gelegenheit, groß besetzte Kom­ ­Bremen beteiligt. Er wurde 1991 mit ei­ ment für die Professionalisierung junger positionen wie in unserem heutigen Pro­ ner Arbeit über den Zusammenhang Musikerinnen und Musiker mündeten in gramm aufzuführen, denn nur relativ von Tonart und Affekt in der Musik der der Idee für ein Projekt, das alle diese wenige Studierende wagen den Schritt Renaissance promoviert und 1994 als Aspekte­ vereint. Dank Projektförderer und -partner:

Mein persönlicher Dank gilt allen Personen und Institutionen, die meine Mitarbeite­ rin Sarah Hodgson und mich bei der Realisierung dieses komplexen Vorhabens un­ terstützt haben. Zunächst natürlich unseren Hauptförderern, der Possehl-­Stiftung aus Lübeck, der Karin und Uwe Hollweg Stiftung aus Bremen und einer Hamburger Stiftung, ohne deren substanziellen Beitrag das Projekt gar nicht ­hätte ins ­Leben gerufen werden können. Ferner den Kooperationspartnern wie dem Europäischen­ Hansemuseum Lübeck, den Hochschulen in Lübeck und Bremen und dem NDR ­Kultur, die uns persönlich geholfen, Räume zur Verfügung gestellt, mit ihrem Konzertförderer und -partner: Knowhow beraten, viel guten Willen entgegengebracht und damit zum Gelingen beigetragen haben. Dem Lübecker Bürgermeister Jan Lindenau, zugleich Vormann der Hanse, für die Übernahme der Schirmherrschaft über das komplette Projekt. Den Verantwortlichen des Gesundheitsamtes in Lübeck, die uns in dieser schwieri­ gen Zeit wichtige Ratschläge erteilt haben.

Danken möchte ich auch den Kirchenmusikern der Innenstadtkirchen Lübecks, Conrad Naber die uns für die in der letzten Woche durchgeführten Meisterkurse ihre Kirchen zur Stiftung Verfügung gestellt und damit dafür gesorgt haben, dass es auch im nächsten Jahr wieder Konzerte des (dann freilich in anderer Besetzung auftretenden) Hanse-En­ sembles geben wird. Gleiches gilt für das Zentrum für Kulturwissenschaftliche For­ schung Lübeck (ZKFL), das St. Annen-Museum (St. Katharinen) und das Team von SAME-Network.

Den Kirchenmusikern an St. Nikolai in Hamburg und an St. Stephani in Bremen Bildnachweis: danke ich herzlich, dass sie uns als Gäste empfangen, zugleich den diese Konzerte ›St. Michael‹ von Raffaello (1518), Louvre Museum Paris, unterstützenden Stiftungen (Alfred Toepfer Stiftung F.V.S., Conrad Naber Stiftung). Quelle: Wikipedia/gemeinfrei (Titelseite, S. 8), Lena Morgenstern (S. 5), Allen Helfern „hinter den Kulissen“, Herstellern unserer Partituren (es gibt ja von Olaf Malzahn (S. 14), Thomas Radbruch (S. 15), Sarah Hodgson (S. 16) dieser Musik kaum gedruckte Notenausgaben), Grafikern, Transporteuren, Organi­ sationsbüros, Plakatverteilern und und und … Europäisches Hanse-Ensemble Lassen Sie mich am Ende der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass wir uns zu den Geschäftsstelle – Sarah Hodgson Konzerten im nächsten Jahr unter besseren Bedingungen wiedersehen. c/o Europäisches Hansemuseum An der Untertrave 1 Manfred Cordes 23552 Lübeck Künstlerischer Leiter des Europäischen Hanse-Ensembles www.hanse-ensemble.eu www.hanse-ensemble.eu